Jahresbericht 2021
mu
dra
Jahr
esbe
richt
202
1
Ludwigstr. 6190402 Nürnbergwww.mudra-online.de
Telefon: 0911 8150-150Telefax: 0911 8150-159
Mitglied im PARITÄTischen Wohlfahrtsverband Bayern e.V.akzept – Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik e.V.FDR – Fachverband Drogen und Suchthilfe e.V.
Sparkasse NürnbergIBAN DE74 7605 0101 0001 3345 86BIC SSKNDE77XXX
Spendenkonto:Fördergemeinschaft mudra e.V.Sparkasse NürnbergIBAN DE80 7605 0101 0001 1510 51BIC SSKNDE77XXX
Jahresbericht 2021
mudra
In Anlehnung an das indische Sanskrit:
Eine nach außen hin sichtbare innere Veränderung
Jahresbericht 20212
mudra – Alternative Jugend- und Drogenhilfe e.V.
Ludwigstraße 61
90402 Nürnberg
fon: 0911 8150-150
fax: 0911 8150-159
www.mudra-online.de
Gesamtredaktion: Gilch, Wittmann
Mitarbeit: Abraham, Damescu,
Della Ripa, Dietz,
Duman, Hopperdietzl,
Homann, Leshnin,
Löhner, Kolmstädter,
Örtel, Postler, Rath,
Resing, Rohn, Rösler,
Sell, Siefker, Stecklein,
Woop
Fotos: mudra,
David Häuser,
Alexandre Barcellos,
Rainer Sturm/pixelio
Umschlag/Layout: Jörg Steller
Mediengestaltung
Auflage: 1.250
Erscheinungstermin: Juli 2021
© bei mudra
Texte, auch Auszüge aus diesem Bericht dürfen nur mit Quellenangabe bzw. mit Genehmigung von
mudra verwendet werden.
Impressum
3Jahresbericht 2021
Inhalt
004 Vorwort
006 mudra Rechtsträger
008 mudra Organigramm
010 mudra Jugend- und Drogenhilfe Nürnberg
012 Dankeschön
014 Kooperation, Unterstützung, Förderung und Finanzen
018 Die Neuen
022 Abschiede
028 Schlagzeilen 2020/21
034 Impressionen
036 Pressespiegel
050 Synthetische Cannabinoide auf Cannabisblüten
056 50 Jahre „War on Drugs“
062 mudra|digital
064 Warum die Suchthilfe für Geflüchtete so wichtig ist
070 Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Planens.
072 Durchatmen. mudra Basecamp
074 Gedicht eines Jugendlichen aus dem Basecamp
076 Was ist das Gute am Schlechten? Arbeitsprojekte in der Pandemie
078 „Runter von der Couch“ - Interview mit Alexander S.
080 Maskiert im Knast
082 Eltern, Kinder, Sucht – ein Thema für mudra
084 Gedenktag in der Lorenzkirche
086 Motivation und Stimmigkeit
090 Substitution – Krise nutzen, innovativ handeln!
094 Jahresrückblick der mudra-Streetwork
100 Positionspapier zu PSB
106 Hauptverwaltung
108 Bereich Niedrigschwellige Hilfen und Beratung: Rückblick
110 Kontaktladen
112 Beratungsstelle/Streetwork
114 Externe Suchtberatung JVA
116 enterprise
118 substanz – Substitutionsambulanz
120 subway – Psychosoziale Betreuung für Substituierte
121 update
122 Bereich Ambulante Behandlung: Rückblick
124 cleanEx – Ambulante Therapie & Psychologische Beratung
126 explorer – Ambulant Betreutes Wohnen
127 explorer – Nachsorge-WG
128 Bereich Berufliche Integration: Rückblick
130 Berufliche Integration
132 Tagesjobs
134 Wald & Holz
136 Kreativwerkstätten
138 cleanUp
140 Bereich mudra-Arbeit gGmbH: Rückblick
142 mudra-Arbeit gGmbH – Garten-und Landschaftsbau/Baumpflege
146 Bereich Jugendhilfen: Rückblick
148 Basecamp
152 mudra 2020 in Zahlen
160 Kontaktadressen
164 Beitrittserklärung
Jahresbericht 20214
Liebe Leserinnen und Leser,
dieser Tage ist es nicht so leicht, lustvoll auf ein Jahr zurückzublicken, welches so ganz anders war
als gewohnt und als erhofft – so ungeliebt und kräftezehrend, so erschöpfend und widersprüchlich, so
Kreativität erschaffend und Kreativität erstickend, so... Nein, wir wollen hier nicht den x-ten Corona-
Gesang anstimmen! Doch wie kommen wir dem Thema eigentlich aus? Versuchen wir es!
50 Jahre: War on Drugs! 50 Jahre ist es inzwischen her, dass der amerikanische Präsident
Nixon die Welt in Geiselhaft nahm und seinen Krieg gegen Drogen verkündete. Feiern muss man
dieses Datum wahrlich nicht, denn außer unendlich viel Leid und Elend hat die Kampagne rein
gar nichts gebracht, sollte es jemals darum gegangen sein, Menschen vor den bösen Drogen zu
schützen. Im Gegenteil darf es verwundern, dass die Weltmacht USA kaum 40 Jahre nachdem
The Noble Experiment (Prohibition) krachend gescheitert war, den gleichen Wahnsinn erneut
lostrat. Wobei, diesmal ging es nicht wieder um König Alkohol, sondern diesmal ging es um
Drogen wie Heroin, Kokain und Cannabis.
Apropos Cannabis. Da darf man angesichts des anstehenden Superwahljahrs durchaus ge-
spannt sein, ob bzw. wann und wie eine kontrollierte Freigabe in Deutschland eingeleitet wird.
In nahezu allen Parteiprogrammen demokratischer Parteien finden sich Forderungen nach
Entkriminalisierung, kontrollierter Freigabe oder gar nach der Abschaffung von einschlägigen
Strafrechtsvorschriften. Dass es dabei nicht nur um moralische Ideale geht, sondern auch um
monetäre Werte, ist 50 Jahre nach dem teuren War on Drugs nur allzu verständlich; ein ökono-
mischer Mehrwert liberaler Modelle wird zunehmend wahrgenommen.
Apropos Mehrwert. Seit März 21 läuft die vom bayerischen Ministerium in Auftrag gegebene
SROI-Studie, mit dem Ziel den Mehrwert bayerischer Suchthilfen zu erfassen. Bei den teilneh-
menden Trägern wurde die mudra als einzige niedrigschwellige Drogenhilfe im Bereich illegaler
Drogen für die Kategorie 3 ausgewählt: Vermiedene Sozialleistungskosten und Opportunitätser-träge. Da sind wir also wieder beim schnöden Mammon. Was kostet es die Menschen, die
Gesellschaft, die Haushalte, wenn es kein Hilfeangebot wie mudra gibt? Natürlich geht es in
der Studie nicht originär um die mudra, sondern um einen Querschnitts(mehr)wert bayerischer
Suchthilfen im ambulanten Beratungsbereich. Dem Ansehen und der Anerkennung dieser Hilfen
kann dies nur guttun. Wenn man so will, geht es um den Nachweis eines systemrelevanten und
wertigen Beitrags für die Gesellschaft.
Apropos Systemrelevanz. Für uns persönlich das Unwort des Jahres, zumindest in dem Kontext
wie es häufig verwendet wurde. Wenn uns Covid-19 eines gelehrt hat, dann doch wie irrsinnig es
war und ist, profitorientierten und kapitalhörigen Playern das Gesundheits- und Sozialsystem
zu überlassen. Jenen also, die von einem Social Return of Invest noch nichts gehört zu haben
scheinen und die im Anbeten kurzfristiger Renditecharts ihr Weltbild begründet sehen. Wie sehr
sich der längst verklungene Applaus von den Balkonen dieser Republik in einer finanziellen
Aufwertung derjenigen niederschlägt, die pflegen, betreuen und den Menschen zur Seite stehen,
die krank, allein und ausgestoßen sind, wird sich zeigen. Systemrelevant in Deutschland sind
Banken, die Autoindustrie, Flugzeugflotten oder die große Urlaubsindustrie… Sozialarbeit und
Pflege sind erst dann systemrelevant, wenn sie auch entsprechend wertgeschätzt werden. Bis
dorthin hat das Wort einen faden Beigeschmack.
Vorwort
5Jahresbericht 2021
Nele Gilch Norbert Wittmann
Apropos Wertschätzung. So bitter und zynisch wie jetzt soll ein Vorwort natürlich nicht en-
den, daher möchten wir den Blick auf unsere schöne Heimatstadt richten. Was wir in Nürnberg
in diesen anstrengenden Monaten der Pandemie gelernt haben, ist zusammenzurücken! Die
große Bereitschaft, schnell und engagiert gemeinsam nach Lösungen zu suchen für Probleme,
die gerade im Umgang mit der Pandemie entstanden sind, ist herausragend und konnte auch
bundesweit immer wieder wichtige Impulse setzen. Sozialarbeit, Medizin, aber auch Politik
und Verwaltung haben im Sinne der Betroffenen Lösungswege gesucht und entwickelt, ohne
Eigensinn und Eitelkeiten. Tolle Menschen hat diese Stadt. Und genau das bleibt bei uns im
Rückblick auf dieses ungewöhnliche Jahr haften.
Das, und unser tiefer und ehrlicher Stolz und Dank auf und an alle unsere Mitarbeiter*innen,
die großartige Arbeit geleistet und zusammengehalten haben in der vermeintlich größten Krise,
die die mudra, die wir alle je erlebt haben.
Apropos Krise, besser Tiefenkrise. Corona beschreibt das, was Zukunftsforscher eine „Tiefen-
krise“ nennen und eine Tiefenkrise ist ein Geschehen, nachdem es kein „so wie zuvor“ mehr
geben wird. Gerade nach dieser Krise wird es einen deutlichen Mehrbedarf an Sozialarbeit und
Hilfeleistungen benötigen, wenn die Auswirkungen der Pandemie mehr und mehr sichtbar und
sich die Folgen des Schattenlebens, der Insolvenzen und Bildungskrisen zeigen werden. Dann
werden wir auch sehen, wie sich Corona hinsichtlich „Systemrelevanz“ wirklich auswirkt und
die „freiwilligen kommunalen Leistungen“ ohne gesetzlichen Rechtsanspruch in einer ganzen
Reihe von Aufgaben des Sozialstaates bedroht sein werden oder sich endlich nachhaltig absi-
chern lassen.
Wir glauben optimistisch an Letzteres und um die dafür notwendigen Ressourcen zu sichern,
könnte man beispielsweise den sinnlosen, den schädlichen und unendlich teuren War on Drugs
nach 50 Jahren endlich zu Grabe tragen.
Viel Freude beim Lesen wünschen Ihnen,
Jahresbericht 20216
mudra Rechtsträger
mudra – Alternative Jugend- und Drogenhilfe Nürnberg e.V.
Geschäftsführender Vorstand: Nele (Cornelia) Gilch, FinanzvorstandNorbert Wittmann, Fachvorstand
Aufsichtsrat:Horst Schmidt (1. Vorsitzender)Ina Rösner (stellv. Vorsitzende)Manuela BolzGeorg HopfengärtnerNicole Obert
Fördergemeinschaft der mudra e.V.
Vorstand: Annamaria Böckel (1. Vorsitzende)Frank Häußler (stellv. Vorsitzender)Kerstin DornbachMatthias HorenderStefan Schnabel
mudra Arbeit gGmbH
Gesellschafter: mudra e.V. + Fördergemeinschaft e.V.
Geschäftsführer: Hans Beierlein Gründung:
2002
Gründung:
1989
Gründung:
1980
7Jahresbericht 2021
Annamaria Böckel, Frank Häußler, Kerstin Dornbach, Stefan Schnabel, Matthias Horender
mudra e.V. – Aufsichtsräte
Fördergemeinschaft e.V. – Vorstände
von links oben: Horst Schmidt, Ina Rösner, Manuela Bolz, Georg Hopfengärtner, Nicole Obert
Jahresbericht 20218
9Jahresbericht 2021
Jahresbericht 202110
mudra-Jugend- und Drogenhilfe Nürnberg
Vereinsleitung/GeschäftsstelleLudwigstr. 61, 90402 Nürnberg
Tel: 0911 8150-150
Fax: 0911 8150-159
Mail: [email protected]
mudra – Alternative Jugend- und Drogenhilfe Nürnberg e.V.Geschäftsführende VorstandschaftNele (Cornelia) Gilch Diplomökonomin (Univ.), Master of International ManagementNorbert Wittmann Dipl. Sozialpädagoge, Syst. Familientherapeutmudra AufsichtsratHorst Schmidt Steuerberater, Buchprüfer, 1. VorsitzenderIna Rösler Dipl. Sozialpädagogin, stellv. VorsitzendeManuela Bolz Dipl. SozialpädagoginGeorg Hopfengärtner Dipl. Sozialwirt (Univ.)Nicole Obert RechtsanwältinKassenrevisionFrank Häußler Dipl.-Sozialpädagoge, SuchttherapeutHelmut Heither Kaufmann in Rente
Fördergemeinschaft der mudra e.V.VorstandschaftAnnamaria Böckel Journalistin, 1. VorsitzendeFrank Häußler Dipl. Sozialpädagoge, Suchttherapeut, stellv. VorsitzenderKerstin Dornbach JournalistinMatthias Horender ArchitektStefan Schnabel SteuerberaterKassenrevisionHelmut Heither Kaufmann in RenteManuela Bolz Dipl. Sozialpädagogin
Hans Beierlein Stephan Rauschmayer
mudra-Arbeit GmbH (gemeinnützig)
Gesamtleitung, GeschäftsführerHans Beierlein Dipl. PädagogeBetriebliche LeitungStephan Rauschmayer Gartenbaumeister
11Jahresbericht 2021
BereichsleitungenNiedrigschwellige Hilfen & Beratung: Doris Salzmann, Dipl. Sozialpädagogin, M.Edu Rossano Della Ripa, Dipl. Sozialpädagoge/Soziologe, stellv.
LeitungAmbulante Behandlung: Ursula Böhm, Dipl. Psychologin Michael Resing, Dipl. SozialpädagogeBerufliche Integration: Max Hopperdietzel, Dipl. Sozialpädagoge (bis April 2021) Tobias Abraham, Dipl. Sozialpädagoge (ab April 2021) Verena Grill, Dipl. Sozialpädagogin (ab April 2021)Jugendhilfen nach SGB VIII: Matthias Sell, Dipl. Sozialpädagoge, Gestalttherapeut Anna Stecklein, Sozialpädagogin M.A., stellv. Leitung
Doris Salzmann Rossano Della Ripa
Tobias Abraham, Verena Grill
Matthias Sell Anna Stecklein
Ursula Böhm Michael Resing
Jahresbericht 202112
Dankeschön
„Eine gemeinsam innige Distanz, eine Diff erenzie-rung der Persönlichkeiten und die Diskrepanz, das Gefühl gemeinsam umzusetzen – ich glaube, ich bin verliebt…“
Justus Vogt (*1958)
…wir sind verliebt in unsere vielen uner-
müdlichen Unterstützer*innen, Helfer*innen,
Förder*innen und Mitarbeiter*innen. Allen voran
unsere Aufsichts- und Vorstandsgremien sowie
unsere Mitglieder, die uns seit über 40 Jahre treu
begleiten.
Aufsichtsrat mudra
2020/2021 war in jeglicher Hinsicht außerge-
wöhnlich, nicht nur, weil es uns die Pandemie
bescherte, es war auch das erste vollständige
Geschäftsjahr für unseren Ende 2019 neu gewähl-
ten Aufsichtsrat Horst Schmidt (Vorsitzender), Ina
Rösler (stellvertretende Vorsitzende), Manuela
Bolz, Georg Hopfengärtner und Nicole Obert. Doch
trotz dieser ungewöhnlichen Umstände und vieler
Treffen, die nur online stattfanden, stand uns der
Aufsichtsrat stets mit Rat und Tat treu zur Seite,
hatte immer ein offenes Ohr für uns und stützte
uns bei vielen schwierigen Entscheidungen. Über
Videokonferenzen und Freilufttreffen lernten wir
uns besser kennen, schätzen und vertrauen. Wir
bedanken uns von ganzem Herzen für euren Zu-
spruch, eure Unterstützung, euren Spirit und eure
Tatkraft.
Vorstand Fördergemeinschaft
Die Fördergemeinschaft beschäftigte sich in
2020/2021 mit der organisatorischen Neuaus-
richtung und konzentriert sich in Zukunft auf
Schwerpunktthemen, die die aktuellen Heraus-
forderungen der mudra unterstützen. Arbeits-
schwerpunkte sind hierbei Öffentlichkeitsarbeit
und Fundraising. Wir sagen unseren allerbesten
Dank den Vorstandsmitgliedern Anne Böckel (Vor-
sitzende), Frank Häußler (stellvertretender Vor-
sitzender), Kerstin Dornbach, Matthias Horender
und Stefan Schnabel der Fördergemeinschaft e.V.
für euer Engagement, eure Ideen, euren Einsatz,
eure Unterstützung und euer Vertrauen!
Kassenprüfer*innen
Vielen Dank auch an die Kassenprüfer und Kas-
senprüferin Frank Häußler, Helmut Heither und
Manuela Bolz für eure Arbeit und eure Mühe. Oh-
ne euch und euer ehrenamtliches Engagement
wäre es wieder nicht gegangen und so sind wir
dankbar für eure Zuverlässigkeit und euer Enga-
gement.
Vereinsmitglieder
Unsere Vereinsmitglieder sind die Basis unserer
Arbeit. Euer Interesse und eure Teilnahme för-
dern, unterstützten und ermöglichen die Ent-
wicklung und den Bestand unseres Vereins. Für
euer Vertrauen in uns und eure Loyalität zu mudra
bedanken wir uns sehr herzlich! Wir gratulieren
darüber hinaus unseren Mitgliedern, die in die-
sem Jahr Jubiläum feiern:
Mitgliederjubiläen 2021:
Metin Sert 30 Jahre (Förderge-
meinschaft e.V.)
Habib Tekas 30 Jahre (mudra e.V.)
Nicole Obert 15 Jahre (Förderge-
meinschaft e.V.)
Elke Ames-Zuckermeier 10 Jahre (mudra e.V.)
Günter Krauß 40 Jahre (mudra e.V.)
Werner Steffan 40 Jahre (mudra e.V.)
Rudolf „Butz“ Gerber 40 Jahre (mudra e.V.)
Heinz Ausobsky 35 Jahre (mudra e.V.)
Dieter Kuhn 10 Jahre (Förderge-
meinschaft e.V.)
Klaus Thieme 10 Jahre (mudra e.V.)
Karin Pöhlmann 20 Jahre (Förderge-
meinschaft e.V.)
13Jahresbericht 2021
Horst Dziallas 20 Jahre (Förderge-
meinschaft e.V.)
Beate Neuffer 35 Jahre (mudra e.V.)
Unsere Rechtsbeistände
Dankeschön sagen wir „unseren“ Anwält*innen
und Mitarbeiter*innen der Kanzlei Gerber &
Kolleg*innen in Roth. Vielen Dank an erster Stel-
le unserem ehemaligen Vorsitzenden Rechtsan-
walt Rudolf Gerber für seine jahrzehntelange und
stets nachfragbare Expertise. Großer Dank auch
an seinen Kollegen Rechtsanwalt Hansi Kraetsch
für dessen Rat und Tat in rechtlichen Fragen. Seit
2020 unterstützt uns auch die Rechtsanwalts-
kanzlei Dr. Herzog und Partner aus Nürnberg. Wir
danken vor allem den Rechtsanwälten Dr. Tobias
Lautner und Herrn Manfred Rühl für ihre tatkräf-
tige Hilfe. Für unsere Elterngruppe und darüber
hinaus ist Rechtsanwalt Ralf Peisl eine tolle und
kompetente Unterstützung gewesen. Auch euch
unseren besten Dank!
Unsere Mitarbeiter*innen
Besonders stolz sind wir auf unsere langjährigen
Mitarbeiter*Innen. In 2021 feiern wir mit großem
Dank folgende Jubiläen:
Ursula Böhm 20 Jahre
Alfred Polak 10 Jahre
Christine Kuhn 10 Jahre
Rossano Della Ripa 20 Jahre
Christine Clemens 20 Jahre
Wolfgang Malter 10 Jahre
Carina Brauer 10 Jahre
Wir sind euch dankbar für all die Jahre Einsatz
und Ausdauer und so manchen Tropfen Herzblut,
der in eure und damit in unsere Arbeit geflossen
ist. Mit eurer Erfahrung seid ihr eine besondere
Stütze unserer Arbeit und Vorbild für viele junge
Kolleg*innen.
Jahresbericht 202114
Kooperation, Unterstützung, Förderung und FinanzenUnser Dank gilt den Kooperationspartner*innen,
Geldgebern der öffentlichen Hand, den uns
Bußgelder zuweisenden Justizbehörden, den
Spender*innen und Sponsoren sowie allen
Netzwerk-Kolleg*innen, Freund*innen und
Unterstützer*innen. Bestand, Entwicklung und
Optimierung der Drogenhilfe für die Metropol-
region Nürnberg wären ohne diese großartige
Unterstützung nicht denkbar. Sie alle haben uns
geholfen zu helfen! Dafür bedanken wir uns von
ganzem Herzen!
Zuschuss, Förderung, Geld
Agentur für Arbeit Nürnberg
Aktion Mensch
ANLAUF – Netzwerk Nürnberg
Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit
und Pflege
Bezirk Mittelfranken
DHW – Deutsches Hilfswerk
Deutsche Rentenversicherung (DRV) Nordba-
yern
DRUSEC Frankfurt
Jobcenter Nürnberg Stadt
Jobcenter Fürth Stadt und Land
Jobcenter Erlangen
Deutsche Aidshilfe (PaSuMi)
Regierung von Mittelfranken
Regierung von Oberfranken
Stadt Nürnberg Amt für Existenzsicherung (So-
zialamt) & Jugendamt
Zentrum Bayern Familie und Soziales – Region
Mittelfranken/Inklusionsamt
Spenden, Sponsoring, Unterstützung
Angehörigengruppe verstorbener Drogenkon-
sument*innen
Auctores GmbH Neumarkt
BW Bildung und Wissen Verlag Nürnberg
Boulderhalle „Cafe Kraft“ Nürnberg
„Der Beck“ Filiale am Weißen Turm Nürnberg
Evang. Luth. Kirchengemeinde
Farrenkopf, Barbara & Peter, Nürnberg
Flic Flac Zirkus
Freundeskreis Flüchtlinge
Die Zwei, Marketing, Design und kreative Kom-
munikation GmbH Nürnberg
Dr. Heil, Michael Peter Dieburg
Groves, Christina
Haufe Service Center GmbH
Impuls e.V. Nürnberg
„Inner Wheels“ Nürnberg-St. Lorenz
Jentsch, Robert
Kaffeewerkstatt Kucha, Offenhausen
Koschaum GmbH
Kuboth, Karin
Lackiererei Barth
Lindner, Herbert
M.A.C .e.V. Nürnberg
MAN, Bus&Truck SE
MAN, Konzernbetriebsrat
Max Bögl Bauservice GmbH & Co KG, Sen-
genthal
Meier Landtechnik
N-ERGIE Nürnberg, Betriebsrat
N-ERGIE Nürnberg Crowdfunding
Nürnberger Nachrichten „Freude für alle“
Offene Kirche St. Klara Nürnberg
Ökoring Handels GmbH Mammendorf
Open Grid Europe GmbH Essen
Poolsana GmbH + Co KG Nürnberg
Restaurant „Patara“ Nürnberg
Rother, Jutta, Goldschmiede Neumarkt
Schmidt, Kurt, Malerbetrieb Strattner Fürth
Schön, W. Jürgen Steuerkanzlei Nürnberg
Schott, Hannes, Pfarrer der evangelischen Kir-
che St. Jakob
Schwanhauser, Götz
Seobility GmBH
Sparkasse Nürnberg
Stamm-Fibich, Martina MdB Erlangen
SUSE & SUSEcares, Nürnberg
15Jahresbericht 2021
SWS Computersysteme, Regensburg
Tertia Berufsförderung Alfter
Trendhaus Sengenthal
Tröger IT Business Consulting GmbH
Ulshöfer, Christian
Vanzetta, Victor
Wolf, Simone
Union-Versicherungsdienst Detmold
ZSL – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben
Behinderter e.V. Erlangen, Jürgen Ganzmann
Kooperation, Partnerschaft, Vernetzung
Gerade als die „Neuen“ in der Geschäftsführung
der mudra sind wir zutiefst dankbar für die Offen-
heit und Unterstützung, die wir von Ihnen allen
erhalten durften. Diese Beteiligung und Förde-
rung ist keine Selbstverständlichkeit und wir
wollen unsererseits gute Kooperationspartner
und Netzwerker im Sinne der Sache und für die
Menschen sein, für die wir tätig sind.
A! Hanisch Schwabach
AIDS-Hilfe Nbg-Fü-Er e.V.
AKZEPT e.V., Christiane Kluge-Haberkorn
AK Sucht Nürnberg
Altstadtfreunde Nürnberg, Nina Grob
Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Fürth
Ausbildungsstätte und Sachverständigenbüro
Endlich, Harald Endlich
ASD, Harald Zippl und Kolleg*innen
Bach, Heike Grafikdesignerin Rückersdorf
Bach, Thorsten, Koordinator für Wohnungs-
fragen und Obdachlosigkeit der Stadt Nürn-
berg
Baier Installation GmbH Nürnberg
BAS – Bayerische Akademie für Suchtfragen
Bayerische Staatsforsten, Joachim Ulrich, Jo-
hannes Wurm
Bezirk Mittelfranken, Michael Henter Psychiat-
riekoordinator, Johannes Scheder und Nadine
Pippig
Bezirksrätinnen und Bezirksräte der verschie-
denen Fraktionen im Bezirkstag Mittelfranken
Brehm, Sebastian MdB
Brüggen, Dagmar PSAG Nürnberg Geschäfts-
führung
Büttner, Stephan, KfZ-Meister
BzGA Köln
Caritas Fürth, Günther Engel
Condrobs München; Eva Egartener und Olaf
Ostermann
DH Schwaben, Uwe Schmidt
Diakonie AHN, Ralf Frister
Dialog, Wien, Michaela Hanke
Drs. Abelein & Kollegen
Dr. Braunwarth
Drs. Forster & Einsiedl
Dr. Härtel-Petri
Dr. Lopez
Dr. Schiller
Drs. Seiler und Wiesinger
Dr. Simon, Thomas, Arzt im Naloxon-Projekt
Dr. Welker, Jan, Arzt im Naloxon-Projekt
FDR e. V., Friedericke Neugebauer
FINDER Akademie Berlin
Flüchtlingsrat Bayern, David Förster
Freismidl, Andrea, Suchtbeauftragte Stadt
Nürnberg
Fromme, Prof. Dr. Suchtbeauftragter der Baye-
rischen Staatsregierung
Gerber, Roland „Butz“, Vorstandsvorsitzender
a.d. mudra e.V.
Gesundheitsamt Stadt Nürnberg
GIZ Gesellschaft für internationale Zusammen-
arbeit, Julia Jesson und Kolleg*innen
Güler, Riza, Übersetzungsbüro, Nürnberg
Hängematte e.V. Nürnberg
Höllerer, Edeltraud & Bernhard, Unterneh-
mens- & Personalberatung
Horender, Matthias, Architekturbüro
Inklusionsamt, Ute Günzel, Renate Reinke
Impuls e.V. Nürnberg
Jahresbericht 202116
ISKA, Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit,
Nicolas Eichholz
Jörg Steller Mediengestaltung Nürnberg
Jugendamt Nürnberg, Frank Schmidt, Birgit
Hildebrandt, Norbert Käsmann, Helmut Polster
JVA Ebrach Anstaltsleitung Gerhard Weigand,
Ralf Hafner, Tanja Oberndörfer, Fach- und So-
zialdienste
JVA Nürnberg Anstaltsleitung Thomas Vogt,
Sascha Rath, Sozialdienst Ulrich Beiß, Gabriele
Hartmann
JS-Sicherheitstechnik, Oberasbach, Sven Traber
KBS Cornelia Poth
Dr. Kerling, Wolfgang, Betriebsarzt
KJHZ e.V. Barbara Bach
Klarakirche Nürnberg, Pfarrer Jürgen Kauf-
mann und Ansgar Wiedenhaus
Klinikum Nürnberg-Nord, Prof. Dr. Hillemacher,
Dr. Müller und Kolleg*innen
Kopperger, Elisabeth Bay. Staatsministerium
für Gesundheit und Pflege
Kriminalpolizei Nürnberg K 44, Christian Böha-
cker, Stephan Frank, Carina Nargang
KVB Mittelfranken, Hans-Dieter Moritz
Kooperation, Unterstützung, Förderung, Geld
Lillith e.V. Nürnberg, Daniela Dahm, Silvia Kau-
bisch, Kathrin Schultheiß, Jolanta Frydrych,
Anna Holch
Ludwig, Daniela, MdB, Bundesdrogenbeauf-
tragte
Michels, Dr. Ilja Ingo
Notare Weser und Busse, Nürnberg
Paritätischer DV Mittelfranken Christiane
Paulus, Melanie Hofmann, Peter Mack, Ilona
Busch-Heuer
Paritätischer DV Bayern, besonders Davor Stu-
bican, Sucht- und Psychiatriereferent
Paritätischer DV Bund, Gela Sauermann und
Kolleg*innen
Peisl, Ralf Rechtsanwalt Nürnberg
Polizei Nürnberg, Werner Gloss und Andreas
Belger
ProfessioMed, Dr. Christian van der Weyer
Prop e.V., Marco Stürmer
Quartiersbüro Altstadt Nürnberg
Ratasiewicz, Danuta, Fürth
Rechtsanwälte Dr. Herzog & Partner Nürnberg
Rechtsanwaltskanzlei Gerber, Brandl & Kolle-
gen Roth
17Jahresbericht 2021
Regierung von Mittelfranken
Regierung von Oberfranken
Ries, Elisabeth, Sozialreferentin Stadt Nürn-
berg
Schuh, Sabine, Regierung von Mittelfranken,
Heimaufsicht
Schultheiß, Sabine, Jobcenter Nürnberg, Ge-
schäftsführerin
St. Lorenz – Evangelisch-Lutherische Kirchen-
gemeinde Nürnberg, Pfarrerin Claudia Voigt-
Grabenstein
Stadt Nürnberg, Hochbauamt, Stadtentwässe-
rung und Umweltanalytik
Stadtmission Nürnberg, Erica Metzner, Beate
Schwarz
Stadträtinnen und Stadträte der verschiedenen
Fraktionen Nürnberg
Stamm-Fibich, Martina MdB
Stöver, Heino, Prof. Dr. Frankfurt University of
Applied Sciences
Straßenkreuzer, Ilse Weiß
Straßenambulanz Caritas, Robert Stubenvoll
und Kolleg*innen
SÖR Nürnberg
Therapiezentrum Wolkersdorf, Dagmar
Schmitt-Blaufuß und KollegInnen
Therapiezentrum Schloss Eichelsdorf, Robert
Soto-Löwenthal und Kolleg*innen
Verlag Nürnberger Presse – NN & NZ
VSJ e.V. Christian Kuhn, Regina Hartmann
W & W Daten Technik GbR Schwaig
Weidner, Martin, Bezirksschornsteinfegermei-
ster
Wehner, Bertram, Gründervater und Geschäfts-
führer a.D. mudra e.V.
Wolfrum, Volker, Leiter Amt für Existenzsiche-
rung und soziale Integration der Stadt Nürn-
berg
ZAB Zentrum aktiver Bürger, Nürnberg
Herzlichen Dank von ganzem Herzen! Wir haben
uns bemüht, sehr sorgfältig zu sein und hoffen,
niemanden vergessen zu haben. Wenn doch, tut
uns das sehr leid. Wir sind Ihnen allen sehr dank-
bar und stolz auf alle gewachsenen und neu ent-
standenen Partnerschaften und Kooperationen,
ohne die unsere qualifizierte Arbeit nicht möglich
wäre!
Jahresbericht 202118
Die Neuen
Lilo Woop (Berufl iche Integration)
Mein Name ist Lilo Woop und ich arbeite seit No-
vember 2019 als Sozialpädagogin im Bereich der
Beruflichen Integration. Die mudra ist mir schon
seit dem Jugendalter durch ihre Öffentlichkeits-
arbeit und Präventionsveranstaltungen ein Begriff
und gewann damals vor allem durch die akzep-
tierende Haltung und deren Repräsentant*innen
sofort meine Begeisterung. Nach einigen Jahren
und beruflichen Umwegen wurde die Mitarbeit im
Verein zu meinem Wunsch. Meine Freude über
die Anstellung war dementsprechend groß und
aus heutiger Perspektive absolut begründet.☺ Außerhalb der Arbeitszeit beschäftige ich mich
mit Radeln, Lesen oder Meditieren. Außerdem
gehe ich, wenn nicht gerade eine Pandemie wü-
tet, wahnsinnig gern ins Theater. Ich freue mich,
dass ich Teil eines großartigen Teams sein kann
und die Gegenwart und Zukunft mitgestalten darf.
Clara Uhl (BeWo)
Hallo zusammen! Ich heiße Clara, bin 28 Jahre alt
und Sozialarbeiterin. 2016 habe ich mein Studium
abgeschlossen und war dann in verschiedenen
Bereichen der Jugendhilfe, sowie als selbststän-
dige Referentin tätig. Seit Februar 2021 darf ich
nun, als Elternzeitvertretung, Teil des Explorer-
Teams sein und freue mich total. Das Team hat
mir den Start unfassbar leichtgemacht und mich
super nett aufgenommen. Ich finde es schön Teil
der mudra sein zu dürfen. Meine Akkus lade ich
bei Konzerten, Treffen mit Freund*innen oder bei
einem guten Buch auf. Ich sehe hier ganz viel
Platz zum Wachsen und Lernen und hoffe, die
eine oder den anderen von euch auch persönlich
kennenzulernen!
Felix Homann (NiHiBe_enterprise)
Hallo, ich bin Felix und 30 Jahre alt. Nachdem
ich Ende letzten Jahres meinen Master in Sozi-
ale Arbeit abgeschlossen habe, arbeite ich seit
01.03. für die mudra im Enterprise-Team. Meine
bisherigen Praxiserfahrungen liegen eher in der
Offenen Kinder- und Jugendarbeit und ich freue
mich sehr darauf, die Tätigkeit als Berater ken-
nenzulernen. Durch meine vorherigen Arbeits-
stellen kenne ich die Zielgruppe recht gut und bin
gespannt auf die neuen Erfahrungen. Trotz der
kurzen Zeit fühle ich mich im Enterprise-Team
schon sehr wohl und freue mich über die herzliche
Aufnahme aller neuen Kolleg*innen. Wenn die
19Jahresbericht 2021
Pandemie es endlich wieder zulässt, bin ich sehr
gespannt, die anderen Bereiche und Kolleg*innen
mal persönlich kennenzulernen.
Verena Sammeth (NiHiBe_Streetwork, Beratung)
Hallo, ich heiße Verena Sammeth und bin 30
Jahre alt. Ich arbeite seit November 2020 als El-
ternzeitvertretung in der Beratungsstelle mit dem
Schwerpunkt Substitution. Zuvor habe ich einige
Jahre in einer Nachsorge gearbeitet und eine
Weiterbildung zur Suchttherapeutin gemacht.
Nach meiner Elternzeit kann ich mich nun im viel-
fältigen niedrigschwelligen Bereich der Suchthilfe
einbringen – darüber freue ich mich riesig.
Mein Arbeitsalltag ist bunt und abwechslungs-
reich; ob auf der Straße als Streetworkerin, im
Kontaktladen oder in der Einzelberatung, mir wird
nie langweilig. Ich fühle mich rundherum wohl,
sowohl mit den Klientinnen und Klienten, als
auch mit meinem lieben neuen Team und freue
mich auf alles, was noch so kommt!
Johanna Dietz (NiHiBe_enterprise)
Mein Name ist Johanna Dietz, ich bin 28 Jahre
alt. 2016 habe ich den Bachelor in Sozialer Ar-
beit an der TH Nürnberg abgeschlossen und im
Anschluss vier Jahre im Betreuten Einzelwohnen
in Berlin Kreuzberg gearbeitet. Seit März 2020
absolviere ich den berufsbegleitenden Master-
studiengang Beratung und Coaching an der TH
Nürnberg und bin seit November 2020 bei der mu-
dra im Enterprise-Team tätig. Die Arbeit mit den
Jahresbericht 202120
Die Neuen
Enterprise Klient*innen bringt viele spannende
Herausforderungen mit sich. Sobald es pande-
miebedingt möglich ist, freue ich mich darauf,
die anderen Projekte und Mitarbeiter*innen der
mudra besser kennenlernen zu können
Christoph Bogatz (Basecamp)
Hallo zusammen, mein Name ist Christoph
„Bogi“ Bogatz, 31 Jahre alt und seit 01.01.21 im
mudra-Basecamp beschäftigt. Nach knapp 10
Jahren Berufserfahrung als Gesundheits- und
Krankenpfleger in der Forensischen Psychiatrie
nach §64, habe ich mich nach Abschluss meines
Pflegepädagogik-Studiums beruflich neu orien-
tiert und ein gutes Jahr als Lehrkraft für Gesund-
heitsberufe an einer staatlichen Berufsfachschule
in Erlangen gearbeitet. Schnell habe ich gemerkt,
dass der Schreibtisch und das staatliche System
nicht die richtige Arbeitsumgebung für mich dar-
stellen. Meine Interessen galten schon lang der
sinnvollen Freizeitgestaltung und der Erlebnispä-
dagogik und so bin ich sehr froh, dass ich hier im
Basecamp gelandet bin, einer Jugendhilfeeinrich-
tung bei der genau das ein Leitgedanke ist. In
naher Zukunft steht noch ein Masterstudiengang
(Bildungswissenschaften) an und die Ausbildung
zum Erlebnispädagogen strebe ich auch noch an.
Meine Freizeit verbringe ich am liebsten beim
Bouldern am Fels, aber auch an Plastikgriffen.
Ansonsten bin ich aber auch auf, im und ums
Wasser sehr glücklich.
Shabnam Marzban Vishka
Hallo zusammen! Mein Name ist Shabnam Marz-
ban Vishka. Ich bin 31 Jahre alt und komme aus
dem Iran. In meinem Land habe ich Phytopa-
thologie studiert und eine notfallmedizinische
Ausbildung absolviert (EMT-I/Emergency Medical
Technician-Intermediate). Seit Juni 2020 arbeite
ich bei der mudra im niedrigschwelligen Bereich
für farsisprachige Klient*innen, mit dem Schwer-
punkt Streetwork. Zuvor war ich über die mudra
als Peer für das Projekt PaSuMi im Einsatz.
Gleichzeitig war ich Flüchtlingsbeauftragte bei
einem Projekt der Bundesarbeitsgemeinschaft
der Immigrantenverbände in Deutschland e.V.
(BAGIV); auch dort habe ich viele Erfahrungen und
Kontakte mit Flüchtlingen, unter anderem auch
unseren mudra-Klient*innen gehabt. Mir gefällt,
dass ich als Streetworkerin außer mit farsispra-
chigen Klient*innen auch mit Menschen vieler an-
derer Nationalitäten Kontakt habe. Ich bin froh,
Teil eines tollen Teams sein zu dürfen und freue
mich auf die weitere gute Zusammenarbeit!
21Jahresbericht 2021
Jahresbericht 202122
Tausche Arbeit gegen Hütte in Norwegen – Abschied Max Hopperdietzel
Niemals geht man so ganz, ganz persönlich.
Heute war es soweit. Der letzte Tag vom Alten.
Realisiert hat es so wirklich keiner. Er ist gegan-
gen – er war hier, seine Präsenz weht noch durch
die Schieräckerstraße. Der Geist von Menschlich-
keit, er wird bleiben.
Begonnen hat alles irgendwann im Sommer
98. Manchmal, wirklich nur manchmal, gibt es
glückliche Konstellationen im Berufsleben. Ich,
U30, Sozpädfuchs, frisch vom Studium, Ex-Kfzler.
Er Ü40 (gefühlt Ü50), X Semester Theologie, So-
ziale Arbeit, Taxidriver… es hat gepasst, in den
Jahren ist viel passiert. Am Ende steht in aller
Bescheidenheit und doch anmaßend die Behaup-
tung, einen Hauch von Weisheit fürs Leben von
ihm gelernt zu haben. Beispiele gefällig?
Die Wertschätzung und Gleichbehandlung aller
Mitarbeitenden. Viele der Kolleg*innen und inzwi-
schen tragenden Säulen der Arbeitsprojekte sind
Ex-User. Dieses Vertrauen ist nicht unbedingt
branchenüblich. Nicht unerheblich gewandelt
hat sich auch das äußere Erscheinungsbild der
Arbeitsprojekte, dort wo einst die Jogginghose
dominierte, trägt man heute Engelbert Strauss.
War es seine selbstlose Aufopferungsbereit-
schaft für andere? Warum setzt er sich nächtelang
hin um für jede/n Mitarbeiter*in eine individuelle
Weihnachtskarte zu kreieren?
Einer seiner großen Verdienste war es auch
aus den verschiedenen mudra-Arbeitsprojekten,
die strategisch ungünstig im Stadtgebiet verteilt
lagen, mit Fingerspitzengefühl eine Einheit zu
schaffen, die wir heute als „Berufliche Integra-
tion (BI)“ kennen.
Und wie man, so wie er, absolut unsympa-
thischen Menschen stets mit Freundlichkeit und
Geduld begegnen kann, verstehe ich bis heute
Tobias Abraham
nicht wirklich.
Gab es Fragen zu irgendwelchen Themen? Max
wusste immer eine Antwort. Oftmals verschriftet,
besonders bewundernswert und brillant geschlif-
fen formuliert und dazu noch humorvoll verpackt.
Das ist nun vorbei, zeitgleich mit dem Fundament
der Beruflichen Integration verlieren wir auch ei-
nen lebendigen Textbaustein.
Ein weiteres Beispiel: Hilfe und Unterstützung
zu jeder Tages- und Nachtzeit. Meine Diplomar-
beit haben wir gemeinsam nächtelang korrigiert.
Der Abgabetermin rückte gnadenlos näher, am
Schluss fehlte noch die Vorbemerkung. Die In-
tention, 120 Seiten innerhalb von Minuten präzise
zusammenfassen, lief bei ihm nebenbei. Für eine
Veröffentlichung hat es trotzdem nicht gereicht,
Abschiede
23Jahresbericht 2021
lag aber wohl eher am Thema. Abgesehen davon
schulde ich ihm für den Beistand noch immer ein
Steakessen. Geht man davon aus, dass ein Steak
250g wiegt, sind dies bei einer durchschnittlichen
Inflationsrate von 1,3%, mit Hilfe der Zinseszins-
rechnung [K21=250g · (1+0,013)21] üppige 327,9g.
Das wird teuer und Max endlich mal satt.
Noch ein Alleinstellungsmerkmal, das Max-
eigene Konzept der „offenen Tür“. Die Tatsache,
immer mit ihm reden zu können und ernst ge-
nommen zu werden und dabei immer ein gutes
Gefühl nach dem Gespräch zu haben, oft ohne
im Nachhinein zu wissen was eigentlich beredet
wurde.
Waren es die zahlreichen Streitereien, die ge-
schlichtet wurden? Der Umgang mit Konflikten?
Hier griff er immer wieder auf die Geschichte vom
Rabbi zurück, der jedem der Beteiligten sagte: du
hast Recht. Wenn er das so vorbrachte, stellte ich
mir immer vor, er wäre der Rabbi. Das wiederum
erinnert mich an ein apokryphisches Buch, das
ungefähr mit den gleichen Worten wie dieser Arti-
kel endet: All seine Heldentaten zu nennen würde
den Rahmen sprengen. Ich als sein Ziehsohn und
langjähriger Begleiter und Freund kann nur den
Hut ziehen. Danke Max für alles!
Der vorliegende Text hat lange auf meinem
Desktop geschlummert. Der Arbeitstitel laute-
te Abschiedsbericht Max, abgekürzt ABM, was
wiederum eine Erinnerung an die gemeinsam
durchgemachten sozialpolitischen Programme
darstellt: ABM, BSHG 19, §16 von a-i, MAT, FAV,
AZAV, AVGS, §17, Ein-Euro-Job, Kein-Euro-Job,
usw. Weitere Fragen bitte an Max.
Damit die ganze Geschichte nicht so tragisch
endet und als Trost für alle Freunde des Gut-
menschentums ist es beruhigend zu wissen,
dass er weiterhin, wenn auch in einer anderen
Funktion (Finanzierung siehe sozialpolitische
Programme), für die mudra tätig sein wird. Nie-
mals geht man so ganz…
Noch eins: Seine nach eigenem Bekunden
größte Gabe ist die Behauptung, in jedem Text
sofort Rechtschreib- und Interpunktionsfehler
zu entdecken (und es seinen Mitmenschen so-
fort und ungeschönt wissen zu lassen). Über 20
Jahre hat er es mir erklärt, ob es gelungen ist,
möge nun jeder anhand des vorliegenden Textes
prüfen. Ich selbst möchte ihm dieses Vergnügen
nun noch ein letztes Mal ausführlich gönnen.
Jahresbericht 202124
Hans Beierlein
25 Jahre mudra-Gärtner mit Herzblut: Helmut Ledwig
Im Mai 2021 hat Helmut Ledwig seine Tätigkeit
bei mudra Garten- und Landschaftsbau nach 25
Jahren beenden müssen. Auch hier hat Corona
eine würdige Grillfeier im Hinterhof der mudra
verhindert. Frau Förster, unsere Betriebs-Nach-
barin hätte wieder einen Kuchen gebacken und
mit Helmut das Rezept besprochen. Bei den
Försters hat Helmut über viele Jahre den Garten
mitgestaltet: Hochbeete, Treppen, Zaun, Rasen.
Ein Haus weiter erinnert sich Familie Stern auch
an ihn, da hat er das Gartenhaus aufgebaut. Ein
paar Häuser weiter hat er den Garten gepflegt.
Trockenmauern, Zäune, Hütten, Pflasterarbeiten,
Steine liefern, Arbeiter auf die Baustelle fahren,
Rasensamen abholen, Garten pflegen und… Hier
müsste eine endlose Liste von Kunden und Ar-
beiten stehen, die Helmut in den Jahrzehnten bei
mudra übernommen und ausgeführt hat.
Wir sagen da einfach herzlich: Danke Helmut,
das hast du gut gemacht. Eben Gärtner mit Herz-
blut.
Das Besondere an dieser Arbeitsbiographie
wird aber erst deutlich, wenn wir ergänzen: Hel-
mut kam 1995 als 35jähriger Drogenabhängiger
nach langen Szenejahren und einer HIV-Diagnose
zu uns. Er hatte das ganze Paket dabei: Langzeit-
arbeitslosigkeit, schwer vermittelbar, Verschul-
dung, keine abgeschlossene Ausbildung, Vorstra-
fen, Drogenabhängigkeit, Krankheit. Damals war
unvorstellbar, dass wir 25 Jahre zusammenarbei-
ten werden. Dass ein kleines mudra-Projekt zu
einem Ausbildungs- und Fachbetrieb wird, der
unzählige Gärten in Nürnberg baut und die beruf-
liche Heimat von Helmut über so lange Zeit wird.
Der medizinische Fortschritt für HIV-Positive war
in den 90ern so nicht zu erwarten.
Beschäftigung für Drogenabhängige war
höchstens auf zwei Jahre Maßnahme befristet,
eine Qualifizierung nicht unbedingt vorgesehen.
Verlängerung der Beschäftigungsdauer war die
Ausnahme und jedes Jahr die Fragen: Wird mein
Vertrag verlängert, wird das finanziert.
Helmut hat einige Meilensteine im Aufbau von
Arbeitsprojekten für Drogenabhängige gesetzt
und selbst durchgehalten. Mit Mühe, Leidenschaft
und dem notwendigen Willen hat er sich einen
Platz im Betrieb und der Gesellschaft erkämpft.
Wenn man das alles Inklusion oder Integration
nennt, wirkt es etwas romantisch.
Es war Arbeit. Tägliches Aufstehen, Stress mit
Kollegen, Kunden und Vorgesetzten, schaffe ich
mein Tagespensum, ist der LKW repariert, große
Schraubzwingen fehlen, der Rasenmäher streikt,
wer hat das Werkzeug aus meiner Kiste genom-
men, die anderen sind krank oder drauf und kom-
men nicht... Dazwischen Gespräche mit der Sozial-
arbeiterin Uta, Anträge, Atteste, Baustellen.
Zusammen mit Helmut wurde uns klar, was
den Ausstieg aus der Drogenabhängigkeit unter-
stützen kann. Wir haben es einfach ausprobiert.
Auf Vorträgen in Berlin, Frankfurt und sonst wo
haben wir am Beispiel von Helmut berichtet und
Drogenhilfe, Drogen- und Arbeitsmarktpolitik
aufgefordert, was für die berufliche Integration
von Drogenabhängigen zu tun.
Die Liste der Meilensteine, die dabei gesetzt
wurden ist lang:
Beschäftigungsmaßnahmen mit ABM, LKZ-
West, SAM
Qualifizierung „on the Job“ mit dem ESF
Entschuldung mit der Marianne Weizsäcker
Stiftung
Anerkennung von Sucht/chronischer Erkran-
kung als Schwerbehinderung
Dauerarbeitsplatz über FdE
Abschiede
25Jahresbericht 2021
Ausbau des Betriebes als Inklusionsunterneh-
men
Führerschein wieder erworben
Wechsel in den mudra-Tarifvertrag als Ex-User
Eigenständige Ausführung von Baustellen und
Arbeiten, wirtschaftlicher Beitrag zum Beste-
hen des Betriebes und der Arbeitsplätze
Ex-User als Leistungsträger im Betrieb und
Beispiel für andere Drogenabhängige.
Helmut hat uns in all den Jahren viel zurück-
gegeben. Zuverlässigkeit, Lust und Stolz, ein
mudra-Gärtner zu sein. Es war nicht immer
leicht, wir haben gestritten, uns genervt. Das
ist normal in einem Betrieb und wenn man so
lange zusammenarbeitet und sich auf Augen-
höhe begegnet. Wir haben uns gefragt, wie der
Zusammenhalt im Betrieb und in der Gesell-
schaft läuft, und was dazu notwendig ist, damit
es gut ist. Helmut hat 25 Jahre gearbeitet, Ren-
tenbeiträge und Steuern gezahlt, Verantwortung
für Partnerin, Tochter und Enkel übernommen.
All dies wäre ohne ihn, aber auch ohne die För-
derung von Arbeitsamt, Inklusionsamt, Bezirk
und vielen anderen Partnern, die mitgeholfen
haben, neue Wege in der beruflichen Integration
von Drogenabhängigen zu gehen, nicht möglich
gewesen.
Danke Helmut. Wir werden drogenpolitisch
und arbeitsmarktpolitisch am Ball bleiben, weil
wir mit dir zusammen gelernt haben, dass sich
was bewegen kann und sehen dich immer wie-
der gerne im Betrieb.
Jahresbericht 202126
Nachruf: Martin Kröniger
Am 07.05.2021 verstarb unser lieber Freund und
langjähriger Kollege Martin Kröniger nach langer,
tapfer ertragener Krankheit. 2012 stieß er in einer
schwierigen Lebensphase zum mudra Waldpro-
jekt. Martin liebte die Natur und besonders den
Wald. Er stabilisierte sich zusehends und wurde
schnell zu einem allseits geschätzten Mitglied
des Teams.
Oft kam er lange vor allen anderen zur Arbeits-
stelle und heizte schon mal den Ofen an, damit
der Rest gleich ins Warme konnte. Die Arbeits-
abläufe bei der Brennholzproduktion hatte er
bald verinnerlicht und übernahm immer mehr
die Funktion eines Vorarbeiters. Seine Vor-
stellungen von einem sinnvollen Arbeitsablauf
wusste er nachdrücklich zu vertreten, wenn die
Vorgesetzten mal wieder Unsinn redeten, blieb
er selbstbewusst bei seinem Standpunkt, oft mit
einem verschmitzten Lächeln.
Wir trauern um unseren Maddin, der uns so
viele Jahre begleitet hat. Sein Humor und seine
Gelassenheit, die er bis in die letzte Phase der
Krankheit bewahrte, werden uns in Erinnerung
bleiben.
Die Kolleginnen und Kollegen vom Waldprojekt
Abschiede
27Jahresbericht 2021
Nachruf: Dieter Maly
Dieter Maly hat uns über 30 Jahre begleitet. Als
Gründungsmitglied unserer Fördergemeinschaft
der mudra e.V. hat er 1989 den Grundstein für bür-
gerschaftliches Engagement für die Sucht- und
Drogenhilfe gelegt. Wir vermissen ihn als verläss-
lichen Gesprächspartner und ruhigen, unaufge-
regten Unterstützer. Nicht nur wir, sondern ganz
Nürnberg hat mit Dieter Maly einen wundervollen
Kümmerer verloren, der sein Leben dem sozialen
Mit- und Füreinander in der Stadt verschrieben
hat. Wir trauern mit all seinen Angehörigen und
Freunden, dass er so früh gehen musste.
Jahresbericht 202128
Die überwiegende Mehrheit der Menschen
(19) verstarb an Überdosierungen mit Opiaten,
zumeist Heroin. Neue psychoaktive Substanzen
werden mit 4 Toten ursächlich in Verbindung ge-
bracht und unterstreichen die Gefährlichkeit der
sogenannten „Kräutermischungen“, die in Nürn-
berg leider eine vergleichsweise hohe Relevanz
haben. Der Altersdurchschnitt fiel mit 39 Jahren
höher aus als im Vorjahr, rund jeder fünfte ver-
starb kurz nach Entlassungen aus stationären
Behandlungen oder Inhaftierungen. Die Mehrheit
der Toten war in Deutschland geboren (20), davon
waren 5 Frauen und 19 Männer.
21. Juli – Internationaler Drogentotengedenktag in der Lorenzkirche
Die Pandemie hat es uns und der Offenen Kirche
St. Klara in diesem Jahr nicht leicht gemacht,
unsere gemeinsame Feier zu planen und durch-
zuführen. Wir alle waren daher erleichtert und zu-
gleich sehr erfreut, wie gerne und offen uns die
Kirchengemeinde der Lorenzkirche ihr weitaus
größeres Haus zur Verfügung gestellt hat. Unser
herzlicher Dank gilt an dieser Stelle Frau Pfarrerin
Claudia Voigt-Grabenstein für die Einladung und
das Beitragen zu unserer Gedenkfeier.
Ebenso dankbar sind wir unserem Planungs-
team um Kerstin Brauer und Jürgen Kaufmann
aus der Klarakirche. Es wurde eine ganz beson-
dere Gedenkstunde für die Verstorbenen, deren
Freunde und Angehörigen, trotz der pandemiebe-
dingten Einschränkungen und Sicherheitsmaß-
nahmen. Wesentlich dazu beigetragen hat die
wunderbare Stimme von Stefanie Hollaus, alias
„ginatonic“, die sich selbst am Piano begleitet hat.
Es hat uns alle sehr berührt, in diesen Zeiten ei-
ne so würdige und schöne Feier gestalten und
erleben zu dürfen, auch wenn das traditionelle
Miteinander nach dem Gedenken in diesem Jahr
leider ausbleiben musste.
Schlagzeilen 2020/21Norbert Wittmann, Nele (Cornelia) Gilch
Das Corona-Jahr
Kaum ein Thema hat die Berichterstattung im
vergangenen Jahr so sehr dominiert wie Co-
vid-19 und die Arbeit so sehr beeinflusst und
quasi alles unter dem Vorzeichen des Umgangs
mit der Pandemie bestimmt und überlagert.
Nichts und niemand blieb davon unberührt und
am Ende eines ganzen Corona-Jahres ist die
Ermüdung und Erschöpfung allerorts greifbar
und spürbar; die Pandemie jedoch noch immer
nicht vorbei.
Der erfreuliche Rückgang der Anzahl Drogento-
ter war vor allem in Nürnberg im Vergleich zum
Vorjahr deutlich sichtbar. Dies darf aber nicht da-
rüber hinwegtäuschen, dass die 24 Toten in 2020
den Durchschnittswert der vergangenen 10 Jah-
re dennoch leicht übersteigen (22,8). Zu denken
muss uns geben, dass wiederum die Hälfte der
Opfer im öffentlichen Raum unter unwürdigen
Bedingungen versterben musste. Die sich im-
mer wieder stellende Frage nach dem „Warum?“
lässt einen zunehmend verzweifeln, muss daher
umso lauter und drängender gestellt sein. Es gibt
bekanntlich ein gutes und anerkanntes Hilfean-
gebot, dieses Drama deutlich zu reduzieren.
Drogentote
Nürnberg Bayern Deutschland
2011 20 177 986
2012 13 213 944
2013 30 230 1002
2014 27 252 1032
2015 27 314 1226
2016 20 321 1333
2017 19 308 1272
2018 15 235 1276
2019 34 269 1398
2020 24 251 1581
29Jahresbericht 2021
Konsum im öff entlichen Raum
Auch im zurückliegenden Jahr verstirbt rund
jede*r Zweite Drogentote im öffentlichen Raum
der Stadt Nürnberg. Während der Schulter-
schluss von Kommunen, Bezirken, Fachwelt,
Medizin, Suchthilfe, Dachverbänden zunehmend
geschlossen die Zulassung für Drogenkonsum-
räume (DKR) in den bayerischen Metropolen for-
dert, muss sich die Staatsregierung mehr denn
je die Frage gefallen lassen: WARUM NICHT?
Tatsächlich gibt es keinen vernünftigen Grund,
der gegen diese Form der Hilfe spricht, vielmehr
ist wiederholt, valide und europaweit ausgewertet
worden, wie hilfreich DKR für die Verhinderung
von Drogentod sind und weit darüber hinaus.
Sie schaffen Vertrauen zu den Menschen, die auf
Unterstützung angewiesen sind, lindern deren
Leid und integrieren sie nachhaltig ins System.
Dadurch entsteht ein hoher monetärer Mehrwert;
alleine am Beispiel der Entlastung des kosten-
intensiven medizinischen Notfallmanagements
lässt sich dies 1:1 leicht nachrechnen. Aber auch
für die Öffentlichkeit, die Bürgerinnen und Bürger,
Gewerbetreibenden usw. leisten Drogenkonsum-
räume einen erkennbaren Mehrwert an Sicher-
heit und Sauberkeit und damit Attraktivität der
Innenstädte.
Die Nürnberger Drogenhilfe hat ein erneuertes
kommunal ausgearbeitetes Konzept für einen
medizinisch überwachten Konsumraum erar-
beitet und mit den relevanten Partnern der Stadt
abgestimmt. Die Genehmigung der Staatsregie-
rung zum Betrieb bleibt jedoch Nürnberg wie auch
München weiterhin versagt.
Naloxon – Tod verhindert
Martin Kießling, mudra-Streetwork, findet bei
seinem Gang in die Mittagspause einen bewusst-
losen Drogenabhängigen, bereits blau angelaufen
direkt am Plärrer. Sofort alarmiert er die Rettung.
Dann rennt er geistesgegenwärtig zurück in die
Beratungsstelle der mudra, dort liegt noch ein
Naloxonpack und die Beatmungsmaske. Keine
zwei Minuten später ist er zurück zum Klienten
gespurtet. Sofort verabreicht er dem offensicht-
lich leblosen Klienten den Opiat-Antagonisten
Naloxon und beginnt mit Herzdruckmassage und
Beatmung. Gerade so holt er ihn zurück ins Le-
ben. Der eintreffende Rettungsdienst attestierte
großartige Arbeit und die Erkenntnis, dass sie
(der Rettungsdienst) diesmal wohl zu spät ge-
kommen wären. Dann nehmen sie den Klienten
mit ins Krankenhaus zur weiteren Versorgung.
Martins schnelles professionelles Handeln, so-
wie das Medikament Naloxon verhinderten den
nächsten Drogentoten in Nürnberg.
Dass Martin Kießling das Medikament zur
Verfügung hatte, ist letztlich nur einem Zufall ge-
schuldet. Gemeinsam mit Ärzt*innen schult der
Streetworker Abhängige in der Notfall-Anwen-
dung von Naloxon. Schulungsteilnehmer*innen
bekommen anschließend ein Notfallpack Naloxon
Jahresbericht 202130
mit. Dieses hatte eine Teilnehmerin in der mudra
liegen lassen. Drogenberatungsstellen verfügen
bislang nicht über die Erlaubnis, Naloxon zu be-
sitzen.
Das bayerische Modellprojekt ist 2021 ausge-
laufen und wird künftig als Bundesmodell unter
dem Namen NALTRAIN unter der Führung von
AKZEPT e.V. fortgeführt werden.
Substitution sichern
Zahlreiche Initiativen bemühen sich 2020/21, die
Zukunft der Substitutionsversorgung nachhaltig
zu sichern. Über 80.000 betroffene Opioidabhän-
gige werden aktuell mit dem Angebot erreicht
und damit in ihrer Erkrankung wesentlich un-
terstützt, stabilisiert und partizipieren an den
Möglichkeiten zur Integration, im Idealfall zur
Entwicklung aus der Abhängigkeit. Keine Frage:
das Erfolgsmodell für Opioidabhängige weltweit.
Aber, rund 90.000 betroffene Menschen werden in
Deutschland durch Substitution nicht erreicht. Die
Behandler werden Jahr für Jahr älter und nähern
sich dem 60-Jahre-Median. Nachwuchsmediziner
bleiben trotz aller Bemühungen der Gesetzgeber
und Verbände aus. Immer mehr weiße Flecken
der Nichtversorgung erscheinen auf der Substitu-
tionskarte Deutschlands. Die Lage ist zunehmend
dramatisch. Was kann man tun? Die mudra hat im
Drogenhilfeverbund Nürnberg und mit der Stadt-
verwaltung ein Konzept entwickelt, das den vielen
unversorgten Opiatabhängigen ein greifbares und
leicht zugängliches Substitutionsangebot macht,
ihnen quasi täglich die Wahl bietet zwischen
teuren, verunreinigten und illegalen Drogen wie
Heroin, oder einem kontrollierten, legalen und
kostenlosen Ersatzmedikament. Immer wenn
ein opiatabhängiger Mensch sich statt für Hero-
in für ein Substitut entscheidet gewinnen ALLE.
Der Drogenmarkt könnte erheblich geschwächt,
Begleitkriminalität vermindert, Elend und Not
gelindert werden. „SUB_PORT – Niedrigschwel-
lige Substitutionsambulanz“ lautet die Idee. Die
Institutsambulanz (PIA) des Klinikums Nürnberg
unter der Leitung von Prof. Dr. Hillemacher hat
sich als hoch kompetenter, medizinischer Koope-
rationspartner erfreulicherweise angeschlossen
und das Konzept mitentwickelt.
Dass gerade die Pandemie den Gedanken
einer Niedrigschwelligkeit mehr als möglich er-
scheinen lässt, ist auch den Kolleg*innen vom
DrobInn der JH e.V. in Hamburg, dem Senat und
der örtlichen KVB geschuldet. Quasi über Nacht
wurde eine niedrigschwellige Notversorgung für
die vielen obdachlosen und unversicherten Opi-
atabhängigen Hamburgs im Zuge der Pandemie
unkompliziert und niedrigschwellig ermöglicht.
Und siehe da: Die Ergebnisse und Erfahrungen
sind überraschend positiv und stellen den Ansatz
einer niedrigschwelligen Vergabe bundesweit zur
Diskussion. Sollte sich der Ansatz durchsetzen
– wovon wir fest überzeugt sind – wird dies den
Ansatz der Substitution wesentlich ergänzen und
bereichern.
Schlagzeilen
31Jahresbericht 2021
Pandemie und Kooperation
Und nun doch noch ein Blick auf die Pandemie.
So vieles an relevanten Themen wurde zurück-
gedrängt, andere Aspekte sichtbar, die vor der
Pandemie weitgehend unbemerkt oder wenig
beachtet waren. Ein Stichwort, welches in keiner
Rückschau fehlen darf ist „Digitalisierung“. Es
ist erstaunlich und beachtlich, was in kürzester
Zeit, mit wenig Mitteln und ohne Ressourcen
von den Trägern und ihren Mitarbeiter*innen
gestemmt und umgesetzt worden ist, um den
Klient*innen trotz der massiven Beschrän-
kungen der Pandemie ein durchgängiges Ange-
bot zu machen. Mit nicht geringem Stolz sehen
wir heute, dass uns die Klient*innen nicht ver-
loren gegangen sind und mit Freude erinnern
wir uns an die gegenseitige Unterstützung, den
offenen und unkomplizierten Austausch fernab
von Konkurrenzdenken und Fachdebatten. Oft-
mals haben wir gemeinsam die Stimme erhoben
und auf die Notlagen hingewiesen und schnell
und konzentriert haben wir in der Kommune
Lösungsvorschläge erarbeitet, Sozialarbeit,
Medizin, Ämter und Verwaltungen zusammen.
Was dies an Kraft gekostet hat, merkt man jetzt,
wo die Spannung endlich nachlässt, doch ne-
ben den mentalen, psychischen und physischen
Anstrengungen stehen auch hohe Summen auf
den Haushaltszetteln, die nicht gedeckt sind und
wohl auch nicht refinanziert werden. Es wird also
eng werden für die Träger und inwieweit die zu
erwartenden neuen Bedarfe, gerade auch durch
die Krise beschleunigt, gut und nachhaltig ver-
sorgt werden bleibt abzuwarten. Die Hoffnung,
dass der pandemischen Krise keine existentielle
Krise nachfolgt ist groß, die Drogenhilfe hat ge-
liefert und ihre Systemrelevanz unterstrichen.
Gesund mit ASA und AHAL plus C plus I plus S durchs Jahr
Was nach einer schlechten Werbung für den
Vitaminhaushalt klingt, hat uns alle die letz-
Jahresbericht 202132
ten Monate begleitet – die berühmten AHAL-
Regeln: Abstand – Hygiene – Alltagsmasken –
Lüften. Diese wurden dann noch in diesem Jahr
durch ein C für die Corona-App, durch ein I fürs
Impfen und schließlich durch ein S für Schnell-
tests erweitert. Gebetsmühlenartig haben wir in
unseren regelmäßigen Corona-News, in denen
wir das Neueste aus dem Pandemie-Universum
an die Mitarbeiterschaft kommunizieren, die
AHAL-Regeln, die Test- und Impfbereitschaft
sowie die Durchhaltekraft beschworen. Und
plötzlich wurde auch ein Gremium sichtbar,
das normalerweise keine öffentliche Aufmerk-
samkeit bekommt – der Arbeitssicherheitsaus-
schuss (ASA).
Bei mudra bemühen sich viele interne und ex-
terne Fachkräfte und Freiwillige um die Sicher-
heit aller Beteiligten. Die Geschäftsführung hat
gemeinsam mit dem Arbeitssicherheitsteam,
bestehend aus den externen Fachkräften Herr
Endlich und Herr Dr. Kerling sowie unserer inter-
nen Fachkraft Claudia Cabolet und den Sicher-
heitskräften aus den einzelnen Bereichen, Chri-
stian Anders, Mirko Hable, Christian Ley, Ste-
phan Rauschmayer, Marco Reichenberger sowie
dem Betriebsrat und den jeweiligen Bereichslei-
tungen unter anderem Gefährdungsprotokolle
erstellt, Hygienekonzepte aktualisiert, die Be-
teiligten eingewiesen und Schnelltestcenter für
unsere Mitarbeiter*innen, Klient*innen und Gä-
ste errichtet. Und dies alles mit großem Erfolg,
denn dieser besondere Cocktail hat mudra zum
größten Teil gesund gehalten: Mit insgesamt
nur einstelligen internen Coronafällen sind wir
mehr als zufrieden. Und als Dreingabe wurde so
die Wichtigkeit und Sinnhaftigkeit der Arbeits-
sicherheit sichtbar! Wenn das mal keine guten
Neuigkeiten sind!
Last but not least: Es gibt auch good News
Und mit guten Neuigkeiten wollen wir die
Schlagzeilen für dieses Jahr auch beschließen.
Die große Krise hat die Spendenfreudigkeit un-
serer Unterstützer*innen zum Glück nicht ge-
schmälert. Ganz im Gegenteil, die Liste unserer
Partner und Unterstützer wuchs an. Verändert
hat sich nur der Ablauf der Spendenübergabe.
Entweder ohne jeden Prunk und Gloria, einfach
per Anruf und Überweisung oder über Video-
Schlagzeilen
33Jahresbericht 2021
konferenz, Mobiltelefon und späterer Bildbe-
arbeitung oder mit Maske und gebührendem
Abstand. Hier ein kleiner Eindruck der Kreati-
vität bei der Spendenübergabe. Wir bedanken
uns an dieser Stelle nochmals herzlich für all
die Zuwendungen, die uns erreicht haben – ge-
rade in diesem besonderen Krisenjahr tun diese
besonders gut!
34 Jahresbericht 2021
Impressionen
35Jahresbericht 2021
36 Jahresbericht 202136
Pressespiegel
37Jahresbericht 2021
Nürnberger Zeitung, 26.06.2020
38 Jahresbericht 2021
BR24
, 20.
07.2
020
39Jahresbericht 2021
40 Jahresbericht 2021
Straßenkreuzer, 11/2020
41Jahresbericht 2021
42 Jahresbericht 2021
Nürnberger Zeitung, 19.11.2020
43Jahresbericht 2021
44 Jahresbericht 2021
entnommen aus: nordbayern.de, 24.11.2020
45Jahresbericht 2021
46 Jahresbericht 2021
47Jahresbericht 2021
Nürnberger Zeitung, 10.12.2020
48 Jahresbericht 2021
Nürnberger Zeitung, 29.01.2021
49Jahresbericht 2021
Jahresbericht 202150
Synthetische Cannabinoide auf Cannabisblüten – eine besorgniserregende EntwicklungJennifer Rahn, Felix Homann, Sandro Rößler, Benjamin Löhner und Johanna Dietz
Um das Jahr 2008 sind erstmals sogenannte
Kräutermischungen auf dem deutschen Markt
aufgetaucht, welche als legale Alternative zu
illegalisierten Cannabisprodukten vermarktet
wurden. Die Hersteller*innen bewarben die heu-
te häufig auch einfach nur „Kräuter“ genannten
Produkte als sogenannte „Legal Highs“. Diese
sollen die gleichen Wirkungen wie THC haben,
seien jedoch im Gegensatz zu natürlichen THC-
Produkten vollkommen legal.
Die wohl bekannteste Sorte zu der Zeit war
„Spice“. Dabei handelt es sich um Kräuter-/
Räuchermischungen, welche mit synthetischen
Cannabinoiden (Synthetics) behandelt wurden,
sodass beim Rauchen ein ähnliches Rauscher-
lebnis wie beim Konsum von Cannabis entstand.
Die synthetischen Cannabinoide werden der
Gruppe der Neuen Psychoaktiven Stoffe (NPS)
zugeordnet. Dabei wurde die chemische Zusam-
mensetzung so gestaltet, dass die Mittel weder
vom Betäubungsmittelgesetz (BtMG) noch vom
Arzneimittelgesetz (AMG) erfasst werden. Rea-
gierte die Legislative auf das Aufkommen eines
bestimmten synthetischen Cannabinoids und
listete dieses im BtMG, wurde die chemische
Zusammensetzung minimal verändert, sodass
der neue Stoff nicht mehr unter das Gesetz fiel.
Auf diesem Weg entwickelte sich ein Katz-und-
Maus-Spiel zwischen der Legislative und den
Hersteller*innen von synthetischen Cannabino-
iden.
Mit dem Ziel diesen Umstand zu ändern, trat im
November 2016 das Neue-psychoaktive-Stoffe-
Gesetz (NpSG) in Kraft. Mithilfe des NpSG sollen
nun ganze Stoffgruppen verboten werden können,
mit dem Ziel, die Verfügbarkeit als Konsum- und
Rauschmittel einzudämmen (Kraus et al. 2019:
325). Im Jahr 2019 wurde die Wirksamkeit des
NpSG erstmalig evaluiert.
In Bezug auf die Verbreitung kommen die
Wissenschaftler*innen Prof. Dr. Ludwig Kraus
und Kolleg*innen zu dem Ergebnis, „dass die
Gesetzeseinführung keinen wesentlichen Ein-
fluss auf die Konsumprävalenz zu haben schien“
(a.a.O.: 326). Befragte Konsumierende berich-
teten hingegen davon, dass mit der Einführung
des Gesetzes die Qualität einzelner NPS deutlich
abnahm, was teilweise zu einer Konsumverschie-
bung auf andere NPS (teils mit deutlich höherem
Gefahrenpotential) bzw. herkömmliche Drogen
führte (ebd.).
Ein Blick ins Internet zeigt ebenfalls, dass auch
heute noch Kräutermischungen mit dem Label
„100% Legal Garantie“ beworben werden. Dies
zeigt, dass der Verbreitung von NPS mithilfe der
bisherigen gesetzgeberischen Methoden nicht
beizukommen ist.
Neben der Verbreitung von sogenannten Legal
Highs ist seit dem Jahr 2020 eine neue besorg-
niserregende Entwicklung im Zusammenhang
mit synthetischen Cannabinoiden zu beobachten.
Es tauchen seit dem letzten Jahr vermehrt Pro-
ben von Cannabisprodukten auf, in welchen Syn-
thetics nachgewiesen wurden.
Die Stadt Zürich führt seit Oktober 2020 das
weltweit erste Drug-Checking-Programm ex-
plizit für Cannabisprodukte durch.1 Die Ergeb-
nisse der Auswertungen aus den Monaten Ok-
tober bis Dezember bestätigen, dass vermehrt
mit synthetischen Cannabinoiden verunreinigte
1 „Im Drogeninformationszentrum Zürich (DIZ) können jeden Donnerstagabend maximal 10 Konsu-mierende ihr Cannabis-Produkt auf die Inhaltstoffe überprüfen lassen und Beratungsleistungen in Anspruch nehmen. Die Analyseresultate bieten interessante Einblicke in die aktuelle Lage auf
51Jahresbericht 2021
Cannabisproben analysiert wurden. In dem
Bericht heißt es: „Seit der Eröffnung des Can-
nabis-Drug-Checking waren 22,9%, also knapp
ein Viertel aller Cannabisproben, die im DIZ zur
Analyse abgegeben wurden, mit mindestens
einem synthetischen Cannabinoid versetzt. Am
häufigsten wurde MDMB-4en-PINACA (15,2% der
Proben) gefolgt von 5F-MDMB-PICA (11,4%), 5F-
ADBICA-A (-NH3) (5,7%) und 4F-MDMB-BINACA
(1%) analysiert“ (CDC-Schweiz 2021: 5). Auch die
EMCDDA (European Monitoring Centre for Drugs
and Drug Addiction) hat im November 2020 ei-
ne Warnmeldung herausgegeben, dass Canna-
bisprodukte (Marihuana/Haschisch/E-Liquids)
beschlagnahmt wurden, welche bei der Labor -
analyse einen sehr geringen Anteil an THC, jedoch
verschiedene synthetische Cannabinoide aufwie-
sen (LADR – Laborverbund 2020).
Die Kolleg*innen aus der Schweiz sprechen in
ihrem Bericht davon, „dass kriminelle Strukturen
eine Geschäftsidee gesehen haben, indem sie das
inzwischen durch Überproduktion und den damit
verbundenen Preisverfall preiswert gewordene
CBD-Cannabis im großen Stil legal erwerben und
mit synthetischen Cannabinoiden versetzen, um
es anschließend mit hoher Gewinnmarge trüge-
risch als illegales Cannabis weiterzuverkaufen“
(CDC-Schweiz 2021: 5). Bei einem Besuch des
Enterprise-Teams in der Schweiz berichteten die
Verantwortlichen von saferparty.ch davon, dass
dieses Phänomen außerdem damit zusammen-
hängt, dass es keinen Schnelltest gibt, welcher
synthetische Cannabinoide erkennt.
Die Schweizer Strafverfolgungsbehörden füh-
ren bei einem Fund von Cannabisblüten einen
Schnelltest durch, ob es sich um legales CBD-
Cannabis (mit einem THC-Gehalt unter 1%)2 oder
um illegales THC-Cannabis handelt. Wenn sich
bei einem Schnelltest herausstellt, dass es sich
um CBD-Cannabis handelt, wird dieses nicht
beschlagnahmt. Durch das Auftragen der syn-
thetischen Cannabinoide kann dieses jedoch als
teureres psychoaktives Produkt verkauft werden.
Die synthetischen Cannabinoide sind im Ge-
gensatz zu natürlichem THC sogenannte Voll-
agonisten. Sie imitieren die Wirkung des THC und
docken somit unter anderem an den körpereige-
nen Cannabinoid-Rezeptoren an. Durch die deut-
lich höhere Rezeptorenbindung der Vollagonisten
können diese mehrere 100-mal stärker wirken.
Dadurch ist die Gefahr einer Überdosierung bei
synthetischen Cannabinoiden relativ hoch. Die-
ser Umstand wird dadurch verstärkt, dass die
synthetischen Cannabinoide von außen auf die
Cannabisblüten aufgetragen werden was dazu
führt, dass der Wirkstoff zu ungleichen Teilen auf
der Blüte aufgetragen ist. Dadurch wird die Do-
sierung deutlich erschwert und die Gefahr einer
Vergiftung durch die Synthetics erheblich erhöht
(LADR – Laborverbund, 2020).
Neben dem erhöhten Vergiftungsrisiko können
die im Labor hergestellten Wirkstoffe der NPS
starke Nebenwirkungen mit sich bringen, die von
der Wirkung von natürlichem THC deutlich abwei-
chen. „Häufig zeigten sich unmittelbar nach dem
Konsum körperliche Symptome wie Übelkeit,
Erbrechen, Schweißausbrüche (sic!), Herzrasen,
Schwindel, motorische Schwierigkeiten bis hin zu
Bewusstlosigkeit oder Lähmungserscheinungen.
Beim Konsum von synthetischen Cannabinoiden
dem Cannabismarkt. Der eigens für das Angebot entwickelte Fragebogen lässt nebst soziodemo-graphischen Daten Rückschlüsse auf Konsummotive, Risikoverhalten und negative Auswirkungen in Zusammenhang mit dem Konsum zu“ (CDC-Schweiz: 2).
2 Die Grenzwerte wie viel THC in CBD Cannabis enthalten sein darf sind von Land zu Land unter-schiedlich. In der Schweiz darf bis zu 1% THC und in Deutschland bis zu 0,2% THC enthalten sein.
Jahresbericht 202152
kann aufgrund von Bewusstlosigkeit die Gefahr
von Unfällen, zum Beispiel durch Stürzen, erheb-
lich höher sein.
Als unerwünschte psychische Nebenwirkungen
werden Panikattacken, Halluzinationen oder dis-
soziative Empfindungen genannt“ (CDC-Schweiz
2021: 8). Ebenfalls gibt es Hinweise darauf, dass
die Vollagonisten an weiteren Rezeptoren (bei-
spielsweise Serotonin-Rezeptoren) im Körper
andocken können. Dies führt möglicherweise zu
noch unbekannten zusätzlichen Risiken, welche
durch den Konsum ausgelöst werden können
(ebd.).
Einleitend wurde über das Aufkommen von
Kräutermischungen wie Spice berichtet. Er-
gebnisse aus der Evaluation zum NpSG wei-
sen für NPS eine Lebenszeitprävalenz von 1,4%
(12–25-Jährige) auf (Kraus et al. 2019: 232). Dies
zeigt, dass die vermeintlich legale Alternative zu
illegalisierten Cannabisprodukten durchaus einen
Markt geschaffen hat. Vergleicht man jedoch die
Prävalenzen zum Cannabiskonsum, liegen diese
deutlich höher als bei den NPS. Ergebnisse der
Epidemiologischen Suchsurvey (ESA) aus dem
Jahr 2018 zeigen, dass 28,3% der Erwachsenen
(18–65-Jährige) schon mal Cannabis konsumiert
haben. Die 30-Tage-Prävalenz bei den Erwach-
senen ergibt einen Wert von 3 Prozentpunkten
(Seitz et al. 2018: 4).
Die Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) untersucht
unter anderem die Prävalenzen für Jugendliche
und junge Erwachsene. Laut den Ergebnissen aus
dem Jahr 2019 haben 10,4% der 12–17-Jährigen
und 46,4% der 18–25-Jährigen schon mal Canna-
bis konsumiert. Die 30-Tage-Prävalenz liegt bei
3,8% (12–17-Jährige) bzw. 11,5% (18–25-Jährige)
(Orth, B. & Merkel, C. 2020: 54ff.).
Beim Konsum von Kräutermischungen sind
sich die Konsumierenden zumindest bewusst,
dass sie synthetische Cannabinoide konsumieren
und können im besten Fall Safer-Use-Regeln be-
rücksichtigen. Findet der Konsum jedoch unwis-
sentlich statt, steigt das Risiko einer Vergiftung
erheblich. Durch mit chemischen Wirkstoffen
versetzte Cannabisprodukte ist deshalb eine we-
sentlich größere Gruppe an Cannabiskonsumie-
renden der Gefahr ausgesetzt, unwissentlich die
Synthetics zu konsumieren. Der Laborverbund
LADR führt unter anderem Untersuchungen von
Urin und Kappilarblut durch. Die Ergebnisse aus
dem Jahr 2020 zeigen, dass in den Proben ver-
stärkt der Stoff MDMB-4en-PINACA nachgewie-
sen wird (vgl. Abbildung 1: LADR-Laborverbund
2020).
Wie bereits dargestellt, hat sich die Kon-
sumprävalenz von NPS in den letzten Jahren
kaum verändert. Der rapide Anstieg von Nachwei-
sen der Wirkstoffe in Blut und Urin zeigen jedoch,
dass der Konsum dieser deutlich zugenommen
hat. Es lässt vermuten, dass der Konsum ver-
mehrt unwissentlich geschieht.
Wie bereits ausgeführt, hängt das relativ neue
Phänomen zum einen damit zusammen, dass
eine immense Überproduktion an CBD Cannabis
stattfand und die Produkte relativ billig erworben
werden können. Kriminelle Strukturen machten
sich diesen Umstand zu eigen und versuchen
durch die Beifügung der schwerpunktmäßig aus
China stammenden psychoaktiven NPS, dieses
gewinnbringend zu verkaufen. Durch die feh-
lenden Schnelltestmöglichkeiten können die
Produzent*innen außerdem einer Strafverfolgung
aus dem Weg gehen.
Die Akteur*innen des Schwarzmarktes finden
somit einen Weg, sich die aktuelle Drogenpolitik
und die daraus entstehenden Dynamiken des
Schwarzmarktes zu Nutze zu machen, um Pro-
fite zu erzielen. Die Problematik erinnert an die
Zeit der Alkoholprohibition in den USA Anfang
des 20 Jahrhunderts. Damals wurde vermehrt
gepanschter Alkohol unter der Hand verkauft,
Synthetische Cannabinoide auf Cannabisblüten – eine besorgniserregende Entwicklung
53Jahresbericht 2021
was zu erheblichen Nebenwirkungen bei den
Konsumierenden führte. Die Schwarzmarktpro-
dukte sind in ihrem Alkoholgehalt immer stär-
ker geworden und fehlende Qualitätskontrollen
führten dazu, dass die Zahl an Vergiftungen durch
Methanol deutlich zunahm.
Zusätzlich verhalf das Verbot kriminellen
Strukturen zu einer immensen Einnahmequelle
durch den Schmuggel von Alkohol. Damals wurde
relativ schnell erkannt, dass die Prohibitionspoli-
tik eher zu neuen Problemen führt und nicht da-
zu beiträgt, dass der Konsum merklich abnimmt.
Nach „nur“ 13 Jahren wurde der Zusatzartikel zur
Prohibition von Alkohol gestrichen.
Bleibt die Frage, wie auf das neue Phänomen
kurzfristig und nachhaltig reagiert werden kann?
Das bereits genannte Cannabis Drug-Checking-
Programm aus der Schweiz ist beispielsweise
eine Möglichkeit, die Risiken des neuen Phäno-
mens etwas abzufedern. Mithilfe dessen können
Konsumierende die Produkte auf mögliche Ver-
unreinigungen durch synthetische Cannabinoi-
de oder Streckmittel wie zum Beispiel Blei etc.
testen lassen. Durch die im Labor gewonnenen
Informationen können mögliche unerwünschte
Nebenwirkungen oder gar Vergiftungen mög-
lichst verhindert werden. Jedoch wäre bei so
einem Angebot die Hürde relativ hoch und würde
vermutlich nur einem Teil der Konsumierenden
zugutekommen.
Die wohl nachhaltigste Möglichkeit mit dem Pro-
blem umzugehen wäre es, die Produktion und den
Vertrieb von Cannabisprodukten dem Schwarz-
markt zu entziehen und diese unter staatliche
Kontrolle zu stellen. Wie bereits dargestellt, ist der
Cannabiskonsum in der Gesellschaft trotz der Ille-
galität weit verbreitet. Durch eine Regulierung des
Marktes mit klaren Regeln und Qualitätskontrol-
len wäre ein nachhaltiger Verbraucher*innenschutz
möglich. Dies würde zum einen dafür sorgen, dass
keine verunreinigten Produkte auf einem legalen
Markt auftauchen.
Jahresbericht 202154
Wenn die Produktion unter staatlicher Auf-
sicht, nach klaren Richtlinien geregelt ist, kön-
nen sich die Konsumierenden sicher sein, dass
es sich um qualitativ hochwertige Produkte,
frei von Düngerrückständen, Streckmitteln oder
chemischen Cannabinoiden handelt. Zusätzlich
könnten die Cannabisprodukte mit den nötigen
Informationen (THC-Gehalt, Wirkung, mögliche
Nebenwirkungen etc.) versehen werden. Eine
klare Benennung der Inhalts- und Wirkstoffe
sowie eine umfassende Aufklärung über Dosie-
rung und mögliche Nebenwirkungen ermöglicht
es den Konsumierenden einen risikobewussten
Konsum zu betreiben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der
momentane gesetzgeberische Umgang mit Can-
nabisprodukten, dem eigenen Anspruch des Ge-
sundheitsschutzes nicht gerecht wird. Kriminelle
Strukturen nutzen die Marktdynamiken aus, um
die eigenen Profite zu maximieren, ungeachtet
dessen, was dies für die Konsument*innen und
deren Gesundheit bedeutet.
Quellen
CDC-Schweiz (2021): Stadt Zürich, Saferparty
Streetwork; CDC Auswertung Oktober-De-
zember. Abrufbar unter: https://saferparty.ch/
tl_files/images/download/file/Warnungen_
PDF_2021/C-Bericht_2020_def.pdf
Kraus et al. 2019: Abschlussbericht; Evaluation
der Auswirkungen des Neue-psychoaktive-
Stoffe-Gesetztes (NpSG); 2019 München.
Abrufbar unter: https://www.ift.de/fileadmin/
user_upload/Literatur/Berichte/Kraus_et_
al_2020_NpSG-Abschlussbericht.pdf
LADR – Laborverbund: Chemisch gestrecktes
Cannabis – Warnung! 2020. https://ladr.de/
betaeubungsmittel/chemisch-gestrecktes-
cannabis
Orth, B. & Merkel, C. (2020). Die Drogenaffinität
Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutsch-
land 2019. Rauchen, Alkoholkonsum und Kon-
sum illegaler Drogen: aktuelle Verbreitung
und Trends. BZgA-Forschungsbericht. Köln:
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-
rung.
Seitz, N.-N., John, L., Atzendorf, J., Rauschert, C.
& Kraus, L. (2019). Kurzbericht Epidemiolo-
gischer Suchtsurvey 2015. Tabellenband: Kon-
sum illegaler Drogen, multiple Drogenerfah-
rung und Hinweise auf Konsumabhängigkeit
und -missbrauch nach Geschlecht und Alter
im Jahr 2018. München: IFT Institut für The-
rapieforschung.
Synthetische Cannabinoide auf Cannabisblüten – eine besorgniserregende Entwicklung
55Jahresbericht 2021
Jahresbericht 202156
50 Jahre „War on Drugs“Norbert Wittmann
Im Juni 2021 ist es genau 50 Jahre her, dass
US-Präsident Nixon der Welt den Krieg erklärt
hat, genauer gesagt den Drogen dieser Welt.
„War on Drugs“ als Leitbild drogenpolitischer
Strategien wurde zum internationalen Mantra,
dem sich mehr oder weniger alle Länder an-
schlossen, mehr oder weniger freiwillig. Ge-
meinsam wurde mit UN-Konventionen (zuletzt
1988) dem Besitz, dem Handel und dem Kon-
sum illegalisierter Drogen (Opium, Heroin, Ko-
ka, Kokain, Cannabis etc.) der Kampf angesagt.
Jede Minute stirbt ein Mensch an illegalen
Drogen, an die 600.000 Tote Jahr für Jahr. 270
Millionen Menschen weltweit konsumieren il-
legale Substanzen. Rund 6400t Opium werden
jährlich produziert, der Kokainanbau erfährt ei-
nen rasanten Zuwachs, die illegale Herstellung
von Fentanyl hat in den USA zu einer nie da-
gewesenen Epidemie von Drogentoten geführt.
Seit Jahrzehnten steigen Anbau und Produk-
tion der harten Drogen, aber auch die illegale
Herstellung von Medikamenten und sogenann-
ter Neuer Psychoaktiver Substanzen (NPS). Der
Konsum von Amphetamintypischen Substan-
zen (ATS) steigt stetig, der illegale Handel mit
Tramadol verzeichnet ein „All-Time-High“ mit
über 150t weltweit. Noch nie wurden so viele
Drogen beschlagnahmt wie in den vergangenen
Jahren. Überhaupt liest sich der letzte UN-Dro-
genreport wie ein Guinnessbuch der Rekorde.
273 Substanzen waren 2018 als verboten ge-
listet, so viele wie noch nie. Im gleichen Jahr
wurden 893 Neue Psychoaktive Substanzen
(NPS) identifiziert und an das Frühwarnsystem
der UN gemeldet.1 Ein verheerendes Fazit nach
50 Jahren „War on Drugs“.
War on Drugs – die Lüge!
Suchtpolitik, das lehrt uns die Geschichte, ist kein
Standalone-Bereich, sondern stets beeinflusst
durch Motive anderer Ressorts wie Wirtschaft,
Innenpolitik, Außenpolitik und weiteren Interes-
senlagen. Nicht selten wird der „Schutz der Men-
schen“ als Überschrift für ganz anders gelagerte
Ziele missbraucht. Aus dem 16. Jhd. ist uns die
Tabak-Fatwa von Sultan Murad dem IV. überlie-
fert, mit dem angemahnten Ziel, seine Unterta-
nen vor dem gräulichen und schädlichen Konsum
von Rauchwaren zu schützen. In Wahrheit sah
er in den zunehmend beliebten Tabakhäusern
einen Nährboden für politische Widersacher. Per
Dekret stellte er den Konsum von Tabak unter To-
desstrafe. Zur Durchsetzung und Überwachung
legitimierte er eine Spezialeinheit aus verdeckten
Ermittlern und V-Leuten – wenn man so will, ei-
nen systematischen Geheimdienst.
Anderes Beispiel: Die Opiumkriege im 19. Jahr-
hundert waren einzig und alleine motiviert von
den wirtschaftlichen Interessen der westlichen
Kolonialmächte gegenüber dem Riesenreich Chi-
na. Dafür wurde eine organisierte Schmuggelin-
dustrie aufgebaut und ganze Landstriche der chi-
nesischen Zivilgesellschaften in die Opiumsucht
gedrängt. Dem Verhältnis zwischen China und
dem Westen fügt dies bis heute einen nachhal-
lenden Schaden zu.
Und abschließend ein Blick in die USA Anfang
des 20. Jahrhunderts und die desolate Perfor-
mance der Alkohol-Prohibition. Sie hat zwar
immerhin das Frauenwahlrecht ermöglicht, an-
sonsten aber unendliches Leid und wirtschaft-
lichen Schaden über die USA und deren Gesell-
schaft gebracht hat. Auch hier war der Schutz
der Familien und der Gesundheit ein bestenfalls
1 UNODC, World drug report 2020, unter https://wdr.unodc.org/wdr2020/index2020.html
57Jahresbericht 2021
vorgeschobenes Motiv. Im Wesentlichen ging es
um wirtschaftlichen Einfluss und innenpolitische
Aspekte wie die Nationale Identität. Einwan-
derer und schwarze Ghettos waren neben der
deutsch-amerikanischen Brauereilobby Ziele ei-
ner gezielten Diskreditierung. Die Verlogenheit der
Kampagne zog vor allem in den großen Städten
irrwitzige Stilblüten nach sich. Alkohol wurde in
rauen Mengen konsumiert, schwarz gebrannt, ge-
schmuggelt und gehandelt. Der ideale Nährboden
für Bestechung, Schmiergeld und das Entstehen
einer Schattenwirtschaft, letztlich die Geburts-
stunde der Mafia und der organisierten Krimi-
nalität. Deren steigender Einfluss auf Politik und
Wirtschaft sowie die große Wirtschaftskrise 1929
beendeten letztlich das „noble Experiment“. Die
Legalisierung sollte nun wieder Steuern in die lee-
ren Kassen spülen und die Wirtschaft ankurbeln.
Geradezu unglaublich, dass gerade die USA
nach diesen Erfahrungen zu Beginn der 70er
Jahre sich anschickten, einen erneuten Krieg
gegen Drogen, Konsum und Handel loszutreten.
Diesmal im Fokus: Kokain, Heroin und Cannabis.
Und wieder wird der Schutz der Amerikaner be-
schworen und wieder sind es die gleichen Lügen.
Die wahren Beweggründe der Kampagne sind
erneut die gezielte Diskreditierung bestimmter
Bevölkerungsgruppen (v.a. Afroamerikaner; Kom-
munisten) und die Bekämpfung innenpolitischer
Widerstandsbewegungen.
John Ehrlichman, bekannt u.a. aus seinen Ver-
wicklungen in die Watergate-Affäre, war von 1969
bis 1973 Nixons Chef-Berater für Innenpolitik und
gehörte zum engsten Vertrauenskreis des Präsi-
denten. In einem Interview mit dem Journalisten
Dan Baum 1994 äußert er sich wie folgt über die
Motive für die Kampagne „War on Drugs“:
„Die Nixon-Kampagne 1968 und die folgende Re-gierung hatten zwei Feinde: Die linken Kriegsgeg-ner und die Schwarzen. Verstehen Sie, was ich damit sagen will? Wir wussten, dass wir es nicht verbieten konnten, gegen den Krieg oder schwarz zu sein, aber dadurch, dass wir die Öff entlichkeit dazu brachten, die Hippies mit Marihuana und die Schwarzen mit Heroin zu assoziieren und beides heftig bestraf-ten, konnten wir diese Gruppen diskreditieren. Wir konnten ihre Anführer verhaften, ihre Wohnungen durchsuchen, ihre Versammlungen beenden und sie so Abend für Abend in den Nachrichten verunglimp-fen. Wussten wir, dass wir über die Drogen gelogen haben? Natürlich wussten wir das!“2
Das war Anfang der 1970er Jahre. Über 10 Jahre
später zog Präsident Reagan unter der gleichen
Flagge gegen mehrere Staaten Mittelamerikas in
den Krieg. Nach der ersten Invasion in Panama
1988, folgten weitere militärische und geheim-
dienstliche Aktionen gegen fremde Staaten: Ko-
lumbien, Mexiko, Afghanistan. Stets wurde dabei
der Kampf gegen die Drogen bemüht. Dass es
dabei um durchaus anders gelagerte außenpoli-
tische Machtinteressen ging, ist in vielen Fällen
belegt. Die Bekämpfung linksgerichteter Regie-
rungen in Mittelamerika stand im Mittelpunkt
zahlreicher „War-on-Drugs“-Aktivitäten. Die Ma-
chenschaften der Geheimdienste lesen sich heu-
te wie gruselige Kapitel aus vergangenen Tagen.
Im Zuge der Iran-Contra Affäre wurde u.a. die
Beteiligung der US-Geheimdienste am internati-
onalen Drogenhandel nachgewiesen und die USA
vor dem Internationalen Gerichtshof verurteilt.
War on Drugs – das Scheitern!
USA: Im Jahr 2016 missbrauchten 11,8 Millionen
US-Amerikaner verschreibungspflichtige Opioide
2 veröffentlicht u.a. https://harpers.org/archive/2016/04/legalize-it-all/
Jahresbericht 202158
oder Heroin. Rund 3,6 Prozent der Jugendlichen
(12 bis 17 Jahre) und 7,3 Prozent der jungen Er-
wachsenen (18 bis 25 Jahre) gaben an, im letzten
Jahr Opioidmissbrauch betrieben zu haben. 2016
stirbt alle 16 Minuten ein Mensch in den USA an
einer Opioid-Überdosis. Zwischen 2014 und 2016
stiegen die Todesfälle durch Opioid-Überdosie-
rungen landesweit um etwa 48 Prozent. 2020 er-
leben die USA eine der tödlichsten Suchtkrisen in
ihrer Geschichte. Über 50% der Drogentodesfälle
stehen dabei im Zusammenhang mit Fentanyl,
was eine ums 29-fache gestiegene Rate binnen
neun Jahren bedeutet. Dabei geht es in erster
Linie jedoch nicht um eine „wilde“ Verschrei-
bungspraxis dieses Medikamentes, wie dies ge-
legentlich kolportiert wird. Vielmehr ist Fentanyl
vergleichsweise einfach zu produzieren, lässt sich
besser und verdeckter handeln und schmuggeln
und ist im Vergleich zu Heroin 50-100mal profi-
tabler. Fentanyl wird im großen Stile Heroin wie
auch Kokain und Amphetaminen beigemischt, ei-
ne Kombination, die vor allem für nicht-tolerante
User*innen tödlich ist.3
Die Opioid-Epidemie kostet die Vereinigten
Staaten schätzungsweise 504 Milliarden Dollar
pro Jahr, einschließlich der Kosten für das Ge-
sundheits- und Justizsystem sowie der wirt-
schaftlichen Auswirkungen durch vorzeitige To-
desfälle. Von 1971 bis 2015 hat der Krieg gegen
Drogen die Vereinigten Staaten schätzungsweise
1 Billion Dollar gekostet. Das sind 1000 Milliarden
Dollar – alleine in den USA.4 Hinzu kommen jähr-
lich Kosten in Höhe von rund 7 Milliarden Dollar
für die Inhaftierung von Drogenkonsument*innen
und das sind – wer hätte dies gedacht – zu 80%
Afroamerikaner und Latinos, trotz vergleichbarer
Konsumraten unter der weißen Bevölkerung.5
Blicken wir auf EUROPA. In Großbritannien be-
scheinigt 2005 ein von der Downing Street geheim
gehaltener Bericht über Crack und Heroin dem
von der Regierung geführten Krieg gegen Drogen
das Scheitern. Der Bericht belegt, dass die Re-
pression keinen Effekt auf die Drogenproduktion
hat, ebenso wenig auf das Drogenangebot. Preise
und Beschaffungskriminalität werden im Gegen-
teil durch die Repression stark angeheizt und die
Gewinnspanne der Händler hochgehalten. Trotz
massiver Interventionen steigt der Konsum har-
ter Drogen. Die jährlichen Kosten der Kriminalität
in Zusammenhang mit Crack und Heroin wurden
von der Studie auf 16 Milliarden Pfund geschätzt,
rechnet man die Schäden im Gesundheits- und
Sozialwesen hinzu sind es sogar 24 Milliarden
Pfund.
Die Ergebnisse des vollständigen 105 Seiten
starken Berichts enthielten eine derart vernicht-
ende Kritik an der Politik der Prohibition, dass
eine Veröffentlichung unterbunden wurde.6
DEUTSCHLAND 2020: Der aktuelle REITOX-
Jahresbericht belegt für Deutschland, dass 29,8%
der erwachsenen Bevölkerung in ihrem Leben
bereits illegale Drogen konsumiert haben. Jeder
Dritte also hat schon illegale Substanzen probiert.
Beachtlich, denn dies bedeutet streng genommen
3 Nora D. Volkow, The Epidemic of Fentanyl Misuse and Overdoses: Challenges and Strategies, World
Psychiatry. 2021 June; 20(2): 195–196., Published online 2021 May 18. doi: 10.1002/wps.20846
4 „Ending the War on Drugs, By the Numbers“; Betsy Pearl; Center for American Progress, June 2018
5 Peter Wagner und Bernadette Rabuy, „Mass Incarceration: The Whole Pie 2015“ (Northampton,
MA: Prison Policy Initiative, 2015), https://www.prisonpolicy.org/reports/pie2015.html
6 SU Drugs Project, Confidental Policy 2005, veröffentlicht u.a. unter http://image.guardian.co.uk/
sys-files/Guardian/documents/2005/07/05/Report.pdf
50 Jahre „War on Drugs“
59Jahresbericht 2021
eine ungeheure Zahl an potentiellen Verbrechern.
Weitaus bedeutsamer aber erscheint der Blick auf
eine andere Zahl des Berichts. Nimmt man näm-
lich Cannabis aus der Betrachtung dieser 29,8%
heraus, so verbleibt lediglich eine Zahl von rund
einem Prozent der Konsument*innen, die an-
dere illegale Drogen konsumiert haben. Um es
noch deutlicher zu machen, lohnt ein Blick auf
die 30-Tage-Inzidenz, die über häufigen bis re-
gelmäßigen Konsum Aussagen erlaubt. Es lässt
sich daraus ableiten, dass es nur sehr wenige
Menschen in Deutschland gibt, die ihr Leben lang
regelmäßig Drogen nehmen oder süchtig wer-
den.7 Anders ausgedrückt, für die allermeisten
Menschen ist der Konsum illegaler Substanzen
ein punktuelles, episodisches und sehr gelegent-
liches „Vergnügen“.
Fazit
Es stellt sich also die Frage, ob eine Politik des
absoluten Verbots mit all den Kosten und Kon-
sequenzen sich tatsächlich rechtfertigt. In den
meisten Ländern, die illegale Drogen importie-
ren, hat sich eine Schattenwirtschaft des orga-
nisierten Verbrechens entwickelt. Je strikter das
Verbot kontrolliert wird, desto gewinnträchtiger
zeigt sich das illegale Geschäft. Wem also nutzt
die Verbotspolitik und was bewirkt sie? Muss
es nicht erlaubt sein, ein Umdenken im großen
Stile zu fordern, so wie es immer mehr Länder
und Staaten für sich anscheinend erfolgreich
versuchen. Das Betäubungsmittelstrafrecht in
Deutschland schützt in Wirklichkeit nur eine be-
stimmte Moral schlussfolgert beispielsweise Pro-
fessor Böllinger.8 Die Kosten dafür sind immens
und der Nutzen fragwürdig. Für viele der über-
wiegenden Mehrheit gelegentlicher User*innen
ist die Strafverfolgung keine Hilfe, sondern eine
echte Bedrohung und kann Lebensläufe, beruf-
liche und gesellschaftliche Konstellationen ge-
hörig und nachhaltig schädigen. Unkontrollierte
Substanzen bergen zudem ein hohes gesund-
heitliches Risiko und können auch beim einma-
ligen oder gelegentlichen Konsum fatale Folgen
nach sich ziehen. Nicht zuletzt ist das Bild der
Drogenkonsument*innen in der Öffentlichkeit bis
hinein in die Suchthilfe nach 50 Jahren Krieg ge-
gen Drogen geprägt von Ablehnung, Misstrauen
und Ausgrenzung. In einem Krieg gegen Drogen,
sind deren Gebraucher*innen per se Kriegsgegner
und damit der Feind. Zumindest dieser perfide
Plan der „War-on-Drugs“-Kampagne ist aufge-
gangen.
„Wenn es ihn gibt, diesen Krieg gegen Drogen, dann ist es ein Krieg, der in vielen unserer Familien aus-getragen werden muss. Aber ich frage Sie, wie führt man Krieg gegen ein Familienmitglied?“ fragt Mi-
chael Douglas, alias Robert Wakefield, Chef der
DEA in dem Film-Klassiker „Traffic“ von Stephen
Soderbergh. Ein Krieg gegen Drogen ist nicht zu
gewinnen und wird zu einem Krieg gegen die
Menschen. Menschen, die unsere Kinder sind,
Teil unserer Familien, Freunde und Freundinnen,
Nachbar*innen und Kolleg*innen.
Ende des Kriegs
Eine Regierung beschließt beispielsweise, eine
illegale Droge wie Cannabis kontrolliert freizu-
geben. Kleine Mengen für den persönlichen Ge-
brauch werden straffrei gestellt und lizenzierte
7 REITOX-Bericht 2020, DBDD; Franziska Schneider, Krystallia Karachaliou, Nicki-Nils Seitz,Tim
Pfeiffer-Gerschel (IFT Institut für Therapieforschung) u.a.
8 Prof. Dr. jur. Dipl.-Psych. Lorenz Böllinger, Die Obsoletheit des Cannabisverbots, Beitrag zur Ex-
pertenanhörung, Sitzung Gesundheitsausschuss des Bundestages, 27.06.2018
Jahresbericht 202160
Händler zugelassen, die Herstellung wird über-
wacht, Wirkstoff und Qualität werden geprüft. Die
wachsende Zahl von steuerpflichtigen Anbietern
würde die Macht organisierter Banden verringern
helfen. Die Preise würden fallen. Polizei und die
Justiz würden entlastet werden, Ressourcen
würden gespart und stünden anderswo zur Ver-
fügung. Vermutlich würde auch die Beschaffungs-
kriminalität zurückgehen, sicher aber würde die
kontrollierte Qualität der legal gehandelten Ware
zur Gesunderhaltung der Nutzer*innen wesent-
lich beitragen.
Eine gute flankierende Prävention und Aufklä-
rung würde die Eigenverantwortung und Kon-
sumkompetenz der Nutzer*innen ins Auge neh-
men und stärken, finanziert aus den Einnahmen
der Besteuerung oder Lizenzierung eines legalen
Gewerbes.
Eine befürchtete dauerhafte Steigerung des
Konsums, lässt sich aus den Erfahrungen der
Vorreiter-Länder nicht ablesen. Die Abwägung
zwischen Risiken und Nutzen, zwischen enormen
materiellen und immateriellen Folgekosten einer
Prohibitionspolitik, dem hohen individuellen und
sozialen Elend durch die Strafverfolgung von
Konsument*innen und den Chancen und Mehr-
werten einer kontrollierten Freigabe fordert 50
Jahre nach Beginn des „War on Drugs“ einen
neuen Pragmatismus und das Ende einer unsin-
nigen Kampagne.
50 Jahre „War on Drugs“
61Jahresbericht 2021
Jahresbericht 202162
mudra|digital – Die Pandemie als Katalysator für den digitalen Aufbruch in der Suchthilfe!?!
„Hey Alex, ich habe ein Suchtproblem!“ Mit diesem
Wink in Richtung Jeff Bezos‘ künstlicher Intelli-
genz startete im Mai 2019 der 41. FDR-Kongress in
Frankfurt am Main. Rückblickend bildete das Event
den Kick-Off für eine ganze Reihe von Fachveran-
staltungen, die im gleichen Jahr den viel zu späten
digitalen Aufbruch in der Suchthilfe thematisier-
ten. Die Tagungsprogramme waren entsprechend
gespickt mit ungewohnt interdisziplinär besetzten
Keynotes und Panels, in denen die Redner*innen
entlang verschiedener Best-Practice-Beispiele ih-
re Vision einer digital-transformierten Suchthilfe
mit dem Fachpublikum diskutierten.
Und tatsächlich machte sich ein Gefühl des Auf-
bruchs breit, als man nach inspirierenden Tagen
mit einem Rucksack voller Ideen die Heimreise
im ICE antrat. Doch es bedurfte noch einiger Mo-
nate und einer handfesten Pandemie, bis viele der
Impulse in einer Neujustierung unseres digitalen
Angebotsportfolios mündeten. Glücklicherweise
mussten wir dabei im ersten Lockdown nicht
bei null beginnen. Vor allem unsere langjährigen
Erfahrungen im Bereich der Online-Beratung, ge-
paart mit der mudra-typischen Hands-on-Men-
talität, machten eine schnelle Reaktion auf die
veränderten Bedingungen möglich. Mit einer im
Herbst 2020 von der Stiftung Deutsches Hilfswerk
bewilligten halben Personalstelle erhalten wir nun
zusätzliche Ressourcen, um viele der ad hoc ent-
wickelten Ideen weiterzudenken, konzeptionell
auszuformulieren, umzusetzen und strukturell
zu verankern.
Neue Beratungsangebote im virtuellen RaumIm Fokus steht dabei der Auf- und Ausbau un-
serer Online-Beratungsangebote. Hierfür soll
zunächst die asynchrone Mailberatung weiter ge-
stärkt werden. Nutzer*innen können auf diesem
Weg unkompliziert, anonym und zeitlich unabhän-
gig Kontakt zu unseren Berater*innen aufnehmen.
Mailberatung wird insbesondere von denjenigen
genutzt, die aufgrund der gesellschaftlichen Tabu-
isierung des Drogenthemas eine gewisse Distanz
zu Institutionen aufrechterhalten wollen oder
müssen. Der asynchrone Kommunikationsfluss
schafft zudem ein Gefühl der Kontrolle, da Zeit-
punkt, Frequenz und Inhalt der Beratung selbst-
ständig bestimmt und gesteuert werden können.
In den vergangenen Monaten favorisierten die
Nutzer*innen jedoch vor allem unsere Videobera-
tungsangebote. Nach vorheriger Terminvereinba-
rung können Ratsuchende ortsunabhängig per
Videochat in eine zeitgleiche Interaktion mit der
Berater*in eintreten. Damit ist diese Beratungs-
form den klassischen Face-to-Face-Gesprächen
am nächsten, wenn auch viele der gewohnten in-
haltlichen und methodischen Wege nicht bruchlos
in den virtuellen Raum übertragbar sind. Aus die-
sem Grund bieten wir seit Anfang des Jahres in-
terne Schulungen an, um unsere Mitarbeiter*innen
mit den Eigenarten der Videoberatung inklusive
ihrer zusätzlichen Potenziale vertraut zu machen.
Ziel ist eine langfristige und abteilungsübergrei-
fende Etablierung dieses Kommunikationsweges
als Ergänzung zu den analogen Angeboten.
Ebenso planen wir aktuell die Umsetzung einer
offenen Videochat-Sprechstunde. Hierfür fehlt uns
noch eine passende Softwarelösung, die sowohl
die notwendigen technischen Features bereit-
stellt und gleichzeitig alle datenschutzrechtlichen
Voraussetzungen erfüllt. Letzteres ist bei allen
Online-Beratungsformen von höchster Priorität,
da insbesondere die ausgetauschten personen-
bezogenen Gesundheitsdaten eines besonderen
Schutzes bedürfen.
Best Of Both Worlds! Die Verbindung von analoger und digitaler Beratung Zwar haben wir in den Lockdown-Monaten die
Vorteile digitaler Beratung zu schätzen gelernt,
Benjamin Löhner
63Jahresbericht 2021
jedoch wurden uns im praktischen Alltag immer
wieder auch die Grenzen dieses Kommunikati-
onsweges vor Augen geführt. Insbesondere un-
sere Kerndienstleistung, die Beziehungsarbeit
mit den Nutzer*innen, ist digital deutlich schwerer
zu realisieren als im klassischen Präsenzsetting.
Gestik und Mimik sind in Videochats nur einge-
schränkt interpretierbar, die kommunikative In-
teraktion gestaltet sich deutlich unnatürlicher,
technische Probleme sorgen für Störungen und
vor allem die eher subtilen, zwischenmensch-
lichen Signale werden von der Software nur un-
zureichend in Einser und Nuller übersetzt.
Dies bringt uns zur Überzeugung, dass auch
nach der Corona-Krise Soziale Arbeit im We-
sentlichen als analoge Dienstleistung stattfinden
wird. Trotzdem wäre es verschenktes Potential,
die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht mit
den Vorteilen unserer klassischen Angebote
zusammenzudenken. Hier ist das Konzept des
Blended-Counselings zentral. Kernidee ist die sy-
stematische Verschränkung von Online- und Off-
line-Angeboten. Nutzer*innen können etwa über
das Netz den Kontakt zu unseren Einrichtungen
anbahnen, um dann zu einem späteren Zeitpunkt
die Beratung in Face-to-Face-Gespräche münden
zu lassen. Andersherum ist die Ergänzung klas-
sischer Präsenzprozesse durch eine nachgelager-
te, digitale Nachsorgebegleitung denkbar. Allen
Variationen gemein ist das übergeordnete Ziel,
die Vorteile der analogen und digitalen Welt mit-
einander zu verknüpfen.
Um dies zu unterstützten planen wir zusätzlich
die Entwicklung einer digitalen Beratungstoolbox.
Der webbasierte Werkzeugkoffer wird diverse
Informationsressourcen (z.B. zu internen und
externen Hilfsangeboten), themenspezifische
Erklärvideos (z.B. zur stationären Drogentherapie
oder zum Umgang mit Entzugserscheinungen),
nützliche Apps (z.B. Konsumtagebuch, Stress-
management) und verschiedene Wissens- so-
wie Selbsttests enthalten. Das Instrument soll
es unseren Mitarbeiter*innen ermöglichen, die
herkömmlichen analogen Beratungssessions
via Tablet mit digitalen Elementen anzureichern.
Entwicklung virtueller Lernszenarien Auch unsere Informations- und Schulungsan-
gebote werden zukünftig vermehrt im virtuellen
Raum stattfinden. Hierfür konzipieren wir aktuell
eine digitale Lernplattform, auf der verschiedene
Online-Module (z.B. Seminare zu Substanzen,
biographische Interviews, Online-Rallye durch
das Suchthilfesystem) zur asynchronen Nutzung
bereitstehen. Die Plattform bildet den Ausgangs-
punkt für eine Reihe von Blended-Learning-
Formaten, die wir im kommenden Jahr unseren
Mitarbeiter*innen und externen Fachkräften zur
Verfügung stellen. Ebenso haben wir die ver-
gangenen Monate genutzt, um unser breites
Spektrum an Weiterbildungsmodulen für die di-
gitale Umsetzung zu modifizieren. Somit können
unsere individualisierten Teamseminare nun als
Präsenz- und Online-Workshops stattfinden.
AusblickZum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels be-
findet sich die Welt seit fast zwölf Monaten im
Ausnahmezustand. Noch ist unklar, mit welchen
Folgen wir als Individuen, Institution und Ge-
sellschaft diesen gigantischen Stresstest über-
stehen. Zumindest aber wurde jede*r Einzelne
von uns auf unterschiedliche Weise in die digi-
tale Lernzone geschubst und auch in der Sucht-
hilfe hat der zuvor überwiegend im Fachdiskurs
diskutierte digitale Aufbruch seinen Weg in die
alltägliche Arbeit gefunden. Fraglich ist, was übrig
bleibt, wenn wir als Soziale Arbeit den Krisen-
modus verlassen und in eine wie auch immer
geartete Normalität eintreten. Wahrscheinlich
wird sich erst dann zeigen, welche der kreativen
Ideen Bestand haben und wie sich die digitale
Transformation der Suchthilfe auf lange Sicht tat-
sächlich gestaltet.
Jahresbericht 202164
Warum die Suchthilfe für Gefl üchtete so wichtig ist –Erfahrungen des Farsi-Teams aus der Zeit der Corona-Beschränkungen
Golnaz Poorsarvari, Shabnam Marzban Vishka und Ulf Siefker
Wie kommen Gefl üchtete zum Drogenkonsum?Was wir als „Flüchtlingswelle“ (Juni 2015 bis Fe-
bruar 2016) kennen, ist der verzweifelte Versuch
von Menschen aus dem Vorderen Orient und
Afrika, durch die Flucht aus ihren Heimatlän-
dern, lebensbedrohenden Kriegszuständen, Un-
terdrückung, Verfolgung und Perspektivlosigkeit
zu entkommen. Die Menschen entschlossen sich
zur (für sie teuren) Flucht, im Bewusstsein, damit
ihre Familie, die kulturelle Heimat (Umgebung,
Gewohnheiten, Bräuche, Verhaltensweisen) und
oftmals auch ihre wirtschaftliche Existenz zurück-
zulassen. Diesen Schritt geht man nicht „einfach
so“, und er ist mit der Hoffnung verbunden, im
asylgebenden Zielland eine Lebensperspektive
zu bekommen.
Viele Geflüchtete sind traumatisiert und bela-
stet durch Missbrauchs-, Gewalt-, Verlust- und
Ohnmachtserfahrungen, die sie im Heimatland
und auf der Flucht gemacht haben.
Die Lebenssituation der Asylantragsteller*innen
in Deutschland ist dann jedoch frustrierend:
Lange Wartezeiten auf einen Entscheid über
den Asylantrag und quälende Unsicherheit
über die Zukunft, Furcht vor Abschiebung (eu-
phemistisch: „Rückführung“)
Während des laufenden Asylverfahrens: Ar-
beitsverbot, oft fehlende Tagesstruktur und
Minderung des Selbstwertgefühls, Abhängig-
keit von staatlichen Hilfen
Unruhige Massenunterkünfte mit Mehrbett-
zimmern ohne Privatsphäre sorgen für eine
hohe psychische Belastung sowie Konflikte
und verhindern Integration
Abhängigkeit von (teilweise gekürzter) Sozial-
hilfe, dadurch fortdauernder Geldmangel
Aufgrund der zumeist fehlenden Perspektive
und unzureichender Deutschkenntnisse ent-
wickelt sich ein Gefühl des „Gestrandetseins“
und des Frusts
In dieser Situation mit unklarer Zukunftsperspek-
tive ist für einige der Betroffenen die psychische
Belastung nicht mehr auszuhalten: Der Griff zu
legalen und illegalen Suchtmitteln als Selbstme-
dikation oder Betäubung/„Gedankenstopp“ ist
nur eine logische und menschlich verständliche
Konsequenz. Viele konsumieren zum ersten Mal
Drogen (manchmal sogar unwissentlich, wenn sie
ihnen von Bekannten als Medikament angeboten
werden), andere haben bereits im Herkunftsland
Vorerfahrungen mit psychoaktiven Substanzen
gemacht.
Dabei werden vorzugsweise beruhigende
(„sedierende“) Substanzen wie Opioide (z.B. He-
roin, Tramadol, Tilidin, Fentanyl) oder Pregaba-
lin (Lyrica) konsumiert, oft auch im gefährlichen
Mischkonsum mit Marihuana, Nikotin, Spice oder
Alkohol.
In Nürnberg waren seit 2016 einige der in den
Strudel des Substanzkonsums geratenen Men-
schen regelmäßig in der Königtorpassage am
Hauptbahnhof anzutreffen. Ein großer Anteil die-
ser sichtbaren Drogenszene stammte aus dem
Iran und aus Afghanistan. Der Bedarf nach einem
niedrigschwelligen muttersprachlichen Hilfsan-
gebot in Nürnberg war also nicht zu übersehen.
Unser niedrigschwelliges Hilfsangebot seit 2017
Dank der Finanzierung der Stadt Nürnberg konnte
die mudra seit Februar 2017 diese Menschen mit-
tels eines persischsprachigen Teams beraten und
unterstützen. Unser Team besteht derzeit aus den
Iranerinnen Golnaz Poorsarvari (Psychologin M.Sc.,
Psychosoziale Beratung, seit 2020) und Shabnam
Vishka Marzban (Streetwork, Kontaktladen, seit
2020) sowie dem Farsi-Dolmetscher und consens-
65Jahresbericht 2021
Projektmitarbeiter Ulf Siefker (Dipl.-Geograph, Be-
ratungen, seit 2017).
Der Bedarf unserer Klientel an Beratung und Un-
terstützung ist höchst komplex. Er entsteht nicht
ausschließlich aus der Suchtsituation, sondern kor-
respondiert eng mit der gesamten Lebenslage der
fast ausschließlich männlichen, zwischen 22 und 40
Jahre alten Geflüchteten. Der riskante Konsum von
Frauen findet kulturbedingt – mehr als bei Männern
– aus Scham im Verborgenen statt und betrifft auch
häufig andere Substanzen (v.a. „Schlankmacher“
Crystal, Partydrogen Ecstasy/Cannabis/Alkohol,
Psychopharmaka, Schmerzmittel).
Menschen aus dem Iran und Afghanistan besit-
zen während und nach Abschluss ihres Asylverfah-
rens im Regelfall nur eine „Aufenthaltsgestattung“
bzw. Duldung, also kein Bleiberecht oder sonstige
Zukunftssicherheit. Als Asylbewerber dürfen sie
nicht arbeiten, leben normalerweise als Einzelper-
sonen von bis zu 446 Euro Sozialhilfe (Stand: 2021)
und dürfen häufig nicht einmal einen Deutsch- oder
Integrationskurs besuchen, solange sie auf den
Asylbescheid warten (oder wenn dieser letztlich
negativ ist). Somit verstehen die Betroffenen nur
wenig Deutsch – zu wenig, um mit dem BAMF, dem
Sozialamt, einem Arzt, der Staatsanwaltschaft oder
auch der Polizei sinnvoll und förderlich via Telefon,
E-Mail oder vis-à-vis kommunizieren zu können.
Hinzu kommt die Drogensucht, quasi als (oben
erläuterte) „Flucht aus der realen Welt“. Klienten
sind im Regelfall von einer Hauptsubstanz abhän-
gig, deren Erwerb und Besitz illegal ist. Probleme
mit den Strafverfolgungsbehörden, Bußgeldbe-
scheide, Strafbefehle und vor allem auch Schulden
sind die Folge.
Diesem Bedarf konnten wir mit unseren nied-
rigschwelligen muttersprachlichen Angeboten bis
Anfang 2020 effektiv (aber leider im Personal- und
Zeitbudget noch nicht gänzlich hinreichend) begeg-
nen: Das Angebot aus Streetwork, Kontaktladen,
muttersprachlicher Beratung und Unterstützung/
Begleitung wurde von den Klient*innen angenom-
men und hatte sich fest etabliert.
Und dann kam das Corona-Virus in unsere
Welt…
Drastische Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf den Beratungsbedarf und die psychische Verfassung
Die im Verlauf des Jahres 2020 eingeführten und
seither in wechselnder Intensität andauernden
Maßnahmen gegen die Ausbreitung des COVID-
19-Virus haben die Lebenssituation unserer
Klient*innen zusätzlich belastet und den vorher
vorhandenen Beratungsbedarf nochmals stark
steigen lassen.
Für nicht oder nur eingeschränkt der deut-
schen Sprache mächtige Menschen lag bereits
„vor Corona“ (und abseits ihres problematischen
Konsums!) ein großes Problem darin, fremde
Menschen am Telefon, Amtsdeutsch in offiziellen
Briefen und relevante deutschsprachige Inter-
netseiten und Formulare zu verstehen. Diesen
Menschen wurde im Zuge der Maßnahmen nun
ihre beste Möglichkeit genommen, zu verstehen
und sich verständlich zu machen: das persönliche
Gespräch vor Ort.
Zudem wurden die Klient*innen auf einen
Schlag mit der psychischen Zusatzbelastung Gemeinsames Backen des Farsi-Teams im Kon-taktladen.
Jahresbericht 202166
konfrontiert – wie auch die gebürtigen Deutschen
während dieser Zeit zwangsläufig erfahren muss-
ten, – mit den eigenen Problemen, Belastungen
und negativen Gefühlen weitgehend alleine klar-
kommen zu müssen. Zeitweise gab es auch in
Gemeinschaftsunterkünften Ausgangssperren.
All diese Umstände führten dazu, dass die psy-
chische Verfassung der meisten Klient*innen sich
(weiter) verschlechterte und von uns infolgedes-
sen eine starke Zunahme von Depressionen und
deutlich höhere Rückfallraten beobachtet sowie
vermehrte Beratungsanfragen registriert werden
mussten.
Wechselnde Einschränkungen der Angebote
Der steigende Beratungsbedarf von Iranern und
Afghanen war für uns seither nicht zu decken.
Unsere niedrigschwelligen Angebote mussten
zwangsläufig zeitweise stark eingeschränkt
werden.
Die Kontaktaufnahme mit drogenkonsumie-
renden Geflüchteten erfolgt schwerpunktmäßig in
der Streetwork am Hauptbahnhof. Um coronabe-
dingt eingeschränkte oder gar fehlende Kontakt-
möglichkeiten wenigstens teilweise zu kompen-
sieren (die Polizei kontrollierte am Hauptbahnhof
sehr stark), wurde die Streetwork zu Zeiten von
Teil-Lockdowns mit verlängerten Präsenzzeiten
auch abseits des Hauptbahnhofs auf bis zu fünf
Tage wöchentlich ausgebaut: Aufgrund des be-
grenzten Stundenbudgets konnten davon nur
zwei bis drei Tage mit persischsprachiger Betei-
ligung stattfinden.
Bis heute stellten wir hier weit mehr als 300
vertiefte Kontakte zu (männlichen) Iranern und
Afghanen her. Das farsisprachige Angebot bei
der Streetwork informiert über Substanzen und
die (auch mudra-spezifischen) Angebote des
Suchthilfesystems. Etwa 35% der angesprochenen
„Bahnhofskontakte“ konnten dadurch motiviert
werden, in das Kontaktcafé zu kommen (bis zur
Schließung des Kontaktcafés während der Hoch-
phasen der Corona-Krise) und Vertrauen in die
Möglichkeiten der Unterstützung durch mudra
und damit unser Hilfesystem zu gewinnen.
Zu den Öffnungszeiten des Kontaktcafés ist
Shabnam Marzban Vishka im Rahmen ihres Stun-
denbudgets aktiv: Bei der Ausgabe von Speisen
und Safer-Use-Artikeln kann sie zwanglos mit
den iranischen und afghanischen Klient*innen
ins Gespräch kommen, so dass Vertrauen ent-
steht. In diesem Umfeld können auch erste Infor-
mationen zu den bestehenden Möglichkeiten im
Suchthilfesystem – wie Entgiftung, Substitution
und stationäre Therapie – gegeben werden. Über
Streetwork und im Kontaktcafé werden wöchent-
lich mindestens zehn Beratungstermine in der
Beratungsstelle vereinbart.
Es ist daher offensichtlich, welcher Verlust an
Betreuungsmöglichkeit und -qualität insbeson-
dere für die farsisprachige Klientel mit der coro-
nabedingten Schließung des Kontaktladens von
16.03.20 bis 14.08.20 und 02.11.20 bis 04.06.21 ein-
herging. Die Öffnung eines Service-Fensters und
die Kontaktmöglichkeit über Messenger-Dienste
per Smartphone konnten diese Einschränkungen
der Betreuung nur unzureichend abfangen. Nur
zwischenzeitlich und seit 07.06.21 konnte der
Betrieb des Kontaktladens – aufgrund der Ab-
standsregeln auf den gleichzeitigen Aufenthalt
von maximal acht Besucher*innen beschränkt –
wieder aufgenommen werden.
Neu: das Kontaktfenster
Aufgrund der Anfang März 2020 rasant anstei-
genden COVID-19-Infektionszahlen wurde von
politischer Seite ein Lockdown des öffentlichen
Lebens ab Mitte März beschlossen – somit wur-
de am 16.03.20 zum Schutz der Klient*innen und
mudra-Mitarbeiter*innen auch die Schließung des
Kontaktladens notwendig. Um eine Versorgung
der Klient*innen mit dem Notwendigsten gewähr-
Warum die Suchthilfe für Geflüchtete so wichtig ist
67Jahresbericht 2021
leisten zu können, öffnete die Beratungsstelle ab
16.03. ein Fenster zur Ottostraße als Kontakt- und
Servicefenster, welches jeweils an die sich wan-
delnden Hygiene-Vorschriften angepasst wurde
und somit zu Arbeitszeiten der Beratungsstelle
bis in den Juni 2021 durchgängig geöffnet bleiben
konnte.
Während ihrer „Fenster-Dienste“ versorgten
Golnaz Poorsarvari und Shabnam Marzban Vishka
hier im Wechsel mit nicht Persisch sprechenden
Kolleg*innen mehrfach wöchentlich Drogenkonsu-
mierende mit Lunchpaketen und Safer-Use-Arti-
keln (z.B. Spritzbesteck und Kondome), standen
aber auch als Ansprechpartnerinnen für Anfragen,
Wünsche und Auskünfte zur Verfügung. Dieser
coronabedingt quasi zwischen Tür und Angel
stattfindende Service wurde (auch mangels Alter-
native) gut angenommen, ersetzt aber natürlich
keine persönlichen, psychosozialen Beratungs-
gespräche.
Als Ersatz war daher ein weiteres niedrig-
schwelliges Angebot während der Corona-Krise
von besonderer Bedeutung: die erweiterte Er-
reichbarkeit über die (in der Lebensrealität der
Klient*innen üblicherweise genutzten) Messen-
ger-Dienste WhatsApp und Telegram sowie über
das Telefon. Über diese Kanäle waren nicht nur
kurzfristige Absprachen möglich, es erreichten uns
auf diesem Wege auch oft spontan und ungefiltert
Nachrichten, die eine kontinuierliche Begleitung,
also die Aufrechterhaltung eines vertrauensvollen
Dialogs und Informationsaustausches – und das
nicht nur in Corona-Zeiten – erst ermöglichten.
Zur Zeit des ersten Lockdowns (März–Mai 2020)
mussten alle direkten Kontakte zu Klient*innen
in den Räumen der Beratungsstelle ausgesetzt
werden, das heißt, die Beratung, Betreuung und
Unterstützung in der Beratungsstelle und bei Vor-
Ort-Terminen war grundsätzlich nicht möglich.
Auch Naloxontrainings fielen aus. Das Team hielt
aber nach Kräften – teilweise per Diensthandys
aus dem Homeoffice heraus – telefonisch und
über Messengerdienste die Verbindung mit den
Klient*innen. Außerdem fanden „Beratungsspa-
ziergänge“ zu zweit statt – mit Masken und Ab-
stand.
Während dieser Zeit setzte sich bei uns die
Überzeugung durch, dass unserer Klientel oft-
mals keine alternativen persischsprachigen Be-
ratungsmöglichkeiten offenstehen, so dass wir
Notfall-Gespräche mit iranischen Klient*innen ab
04.05.2020 mit und ohne Termin, aber unter kon-
sequenter Einhaltung der AHAL-Regeln (Abstand
1,5m/Sach- und Händedesinfektion/FFP2-Mas-
kenpflicht/regelmäßiges Lüften Dokumentation
aller anwesenden Besucher*innen) an allen fünf
Werktagen ermöglicht haben. Ab 14.05. (jeweils
immer donnerstags zwischen 10 und 13 Uhr) hat-
te dann auch die farsisprachige offene Beratung in
den ansonsten geschlossenen Räumlichkeiten des
Kontaktladens ihren Re-Start. Leider konnten wir
den Klient*innen coronabedingt keinen Wartebe-
reich zur Verfügung stellen, so dass es im Winter-
halbjahr leider auch zu unvermeidlichen längeren
Wartezeiten der Klient*innen in Eiseskälte und bei
Regen kam.
Dank des konsequenten Befolgens der Regeln
(ein großer Dank gilt auch unseren Klient*innen!)
haben wir in unserem Arbeitsbereich bis dato kei-
ne Corona-Ansteckungsfälle gehabt.
Fertiges Weihnachtsgebäck für die Klient*innen: Vanillekipferl und Ausstechplätzchen
Jahresbericht 202168
Geplante und durchgeführte Aktionen
Der für 2020/21 geplante Ausbau niedrigschwel-
liger Stabilisierungsangebote für persischspra-
chige Geflüchtete allerdings war coronabedingt
leider bisher nicht umsetzbar. Wir hatten und ha-
ben spezielle Angebote geplant, die helfen sollen,
den (wegen der oftmals verbotenen Arbeitstätig-
keit) beschäftigungs- und abwechslungsarmen
Alltag unserer Klient*innen zu strukturieren,
ihnen besondere Erlebnisse ohne Bezug zu Dro-
gen zu ermöglichen und Hilfen für einen selbst-
bestimmten Weg aus der Drogenabhängigkeit an
die Hand zu geben.
Der Aufschub betrifft sowohl eine unter der
Leitung von Golnaz Poorsarvari auf vielfachen
Klient*innenwunsch geplante Rückfallpräventi-
onsgruppe auf Farsi (alle zwei Wochen) als auch
Freizeit-Aktivitäten für interessierte Klient*innen,
die vom Team betreut und (wo immer möglich)
gemeinsam mit Klient*innen vorbereitet werden
sollten. Das integrative Vorhaben soll nach und
nach gemeinsame Natur- oder Sporterlebnisse
(z.B. Wanderausflug, Bowling, Fußball), Einblicke
in die deutsche Kultur (z.B. Backen/Grillen, Er-
klärung typischer Symbole und Bräuche vor Os-
tern oder Weihnachten), aber auch Einblicke in
die Kultur der Heimatländer (z.B. Neujahrsfest,
persische/afghanische Küche, persische Musik,
Filmabend) einschließen und schwerpunktmäßig
in den Räumlichkeiten des Kontaktladens statt-
finden.
Zwei ursprünglich mit Klient*innen geplante
Aktivitäten – das Backen von Weihnachtsge-
bäck und die Gestaltung eines Nouruz-Tisches
(Erklärung siehe Bildunterschrift) hat das Team
allerdings in Eigenregie trotzdem durchgeführt,
so dass zu Weihnachten Tüten mit leckeren
Plätzchen an unsere Klient*innen verteilt werden
konnten und zum persischen Neujahr etwas fest-
liche Stimmung aufkam.
Wir hoffen natürlich, dass wir unseren
Klient*innen angesichts des steigenden Bedarfs
– sofern die COVID-Situation es zulässt – bald
wieder mehr Angebote und weitreichendere
Unterstützung anbieten können. Die Rückmel-
dungen und der Zulauf zeigen jedoch, dass wir
aus den schwierigen Bedingungen während der
Corona-Krise gemeinsam das Bestmögliche
herausgeholt haben. Wir werden uns bemühen,
unseren Klient*innen auch weiterhin effektiv zur
Seite zu stehen.
Warum die Suchthilfe für Geflüchtete so wichtig ist
69Jahresbericht 2021
Zum iranischen Neujahr („Nouruz“) in der Beratungsstelle: „Sofre-ye Haft Sin“, eine mit mindestens sieben traditionellen Dingen (die mit dem persischen Buchstaben „Sin“ beginnen) geschmückte Tischdecke.
Jahresbericht 202170
Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Planens. Ein Fazit nach 22 Jahren und 5 Monaten bei der mudraMax Hopperdietzel
Ja, mach nur einen Plan!Sei nur ein großes Licht!Und mach dann noch ’nen zweiten PlanGehn tun sie beide nicht.
Bert Brecht
Der Bettlerkönig Peachum singt diese Ballade
in der Dreigroschenoper und tatsächlich stehen
wenig erfolgreiche Pläne (nicht nur) am Anfang
und Ende meiner Tätigkeit bei mudra. Nach den
ersten Tagen beim Waldprojekt war ich von der
damaligen Arbeitsweise und dem organisato-
rischen Zustand nicht so recht begeistert. Ich
glaubte, dass es mindestens ein Jahr dauern
würde, Abhilfe zu schaffen. Nun ja, ab und zu
gab es bis zum Schluss immer mal wieder Pro-
bleme, die mich sehr an die Situation von 1998
erinnert haben. Und mein schöner Plan, mit
Rentenbeginn auf das Fahrrad zu steigen und
von hier aus in mein geliebtes Norwegen zu fah-
ren, ist Corona ebenso zum Opfer gefallen wie
das eigentlich obligatorische große Abschieds-
fest. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben
und wir sind bisher so gut durch die Pandemie
gekommen, dass ein abgesagtes Fest und ein
geplatzter Reiseplan gut zu verkraftende Luxus-
probleme darstellen. Ist das Waldprojekt auch
immer noch weit von der Perfektion entfernt,
hat es sich doch in vielfältiger Weise weiterent-
wickelt und bietet heute eine ganze Reihe von
Arbeitsplätzen, nicht mehr nur im Brennholzbe-
reich. Die Betreuung erfüllt höchste Standards,
die Organisation funktioniert auch bei manchmal
chaotischen Rahmenbedingungen bewunde-
rungswürdig souverän.
Wenn ich an die Zeit bei den Arbeitsprojekten
(oder der Beruflichen Integration, wie sie seit
einigen Jahren genannt werden) zurückdenke,
fällt mir zuerst ein, dass es keinen Tag gab,
an dem ich nicht gerne zur mudra gegangen bin.
Manchmal war ich bedrückt und besorgt, aber viel
öfter haben wir gelacht und Spaß gehabt. Meine
Kolleg*innen produzierten zum Abschied eine Prä-
sentation mit vielen kleinen Interviews und Bildern
und ich sehe immer fröhlich aus (außer dort, wo
sie mich beim bekanntlich sehr erholsamen Büro-
schlaf ertappt haben). Das lag vor allem an den vie-
len wunderbaren Menschen, die ich kennenlernen
durfte, nicht nur beim Team, sondern vor allem bei
den Klient*innen, die trotz aller widrigen Lebens-
umstände oft genug beeindruckende Persönlich-
keiten waren, deren Energie und Lebensmut nur zu
bewundern sind. Einige sind den weiten Weg von
„hoffnungslosen Fällen“ zu fest angestellten Mit-
gliedern unseres Teams gegangen. Das war immer
ein Grund zu großer Freude und auch etwas, auf das
ich schon etwas stolz bin, auch wenn mein Anteil
an diesen Erfolgen lediglich aus einer guten Porti-
on investierten Vertrauens bestand. Dabei will ich
nicht verschweigen, dass ich in den Jahren ein paar
Mal auf Beerdigungen gehen musste, was für mich
immer ein letzter Dienst an den Verstorbenen war.
Leider gab es einmal einen schweren Arbeitsunfall,
den der Kollege nur knapp überlebt hat. Er leidet
71Jahresbericht 2021
immer noch an den Folgen des Sturzes, die Tage,
in der wir um sein Leben bangten, werde ich nicht
vergessen. Einige Personalentscheidungen, die ich
verantworten musste, sind mir schwergefallen, ob-
wohl ich wusste, dass es die richtige Entscheidung
war. Und die Sorgen um die Finanzierungen haben
mich stets begleitet. Da bleibt Arbeit für die nächste
Leitungsgeneration.
Aber die positiven Erfahrungen stehen bei
weitem im Vordergrund. Der gute Peachum aus
der Dreigroschenoper ist ja entgegen der pessi-
mistischen Ballade mit seinen Plänen durchaus
erfolgreich und in meiner Arbeit habe ich vieles
gelernt und umgesetzt. Wir arbeiten bei der Be-
ruflichen Integration besonders an der Unterstüt-
zung für die soziale Integration von Menschen
mit Suchterkrankungen, ein Aspekt, der sonst
gegenüber therapeutischen Maßnahmen im Hin-
tergrund steht. Diesen Aspekt konnte ich bei der
Mitarbeit in einer Arbeitsgruppe der UNODC (Uni-
ted Nations Office on Drug and Crime) vertreten,
ohne Zweifel ein Highlight in meiner Tätigkeit. Das
dort entstandene Manual für den Aufbau von Dro-
genhilfeeinrichtungen wird weiterhin genutzt und
weiterentwickelt, die Arbeit in einem internationa-
len Team und die vielen damit verbundenen Reisen
und Begegnungen haben mich bereichert und mir
Freude gemacht.
Derzeit werde ich oft gefragt, wie es sich anfühlt,
nach so vielen Jahren aus dem Job auszuscheiden.
Die Antwort ist: erstaunlich gut! Das liegt zuvör-
derst an dem großartigen pädagogischen Team,
das ich hinterlasse, nach meinem Empfinden „the
best crew ever“, das seine Aufgaben mit großer
Fachlichkeit und bewunderungswürdiger Empa-
thie erfüllt, ebenso wie die wunderbaren und hoch
engagierten Arbeitsanleiter*innen im Wald, der
Holzwerkstatt, den Tagesjobs und der Nähwerk-
statt. Die Verwaltung wird möglicherweise etwas
aufatmen, wenn der Führungsstil weniger chao-
tisch und spontan wird. Ich bin sicher, dass wei-
terhin die Hilfe für unsere Klient*innen im Vorder-
grund bleibt und auch manche blinde Flecken auf
meiner Agenda besser wahrgenommen werden.
Dafür steht die neue Leitung: Verena, die vor vielen
Jahren als Praktikantin zu uns kam und vor einiger
Zeit wieder für die Berufliche Integration gewon-
nen werden konnte (noch etwas, auf das ich stolz
bin) und natürlich Tobias, der mich am ersten Tag
bei mudra als Praktikant begrüßte (sollte es noch
jemanden geben, der die Geschichte dazu nicht
schon mehrmals von mir gehört hat, möge er sich
melden) und der mich in all den Jahren brummig,
solidarisch und kreativ begleitet hat, ohne an mei-
nen immer neuen Ideen zu verzweifeln. Sie werden
zusammen mit dem Team manches anders und
vieles besser machen.
Ich folge also dem langjährigen Geschäftsführer
Bertram Wehner in den Ruhestand, noch jemand,
der mich über die Jahre mit kritischer Solidari-
tät unterstützt hat. In absehbarer Zeit wird Hans
Beierlein vom Garten- und Landschaftsbau fol-
gen, mit dem mich bei oft sehr unterschiedlichen
Auffassungen über richtige Lösungen immer das
gemeinsame Engagement und die Begeisterung
über Arbeitsmöglichkeiten für die Klient*innen
verbunden haben. Den neuen geschäftsführenden
Vorstandsmenschen (da scheitert meine Gender-
Kreativität) Nele und Norbert (ein über meine Zeit
bei mudra stets inspirierender und liebenswerter
Wegbegleiter) werde ich gerne noch etwas zur Seite
stehen, ich freue mich auf einige neue Arbeitsfelder
und die Zusammenarbeit mit diesem großartigen
Duo. Damit mir nicht langweilig wird (etwas, das ich
übrigens in meiner Zeit bei mudra nie erlebt habe),
engagiere ich mich noch beim Straßenkreuzer in
der Betreuung der Verkäufer*innen. Und vielleicht
entsteht bald ein Housing-First-Projekt in Nürn-
berg, an dem ich sehr gerne mitarbeiten würde.
Macht es alle gut, ich bin dann mal weg, aber
noch nicht ganz. Zumindest, bis Norwegen wieder
die Grenze öffnet.
Jahresbericht 202172
Durchatmen. mudra Basecamp im Spannungsfeld zwischen Integrationsauftrag und JugendhilfeAnna Stecklein, Alfred Rohn, Matthias Sell
Es war ein besonderes Jahr. Wir wollten unser neues Konzept umsetzen,
eine neue Klientel ansprechen und so den Be-
reich der Suchthilfe auch in unserer Jugendhil-
feeinrichtung integrieren. Als wäre Jugendhilfe
selbst nicht schon kompliziert genug, haben wir
uns der Schnittstelle der Sucht- und Jugendhilfe
verschrieben: der Betreuung von jungen Konsu-
menten. Durch intensive Betreuung, eine Vielzahl
an Freizeitmaßnahmen und Gruppenaktionen
sollte den Jugendlichen neuer Halt und neue
Stabilität gegeben werden.
Doch dann kam, wie überall auf dieser Welt,
alles anders. „Wenn der Wind der Veränderung
weht, bauen die einen Mauern, die anderen Wind-
mühlen.“, war der Leitsatz unseres letztjährigen
Berichtes. Wir konnten nicht ahnen, dass dies
einer Prophezeiung gleichkam.
Auch wir mussten, um uns und unsere Jugend-
lichen vor Covid-19 zu schützen, „Mauern“ bauen.
Wir mussten unsere „Windmühlen“ neu ausrich-
ten, um den „Gegenwind“ nutzen zu können.
Doch zunächst zurück zum Ausgangspunkt:
Unser Haus lebt durch die Beziehungen und
Kontakte zueinander, vom miteinander Weinen,
vom miteinander Lachen. „WIR“ wird bei uns
großgeschrieben.
WIR versuchen, gemeinsam mit allen externen
Kooperationspartner*innen, den Jugendlichen in
allen Lebenslagen eine Stütze zu sein. WIR ver-
suchen, das Gefühl von Sicherheit zu geben, ge-
meinsam an Zukunftsperspektiven zu arbeiten.
WIR, die „beerbte Ersatzfamilie“, versucht, das
Bestmögliche von den Jungs zu fordern und an
ihnen zu fördern.
Was passiert aber, wenn auch dem Hilfesy-
stem „der Stecker gezogen“ wird? Wie können
wir den Jugendlichen eine Hilfe sein, wenn uns
selbst einmal die Perspektive fehlt? Wie können
wir unseren Auftrag wahrnehmen, wenn viele
Hilfemaßnahmen auf Sparflamme laufen? Wie
können WIR trotz Lockdown, Kontakt- und Aus-
gangssperre diese Defizite ausgleichen?
Und, wer stützt uns, die Helfer, wenn nicht ein-
mal Supervision mehr möglich ist?
Einatmen, Ausatmen, Durchatmen. Ein Schritt nach dem anderen.
Klingt gut, ist in der Praxis nicht so einfach um-
zusetzen.
Auch wir, die wir doch Hoffnungsträger sein
wollen, verspürten Frust, Unverständnis und
Misstrauen. Nicht nur bei uns, vor allem auch bei
unseren Jugendlichen. Wir teilten Ängste, auch
Widerstände, zuweilen bis hin zu Hoffnungslosig-
keit und Resignation. Auch das ist WIR.
73Jahresbericht 2021
Einatmen, Ausatmen, Durchatmen. Sich erden.
Kopf sortieren. Ein Schritt nach dem anderen.
Wir konnten und können zwar unseren Integra-
tionsauftrag unter den aktuellen Rahmenbedin-
gungen nur bedingt umsetzen.
Wir als Fachleute wissen aber auch, was Re-
framing bedeutet: Die Dinge können die werden,
deren Bedeutung wir ihnen beimessen.
Hier haben wir einen Interpretationsspielraum.
Wir können Umdeuten. Die Bedeutung, die wir
geben, entfaltet als Selbstwirksamkeitserwar-
tung eine eigene Kraft und Dynamik.
Betrachten wir das „halb leere“ Glas in seiner
Leere, verspüren wir Ohnmacht und Leere. Dann
geben wir Frust und depressiven Verstimmungen
Entfaltungskraft. Fokussieren und suchen wir
dagegen unsere Ressourcen und Möglichkeiten,
werden wir diese auch finden und spüren.
Denn es gab und gibt sie dennoch, die schönen
Momente im Basecamp.
Zum Beispiel die Krone der Natur, die kleinen
großen Dinge. Die kürzliche Fortpflanzung eines
Amselpärchens direkt an unserer Hauswand. Der
Prozess von Nestbau bis hin zur Fütterung ist ein
Spektakel ohne Eintrittsgebühr. Es hat den Hauch
einer Kultureinheit ohne Auflagen, ohne Maske
und ohne Mindestabstand. Es zeigt uns, dass
Nähe trotz Corona möglich ist.
Wenn wir Durchatmen, die Dinge mit Abstand betrachten, kann sich unser
Blick für die Gesamtheit öff nen. Wir sehen die Problemlagen, das „halb leere
Glas“: die „Generation Corona“, die gerade in
unseren vier Wänden lebt. Unsere Jugendlichen
wissen kaum noch, was ein Sportverein, normaler
Schulunterricht oder eine Geburtstagsfeier ist.
Wir sehen das „halb volle Glas“: Kein Jugendlicher
oder Kollege musste intensivmedizinisch behan-
delt werden. Fast alle Mitarbeiter*innen haben
mittlerweile ihre zweite Schutzimpfung erhalten.
Es gibt wieder Supervisionstermine.
Bei internen Freizeitaktivitäten mit unseren
Jungs wird wieder gemeinsam gelacht. Wir pla-
nen zwei Sommerferienfreizeiten...
Wir leben das WIR.
„Zu Hause ist und bleibt ein Gefühl.“ Einatmen.
Ausatmen. Durchatmen.
Wie könnte ein Ende dieses Weges, dieser Ge-
schichte aussehen:
Vielleicht können wir zuletzt diesem kleinen Vi-
rus doch noch ein wenig dankbar sein. Denn es
hat uns nicht gebrochen. Es hat uns eine innere
Klausur verordnet. Es hat uns letztlich nur enger
zusammengeschweißt.
Dies wäre dann die Vollendung unseres Refra-
mings in der Jugendhilfeeinrichtung Basecamp.
Jahresbericht 202174
Durchatmen
Durch den Tag komme ich sehr gut, schlimm sind nur die Nächte.Denn ich kann nicht einschlafen.Die Tage werden länger und die Nächte wärmer.Ich möchte etwas sagen, aber mir verstummt der Sinn.Wenn wir es zulassen, hören wir die Vögel.Und das Rauschen des Wassers gibt mir Kraft für den nächsten Tag.Die wiederkehrende Ruhe zeigt mir die Vergänglichkeit.Wenn wir nicht mehr sind, wozu brauchen wir dann Hoff nung.Ich träume von einer schöneren Welt.Ich versuche, meine Gedanken zu waschen wie mein Bettzeug.Denn das gibt mir das Gefühl, nicht dreckig zu sein.
Entweder läuft man davon oder man lernt davon.
J.H.
https://www.youtube.com/watch?v=SVTNT_LH9Ho&t=66s
Gedicht eines Jugendlichen aus der Teilzeitbetreuten Wohngruppe, mudra e.V. – Basecamp, Birnthon(in Kooperation mit einem Bezugspädagogen entstanden und verfilmt)
75Jahresbericht 2021
Jahresbericht 202176
Lilo Woop, Phillip Damescu
Bereits ein Jahr ist seit Beginn der Pandemie
vergangen. Wechselnde Regelungen und Ein-
schränkungen wie Maskenpflicht, Ausgangs-
beschränkungen und Hygienevorschriften kon-
frontieren uns täglich und schränken uns privat
und beruflich ein. Blicken wir auf das letzte Jahr
zurück, fallen dennoch positive Ereignisse, Ver-
änderungen und sogar Lichtblicke auf, welche wir
gerne festhalten möchten.
Corona war wie in so vielen Bereichen auch in
den Arbeitsprojekten schnell angekommen und
seine Folgen für alle spürbar. Bildungsangebote
wie unsere berufliche Maßnahme „MAT MuEstLi“,
waren während des Lockdowns in Präsenz ausge-
setzt. Eine Beschäftigung vor Ort war somit nicht
vorgesehen. Für einige Teilnehmer*innen war es
unvorstellbar auf die regelmäßige Beschäftigung
zu verzichten. So kam der Wunsch auf, ehren-
amtlich zu arbeiten, um die wiedererlangte Ta-
gesstruktur nicht zu verlieren. Die Angst, in alte
Muster zu verfallen und rückfällig zu werden, war
für viele Klient*innen zu groß. Unter Einhaltung
aktueller Hygienemaßnahmen war es uns mög-
lich, einzelne Maßnahmenteilnehmer*innen eh-
renamtlich zu beschäftigen und zu betreuen. Wir
bedanken uns ganz herzlich für das Engagement
und die großartige Unterstützung!
Berufliche Maßnahmen mussten an aktuelle
Gegebenheiten angepasst werden, sodass eine
Umstellung auf Heimarbeit erfolgte. Arbeitsma-
terialien wurden gesammelt, Umschläge gepackt
und an Klient*innen versendet oder nachhause
geliefert. Die sozialpädagogische Betreuung er-
folgte telefonisch oder bei einem Spaziergang
an frischer Luft. Dieses Angebot wurde von
vielen Klient*innen gerne angenommen und er-
möglichte vor allem körperlich eingeschränkten
Teilnehmer*innen den Zugang zu beruflichen
Maßnahmen, was zukunftsperspektivisch eine
Möglichkeit darstellt, Menschen mit verschie-
densten Beeinträchtigungen zu beschäftigen.
Das Aussetzen der Maßnahme führte zum Aus-
fall einiger helfender Hände. Um die fehlenden
Arbeitskräfte zu ersetzen, half das sozialpädago-
gische Personal auf Baustellen aus. Durch die Zu-
sammenarbeit lernten wir die Teilnehmer*innen
von einer ganz anderen Seite kennen – der kol-
legiale Umgang ermöglichte einen neuen Zugang
und bessere Voraussetzungen für die sozialpäda-
gogische Zusammenarbeit.
Verstärkte Mediennutzung wie Videokon-
ferenzen per Zoom oder 3CX und Betreuung in
Form von Telefonaten standen auf der Tages-
ordnung, um in Kontakt mit Teilnehmer*innen,
Was ist das Gute am Schlechten? Arbeitsprojekte in Zeiten der Pandemie
77Jahresbericht 2021
Kolleg*innen und Kund*innen zu bleiben. So fan-
den Teambesprechungen und Unterstützungs-
angebote größtenteils online statt. Ein digitaler
Christkindlesmarkt wurde für unsere Kund*innen
eingerichtet, um nicht komplett auf Weihnachts-
einkäufe verzichten zu müssen. Die Digitalisie-
rung vereinfacht und beschleunigt viele Prozesse,
sodass Medienangebote auch nach der Pandemie
ausgeweitet werden sollten.
Wäre es befremdlich zu behaupten, dass Coro-
na das Team der Beruflichen Integration gestärkt
hat? Fakt ist, dass man in diesen Zeiten häufig
mit unvorhersehbaren Ereignissen konfrontiert
wird und gemeinsam flexibel reagieren muss.
Wir glauben, dass die Situation im vergangenen
Jahr dazu beigetragen hat, den Zusammenhalt
unter den Mitarbeitenden zu stärken und uns als
Team zusammengeschweißt hat.
Ein weiterer positiver Effekt, den wir von sozi-
alpädagogischer Seite bemerken durften, ist der
Abbau von Zugangsschwierigkeiten bei unter-
schiedlichen Ämtern und Antragsverfahren. So ist
es beispielsweise beim Amt für Existenzsiche-
rung mit wenig bürokratischem Aufwand mög-
lich, den Nürnberg-Pass per Post zu beantragen.
Ein persönliches Vorsprechen erübrigt sich an so
mancher Stelle. Die Hürden für Bürger*innen ha-
ben sich hier verringert.
Im Herbst haben wir dann zum ersten Mal die
Erfahrung gemacht, einen positiv getesteten Mit-
arbeitenden zu verzeichnen. Das besonnene Han-
deln der Leitungsebene und die Quarantäne der
Kontaktpersonen trafen auf eine hohe Akzeptanz.
Der Betroffene hatte zum Glück einen eher mil-
den Verlauf und niemand weiteren infiziert. Wir
erlebten von Kolleg*innen und Teilnehmer*innen
viel Verständnis und Bereitschaft zur gegensei-
tigen Unterstützung.
In der Beruflichen Integration zählt die Weih-
nachtsfeier zu einer der festen Konstanten im
Jahr. Schweren Herzens mussten wir das 2020
jedoch anders bewerkstelligen. Durch den kre-
ativen und unkonventionellen Einsatz erhielten
alle Teilnehmer*innen zu Weihnachten einen
Jute-Beutel mit selbst gespraytem mudra-Logo
inklusive leckerem Inhalt direkt nach Hause ge-
liefert.
Unsere niedrigschwellige Bildungsmaßnahme
MuEstLi konnten wir im vergangenen Jahr trotz
der Pandemie recht gut besetzen. In Zeiten des
Lockdowns haben wir wie oben bereits beschrie-
ben die alternative Durchführung via Telefon, Si-
gnal, Post und Spaziergänge aufrechterhalten
und so weiterhin eine Beziehung zu unseren
Teilnehmer*innen aufgebaut. Die gute Besetzung
ist vor allem unserer Kollegin Christine zu ver-
danken, die mit unermüdlichem Einsatz immer
wieder kreative Wege gefunden hat, unsere Ziel-
gruppe zu erreichen. Das beinhaltet exemplarisch
auch die bereichsübergreifende Hospitation beim
Streetwork.
Keineswegs wollen wir all die negativen Aus-
wirkungen der Pandemie schönreden oder ne-
gieren. Es ist ohne Zweifel eine schwierige Zeit,
insbesondere für ohnehin sozial benachteiligte
Menschen.
Wir sind aber auch der Überzeugung, dass die
Fokussierung auf die gelingenden Aspekte eine
Motivation und Bereicherung für unsere Zusam-
menarbeit sein kann. Und diese Perspektive gibt
uns die nötige Gelassenheit für alles, was die
Pandemie noch für uns bereithält.
Jahresbericht 202178
Alexander S. (51) begann 2019 im Rahmen einer
beruflichen Maßnahme, in der Holzwerkstatt der
mudra Arbeitsprojekte zu arbeiten. Heute ist er
festangestellter Mitarbeiter und ein sehr be-
liebter Kollege. Drogenkarrieren bringen häufig
gesellschaftliche Probleme und soziale Benach-
teiligungen mit sich. Fehlende Qualifikation und
Langzeitarbeitslosigkeit können Folgen davon
sein. Alex möchte uns einen Einblick in sein bis-
heriges Leben geben.
Er erzählt in diesem Interview, wie er den Weg
aus der Arbeitslosigkeit geschafft hat und was ihn
dazu motivierte. Er möchte auch anderen Men-
schen in Notlagen Hoffnung machen und dazu
ermutigen, Hilfe anzunehmen.
Interviewer*innen: Schön, dass du dir die Zeit ge-nommen hast. Woran hast du denn gerade gear-beitet?
Alexander: Ich habe gerade an einem Insekten-
hotel, einer Unterkunft für Insekten gearbeitet.
Und davor war ich dabei die Beine unserer Holz-
bänke zu hobeln.
Wie ist dein Leben bisher verlaufen? Gibt es Dinge, die dich geprägt haben?
Damals, nach der Trennung von meiner Ehepart-
nerin, wurde mein Privateigentum zwangsver-
steigert. Dann bin ich komplett abgestürzt – mit
Drogen und so weiter. Anschließend kam ich in
U-Haft. Nach einem Jahr Gefängnis wurde die
Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Kay Os-
terloh hat mich 2011 dabei unterstützt, einen The-
rapieplatz in Augsburg zu beantragen. Nach der
stationären Therapie war ich noch für weitere drei
Monate in Adaption. Das hat mir den Schwung
nach oben gegeben.
Wenn ich auf die vergangenen zehn Jahre zu-
rückblicke, habe ich mich meiner Meinung nach
gebessert. Ich habe eine Wohnung gefunden, ei-
ne Privatinsolvenz abgeschlossen und bin bereits
seit einem Jahr und zwei Monaten bei der mudra
beschäftigt.
Wie bist du zur Berufl ichen Integration gekommen?
Das Jobcenter hat mir empfohlen, mich für die
Maßnahme MuEstLi anzumelden. Am Anfang
wusste ich nicht, was auf mich zukommt. Ich
hatte Bedenken, Kontakt mit Menschen aus
der Szene zu haben. Aber hier ist es ganz an-
ders. Viele Kolleg*innen sind auch substituiert,
aber alle machen ihr Ding, regeln ihre Sachen.
Ich kam zur Bewerber*innensprechstunde in die
Schieräckerstraße. Christine Kuhn führte mit mir
das Erstgespräch. Sie fragte mich, ob ich an einer
beruflichen Maßnahme interessiert sei. Anschlie-
ßend habe ich mir die Holzwerkstatt und den Rest
der Einrichtung angesehen. Ich habe noch nie so
richtig mit Holz gearbeitet, aber das hat mich
irgendwie interessiert. Ich dachte, ich kann das
mal ausprobieren.
Was hat dich für die berufl iche Maßnahme moti-viert?
Ich war vorher viel zu Hause. Ich hatte das Ge-
fühl, dass die Langeweile meine Stimmung nach
unten drückt. Vor allem, weil ich den ganzen Tag
nichts zu tun hatte, außer einmal zur Substitution
zu gehen. Aus diesem Grund hatte ich mir über-
legt, doch ein bisschen was zu tun und das An-
gebot anzunehmen. Die Möglichkeit, nicht gleich
acht Stunden am Tag Vollzeit zu arbeiten, sondern
mit drei Stunden anzufangen, war attraktiv für
mich. So konnte ich mich langsam einarbeiten,
körperlich wie geistig.
Wie hat sich die Maßnahme dann auf dein Leben ausgewirkt?
„Runter von der Couch“Interview mit Alexander S.
79Jahresbericht 2021
Ganz gut. Es lief, wie es meiner Meinung nach
laufen sollte. Durch die Hilfe und Unterstützung
der mudra habe ich richtig gemerkt, dass man
sich nicht alleine fühlen muss. Hier habe ich viel
bekommen. Ich habe an der KISS-Gruppe (Kon-
trolle im selbstbestimmten Substanzgebrauch)
teilgenommen, was mich dabei unterstützte,
mich weiterzuentwickeln. Ich habe eine Beschäf-
tigung und liege nicht mehr den ganzen Tag auf
der Couch.
Außerdem habe ich viele Menschen kennen-
gelernt und mich beruflich weiterentwickelt. Wie
gesagt, habe ich früher noch nie so richtig mit
Holz und Maschinen gearbeitet. Dieser Bereich
interessiert mich immer noch sehr. Ich bin bereit,
weiter zu lernen und das macht mir Spaß. Es ist
toll, Neues auszuprobieren und Dinge zu wagen,
die man noch nie im Leben gemacht hat. Mit der
Unterstützung meiner Kolleg*innen klappt das
ganz gut.
Nach ungefähr einem Jahr in der Maßnahme kam es dann zu dem Arbeitsverhältnis nach §16i. Wie gefällt dir das jetzt?
Es gefällt mir gut. Ehrlich gesagt, habe ich nicht
damit gerechnet, übernommen zu werden. Ich
habe einfach versucht, meine Aufgaben sorgfäl-
tig zu erledigen und das Beste daraus zu machen.
So ist das Arbeitsverhältnis zustande gekommen.
Denke ich daran zurück, gibt mir das ein gutes
Gefühl. Die Pandemie hat dabei auch eine kleine,
positive Rolle gespielt. Während des ersten Lock-
downs, in dem die meisten zuhause geblieben
sind, konnte ich hier ehrenamtlich weiterarbeiten.
Wiederkehrende Abläufe wie früh aufzustehen,
den Alltag zu meistern und nach der Arbeit die
Wohnung in Ordnung zu bringen, haben mir einen
Rhythmus gegeben.
Was zeichnet die Berufl iche Integration der mudra
für dich besonders aus?
Dieses duale System: Die Kombination aus
Arbeit und sozialpädagogischer Hilfe. Als
Arbeitnehmer*in auf dem ersten Arbeitsmarkt
muss man stets funktionieren und Leistung er-
bringen. Niemand interessiert sich für dich und
deine Probleme, das Zwischenmenschliche geht
dabei oft verloren. Bei der mudra ist es anders.
Durch die sozialpädagogische Betreuung und
Kolleg*innen, die Ähnliches erlebt haben, fühlt
man sich mit seinen Sorgen nicht alleine gelas-
sen. Bei Problemen mit Behörden wird einem
immer geholfen. Ich bin zwar drogenabhängig,
aber ich lüge nicht. So bin ich erzogen worden.
Ich nehme kein Blatt vor den Mund.
Vielen Dank für deine Bereitschaft! Gibt es von deiner Seite noch etwas zu sagen?
Ich hoffe, dass es weiterhin so läuft. Ich ver-
suche, mich immer weiter zu verbessern und
selbstständiger zu werden. Ich bin voll zufrieden.
Schade, dass ich nicht früher angefangen habe,
hier zu arbeiten.
Interviewer*innen: Lilo Woop, Phillip Damescu
Jahresbericht 202180
Maskiert im Knast
Wie in vielen anderen Bereichen herrschten im-
mer wieder Unsicherheit und Bedenken, ob und
wie wir unsere Arbeit in den JVAen fortsetzen
können. Die „Bedrohung“ für ein geschlossenes
System, wie es der Knast ist, kommt von außen,
den Beamt*innen, externen Mitarbeitenden und
neuen Gefangenen. Deshalb kommen alle Neu-
aufnahmen vorerst für zwei bzw. drei Wochen in
Quarantäne.
Durch die Einrichtung der Quarantänestation
hat die Externe Suchtberatung (ESB) in Ebrach ein
Büro räumen müssen. Einige externe Mitarbei-
tende durften ihre Arbeit in mehreren bayerischen
JVAen nicht mehr fortsetzen, andere wollten erst
wieder zurückkommen, wenn entsprechende Hy-
giene- und Schutzmaßnahmen getroffen wurden.
Unsere Knastteams wollten und durften weiter-
machen.
Während die Arbeit in Ebrach – ein neues Büro
wurde übergangsweise gefunden – unter Einhal-
tung der üblichen Hygienemaßnahmen weiter-
laufen konnte, wurden die Arbeitsbedingungen in
Nürnberg zunehmend schwieriger. Seit geraumer
Zeit dürfen Klient*innen nur noch in den Häusern
gesprochen werden, in denen sie untergebracht
sind. Weil nicht in allen Häusern eigene Büros zur
Verfügung stehen, müssen Gespräche in den un-
besetzten Dienstzimmern der Beamt*innen statt-
finden. Konnte früher die Zeit des Aufschlusses
dazu genutzt werden, mehrere Klient*innen kurz
zu sprechen, offene Fragen zu klären oder sich
nach jemandem umzuschauen, ist dies jetzt bei-
nahe überall untersagt. Das Gleiche gilt auch für
Gespräche in den Arbeitsbetrieben. Diese Fak-
toren kosten Zeit und einen Mehraufwand an
Organisation, weil Klient*innen vorher nach Plan
einbestellt werden müssen.
Inhaftierung bedeutet immer Distanz zu El-
tern, Partner*innen, Kindern, Freund*innen. Durch
die derzeitige Lage hat sich diese für unsere
Klient*innen weiter verschärft, so sind derzeit
Besuche auf Verwandte ersten Grades und Kinder
Nicole Kolmstädter, Pauline Örtel
Foto: Rainer Sturm/pixelio
81Jahresbericht 2021
unter vierzehn Jahren beschränkt. Das Sprechen
hinter einer Trennscheibe, welches in der Vergan-
genheit den Gefangengen mit Substanzkonsum
vorbehalten war, gilt nun für alle Gefangenen in-
klusive Mundschutz. Eine Situation, die von Vie-
len als besonders belastend empfunden wird und
teilweise dazu führt, dass der Kontakt zu Ange-
hörigen und Kindern gestört wird, im schlimmen
Falle ganz abbricht.
Auch die Sportmöglichkeiten wurden immer
wieder eingeschränkt, Sport in der Halle und
Mannschaftssport wurden gestrichen. Trotzdem
ist man in Ebrach darum bemüht, den Gefan-
genen Alternativen anzubieten, um aufgestaute
Energie beim Sport rauszulassen. Krafttraining
ist weiterhin möglich, Sport im Freien und der
Wunsch nach Klimmzugstangen auf den Gängen
wurde umgesetzt.
Mit der kostenlosen TV-Nutzung, häufigeren
Telefonaten (auch per Video) und der zeitweisen
Übernahme des Portos für Briefe, versuchen die
JVAen den Gefangenen entgegenzukommen.
Einerseits um die derzeitigen Einschränkungen
erträglicher zu machen, andererseits ist die Zu-
friedenheit der Gefangenen ein wichtiger Sicher-
heitsaspekt.
Gruppenangebote wie die Rückfallpräventi-
onsgruppen in beiden JVA-Standorten und die
Neulingsgruppen/Informationsgruppen konnten
nicht mehr angeboten werden.
Während die Warteliste und dementsprechend
die Wartezeiten in Nürnberg nach wie vor lang
sind (derzeit ca. 8 Wochen) ist derzeit ein ver-
gleichsweise niedriger Stand der Gefangenen in
Ebrach zu verzeichnen. Dadurch gelingt die Arbeit
ohne größere Wartezeiten.
Wie alle anderen auch, hat uns das Thema „Di-
stanz“ als ESB-Team sehr beschäftigt. Nachdem
wir uns als Team nicht mehr in der Beratungsstel-
le treffen können, bleiben uns mehr oder weniger
gelungene Teamsitzungen per Zoom oder 3CX.
Wie wir alle schon festgestellt haben, ist das bes-
ser als nichts, ersetzen kann es persönliche Be-
gegnungen und den präsenten Austausch nicht.
Deshalb freuen wir uns auf ein Wiedersehen (mit
allen) sobald das wieder möglich ist.
Jahresbericht 202182
Eltern, Kinder, Sucht – ein Thema für mudra
Im März 2019 wurde die mudra als erste Dro-
genberatungsstelle in Bayern mit dem FITKIDS-
Siegel zertifiziert. Zurückgelegen war ein mona-
telanger Organisationsentwicklungsprozess, der
extern begleitet und gecoacht wurde.
Wichtigstes Ziel dabei war es, uns und unse-
re Mitarbeiter*innen in der Aufmerksamkeit und
Achtsamkeit für Kinder in und aus Suchtfamilien
und deren Bedürfnisse zu sensibilisieren. Im
Weiteren sollten organisatorisch und strukturell
passende Angebote entwickelt werden. Um die
Dimension für alle sichtbar zu machen, wird quar-
talsmäßig in allen Bereichen die Zahl der Kinder
erfasst, deren Eltern bei uns angebunden, beraten
und betreut werden. Dies geschieht mit der gebo-
tenen Sensibilität, aber auch dem Zugeständnis,
dass die Zahlen stets einen Näherungswert bie-
ten – denn lückenlos zu erfassen, ist nicht über-
all und stets umsetzbar. Für die zusätzlichen und
fortlaufenden Bemühungen zur Erfassung der
Daten danken wir allen Mitarbeiter*innen.
Eltern sind unsere Zielgruppe
Kinder sind in der Regel nicht unsere primäre
Klientel und sie werden es auch nicht werden.
Dafür fehlt uns als Drogenhilfe die nötige fach-
liche Kompetenz. Unsere Zielgruppe sind Eltern,
die Suchtmittel konsumieren, zum Teil davon ab-
hängig und dennoch in der Regel bemüht sind, für
ihr Kind/ihre Kinder gute Eltern zu sein. Gerade
weil sie suchtkrank sind, ist der Wunsch oft groß,
dass die Kinder darunter nicht leiden mögen, sie
es einmal besser haben als viele der Eltern es
selbst je hatten. Zugleich verfügen sie durch ihre
Abhängigkeitserkrankung zumeist über deutlich
weniger Ressourcen, dies nachhaltig umsetzen
zu können. Das Thema ist schwierig und oftmals
hoch komplex, wie sensibel und schambesetzt.
Grund genug für mudra, sich Eltern zur Seite zu
stellen und sie zu unterstützen, ihrer Verantwor-
tung im Sinne der kindlichen Bedürfnisse nach-
zukommen.
Eltern in Arbeit
Arbeit zu haben ist gerade für Väter und Mütter ei-
ne zentrale und gesellschaftlich höchst relevante
Ressource. Wenn Mama und/oder Papa arbeiten
gehen, hat dies für die Kinder ganz viele positiv
verstärkende Faktoren. Für die Eltern wiederum
ist es eine enorme Motivation, ihren Kindern
eine bessere Versorgung anbieten zu können,
Geschenke an Weihnachten und Geburtstagen
kaufen zu können, Schulausflüge mitmachen
zu können u.v.a. Status und Selbstwert sind in
unserer Gesellschaft durch eine Erwerbstätigkeit
wesentlich bestimmt und so freuen wir uns, vie-
len Vätern und Müttern hierfür echte und greifbare
Angebote machen zu können. Eltern und Familien
zu stärken, ist ein besonders wichtiger Impuls
unserer Arbeits-, Integrations- und Inklusions-
projekte.
Familien und Corona
Corona hat gerade für unsere Eltern eine heftige
zusätzliche Belastung mit sich gebracht. Beson-
ders die Familien am Rande der Gesellschaft, oft
in prekären Wohnsituationen, sind durch Corona
noch einmal zusätzlich benachteiligt worden. Kei-
ne KiTas, keine Schulen, selbst Spielplätze und
Vereine waren verschlossen und damit Erlebnis-
räume für deren Kinder, die diese „Inseln der Nor-
AK Eltern & Kind
83Jahresbericht 2021
malität“ und Begegnung so dringend notwendig
haben. Auch wenn uns bei den Kontakten zu un-
seren Eltern bislang keine eskalierten Krisenfälle
bekannt wurden, müssen wir grundsätzlich davon
ausgehen, dass vieles in dieser Pandemie unge-
sehen bleibt. „Soziale Kontrolle“ durch außerfami-
liäre Settings findet kaum statt. Klar wird schon
jetzt, dass alleine das Thema Homeschooling
die benachteiligten Familien bitterbös erwischt
hat, ja erwischen musste. Nichts und niemand
war darauf vorbereitet und so beginnen sich die
Folgen der Pandemie auch hier erst peu à peu
zu zeigen.
Der Zugang zu notwendigen Hilfen war und
ist für betroffene Familien schwierig, zeitweise
unmöglich. Auf ein funktionierendes und starkes
soziales Umfeld können diese Eltern in der Regel
sehr selten zurückgreifen. Schwierig waren auch
Vermittlungsversuche in Therapien, die zum Teil
an den Umständen der Pandemie gescheitert
sind.
Gut gestärkt haben wir hingegen unser Netz-
werk für Eltern und Kinder in der Kommune.
Über 15 Mitarbeiter*innen haben an der guten
Fortbildung durch die Kolleg*innen von Lilith e.V.
teilgenommen, die sich traditionell um das Wohl
der Frauen und damit auch der Schwangeren
und Mütter kümmern. (Frühe) Hilfen zu organi-
sieren und bestmöglich zu vernetzen ist unser
gemeinsames Ziel, dem wir dadurch wieder ein
Stück nähergekommen sind. Dies gilt auch für
die Schnittmenge zwischen ASD, Jugendhilfe und
Drogenhilfe. Hier konnte mudra-update einen tol-
len Meilenstein auf den Weg bringen, indem es
uns gelungen ist, für die stationären Jugendhilfen
eine bewährte Methodenschulung (REBOUND)
kostenfrei über das Präventionsgesetz anzu-
bieten. Suchthilfen und Jugendhilfen profitieren
von dem gegenseitigen fachlichen Austausch der
letztlich den Familien, den Jugendlichen und Kin-
dern zu Gute kommt.
Der Vision „Gruppenangebote für Eltern“ näher-
zukommen hat der Virus leider erst mal ausge-
bremst. Man muss realistisch bleiben, und sehen
was unter den nachpandemischen Umständen
noch an Ressourcen verfügbar bleibt und mög-
lich sein wird. Kinder in und aus Suchtfamilien
waren und sind ein wichtiges Thema, die Eltern
der wichtigste Zugang und Faktor in deren Leben.
Wir hoffen sehr, dass wir die Chance bekommen,
ob in Kooperation oder alleine, in den kommen-
den Jahren die Lücken in diesem Bedarf weiter
zu schließen und gute Angebote zu entwickeln.
Jahresbericht 202184
Gedenktag in der LorenzkircheIls Dumann
Wie jedes Jahr am 21. Juli wollen wir auch dieses
Jahr wieder unseren Gedenktag für Drogentote in
der Klarakirche abhalten. Diese jahrelange Tra-
dition, die ja inzwischen auch bundesweit statt-
findet, hat sich bewährt, da sie Raum bietet, um
der Toten mit Musik und Beiträgen zu gedenken.
Eltern, Angehörige und Freunde unserer Verstor-
benen kommen hier gerne zusammen, um sich
gemeinsam zu erinnern. Es werden Fotos der To-
ten aufgestellt und die Elterngruppe organisiert
gemeinsam mit Pfarrer Jürgen Kaufmann und der
mudra jährlich zusätzliche Aktionen. Einmal gibt
es Armbändchen, dann wieder lassen wir Luft-
ballons in den Himmel steigen oder beschriften
Steine. Pfarrer Jürgen stellt jedes Jahr eine Trau-
erwand auf, damit kleine Zettel mit Wünschen
und Gedanken dort angebracht werden können.
Der traurige Anlass wird so jährlich aufs Neue
schön gestaltet und jeder der Organisator*innen
möchte seinen Beitrag dazu leisten.
Leider sind auch dieses Jahr wieder viele Men-
schen an Drogen und den Folgen des Konsums
gestorben. Und in Zeiten von Corona war unser
alljährlicher Gedenktag lange gefährdet. Wir stel-
len schnell fest, dass die Klarakirche zu klein ist,
um selbst bei einer niedrigeren Besucherzahl die
Abstandsregeln einhalten zu können. Doch auch
unter Beachtung aller nötigen Hygieneregeln,
war es unmöglich, unseren Drogengedenktag
dort abhalten zu können. Wir Organisator*innen
wollten aber nicht aufgeben und nach mehreren
Zusammenkünften war klar, es muss eine andere
Kirche her.
Es wird Kontakt zu Frau Pfarrer Claudia Voigt-
Grabenstein von der großen, zentralen Lorenzkir-
che aufgenommen, einem echten Wahrzeichen
Nürnbergs. Wir fragen mal vorsichtig und mutig
an, ob wir unsere kleine Andacht für unsere Ver-
storbenen in diesem schönen Gotteshaus abhal-
ten dürfen. Schließlich geht es um die Sache und
darum, Raum zu schaffen, in dem Angehörige
und Freunde der Toten trauern können. Da dürfte
die jahrhundertalte Fehde zwischen Katholiken
und Protestanten keine Rolle spielen. Und das
tut es auch nicht. Frau Voigt-Grabenstein macht
es tatsächlich und gerne möglich und wir dürfen
unseren Gedenktag in der Lorenzkirche abhalten.
Ruckzuck wird alles organisiert, die Räumlich-
keiten vor Ort bieten doch mehr Platz als „unsere“
kleine Klarakirche. Am Einlass werden von den
Organisatoren Namen und Adressen aufgenom-
men, damit eine eventuelle Ansteckung nahtlos
verfolgt werden kann und somit das Risiko mi-
nimiert wird. In der Kirche ist Platz, um Abstand
einzuhalten und dennoch zusammen zu sein.
Viele Menschen finden sich auch heuer wieder
in der Kirche ein. Erneut stellt die Elterngruppe
schwarze Armbänder mit dem Aufdruck: „Dro-
gengedenktag 21.7.20 – Leben retten, jetzt“ zur
Verfügung und bezahlt diese aus eigenen Mitteln.
Pfarrer Jürgen Kaufmann hält eine ergrei-
fende und wie immer gelungene Ansprache.
Dann werden Zeitungsannoncen und Fürbitten
vorgetragen. Sogar gesungen darf werden, da
die Zuschauerreihen genügend Abstand zur
wunderbaren Sängerin Stefanie Hollaus haben.
Und wieder finden sich genügend Leute, die den
Ablauf mit Gedichten und Gedanken füllen. Die
Toten sitzen in Form von Pappmaché mit Namen
versehen mitten unter uns. Erneut zeigt sich,
dass man mit Mut, neuen Ideen und Kreativität
auch unter Corona bedingten Umständen so eine
Veranstaltung stattfinden lassen kann. Corona
hat nicht gewonnen oder uns aufgeben lassen.
Es wird wieder einmal ein schöner Abend, wenn
auch aus traurigem Anlass. Wir gedenken un-
serer Drogentoten und machen den Lebenden
Mut. Wir erinnern, sitzen zusammen, trauern,
musizieren, tragen die Bändchen – trotz Corona.
85Jahresbericht 2021
Jahresbericht 202186
Motivation und Stimmigkeit
Unser Leben ist danach ausgerichtet, ein inneres
und äußeres Gleichgewicht, eine „Stimmigkeit“,
welche wir als Wohlbefinden beschreiben können,
zu erreichen. In der systemischen Theorie hat
man dafür den Begriff der „Kybernetik“ gewählt,
welcher die „Kunst des Steuerns“ beschreibt, die
für die Wiederherstellung eines Gleichgewichts-
zustands sorgt.
Ein einfaches Beispiel für dieses Prinzip eines
kybernetischen Systems ist das Thermostat. Es
vergleicht den Ist-Wert (Raumtemperatur) mit
einem Sollwert (der gewünschten Temperatur)
und veranlasst bei Abweichung den Regler im
Thermostat dazu, die Heizung so zu regulieren,
dass sich der Ist-Wert dem Soll-Wert angleicht.
Auch für unsere Klientel geht es in der Regel
um die Wiederherstellung eines inneren und äu-
ßeren Gleichgewichtes.
Wenn etwas nicht stimmt, spüren wir einen
Spannungszustand, der uns motiviert die ent-
standene Soll-Abweichung auszugleichen. Diese
Spannung treibt uns an, unser Denken und Tun
so auszurichten, dass wir versuchen, die Situati-
on zum Besseren zu ändern. Dabei bündeln wir
unsere Energie, um wieder ein Gleichgewicht
herzustellen.
Unsere Klientel hingegen nimmt die Abwei-
chung vom Soll-Zustand häufig als hinderlich
oder bedrohlich wahr. Ihr Denken und Tun wird
oft von Angst und fehlendem Selbstvertrauen ge-
lenkt. Die Ursachen hierfür können sehr vielfältig
sein. Häufig ist deren Biografie gekennzeichnet
von problematischen Lebensverläufen, Schick-
salsschlägen und traumatischen Erlebnissen,
von schwierigen Startbedingungen ins Leben und
misslungenen Strategien und Entscheidungen,
diese Spannungszustände zu kompensieren.
Dies kann entweder zu einer inneren Reaktion
der Bedürfnisunterdrückung (ich nehme meine
Bedürfnisse nicht mehr wahr) oder zu Strategien
wie dem Konsum führen, um die Gefühle, die
diese Spannung auslösen, wegzudrücken oder
zu überdecken.
Ein verbreiteter Irrtum ist es, anzunehmen,
dass „Leidensdruck“ mit der Motivation, seine
belastendende Situation zu ändern, einhergeht.
Leidensdruck bedeutet erst einmal nur, dass die
Klientin/der Klient den Druck wahrnimmt, leidet
und diesen »weghaben will«.
„Weghaben wollen“ bedeutet aber keines-
wegs automatisch, dass man bereit ist, für de-
ren Beseitigung etwas zu tun. Deshalb kommt
es im Alltag unserer Klientel immer wieder
vor, dass das Erkennen eines Defizits, eines
Mangels, einer z.T. jahrelang andauernden
Soll- Abweichung, nicht die notwendige Ener-
gie und Motivation freisetzt, diesen Mangel zu
beseitigen.
Oft kann ein Ziel nur auf einem langen, mit
einer Vielzahl von Hindernissen gespickten
Weg erreicht werden: auf einem Weg, von dem
man ahnt, dass er über einen hohen und steilen
Berg führt, an dessen Wegrand eine Unzahl von
Gefahren zum Umkehren einladen oder Versu-
chungen auf Abwege locken; hin zu einem Ziel,
welches man noch gar nicht kennt, weil es auf
der anderen Bergseite liegt, die man noch nie
selbst gesehen und erlebt hat.
Ein solches Ziel wird nur dann erreichbar
sein, wenn man zum einen genug Motivation
aufbringen kann, um sich überhaupt auf den
Weg zu machen, und seine Motivation dann
auch angesichts von Problemen, Hindernissen
und Hemmnissen auf einem ausreichend hohen
Niveau halten kann.
Um dieses Motivationsniveau zu erreichen,
müssen Klient*innen gegen alte, über viele Jah-
re verfestigte und damit weitgehend automati-
sierte Gewohnheiten und Strategien angehen.
Klient*innen, die Ängste überwinden wollen,
müssen sich gerade den Situationen aussetzen,
die sie am meisten fürchten.
Michael Resing
87Jahresbericht 2021
Menschen mit Depressionen müssen ihre An-
triebslosigkeit überwinden, das Haus verlassen
und ihre ganze Kraft und Ausdauer in, aus ihrer
Sicht zunächst einmal völlig aussichts- und sinn-
lose, Aktivitäten stecken.
Wenn eines der Ziele in unserem Arbeitsalltag
darin besteht, z.T. früh in der Biografie entstan-
dene dysfunktionale Verhaltensmuster außer
Kraft zu setzen, dann müssen die Klient*innen
sich nahezu ständig gegen die vielen automa-
tischen Gedanken und Gefühle stemmen, die
durch diese Muster hervorgerufen werden. So
attraktiv das Ziel auch scheinen mag, der Weg zu
diesem Ziel ist meist alles andere als einfach. Um
ihn wirklich durchzuhalten, brauchen Klient*innen
in aller Regel ein großes Maß an Motivation.
Deshalb möchte ich mich im Folgenden etwas
näher mit möglichen Motivationsbremsen be-
schäftigen. In der Literatur finden wir viele mög-
liche Gründe für mangelnde Motivation:
1. Alienation
Alienation1 meint, dass eine Person einen
schlechten Zugang zu ihren Motiven hat. Sie
weiß nicht, was sie möchte oder was ihr (wirk-
lich!) guttut. Da sie das nicht weiß, hat sie auch
keine Präferenzen. Sie weiß nicht, was sie
möchte und kann und will sich deshalb auch
nicht entscheiden.
2. Motivkonflikte (Entscheidungsdilemma)
Ein weiterer Grund für mangelnde Motivation
kann der Konflikt zwischen verschiedenen ex-
pliziten Zielen sein, die sich widersprechen und
die man nicht gleichzeitig verfolgen kann. Kann
die Person diesen Konflikt nicht auflösen, dann
ist sie paralysiert und kann keines der Ziele
verfolgen.
3. Lageorientierung
Die Person wägt zu lange ab, sammelt zu
viele Informationen, hofft durch gründliches
Überlegen „die richtige Entscheidung“ herbei-
zuführen. Damit verliert sie aber viel Zeit und
kommt „nicht ins Handeln“, wodurch sich letzt-
lich nichts verändert.
4. (Entscheidungs-) Ängste
Manche Menschen entscheiden auch deshalb
nicht, weil sie Angst davor haben, eine falsche
Entscheidung zu treffen. Sie warten dann „auf
den Erlöser“, der ihnen die Entscheidung ab-
nimmt oder der ihnen eine „dritte Alternative“
aufzeigt2. Eng damit verbunden ist die Be-
fürchtung zu scheitern („Das klappt ja sowieso
nicht“, „Das geht ja eh wieder schief“). Solche
Antizipationen sind meist „Entscheidungskil-
ler“.
5. Geringe Selbsteffizienzerwartung
In manchen Fällen fehlt den Klient*innen auch
das Selbstvertrauen für die Verfolgung sinn-
voller Ziele, weil sie davon ausgehen, dass sie
ein Ziel „ohnehin nicht erreichen können“.
6. Geringe Entschlossenheit
Ein wesentliches Problem bei der Verfol-
gung von Zielen und bei der Bewältigung von
Schwierigkeiten kann auch in einer zu gerin-
gen Entschlossenheit liegen. Die Person hätte
ja „eigentlich“ gerne ein Ziel erreicht, ist aber
nicht bereit, sich dafür anzustrengen, Frustrati-
onen auszuhalten, Umwege zu gehen und En-
ergie aufzuwenden. Stattdessen werden soge-
nannte Pseudo-Entscheidungen getroffen, die
nicht weiterführen. „Pseudo-Entscheidungen“
lassen sich meist daran erkennen, dass die Kli-
enten nach der „Entscheidung“ nicht konflikt-
1 Kuhl, J. (2001). Motivation und Persönlichkeit. Göttingen: Hogrefe.2 Sachse, R. (2009), Grundlagen und Konzepte Klärungsorientierter Psychotherapie. Göttingen: Ho-
grefe.
Jahresbericht 202188
frei sind. Sie denken weiterhin darüber nach,
ob es nicht andere Alternativen geben könnte,
ob sie sich nicht besser anders entschieden
hätten und sind unsicher, ob sie das wirklich
machen sollen.
Motivation ist eine Kraft, die eine Person zu einem
erhofften Zustand hinzieht (Pull-Faktoren) oder
von einem befürchteten Zustand wegdrängt
(Push-Faktoren).
Deshalb sind wichtige Faktoren für die Ent-
wicklung einer ausgeprägten, zielführenden Mo-
tivation unter anderen:
Das Wissen, um eigene Bedürfnisse und dem
Recht, diese einfordern zu dürfen.
Die Überzeugung, ein Ziel erreichen zu können.
Das Zutrauen, dass die Energie zur Zielerrei-
chung lohnt.
Die Einschätzung der Realisierbarkeit des an-
gestrebten Ziels.
Die Selbstwirksamkeitserwartungen, sprich
die Einschätzung, dass die Zielverfolgung
durch das eigene Verhalten beeinflusst und die
notwendigen Handlungen selbst ausgeführt
werden können und man über die dazu nöti-
gen Fähigkeiten, Ressourcen und Erfahrungen
verfügt.
Die Einsicht, dass man sich nicht „Nicht-ent-
scheiden“ kann, denn wenn man sich nicht ent-
scheidet, entscheidet man sich immer dafür,
dass es so bleibt wie es ist.
Fazit
Aufgrund der oben genannten „Motivationsbrem-
sen“ ist die Motivation der Hilfesuchenden, „sich
zu ändern“, häufig schon zu Beginn der Betreuung
schwach ausgeprägt. Aber auch wenn die Moti-
vation zu Beginn ausreichte, kann sie spätestens
dann abnehmen, wenn es darum geht, schwie-
rige Aufgaben zu bewältigen und vertraute Ver-
haltensweisen zu hinterfragen. Und auch wenn
die Klient*innen dann noch änderungsmotiviert
bleiben, sind sie ambivalent: Es gibt neben einer
Tendenz in Richtung Veränderung immer auch
Tendenzen in Richtung Nicht-Veränderung.
Unterstützung in Anspruch zu nehmen, ist eine
schwierige Angelegenheit: Die Klient*innen müs-
sen erkennen und akzeptieren, dass Verände-
rungen „Kosten“ bereiten. Es spricht vieles dafür,
den Zustand so zu belassen wie er ist, und vieles
dafür, den Zustand zu ändern. Irgendwann ist es
notwendig, eine Entscheidung treffen.
Wichtig ist, dass die Klient*innen wahrnehmen
und akzeptieren, dass sie durch eigene Verhal-
tens- und Denkmuster in wesentlichem Maße
zu den Problemen beitragen und erkennen, dass
sie selbst etwas tun können und müssen, um die
Probleme zu lösen und ihre Situation zu verän-
dern.
Angebote müssen darauf hinwirken, dass die
(Änderungs-)Motivation stark genug ist, um die
Klient*innen in allen Phasen der Betreuung zu
veranlassen, „compliant“ zu sein: mitzuarbeiten
und besprochene Interventionen umzusetzen.
Es ist entscheidend, sich im Beratungsprozess
immer wieder mit der Motivation des Klienten
auseinanderzusetzen, da dies eine wichtige Va-
riable des Erfolgs darstellt.
Nur wer Veränderung wirklich will, wird auch
Veränderung erreichen.
Motivation und Stimmigkeit
89Jahresbericht 2021
Jahresbericht 202190
Substitution – Krise nutzen, innovativ handeln!
Das Jahr 2020 stellt die Welt auf den Kopf und
führt in allen Bereichen des Lebens zu großen
Herausforderungen und Einschränkungen. Auch
die Drogenhilfe bleibt davon nicht unberührt. Un-
sere Klientel profitiert vor allem vom persönlichen
Kontakt und gehört zur besonderen Risikogruppe
aufgrund häufiger chronischer Erkrankungen. Da-
zu gehören neben der Abhängigkeitserkrankung
vor allem chronische Leber- und Atemwegser-
krankungen, Herzschädigungen und Autoim-
munerkrankungen.
Wir im subway der mudra-Drogenhilfe infor-
mieren über Substitution, helfen bei der Platz-
suche und unterstützen Substituierte im Rahmen
der psychosozialen Beratung und Begleitung.
Unsere Arbeit gründet auf persönlichem Kontakt
und Beziehungsarbeit, nur so kann ein intensiver
Zugang gelingen und können passende Maßnah-
men gemeinsam mit den Klient*innen erarbeitet
und begleitet werden.
Doch plötzlich bestimmt ein Pandemievirus,
dass das, worauf unser gutes Gelingen in der
Arbeit gründet (…und wir sind richtig gut) nicht
mehr stattfinden darf: Persönliche Kontakte müs-
sen reduziert werden, was zur Folge hat, dass
bestehende Angebote eingeschränkt, manche
wichtige Maßnahmen sogar komplett abgesagt
werden müssen. Für uns bedeutet dies zunächst
die Einstellung der „Außensprechstunden“ bei
Nürnbergs substituierenden Ärzt*innen sowie
der „Offenen Beratung“ und darüber hinaus die
für uns alle krasse Vorgabe: Beratungsgespräche
sollen generell nach Möglichkeit nur noch telefo-
nisch abgehalten werden.
Auch von Seiten der Klient*innen ist eine große
Unsicherheit zu spüren. Einige gingen davon
aus, dass unser Angebot nicht mehr besteht,
da inzwischen die meisten Ämter und Behörden
konsequent persönliche Kontaktmöglichkeiten
eingestellt haben, darunter auch viele für unsere
Klientel existenziell wichtige Anlaufstellen wie
Jobcenter oder Ausländerbehörde. Ebenso war
der offene Zugang zu Substitution gefährdet,
Krankenhäuser mussten sich für die Versorgung
von potentiellen Corona-Patient*innen umstellen
und schlossen vorübergehend Entgiftungsstati-
onen, viele Therapiestellen verhängten einen
Aufnahmestopp. Die Unsicherheit der Betroffenen
war begründet!
Auch wir haben etwas Zeit gebraucht, um
uns auf die neuen und sich immer wieder ver-
ändernden Rahmenbedingungen einzustellen.
Dabei war uns zu jeder Phase wichtig, für unse-
re Klientel da zu sein. Die Kontakte und Bezie-
hungen sollten keinesfalls verloren gehen.
Um der Verunsicherung der Klient*innen zu be-
gegnen und ihnen zu versichern, dass wir weiter-
hin für sie da sind, haben wir proaktiv zu allen den
Kontakt gesucht und gehalten und kontinuierlich
unsere Unterstützung angeboten. Und genau das
war vor allem gefragt – eine Stelle, die sie nicht
alleine lässt. Nicht selten bestand unsere Arbeit
darin, Klient*innen zu unterstützen, die wochen-
lang keinen Zugang mehr zu Behörden, Hilfen
und Anlaufstellen gefunden haben.
Auf die Kontaktbeschränkungen haben wir wie
alle anderen auch reagiert und Sicherheitsmaß-
nahmen auch im Interesse unserer vulnerablen
Bezugsgruppe konsequent umgesetzt. Präsenz-
beratungen sollten keinesfalls komplett weg-
fallen und konnten in besonderen Bedarfslagen
außerhalb der Beratungsräume, oftmals im „Walk
& Talk“ bei einem Spaziergang (unter Beachtung
des Datenschutzes und der Abstandregelung)
stattfinden. Ansonsten leisten Telefon und Video-
chats wie vielerorts ihren Dienst, wenngleich sich
die Grenzen dieser Möglichkeiten schnell zeigten.
Eine Ergänzung – ja, eine Kompensation in der
größten Not – ja, ein gleichwertiger Ersatz für
„echten“ Kontakt – nein.
Eine große Sorge der Klient*innen war na-
türlich, welchen Einfluss die Pandemie auf ihre
Kristina Rath, Alexandra Leshnin, Florian Postler
91Jahresbericht 2021
bestehende Substitutionsbehandlung hat. Ob
diese so aufrechterhalten werden kann und was
passiert, wenn Ärzt*innen sowie sie selbst an
Covid-19 erkranken sollten.
Grundsätzlich wird die Substitutionsbehand-
lung durch die Betäubungsmittel-Verschrei-
bungsverordnung (BtMVV) geregelt. Diese ist
Bestandteil des Strafrechts, des Betäubungsmit-
telgesetzes (BtMG) und wird durch die Richtlinien
der Bundesärztekammern genauer beschrieben.
Hinzu kommen Vorgaben aus dem Arzneimittel-
recht, der Sozialgesetzgebung, die die Vergabe,
Abrechnungs- und Finanzierungsfragen regeln,
Gebührenordnungen usw. Für substituierende
Ärzt*innen ergeben sich daraus eine Vielzahl von
Regeln und Vorschriften, an die sie sich strikt zu
halten haben. Ihnen wird eine große Verantwor-
tung übertragen und im schlimmsten Fall haben
sie strafrechtliche Folgen zu befürchten.
Auf die besondere Situation in den Zeiten der
Pandemie reagierten die Gesetzgeber*innen
erfreulich schnell. Zahlreiche Träger und Dach-
verbände machten auf die besonderen Heraus-
forderungen der Substitution unter Pandemiebe-
dingungen aufmerksam und wurden von den Ent-
scheidungsträgern gehört. Es wurden erweiterte
Spielräume geschaffen, die eine durchgängige
Versorgung von Substituierten und mehr Flexi-
bilität unter der Berücksichtigung von Kontaktbe-
schränkungen und -minimierung möglich macht.
Seit März 2020 gibt es bundesweit entsprechende
Ausnahmeregelungen zur Substitutionsbehand-
lung, die inzwischen bis März 2022 verlängert
wurden. Oberstes Ziel bei diesen Regelungen ist
es, Ärzt*innen und Substituierte vor einer Anste-
ckung mit Corona zu schützen und gleichzeitig
das Angebot der Versorgung aufrecht zu erhalten.
Diese Rahmensetzung wird allgemein sehr be-
grüßt, bei der Umsetzung jedoch liegt der Teufel
ein weiteres Mal im Detail und zu viele beteiligte
Player verwässern die konkreten Möglichkeiten.
Komplex und kompliziert ist die Gemengelage
rund um die Substitution schon immer gewesen
und jetzt zeigt sich auch hier leider ein uneinheit-
liches Vorgehen mit der Pandemie. Was anderswo
gemacht wird verhindert bei uns u.a. eine zöger-
liche Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB)
und deren Qualitätskommission, die anstatt die
Ärzt*innen zu unterstützen, deren Unsicherheit
beispielsweise durch Verweise auf die rechtliche
Verantwortung weiter nährt. Krisenmanagement
sieht anders aus.
Die BtMVV-Änderungen umfassen unter ande-
rem die Ausweitung der Verschreibungsdauer des
Substituts zur eigenverantwortlichen Einnahme.
Außerdem die Sicherstellung der Vergabe des Me-
dikamentes durch bisher nicht berechtigtes Per-
sonal, sowie die Erhöhung der Patient*innenzahl
bei der Versorgung durch fachfremde Ärzt*innen.
Die Ausnahmeregelungen sind zwar bun-
desweit gültig jedoch obliegt es den einzelnen
Ärzt*innen diese anzuwenden. Unsere Erfahrung
zeigt aber, dass die Anpassungen in unserem
Wirkungskreis kaum Anwendung finden. Erwei-
tertes Take-Home und damit eine Ausweitung
der eigenverantwortlichen Einnahme kommt im
Vergleich zu anderen Bundesländern nur selten
zur Anwendung, fachfremde Ärzt*innen sehen
wir nicht in erhöhtem Maße an der Vergabe be-
teiligt, ebenso wenig wie die Einbindung bislang
unberechtigten Vergabepersonals. Selbst eine
alternative und pragmatisch veranlagte Versor-
gung von quarantänepflichtigen Klient*innen
konnte mit der zuständigen Landes-KVB bis
heute noch nicht vereinfacht gelöst werden; ganz
zu schweigen von einer niedrigschwelligen und
schnellen Versorgung von Opiatabhängigen, die
bislang noch nicht substituiert werden, die posi-
tiv getestet werden, oder zur K1 (Kontaktperson
Kategorie 1) werden.
Ein Grund dafür mag sein, dass sich praktizie-
rende Substitutionsärzt*innen durch die Anpas-
Jahresbericht 202192
sungen nicht genügend entlastet sehen und die
Gesamtverantwortung weiterhin auf ihnen lastet.
Insofern hat sich die Situation für substituierende
Ärzt*innen durch die Pandemie sogar zusätzlich
verschärft.
Seit Jahren besteht die verhängnisvolle Ent-
wicklung, dass immer weniger Mediziner*innen
eine Substitutionsbehandlung anbieten. Die-
ser bedrohlichen Entwicklung steht ein ste-
tiger Bedarf an Substitution seitens der
Drogengebraucher*innen gegenüber. Viele Regi-
onen in Deutschland sind längst unversorgt und
das Versorgungsangebot verlagert sich mehr
und mehr auf die Inseln der großen Städte.
Dort führt die Entwicklung zu einem kontinuier-
lichen Anstieg der Patient*innenzahl pro aktiven
Ärzt*innen, zur deutlichen Mehrbelastung und
letztlich zu einer drohenden Überforderung und
zu Qualitätsverlust. Der freie und schnelle Zugang
sowie die individuell passgenaue Vermittlung in
eine Substitutionsbehandlung sind aufgrund der
oben genannten Faktoren häufig eingeengt bis
unmöglich.
Die beschriebenen Problemlagen substituier-
ter Menschen sind aber bei Weitem keine Neu-
erscheinungen der Pandemie. Vielmehr wurden
diese Sorgen und Nöte durch die Pandemie weiter
verschärft. Individuelle Krisen entstehen deut-
lich schneller, häufiger und spitzen sich immer
wieder dramatisch zu. Dies wirkt sich belastend
und damit negativ auf alle Beteiligten der Sub-
stitutionslandschaft aus. Allen voran jedoch auf
die Klientel, die nicht nur abhängig von ihren
Substanzen ist, sondern sich auch in einer ent-
mündigten und ohnmächtigen Abhängigkeit der
gegebenen Richtlinien, Strukturen und Systeme
gefangen sieht und sich diesen anpassen muss,
um nicht ihre medizinisch notwendige Behand-
lung zu verlieren.
Den Substitutionsärzt*innen hat die Politik
zwar Werkzeuge an die Hand gegeben, die hel-
fen sollen, den Engpässen und Problemen in
Zeiten der Pandemie begegnen zu können, doch
an der belastenden rechtlichen Verantwortung
für den Substitutionsverlauf hat dies nichts ge-
ändert. Mehr Spielraum zum eigenverantwort-
lichen Umgang mit dem Substitut auf Seiten der
Patient*innen muss sich so für verunsicherte
Ärzt*innen weniger als Befreiungsschlag, denn
als zusätzliche Bedrohung anfühlen. Fremdes
Personal in die Vergabe einzubinden und für
deren Handeln verantwortlich geradestehen zu
müssen, ist auch keine wirkliche Erleichterung.
So stießen die gesetzlichen Veränderungen bei
uns auf sehr geringe wahrnehmbare Anwendung
und eine eher durchwachsene Resonanz seitens
der Ärzteschaft. Die gut gemeinten gesetzlichen
Maßnahmen laufen also mancherorts ins Leere
und bleiben aus Sorge, der Verantwortung nicht
nachkommen zu können, ungenutzt.
Das Kernproblem, Mediziner*innen in die Ver-
antwortung für eine so komplexe Krankheit wie
Sucht zu nehmen und zugleich die Betroffenen
zu entmündigen, ist ein grundlegender Webfehler
unseres Substitutionssystems. Er resultiert aus
einer antiquierten Haltung gegenüber Drogenab-
hängigen und dem fast schon deutsch-typischen
Versuch eine potentiell risikobehaftete Interven-
tion so sicher wie möglich zu gestalten. Dies ist
in zweierlei Hinsicht fatal, da man dadurch viele
Bedürftige vom Zugang zum Hilfesystem aus-
schließt und sie in der Illegalität belässt und
zum anderen potentielle Helfer verunsichert und
abhält die notwendigen Behandlungen in aus-
reichender Zahl anzubieten. Ein System schlägt
sich selbst und verschenkt einen großartigen
potentiellen Mehrwert für alle Beteiligten und
unsere Gesellschaft. Ein Weniger an Kontrolle
birgt zwar ein Mehr an Risiko, aber auch einen
ungleich höheren Gewinn und eine Entlastung auf
ganz vielen Ebenen. Heroinabhängige Menschen
riskieren mit jedem Schuss unbekannter Quali-
Substitution – Krise nutzen, innovativ handeln!
93Jahresbericht 2021
täten ihre Gesundheit, oft über Jahre und Jahr-
zehnte hinweg ohne daran zu versterben. Warum
sollten sie nicht eigenverantwortlich mit einem
zertifizierten Ersatzstoff kontrollierter Qualität
umgehen können; ja warum nicht sogar im Ein-
zelfall auch mit ärztlich verordnetem Originalstoff
(Diamorphin)? Warum überlässt man Abhängige
im illegalen Kontext ihrer eigenen Verantwortung
und überträgt diese Verantwortung im Rahmen
einer Substitution auf den Arzt?
Wir, die Mitarbeiter*innen des subway, stehen
als vermittelnde Instanz weniger zwischen den
Stühlen, als eher auf beiden der betroffenen Sei-
ten. Wir können die Probleme und Nöte sowohl
der Betroffenen als auch der Helfer*innen gut ver-
stehen und nachvollziehen und versuchen unser
Bestes, dazwischen zu vermitteln.
Aber auch das ist nicht neu. Die Vermittlung
zwischen Ärzt*innen und Klient*innen ist seit je-
her ein fester Bestandteil unserer Arbeit und ge-
währt uns einen tiefen Einblick in die jeweiligen
Bedürfnisse aller Beteiligten. Aus dieser uns ver-
trauten Gesamtsituation der Substitution in der
Metropolregion entstand bei uns die Vision eines
nachhaltigen Konzepts für eine niedrigschwel-
lige Substitution. Wir sind fest davon überzeugt,
dass so ganz vielen Menschen der Zugang zur
wirkungsvollen Begleitung und Behandlung einer
Opioidabhängigkeit ermöglicht werden kann, die
auf Grund der bisherigen strukturellen Probleme
davon ausgeschlossen waren. Dies hätte zahl-
reiche positive Effekte für die Klientel, deren Fa-
milien, die Ärzt*innen als auch für die Stadt Nürn-
berg zur Folge. Substitution reduziert riskanten
Drogenkonsum und daraus resultierende Über-
dosierungen mit Todesfolge, Beschaffungskrimi-
nalität, Armut und Wohnungslosigkeit und vieles
mehr. Die Ärzt*innen könnten entlastet werden,
sich auf gewünschte Behandlungsverläufe kon-
zentrieren und Alternativen für dauerhaft schwie-
rige Verläufe anbieten. Eine Niedrigschwellige
Substitutionsambulanz schafft die Anbindung
und die Möglichkeit zur täglichen Sicht-Vergabe,
die Verantwortung zum Umgang damit liegt dann
bei den Konsument*innen selbst. Dass dies nicht
nur möglich ist, sondern tatsächlich einen viel
höheren Mehrwert als Schaden mit sich bringt,
zeigen uns Beispiele aus anderen Ländern.
Den Klient*innen wird derzeit durch die gän-
gigen Reglementierungen in der Substitution die
Eigenverantwortung abgesprochen. Sie können
über viele Aspekte ihrer Behandlung nicht selbst
bestimmen. In Behandlungsverträgen werden
Vereinbarungen getroffen, die oft an den Le-
bensrealitäten der Klientel vorbeigeht. Verstöße
werden sanktioniert und können sogar zum Ver-
lust des lebensnotwendigen Behandlungsplatzes
führen. Auch hier würde ein niedrigschwelliges
Angebot der Substitution viele Probleme lösen
und Krisen schnell und unkompliziert abfangen.
Außer Frage steht, dass Substitution zurecht
als Erfolgsmodell in der Drogenhilfe weltweit
verbucht wird. Um das Potential der Ersatzstoff-
vergabe besser zu nutzen und Klient*innen in
ein selbstbestimmtes Leben führen zu lassen,
bedarf es einer generellen Überholung der Sub-
stitutionsvorgaben und der Haltung im Umgang
mit Sucht in Deutschland. Dazu gehört, dass die
medizinische Behandlung als solche anerkannt
wird und endlich aus der Rahmung des Straf-
rechtes ausgelagert wird. Auch dadurch kann die
Behandlung für Mediziner*innen wieder attrak-
tiver werden und der Nachwuchs besser gesichert
werden.
Wir sind für die Schaffung einer Substitutions-
behandlung, die realistisch den Lebenswelten
unserer Klient*innen begegnet und Angebote
entwickelt, die ein selbstbestimmtes Leben mit
Ersatzstoffen ermöglichen, und wir sind für die
Abschaffung der BtMVV bezüglich der Substitu-
tion.
Jahresbericht 202194
STREETWORK* ist in mehrerer Hinsicht ein Arbeitsbereich mit einer hohen Relevanz. Ei-ne Minimierung der schädlichen Folgen von Drogenkonsum (Harm Reduction) steht ne-ben Kontaktarbeit und Vertrauensbildung im Mittelpunkt dieser Arbeit. Die Vergabe von sterilen Konsumutensilien leistet u.a. einen wesentlichen Beitrag für das öff entliche Ge-sundheitswesen, indem es die Ausbreitung von Infektionserkrankungen eindämmt. Stra-ßen-Sozialarbeit, Kurzberatung, Informati-onsvermittlung motivieren Drogenabhängige für weitere Hilfeangebote. Diese Interventi-onen stabilisieren und verbessern individuelle Verläufe und tragen dadurch in erheblichem Maß dazu bei, die Folgekosten von unkontrol-lierten Suchtverläufen zu verringern.
Drogenkonsum im öffentlichen Raum ist ein
Brennpunkt-Thema für Städte und Kommunen.
Anwohner und Gewerbetreibende fühlen sich
durch Konsum und Konsumerscheinungen in
der Öffentlichkeit belastet. Gebrauchte Spritzen
und Utensilien landen in Baustellen, im Gebüsch,
in Parks, auf Spielplätzen. Drogenabhängige
Menschen sterben im öffentlichen Raum, weil
sie keinen sicheren Ort für ihren Konsum haben.
STREETWORK leistet in diesem Brennpunkt ei-
nen wichtigen Beitrag für die Betroffenen, aber
auch für die Öffentlichkeit, die Städte und die
Kommunen.
Anlass für uns, in einem jährlichen Rückblick
über mudra-Aktivitäten und Erkenntnisse in die-
sem Bereich zu informieren.
Vorbemerkungen
Die Straßen- und Szenearbeit der mudra war im
vergangenen Jahr wesentlich durch die Vorgän-
ge rund um die Pandemie bezüglich Covid-19 be-
einflusst. Verschiedene Lockdown-Phasen und
Kontaktbeschränkungen sowie Sicherheits- und
Hygienebestimmungen haben sowohl unsere
Arbeit als auch unsere Mitarbeiter*innen speziell
herausgefordert.
Wichtig war uns von Anfang an, den Kontakt
zu den Menschen auf der Szene unbedingt zu
halten, auch im Erkennen, dass diese vulnera-
ble Gruppe durch die Pandemie massiv betroffen
sein würde.
Neben den individuellen gesundheitlich hohen
Risikofaktoren der Betroffenen war abzusehen,
dass der Zugang zu Hilfeangeboten für Drogen-
abhängige stark eingeschränkt werden würde.
Ebenso war zu erwarten, dass sich die Ver-
sorgungssituation mit Suchtstoffen, aber auch
den dafür notwendigen Gelderwerb (vorwiegend
„Schnorren“, Flaschensammeln, Hehlerei etc.),
deutlich erschwert.
Dies wiederum würde zweifelsohne einen Ein-
fluss auf das Konsumverhalten der Betroffenen
ausüben. Unsere Sorge war eine Zunahme von
riskanteren Konsumformen (Spritzen) sowie
Jahresrückblick der mudra-Streetwork: Drogenkonsum im öff entlichen Raum
* Neben der mudra leistet auch Lilith e.V. praktische Streetwork für Drogenkonsument*innen ille-
galer Substanzen
95Jahresbericht 2021
verstärktem Mischkonsum bis hin zu kritischen
Entzugsszenarien und einhergehenden schäd-
lichen Kollateralgeschehen.
Unser Grundgedanke, eingeschränkte Ange-
bote durch verstärkte Streetwork ein Stück weit
auszugleichen, hat sich bewährt. Es wurden
mehr individuelle, kurze Streetworkkontakte
angeboten mit der Möglichkeit, diese im Nach-
gang weiter zu betreuen.
Dadurch waren die Streetworker*innen deut-
lich weniger als üblich in die Strukturen der Be-
ratungsstelle eingebunden, was unterm Strich
einen hohen Aufwand an Planung und Organi-
sation bedeutete.
Das Zusammenspiel von Streetwork und
niedrigschwelliger Suchtberatung wurde stra-
tegisch klug aufeinander abgestimmt, so dass
trotz Einschränkungen und vorübergehenden
Schließzeiten des mudra-Kontakt-Ladens die
Erreichbarkeit und der schwellenlose Zugang
zu Beratung und Hilfe stets gewährt werden
konnte.
Es ist der mudra ein wichtiges Qualitätsmerk-
mal, Zugang zu Hilfen so einfach wie möglich
zu gestalten und diese anzubieten, wenn sie
gebraucht und gewünscht sind.
Dies erfordert offene Strukturen auch wäh-
rend eines Lockdowns. mudra-Streetwork hat
sich gerade in Zeiten der Pandemie als wichtiges
Bindeglied zur Drogenhilfe bewährt.
Die Herausforderung, sich und andere in die-
sem Szenario zu schützen, erfordert von den
Mitarbeiter*innen ein hohes Maß an Disziplin
und Motivation. Bislang ist es den Kolleg*innen
hervorragend gelungen, und dies trotz der vielen
persönlichen Kontakte, diesen Anforderungen
gerecht zu werden.
Die Gesamtzahl der Einsätze und der Kontakte
ist trotz Lockdown gestiegen. Dies ist erfreulich
und zugleich ein klarer Indikator für die Akzep-
tanz unserer Arbeit auf der Straße und unserer
niedrigschwelligen Erreichbarkeit!
Kontakte
2020 hatten wir 2463 Kontakte* bei 146 Einsätzen
(+ 25%), im Durchschnitt 16,9 pro Einsatz (trotz
Corona). 2019 waren es 2258 Kontakte bei 113
Einsätzen, im Durchschnitt 20,4 pro Einsatz.
Safer-UseNeben mudra e.V. vergeben auch Hängematte
e.V. und Lilith e.V. Safer-Use Materialen, d.h. die
aufgeführten Zahlen für Nürnberg erhöhen sich
noch um die dort vergebenen Utensilien.
Dies bedeutet allein für die von mudra verge-
benen Spritzen/Kanülen einen Anstieg von 50%
im Vergleich zum Vorjahr! Neben Spritzbesteck
* mudra dokumentiert Straßenkontakte aller Art nur dann, wenn eine konkrete Interaktion statt-
findet! Dies sind typischerweise Kurzberatungen, Kontaktpflege und Ausgabe von Safer-Use-
Utensilien. Die Zahlen bilden also keine reinen „Sichtungen“ ab!
Jahresbericht 202196
werden von mudra auch abgepacktes steriles
Wasser, Einweglöffel, Venen-Stauer, Alko-Tupfer,
Rauschfolien, sterile Filter, Gleitcreme etc. ver-
geben.
Fachgerechte Entsorgung gebrauchter Spritzen:
Aus nachvollziehbaren Gründen werden benutzte
Utensilien leider in der Regel möglichst schnell
und nicht selten unsachgemäß von User*innen
entsorgt. Für eine sichere Entsorgung stehen im
Stadtgebiet Nürnberg aktuell zwei Abwurfbe-
hältnisse im Öffentlichen Raum zur Verfügung
(Wärmestube und Aufseßplatz). Diese werden
regelmäßig durch Mitarbeiter*innen der mudra
gelehrt und fachgerecht entsorgt.
Man muss davon ausgehen, dass ein Großteil
der Konsumvorgänge im öffentlichen Raum
stattfindet. Auch wenn die Anzahl sachgerecht
entsorgter Spritzen zugenommen hat, ist di-
es in Anbetracht der ausgegebenen Spritzen
alleine durch mudra (siehe oben) ein deutlich
ungenügender Faktor. Neben weiteren notwen-
digen Abwurfbehältnissen an den einschlägigen
Szenepunkten wäre auch für diese Problema-
tik ein verfügbarer medizinisch-überwachter
Drogenkonsumraum eine spürbar relevante
Entlastung.
Kosten Safer-Use
Die Kosten für die ausgegebenen Utensilien
beliefen sich für mudra im vergangenen Jahr
auf knapp 19.000,- Euro; demgegenüber stehen
Einnahmen (Spritzenautomaten) von rund 6.000,-
Euro sowie Zuschüssen der Stadt von nicht ganz
5.000,- Euro.
Der städtische Zuschuss beinhaltet in 2020 dan-
kenswerterweise zwei Sonderzahlungen durch
das Sozialamt (1.500,- Euro/1.000,- Euro). Ohne
diese außerplanmäßigen Zuwendungen beläuft
sich der städtische Zuschuss normalerweise auf
2.250,- Euro p.a. für die Vergabe von Safer-Use-
Utensilien.
Hinzugerechnet kommen für die mudra noch
weitere Kosten für eigens zur Verfügung ge-
stelltes Personal (wöchentliche Bestückung,
Überprüfung, Päckchen packen etc.) in Höhe von
2020/20.503,26 Euro plus Bestellung, Logistik,
Verwaltung, Reparaturen und Wartung der Geräte.
Die mudra stellt für die Versorgung mit Safer-
Use letztlich über 30.000,- Euro aus Eigenmitteln
zur Verfügung
Jahresrückblick der mudra-Streetwork: Drogenkonsum im öffentlichen Raum
97Jahresbericht 2021
Drogentote im Nürnberger Stadtgebiet (Stand Mitte Januar 2021)
Die Zahlen der Drogentoten werden in Nürn-
berg von der zuständigen Polizeidienststelle
ermittelt und im AK Sucht der Stadt Nürnberg
ausgetauscht. Dies leistet einen wertvollen Bei-
trag im gemeinsamen Bemühen, Entwicklungen
und Risikofaktoren für Nürnberg und seine
Bürger*innen zu erkennen und ggf. präventiv
und methodisch reagieren zu können.
Zahlen für Nürnberg 2020*
23 Drogentote im Stadtgebiet
18 dt. Staatszugehörigkeit
24 – 62 Jahre alt (Durchschnitt 39,2 Jahre)
11 Tote im öffentlichen Raum (Park, Toiletten,
Parkhaus, Passagen, Plätze und Straßen)
* dies sind die vorläufigen offiziellen Zahlen nach dem Monitoring der bundesweiten Polizeistati-
stik (Stand: 15.01.2021). Erfasst werden dabei die klar dem unmittelbaren Konsum zuordenbaren
Drogentoten. Menschen, die an den gesundheitlichen Folgeschäden ihres Konsums versterben,
bleiben davon unberücksichtigt.
Sonstige Auff älligkeiten
Der Anteil persischsprachiger Kontakte hat
zwar in Zeiten der Pandemie abgenommen
(u.a. mussten Gemeinschaftsunterkünfte im-
mer wieder unter Quarantäne gestellt werden),
ist aber auch 2020 ein fester Bestandteil der
Streetwork. In der ersten Jahreshälfte kam
es zudem zu einem personellen Wechsel im
Bereich der muttersprachlichen Streetwork
für diese Zielgruppe. Personeller Wechsel be-
deutet immer erstmal weniger Kontakte, der
persönlich-vertraute Kontakt ist gerade im
persischsprechenden Bereich extrem wich-
tig.
Auch die russischsprachige Klientel stellt wei-
terhin eine eigene Community dar, auch wenn
hier die Durchmischung mit der sonstigen Sze-
ne deutlicher stattgefunden hat. Auffällig ist,
dass in diesem Bereich stets neue Klient*innen
auftauchen, in 2020 hauptsächlich aus dem let-
tischen Raum.
Herausgestochen ist der Anteil der Kontakte
mit Substituierten. Dieser hat sich im Vergleich
Jahresbericht 202198
zum Vorjahr verdoppelt. Mindestens 10% der
Straßenkontakte fanden 2020 mit Substituier-
ten statt oder hatten ganz explizit die Substi-
tution zum Thema. Vor allem im Frühjahr rund
um den ersten Lockdown waren Substituierte
stark vertreten.
Hervorzuheben ist, ebenso unter den beson-
deren Herausforderungen der Pandemie 2020,
die kommunale Zusammenarbeit und Koope-
ration. Nürnberg verfügt auch an dieser Stelle
über belastbare und funktionierende Kommu-
nikationswege im Sinne der unterschiedlichen
Bedürfnisse im öffentlichen Raum.
Seit 2017 kommen vierteljährlich Vertreter*
innen der Drogen-, Wohnungslosen- und Ju-
gendhilfe mit Vertretern der zuständigen Po-
lizeiinspektion (PI Mitte) und der städtischen
Suchtbeauftragten (Sozialamt) zum gemein-
samen „Lagebericht öffentlicher Raum Innen-
stadt“ zusammen.
Im Fokus steht der Austausch zwischen
Streetworker*innen und der im Innenstadt-
und Bahnhofsbereich zuständigen BAO (Be-
sondere Aufbauorganisation) der Polizei zu
aktuellen Hilfebedarfen, Angeboten und Kon-
fliktfeldern. Die Suchtbeauftragte bildet dabei
zusätzlich das Bindeglied zum städtischen AK
Sicherheit und Sauberkeit.
Wir bedanken uns ausdrücklich für die offene,
respektvolle und konstruktive Zusammenar-
beit bei allen Akteur*innen dieses Arbeits-
kreises und im Besonderen bei der Koordi-
natorin und Moderatorin Andrea Freismidl der
Stadt Nürnberg.
Jahresrückblick der mudra-Streetwork: Drogenkonsum im öffentlichen Raum
99Jahresbericht 2021
Jahresbericht 2021100
Psychosoziale Beratung und Betreuung begleitend zur Substitutionsbehandlung (PSB). Ein Positionspapier zu den Potentialen und den Herausforderungen.
Die Leistungen der PSB Psychosoziale Beratung und Betreuung ist ei-
ne qualifizierte personenzentrierte Leistung, die
vernetzt im Behandlungsverbund erbracht wird
und Bestandteil der Substitution ist. Sie stellt ein
wesentliches Qualitätsmerkmal dar. Auf der Basis
zieloffener Arbeit fördert die PSB grundsätzliche
Veränderungsbereitschaften und Alltagskompe-
tenzen. Sie kann die individuelle Zielerreichung
unterstützen. Sie erfordert von den Mitarbeiten-
den, zusätzlich zu Beratungskompetenzen, diffe-
renzierte Kenntnisse über die unterschiedlichen
Angebote und Möglichkeiten der psychosozialen
Hilfesysteme, gesetzlichen Grundlagen und die
Kooperation mit verschiedenen Einrichtungen
bzw. Anbieter*innen. Die Profession der Sozi-
alen Arbeit, in der Regel die Mitarbeiter*innen
der Sucht- und Drogenberatungsstellen sowie
die Suchtambulanzen, verfügen über die ent-
sprechende Qualifikation und Fachkompetenz
um die Angebote der PSB umzusetzen, zu eta-
blieren und auszubauen. Die PSB unterstützt im
Rahmen eines kontinuierlichen Prozesses die
soziale (Re-)Integration in die konkreten sozialen
(Handlungs-Systeme) der Klient*innen: Familie,
soziales Nahfeld, Arbeit, Wohnen, Hilfesysteme
etc. (DG-SAS 2016) Sie übernimmt im Kontext der
Substitutionsbehandlung die psychosoziale Ana-
mnese und Soziale Diagnostik1, die daraus resul-
tierende psychosoziale Indikationsstellung und
Im Mai 2020 erschien das viel beachtete, umfangreiche Eckpunkte-Papier „Initiative Substi-tutionsversorgung Opioidabhängiger Patient*innen – 10-Eckpunkte-Papier zur Lösung der Versorgungskrise“. Zu unserem großen Bedauern wurde darin die Wertigkeit und Bedeutung der Psychosozialen Betreuung nicht aufgenommen. Im Verbund mit den unten aufgeführten Verbänden sind wir daher übereingekommen gemeinsam ein zusätzliches Positionspapier zum Beitrag der PSB für eine gelingende Substitutionsbehandlung zu erarbeiten. Das Ergebnis steht nun quasi druckfrisch zum Redaktionsschluss des mudra-Jahresberichtes zur Verfügung:
1 Soziale Diagnostik erfolgt dabei zieloffen und eher auf der Basis von Verständigung als von Zu-schreibung von (medizinischen) Klassifikationen und orientiert sich dabei inhaltlich an den subjek-tiv bedeutsamen Bedarfen von Klient*innen. Der ICF kommt dabei besondere inhaltlich-fachliche Bedeutung zu. (Hansjürgens 2020)
101Jahresbericht 2021
die regelmäßige Überprüfung dieser Indikation
und hält ergänzende Unterstützungsangebote,
wie z.B. das Rückfallprophylaxetraining vor. Das
Angebot der PSB greift in enger Abstimmung mit
den Klient*innen zur langfristigen Absicherung der
Ergebnisse (z.B. Tagesstruktur, soziale Teilhabe)
sowie zur bedarfsgerechten Unterstützung und
auch (Weiter-)Vermittlung der Klient*innen auf ein
regionales Netzwerk mit anderen sozialen Fach-
diensten, z.B. ARGEn/Jobcentern, Gesundheits-
wesen (Substitutionsbehandlung), Jugendamt,
Schule, Betrieben und dem spezifischen Suchthil-
fe-Netzwerk zurück. (vgl. fdr+ 2020) Die fallabhän-
gige Netzwerkarbeit der PSB zeichnet sich durch
eine abgestimmte Behandlungsplanung, z.B. mit
den Substitutionsärzt*innen, aus. Darüber hi-
naus erbringt die PSB, im Sinne fallunabhängiger
Netzwerkarbeit, eine kommunale Dienstleistung
und stellt somit eine wichtige Säule des zivilge-
sellschaftlichen Engagements dar. Dazu zählen
unter anderem die Beteiligung an der Gestaltung
des sozialen Nahraums oder auch die Etablierung
eines Prinzips der „kurzen Wege“, im Rahmen
eines kommunalen Versorgungsplans (Hansjür-
gens 2020). Die PSB sichert eine vertrauensvolle
Arbeitsbeziehung und ist damit ein wesentlicher
ausgleichender, vermittelnder und stabilisierender
Faktor in der Substitutionsbehandlung. Dies gilt
vor allem auch für den wechselseitigen Kontakt
im sogenannten „Behandlungsdreieck“ zwischen
Sozialer Arbeit, Ärzt*innen und Patient*innen.
PSB wirkt!
Die PSB leistet den entscheidenden Beitrag für
die soziale Stabilisierung und damit eine Grund-
lage für die Linderung einer Abhängigkeitserkran-
kung. Denn werden pharmakologische Therapien
mit psychosozialen Hilfen kombiniert, sind diese
rein medikamentösen Behandlungen überlegen.
(WHO 2009; Deimel/Stöver 2015) Zudem gibt es
Hinweise darauf, dass sich die psychosozialen
Belastungen durch die PSB reduzieren lassen
(Deimel 2017). Auch der Blick auf die Sucht- und
Drogenberatungsstellen, in deren Kontexten die
PSB oft angesiedelt ist, zeigt in mind. 97 % aller
Fälle eine Stabilisierung auf den Ebenen Konsum,
psychische Befindlichkeit und soziale Situation.
(Hansjürgens 2020) Kennzeichnend für die PSB
ist die Verzahnung zwischen ambulanten, (teil-)
stationären, rehabilitativen und nachsorgenden
Suchthilfe-Einrichtungen und Selbsthilfegruppen
sowie die Kooperation mit anderen beteiligten
Diensten (z.B. Wohnungslosenhilfe und Sozial-
psychiatrie) und Ämtern.
Um das Angebot der PSB adäquat weiterzu-
entwickeln, bedarf es jedoch, differenzierter For-
schungen zur inhaltlichen Ausgestaltung, dem
Zeitpunkt des Beginns und Endes, der Dauer und
der Intensität der PSB.
PSB muss zur Verfügung stehen!
Die Richtlinie der BÄK sieht vor, dass die PSB im
Rahmen der Substitutionsbehandlung regelhaft
empfohlen werden soll. Auswahl, Art und Umfang
der Maßnahmen sollten sich dabei nach der in-
dividuellen Situation und dem Krankheitsverlauf
der Klient*innen richten (vgl. BÄK). Die PSB muss
sich an den subjektiv bedeutsamen Bedarfen der
Klient*innen orientieren, die partizipativ zwischen
der Sozialen Arbeit und den Klient*innen erhoben
werden. Die Richtlinie der BÄK sieht außerdem vor,
dass die Koordinationsleistungen der Hilfen bei
den Ärzt*innen liegt. Ein Blick in die Praxis zeigt
aber, dass gerade die fallabhängige und fallunab-
hängige Netzwerkarbeit im Aufgabenbereich der
PSB angesiedelt ist. Die Fachkräfte der Sozialen
Arbeit in den Sucht- und Drogenberatungsstellen
verfügen über die entsprechenden Koordinie-
rungs- und Organisationskompetenzen, das Me-
thodenwissen und die geeignete professionelle
Haltung sowie die notwendige Vernetzung im re-
gionalen Hilfesystem. Sie können die Klient*innen
Jahresbericht 2021102
der PSB individuell und bedarfsgerecht motivieren,
beraten, begleiten und unterstützen und einen
bedeutenden Anteil an der „Hilfe zur Selbsthilfe“
leisten.
PSB – es braucht eine Verständigung auf Rahmenstandards
Das differenzierte Leistungsangebot der Sozialen
Arbeit im Bereich der ambulanten Suchthilfe ist
stets an die regionalen Bedarfe und Besonder-
heiten angepasst und unterliegt länder- und auch
trägerspezifischen Qualitätsstandards. Deshalb
sind die Leistungsbeschreibungen der PSB bun-
desweit sehr unterschiedlich. Im Sinne einer So-
zialraumorientierung ist das auch sinnvoll, jedoch
sollten Rahmenstandards entwickelt werden,
welche Orientierung bieten und an die kommu-
nalen und trägerspezifischen Gegebenheiten
angepasst werden können. Beispielhaft sei hier
die standardisierte „Fachkunde PSB“ genannt.
Seit mehr als zehn Jahren wird diese von Akzept,
DAH, vista und dem LWL angeboten. Die vermit-
telten Standards umfassen unter anderem den
jeweils aktuellen wissenschaftlichen Stand zur
Substitutionsbehandlung und der PSB; Haltungen,
Werte und verschiedene Positionen in der PSB;
den Forschungsstand zur Wirksamkeit von PSB;
Möglichkeiten und Grenzen sowie ethische Grund-
lagen und rechtliche und finanzielle Rahmenbedin-
gungen. Die Soziale Diagnostik, die psychosoziale
Anamnese und die daraus resultierende Betreu-
ungs- bzw. Hilfeplanung und dessen Umsetzung
stellen genauso wie die Netzwerkarbeit und die
Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe und Selbst-
organisation Schwerpunkte dar. Die Vermittlung
der Inhalte erfolgt interdisziplinär und ermöglicht
es, die PSB an fachlichen Standards auszurichten.
PSB – braucht eine verlässliche Finanzierung
Die psychosoziale Begleitung ist ein kontinuier-
licher Prozess aufgrund einer spezifischen Bezie-
hung zwischen Mitarbeiter*in und Klient*in. Im
weiteren Verlauf müssen die Hilfepläne den ver-
änderten Bedingungen der Betroffenen angepasst
werden. Dieser Prozess erfordert einen struktu-
rierten Rahmen der Beziehung, mit verbindlichen
aber variablen Teilzielen, Ziel- und Erfolgsdefini-
tionen aber erst recht ein abgesichertes Angebot
der PSB. Die Finanzierung der PSB ist jedoch
bundesweit uneinheitlich geregelt, oft nicht aus-
kömmlich finanziert und u.a. im Rahmen der Da-
seinsvorsorge auch nicht immer verlässlich plan-
bar. Die DHS hat in den letzten beiden Jahren mit
ihren Aktivitäten und Stellungnahmen die prekäre
Finanzierung aufgezeigt und die unangemessene,
unsichere und regional unterschiedliche Finanzie-
rung der Sucht- und Drogenberatungsstellen und
niedrigschwelligen Kontakt- und Anlaufstellen
angemahnt. Dieses Angebot darf nicht zur Dispo-
sition stehen. In einigen Bundesländern wird die
PSB über die Eingliederungshilfe finanziert und
damit stehen auch Überlegungen im Raum, wie
ein solches Modell weiterentwickelt werden kann:
„Die PSB könnte in ein multiprofessionelles Set-
ting mit einem gemeinsamen Behandlungsplan
eingebunden sein. Der Behandlungsplan enthält
sowohl die ICD 10 Diagnosen als auch die Teilha-
beeinschränkungen durch den ICF. Es gibt es ein
breites Spektrum an Unterstützungsleistungen
(Komplexleistungen), die von einem multipro-
fessionellen Team (inkl. Psychotherapeut*innen,
Ergotherapeut*innen etc.) erbracht werden. Abge-
stimmt werden sie im Gesamtteam im gemein-
samen Behandlungs- und Teilhabeplan.“ (vgl.
Groth 2020)
PSB braucht eine Perspektive
Die PSB steht in der Praxis selbstverständlich
den gleichen Herausforderungen gegenüber, die
für weite Teile der Suchthilfe aktuell bestehen. Es
ist bei den Klient*innen eine Zunahme an alters-
bedingten Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit
Psychosoziale Beratung und Betreuung begleitend zur Substitutionsbehandlung (PSB). Ein Positionspapier zu den
Potentialen und den Herausforderungen.
103Jahresbericht 2021
festzustellen sowie psychischer Begleiterkran-
kungen. Das bedeutet für die PSB, dass Netz-
werkarbeit mit bereits bestehenden Partner*innen,
v.a. auch mit der Selbsthilfe intensiviert werden
müssen und zugleich neue Partner*innen und
Institutionen berücksichtigt und für eine Zusam-
menarbeit gewonnen werden müssen. Im Sozial-
raum wird die Arbeit der PSB durch die stärkere
(aktuell auch pandemiebedingte) soziale Isolati-
on der Klient*innen und fehlender Wohnraum in
den Großstädten oder eingeschränkte Mobilität
im ländlichen Raum und die fehlenden Möglich-
keiten zur Eingliederung bzw. zur beruflichen und
sozialen Teilhabe erschwert.
Aufgrund der rechtlichen Veränderungen in den
letzten Jahren unterliegt die PSB der regelhaften
Empfehlung durch die Ärzteschaft. Dennoch bleibt
es unerlässlich, die Kenntnis über das Angebot
und die Bedeutung der PSB bei Ärzt*innen und in
der kommunalen- und Fachöffentlichkeit zu erhö-
hen. Denn die Praxis zeigt, dass es in vielen Fäl-
len keinerlei Verbindung zwischen behandelnden
Ärzt*innen und PSB- Anbieter*innen gibt. Hierzu
muss die Soziale Arbeit auch an der Entwicklung
der S3-Leitlinie Opiatsubstitution mitwirken, um
die wichtige psychosoziale Dimension der PSB
zu verdeutlichen sowie den kontinuierlichen
Austausch zwischen den unterschiedlichen Pro-
fessionen bzw. zwischen Ärzt*innen, PSB und
Patient*innen stärker in den Empfehlungen der
Ärzteschaft zu verankern. Auf der anderen Seite
wäre es zu wünschen, dass die Ärzteschaft zu-
künftig in ihren eigenen Publikationen, wie z. B.
dem „10-Eckpunktepapier zur Lösung der Versor-
gungskrise“ (Initiative Substitutionsversorgung
2020), die PSB berücksichtigt.
PSB sollte auch in allen geschlossenen Ein-
richtungen (Gefängnisse, Maßregelvollzug etc.) in
denen eine Opioidsubstitution erfolgt, angeboten
werden. Auf der Basis einer gründlichen Sozialen
Diagnostik dient PSB auch hier der Stabilisierung
der Patient*innen und der Erarbeitung von Per-
spektiven nach der Entlassung (Wohnen, Famili-
enkontakte, Arbeit/Beschäftigung). PSB muss als
ein zentraler Bestandteil des Übergangsmanage-
ments betrachtet werden, weil sie die Fortführung
der Substitution, aber auch der PSB nach der Ent-
lassung (mit-)organisiert.
Nicht erst seit der Pandemie haben sich Ge-
sundheitsfachberufe und Soziale Arbeit als zen-
trale Bestandteile des Gesundheitssystems he-
rausgestellt, da sie einen systemrelevanten An-
teil an Gesundheitsförderung, Prävention, Hilfe,
Behandlung, Betreuung und Begleitung leisten.
Angesichts des bestehenden Fachkräfteengpass
in der Sozialen Arbeit (der sich in der nächsten
Dekade verschärfen wird), wird es auch um die
Rahmenbedingungen der PSB gehen müssen, um
im Vergleich zu anderen Arbeitsfeldern außerhalb
der Suchthilfe an Attraktivität zu gewinnen. Hierzu
braucht es neben der bereits erwähnten notwen-
digen verlässlichen Finanzierung der Institutionen,
eine angemessene Vergütung der Mitarbeitenden
und entsprechende Rahmenbedingungen, die ein
qualifiziertes PSB Angebot erst ermöglichen. Da
die Attraktivität des Arbeitsfeldes bereits im Stu-
dium grundgelegt wird, bedarf es hier bereits eine
systematische Nachwuchskräfteförderung (z.B.
eine breitere Verankerung der Suchthilfethemen
in den existierenden Hochschulcurricula, vielfältige
Praktikumsmöglichkeiten und entsprechende Ko-
operationseinrichtungen) sowie die Förderung von
Aus- und Weiterbildungsplätzen in Suchthilfeein-
richtungen und breite Öffentlichkeitskampagnen.
Bis die pandemische Situation überwunden
ist, stellt sich auch für die PSB eine zusätzliche
Herausforderung. „Wie zu vermuten war, hat die
Corona-Pandemie offenbar starke Auswirkungen
auf Menschen aus ‚harten‘ Drogenszenen, eben-
so wie auf diejenigen, die im Rahmen sozialer
Arbeit professionell mit dieser Klientel befasst
sind. [...] Besonders der stark zurückgefahrene
Jahresbericht 2021104
persönliche Kontakt stellt aber bis dato ein Pro-
blem für die Soziale Arbeit in diesem Bereich dar.“
(vgl. Werse 2020) Dennoch scheint es, durch die
oft pragmatische (und teils kreative) Herange-
hensweise der engagierten Mitarbeiter*innen der
Sucht- und Drogenberatungsstellen, möglich, den
Klient*innenkontakt soweit aufrecht zu erhalten,
dass die vertrauensvolle Arbeitsbeziehung wei-
terhin trägt. (vgl. fdr+ 2020b) Die Kosten für den
deutlichen Mehraufwand wurden dabei jedoch
nicht refinanziert.
Unsere konkreten Forderungen lauten deshalb:
Es braucht eine inhaltliche, rechtliche und finan-
zielle Absicherung und Weiterentwicklung der
PSB als wichtigen Bestandteil des kommunalen
Suchthilfesystems und als Teil der ambulanten
Grundversorgung.
Es muss eine Verständigung auf fachliche PSB
Rahmenstandards erfolgen, die aber zugleich die
Berücksichtigung kommunaler und regionaler
Besonderheiten ermöglicht.
Die Substitution, d.h. Behandlung und PSB,
muss sich an gemeinsamen Qualitätsstandards
orientieren, in denen Regelungen zum Jugend-
schutz und zum Kindeswohl enthalten sind.
Es bedarf weiterer Forschung zur inhaltlichen
Ausgestaltung, dem Zeitpunkt des Beginns und
Endes, der Zeitdauer und der Intensität der PSB.
Die Finanzierung der psychosozialen Betreuung
ist auskömmlich, zuverlässig und nachhaltig
zu gewährleisten. Denkbar ist dabei auch eine
Mischfinanzierung aus pauschalisierter Grundfi-
nanzierung und personenbezogener Leistungen
zur Teilhabe (BTHG).
Niedrigschwelligkeit und unbürokratische Vorge-
hensweisen sind konstitutive Merkmale der PSB
und müssen durch die gewählten Finanzierungs-
konzepte gewährleistet werden.
Als Bestandteil des Übergangsmanagements
sollte PSB auch in allen geschlossenen Einrich-
tungen (Gefängnisse, Maßregelvollzug etc.) in
denen eine Opioidsubstitution erfolgt, zur Verfü-
gung stehen.
Bei der Entwicklung der S3-Leitlinien zur Opi-
atsubstitution müssen die Leistungen der PSB
entsprechend berücksichtigt werden.
Alle in einer Versorgungsregion an der Sub-
stitutionsbehandlung (inkl. PSB) beteiligten
Akteur*innen, sollten regelmäßigen fachlichen
Austausch sicherstellen.
Die PSB muss in den (Hilfe-)Verbund der
Netzwerkpartner*innen vor Ort integriert werden.
Diese Kooperationen sollten vertraglich geregelt
sein.
Die Umsetzung der PSB sollte auf der Grundlage
des Teilhabeverständnisses des BTHG erfolgen.
In der Ausbildung von Sozialpädagogen*innen,
Pädagogen*innen, Psychologen*innen und
Medizinern*innen muss die „Fachkunde Sucht“
integraler Bestandteil werden.
Berlin, 10.06.2021
Heike Attinger, Fachbereichsleitung Betreuung-
Wohnen – Beschäftigung im Verbund für in-
tegrative soziale und therapeutische Arbeit
gGmbH (vista)
Friederike Neugebauer, Geschäftsführerin Fachver-
band Drogen- und Suchthilfe e.V. (fdr+)
Dirk Schäff er, Referent für Drogen und Strafvollzug /
JES Deutsche Aidshilfe e.V.
Frank Schulte-Derne, 1. Vorsitzender Deutsche Ge-
sellschaft für Soziale Arbeit in der Suchthilfe und
Suchtprävention e.V. (DG-SAS)
Prof. Dr. rer. pol. Heino Stöver, 1. Vorsitzender Bun-
desverband für akzeptierende Drogenarbeit und
humane Drogenpolitik (akzept)
Norbert Wittmann, Geschäftsführender Vorstand
mudra-Alternative Jugend- und Drogenhilfe e.V.
Psychosoziale Beratung und Betreuung begleitend zur Substitutionsbehandlung (PSB). Ein Positionspapier zu den
Potentialen und den Herausforderungen.
105Jahresbericht 2021
Quellen:
Bundesärztekammer (2017): Richtlinie der
Bundesärztekammer zur Durchführung der
substitutionsgestützten Behandlung Opioi-
dabhängiger
Deimel, D. (2017): Ziele und Evidenz der Psycho-
sozialen Betreuung substituierter Opiatab-
hängiger. In: Landschaftsverband Westfa-
len-Lippe - LWL-Koordinationsstelle Sucht
(Hrsg.): Forum Sucht Band 50 Herausforde-
rung Substitutionsbehandlung. Qualität - Ko-
operation – Verantwortung.
Deimel, D.; Stöver, H. (2015): Psychosoziale Be-
handlung substituierter Opiatabhängiger –
Theoretische Verortung, Behandlungspraxis
und Entwicklungsaufgaben. In: Deimel, D.;
H.S. (Hrsg., 2014): Psychosoziale Dimensionen
der Suchttherapie. In: Praxis Klinische Verhal-
tensmedizin & Rehabilitation (Sonderheft). 28.
Jg. 2015, Heft 1 (95), S. 19-26
Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit in der
Suchthilfe (Hrsg.) (2016): Kompetenzprofil der
Sozialen Arbeit in der Suchthilfe und Sucht-
prävention. Münster.
Fachverband Drogen- und Suchthilfe e.V. (2020):
fdr+ Standards der ambulanten Suchthilfe.
Update
Fachverband Drogen- und Suchthilfe e.V.
(2020b): Auswertung der Befragung der
fdr+Mitgliedsorganisationen und -einrich-
tungen zu den Auswirkungen der Corona-
Pandemie auf die Suchtprävention, Sucht-
hilfe und Suchtselbsthilfe Online verfügbar
unter: https://www.fdr-online.info/wp-con-tent/uploads/2020/07/Anonymisierte-Auswer-tung-Mitgliederbefragung_Corona-2020.pdf Letzter Zugriff am 09.06.2021
Groth, A. (2020): Psychosoziale Beratung (PSB)
begleitend zur Substitutionsbehandlung Wel-
che Herausforderungen sind zu meistern? In:
Akzept e.V. (Hrsg.) Dokumentation der 6. Na-
tionalen Substitutionskonferenz 2020 Online
verfügbar unter https://www.akzept.eu/wp-content/uploads/2021/03/DokuNaSuKoFin.pdf Letzter Zugriff am 09.06.2021
Hansjürgens, R. (2018): „In Kontakt kommen“.
Analyse der Entstehung von Arbeitsbezie-
hungen in Suchtberatungsstellen. Baden-
Baden: Tectum-Verl.
Hansjürgens, R.; Schulte-Derne, F. (Hrsg.) (2020):
Soziale Diagnostik in der Suchthilfe und
Suchtprävention. Vandenhoeck & Ruprecht
Initiative Substitutionsversorgung Opioidabhän-
giger Patient*innen (2020): 10-Eckpunkte-
Papier zur Lösung der Versorgungskrise.
Online verfügbar unter: https://www.substitu-tionsportal.de/Downloads?id=6c4a3fce-3b0a-4d2b-9c0b-8e358c78cb79 Letzter Zugriff am
09.06.2021
Werse B.; Klaus, L. (2020): Corona, ‚harte‘ Szenen
und Drogenhilfe – Zwischenergebnisse einer
laufenden qualitativen Erhebung Online verfüg-
bar: https://www.uni-frankfurt.de/89612037/Corona_und_Drogenhilfe___Kurzanalyse_2.pdf Letzter Zugriff am 09.06.2021
World Health Organization (WHO) (2009): Guide-
lines for the Psychosocially Assisted Phar-
macological Treatment of Opioid Dependence
Online verfügbar unter: http://wwwwhoint/substance_abuse/publications/opioid_depen-dence_guidelines.pdf Letzter Zugriff am
09.06.2021
Jahresbericht 2021106
Hauptverwaltung
0911 8150-150Ludwigstr. 61, 90402 Nürnberg
Fax 0911 8150-159
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
Team
Christian Ley, Industriekaufmann/Wirtschaftsfachwirt (IHK), Teamleitung
Doris Wöllner, Kfm. Angestellte im Groß- und Außenhandel
Özgür Yildirim, Kauffrau für Einzelhandel
Ute Feichtmayr-Huber, Hotelfachfrau/Fachwirtin für Sozial- u. Gesundheitswesen (IHK)
Kevin Schmidt, Praktikant im Mastermentorat (Oktober 2020 – Februar 2021)
Angebot
Die mudra Verwaltung kümmert sich um alle administrativen Belange rund um unsere Mitarbeiter*innen
und Projekte, angefangen von A wie Arbeitssicherheit über P wie Personalwesen bis Z wie Zentraler
Einkauf. So haben unsere Bereichsmitarbeiter und Projekte den Rücken frei und können sich auf
unsere Klient*innen konzentrieren. Unsere Aufgabenbereiche sind u.a.:
Arbeitssicherheit
Bank- und Versicherungswesen
Bürogeräteverwaltung
Büroorganisation
Controlling
Datenschutz
Finanzbuchhaltung
Fuhrpark- und Liegenschaftsverwaltung
Jahresabschlüsse
Kassenführung
Post- und Telefondienst
Personalwesen und Lohnbuchhaltung
Rechnungs- und Mahnwesen
Schriftverkehr
Vereinswesen
Vermietungen
Zentraler Einkauf
Öff nungszeiten
Mo–Do: 08:00 – 16:00 Uhr
Fr: 08:00 – 14.00 Uhr
107Jahresbericht 2021
Kurzes Resümee eines außergewöhnlichen Verwaltungsjahres
Das letzte Jahr war auch für unsere Verwaltung eine besondere Herausforderung, insbesondere durch
die vielen und ständigen Änderungen im Bereich der Arbeitssicherheit durch das Inkrafttreten des
Infektionsschutzgesetzes und das daraus resultierende Hin und Her in allen Arbeitsbereichen. Die
mudra hat jetzt einen fantastischen Expert*innenstab in Sachen Hygiene im Allgemeinen und kleinste
Übertragungsrisiken im Speziellen, Anpassung von Schutzkonzepten, Auftreiben von Masken aller
Art, Plexiglasabtrennungen und Schutzbekleidung, richtiges Anbringen von Corona-Beschilderungen,
Aufbau und Leitung von Schnelltestcentern, Auffinden von passenden PCR-Standorten, Eruieren von
Impfmöglichkeiten und Impfplänen, passende Arbeitszeitlösungen für leidgeplagte Alleinerziehen-
de, Eltern oder in Quarantäne-Ausharrende; das Verwaltungsteam hatte die Chuzpe, unerreichbare
Behörden doch zu erreichen und nicht zuletzt die überragende Geduld, alle Fragen und Ängste aller
offen und freundlich aufzunehmen sowie die langen Wartezeiten bei den zuständigen Stellen in-
klusive schrecklicher Warteschleifelieder zu ertragen. Dem wäre noch viel mehr beizufügen, doch
für den richtigen Eindruck reicht es: Die mudra-Verwaltung hat in diesem außergewöhnlichen Jahr
Großartiges geleistet und die zusätzliche Arbeitslast klaglos erledigt. Herzlichen Dank und Chapeau!
Doris Wöllner, Ute Feichtmayr-Huber, Nele Gilch, Christian Ley, Özgür Yildirim
Jahresbericht 2021108
Jahr 1 der Covid-19-PandemieDoris Salzmann
Es kommt nicht auf das an was dir zustößt, sondern darauf, wie du damit umgehst. Epictetus
März 2020, wichtige Information vom geschäftsführenden Vorstand: Ihr müsst den Kontaktladen
schließen! Eine Woche später kündigte Markus Söder den Lockdown für Bayern an.
Und jetzt? Niedrigschwellige Hilfen und Beratung im Lockdown – wie kann das funktionieren? Wie
kommen wir unserem Versorgungsauftrag nach, Menschen mit einer Konsumproblematik zu beraten,
Safer-Use-Materialen zur Verfügung zu stellen, Krisenintervention zu ermöglichen und gleichzeitig
eine höchstmögliche Sicherheit für Personal und unsere Klientel unter Pandemiebedingungen zu
gewährleisten?
Risikoeinschätzungen und Abwägung können wir gut, sehen uns als Expert*innen und Lotsen im
Suchthilfesystem, informieren über die Risiken von Suchtmitteln, einer HIV- oder Hepatitis-Infektion,
kennen uns aus mit Schutzfaktoren und arbeiten zieloffen mit den Anliegen unserer Klientel.
Nun gilt auf einmal höchste Sicherheitsstufe, möglichst keine persönlichen Begegnungen. Im
Kontaktladen, der Beratungsstelle, im subway und enterprise ist die Eingangstür geschlossen.
Große Unsicherheit.
In der JVA Nürnberg dürfen die Mitarbeiter*innen der Externen Suchtberatung (ESB) in Präsenz
weiterarbeiten. In der JVA Ebrach werden die Mitarbeiter*innen erstmal ins Homeoffice geschickt.
Teams sollen auf Abstand gehen, sich aufteilen, ins Homeoffice wechseln oder sich in Gruppen
mit Präsenz und Homeoffice abwechseln, immer unter der Prämisse, persönliche Begegnungen zu
vermeiden. Ziel dieser Maßnahmen ist, im Ansteckungsfall und unter Quarantänebedingungen auf
jeden Fall arbeitsfähig zu bleiben. Sehr gute Strategie. In unserem Arbeitsfeld, unter den Rahmen-
bedingungen und den vorhandenen Personalressourcen aber nicht ganz zu realisieren.
Wir probieren uns aus, werden kreativ. Individuelle Lösungen für die jeweiligen Teams werden
erarbeitet, ausprobiert, verworfen oder etabliert. Jede*r einzelne Mitarbeiter*in sortiert sich, richtet
sich neu aus mit seinen Arbeitsschwerpunkten, unter Berücksichtigung des individuellen Gesund-
heitsrisikos, Ressourcen und privater Notwendigkeiten (Kinderbeschulung, Partner*in ebenfalls im
Homeoffice). Zum wiederholten Male zeigen sich die Widerstandsfähigkeit und die Flexibilität der
Teams und Mitarbeiter*innen im Bereich NiHiBe.
Gespräche über Probleme schaff en Probleme, Gespräche über Lösungen Lösungen. Steve de Shazer
Alle Beratungsangebote sind weiterhin durchgängig zu den gewohnten Öffnungszeiten erreichbar.
Die Kolleginnen in Ebrach sind nach kurzer Zeit wieder präsent in der Haftanstalt.
Beratungen finden telefonisch, im Freien, beim Spazierengehen, auf der Parkbank und neu über
Videoberatung statt.
enterprise und Beratungsstelle öffnen ein Fenster für die erste Kontaktaufnahme mit Abstand.
In der Ottostraße werden übers Fenster Safer Use, Lunchpakete, später dann auch Masken aus der
Rückblick Bereich Niedrigschwellige Hilfen und Beratung (NiHiBe)
109Jahresbericht 2021
mudra Nähwerkstatt ausgegeben, Termine vereinbart, die Post abgeholt, dringende Anliegen kurz
besprochen.
Unser Streetworker geht zum Bahnhof und schaut regelmäßig nach der „Szene“. Safer Use darf
nicht verteilt werden, aber ein Kontaktangebot auf Abstand ist möglich.
Im August öffnen wir unseren Kontaktladen wieder. Maximal 8 Klient*innen können sich gleichzeitig
aufhalten. Funktioniert das? Ja, notwendige Veränderungen werden akzeptiert, die Klienten*innen
halten sich weitgehend an die Regeln.
Trotz Kontaktladenschließung gibt es während der Öffnungszeiten der Beratungsstelle etwas zu
essen, wir schenken Heißgetränke to-Go aus und bieten Suppe, eine warme Mahlzeit, zur Mitnahme
oder einzeln vor Ort zu essen.
Eine niedrigschwellige Kontaktmöglichkeit wird während der Öffnungszeiten im Kontaktladen ein-
geführt. Betroffene melden sich nun im Erdgeschoss an. Ein Tresen mit Spuckschutz ist vorhanden.
Hier klären wir die Anliegen und können bei Bedarf direkt an die Berater*in gegenüber im Kontaktla-
den vermitteln. Das Team teilt sich auf in Niedrigschwelligkeit und Beratung nach Terminen.
Ein bundesweites Thema der Pandemie wird die niedrigschwellige Substitutionsbehandlung. In
Nürnberg entsteht unter Federführung der mudra mit weiteren Akteuren der Suchthilfe ein Konzept
für niedrigschwellige Substitution. Wir sind gespannt und hoffen sehr auf eine Umsetzung.
Digitalisierung ist das Entwicklungsthema in der Suchtberatung und erhält durch die Pandemie
einen plötzlichen Schub. Viel ist noch zu klären (großes Thema Finanzierung!) und zu lernen. Er-
fahrungen mit Videoberatung, digitalen Teams und Fortbildungen werden gemacht. Wir probieren
uns aus, erleben Grenzen und Vorteile und sind uns sicher, dass wir uns auch nach Covid-19 damit
beschäftigen werden.
Große Freude bereitete uns die Zusage:
für eine halbe Projektstelle zur Onlineberatung, auf drei Jahre befristet, finanziert durch die Deut-
sche Fernsehlotterie, die wir im Herbst besetzen konnten.
für die Weiterfinanzierung unseres Projekts Flucht und Sucht durch die Stadt Nürnberg in 2021.
der Stadt Nürnberg, unser Beratungsangebot für Jugendliche zu sichern. Damit war es im März
möglich, das enterprise-Team mit einer neuen Teilzeitstelle zu ergänzen.
Wir vermissen sehr stark das persönliche Miteinander, insbesondere
die Präsenzteams
den regelmäßigen fachlichen und persönlichen Austausch im Bereich NiHiBe mit den verschiedenen
Teams aus Beratungsstelle, subway, enterprise und ESB Nürnberg/Ebrach
Wir arbeiten und sind für unsere Klient*innen da. Alle gemeinsam, Berater*innen, Werkstudent*innen,
Praktikant*innen und Ehrenamtliche. So werden wir auch im Jahr 2 der Covid-19-Pandemie resilient
bleiben und das Beste aus der Situation für unsere Zielgruppe machen.
Erfahrung ist nicht das, was einem zustößt. Erfahrung ist das, was man aus dem macht, was einem zustößt.
Aldous Huxley
Jahresbericht 2021110
Kontaktladen/Niedrigschwelliges KontaktangebotBereich Niedrigschwellige Hilfen und Beratung
0911 8150-100Ottostraße 18, 90402 Nürnberg, Erdgeschoss Beratungsstelle
Fax 0911 8150-109
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
Team
Mitarbeiter*innen, Praktikant*innen und Ehrenamtlichen des Beratungsstellenteams
Angebot
Kontakt und Aufenthalt
Aufenthaltsmöglichkeit
Kontakte und soziales Umfeld, Small Talk und Plaudern
Lesen, Gitarre spielen
Spielen (Schach, Backgammon, Karten)
Gelegenheit zur Kontaktaufnahme mit Drogenberater*in
Computerarbeitsplatz, freies WLAN, Telefon
Information und Aufklärung
Substanzen, Wirkweisen und Risiken
Safer-Use/Safer-Sex
Suchthilfesystem und andere Institutionen
Gesundheitliche und rechtliche Fragestellungen (z.B. Drogennotfalltraining)
Versorgung
Spritzen und Kondome
Hygieneartikel, Kleiderkammer und Duschmöglichkeit
Täglich wechselndes warmes Mittagessen, Nahrungsmittelmitgabe
Wasch- und Trockenmöglichkeit für Kleidung
Öff nungszeiten
Montag 09:00 – 16:00 Uhr
Dienstag 09:00 – 16:00 Uhr
Mittwoch 12:30 – 16:00 Uhr
Donnerstag 09:00 – 16:00 Uhr
Freitag 09:00 – 15:00 Uhr
111Jahresbericht 2021
Jahresbericht 2021112
Beratungsstelle/StreetworkBereich Niedrigschwellige Hilfen und Beratung
0911 8150-100Ottostraße 18, 90402 Nürnberg
Fax 0911 8150-109
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de, www.iknow-mudra.de
www.facebook.com/mudra.beratungsstelle
Bereichsleitung
Doris Salzmann, Dipl.-Sozialpädagogin (FH), Master of Adult Education
Rossano Della Ripa, Soziologe M.A., Dipl.-Sozialpädagoge (FH) (stellv.)
Team
Ludmilla Bodamer, Dipl.-Sozialpädagogin [FH], Systemische Therapeutin, Supervisorin/Coach
Carina Brauer, Sozialpädagogin B.A., KISS-Trainerin
Kerstin Brauer, Dipl.-Sozialpädagogin [FH], Gestalttherapeutin, KISS-Trainerin
Christine Clemens, Dipl.-Sozialpädagogin (FH), ab 01.02.2020 nach Elternzeit
Kristin Etzel, Duales Studium Soziale Arbeit (bis 31.10.2020)
Johanna Happach, Dipl.-Sozialpädagogin [FH] (Elternzeit seit Oktober 2020)
Natalia Heinz, Kontaktladen-Mitarbeiterin (bis 31.04.2020)
Martin Kießling, Sozialpädagoge B.A.
Shabnam Marzban Vishka, Streetworkerin (ab 01.05.2020)
Farhad Nouri, Streetworker (15.01.2020 – 31.04.2020)
Kay Osterloh, Dipl.-Sozialpädagoge (FH)
Golnaz Poorsarvari, Psychologin M.A.
Verena Sammeth, Sozialpädagogin M.Sc, Suchttherapeutin (ab 1.11.2020, Elternzeitvertretung)
Ulf Siefker, Dipl.-Geograph, Farsi-Dolmetscher
L. Bodamer, C. Brauer, K. Brauer, C. Clemens, R. Della Ripa, K. Etzel, J. Happach, N. Heinz, M. Kießling, S. Marzban Vishka, K. Osterloh, G. Poorsarvari, D. Salzmann, V. Sammeth, U. Siefker
113Jahresbericht 2021
Werstudent*innen/Praktikum/EhrenamtPauline Oertel (bis 30.04.2020), Nicolas Kienzler, Anna Van Den Ham, Ali Biraker, Susanne Heymann, Isabella Morittu, Laura Hörmann, Carlotta Legler, Frederik Meinert
Projektstellen Modellprojekt BayTHN Take-Home Naloxon in Bayern bis April 2021 Flucht und Sucht: Niedrigschwellige Angebote für Geflüchtete, Streetwork, Information, Beratung
und Begleitung von Geflüchteten in Farsi (gefördert durch Stadt Nürnberg) consens – Aufbau eines Schulungsprogrammes für kultursensible Arbeit mit nichtdeutschspra-
chigen Suchtmittelkonsumierenden für den Bezirk Mittelfranken (seit 01.07.2019, gefördert vom Bezirk Mittelfranken)
Angebot Streetwork/aufsuchende Arbeit Krisenintervention Information, Beratung und Begleitung, Vermittlung an das weiterführende Hilfesystem Transkultureller Beratungsansatz Beratung in Russisch, Türkisch, Italienisch, Englisch, Hocharabisch und Farsi Schwerpunkt Alter und Sucht Angehörigenberatung Drogennotfalltraining/Safer-Use Informations- und Präventionsveranstaltungen (auch für Fachpersonal im Rahmen des Projektes
consens) Onlineberatung
Gruppenangebote fanden aufgrund der aktuellen Covid-19 Pandemie-Bestimmungen nicht statt.
Beratungsinhalte Suchtmittelkonsum und Abhängigkeit Psychische und physische Gesundheit Fragestellungen im Alltag (Familie, Beziehung, sozialrechtliche Themen, Schulden, Ausbildung,
Arbeit, Wohnen, Verkehr und Drogen, rechtliche Aspekte)
TelefonzeitenMontag, Dienstag, Donnerstag, Freitag 11:00 – 14:00 UhrMittwoch 12:00 – 14:00 Uhr Die offene Beratung entfällt aufgrund der Pandemie-richtlinien.
Öff nungszeiten Montag 09:00 – 16:00 UhrDienstag 09:00 – 16:00 UhrMittwoch 12:30 – 16:00 UhrDonnerstag 09:00 – 16:00 UhrFreitag 09:00 – 15:00 Uhr
Nach Terminvereinbarung sind persönliche, telefonische oder digitale Beratungstermine auch außer-halb der angegebenen Öffnungszeiten möglich.
Jahresbericht 2021114
Externe Suchtberatung JVA Nürnberg und JVA EbrachBereich Niedrigschwellige Hilfen und Beratung
0911 8150-100Ludwigstr. 61, 90402 Nürnberg
Fax 0911 8150-109
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
Team
Justizvollzugsanstalt Ebrach
Barbara Steinbach, Sozialpägagogin B.A., Systemische Beraterin (bis 29.02.2020)
Sandra Bezold, Sozialpädagogin B.A.
Nicole Kolmstädter, Dipl. Pädagogin (seit 01.04.2020)
Justizvollzugsanstalt Nürnberg
Ludmilla Bodamer, Dipl.-Sozialpädagogin (FH), Systemische Therapeutin, Supervisorin, Coach
Celal Ocak, Dipl.-Soziologe, KISS-Trainer, Diversity-Trainer
Wolfgang Malter, Dipl.-Sozialpädagoge (FH), Systemischer Berater
Carina Lindemann, Sozialpädagogin B.A., Systemische Beraterin
Pauline Oertel, Sozialpädagogin B.A. (seit 01.05.2020)
Valentina Würsching, Sozialpädagogin B.A., Suchttherapeutin M.A. (bis 15.01.2020)
Jugendarrestanstalt Gruppenangebot Popej (Studentische Aushilfen)
Elena Hageneder (06.2018 – 03.2020), Paula Wolf (03.2019 – 01.2020), Simon Gabriel (07.2019 – 08.2020),
Karin Borowski (07.2019 – 08.2020), Maria Liatsopoulou (seit 07.2020), Ali Can Biraker (seit 10.2020), Anne van den Hamm (seit 12.2020)
Beratung, Betreuung und Begleitung für inhaftierte drogengefährdete und drogenabhängige Frauen,
Männer und Jugendliche in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg. Seit dem 01.06.2017 auch Beratung,
Betreuung und Begleitung für junge Erwachsene in der Justizvollzugsanstalt Ebrach, zu den Themen
Alkohol, Drogen und nicht stoffgebundene Abhängigkeiten.
Angebote
Information und Beratung zu allen relevanten Fragen und Problemen in deutscher, türkischer und
russischer Sprache
Beratung im Einzelsetting
Gruppenangebote (fanden aufgrund von Covid-19 Pandemie-Richtlinien nur eingeschränkt statt)
- Rückfallpräventionsgruppen in Straf- und U-Haft
- Drogennotfalltraining
- Naloxon-Training
115Jahresbericht 2021
- Informationsveranstaltungen
- Kunstgruppe
- Zugangsgruppe
- Themenrelevante Vorträge
Aufklärung/Information zu Fragen rund um Harm-Reduction, zur Infektionsprophylaxe sowie zu
Behandlungsmöglichkeiten bei HIV-, Hepatitis- und anderen Erkrankungen
Unterstützung bei der Vorbereitung auf Gerichtstermine und -verhandlungen
Vermittlung in therapeutische Einrichtungen (Stationäre Entwöhnungsbehandlungen) und umfas-
sende Koordination mit allen Beteiligten (Kostenträger, Therapieeinrichtung, Justiz…)
Betreuung bis zum Strafende und Entlassungsvorbereitung
Information, Beratung und Vermittlung zu Selbsthilfegruppen, Fachdiensten, Nachsorgeeinrich-
tungen, Betreutem Wohnen, u.v.m.
Hilfe und Unterstützung bei der Resozialisierung nach der Haftentlassung
Betreuung und Begleitung der Angehörigen von Inhaftierten
Spezifische Informations- und Beratungsangebote in der Jugendarrestanstalt
Celal Ocak, Carina Lindemann, Wolfgang Malter, Ludmilla Bodamer, Valentina Würsching
Pauline OertelBarbara Steinbach Sandra Bezold Nicole Kolmstädter
Jahresbericht 2021116
enterpriseBereich Niedrigschwellige Hilfen und Beratung
0911 8150-160Rothenburger Straße 33, 90443 Nürnberg
Fax 0911 8150-169
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
www.mudra-iknow.de
www.facebook.com/enterprise3.0
Team
Johanna Dietz, Sozialpädagogin B.A. (seit 01.11.2020)
Felix Homann, Sozialpädagoge M.A. (seit 01.03.2021)
Benjamin Löhner, Dipl.-Sozialpädagoge (FH), KISS-, Rebound-Trainer
Jennifer Rahn, Sozialpädagogin B.A., Online-Beraterin
Sandro Rösler, Pädagoge, Soziologe M.A., Online-Berater
Leon Salmen, Teilzeitpraktikant Soziale Arbeit, EFH Nürnberg
Sandro Rösler
Benjamin LöhnerFelix HomannJohanna Dietz
Jennifer Rahn
117Jahresbericht 2021
Projektstelle
Seit 10/2020 Aufbau und Entwicklung digitaler Strukturen und Beratungsangebote in der Suchthilfe,
gefördert durch das Deutsche Hilfswerk
Angebote
e / Beratung Off- und Online-Beratung, Begleitung und Betreuung junger Drogenkonsu-
ment*innen bis zum 21. Lebensjahr.
e / Information Substanzbezogene Informationseinheiten für Jugendliche und Multiplikator*innen;
i|know, lebensweltorientierte Informations- und Kontaktarbeit im Partysetting
e / Online Informations- und Kontaktarbeit über Social-Media-Plattformen
Öff nungszeiten
Termine nach telefonischer, persönlicher sowie Vereinbarung per E-Mail.
Jahresbericht 2021118
substanz – SubstitutionsambulanzBereich Niedrigschwellige Hilfen und Beratung
PsB: 0911 2406-872 Arzt: 0911 2406-871
Stromerstr. 12, 90443 Nürnberg
Fax 0911 2406-873
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
TeamPSB/mudra e.V.:
Alexandra Leshnin, Sozialpädagogin B.A.
Florian Postler, Sozialpädagoge B.A.
Johanna Happach, Dipl.-Sozialpädagogin (FH)
Medizin/Frankenalb-Klinik:
Dr. Sabine Waha-Bolay, Fachärztin für Kinder-und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Dr. Andrea Paulini, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Konrad Eder, Dipl.-Sozialpädagoge (FH)
Annett Pinzer, Arzthelferin
Angebot Bedarfs- und Indikationsklärung einer Substitutionsbehandlung im Einzelfall
Abgabe eines Substitutionsmittels
Ärztliche Grundversorgung und Gesundheitsfürsorge
Psychosoziale Begleitbetreuung zur Verbesserung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
– Wiederherstellung und Stabilisierung der körperlichen und psychischen Gesundheit
– Krisenintervention, Bearbeitung von Beigebrauch, Konsumkontrolle
– Sicherung der Existenz (Arbeit, Wohnen, finanzielle und materielle Grundversorgung etc.)
– Entwicklung und Umsetzung neuer Lebensperspektiven
– Finden einer Tagesstruktur
– Aufbau neuer, drogenfreier sozialer Beziehungen
– Befähigung zu einem zufriedenen und selbstbestimmten Leben
Vermittlung von ergänzenden Angeboten (Betreutes Wohnen, ambulante Therapie, KISS, Ar-
beitsprojekte etc.)
119Jahresbericht 2021
Öff nungszeiten
Vergabezeiten:
Montag bis Freitag von 8:00 – 9:15 und von 10:30 – 11:30 Uhr
Samstag und Sonntag von 10:15 – 11:15 Uhr
Termine zur psychosozialen Begleitbetreuung nach Vereinbarung.
Johanna Happach
Konrad Eder Annett PinzerDr. Andrea Paulini
Alexandra Leshnin Florian Postler
Jahresbericht 2021120
subway – Psychosoziale Betreuung für SubstituierteBereich Niedrigschwellige Hilfen und Beratung
0911 8150-140Ludwigstraße 61, 90402 Nürnberg
Fax 0911 8150-149
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
Team
Kristina Rath, Sozialpädagogin B.A.
Alexandra Leshnin, Sozialpädagogin B.A.
Florian Postler, Sozialpädagoge B.A.
Angebote nach Termin Beratung über und Vermittlung in Substitution bzw. in individuell geeignete Hilfen
Information, Bedarfsklärung und Motivierung für (Neu)-Substituierte
Krisenberatung
Vermittlung in weiterführende Maßnahmen (z.B. Arbeitsprojekte, Therapien, Betreutes Wohnen)
Psychosoziale Beratung/Begleitung zu vielfältigen Themen
Off ene Substitutionsberatung Information und Kurzberatung ohne Termin
Weitervermittlung in entsprechende Angebote
Dienstag 11:00 Uhr – 14:00 Uhr
Freitag 09:00 Uhr – 11:00 Uhr
Außensprechstunde in der Gemeinschaftspraxis Stefan Forster und Dr. Wolfgang Einsiedl Kurzberatung
Vermittlung
Krisenintervention
Unterstützung bei behördlichen Angelegenheiten
Donnerstag 8:00 Uhr – 10:00 Uhr
121Jahresbericht 2021
update
Information, Fortbildung & Prävention
0911 8150-160Rothenburger Straße 33, 90443 Nürnberg
Fax 0911 8150-169
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de/fortbildungen.html
Team
Benjamin Löhner, Dipl.-Sozialpädagoge (FH), KISS-, REBOUND-Trainer
Norbert Wittmann, Dipl.-Sozialpädagoge (FH), Systemischer Familienberater, SKOLL-Trainer
Angebote
Information & Fortbildung:
Fortbildungsprogramm zu drogenspezifischen Themen (u.a.)
– Wissen zu Substanzen
– Handlungsstrategien im Umgang mit Drogenkonsum bei spezifischen Personengruppen
(z.B. junge Menschen, Geflüchtete, älter werdende Drogenabhängige, Menschen mit
Doppeldiagnosen)
– Methoden in der Suchthilfe (z.B. Motivierende Gesprächsführung, Harm-Reduction,
systemische Beratungsansätze)
– Beratungsunterstützende Tools für die Arbeit mit Drogenkonsument*innen
– Drogen im Straßenverkehr & MPU
– Digitalisierung in der Suchthilfe (z.B. Online-Beratung, Apps für die Suchthilfe, Gamification,
Darknet & Cryptomarktplätze)
individualisierte Teamseminare (onsite & online)
mudra.eLearning: Portal mit Onlineseminaren zu drogenspezifischen Themen
Vorträge auf Fachkongressen
Beiträge in Fachveröffentlichungen
Prävention:
Organisationsberatung von Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen (z.B. bei der Implementierung
evidenzbasierter Präventionskonzepte und der Umsetzung verhältnispräventiver Strategien)
Ausbildung von Trainer*innen im Life-Skills- und Suchtpräventionsprogramm REBOUND
„Die Fortbildung in der vergangenen Woche war großartig!“
„„Neues Wissen, ein hoher Praxisbezug und viel Raum für Diskussionen. Vielen Dank für den tollen Work-shop.“
„Das neue eLearning Portal ist super und eine großartige Ergänzung zu den normalen mudra-Seminaren.“
Jahresbericht 2021122
Bericht explorer – ambulant betreutes Einzelwohnen und Nachsorge WohngemeinschaftMichael Resing
Rückblick Bereich Ambulante Behandlung
Im diesem Bereich betreuen wir insgesamt bis zu 39 Klient*innen intensiv im Rahmen der Eingliede-
rungshilfe. Aufgrund seiner fachlichen Ausrichtung, seiner großen Mobilität und Flexibilität und den
vergleichsweise hohen zeitlichen Ressourcen können wir unserer Klientel sehr individuelle, auf die
jeweiligen Bedürfnisse ausgerichtete Angebote machen. Menschen, die im Rahmen des betreuten
Einzelwohnens unterstützt werden, erhalten Angebote auf folgenden fünf Gebieten:
1. Aufnahme und Gestaltung persönlicher, sozialer Beziehungen
2. Selbstversorgung und Wohnen
3. Arbeit, arbeitsähnliche Tätigkeiten, Ausbildung
4. Tagesgestaltung, Freizeit, Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
5. Umgang mit den Auswirkungen der Behinderung (Krankheitseinsicht, Psychoedukation, Compli-
ance, Krisen, Arztbesuche, Medikamenteneinnahme)
Auch in unserem Bereich war die Pandemie natürlich prägendes Thema. Vieles musste umgestaltet
und neu gedacht werden. Dabei wurden zum Teil auch neue Kontakt- und Betreuungsmöglichkeiten
entwickelt, in der Regel hat aber die Qualität des Angebotes darunter gelitten.
Unsere Klient*innen waren von den massiven Auswirkungen und den dazugehörigen Einschrän-
kungen betroffen. Zwar gab es Klient*innen, die sich aufgrund von gemindertem Antrieb, Rückzugs-
verhalten und (sozialen) Ängsten plötzlich „normal“ fühlen durften, weil Abstand halten und zuhause
bleiben plötzlich erwünschte Verhaltensmuster waren. Jedoch hatten viele Klient*innen sehr mit der
Isolation, Ängsten, Einsamkeit und Langeweile zu kämpfen.
Wir haben versucht, den Kontakt zu den Klient*innen über das Telefon oder Videotelefonie aufrecht
zu halten. Dies war allerdings nicht immer möglich, da einige unserer Klient*innen entweder keine
geeignete Handys oder PCs besitzen oder mit deren Nutzung überfordert waren.
Zudem stellte sich die Frage, wie sich Themen wie Aufnahme und Gestaltung persönlicher, sozi-
aler Beziehungen oder Tagesgestaltung, Freizeit, Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umsetzen
lassen, wenn Kontakt reduziert werden soll und Freizeit- und Gruppenangebote aufgrund des Infek-
tionsgeschehens reduziert oder eingestellt werden mussten.
Wir haben versucht, unsere Angebote soweit notwendig und verantwortbar in Präsenz aufrecht zu
halten. Herausforderung war auch hier, Angebote wie Begleitungen und Hausbesuche weiter anzubie-
ten, in einem Feld, wo an Schutzmaßnahmen und AHA Regeln kaum zu denken ist. Mobiles Arbeiten
ist bei diesen Arbeitsansätzen weder hilfreich noch angemessen.
Ein weiteres Thema stellen bereits jetzt die Spät- und Langzeitfolgen dar. Unsere Klientel wohnt
häufig in prekären Wohnverhältnissen, hat, wenn sie arbeitet, oft nicht die Möglichkeit des mobilen
Arbeitens, sondern sitzt z.B. an der Kasse im Supermarkt. Dies stellt, sowohl für die Klient*innen
als auch für die Betreuer*innen, physisch wie auch psychisch eine hohe Belastungssituation dar.
Die Aufzählung ließe sich sicherlich noch beliebig fortsetzen, zumal weder von Seiten der Politik
noch von den Kostenträgern angemessene und entlastende Signale zu vernehmen waren. Es gibt,
wie erste Untersuchungen ergeben, bereits jetzt Gewinner und Verlierer in der Pandemie. Unsere
Klientel gehört sicherlich nicht zu den Gewinnern.
123Jahresbericht 2021
Bericht cleanEx – ambulante Therapie und NachsorgeUrsula Böhm
Der Bereich cleanEx ist der wohl hochschwelligste Bereich von mudra e.V. Nicht selten setzt er daher
am Ende der gesamten mudra-Versorgungshilfeketten an und bildet den Übergang zur Selbsthilfe
bzw. in eine autonome Lebensgestaltung.
Die Klient*innen müssen es schaffen, wöchentlich nüchtern zu ihren Gesprächsterminen zu kom-
men und dieser eine Termin pro Woche muss ihnen – entsprechend einer Psychotherapie bei einer/m
niedergelassenen Psychotherapeut*in – „ausreichen“. Unsere Klient*innen sind suchtmittelabhängig
und haben meist eine komorbide Zusatzerkrankung wie bspw. Depression, Angststörung, ADHS oder
Posttraumatische Belastungsstörung.
Um Klient*innen unter 21 Jahren möglichst zeitnah psychotherapeutisch zu versorgen, besteht
eine sehr gute Kooperation mit mudra-enterprise, der Beratungsstelle für junge Konsument*innen
illegaler Substanzen. Der Verein Impuls e.V. finanziert dankenswerterweise 6 Plätze für diese Klientel,
wodurch ca. ein Fünftel unserer Klient*innen jugendlich oder junge Erwachsene sind.
Natürlich waren im letzten Jahr auch unsere Klient*innen und unsere Arbeit von der Pandemie,
deren massiven Auswirkungen im psychischen und sozialen Bereich und den dazugehörigen Ein-
schränkungen betroffen. Viele Klient*innen hatten mit Isolation, Ängsten, Einsamkeit, belastender
Partnerschafts- und Homeschooling-Situation und existenziellen Krisen wegen Kurzarbeit oder Kün-
digung zu kämpfen. Zudem erlitten einige unserer ehemaligen Klient*innen Krisen/Rückfälle und
haben erneut nach Krisengesprächen bzw. Wiederaufnahme der Therapie angefragt.
Wir reagierten auf die wahrgenommenen Nöte unserer Klientel, indem wir durchgehend Therapie-
gespräche – auch in Präsenz unter Beachtung der notwendigen Schutzkonzepte – anboten. Alternativ
versuchten wir, Kontakt zu den Klient*innen, die nicht zu uns kommen wollten oder konnten, über
das Telefon oder Videotelefonie zu halten.
Auffällig war zudem eine insgesamt sehr hohe Nachfrage nach ambulanter Therapie und Nachsor-
ge, was unsere Abteilung an ihre Versorgungsgrenzen gebracht und uns gezwungen hat, zeitweise
die Warteliste zu schließen. Leider müssen hilfesuchende Klient*innen momentan ca. 6 Monate auf
einen Therapieplatz warten.
Erfreulich ist, dass wir endlich auch eine Belegungsvereinbarung mit der DRV Bund haben und so
allen Versicherten gleichermaßen ein Behandlungsangebot machen können.
Jahresbericht 2021124
cleanEx – Ambulante Therapie und Psychologische BeratungBereich Ambulante Behandlung
0911 8150-170Rothenburger Straße 33, 90443 Nürnberg
Fax 0911 8150-179
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
Team
Ursula Böhm, Dipl.-Psychologin/Verhaltenstherapeutin (AVM)/Bereichsleitung
Anke Feuerer, Dipl.-Psychologin/Psychologische Psychotherapeutin
Cäcilia Neubert, Dipl.-Sozialpädagogin (FH)/Suchttherapeutin (VDR)
Reinhilde Schriewer, Dipl.-Sozialpädagogin (FH)/Systemische Therapeutin (DGSF)
Dr. Christine Wiesinger, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie (Honorarmitarbeiterin)
Angebote
Wir gehen davon aus, dass Betroffene die Expert*innen für sich selbst sind. Wir pflegen einen acht-
samen, respektvollen Umgang. Den Drogenkonsum sowie andere selbstschädigende Verhaltenswei-
sen würdigen wir als Lösungsversuch, um sich im Leben zurechtzufinden. In der Therapie versuchen
wir gemeinsam, Alternativen dazu zu entwickeln und einen gesunden, eigenverantwortlichen und
selbstbestimmten Lebensstil aufzubauen.
Ambulante Psychotherapie im Einzelsetting für ehemalig und aktuell drogenkonsumierende
Klient*innen (insbesondere auch, wenn zusätzliche psychische Belastungen oder Erkrankungen,
wie zum Beispiel Depression, Angststörung, Posttraumatische Belastungsstörung usw. vorliegen
Ambulante Rehabilitation
Ambulante Nachsorge zum Erhalt einer bestehenden Abstinenz, Sicherung und Weiterentwick-
lung der erreichten Ziele einer Entwöhnungsbehandlung (direkt im Anschluss an den stationären
Aufenthalt)
Klinisch-psychologische, kollegiale Beratung bei komorbider Problematik
Angehörigenarbeit
Krisenintervention
Gruppentherapie
125Jahresbericht 2021
Dr. Christine WiesingerReinhilde Schriewer, Ursula Böhm, Cäcilia Neubert, Anke Feuerer
Jahresbericht 2021126
explorer – Ambulant Betreutes WohnenBereich Ambulante Behandlung
0911 8150-180Rothenburger Straße 33, 90443 Nürnberg
Fax 0911 8150-189
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
Team Michael Resing, Dipl.-Sozialpädagoge (FH) /Systemischer Coach (ISB); Erlebnispädagoge (ZAB), Bereichsleitung Cäcilia Neubert, Dipl.-Sozialpädagogin , Suchttherapeutin (VDR) (ab 01.10.2020)Clara Uhl, Dipl.-Sozialpädagogin (FH) (ab 01.02.2021 Schwangerschaftsvertretung)Claudia Cabolet, Sozialpädagogin B.A./Traumapädagogin/Traumafachberaterin (BAG-TP/DeGPT)David Röhlinger, Sozialpädagoge B.A.Denise Deubler-Luppa, Dipl.-Sozialpädagogin (FH)/Systemische Familientherapeutin (bis 31.10.2020 Mutterschutz) Janina Brändle, Sozialpädagogin M.Sc., Suchttherapeutin (VDR) (ab 15.09.2020 Rückkehr nach Elternzeit)Karina Rath, Sozialpädagogin B.A.Sebastian Dieck, Sozialarbeiter B.A., Sozialökonom B.A. Stefanie Illauer, Sozialpädagogin B.A./Systemische Beraterin/Erzieherin (bis 31.05.2020 Elternzeit) Sylvia Braasch, Dipl.-Sozialpädagogin (FH)/Gestalttherapeutin/KrankenschwesterMaria Liatsopoulou, Praktikantin (bis 28.02.2020)Sebastian Schohngartner, Praktikant (ab 15.02.2021)
AngebotUnser Angebot ist für alle, die intensiver und längerfristig daran arbeiten möchten, ihr Leben positiv zu verändern, Wünsche und Ziele zu formulieren und umzusetzen, Schritt für Schritt weiterzukommen. Dabei gehen wir alle Themen und Fragen an, die individuell wichtig sind und suchen gemeinsam nach passenden Lösungen. Jede*r Teilnehmer*in erhält eine*n feste*n Bezugsberater*in. Einzel- und Bezugspersonengespräche Hausbesuche, Hilfe zum Erhalt einer Wohnung, oder Wohnungssuche Unterstützung und Begleitung im Alltag, zu Ämtern und Behörden Begleitungen (z.B. zu Ärzt*innen, Gericht, Jobcenter…) Schuldenklärung Angebote zum Erreichen selbst gewählter Konsumziele Unterstützung bei der Suche nach Arbeit/Beschäftigung Freizeitangebote individuell und in der Gruppe Krisenintervention Vermittlung weiterführender Angebote, z.B. ambulante Therapie Und vieles mehr…
Interesse? Termine zum persönlichen Kennenlernen können telefonisch unkompliziert vereinbart werden.
127Jahresbericht 2021
Michael Resing
explorer – Nachsorge-WohngemeinschaftBereich Ambulante Behandlung
0911 8150-190Postanschrift: Rothenburger Straße 33, 90443 Nürnberg
Fax 0911 8150-199
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
Team
Michael Resing, Dipl.-Sozialpädagoge (FH), Systemischer Coach, Bereichsleitung
Sylvia Braasch, Dipl. Sozialpädagogin (FH)/ Gestalttherapeutin/Krankenschwester
Angebot
In unserer Wohngemeinschaft mit fünf möblierten Einzelzimmern und Gemeinschaftsräumen finden
Frauen und Männer ab dem 18. Lebensjahr nach einer abgeschlossenen Entwöhnungsbehandlung
alles vor, was für den Neustart in ein cleanes Leben notwendig ist. Die Wohngemeinschaft liegt zentral
mit U- und Straßenbahnanbindung in der Nürnberger Nordstadt.
Einzel- und Bezugspersonengespräche
Wöchentliche Gesprächs- und Freizeitgruppe
Unterstützung und Begleitung im Alltag, bei Ämter- u. Behördengängen
Tagesstrukturierende Maßnahmen
Unterstützung bei der Suche nach Arbeit/Ausbildung/Beschäftigung
Krisenintervention
Schuldenklärung
Organisation und Vernetzung begleitender Unterstützung
Interesse?
Ausführliche Informationen zum Angebot, den Voraussetzungen und zum gegenseitigen Kennenler-
nen (auch der Mitbewohner*innen) erfolgen in einem unverbindlichen Erstgespräch.
Claudia CaboletStefanie IllauerSebastian Dieck
Jahresbericht 2021128
Bericht – Berufl iche IntegrationVerena Grill, Tobias Abraham
Rückblick Bereich Berufliche Integration
Aufgabe der Beruflichen Integration ist es abhängigkeitserkrankten Personen Arbeit und Beschäf-
tigung anzubieten und sie dabei bedarfsorientiert durch psychosoziale Beratung zu begleiten. Zu
diesem Zweck bieten wir Beschäftigung in unterschiedlichen Bereichen an:
Holzwerkstatt
Tagesjobs (Entrümpelungen, Möbeltransporte)
CleanUp (Reinigungsteam)
Wald und Holz (Brennholzproduktion)
Kreativwerkstatt (Näharbeiten für unseren Webshop, individuelle Näharbeiten, Serienaufträge)
Themen, die in Form von psychosozialer Beratung bearbeitet werden können, liegen in der Gesund-
heitsförderung, dem Konsumverhalten, der Wohnsituation, der finanziellen Situation, der Motivation,
der beruflichen Orientierung und vielem mehr. Durch diese Begleitung soll die aktuelle Lebenssituati-
on der teilnehmenden Person stabilisiert und/oder verbessert werden. Perspektiven und Ziele werden
erarbeitet und verfolgt. Ziel ist es, die Menschen zu befähigen, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt
behaupten zu können und so ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Uns wichtige Themen sind
dabei die Entstigmatisierung von Abhängigkeitserkrankten und der Umgang auf Augenhöhe, um
Selbstwert und Selbsteinschätzung der Betroffenen zu schulen und zu fördern.
Um Arbeits- und Beschäftigungsplätze anzubieten, nutzen wir Förderungen unterschiedlicher
Träger. So ist einer unserer Hauptkooperationspartner*innen das Jobcenter Nürnberg, welches uns
schon seit vielen Jahren als verlässlicher Partner begleitet. Im Zuge dieser Zusammenarbeit konnten
wir für das Jahr 2021 unsere Hauptbeschäftigungsmaßnahme neu konzipieren, die sich schon viele
Jahre bewährt hatte. So können wir auch für die nächsten Jahre insgesamt 22 Beschäftigungsplätze
in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen anbieten. Weitere 12 bis 15 feste Arbeitsplätze können wir
in Form von geförderten festen Beschäftigungsverhältnissen durch das Jobcenter bereitstellen. Die
Förderung durch das Integrationsamt ermöglicht es uns on Top in Einzelfällen weitere Arbeitsplätze
anzubieten und zu sichern. Vielen Dank an dieser Stelle an all die engagierten Mitarbeiter*innen an
den zuständigen Stellen, die uns beraten und unser Angebot ermöglichen. Ein weiteres Kernstück
unserer Beschäftigungsangebote ist der sogenannte Zuverdienst. In diesem Kontext haben von einer
Suchtmittelabhängigkeit betroffene Menschen die Möglichkeit, sich zu ihrem ALG-2-Bezug einen
gedeckelten und dadurch anrechnungsfreien Betrag dazuzuverdienen. Die Aufführung der Beschäf-
tigungsmöglichkeiten ist insgesamt zu komplex, um sie hier abschließend darzustellen, weitere
Modelle und Arten werden angeboten und fortlaufend modifiziert.
So beschäftigen wir neben unseren ca. 25 festen Mitarbeiter*innen bis zu 75 Menschen, die der
Zielgruppe angehören.
Das letzte Jahr stand auch bei uns unter dem Zeichen von Corona und hat uns alle herausgefor-
dert, aber auch zusammengeschweißt. Ständige Anpassungen an neue gesetzliche Vorgaben und
Vorschriften haben uns in Atem gehalten. Zudem mussten alternative Betreuungsmöglichkeiten
ausgelotet und installiert werden, da einige Maßnahmen nicht mehr in Präsenz stattfinden durften.
Trotz allem ist es uns gelungen, einen engen Kontakt zu den meisten unserer Beschäftigten zu halten
und sie weiter zu beraten und zu unterstützen. Die Notwendigkeit und der Erfolg unseres Angebots
129Jahresbericht 2021
lassen sich in der ungebrochenen Nachfrage nach unseren Beschäftigungs- und Betreuungsange-
boten ablesen.
Corona zum Opfer gefallen ist leider unsere Schmuckwerkstatt, die sich schon seit langer Zeit
nicht mehr wirtschaftlich darstellen ließ. Der Ausfall aller Märkte in der Region und die damit einher-
gehenden Einbußen ließen uns keine Wahl. Wir bedanken uns bei allen treuen Kund*innen für die
langjährige Unterstützung.
Jahresbericht 2021130
Berufl iche Integration
0911 8150-200Schieräckerstraße 25, 90431 Nürnberg
Fax 0911 8150-209
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
www.mudra-shop.de
www.facebook.com/mudraBeruflicheIntegration
Bereichsleitung
Max Hopperdietzel, Dipl.-Sozialpädagoge (FH), Bereichsleitung (bis 30.04.2021)
Tobias Abraham, Dipl.-Sozialpädagoge (FH), Sozialwirt M.A., Forstwirt (ab 01.05.2021)
Verena Grill, Dipl.-Sozialpädagogin (FH) (ab 01.05.2021)
Team Psychosoziale Betreuung
Philipp Damsescu, Sozialpädagoge B.A.
Verena Grill, Dipl.-Sozialpädagogin (FH)
Mirko Hable, Sozialpädagoge B.A.
Christine Kuhn, Drogenberaterin, Koordinatorin, Coachin
Lilo Meyer, Sozialpädagogin B.A.
Gloria Rupp, Sozialpädagogin B.A., Qualitätsmanagementbeauftragte
Verwaltung
Uwe Irmler, Buchhalter
Sabine Rieger, Bürokauffrau
Verena Grill, Max Hopperdietzel, Tobias Abraham
131Jahresbericht 2021
Angebot
Psychosoziale Betreuung
Geringfügige Beschäftigung
Praktika
Kurzfristig geförderte Arbeitsmaßnahmen
Langfristige Beschäftigung
Dauerarbeitsplätze im Inklusionsbetrieb
Ausbildung im Office-Bereich
Öff nungszeiten
Mo –Fr: 08:00–17:00 Uhr
Offene Bewerbungssprechstunde Di: 08:00–12:00 Uhr
Sabine Rieger Uwe Irmler Mirko Hable
Philipp Damsescu Christine Kuhn Gloria Rupp
Jahresbericht 2021132
TagesjobsBereich Berufliche Integration
0911 8150-200Schieräckerstraße 25, 90431 Nürnberg
Fax 0911 8150-209
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
www.mudra-shop.de
LeitungAlfred Polak
Team Christian Anders, ArbeitsanleiterWerner Bartl, ArbeitsanleiterOliver Bönisch, ArbeitsanleiterVerena Grill, Diplom-Sozialpädagogin, ArbeitsanleiterinSandra Janker, ArbeitsanleiterinMichael Schmatz, staatl. geprüfter Arbeitserzieher, Arbeitsanleiter
Angebot
Wohnungsauflösungen
Entrümpelungen
Möbeltransporte
Malerarbeiten und Renovierungen
Kleintransporte
Alles nach dem Motto „Geht nicht gibt`s nicht!“
Alfred Polak Sandra Janker Michael SchmatzChristian Anders
133Jahresbericht 2021
Frauenpower
Jahresbericht 2021134
Wald & HolzBereich Berufliche Integration
0911 8150-200Schieräckerstraße 25, 90431 Nürnberg
Fax 0911 8150-209
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
Gesamtleitung
Tobias Abraham, Dipl.-Sozialpädagoge (FH), Sozialwirt M.A., Forstwirt
Team Holzwerkstatt
Christian Dorner, Schreinermeister, Leitung Schreinerei (bis 30.06.2021)
Oleg Craceac, Arbeitsanleiter
Karin Langenbuch, Arbeitsanleiterin, Schreinerin und Erzieherin
Marco Reichenberger, Arbeitsanleiter
Angebot
Möbelbau, besonders Büro- und Kindergarteneinrichtungen
Fertigung von individuellen Transportkisten
Überarbeitung und Restaurierung von Möbeln
Spielgeräte für Innen und Außen
Trockenbau
Grobholzmöbel für den Außenbereich
Team Waldprojekt:
Mirko Hable, Sozialpädagoge B.A., Leitung Waldprojekt
Birol Babatasi, Drogenberater, Arbeitsanleiter
Robert Riehl, Arbeitsanleiter, Baumpfleger
Andreas Goldbrunner, Arbeitsanleiter, Vorarbeiter im Grünbereich
Angebot
Brennholzproduktion
Allgemeine Forstarbeiten (z.B. Pflanzungen, Durchforstungen und Wildschutzzaunbau)
Messebau
Parkplatz- und Grundstückspflege
und vieles, für das sich sonst niemand findet!
135Jahresbericht 2021
Karin Langenbuch Robert Riehl
Birol BabatasiMarco Reichenberger
Christian Dorner
Jahresbericht 2021136
KreativwerkstättenBereich Berufliche Integration
0911 8150-210Schieräckerstr. 25, 90431 Nürnberg
Fax 0911 8150-209
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
www.mudra-shop.de
www.facebook.com/mudrakreativwerkstaetten
Leitung
Tina Mittelbach, Näherin
Team
Ines Vogel, Mediendesignerin, Mitarbeiterin
Xenia Haring, Mitarbeiterin
Irina Goda, Mitarbeiterin
Angebot
Produktion von Taschen, Geldbeuteln und Accessoires als Sekundärprodukte aus LKW-Plane,
Feuerwehrschläuchen, gebrauchten Ledertextilien und anderen Materialien (Stichwort „Upcycling“)
Sonderanfertigungen von Einzelstücken oder größeren Auflagen, je nach Kund*innenwunsch
Reparatur und Änderung von Kleidung
Öff nungszeiten für Kund*innen
Mo, Di, Mi: 10:00 – 16:00 Uhr
Freitag: 10:00 – 15:00 Uhr
Und nach Vereinbarung!
137Jahresbericht 2021
Jahresbericht 2021138
0911 8150-200Schieräckerstr. 25, 90431 Nürnberg
Fax 0911 8150-209
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
Leitung
Regina Gerulat
Team
Ils Duman, Mitarbeiterin
Olaf Erl, Mitarbeiter
Daniel Krakauer, Mitarbeiter
Birgit Stöckl, Mitarbeiterin
Susanne Stoiber, Mitarbeiterin
Ursula Williams, Mitarbeiterin
Angebot
Gebäudereinigung und -pflege (Grundreinigung und Unterhaltsreinigung) im privaten und öffent-
lichen Bereich.
mudra cleanUp Bereich Berufliche Integration
Regina Gerulat Olaf Erl Ils Duman
139Jahresbericht 2021
Jahresbericht 2021140
Gärtnerjahr und Corona-Monate 2020/21Hans Beierlein
Rückblick Bereich mudra-Arbeit gGmbH – Garten-und Landschaftsbau/Baumpflege
Wie spreche ich als Sozialarbeiter und Geschäftsführer, wie sprechen unsere Gärtner und
Mitarbeiter*innen über diese Zeit und die Arbeit in der Pandemie? Wie wird diese Zeit aus der Sicht
eines Menschen mit Drogenabhängigkeit beschrieben? Da wird es viele unterschiedliche Antworten
geben und die Pandemie ist noch nicht vorbei.
Grundsätzlich haben wir uns gut geschlagen. Die Baustellen gingen ohne größere Unterbrechungen
weiter. mudra-LKW’s waren in allen Lockdowns unterwegs. Im Baumarkt Material holen, klar kein Pro-
blem mit den notwendigen Papieren. Die Löhne gab es pünktlich wie immer. Anträge auf Kurzarbeitergeld
oder Corona-Hilfen für Inklusionsbetriebe blieben auf dem Server (für alle Fälle) erst mal abgespeichert.
Sozialpädagogische Betreuung, Gespräche, Schuldenregulierung, Krisengespräche machen wir na-
türlich – mit Abstand, aber persönlich im Betrieb vor und nach der Arbeit.
Eigene Zoom- oder sonstige virtuelle Programme brauchen wir nicht zu kaufen. Home-Office für die
beiden Chefs muss auch nicht unbedingt sein. Mitarbeiter auf Baustelle schicken, zu zweit, oder dritt
im LKW fahren lassen und selbst Vorsicht walten lassend zu Hause mit Cappuccino sitzend die Verant-
wortung tragen geht nicht. Arbeitsprojekt bei mudra heißt schon immer: Ich geh voran, dann kommen
die anderen schon mit (meistens).
Die Pandemie hat uns in Vielem „gleicher“ gemacht, „Inklusion“ durch die Gesellschaftskrise: kein
Toilettenpapier – alle müssen Mundschutz tragen – kann ich meine Eltern noch besuchen – Gesund-
heitsrisiko für alle – Schulausfall, was machen wir mit den Kindern – Impfen – Testen – Abstandsregeln
– Quarantäne...
Jeden Morgen um halb 7 Krisensitzung: Wer ist da, wer fällt aus – welche Baustellen machen wir –
wie schaut es mit den Fahrzeugen aus, müssen wir besser zweimal fahren – gibt es neue Regeln oder
Einschränkungen – klappt die Kinderbetreuung bei den einzelnen Mitarbeiter*innen – Mitarbeiter XY muss
in Quarantäne – Kontaktstrategie: Wenn die Kunden den Abstand nicht halten, brecht ihr die Baustelle
ab – keine Brotzeit, Kaffee, Toilette beim Kunden – Masken auf im LKW – und so fort.
Die einzelnen Corona-Erlebnisse ergeben eine sehr lange Geschichte. Also Stopp – Denkpause und
Analyse-Brille aufsetzen:
Arbeitsprojekte sind umfassend tragfähig, gerade in der Krise. Rückhalt, sozialer Kontakt,
Sichtbarkeit, Nachfragen, wo bist du, kannst du arbeiten unterliegen nicht virtueller Distanz und
Unsichtbarkeit. Körperliche Arbeit hilft Unsicherheiten zu bewältigen.
Gesundheitsrisiko ist gesellschaftlich ungleich verteilt: Arbeiter sind gewohnt, sich und ihren
Körper einzusetzen, ohne lange Worte. Die Arbeit muss halt gemacht werden, wenn ich nicht, dann
ein anderer. Das macht es leichter, aber bringt Risiko. Gesellschaftliche Risiken sind auch in der
Pandemie ungleich verteilt. Wer mit dem Privatauto fährt, oder daheim bleibt, hat einen anderen
Aerosoleinfluss als der in der U-Bahn, also unsere Drogenabhängigen.
Wir beschäftigen „vulnerable Gruppen“: Was ist da wirklich zu verantworten, wie müssen wir
wen schützen. Wer bleibt doch besser daheim oder arbeitet nur im Lager. Diese Frage stellt sich
immer wieder. Wird bei Lockerungen der Maßnahmen, durch die Sehnsucht nach Normalität, Ge-
wöhnung durch die Weiterarbeit manchmal vergessen. Bei allem Stolz auf die gute Weiterarbeit.
Nicht jedes Risiko muss sein.
141Jahresbericht 2021
Für Soziologen, Genießer und Clubfans: „Umkehrung der Normalität in der Pandemie“
Zunächst in einfacher Sprache: Die Sache ist etwa so, wie wenn der Club gerade mit überwiegend
jungen, alten und Ersatzspielern in der ersten Liga auf Platz drei steht. Und zwar nicht am ersten
Spieltag, sondern das ganze Jahr durch.
Transfer: mudra spielt in der Drogenhilfe-, Integrations- und Handwerksliga. Gleichzeitig mit meh-
reren Teams. Vorstand hat gerade gewechselt. Aber immer noch neue Spielideen und Lust am Ball,
eben die Latinos in der Szene.
Jetzt die These: Drogenabhängige, die ansonsten oft Normenbrecher sind, aus dem System heraus-
fallen können, sich kaum an Regeln halten, sowieso mangelnde Motivation/Compliance mitbringen
und Beratungstermine nicht einhalten sind plötzlich zu Leistungsträgern in der Pandemie gewor-
den. Teil der wenigen Gruppen und Bereiche im Land, die normal weiterarbeiten können, keine
Lohneinbußen haben oder Corona-Hilfen brauchen, weil sie jeden Tag ihren Betrieb wirtschaftlich
am Leben halten.
Und gleichzeitig: Sie erhalten das Privileg der persönlichen direkten Betreuung über ihre Beschäf-
tigung.
Keine Sommermärchen beim Club – keine Corona-Märchen bei mudra
wir müssen unsere Mitarbeiter*innen erst gründlich fragen, wie es ihnen genau erging, welche
Ängste sie haben, was das für Sucht, Beziehungen und alle wichtigen Lebensbereiche für sie
bedeutet hat
wir sind natürlich stolz, dass eigentlich alle tagtäglich ihren Job gemacht haben, auch wenn es mal
schwierig war und unser Auftragspensum in der Pandemie sogar noch gewachsen ist
wir sind uns immer noch der Gefahr bewusst, dass alles schnell kippen kann, die Krise noch nicht
überstanden ist
das Jahr hat Spuren hinterlassen, Reizbarkeit, Verdrängung, psychische Probleme und Krisen, da
wird sich noch Vieles erst in der Zukunft auswirken
einige im Betrieb erkrankten an Covid 19 – alle im persönlichen Umfeld und keine Ansteckungen im
Betrieb. Sie und wir machen uns immer noch Sorgen um ihre aktuelle und langfristige Gesundheit
wirtschaftlich stehen wir noch relativ gut da, aber es gab deutliche Mehrkosten und Belastungen,
die uns aktuell von dringend notwendigen Investitionen abhalten.
wir befürchten, dass die finanziellen Belastungen von Kommune, Bezirk und Land sich zu einer
neuen Sparpolitik entwickeln können, die sich für unsere Zielgruppen und deren Betreuung und
Arbeitsplätze existenzgefährdet auswirken können
aber wir wissen jetzt ziemlich deutlich: Arbeitsangebote für Drogenabhängige bewähren sich gera-
de in gesellschaftlichen Krisen und helfen, dass Betroffene auch in der Krise besser durchs Leben
kommen, sichtbar bleiben und nicht noch stärker in Isolation geraten.
Und zum Schluss: Trotz Corona gibt es jetzt in Nürnberg und Umgebung viele schöne neue Gärten,
Wege, gepflegte Bäume und öffentliche Räume. Wir waren dabei.
Wie eingangs geschrieben, wir müssen bei den Drogenabhängigen genau hinhören. Wollen ihre und
auch eure Geschichte zu den Coronazeiten hören und dann das Notwendige tun.
Jahresbericht 2021142
mudra-Arbeit gGmbH – Garten- & Landschaftsbau/Baumpfl ege
0911 8150-250Hans-Thoma-Str. 3, 90431 Nürnberg
Fax 0911 8150-259
Mail [email protected] (Gartenarbeiten)
[email protected] (Bewerbungen)
Web www.mudra-online.de
Team
Geschäftsführung: Hans Beierlein, Dipl.-Pädagoge (Univ.)
Betriebsleitung: Stephan Rauschmayer, Techniker
Verwaltung:
Gabriele Gärber, Bürokauffrau
Ingried Pöhlmann, Immobilienkauffrau
Robert Bienlein, Gärtnermeister
Sven Distler, Gärtner
Rayif Duman, Gärtner
Afra Gubara, Gärtnerin Demian Herzog, Gärtner
Julian Jonas, Gärtner
Christian Klingenberger, Fachkraft Garten
Helmut Ledwig, Fachkraft Garten
Norbert Mehl, Baumpfleger
Thomas Meier, Baumpfleger
Boris Wieczorek, Gärtner, Baumpfleger
Sebastian Wieninger, Praktikant Soziale Arbeit (März bis Juli 2020)
Hans Beierlein Gabriele GärberIngried Pöhlmann
143Jahresbericht 2021
Arbeitsplatzangebot
Mini-Jobs/Praktika zum Arbeitseinstieg
Befristete Beschäftigung
Dauerarbeitsplätze Inklusionsbetrieb
Ausbildung/Umschulung Gärtner*in
Angebote für den Garten
Kontakt: [email protected]
Planung und Gestaltung von Hausgärten
Wege, Treppen, Terrassen
Trockenmauern
Gartenpflege
Gehölzschnitt
Stauden- und Gehölzpflanzungen
Zäune
Baumpflege/-fällung in Klettertechnik/Hubarbeitsbühne
Rayif DumanRayif Duman Sven DistlerSven Distler
Gezim LimayGezim LimayRobert BienleinRobert Bienlein
Jahresbericht 2021144
Christian KirchnerChristian Kirchner
Stephan RauschmayerStephan Rauschmayer
Afra GubaraAfra Gubara
Christian KlingenbergerChristian Klingenberger Helmut LedwigHelmut Ledwig
Julian JonasJulian Jonas
Demian HerzogDemian Herzog
Norbert MehlNorbert Mehl
Andreas RauhAndreas Rauh
Boris WieczorekBoris Wieczorek
Peter GrofPeter GrofVinzent ThorwarthVinzent Thorwarth
Tom MeierTom Meier
mudra-Arbeit gGmbH – Garten-und Landschaftsbau/Baumpflege
145Jahresbericht 2021
Jahresbericht 2021146
Unsere beiden stationären Jugendhilfewohngruppen umfassen insgesamt 14 Plätze für männliche
Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 13 bis 21 Jahren. Neun Plätze hiervon sind im
Stammhaus in Birnthon in einer heilpädagogisch-therapeutischen Wohngruppe angesiedelt. Weitere
fünf verteilen sich auf zwei teilzeit-betreute Wohngemeinschaften in Nürnberg und Birnthon.
Die „Durchlässigkeit“ von möglichen drei Hilfebedarfen der Jugendhilfe vereint unter einem „Dach“
stellt hierbei ein Alleinstellungsmerkmal unseres Konzeptes dar und folgt unserem Anspruch, den
betreuten Jugendlichen Beziehungskontinuität zu gewährleisten. So muss ein Wechsel des Hilfebe-
darfes keinen Wechsel des Bezugspädagogen nach sich ziehen.
Unsere Kernkompetenzen liegen zum einen, auf dem Hintergrund unserer Erfahrungen aus der
vormaligen Jugendhilfearbeit, in der Betreuung geflüchteter und traumatisierter junger Menschen
sowie zum anderen in der Betreuung von Jugendlichen mit Suchtgefährdung. Hierbei profitieren wir
von unserem interdisziplinär breit aufgestellten Team. Erzieher, ein Heilpädagoge, eine Psychologin
sowie Sozialpädagogen bringen diverse fachliche Kompetenzen ein.
In unserem interdisziplinären Leitbild haben wir unsere fachliche Haltung visuell zum Ausdruck
gebracht:
Neben regelhaften Einzel- und Gruppengesprächen soll ein breites Angebot an erlebnispädagogischen
Identifikationsmöglichkeiten die Entwicklung unserer Jugendlichen fördern. Hierbei profitieren wir
von unseren großzügigen räumlichen Rahmenbedingungen (Fitnessraum, Multimediaraum/Tonstu-
dio, Volleyball, Tischtennis, Kicker...) wie den Zusatzqualifikationen unserer Betreuer*innen (Bouldern,
diverse Sportarten, Fotografie, Zirkuspädagogik, Musikproduktion, Kunst…).
Bericht Basecamp – stationäre JugendhilfeMatthias Sell
Rückblick Bereich Jugendhilfen
147Jahresbericht 2021
Auswirkungen der Pandemie
Wie vielerorts hatten auch bei uns alle Beteiligten unter den negativen Auswirkungen der Pandemie
massiv zu leiden. Dies um so mehr, da wir gerade im Begriff waren, unser seit Sommer 2019 bestehen-
des neues Konzept zu implementieren. Homeschooling war aufgrund mangelnder Internetstabilität
im ländlich gelegenen Birnthon nur sehr bedingt möglich. Externe erlebnispädagogische Aktivitäten
konnten kaum bzw. zeitweise überhaupt nicht stattfinden. Soziale Kontakte (zum Teil sogar die Be-
suche von Eltern), die für die Entwicklung junger Menschen rudimentär sind, waren verboten. Mit
den psychischen Belastungen nahmen die Spannungen und Konflikte in unserer Einrichtung zu. Von
allen Beteiligten war ein enormes Maß an Resilienz gefordert. Die Tatsache, dass es in dieser Zeit
nicht zu körperlichen Auseinandersetzung kam, ist ein hervorzuhebendes Verdienst des gesamten
Teams und unserer Bewohner.
Rückblickend haben wir diese Belastungsprobe, diese „Feuertaufe“, mit Bravour bestanden.
Ein Beispiel unserer erlebnispädagogisch-therapeutischen Arbeit während des „Lockdowns“ gibt ein
von uns veröffentlichtes (Video-Link siehe unten).
Ungeachtet erlebter Einschränkungen durch die Pandemie ist 2020 deutlich geworden, dass Suchthilfe
im stationären Jugendhilfesetting klarer Strukturen bedarf. Einer Akzeptanzorientierung sind im statio-
nären Gruppenkontext hierbei Grenzen gesetzt. Das Wohl und die Entwicklung des Einzelnen sind eng
verbunden mit dem der gesamten Gruppe. Auf Basis eines strukturierten Tages- und Wochenablaufes
mit fest terminierten Angeboten und einem Konsens hinsichtlich Regelungen und Abläufen kann Ge-
meinschaft und Solidarität, aber auch individuelle Entfaltung und Entwicklung gelingen.
Hier ergibt sich mit Blick auf unsere Zielgruppe ein besonderes Spannungsfeld, welches ein hohes
Maß an Balance und „Fingerspitzengefühl“ im alltäglichen Miteinander erfordert.
In der Arbeit mit süchtigen oder suchtgefährdeten Menschen sind Themen wie „Grenzen und
Grenzüberschreitungen“, „Kontrolle und Kontrollverlust“ an der Tagesordnung. Es ist zudem alters-
gerecht, wenn pubertierende Jugendliche versuchen, gegen Autoritäten aufbegehren und Strukturen
zu umgehen.
Insofern wird auch in Zukunft die Herausforderung für uns darin bestehen, durch Strukturen Halt
und Orientierung zu geben, diese aber nie zum Selbstzweck werden zu lassen. „Das Gesetz soll dem
Menschen dienen und nie der Mensch nur dem Gesetz.“
In 2020 wurden in unserer heilpädagogisch-therapeutischen Wohngruppe insgesamt 17 Jugendli-
che betreut. Es fanden zehn Neuaufnahmen, sieben reguläre erfolgreiche Entlassungen und vier diszi-
plinarische Entlassungen statt. Die verhältnismäßig hohe Fluktuation verdeutlicht den konzeptionellen
und strukturellen Wandel, in dem sich unsere „junge“ Jugendhilfeeinrichtung (neue Betriebserlaubnis
und Konzept ab Juli 2019) befindet.
In unseren teilzeit-betreuten Wohngemeinschaften lebten während 2020 vier Jugendliche. Hiervon
zogen drei neu ein und einer konnte nach erfolgreicher Beendigung der Betreuung ausziehen.
Homepage: www.mudra-online.de/basecamp-birnthon.html
Download Konzept, Flyer, Leitbild sowie Kontaktaufnahme/Bewerbungen etc. via
Website möglich.
Link Video: https://www.youtube.com/watch?v=SVTNT_LH9Ho&t=66s
Jahresbericht 2021148
0911 8150-300Birnthon 3b, 90475 Nürnberg
Fax 0911 8150-309
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de
Team
Matthias Sell, Dipl.-Sozialpädagoge (FH), Einrichtungsleitung
Anna Stecklein, Sozialpädagogin M.A., stellv. Leitung
Nesrine Benmiloud-Laid, Psychologin, Psychologischer Fachdienst
Christoph Bogatz, Pflegepädagoge B.A. (ab 01.01.2021)
Milan Fröhner-Freisleben, Heilerziehungspfleger, Heilpädagoge i.A.
Lena Geweniger, Sozialpädagogin B.A. (bis 30.11.2020)
Rebecca Ritzmann, Sozialpädagogin B.A.
Alfred Rohn, Erzieher
Laura Singer, Sozialpädagogin B.A.
Nathanael Kroll, Erzieher
Sebastian Wieninger, pädagogische Hilfskraft, Sozialpädagoge (FH) i.A.
Sabine Car, Hauswirtschaft, Arbeitserzieherin
Christian Anders, Techn. Dienst, Arbeitserzieher
Ute Feichtmayr-Huber, Verwaltung
Sebastian Grau, Bundesfreiwilligendienst
Helmut Heither, Nachhilfe (Ehrenamtlich für mudra)
Angebot
Heilpädagogisch-therapeutische Wohngruppe gem. SGB VIII §§ 27, 34ff. mit 9 Plätzen für minderjäh-
rige Jugendliche und junge erwachsene Jugendliche mit Suchtgefährdung. Vollzeitbetreuung 24h/7.
„Zu Hause ist ein Gefühl.“ (Leitsatz mudra e.V. – Basecamp)
„Gelungene Beziehung heilt.“ (V. Satir)
Basecamp – Heilpädagogisch-therapeutische Wohngruppe Bereich Jugendhilfen
149Jahresbericht 2021
0911 8150-238Dürrenhofstraße 47; 90478 Nürnberg
Fax 0911 8150-239
Mail [email protected]
Web www.mudra-online.de/basecamp-birnthon.html
Team
Matthias Sell, Dipl.-Sozialpädagoge (FH) (Einrichtungsleitung)
Nesrine Benmiloud-Laid, Psychologin, Psychologischer Fachdienst
Roman Neidlein, Sozialpädagoge B.A.
Metin Sert, Suchttherapeut B.A.
Angebot
Jugendhilfeeinrichtung gem. §§ 27, 34, 41 SGB VIII mit insgesamt 5 Plätzen
Teilzeitbetreute sozialpädagogische Wohngruppe für unbegleitete minderjährige und junge erwach-
sene Flüchtlinge sowie deutsche Jugendliche mit entsprechendem Hilfebedarf
WG zur Verselbstständigung
„Der Mensch wird am Du zum Ich.“ (M. Buber)
Basecamp –Teilzeitbetreute WohngemeinschaftBereich Jugendhilfen
Jahresbericht 2021150
Matze SellMatze SellAnna SteckleinAnna Stecklein N. Benmiloud-LaidN. Benmiloud-Laid Ute Feichtmayr-HuberUte Feichtmayr-Huber
Metin SertMetin Sert Laura SingerLaura SingerBasti WieningerBasti Wieninger Nathanael KrollNathanael Kroll
Roman NeidleinRoman NeidleinLena GewenigerLena Geweniger Christian AndersChristian Anders
M. Fröhner-FreislebenM. Fröhner-Freisleben
Sabine CarSabine Car Rebecca RitzmannRebecca Ritzmann Alfred RohnAlfred Rohn
Basecamp
151Jahresbericht 2021
Jahresbericht 2021152
Zahlen, Daten, Fakten & Corona – ein Vorwort
Zurecht hat die Fachwelt viel Aufmerksamkeit damit verbracht, sich den Auswirkungen der Pandemie
auf die Bedürftigen, die Zielgruppen sozialer Einrichtungen, zu widmen. Wir auch. Und wir sind immer
wieder laut und aufdringlich geworden, dort wo für uns absehbar eine gravierende Benachteiligung
und Gefährdung unserer Klient*innen gedroht hat. Das ist Teil unseres Jobs und diesem sind unsere
Mitarbeiter*innen in vielen Krisensitzungen und Meetings gerecht geworden.
Ein besonders wichtiges Augenmerk lag darauf, in allen Bereichen der mudra den Zugang und die
Angebote für unsere Klient*innen aufrechtzuerhalten. Zu viele Türen fielen im Zuge der Pandemie
ins Schloss und haben die Ausgegrenzten noch mehr ausgegrenzt sowie deren Not und Isolation
verstärkt.
Kein leichtes Unterfangen, denn auch wir sind und waren natürlich an Auflagen, Arbeitsschutz und
Hygienemaßnahmen gebunden, um das Wohl und die Gesundheit unserer Kolleg*innen zu bewahren.
Viel, sehr viel Zeit, Geld und Energie haben wir darauf verwendet, den ständigen Auflagen gerecht zu
werden und zugleich einen praktikablen Arbeitsalltag zu ermöglichen, der der Schutzbedürftigkeit
aller bestmöglich gerecht würde.
Bei all der Achtsamkeit für „unsere“ Schutzbedürftigen darf jedoch nicht vergessen werden, dass
auch wir, alle Bereiche und Teams, alle Mitarbeiter*innen und Leitungen, die Umstände der Pandemie
ertragen mussten. Das bedeutete vor allem den monatelangen Verzicht auszuhalten auf all das, was
uns Kraft und Ausgleich verschafft – Freunde, Familie Sport, Reisen und Ausgehen – und dennoch
Vollgas in der Arbeit abzuliefern. Und je länger dieser Verzicht den fordernden Berufsalltag begleitete,
desto mehr ging es an die Substanz jeder und jedes Einzelnen.
Doch damit nicht genug. Der Druck wurde zusätzlich angeheizt durch den häufigen pandemiebe-
dingten Ausfall von Kolleg*innen, die wochenlang in Quarantäne gehen, Kinder zu Hause versorgen
und beschulen und im schlimmsten Fall selbst eine Covid 19-Infektion überstehen mussten. Un-
ter diesen Umständen Dienstpläne zu gestalten und Regelversorgungen aufrechtzuerhalten, kostet
endlos Kraft und Nerven für die Leitungen und die Teammitglieder, die diese Ausfälle klaglos und
willensstark kompensieren wollten.
Wir sind unsagbar stolz auf unsere Mitarbeiter*innen und Teams, blicken jetzt beim Abklingen der
Pandemie zurück und erkennen, dass wir nicht einen einzigen Tag unsere Arbeit der Krise geopfert
haben. Es scheint wie ein kleines Wunder, dass wir alle dies gemeinsam geschafft haben und nun
sehen, dass keine Klient*innen verloren wurden und wir das gute Gefühl haben dürfen, durchgängig
für unsere Zielgruppen da gewesen zu sein.
Auch wir in der Geschäftsführung haben uns kaum einen Tag Pause gegönnt und sind jetzt, wie
viele unserer Mitarbeiter*innen auch, am Zahnfleisch, wenn nicht gar am Knochen unterwegs. Die
Hoffnung auf ein Ende der großen Einschränkungen und der Stolz über das Geleistete gibt uns jedoch
Mut, Kraft und Zuversicht, in den Herausforderungen, die nun zweifelsohne noch lange nachklingen
und Veränderungen mit sich bringen werden, zu bestehen. Wir sind noch lange nicht am Ende und
wachsen über uns selber hinaus in dem Bewusstsein, dass mudra das Wichtigste für gutes Gelingen
besitzt: großartige Mitarbeiter*innen, außergewöhnliche Bereichsleitungen und starke Teams!
Wenn Sie nun im Weiteren die Zahlen betrachten, dann bedenken Sie bitte die außergewöhnlichen
Umstände, unter denen diese erzielt wurden. Und vergessen Sie nicht, hinter jeder dieser Zahl steckt
Herzblut und Leidenschaft für unseren Beruf – gerade in Zeiten wie diesen.
Norbert Wittmann, Nele (Cornelia) Gilch
153Jahresbericht 2021
Unser statistisches Bulletin – mudra 2020 in ZahlenKristina Rath, Rossano Della Ripa
Im Folgenden wird die Arbeit der mudra-Drogenhilfe im vergangenen Jahr in Zahlen dargestellt.
Der ambulante Bereich wird auf der Grundlage des PATFAK-Dokumentationssystems beschrieben,
der arbeitsintegrative und jugendstationäre Bereich gehen lediglich mit einer Gesamtsummenzahl
in die Statistik ein.
Insgesamt zählten die verschiedenen mudra-Bereiche im vergangenen Jahr 3769 [2019: 4127]
Beratungs-, Betreuungs- oder Behandlungsanfragen. In diese Zahl gehen auch Mehrfachnennungen
ein, wenn sich Hilfesuchende in 2020 an verschiedene Bereiche der mudra gewendet haben.
Ambulante Angebote ......................................................... 3210 (3544)
Beratungszentrum Ottostr. 18 .....................2242 (2406)
bestehend aus
Kontaktladen/Streetwork ........ 1211 (219)
Beratungsstelle ......................1086 (1155)
JVA-Bereich .............................1035 (1032)
enterprise3.0 .....................................................319 (425)
Substitutionsbereich ........................................345 (395)
cleanEx ..............................................................263 (275)
explorer Betreutes Einzelwohnen (BEW) ...........41 (43)
Stationäre Angebote ...................................................................... 8 (7)
explorer Wohngemeinschaft ...................................8 (7)
Berufl iche Integration ........................................................... 534 (553)
Tagesjob ................................................................77 (56)
Waldprojekt/Office ................................................49 (57)
cleanUp/Kunstwerkstatt ......................................27 (26)
Garten- und Landschaftsbau ..............................33 (25)
Jobbüro/CIM ..................................................... 185 (203)
Bewerber-/Schwerbehindertensprechstunde 117 (154)
Gemeinnützige Arbeit ..........................................24 (24)
IFD-Schwerbehindertenberatung/AVGs ..............22 (8)
Jugendhilfe............................................................................ 17 (23)
Basecamp .............................................................17 (23)
1 Bis zum letztjährigen Bulletin hatten wir eine geschätzte Zahl an nicht im Dokumentationssystem erfassten Betreuungen im niedrigschwelligen Sektor angegeben. Da die Schätzung sehr unsicher ist, werden wir keine Schätzzahlen mehr angeben. Es sei aber darauf hingewiesen, dass im Schnitt bei vier Kontakten unserer Streetworker*innen auf eine bekannte Person drei namentlich nicht bekannte Personen kommen. Das heißt, dass zu der erfassten dokumentierten Kopfzahl im Bereich KoLa/Streetwork zusätzlich gut 400 namentlich nicht erfasste Personen hinzukommen.
Jahresbericht 2021154
Detaillierte Darstellung der ambulanten AngeboteNachfolgend werden exklusiv die Daten der Klient*innen der ambulanten Angebote aus der unten
stehenden Tabelle zur näheren Betrachtung herangezogen. In den fünf Einrichtungen der ambulanten
Angebote wurden insgesamt 3210 Betreuungen dokumentiert.
BeratungszentrumOttostr. 18
enterprise3.0 Substitutionsbereich cleanExAmbulante Therapie
explorerBetr. Einzelwohnen
2242 (2406) 319 (425) 345 (395) 263 (275) 41 (43)
BeratungszentrumOttostr. 18
enterprise3.0 Substitutionsbereich cleanExAmbulante Therapie
explorerBetr. Einzelwohnen
1573 (1483) 167 (213) 278 (309) 123 (122) 38 (38)
BeratungszentrumOttostr. 18
enterprise3.0 Substitutionsbereich cleanExAmbulante Therapie
explorerBetr. Einzelwohnen
1456 (1364) 161 (211) 278 (306) 118 (121) 38 (38)
Nicht jede Betreuung mündet in einen längerfristigen Unterstützungsprozess. Dieser fängt nach
dokumentarischen Vorgaben ab mindestens zwei Kontakten an. Wenn man also 1031 Einmalkontakte
abzieht, ergibt sich folgendes Zahlenbild.
Von diesen 2179 Betreuungen werden 128 Angehörige und andere Hilfesuchende, die nicht selbst
konsumieren, abgezogen. So ergeben sich für Menschen, die wegen einer eigenen Konsumproble-matik die ambulanten mudra-Angebote aufgesucht haben und längerfristig betreut wurden, 2051 Betreuungsfälle. Diese Zahl wird für die folgenden Ausführungen von Belang sein.
Abb.: Prozentuale Verteilung der Klient_innen nach Arbeitsbereichen
Ambulante Angebote (85,2%)
Stationäre Angebote (0,2%) Berufl iche Integration (14,2%)
unterteilt in• Betreutes Wohnen (1,1%)• cleanEx (7%)• Substitutionsbereich (9,1%)• enterprise (8,5%)• Beratungszentrum Ottostr.18 (59,5)%)
Jugendhilfe nach SGB VIII (0,4%)
mudra 2020 in Zahlen
155Jahresbericht 2021
Geschlecht1717 Betreute (83,7%) waren männlichen, 331 Betreute (16,1%) weiblichen Geschlechts, drei Menschen haben sich intergeschlechtlich beschrieben. Allerdings gab es bereichsspezifische Unterschiede. So war die Frauenquote bereichsintern im betreuten Einzelwohnen mit 47% am höchsten, in der externen JVA-Drogenberatung mit 5% am niedrigsten.
14-18 19-23 24-28 29-33 34-38 39-43 44-48 49-53 54-58 59-63 64-73
Männer 3,8% 25,9% 12,5% 16,5% 13,3% 11,3% 6,9% 4,4% 3,1% 1,6% 0,7%
Frauen 1,0% 15,6% 13,6% 17,5% 19,4% 9,4% 7,7% 7,3% 4,4% 1,4% 2,7%
Medianalter: Männer: 31 Jahre2 Frauen: 34 Jahre (Rundungsbedingt ≠ 100%)
Alter
2 Wie in den letzten Ausgaben unseres Bulletins bereits erwähnt, wird das Altersergebnis haupt-sächlich von den Angaben der Zielgruppe aus der Jugendstrafanstalt für Männer des Freistaats Bayern in Ebrach verschoben bzw. übergewichtet. An dieser Stelle bekommt die geschlechtlich und altersbestimmt homogene Zielgruppe mit einem quantitativen Anteil von 13% an der Gesamt-stichprobe statistisch ein besonderes Gewicht.
Die Zahlen der ambulanten Betreuungen/Kontakte zusammengefasst in einer Grafi k
Jahresbericht 2021156
mudra 2020 in Zahlen
3 Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, dass unser über viele Jahre und innerhalb vieler Projekte gestärktes transkulturelles Verständnis und das Beratungsangebot in verschiedenen Fremdsprachen zur Integration von Migrant*innen als Zielgruppe geführt haben – in Verbindung mit einem akzeptanzorientierten Ansatz. Es wäre ein wissenschaftlich völlig unhaltbarer Rückschluss, deshalb anzunehmen, dass Menschen mit Migrationshintergrund häufiger von (dysfunktionalem) Drogenkonsum betroffen seien als autochthone Vergleichsgruppen. Nicht zuletzt wegen des ak-tuell eingeengten und häufig reaktionär-intoleranten Diskurses über „den Anderen“ sehen wir die Versteifung auf den Migrationsstatus durchaus kritisch. Hier verlässt sogar der Fachausschuss Statistik der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) einen bisher geteilten vernünftigen Standpunkt und ändert die Definition des Migrationshintergrundes, indem er in die neue Sucht-hilfeerhebung KDS 3.0 das Item der „Migration in dritter Generation“ eingeführt hat. Dieses Item wird aus fachlichen, aber auch politischen Gründen von der mudra nicht erhoben.
MigrationshintergrundDie interkulturelle Öffnung und die dazugehörende Schwellenabsenkung der Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund spielen seit vielen Jahren eine wichtige konzeptionelle Rolle in der mu-dra. Diese unsere Haltung spiegelt sich im hohen Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in
unserem Alltag wider3. Insgesamt hatten 30% der Betreuten eine ausländische Nationalität. Einen nach Definition zu nen-
nenden Migrationshintergrund (entweder selbst bei Geburt mit einer anderen Nationalität oder Kind von Eltern mit mindestens einer anderen Nationalität bei Geburt) hatten 46% von einer Stichgruppe (n= 1777), bei der ein möglicher Migrationshintergrund bekannt war.
Unser besonders von Muttersprachler*innen und von unüblichen Sprachkenntnissen geprägtes Angebot im Beratungszentrum inkl. JVA, Substitutionsbereich und Angehörigenarbeit – bei diesen liegt ein Migrationshintergrund mudra-intern mit 60% am höchsten – erreichte 274 russisch-, 120 türkisch-, 54 farsi- und 44 italienisch-bezogene hilfesuchende Anfragen mit entsprechendem Mi-grationshintergrund. Die Dialoggruppe der Geflüchteten bzw. Asylbewerber*innen, hauptsächlich im Sprachbereich Russisch und Farsi, ist mit 157 Menschen in unserem Alltag sichtbar. 75 Anfragende konnten nicht in deutscher Sprache begleitet werden.
SubstanzkonsumFolgende Angaben beziehen sich auf den hauptsächlich genannten bzw. den Problem verursachenden Substanzkonsum der Neuaufnahmen. Letzteres ist sinnvoll, da ein Konsumtrend besser darstellbar ist. Zusätzlich wäre eine mögliche Veränderung von Konsummustern während der Betreuung mit gewöhnlichen Dokumentationssystemen sehr aufwändig. Die Angaben erfolgen in Prozent, ohne Mehrfachnennungen.
157Jahresbericht 2021
Gesamt %
Heroin 26,6
Sonstige Opiate* 6,4
Cannabis 23,0
Methamphetamin (Crystal) 18,1
Kokain/Crack 2,4
Sonstige Stimulanzien** 2,9
NPS 2,3
Halluzinogene 0,3
Hypnotika, Sedativa 1,0
Sonstige psychotrope Substanzen 1,3
Alkohol 6,1
Polyvalentes Konsummuster 9,6
* Substitutionsmittel und opiathaltige Medikamente** Amphetamine und MDMA
Nimmt man die polyvalenten Konsummuster heraus, ergibt sich eine Dreiteilung der relevantesten
Stoffgruppen, die die Entwicklung der vergangenen Jahre fortführt. Auffällig ist, dass die Gruppe der
Opioide im Beobachtungszeitraum deutlich zugelegt hat (zuletzt 25,9%); Cannabis ist ebenfalls erneut
gestiegen (zuletzt 19,8%).
Jahresbericht 2021158
mudra 2020 in Zahlen
Schwerpunkt 2021: Wegen Corona… keine Erkenntnisse möglich?
Auch die Autor*innen dieser alljährlichen, vertiefenden Kolumne können sich dem Sog der Fragen,
der in Verbindung mit der Pandemie steht, nicht entziehen. In diesem Jahresbericht ist bereits viel
von Covid-19 und Corona geschrieben worden. Von unserer Seite müssen wir klarstellen, dass sich
unser veränderter Alltag nach den Erfordernissen gerichtet hat, wie wir in dieser Ausnahmelage
unseren Aufträgen der Suchthilfe nachkommen konnten. Das bedeutet, dass uns zur Datenlage und
ihrer Analyse die altbekannten Instrumentarien zur Verfügung standen. Wir sind schließlich auch kein
Sozialforschungsinstitut, was wissenschaftliche und Regierungsorganisationen im letzten Jahr sehr
gerne vergessen haben.4 Nichtsdestotrotz können wir hier einige Daten und Hypothesen präsentieren,
die bestimmte Fragen aufwerfen, ohne die keine Erkenntnis möglich ist. Ob diese dann tatsächlich
mit den Pandemiebedingungen zu tun haben, können nur detaillierte Forschungen feststellen:
Auffallend ist der Anstieg bei der Angabe zur Hauptsubstanz, die nicht nur Heroin, sondern die gan-
ze Opioidfamilie betrifft. Nun kann man nicht davon ausgehen, dass in der Pandemie mehr Opioide
konsumiert wurden. Hat es eine Verknappung von Heroin gegeben? Möglich wäre es, allerdings sind
nach unserem Wissen die Preise für die Substanz im letzten Jahr relativ stabil geblieben, was gegen
eine Verknappung spräche. Man könnte auch annehmen, dass der Alltag bei Konsument*innen
derart irritiert wurde, dass vermehrt Veränderungen im Konsum aufgetaucht sind. Dies könnte
man auch bei Cannabis annehmen, dessen Nennung ebenfalls deutlich angestiegen ist.
Unsere Beratungsstelle in der Ottostraße hat sehr schnell und z.T. schon vor offiziellen Regelungen
auf die zu erwartende Situation reagiert. Unmittelbar vor dem Ausrufen des Lockdowns im März
2020 wurden der Kontaktladen vorübergehend geschlossen und Face-2-Face-Gespräche im ge-
wohnten Setting untersagt. Andererseits wurde mit einer massiven und flexibilisierten Niedrig-
schwelligkeit reagiert:
Die telefonische Erreichbarkeit wurde verstärkt; die Straßensozialarbeit wurde mit einer Mischung
aus Home Office, dezentraler Aufsuchung und freier Zeiteinteilung erweitert; die Safer-Use-Vergabe
sowie das Verteilen von Essenspaketen wurde ganztägig durch ein Erdgeschossfenster garantiert;
systematisch wurden niedrigschwellig Klient*innen proaktiv kontaktiert und durch die beginnende
4 Wir sind von Student*innen, Forschungsgremien und öffentlichen Anstalten förmlich mit Anfragen
zu „Corona und Sucht“ überschüttet worden. Interessant ist, dass viele Forschende kaum eigene
Daten oder eigene Forschungserhebungen formuliert haben, sondern einfach die möglichen Er-
kenntnisse und Daten der Einrichtungen „angezapft“ haben. Das ist ein wissenschaftliches Phäno-
men, welches sich seit einigen Jahren immer mehr verfestigt, zumeist im Rahmen von Abschluss-
arbeiten. Aus unserer Sicht hat hier die Forschung nicht nur sehr bequem reagiert, sondern sie ist
in vielerlei Hinsicht der außergewöhnlichen Situation nicht gerecht geworden. Als eine der wenigen
Ausnahmen, und hier muss dies erwähnt werden, kann die Goethe-Universität Frankfurt genannt
werden, die auch in dieser Zeit Forscher*innen ins Feld geschickt hat, um eigene Beobachtungen
zu machen. Um es grundlegender zu sagen: Die Suchthilfestatistik ist, wie eigentlich der Name
schon impliziert, eine Selbstbeschreibung der Hilfsorganisationen aufgrund selbst gewählter und
definierter Daten – und nicht die Beschreibung „des“ Konsumphänomens an sich.
159Jahresbericht 2021
5 Hierfür wurde eine eigene Dokumentationsweise im PATFAK eingeführt.
Ausnahmesituation begleitet; die Videoberatung wurde eingeführt, telefonische Termine wurden
die Regel, Hilfesuchende im Park getroffen (Walk&Talk). Blended Counseling wurde das Konzept
der Stunde: Dies alles mag dazu geführt haben, dass die Mehrfachbetreuungszahlen dort sogar
etwas höher gewesen sind als im Vorjahr.
Für das enterprise gilt diese Beobachtung nicht: Dort gab es ein Absinken der Betreutenzahlen, was
zumindest den erfreulichen Effekt hatte, dass die lange Warteliste abgebaut werden konnte – auch
dank der Anfang 2021 durch die Stadt neu verfügbar gemachten Personalressourcen. Vor allem bei
der Gruppe der jungen Mädchen bis zum 18. Lebensjahr gab es einen deutlichen Einbruch: Konnte
möglicherweise diese Zielgruppe unter bestehenden Bedingungen mit vermehrtem technischem
Einsatz „nicht abgeholt“ werden? Andererseits: Die Leistungszahlen waren dort nur minimal we-
niger als im Vorjahr. Zunächst ein Paradoxon, das letztlich damit zu erklären ist, dass durch die
Verminderung von Anfragen, welche zuvor vor allem durch jugendgerichtliche Zwangsberatungen
gepusht wurden und im Pandemiezeitraum deutlich abgenommen haben, Ressourcen und Be-
treuungsintensität für die bestehenden Klient*innen frei geworden sind. Diese Entwicklung im
Pandemiezeitraum hängt sicherlich auch an einem nicht praktizierbaren und substanzgeprägten
Feierkultur- und Gemeinschaftserleben, das den Konsum nicht nur verstärken kann, sondern auch
öffentlich macht.
Ein ähnliches Phänomen ist im Substitutionsbereich zu beobachten, insofern als bei einem Sinken
der Anfragen die Leistungszahlen sogar angestiegen sind. Die Pandemieregelungen und unsere
Reaktion darauf könnten somit zu einer Verbesserung der Prozessqualität in der Begleitung und
Beratung geführt haben.
Im Zeitraum zwischen April und August 2020 wurden über 4000 niedrigschwellige Kontakte auf
der Straße, im Substitutionsbereich und hauptsächlich „am Fenster“ gezählt.5 Im Berichtsjahr sind
deutlich weniger Termine ausgefallen als im Jahr zuvor.
Bei den nicht-konsumierenden Hilfesuchenden, den Angehörigen und anderen Dritten, ist der Anteil
zurückgegangen. Auch wenn die Mehrfachbetreuungen im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben
sind, sind die Einmalkontakte, die von dieser Zielgruppe „traditionell“ dominiert werden, deutlich
zurückgegangen. Dies begründet sich unter anderem damit, dass wir entsprechende Anfragen
zugunsten der gestiegenen Klienten-Bedarfe zunächst zurückgestellt hatten. Reduzierend wirkt
sich auch die Absage aller Gruppenangebote für Angehörige im Zuge der Pandemie aus.
Ähnlich wie bei weiblichen Jugendlichen könnten die Veränderungen mit der Pandemie den Zugang
zum Drogenhilfesystem erschwert haben. Hier könnte man aber auch die These wagen, dass durch
die verhäuslichenden Einschränkungen sowohl von Jugendlichen als auch von Eltern die familiären
Interaktionen verstärkt wurden – welche sich vielleicht nicht auf den Konsum der Kinder, aber auf
die Beziehungen und Erwartungen untereinander so ausgewirkt haben, dass eine Zuhilfenahme
des Systems als unnötig oder „übertrieben“ hätte erscheinen können. Dies mag auch für den obigen
Fall von Mädchen gelten. Und zweifelsohne sank auch hier die Auffälligkeit von Konsum durch den
Lockdown in der Feierkulturszene.
Jahresbericht 2021160
Geschäftsführung0911 8150-151 // 0911 8150-158Ludwigstraße 61, 90402 NürnbergFax: 0911 [email protected]
Verwaltung0911 8150-150Ludwigstraße 61, 90402 NürnbergFax: 0911 [email protected]
Kontakt & Beratung0911 8150-100Information, Beratung, Betreuung, StreetworkOttostraße 18, 90402 NürnbergFax: 0911 [email protected]/mudra.beratungsstelle
subway0911 8150-140Psychosoziale Betreuung für SubstituierteLudwigstraße 61, 90402 NürnbergFax: 0911 [email protected]
substanz0911 2406-872Substitutionsambulanz für DrogenabhängigeStromerstraße 12, 90443 NürnbergFax: 0911 [email protected]
mudra drogenhilfe
mudra –
Niedrigschwellige
Hilfen & Beratung
Kontaktadressen
161Jahresbericht 2021
mudra-update
mudra – Ambulante
Behandlung
enterprise0911 8150-160Information & Beratungfür Jugendliche (U21)Rothenburger Straße 33, 90443 NürnbergFax: 0911 [email protected]/enterprise3.0www.mudra-iknow.de
mudra-update0911 8150-160Information, Kommunikation, Prävention, Fortbildung zum Thema „Sucht & Drogen“Fax: 0911 [email protected]
cleanEx0911 8150-170Ambulante Therapie & Psychologische BeratungRothenburger Straße 33, 90443 NürnbergFax: 0911 [email protected]
explorer – Betreutes Einzelwohnen0911 8150-180Betreutes Einzelwohnen für DrogenabhängigeRothenburger Straße 33, 90443 NürnbergFax: 0911 [email protected]
explorer – Wohngemeinschaft0911 8150-190Betreutes Wohnen für ehemalige DrogenabhängigePostanschrift: Rothenburger Straße 33, 90443 NürnbergFax: 0911 [email protected]
Jahresbericht 2021162
mudra – Jugendhilfe
Berufliche Integration
Kontaktadressen
basecamp 0911 8150-300Stationäre Jugendhilfeeinrichtung für suchtgefährdete Jugendliche (SGB VIII)Birnthon 3b, 90475 NürnbergFax: 0911 [email protected]
basecamp-WG0911 8150-238Teilzeitbetreute Wohngruppe für UmA (SGB VIII)Dürrenhofstraße 47, 90478 NürnbergFax: 0911 [email protected]
mudra-Wald & Holz0911 8150-200Arbeit und Ausbildung für ehemalige Dro-genabhängige und SubstituierteSchieräckerstraße 25, 90431 NürnbergFax: 0911 [email protected]
mudra Tagesjobs0911 8150-220Jobs für Drogenabhängige und SubstituierteSchieräckerstraße 25, 90431 NürnbergFax: 0911 [email protected]
mudra-Kreativwerkstätten Schmuck- und Nähwerkstatt
0911 8150-210Arbeitsplätze für ehemalige drogenabhängige/substituierte FrauenSchieräckerstraße 25, 90431 NürnbergFax: 0911 [email protected]
163Jahresbericht 2021
mudra cleanUp0911 8150-200Arbeitsplätze für ehemalige Drogenabhängige/SubstituierteSchieräckerstraße 25, 90431 NürnbergFax: 0911 [email protected]
mudra Garten- und Landschaftsbau (mudra-Arbeit gGmbH) 0911 8150-250Arbeit und Ausbildung für ehemalige Drogenabhängige Hans-Thoma-Straße 3, 90431 NürnbergFax: 0911 [email protected]@mudra-online.dewww.mudra-gartenbau.de
Ich trete hiermit dem Verein „Fördergemeinschaft der mudra – Alternative Jugend- und Drogenhilfe Nürnberg e.V.“ bei.
Ich möchte weitere Informationen an meine unten stehende Anschrift.
Name
Anschrift
Beruf
Geburtstag
Meinen Jahresbeitrag von .............. Euro (Mindestbeitrag 20,- Euro)
buchen Sie bitte von meinem Konto ab
IBAN
BIC
Bank
Ort, Datum
Unterschrift
Bitte trennen Sie diese Seite heraus und schicken sie ausreichend frankiert an:
mudra DrogenhilfeLudwigstr. 6190402 Nürnberg
mu
dra
Jahr
esbe
richt
202
1
Ludwigstr. 6190402 Nürnbergwww.mudra-online.de
Telefon: 0911 8150-150Telefax: 0911 8150-159
Mitglied im PARITÄTischen Wohlfahrtsverband Bayern e.V.akzept – Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik e.V.FDR – Fachverband Drogen und Suchthilfe e.V.
Sparkasse NürnbergIBAN DE74 7605 0101 0001 3345 86BIC SSKNDE77XXX
Spendenkonto:Fördergemeinschaft mudra e.V.Sparkasse NürnbergIBAN DE80 7605 0101 0001 1510 51BIC SSKNDE77XXX
Jahresbericht 2021