Samstag, der 8. November 2008, war ein schöner Tag. Ich traf mich mit Ian Paice in Stuttgart in sei- nem Hotelzimmer, um einige Anekdoten aus den frühen 70ern und seiner „Ludwig-Zeit“ niederzu- schreiben. Bill Ludwig III. hatte mich gefragt, ob ich das für die nächste Ausgabe des „Not So Modern Drummer“-Magazins übernehmen könnte, eine Tri- bute-Ausgabe für seinen Vater, der ja leider im März letzten Jahres verstorben ist. Es war etwas ganz Besonderes für mich, denn Ian Paice ist in der Tat der Mann, der mich überhaupt zum Schlag- zeugspielen gebracht hat, „ Made in Japan“ war die erste Platte, die ich mir selbst gekauft hatte, und nach „The Mule“ ging meine Waschmitteltrommler- karriere los. Herr Bonham trat erst Jahre später in mein Leben. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht, Ian ist ein Supertyp und aus dem 30-minütigen Inter- viewtermin wurde ein ganzer Tag, mit Deep Purple Show abends in der Schleyerhalle und anschlie- ßendem Bierzechen, gezapft von Meister Paice himself. Wir unterhielten uns über Drums und Drummer, und die Zeit verging wie im Fluge. Einer der Trommler, über die wir sprachen, war Ginger Baker. Ian erzählte, dass er als er jung war das gar nicht so cool fand, was der gute Herr Baker da zu- sammenspielte, es aber jetzt, wenn er es heute an- höre, brillant und genial findet: „Es ist soviel Raum in den Songs. Hör dir die Hi-Hat an, das Zeug ist absolut clever getrommelt!“ Leider müssen wir die Vogelmanngeschichte „Mein Tag mit Ian Paice“ auf eine der nächsten STICKS- Ausgaben verschieben, denn wir hatten ja gerade erst ein schönes Interview mit Ian Paice in der Ok- toberausgabe 2008. Ian hat es wiederum bedauert, dass es mit den Ludwigsburger Trommeltagen 2008 nicht geklappt hat, aber er hat zugesichert, dass er heuer spielt, wenn es der prallvolle DP-Terminka- lender zulässt. Ein anderer Schlagzeuger, der leider noch nie auf diesem Event gespielt hat, ist Stephan Rudolph aus dem Schwabenländle. Stephan ist Jahrgang 1961, hat mit 13 die Liebe zum Schlagzeug entdeckt und spielte 1982 die erste LP mit dem Bluesrocktrio Cake ein. Es folgten die Melodic-Rock-Band Cheri Heat, das Deutschrock-Quartett SoSo! und Blind- date No 4, ein kroatisch/deutsch besetztes Rock- Projekt. Seit 2003 liefert Stephan mit 3 afrikani- schen Percussionisten den rhythmischen Back- ground für die Tanguda Drum Dance & Fire Show (www.tanguda.de). In seinem musikalischen Lebenslauf nennt Stephan Rudolph Terry Bozzio, Simon Phillips (der auch schwerer Ginger-Baker-Fan ist, siehe STICKS 01.2009), Mike Portnoy, Vinnie Colaiuta, Jeff Porca- ro und Jonathan Mover als Einflüsse, doch Ginger Baker bezeichnet er als seinen Mentor. Und Freund: Ginger hat ihm in den frühen 80er-Jahren Unter- richt gegeben und ihn gefördert, weil er ihn für ta- lentiert hielt. Touren mit Cake im Vorprogramm von Gingers damaliger Band und Studioproduktionen mit Jack Bruce in Deutschland und England folgten, und der Intensivunterricht zog sich über zwei Jahre. Schwer zu glauben, denn Ginger Baker ist in der Szene als „schwierig“ bekannt, mit ihm ist nicht im- mer gut Kirschen essen, Bill Ludwig III. erzählte mir, dass Ginger bei einem Fotoshooting für Ludwig in einem Pferdestall („Ludwig Stable of Stars“-Poster) mit einer Mistgabel auf den Fotografen losgegan- gen war, weil ihm alles zu lange gedauert hat. Bob- by Rondinelli hat er seine Drumsticks ins Kreuz ge- hauen, als dieser ihm beim Aufbauen seines Kits helfen wollte, und Rudi M. (seines Zeichens Inha- ber eines der größten Musikgeschäfte in Süd- deutschland, früher backline-mäßig viel unterwegs) sagt auf gut badisch über Ginger: „Des isch koi Gu- ter!“ Aber lassen wir Stephan selbst erzählen, wie es damals dazu kam. „Ich war totaler Fan! Ginger spielte damals bei Hawkwind, die bei Bronze Records unter Vertrag waren. Ich rief einfach bei der Plattenfirma an, und die gaben mir dann die Telefonnummer von seinem Manager namens Roy Ward. Ich fragte, ob er mir Kontakt zu Mr. Baker verschaffen könne, er wäre mein absolutes Idol, und ich möchte ihn nicht nur treffen, sondern Schlagzeugunterricht von ihm er- halten. Einen Tag später erhielt ich einen Rückruf, ich könne vorbeikommen. Eigentlich unvorstellbar, heute. Ich habe dann mein ganzes Erspartes zu- sammengekratzt und bin nach England gefahren. Ginger hatte in London ein Studio gemietet, übri- gens ganz in der Nähe von Shepherds Bush, wo die Zildjian Awards im Dezember 2008 stattfanden. Im Raum daneben probte der Sohn von Pete Towns- hend mit seiner Band. Ginger war sehr freundlich, wahrscheinlich auch weil er merkte, dass ich ihn to- tal anhimmelte. Also pilgerte ich tagtäglich dort hin und erhielt Intensivunterricht, bis meine Kohle auf- gebraucht war. Ich weiß gar nicht mehr, was er für eine Stunde verlangt hat. Die ersten paar Einheiten habe ich bezahlt, dann wollte er auf einmal kein Geld mehr von mir haben. Der Kontakt blieb beste- hen, und ich fuhr insgesamt sechsmal zum Unter- richt nach England. Das war Anfang der 80er, so 1982 müsste das gewesen sein. Später zog Ginger aus steuerlichen Gründen nach Italien, in die schöne Toskana und versuchte sich als Olivenzüchter. In Italien war ich achtmal, habe auch meine Freundin mitgenommen, denn so konn- te man Urlaub und Trommelfortbildung bestens miteinander verbinden. Die ganzen Musiker der da- STICKS 04_09 38 Über Idole: Ginger & Stephan Herr Vogelmanns wunderbare Trommelgeschichten Text: Marcel Vogelmann Fotos: Archiv Stephan Rudolph, Zildjian, Herr Vogelmann