Hochhausfassaden aus Membranen Untersuchung transparenter Folien als vorgespanntes Membranentragwerk bei Hochhausfassaden von Diplom-Ingenieur Piotr Adamczewski aus Bydgoszcz (Polen) von der Fakultät VI - Planen Bauen Umwelt der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Ingenieurwissenschaften - Dr.-Ing. - genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzender: Prof. Dr. Rudolf Schäfer Gutachter: Prof. Dipl.-Ing. Rainer Hascher Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Klaus Rückert Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 15.01.2008 Berlin 2008 D83
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Hochhausfassaden aus Membranen
Untersuchung transparenter Folien
als vorgespanntes Membranentragwerk
bei Hochhausfassaden
von Diplom-Ingenieur
Piotr Adamczewski
aus Bydgoszcz (Polen)
von der Fakultät VI - Planen Bauen Umwelt
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Ingenieurwissenschaften
- Dr.-Ing. -
genehmigte Dissertation
Promotionsausschuss:
Vorsitzender: Prof. Dr. Rudolf Schäfer
Gutachter: Prof. Dipl.-Ing. Rainer Hascher
Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Klaus Rückert
Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 15.01.2008
Berlin 2008
D83
II
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen des NaFöG-Promotionsstipendiums
während meines Aufenthaltes am Fachgebiet für konstruktives Entwerfen und
klimagerechtes Bauen am Institut für Architektur der Technischen Universität Berlin
in den Jahren 2004-2007.
Besonderer Dank gilt meinem Betreuer und Fachgebietsleiter, Herrn Prof. Rainer
Hascher, der mich über die Jahre fachlich wie menschlich unterstützt und gefördert
hat.
Ich danke außerdem Herrn Prof. Klaus Rückert für seine Mitbetreuung
als auch für die freundliche Übernahme der Begutachtung
und Herrn Prof. Rudolf Schäfer für den Vorsitz des Promotionsausschusses.
Herrn Professor Dr.-Ing. Lothar Gründig und Herrn Dr.-Ing. Dieter Ströbel
von der Firma Technet danke ich für die Bereitstellung und Hilfestellung bei der
Anwendung des Rechenprogramms EASY.
Mein Dank gilt ebenfalls Herbert Vossbeck und Simone Jeska für die kritischen
Korrekturen und wertvolle Kommentare sowie den wissenschaftlichen und
studentischen Mitarbeitern des Fachgebiets für Ihre Hilfsbereitschaft bei allen
auftretenden Problemen.
Herrn Edgar Schlaefle danke ich dafür, dass sich während der Promotionszeit die
wissenschaftliche Arbeit mit meiner beruflichen Tätigkeit verbinden ließ.
Abschließend ein großer Dank an meine Frau, meine Eltern und meine Großmutter
für ihre Begleitung und Unterstützung zum erfolgreichen Gelingen dieser Arbeit.
III
Abstrakt Diese Arbeit untersucht die Anwendung transparenter Membranen
als äußere Gebäudehülle von Hochhäusern. Die Schwerpunkte dieser Untersuchung
bilden die gestalterischen Möglichkeiten der Membranfassaden und deren
Spannungs- und Verformungsanalyse. Die Arbeit ist als erster Schritt
der noch ausstehenden Prüfung der technischen und anwendungsbedingten
Einsatzmöglichkeiten von Membranen als Hochhausfassade zu sehen.
Das erste Kapitel gibt einen Überblick über die Haupteigenschaften
der Membrankonstruktionen. Außerdem werden die Membranmaterialien vorgestellt
und unter dem Aspekt der Anwendung als Hochhausfassade beurteilt.
Vorteile für den Einsatz transparenter Membranen als Gebäudehülle sind in der
Anwendung als Außenschale einer Doppelfassade sowie als einschalige
Membranfassade für Lichthöfe oder Wintergärten zu erwarten. Diese
Einsatzbereiche bilden den Schwerpunkt der Untersuchung.
Im zweiten Kapitel sind die möglichen Formen der Membranfassaden für die
jeweiligen Einsatzbereiche systematisch dargestellt und an die üblichen
Hochhauskonstruktionen und -formen angepasst. Die Auswahl möglicher
Fassadenformen für weitere Untersuchung ergibt sich aus den konstruktiven und
funktionalen Anforderungen einer Fassade.
Das dritte Kapitel umfasst die Spannungs- und Verformungsanalyse
der Membranfassaden aus transparenter ETFE-Folie unter Einwirkung
der Normlasten. Hierfür ist die Folie durch ein Seilnetz modelliert
und die Spannungen und Verformungen sind nach der Kraftdichtemethode
berechnet. Diese Vorgehensweise dient der Einschätzung des Anwendungsbereichs
der einzelnen Fassadenmodelle. Die Bewertung der Berechnungsergebnisse bildet
die Grundlagen für eine konstruktive Ausbildung von Hochhausfassaden
aus Membranen.
Anschließend sind die Untersuchungsergebnisse untereinander verglichen
und es sind Fassadentypen für bestimmte Anwendungsbereiche ausgewählt.
Ein Ausblick zeigt das Entwicklungspotenzial von Membranfassaden
für Hochhäuser sowie noch offene Untersuchungsfelder in diesem Gebiet auf.
IV
Abstract This work examines the application of transparent membranes as a facade
of high-rise buildings. The emphasis is put on the formative possibilities
of the membrane facades and their tension and deformation analysis. This work
is to be seen as the first step in the verification of a technical and application-
conditioned implementation of membranes as a high-rise building facade.
The first chapter gives an overview of the main characteristics of the membrane
constructions. Additionally, the membrane materials are presented and judged
under the aspect of their application as a high-rise building facade. The advantages
of transparent membranes as a building envelope are to be expected when
membranes are used as an outer skin of a double facade as well as facades
of patios or winter gardens. These areas of application form the main focus
of the work.
In the second chapter, the possible forms of the membrane facades
for the respective areas of application are shown successively. The membrane forms
are adapted to the usual high-rise forms and constructions. The selection of possible
facade forms for further investigation results from the constructive and functional
requirements of a facade.
The third chapter contains the tension and deformation analysis of the membrane
facades made of transparent ETFE foil under the effect of the norm loads.
The foil is modelled by a cable net and the tensions and deformations are calculated
according to the force density method. This approach serves an appraisal
of the range of applications of the facade models. The evaluation of the calculation
results forms the basis for constructional planning of high-rise building facades
from membranes.
Afterwards, the investigation results are compared and facade types for certain
ranges of application are selected. An outlook indicates the developing potential
of membrane facades for high-rises as well as still open fields of investigation
in this area.
V
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis........................................................................................... VII Abbildungsverzeichnis...................................................................................... VIII Formelzeichen.................................................................................................... IX
1.1 Einleitung ..................................................................................................... 1 1.2 Stand der Technik ........................................................................................ 2
1.2.1 Membranen als tragendes Element ...................................................... 2 1.2.1.1 Pneumatisch vorgespannte Membranen........................................ 2 1.2.1.2 Mechanisch vorgespannte Membranen ......................................... 3 1.2.1.3 Weitere Möglichkeiten der Vorspannung ....................................... 4
1.2.2 Stand des Materialmarktes.................................................................... 4 1.2.3 Anwendung von Membranen im Fassadenbereich ............................... 7
1.3 Untersuchungsbereiche für den Einsatz von Membranfassaden ................. 9 1.3.1 Membranen als Außenschale einer Doppelfassade............................ 11 1.3.2 Einschalige Membranfassade für Wintergärten und Lichthöfe ............ 12
2.1 Systematik der Membranfassaden............................................................. 14 2.1.1 Struktur der Membranfassade............................................................. 15
2.1.1.1 Modulare Struktur ........................................................................ 15 2.1.1.2 Weit gespannte Struktur............................................................... 15 2.1.1.3 Megastruktur ................................................................................ 16
2.1.2 Arten der Vorspannung ....................................................................... 17 2.1.2.1 Mechanische Vorspannung und Ihre Grundformen ..................... 17 2.1.2.2 Pneumatische Vorspannung und ihre Grundformen .................... 18
2.2 Objektparameter......................................................................................... 20 2.2.1 Das Objekt - Hochhaus ....................................................................... 20
2.2.1.1 Die Hochhausformen ................................................................... 20 2.2.1.2 Die Modellhochhäuser ................................................................. 20
2.2.2 Die Hochhausfassade ......................................................................... 23 2.2.2.1 Tragwerk der Hochhausfassade .................................................. 23 2.2.2.2 Die Doppelfassaden..................................................................... 24 2.2.2.3 Fassaden von Wintergärten und Lichthöfen................................. 26 2.2.2.4 Konstruktive Ausbildung von Membranfassaden ......................... 27
3 Spannungs- und Verformungsanalyse.......................................................... 34
3.1 Das Fassadenmaterial ............................................................................... 34 3.1.1 Materialauswahl .................................................................................. 34 3.1.2 Materialwerte für die Spannungs- und Verformungsanalyse............... 37
3.2 Das Sicherheitskonzept.............................................................................. 38 3.3 Lasten und Verformungsbilder ................................................................... 40
3.3.3 Werte für die Spannungs- und Verformungsanalyse........................... 48 3.3.4 Lastkombinationen .............................................................................. 53
3.4 Spannungs- und Verformungskontrolle mit dem Programm EASY ............ 55 3.4.1 Theoretische Grundlagen.................................................................... 55
3.4.1.1 Analytische Formfindung - die Kraftdichtemethode...................... 55 3.4.1.2 Statische Analyse mit der Kraftdichtemethode............................. 57 3.4.1.3 Statische Analyse pneumatischer Membrankonstruktionen......... 58
3.4.2 Vorbemerkungen zur statischen Berechnung ..................................... 59 3.4.3 Ergebnisse der statischen Berechnung der mechanisch vorgespannten Fassadenmodelle .............................................................................................. 60
3.4.3.1 Typ A............................................................................................ 60 3.4.3.2 Typ B............................................................................................ 64 3.4.3.3 Typ C ........................................................................................... 65 3.4.3.4 Typ D ........................................................................................... 66 3.4.3.5 Typ E............................................................................................ 67 3.4.3.6 Typ F............................................................................................ 70 3.4.3.7 Typ G ........................................................................................... 75 3.4.3.8 Typ H ........................................................................................... 77 3.4.3.9 Zusammenfassung ...................................................................... 79
3.4.4 Ergebnisse der statischen Berechnung der pneumatisch vorgespannten Fassadenmodelle .............................................................................................. 83
3.4.4.1 Typ I ............................................................................................. 86 3.4.4.2 Typ J ............................................................................................ 87 3.4.4.3 Typ K............................................................................................ 88 3.4.4.4 Typ L............................................................................................ 92 3.4.4.5 Zusammenfassung ...................................................................... 96
4 Ergebnisse und Ausblick................................................................................ 98
Abbildung 6: Earth Centre, Doncester (2000) [MB03]
Abbildung 7: Space Center, Leicester (2001) [Sky03]
Abbildung 8: Alianz Arena, München (2005) [Osr08]
8
Die dargestellten Beispiele zeigen eine Auswahl realisierter Fassadenkonstruktionen
aus mechanisch und pneumatisch vorgespannten Membranen.
In der Abbildung 1 ist ein experimenteller Turmbau des Architekten Ron Herron
(Archigram) dargestellt, der die Transluzenz des Materials zur Überhöhung
seiner luftig leichten Konstruktion verwendet.
Die Abbildung 2 zeigt das erste Hochhaus (320 m), das mit einer großflächigen
Membranfassade (168 m) realisiert worden ist. Die Fläche der 2-lagigen
Membranfassade aus Glasfasergewebe mit Polytetrafluorethylen-Beschichtung
beträgt 14000 m2, das Gesamtgewicht 700 Tonnen. Eine herkömmliche Glasfassade
hätte das 1,5-fache Gewicht und würde sowohl in den Herstellungs-
als auch in den Wartungskosten wesentlich höher liegen als die ausgeführte
Membranfassade. 9
Bei der Wohnsiedlung Oasis (Abbildung 3) ist die opake Fassade
mit einer mechanisch vorgespannten Membran aus PVC-beschichtetem
Polyestergewebe verkleidet. Hier hat sich das Membranmaterial aufgrund der
schlechten schmutzabweisenden Eigenschaften nicht bewährt. Schon wenige Jahre
nach der Fertigstellung weist die Membranfläche dauerhafte Verschmutzung auf.
Bei dem Gesundheitszentrum in Bad Tölz (Abbildung 4) ist die Fassade aus einer
mechanisch vorgespannten, teilweise bedruckten Ethylen-Tetrafluorethylen-Folie
ausgeführt, bei der die Anti-Haft-Eigenschaften besonders ausgeprägt sind. Diese
großflächige, einlagige Folienfassade dient einer viergeschossigen, ungeheizten
Galerie ausschließlich als Witterungsschutz. Faltenbildung ist in einigen Bereichen,
in denen keine konstruktive Nachspannung vorgesehen wurde, zu beobachten.
Einfacher zu konstruieren ist die Nachspannung bei pneumatisch vorgespannten
Membrankonstruktionen, die im Fassadenbereich in Form von Luftkissen
(Abbildungen 5 bis 8) eingesetzt werden. Um die Vorspannung dauerhaft aufrecht
zu erhalten, kommen Luftpumpen zum Einsatz. Die Mehrlagigkeit der Luftkissen
verbessert die Wärmedämmwerte der Fassade, verringert jedoch ihre Transparenz.
In den Abbildungen 5 und 6 sind Pneus bei traditionellen Gebäudeformen
als Fassadenelemente eingesetzt. Die Fassaden entstehen durch Addition
von einfachen, sich wiederholenden Modulen.
Eine Differenzierung der Modulgrößen und - formen (Abbildungen 7 und 8)
ermöglicht es, Gebäudeformen auszuführen, die mit biegesteifen Materialien nicht
oder nur mit einem sehr hohen Kostenaufwand umsetzbar wären.
9 Vgl. Skyspan GmbH: Membranfassade für ein Hotel in Dubai, in: Detail 6/2000 München, S. 1067
9
1.3 Untersuchungsbereiche für den Einsatz von Membranfassaden
In der Tabelle 2 sind die Eigenschaften der marktüblichen Membranmaterialien
aus der Tabelle 1 kommentiert. Gleichzeitig sind die Funktionsbereiche
hervorgehoben, bei denen die Anwendung von Membranfassaden im Hochhausbau
besondere Vorteile erwarten lässt.
Materialeigenschaften
Erwartete Vorteile beim Einsatz als Fassadenmaterial
Formbarkeit Die doppelt gekrümmten Flächen eines Membrantragwerks ermöglichen die Gestaltung organischer Formen, die mit anderen Materialien nur mit großem Aufwand realisierbar wären. Bei Anwendung als Hochhausfassade kann die doppelt gekrümmte Form die Zeichenhaftigkeit des Hochhauses unterstützen.
Aufbau / Recycelbarkeit In der Regel bestehen Membranen aus Verbundmaterialien, die nicht oder kaum recycelbar sind. Eine Ausnahme bilden die chemisch homogenen Materialien (Folien und textile Stoffe mit Gewebe und Beschichtung aus einer Substanz), die nahezu vollständig recycelbar sind.
Zugfestigkeit Die Zugfestigkeit der Membranen ist von deren physikalischen Aufbau, von den Eigenschaften der verwendeten Materialien sowie von dem Herstellungsprozess abhängig. Grundsätzlich haben textile Membranen eine höhere Zugfestigkeit als homogene Folien. Dennoch können die Membrankonstruktionen aus Folien Spannweiten von mehreren Metern erreichen.
Materialstärke / Gewicht / Wärmedämmwerte
Die Materialstärken von Folien und textilen Membranen liegen meist unter 1 mm. Das daraus resultierende geringe Gewicht führt zu einer Entlastung des Hochhaustragwerks. Durch die geringe Masse ist der Materialaufwand deutlich niedriger als bei traditionellen Fassaden. Als Nachteile der geringen Materialstärke und Masse sind die schlechten Wärmedämmwerte und das Fehlen der Speichermasse zu nennen, was die Anwendung einlagiger Membranen als wärmedämmende Gebäudehülle ausschließt. Denkbar ist die Anwendung von Membranen als Außenschale einer Doppelfassade, mehrlagige Membrankonstruktion oder einlagige Membrankonstruktion ohne wärmedämmende Anforderungen.
Bruchdehnung / Reißdehnung
Membranen verfügen über besonders ausgeprägte elastische Eigenschaften. Aufgrund dieser Eigenschaft kann eine Membranfassade die Bewegung des Hochhaustragwerks kompensieren.
Knickbeständigkeit Wird die Membran als äußere Schale einer Doppelfassade eingesetzt, so ist die Ausbildung einer wandelbaren Membranfassade, die sich an die wechselnden Klimabedingungen anpasst, nahe liegend. Für Konstruktionen dieser Art ist die Knickbeständigkeit des Membranmaterials von Bedeutung. Für wandelbare Lösungen eignen sich Materialien, die auch bei temporären Membrankonstruktionen eingesetzt werden (z.B. PES/PVC). Auf dem Markt gibt es jedoch noch keine Membranmaterialien, die sowohl transparent sind als auch eine gute Knickbeständigkeit aufweisen.
10
UV-Beständigkeit Als Fassadenmaterial sind die Membranen der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Weil die UV-Beständigkeit Einfluss auf die Lebensdauer des Materials hat, ist diese Eigenschaft von wesentlicher Bedeutung. Folien, Beschichtungen und Lacke aus Fluorpolymeren weisen eine sehr gute UV-Beständigkeit auf.
Schmutzabweisendes Verhalten
Die Reinigungskosten von Hochhausfassaden haben einen erheblichen Anteil an den laufenden Wartungskosten. Die Anti-Haft-Eigenschaften der Fluorpolymere bewirken bei Fluorpolymerfolien oder textilen Membranen mit Fluorpolymerbeschichtung einen Selbstreinigungsprozess. Das erübrigt die Fassadenreinigungskosten.
Feuerbeständigkeit Die Mehrzahl der Membranmaterialien wird der Feuerwiderstandsklasse B1 - schwer entflammbar -zugeordnet, sodass die Anwendung als Fassadenmaterial eine Zustimmung im Einzelfall erfordert. Nur wenige Membranmaterialien (z.B. Glas/PTFE) werden als nicht brennbar A2 eingestuft und können ohne weitere Prüfung im Fassadenbereich eingesetzt werden.
Transparenz/ Transluzenz Für den Einsatz von Membranfassaden bei Aufenthaltsräumen kommen nur transparente Folien in Betracht, um die Sichtbeziehungen von innen nach außen zu gewährleisten. Die hohe Licht- und UV-Durchlässigkeit einer Folienfassade kann sich positiv auf die energetische Bilanz des Gebäudes auswirken. Aufgrund ihrer extrem guten Durchlässigkeit der UV-Strahlung, die für das Wachstum der Pflanzen benötigt wird, eignen sich transparente Folien besonders gut als Fassadenmaterial von Wintergärten. Als Außenwände von Lichthöfen, bei denen auf ein Sichtbezug nach Außen verzichtet werden kann, kommen ebenfalls transluzente Textilmembranen in Betracht.
Lebenserwartung Die geschätzte Lebensdauer der meisten Membranmaterialien liegt zwischen 20 und 30 Jahren. Es handelt sich um Schätzungswerte, weil die Mehrzahl der Materialien noch nicht so lange auf dem Markt ist, um deren Lebensdauer an Objekten überprüfen zu können. Für Objekte, die die geschätzte Membranlebensdauer überschreiten sollen, ist die Austauschmöglichkeit der Membran vorzusehen.
Schalldämmung Membranmaterialien haben aufgrund ihres geringen Flächengewichts sehr geringe schalldämmende Eigenschaften. Sie lassen den Schall durch ohne ihn zu reflektieren. Zwar lässt sich durch eine erhöhte Beschichtungsdicke bei gleichzeitiger Einlagerung von Metallstaub usw., also über eine Erhöhung des Flächengewichts, ein mittleres Schalldämmmaß von bis zu 22dB erzielen, allerdings geht dies zulasten der Transluzenz. 10
Wirtschaftlichkeit Wegen der Formbarkeit, der Leichtigkeit, dem geringen Materialaufwand, des schmutzabweisenden Verhaltens, der hohen Transparenz und UV-Durchlässigkeit sowie der hohen Lebenserwartung sind Hochhausfassaden aus Membranen wirtschaftlich interessant.
Tabelle 2: Erwartete Vorteile beim Einsatz von Membranmaterialien als
Fassadenmaterial 10 Vgl. Sobek, W.; Speth, M.: Textile Werkstoffe im Bauwesen (SS93), in: Deutsche Bauzeitung 9/93 Stuttgart 1993, S. 80
11
Aus der durchgeführten Analyse resultieren folgende Bereiche für die Anwendung
von Membranfassaden im Hochhausbau, die besonders interessant sind:
1.3.1 Membranen als Außenschale einer Doppelfassade
Doppelfassaden werden bei Hochhäusern eingesetzt, um das Öffnen der Fenster
zur natürlichen Lüftung der Arbeitsräume in den oberen Geschossen zu ermöglichen.
Die äußere Fassade schützt vor dem direkten Windangriff, der bei geöffneten
Fenstern zu Zugerscheinungen in den Innenräumen führen kann. Die zweite
Fassade leistet auch einen zusätzlichen Schallschutz.
Doppelfassaden werden hauptsächlich im Bürobau eingesetzt. Bei Fassaden
von Aufenthaltsräumen soll die Sichtbeziehung von innen nach außen gewährleistet
sein, was die Auswahl des Membranmaterials auf transparente Folien begrenzt.
In Bereichen, die keine Transparenz erfordern (z.B. Brüstungen), können
transluzente textile Membranen eingesetzt werden. Eine solche Lösung kann
gestalterisch und nutzungsbedingt wünschenswert sein, verursacht aber zusätzliche
Probleme, die mit der kraftschlüssigen Verbindung unterschiedlicher Membranstoffe
zusammenhängen. Eine konstruktive Trennung beider Membranarten löst dieses
Problem, steigert aber die Komplexität und das Ausmaß der Fassadenkonstruktion
und kommt deshalb von den ästhetischen Grundsätzen des Leichtbaus ab.
Während das geringe Gewicht der Membranfassade bei Neubauten
zu einer Reduzierung der Eigenlast führt, spielt es bei bestehenden Hochhäusern,
deren Tragkonstruktion zusätzliche Lasten nur begrenzt aufnehmen kann,
oft eine entscheidende Rolle.
Als äußere Hülle einer doppelschaligen Fassade dient die Membranfassade
ausschließlich dem Witterungsschutz und ist vom klimatischen Raumabschluss,
den die innere Fassade leisten muss, getrennt. Also sind die schlechten
Dämmeigenschaften der Membranen bei derartiger Anwendung nicht relevant.
Der Schallschutz ist bei den doppelschaligen Fassaden für das ganze
Fassadensystem zu beurteilen. Bei einem Fassadensystem mit einer Membran
als Außenfassade muss die innere Fassade die schallschützende Funktion
übernehmen.
Fazit: Für die Anwendung von Membranen als Außenschale einer
Doppelfassade ist der Einsatz von permanenten, sowohl pneumatisch, als auch
11 Vgl.: Kugel, F.: Zum Entwerfen von Zeltkonstruktionen (Kug98), in: Detail 8/1998, S. 1463
18
Bei Membranmaterialien mit großen zulässigen Verformungen
kann die Membranfläche auch eben gespannt werden. Die in diesem Fall
synklastische Krümmung der Fläche stellt sich unter Einwirkung der Windlast ein.
Der Wert der mechanischen Vorspannung wird so gewählt, dass bei Belastung
keine spannungslosen Zustände in der Membran auftreten. Damit werden
die Faltenbildung und das Flattern der Membranfläche, die zur Verkürzung
der Lebensdauer einer Membran führen würden, vermieden.
Die Membran kann zusätzlich durch Seile oder Gurte gestützt werden,
die auf der Membranfläche aufliegen und die Membranfläche bei der Einwirkung
von Windlasten unterstützen.
2.1.2.2 Pneumatische Vorspannung und ihre Grundformen
Pneumatisch vorgespannte Membranen weisen eine synklastisch gekrümmte Form
auf. Die Form wird durch feste Auflager, Vorspannung und Volumen
(bzw. Innendruck) definiert.
Pneumatisch vorgespannte Kissen werden in Rahmen eingespannt. Bei der Wahl
der Form des Rahmens ist zu beachten, dass je spitzer der innere Winkel
des Rahmens, desto problematischer ist es der Faltenbildung in dem spitzen
Eckbereich entgegenzuwirken. Vorzuziehen sind quadratische, rechteckige,
rautenförmige oder mehreckige Formen, die durch das Zusammensetzen
eine geschlossene Fläche bilden.
Abbildung 11: Rahmenformen für die Ausbildung von pneumatischen Kissen
19
Kissenkonstruktionen werden auch in Schlauchform ausgebildet,
z.B. als geschosshohe, übereinander angeordnete Ringe, die dem Gebäudeumriss
folgen (Abbildung 7).
Bei den pneumatisch vorgespannten Membranen sind Vorspannung und Krümmung
(Stich) so zu bemessen, dass bei Belastung keine spannungslosen Zustände
auftreten.
In Bereichen und bei Spannweiten, bei denen die Tragfähigkeit der Membran nicht
ausreichend ist um die Windlasten aufzunehmen, werden zusätzlich stützende
Elemente in Form von Seilen und Gurten eingesetzt. Bei Überdruckpneus werden
Seile oder Gurte auf der Außenseite des Pneus eingesetzt. Bei Unterdruckpneus
werden Seile oder Gurte innenseitig angebracht.
Eine weitere Art der pneumatischen Konstruktionen bilden die Traglufthallen,
bei denen die Vorspannung der Membran durch den Überdruck im Innenraum
erzeugt wird. Traglufthallen werden hier nicht untersucht.
20
2.2 Objektparameter
Um die Form der Membranfassade festlegen zu können,
müssen die Randbedingungen des Objekts, an dem die Membranfassade
zum Einsatz kommen soll, betrachtet werden.
2.2.1 Das Objekt - Hochhaus
„Hochhäuser sind Gebäude, bei denen der Fußboden mindestens eines
Aufenthaltsraumes mehr als 22 m über der festgelegten Geländeoberfläche liegt.“ 12
2.2.1.1 Die Hochhausformen
Hochhäuser sind turmartige Bauten. Ihre Form basiert auf geometrischen
Grundkörpern oder deren Abwandlung. Die Form des Hochhauses wird
durch das Hochhaustragwerk und die Fassade samt Fassadentragwerk bestimmt.
Im Rahmen dieser Arbeit sind Membranfassaden für Hochhäuser mit quadratischer
und runder Grundrissform untersucht. Kriterien für die Auswahl der Grundrisstypen
sind die gängige Baupraxis in Deutschland13 sowie die Eignung zur Untersuchung
von Membranfassaden an ebenen und gekrümmten Fassadenflächen.
2.2.1.2 Die Modellhochhäuser
Die üblichen Gebäudetiefen sind in Europa geringer als in den USA oder in Asien.
Der Wunsch nach natürlicher Belichtung der Arbeitsräume führt bei zentraler innerer
Erschließung zu Gebäudetiefen von etwa 26 m.
Die maximale Gebäudehöhe und Schlankheit (Verhältnis von Höhe zu Breite) richten
sich nach den Behaglichkeitsanforderungen. Aus Behaglichkeitsgründen darf
die Horizontalbeschleunigung am Gebäudekopf 20 bis 25 mg (20 bis 25 %o
der Erdbeschleunigung g) unter einem 10-Jahreswind nicht überschreiten.
Hochhäuser mit einer Schlankheit von bis zu 8 sind das Ergebnis. 14
12 Bauordnung für Berlin (BauO Bln) in der Fassung vom 3. September 1997, Teil I, § 2, Abs. 3 13 Vgl. Eisele, J.; Kloft, E. [Hrsg.]: HochhausAtlas (EK02), München 2002, S.256 - 277 14 Vgl. König, G.; Laubach, A.: Innovative Entwicklungen im Hochhausbau (KL01), in: König, Gert [Hrsg.]: Trends in Tall Building. International Conference, Frankfurt am Main 2001, S. 6
21
Als Modell für die Untersuchung sind 198 m hohe Hochhäuser (54 Geschosse
je 3,5 m, Erd- und Dachgeschoss je 4,5 m) mit einer Gebäudetiefe von 27 m
angenommen. Die Schlankheit der Modelle liegt unter einem Wert von 8.
Die Höhenbestimmung deckt das Spektrum der Hochhäuser in Deutschland fast
vollständig ab (höchstes Gebäude: Commerzbank, Frankfurt am Main, 259 m;
zweithöchstes Gebäude: Maintower, Frankfurt am Main, 200 m).
Die Modellhochhäuser unterscheiden sich durch ihre Grundrissformen:
Kreis und Quadrat. Untersucht werden ein zylindrisches und ein quaderförmiges
Modellhochhaus.
Zur Aussteifung bei Hochhäusern dienen im Regelfall der innere Kern
und die äußere Hülle, die zu einem Aussteifungssystem zusammengefasst werden.
Im Kernbereich werden die Wandscheiben der Erschließungskerne
für die Aussteifung herangezogen.
Im Fassadenbereich besteht häufig die Forderung einer hohen Transparenz,
was dazu führt, dass an der Fassade lediglich Stützen zum Vertikallastabtrag
angeordnet werden. Die gesamten Horizontallasten werden in diesem Fall
im Gebäudeinneren, also von den Kernen, aufgenommen. Ist die Schlankheit
der Kerne zur Aufnahme der Horizontallasten zu klein, werden diese über zusätzliche
Auslegerträger, sogenannte Outrigger, untereinander oder mit den Fassadenstützen
gekoppelt (z.B.: Maintower, Frankfurt am Main). So konzipierte Aussteifungssysteme
können die maximale Gebäudetiefe als Hebelarm für die Ausbildung
der Einspannwirkung über ein Kräftepaar nutzen. Daraus ergibt sich,
dass ein Hochhaus mit gleichem Aussteifungssystem und größerer Gebäudetiefe
höher werden kann als ein Gebäude mit geringerer Tiefe.
Mit dem Maintower werden die Grenzen der Leistungsfähigkeit fassaden-
unabhängiger Aussteifungssysteme für Hochhäuser mit üblicher Tiefe erreicht.
Werden größere Höhen angestrebt, muss nicht nur der Vertikallastabtrag,
sondern auch der Horizontallastabtrag zumindest partiell im Bereich der Fassade
geschehen. Durch eine schubsteife Ausbildung der Fassade, d.h. eine schubfeste
Verbindung der jeweiligen Eckpunkte über Breite und Tiefe des Gebäudes
zu einem sogenannten Röhrentragwerk, wird die Gesamtbreite des Hochhauses
statisch wirksam. 15
15 Grohmann, M.; Kloft, H.: Tragwerke (GK02), in: Eisele, J.; Kloft, E. [Hrsg.]: HochhausAtlas, München 2002, S. 102-111
22
Folgende vereinfachte Grundrisse sind die Grundlage für die weitere Untersuchung
der Hochhausfassaden aus Membranen:
Abbildung 12: Regelgeschosse der Modellhochhäuser
Abbildung 13: Regelgeschosse der Modellhochhäuser mit Wintergärten
6,00 6,00 6,00 6,006,00 12,00 6,0027,00
6,00
6,00
6,00
6,00
27,00
27,0
0
6,00 12,00 6,0027,00
6,00
6,00
6,00
6,00
27,00
27,0
0
6,00 12,00 6,00
23
2.2.2 Die Hochhausfassade
2.2.2.1 Tragwerk der Hochhausfassade
Die Aufgabe des Tragwerks einer Membranfassade besteht darin,
die Membranfläche zu spannen und die Lasten von der Membranfläche
an das Gebäudetragwerk weiterzuleiten. Die Ausbildung eines Membrantragwerks
ist vom Hochhaustragwerk und vom Aussteifungssystem des Hochhauses abhängig.
Befindet sich die Aussteifung ausschließlich im Inneren des Hochhauses (z.B. zentral
angeordneter Kern), erfolgt die Kraftübertragung über die Geschossdecken.
In diesem Fall geben die Geschosshöhen das vertikale Fassadenraster vor.
Als Vorgabe für das Horizontalraster wird das Ausbauraster berücksichtigt.
Dieses liegt für Bürobauten zwischen 1,20 und 1,80 m (1,35 m - optimal
für Zellenbüros, 1,50 m - optimal für Kombibüros).16
Befindet sich die Aussteifung im Fassadenbereich, so ist die Struktur
des Membrantragwerks von der Form und Größe des Aussteifungstragwerks
abhängig. Als Aussteifungstragwerke im Fassadenbereich kommen rechteckige
Rahmen (mit oder ohne diagonalen Aussteifungen), Scheiben, Röhren
(als Fachwerkgitter, Rahmen oder Stützen-Diagonalen-Fachwerke)
und geschossübergreifende Megastrukturen sowie deren Kombinationen zum
Einsatz.
Abbildung 14: Strukturen von Hochhausfassaden
1. Geschossdeckenraster bei Aussteifung im Gebäudeinneren
2. Geschossdeckenraster mit Ausbauraster bzw. Röhrentragwerk
aus rechteckigen Rahmen mit eng stehenden Stützen
3. Geschossdeckenraster und Rahmen mit diagonalen Aussteifungen
bzw. Fachwerkverband
16 Vgl. Brehme, T.; Meitzner, F.: Büroorganisation (BM02), in: Eisele, J.; Kloft, E. [Hrsg.]: HochhausAtlas, München 2002, S.63 - 66
24
4. Geschossdeckenraster und Röhre als Fachwerkgitter oder Stützen-
Diagonalen-Fachwerk
5. Geschossdeckenraster und Röhre als Stützen-Diagonalen-Fachwerk
oder Mega-Fachwerk
Diese Varianten zeigen das Spektrum der Fassadenstrukturen für Hochhäuser.
Die Formen der dabei entstehenden Fassadenfelder lassen sich auf Rechteck-,
Raute- und Dreiecksformen reduzieren. Folgt das Tragwerk der Membranfassade
dem Gebäudetragwerk, so wird die Struktur des Gebäudetragwerks
an der Membranfassade sichtbar. Wird das Gebäudetragwerk hingegen nur punktuell
als Auflager genutzt, kann das Membrantragwerk eine weitestgehend unabhängige
Struktur ausbilden, die das Gebäudetragwerk überlagert.
Die Größe des Fassadenfeldes, das mit einer selbsttragenden Membran überbrückt
werden kann, ist durch die Materialeigenschaften des gewählten Membranmaterials
begrenzt. Größere Spannweiten werden durch den Einsatz einer unterstützenden
Tragkonstruktion (z.B. Seilnetze, Hoch- und Tiefpunkte oder linear stützende
Tragteile) erreicht.
2.2.2.2 Die Doppelfassaden
Aufgrund ihrer Materialeigenschaften eignen sich Membranen vorzüglich
für den Einsatz als Außenfassade einer Doppelfassade und als Fassaden
von Wintergärten und Lichthöfen.
Doppelfassaden sind hinsichtlich der Unterteilung des Fassadenzwischenraums
und der angestrebten Lüftungsfunktion differenziert17:
• Kastenfenster: Der Fassadenzwischenraum ist horizontal achs-
oder raumweise getrennt. In vertikaler Richtung besteht eine geschossweise
oder fensterbezogene Abschottung. Die Außenfassade weist an jedem
Fenster Zu- und Abluftöffnungen zur Belüftung des Fassadenzwischenraums
Durch die extrem hohen Dehnungen im plastischen Bereich ist im baupraktischen
Zusammenhang weniger die Bruchgrenze der Folie (ca. 50 bis 60 N/mm2) relevant,
sondern ihr Verhalten bis zur Fließgrenze. Der monoaxial gemessene Mittelwert
der Fließspannung beträgt nach DIN EN ISO 527-1 ca. 21 bis 23 N/mm2.
Die Schwankungsbreite der mechanischen Kennwerte des homogenen
und näherungsweise isotropen Materials ist gering. Der bei der Fließspannung
gemessene E-Modul beträgt ca. 200 N/mm2, bei einem Gebrauchslastniveau
von 15 N/mm2, beträgt er ca. 550 N/mm2. Es ist bei der Auswertung der Messungen
zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse von der Temperatur,
der Belastungsgeschwindigkeit, den Probeabmessungen, der Belastungsgeschichte
sowie dem jeweiligen Spannungszustand abhängen. Ein einachsiger (monoaxialer)
Spannungszustand tritt nur ein, wenn in einer Richtung eine Zugspannung herrscht
und in der orthogonalen Richtung die Folie spannungslos ist. Beim Flächentragwerk
tritt dieser Grenzzustand nur selten ein. Einerseits ist er im Hinblick
auf eine Faltenbildung und dem damit verbundenen Verlust der Formstabilität
zu vermeiden, andererseits zeigt die Folie eine ausgeprägte Querdehnung auf,
die einer Entspannung der Folie in der Spannrichtung entgegenwirkt.
Die auf Gebrauchslastniveau gemessenen Steifigkeiten sind im orthotropen
Spannungszustand nach mehreren Be- und Entlastungszyklen etwa um den Faktor
1,2 größer als bei monoaxialer Beanspruchung. Bei Erstbelastung ergeben sich
wesentlich größere Faktoren in Relation zur monoaxialen Messung
auf Gebrauchsniveau, weshalb bei der Montage der Folie in situ mehrere Be-
und Entlastungszyklen durchgeführt werden.
Oberhalb der Fließgrenze ist die Folie extrem weich, sodass im Bruchzustand
Verformungen bis ca. 800 % auftreten. Der plastische Bereich ist zwar baupraktisch
nicht nutzbar, das Versagen tritt jedoch nicht schlagartig sondern erst
nach einer deutlichen Laststeigerung ein, wodurch eine ausgeprägte
Versagensvorankündigung gegeben ist. Zudem führen große plastische
Verformungen zu größeren Krümmungen, wodurch die Innenkräfte reduziert werden.
Der Weiterreißwiderstand ist sehr hoch. Nach Herstellerangaben beträgt
dieser 450 N/mm, gemessen nach DIN 53363 21. Die Erfahrungen aus der Praxis
zeigen, dass die hohe Duktilität der Folie bei einer Beschädigung ein Weiterreißen
unter Vorspannung verhindert. 22 (Unter Duktilität versteht man die Streck-
21 Nowofol GmbH, Siegsdorf, Produktinformationen 22 Vgl. Moritz, K.: Membranbau - Transparente Gebäudehüllen aus ETFE-Folie (Mori03), in: Horschig, J.[Hrsg.]: Stahl, Glas und Membranen in Industriebau, München 2003, S. 48-54
36
und Ziehbarkeit eines Kunststoffes ohne ihn zu zerstören. Duktiles Bruchverhalten
ist das Abgleiten der Molekülschichten unter mechanischem Stress (Zähbruch).)
Pneumatisch gestützte Konstruktionen bestehen aus mindestens zwei Folienlagen,
in deren Zwischenraum mittels Gebläse ein geringer Überdruck aufgebaut wird,
der die Folien zu einem Kissen formt, vorspannt und stabilisiert.
Der zur Stabilisierung erforderliche Überdruck beträgt nur ca. 200 bis 1000 Pascal
(Pa), was einer Flächenlast von 0,2-1,0 kN/m2, bzw. einer Wassersäule von 2-10 cm
entspricht. Der sich durch den Druck einstellende Stich des Kissens,
also die maximale Abweichung der oberen bzw. unteren Folie von der Nulllinie,
beträgt je ca. 10-15% der Spannweite. In seltenen Fällen wird statt des Überdrucks
ein Unterdruck aufgebracht, der ebenfalls eine entsprechende Stabilisierung bewirkt.
Durch die begrenzte Beanspruchbarkeit der Folie ist die maximale Pneuspannweite
auf wenige Meter begrenzt. Größere Spannweiten erfordern eine zusätzliche
Stützung durch Seile oder Netze.
Mechanisch vorgespannten ETFE-Folien sind erst seit etwa 1990 gebräuchlich.
Aufgrund der in Relation zu Gewebemembranen geringeren Belastbarkeit der Folien
beschränken sich die Anwendungen bis heute auf relativ kleine Elemente
bzw. auf große Flächen mit kleinteiliger Stützung (bis ca. 1,5 m).
Die Vorspannung der Folie wird so gewählt, dass unter Belastung
weder spannungslose Zustände in der Folie auftreten noch der Spannungszustand
unter Last über dem Gebrauchsniveau liegt.
EFEP-Folie: Ein weiteres transparentes Material ist die EFEP-Folie (Ethylen Fluoro
Ethylen Propylen). Die Materialproben zeigen, dass die Transparenz
bei diesem Material im Vergleich zur ETFE-Folie deutlich besser ist.
Dies ist das Ergebnis einer niedrigeren Schmelztemperatur von EFEP (160 °C -
Daikin EFEP RP-4020) im Vergleich zu ETFE (260 °C - Nowofol Nowoflon ET 6235J)
und der damit verbundenen verlangsamten Kristallisierung.
Allerdings ist die Zugfestigkeit von EFEP geringer als die der ETFE-Folie
(siehe Tabelle 1). Die EFEP-Folie ist seit 2003 auf dem Markt
und wird an Modellobjekten erprobt.
37
3.1.2 Materialwerte für die Spannungs- und Verformungsanalyse
Folgende Materialwerte aus Laboruntersuchungen einer ETFE-Folie 225 μm liegen
der nachfolgenden Spannungs- und Verformungsanalyse zugrunde:
Monoaxiale Festigkeitsversuche
In monoaxialen Festigkeitsversuchen an einer 0,225-mm-Probe, 100 x 100 mm,
wurden mittlere Zugfestigkeiten von 8,8 kN/m (bzw. 39,1 N/mm2)
in Extrusionsrichtung und 9,1 kN/m (bzw. 40,3 N/mm2) in Querrichtung gemessen. 23
Zulässige Spannungen (biaxiale Zugversuche)
Bei einer Belastung bis etwa 3 kN/m (bzw. 13,3 N/mm2) verhält sich die Folie
annähernd elastisch. Bei einer Belastung zwischen 3 kN/m und 4 kN/m flacht
die Kraft-Dehnungs-Kurve zunehmend ab. Der Verlauf ist durch eine verstärkte
Dehnungszunahme mit zunehmend plastischen Verformungsanteilen
gekennzeichnet. Der Verformungsmodul ist hier nicht mehr als Elastizitätsmodul
definiert. Bei einer Belastung über 4 kN/m (bzw. 17,8 N/mm2) stellt sich wieder
ein näherungsweise linearer Verlauf ein, der jedoch deutlich flacher ist.
Jede Laststeigerung führt zu einer ausgeprägten Dehnungszunahme, die sich nach
der vollständigen Entlastung über einen Zeitraum von 24 Stunden nur geringfügig
zurückbildet. 24 Es ist anzumerken, dass diese Grenzwerte stark von der Belastungs-
geschwindigkeit abhängig sind. Bei kurzzeitigen Windböen können deutlich höhere
Grenzwerte erreicht werden. Genauere Untersuchungen werden zurzeit
an der Technischen Universität Berlin durchgeführt.
Für die weitere Analyse wird die zulässige Spannung auf 14 N/mm2
(bzw. 3,5 kN/m bei einer Materialstärke von 250 μm) begrenzt.
E-Modul
Der Elastizitätsmodul ist abhängig von der Belastungsgeschichte und kann
wegen einer sehr starken Querdehnung des Materials nicht in monoaxialen
Versuchen bestimmt werden. Bei Erstbelastung verhält sich das Material deutlich
steifer als nach einigen Vorbelastungen. Durch lineare Regression der Messwerte
im linear elastischen Bereich wurde nach einigen Vorbelastungen
ein Elastizitätsmodul von 650 - 700 N/mm2 ermittelt. 25
Für die weitere Analyse wurde ein E-Modul von 700 N/mm2 (bzw. 175 kN/m
bei einer Materialstärke von 250 μm) angenommen. 23 Vgl. BBS03, S. 75 24 Vgl. BBS03, S. 74 25 Vgl. BBS03, S. 74
38
3.2 Das Sicherheitskonzept Das Sicherheitskonzept vieler nationaler und europäischer Normen basiert
auf der Methode der Grenzzustände. Bei dieser Methode werden die Einwirkungen
(charakteristische Werte) mit Teilsicherheitsbeiwerten multipliziert
(Bemessungswerte) und die Widerstände (Materialfestigkeit) werden durch
Teilsicherheitsbeiwerte dividiert. Für Kombinationen der Einwirkungen
(Kombinationsbeiwerte) werden Nachweise über die Tragfähigkeit
und die Gebrauchstauglichkeit geführt.
Ein ebenfalls gültiges Sicherheitskonzept basiert auf den zulässigen Spannungen.
Diese erhält man, indem die Bruchspannungen durch einen Sicherheitsfaktor
dividiert werden. Die vorhandenen Spannungen aus den Einwirkungen
(charakteristische Werte) müssen kleiner oder gleich den zulässigen Spannungen
sein.
Für Konstruktionsmaterialien, die im linear-elastischen Bereich arbeiten,
sollten die beiden Verfahren zu ähnlichen Ergebnissen führen. Für Strukturen,
die ein entfestigendes Werkstoffverhalten oberhalb der Proportionalitätsgrenze
aufweisen (z.B. Stahl oder Beton), erweist sich das Sicherheitskonzept
der Grenzzustände als das Bessere, da es genauer ist. Für Strukturen,
die eine starke Nichtlinearität der Geometrie aufweisen, insbesondere
Membrankonstruktionen, kann sich das Sicherheitskonzept der Grenzzustände
als ungeeignet erweisen, da die Geometrie der Struktur sowohl von der Größe
als auch von der Verteilung der Lasten abhängt; vor allem bei ungleichmäßiger
Lastverteilung kann die Anwendung der Sicherheitsbeiwerte zur bedeutenden
Verfälschung der Änderungen in der Geometrie führen.
Deshalb ist für die Berechnung von Membranen das Sicherheitskonzept
der zulässigen Spannungen besser geeignet. Für einzelne Komponenten
der Membrankonstruktion aus herkömmlichen Materialien, wie z.B. Stahl,
kann sich jedoch die Anwendung der Methode der Grenzzustände als notwendig
erweisen.
Die Sicherheitsfaktoren für die Berechnung der zulässigen Spannung
aus der Bruchspannung sind abhängig von dem verwendeten Material und der Art
und Dauer der Einwirkung. Die Werte liegen bei 5 - 7 für textile Membranen,
bei 2,5 für Seile und bei 3 für gewebte Gurte. 26
26 Vgl. Barnes, M.R.; Forster, B.; Dencher, M.: Structural design basis and safety criteria (BFD04), in: European Design Guide for Tensile Surface Structures, TensiNet 2004, S. 178
39
Um die Größe des Sicherheitsfaktors von Folien zu bestimmen,
bedarf es weitergehender Untersuchungen, die im Rahmen dieser Arbeit
nicht durchgeführt werden.
Grundsätzlich bezieht sich der Sicherheitsfaktor bei der Methode der zulässigen
Spannungen auf die Bruchspannung (Zugfestigkeit). Die von den Folienproduzenten
angegebenen Zugfestigkeitswerte basieren auf dem Verfahren nach EN ISO 527-1
(monoaxialer Spannungszustand). Die Testergebnisse für ETFE-Folien
mit den Materialstärken 100 μm, 200 μm und 250 μm zeigen, dass mit der Stärke
des Materials die Zugfestigkeit abnimmt. 27
Aufgrund der starken Verformungen im plastischen Bereich ist der Einsatz der ETFE-
Folien im linear-elastischen Bereich sinnvoll. Die Elastizitätsgrenze stellt
die maximale zulässige Spannung dar. Die Elastizitätsgrenze wird, entsprechend
dem Gebrauchszustand, im biaxialen Zugversuch ermittelt.
Der minimale Sicherheitsfaktor stellt den Bezug zwischen der Bruchspannung
und der Elastizitätsgrenze her. Aus den Labortests nach Anhang A3 und [BBS03]
ergibt sich ein Verhältnis Zugfestigkeit (nach EN ISO 527-1) zu Elastizitätsgrenze
(biaxial) von 3,9 bis 4,7 (je nach Folienstärke und Prüfrichtung).
Der Sicherheitsfaktor hat außerdem folgende Risiken abzudecken:
• Möglichkeit ungünstiger Abweichungen der Materialeigenschaften
von Labortestwerten ( ≥1)
• Möglichkeit von Ungenauigkeiten in dem Berechnungsmodell
(1,0 bei experimenteller Überprüfung)
• Unsicherheit der Lastgrößen, Lastverteilung, Einwirkungsdauer und Lasten
während der Bauphase sowie Unterschiede zu der geplanten Vorspannung
( ≥1)
• Auswirkung von Temperatur auf die Materialeigenschaften (siehe Anhang A3)
• Weitere unvorgesehene Faktoren ( ≥1)
Im Rahmen einer weitergehenden Untersuchung ist festzustellen, wie diese Risiken
durch ein zeitlich begrenztes Überschreiten der Elastizitätsgrenze mit folgender
Notwendigkeit der Nachspannung plastisch verformter Folien abgedeckt werden.
Für die Berechnungen im Rahmen dieser Arbeit wurde der minimale
Sicherheitsfaktor angenommen.
27 siehe Anhang 3
40
3.3 Lasten und Verformungsbilder Die auf Fassaden einwirkende Hauptlast ist die Windlast. Sie ist im Rahmen dieser
Arbeit ausführlich behandelt und dient als Ausgangspunkt für die Vordimensionierung
der Membranfassaden. Außerdem wird die Auswirkung der Temperaturverformung
auf die Vorspannung überprüft. Weitere Lasten und Verformungsbilder,
die für konkrete Objekte zu analysieren sind, werden nur angedeutet und gehen nicht
in die Spannungs- und Verformungsanalyse ein. Diese Vorgehensweise dient
einer Einschätzung der Einsatzmöglichkeiten von Membranfassaden
ohne Berücksichtigung der Konstruktion, der Baudynamik und der Nutzung
des Bauobjekts.
Die Fassade überträgt die Windlast auf die Tragstruktur. Die resultierenden
Verformungen der Tragstruktur werden von der Fassade aufgenommen.
Bei Membranfassaden werden die Verformungen entweder über die bewegliche
Lagerung der starren Fassadenmodule oder über die elastische Membranhaut selbst
aufgenommen.
Für die Ausbildung von Membranfassaden ergeben sich zwei Möglichkeiten:
• die in sich geschlossene Fassadenkonstruktion, die über Bewegungsfugen
die Verformungen des Tragwerks aufnimmt und
• die elastische Fassadenkonstruktion, welche die Verformungen
des Tragwerks fugenlos aufnimmt.
Beide Konstruktionsvarianten können kombiniert werden. Bei der Allianz Arena
ist die Dachkonstruktion als eine feste, fugenlose Schale unabhängig
vom Primärtragwerk ausgeführt. An der Fassade werden die Bewegungen
des Primärtragwerks von einseitig verschiebbaren Fassadensprossen aufgenommen
und auf die Folienkissen lokal übertragen. 28
Für die Bemessung der Bewegungsfugen von Membranfassaden wird eine Analyse
der möglichen Verformungen der Fassaden- und Primärkonstruktion vorgenommen.
Es gibt folgende Verformungsbilder:
28 Vgl. Zettlitzer, W.: Pneumatisches Bauen am Beispiel der Allianz Arena München - Details und Methodik der Planung und Fertigstellung (Zet04), in: Burgard, R. [Hrsg.] Kunststoffe und freie Formen, Wien, New York 2004, S. 128
41
Verformungsbilder der Fassadenkonstruktion:
Bei Elementverformungen wird das einzelne Fassadenelement durch
Temperaturveränderung vertikal und horizontal gedehnt oder durch Wind lokal
aus seiner Ebene gezerrt. Bei Membrankonstruktionen ist die Elementverformung
im Bereich der Membranhaut unproblematisch; sie wird durch die elastischen
Eigenschaften des Membranmaterials kompensiert. Notwendig sind Dehnungsfugen
zwischen den Rahmen, in denen die Membranen gespannt sind.
Abschnittsverformungen treten zwischen zwei Fassadenkonstruktionen auf,
wie z.B. zwischen einem langen, über mehrere Geschosse spannenden
Fassadenabschnitt und geschosshohen Fassadenelementen. Hier ist eine vertikale
Dehnungsfuge erforderlich.
Verformungsbilder der Tragstruktur:
Materialbedingte Gesamt- und Lokalverformungen entstehen durch Formänderung
der Beton- und Verbundkonstruktionen (Kriechen, Schwinden) und Stauchung
des gesamten Turms. Entweder wird die Verformungsfuge der Fassadenkonstruktion
entsprechend (über)dimensioniert oder es wird eine gezielte Erhöhung der Steifigkeit
der Primärstruktur in Anschlussbereichen der Fassade zur Reduzierung
der zeitabhängigen Biegeverformungen vorgenommen.
Nutzlastbedingte Gesamt- und Lokalverformungen treten erst nach der Fassaden-
montage auf und sind belastungsabhängig. Weil der Anteil der Nutzlasten selten
mehr als ein Drittel des Gesamtgewichts beträgt, ist das hiermit verbundene
Potenzial der Verformung geringer. Die entstehende Verformung wird vertikal
über die Höhe der Struktur aufgeteilt. Bei einer kleingliedrigen Einteilung
der Fassade sind die Verformungen besser aufnehmbar, weil die Dehnungen
der Tragstruktur auf viele kurze Fassadenabschnitte aufgeteilt werden können.
Bei langen Fassadenabschnitten werden die Nutzlasteinflüsse über mehrere
Stockwerke akkumuliert und die vertikalen Fugen müssen entsprechend größer sein.
Die Temperaturverformungen der Tragstruktur während der Bauphase
sind maßgebend, wenn das Tragskelett noch nackt der Witterung ausgesetzt ist.
Die temperaturbedingten Verformungsbilder der Tragstruktur sind
nach abgeschlossener Fassadenmontage auch dann für die Fassadenkonstruktion
relevant, wenn das Tragwerk und die Fassadenkonstruktion in derselben Ebene
liegen oder das Tragskelett außerhalb der Fassade angeordnet ist.
42
Horizontale Windverformungen der Tragstruktur müssen sowohl für vollflächige
als auch für anteilige Windlasten untersucht werden. Je deutlicher
die Elementverlagerung von der Primärstruktur bzw. der Aussteifung
in die Fassadenebene ist, desto genauer muss die Verfolgung
der Relativverformungen infolge Teilbelastung sein.
Rotationale Windverformung des gesamten Turmschafts bzw. einzelner
Gebäudeteile zu- und voneinander infolge der Windlast muss untersucht werden.
Dabei ist die Gesamtrotation des Turms nicht zwingend auch für die Fassade
maßgeblich, weil die relativen Bewegungen einzelner Gebäudeteile und einzelner
Fassadenabschnitte bei einer Teilbeanspruchung größer sein können.
Lokale Verformungen im Fassadenanschlussbereich treten in Form
von Durchbiegung und Rotation einzelner Randträger infolge permanenter
Fassadenlasten sowie temporärer Verkehrslasten der angrenzenden
Geschossdecken oder Fassadenreinigungsanlagen auf. Sie müssen
bei der Planung, Ausführung und Montage berücksichtigt werden.
Dort wo Bewegungen zu erwarten sind, müssen Bewegungsfugen genau
dimensioniert werden. Maßgebend für die horizontale Fugenteilung ist die relative
Verformung von Tragwerk und Fassade. Die horizontalen Fugen werden meist
in den Bereichen zwischen Oberkante Fertigfußboden und Unterkante Decke
ausgeführt.
Die vertikalen Fugen sind dort erforderlich, wo große Sprünge in der Belastung
oder der Steifigkeit des Primärtragwerks vorkommen, wie der "steife" Unterzug,
oder wo "Einstock-" und "Mehrstockfassaden" aufeinandertreffen. 29
Außer der Aufnahme von Windlasten, Temperaturlasten, Nutzlasten
und den materialbedingten Verformungslasten müssen die Membranen - ebenso
wie alle für die Anwendung im Bauwesen zugelassenen Produkte - entsprechende
sicherheitsspezifische Normen erfüllen. Bei Membranen, insbesondere aber
bei Folien, sind die Gefahr des Vandalismus und die Brandsicherheit zu überprüfen.
Die Beständigkeit der ETFE-Folien gegen Hagelschlag wurde mehrfach
experimentell untersucht und wird als ausreichend eingestuft. 30
Der Einsatz von brennbaren Baustoffen ist im Hochhausbau weder im Fassaden-
noch im Dachbereich zulässig. Eine Lösung dieses Problems ist am Beispiel
der Allianz Arena in München dargestellt. Die Fassade der Allianz Arena
ist eine mehrschalige Fassade mit einer Innenfassade aus Glas
und einer Außenfassade aus ETFE-Folienkissen. Für den Bau der Allianz Arena,
die als Versammlungsstätte und sogenanntes „hohes Gebäude“ erhöhte
Anforderungen erfüllt, musste der Nachweis erbracht werden, dass weder durch
das Brandverhalten des Folienmaterials noch durch das Herabfallen von Teilen
der Dachhaut eine Gefährdung für Personen im Brandfall entsteht.
Außerdem musste nachgewiesen werden, dass die Folie nicht durch
unterschiedlichste Zündquellen im vorgesehenen Einbauzustand entzündet werden
kann, weil eine Brandbekämpfung bei dieser Gebäudehöhe und Dachform nicht
möglich ist. Als letzter Punkt war zu berücksichtigen, dass die Innenfassade
weitestgehend als Ganzglasfassade vorgesehen ist und damit die Frage
des Brandüberschlages zwischen den Geschossen bestand.
Im Brandversuch zeigte sich, dass die Folie bei Brandbeanspruchung der Flamme
ausweicht und sich somit dem Brandgeschehen entzieht. Ein Mitbrennen der Folie
war lediglich kurzfristig im unmittelbaren Flammenbereich zu beobachten. Es konnte
festgestellt werden, dass sich die ETFE-Folie in der geplanten Einsatzform
als Fassade und Dach nicht am Brandgeschehen beteiligt und somit nicht
zu einer Brandweiterleitung beiträgt. Unter dem Aspekt, dass zusätzlich im gesamten
Gebäude eine flächendeckende Sprinkleranlage installiert wurde, konnten alle
Bedenken bezüglich des Einsatzes einer Folie der Baustoffklasse B1 ausgeräumt
und das architektonisch gewünschte Bild umgesetzt werden. 31
31 Ehrlicher, M.; Niemöller, H.: Allianz Arena. Deutscher Brandschutzpreis 2003, 1. Platz (EN04), in: Brandschutz 1/2004, Bauverlag BV GmbH, Gütersloh 2004, S. 12-14
44
3.3.1 Windlasten
Die größten Belastungen einer Gebäudestruktur entstehen während eines Sturms
bei hoher mittlerer Windgeschwindigkeit durch Böen, die so groß sind,
dass sie die gesamte Struktur eines Bauwerks gleichzeitig erfassen.
Kleinere Turbulenzballen tragen wegen ihres unregelmäßigen Auftretens kaum
zur Gesamtkraft bei, können aber zu lokalen Lastspitzen führen. Sie beeinträchtigen
die Standfestigkeit des Gebäudes nicht, sind jedoch für die Dimensionierung
und Befestigung von Fassaden bedeutsam. 32
Es ist ein Maßstabssprung in der Betrachtung der Windlasten für die Fassade
und Gebäudestruktur erforderlich. Dies betrifft sowohl die Intensität
als auch die Verteilung der Windlast. 33 Die lokale Böenlast eines Paneels
kann durchaus 5 kN/m2 sein, während die globale Strukturlast beispielsweise "nur"
1,5 KN/m2 beträgt. Beide Windlast-Typen sind für die Fassadenkonstruktion
von Bedeutung. Die Strukturlast verformt das Gebäude und ist für die Auslegung
der Hauptverformungsfugen der Fassadenkonstruktion von Bedeutung.
Für die Dimensionierung der Fassadenkonstruktion und die Aufnahmen lokaler
Zerrbilder müssen die Spitzen der Paneellast berücksichtigt werden. 34
Weiterhin ist zu beachten, dass Windlasten aufgrund ihrer Unstetigkeit das Gebäude
zu Schwingungen anregen. Aus diesen Schwingungen resultiert eine maximale
horizontale Auslenkung.
In Deutschland existieren für die maximale horizontale Auslenkung
eines Hochhauses unter Windbeanspruchung keine Grenzwerte. In den USA werden
unter Annahme eines 50-Jahres-Windes Werte von h/400 bzw. h/500 gefordert.
Messungen haben jedoch ergeben, dass die tatsächliche Kopfverformung
der Hochhäuser, die nach diesen Grenzwerten bemessen wurden, lediglich halb
so groß war wie die berechnete Kopfverformung, weil der Innenausbau
das Gebäude zusätzlich aussteift und damit die Horizontalverformung reduziert. 35
Diese Grenzwerte werden als Ausgangsgrößen für die Bestimmung der notwendigen
Bewegungsfugen verwendet.
32 Schwarz, G.: Wind und Bauwerk (Sch90), in: Brinkmann, G. (Hrsg.) Leicht und weit, Weinheim 1990, S. 141 33 Gun02, S. 155 34 Gun02, S. 147 35 Vgl. GK02, S. 99-100
45
Die Windbelastung von Bauwerken wird durch die Eigenschaften der Windströmung
und die Form des Bauwerks bestimmt. Durch die formabhängige
Verdrängungswirkung ergibt sich ein windbedingtes Druckfeld,
das durch die Formbeiwerte erfasst wird. Die Formbeiwerte sind zeitabhängige
Werte, weil aufgrund der Strömungsablösung an den Gebäudekanten selbst
bei stationärer Strömung Druckschwankungen an den Gebäudeaußenflächen
entstehen. Zusätzlich sind die Schwankungen der Windgeschwindigkeit infolge
Böigkeit und der zugehörigen Windstaudrücke zu berücksichtigen. Die zeitabhängige
Windlast ist das Produkt der zeitabhängigen Formbeiwerte und der ebenfalls
zeitabhängigen Windgeschwindigkeit:
w(t) = cp(t) * q(t) (1)
Zur Bestimmung der Bemessungslast, d.h. der in einer vorgegebenen Zeitspanne
- im Allgemeinen 50 Jahre - zu erwartenden maximalen Windlast sind verschiedene
Verfahren entwickelt worden, von denen die gebräuchlichsten die quasistatische
und die Spitzenfaktormethode sind.
Quasistatische Methode. Nach dieser Methode ergibt sich die maximale Windlast
für den vorgegebenen Bemessungszeitraum aus dem zeitlich gemittelten
Formbeiwert cp und dem maximal zu erwartenden Windstaudruck qb:
w = cp * qb (2)
Der quasistatischen Methode liegt die vereinfachende Annahme zugrunde,
dass die Druckschwankungen an den Gebäudewänden infolge Wirbelablösungen,
also infolge gebäudebedingter Turbulenz, vernachlässigbar sind
und die Turbulenzballen der atmosphärischen Windströmung in Relation
zu den Bauwerksabmessungen sehr groß sind. Unter diesen Voraussetzungen bildet
sich innerhalb der Wirkdauer einer Böe ein stationäres Strömungsfeld
um das Bauwerk aus und Änderungen des Druckfelds stehen in direkter Korrelation
zu den Änderungen der Anströmung. Dieses vereinfachte Lastkonzept hat sich
für die Bestimmung der Globallasten und Geschosslasten durchaus bewährt.
Die quasistatische Methode sollte nicht angesetzt werden, wenn die zeitlich
gemittelten aerodynamischen Beiwerte gegen null gehen und/oder wenn
kleinformatige Gebäudeteilflächen betrachtet werden. Aus Windkanal-
46
untersuchungen und Messungen an realisierten Gebäuden ist bekannt,
dass kurzzeitig auftretende Sogspitzen mehr als doppelt so hoch sein können
wie der zeitliche Mittelwert.
Ein Beispiel für die Anwendung der quasistatischen Methode sind
die Windlastannahmen der DIN 1055-4.
Spitzenfaktormethode. Die von Davenport (1961) vorgeschlagene Spitzenfaktor-
Methode berücksichtigt die wesentlichen Eigenschaften des atmosphärischen
Windes, z.B. die Böigkeit. Die zeitlichen Änderungen des Gebäudedruckfelds werden
dabei vollständig im Beiwert, dem sogenannten Spitzendruckbeiwert bzw.
Spitzensogbeiwert cp , berücksichtigt:
w = cp * ρ/2 *u210min = (cp ± k*cpRMS) * ρ/2 * u2
10min (3)
mit k = Spitzenfaktor, cpRMS = Beiwert der Druckschwankungen und u10min = 10-min-Wert
der Bemessungs-Windgeschwindigkeit = Grundgeschwindigkeit. Angaben zur Grundgeschwindigkeit
finden sich im ENV 1991-2-4 und im Entwurf E DIN 1055-4. Die Standardabweichungen
der Druckschwankungen als Basis der Bestimmung von cpRMS lässt sich mit üblichen
Druckmesstechniken bestimmen. Der Spitzenfaktor wird durch eine statische Analyse von Druck/Zeit-
Verläufen gewonnen. Hierzu ist eine Druckmesstechnik mit hoher Auflösung erforderlich,
die in Windkanalanlagen der Bauwerksaerodynamik üblicherweise verfügbar ist.
Bei schlanken Bauwerken, z.B. turmartigen Hochhäusern, ist es für die Festlegung
der Bemessungswindlasten unter Umständen erforderlich, neben den direkt
Die sich in der Entwicklung befindende Software „Delite“ kann zukünftig
eine Alternative zu den aufwendigen und auf starren Modellen basierenden
Windkanalversuchen bieten. 37
Für die grobe Analyse der Einsatzgrenzen von transparenten Folien als Fassade
wird für die weitere Untersuchung die normative Herangehensweise angewendet.
3.3.2 Temperaturverformung
Durch Temperaturänderung wird eine Längen- bzw. Volumenänderung
eines Körpers hervorgerufen. Dieser Effekt gewinnt vor allem dann an Bedeutung,
wenn Materialien mit unterschiedlichem Wärmeausdehnungsverhalten miteinander
kombiniert werden.
Die Wärmeausdehnung für eine Fläche A1 wird nach folgender Formel ermittelt:
DA = A1 * 2 * a * DT (4)
Der lineare Wärmeausdehnungskoeffizient a [1/K] für bauteilrelevante Materialien
beträgt:
Beton 6 - 14 *10-6 [1/K]
Stahl 13 *10-6 [1/K]
ETFE 5 - 9 *10-5 [1/K]
Der deutlich höhere Wärmeausdehnungskoeffizient von ETFE im Gegensatz
zu Beton oder Stahl wird Auswirkungen auf die Spannungen im Material haben. 37 Vgl. Rasch, B.; Pätzold, P.; Gawenat, B.: Architectural Design Process with Numeric and Digital Tools (RPG03), in: Designing Tensile Architecture. Tensinet Symposium, Vrije Universiteit Brussel 2003, S. 97-100
48
3.3.3 Werte für die Spannungs- und Verformungsanalyse Lasten
Bis 2007 existierten keine speziellen Normen oder Richtlinien für den Bereich
der Membranfassaden. Das Bemessungskonzept wird vom Tragwerksplaner
projektbezogen ausgearbeitet und mit dem Prüfingenieur abgestimmt.
Bei anzusetzenden Lasten und Lastüberlagerungen bedient man sich einschlägiger
Normen (z.B. DIN 1055, EN 1991-2-4).
Die bisherige Norm zur Festlegung von Windlasten auf Bauwerken DIN 1055-4 alt
wird durch die neue Deutsche Norm DIN 1055-4 neu, bzw. die Europäische Norm
EN 1991-1-4 abgelöst. Das Sicherheitskonzept der neuen Normen ist identisch,
sodass sich EN 1991-1-4 und DIN 1055-4 neu in vielen Teilen ähneln.
Im März 2001 wurde der Entwurf der DIN 1055-4, der auf der Grundlage
der Europäischen Vornorm ENV 1991-2-4 basiert, herausgegeben. 2004 erschien
die prEN 1991-1-4, die die ENV 1991-2-4 ersetzen soll.
Die Anwendungsgrenzen der neuen Normen sind im Vergleich zu der bisherigen
DIN 1055-4 alt wesentlich erweitert worden. Eine Neuerung betrifft die Angabe
von Windlasten auf Hochbauten und auf schwingungsanfällige Konstruktionen. DIN 1055-4, alt DIN 1055-4, neu EN 1991-2-4, EN 1991-1-4Hochbauten bis 40m bis 300m bis 200m
Ermöglicht wird diese Anwendungserweiterung durch eine umfangreichere
Sammlung von Druck- und Kraftbeiwerten sowie durch eine genauere Beschreibung
der Charakteristik des Windes.
Die zu erwartenden Windlasten für Hochhausmodelle mit quadratischem und
kreisförmigem Grundriss, die nach den Normen ENV 1991-2-4 und E DIN 1055-4
ermittelt sind, können den Tabellen 6 und 7 entnommen werden. In der Tabelle 8
werden die Lasten für eine gebäudeumschließende Membranhaut definiert.
Dafür werden die ermittelten Windlasten für zylindrische Querschnitte
nach der ENV1991-2-4 durch die Annahme von gemittelten konstanten
cp Druckbeiwerten als gleichmäßige Flächenlasten in Winddruck-
und Windsogbereichen vereinfacht definiert. Für den mittleren Wert
der Druckbeiwerte cp werden 90% der Extremwerte angenommen. In allen Tabellen
wurde der Einfluss von eventuell entstehendem Sog im Fassadenzwischenraum
auf den Winddruckwert gesondert aufgelistet.
49
Für Fassaden mit Lüftungsschlitzen, bei denen der Innendruck
durch die Überlagerung mit dem Außendruck ungünstig wirkt, werden die Werte
aus den Zeilen w=we+wi (volle Windlast) angesetzt. Für Fassaden ohne
Lüftungsschlitze oder solche, bei denen der negative Einfluss
der Kräfteüberlagerung vermieden werden kann, z.B. durch automatisch schließende
Lüftungsklappen, werden die Werte aus den Zeilen w=we (reduzierte Windlast)