Journal of Human Informatics Vol.13 March,2008 Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien 1 Frieder SONDERMAN * - 原 著 - 59 人間情報学研究,第13巻 2008年,59~86頁 Abstract: Some as yet unpublished documents about the first official contact between Russia and Japan in 1804/5 are presented, along with information about the persons involved. Klaproth was instrumental in publishing articles about Japan and translations of Japanese literature, while Horner wanted to distribute his insider knowledge to friends only. Keywords : Klaproth, Horner, European Japanese relations before 1820 1 Erweiterte Fassung eines Vortrages im EKO-Haus (Düsseldorf) am 29. März 2007. * Tohoku Gakuin University
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Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar ......Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien Journal
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Journal of Human Informatics Vol.13 March,2008
Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann CasparHorner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien1
Frieder SONDERMAN*
-原 著-59人間情報学研究,第13巻
2008年,59~86頁
Abstract:Some as yet unpublished documents about the first official contact
between Russia and Japan in 1804/5 are presented, along withinformation about the persons involved. Klaproth was instrumental inpublishing articles about Japan and translations of Japanese literature,while Horner wanted to distribute his insider knowledge to friends only.
Keywords : Klaproth, Horner, European Japanese relations before 1820
1 Erweiterte Fassung eines Vortrages im EKO-Haus (Düsseldorf) am 29. März 2007.* Tohoku Gakuin University
Frieder SONDERMAN
人間情報学研究 第13巻 2008年3月
Die Bearbeitung von bislang nicht
berücksichtigten Dokumenten zur ersten
russischen Weltumseglung 1803 - 1806, vor
allem zum halbjährigen Aufenthalt der
"Nadeshda" unter ihrem Kapitän Adam
Johann von Krusenstern im Hafen von
Nagasaki 1804/5, ist noch immer nicht
abgeschlossen. An Bord des Schiffes befanden
sich nämlich - neben den beiden deutschen
Naturforschern Wilhelm Gottlieb Tilesius und
Georg Heinrich von Langsdorff - etliche
deutschbaltische Mannschaftsmitglieder,
angefangen mit dem Capitain-Lieutenant,
über die Offiziere Friedrich von Romberg,
Hermann Ludwig von Loewenstern und
Fabian Gottlieb Baron von Bellingshausen
sowie die beiden ältesten Söhne August von
Kotzebues (Otto und Moritz) bis hin zum
Schiffsarzt Carl von Espenberg und dem
kurländischen Koch Johann Neumann. Fast
alle haben Aufzeichnungen über diese Reise
abgefasst (dienstlich und/oder privat), die nur
zum Teil publiziert wurden. So kam auch erst
vor wenigen Jahren das wirklich lesenswerte
Reisejournal Loewensterns zuerst in
russischer und englischer, dann endlich in
seiner originalen deutschen Fassung auf den
Markt.2 Die umfangreichen Aufzeichnungen
von Wilhelm Gottlieb Tilesius hingegen
schlummern noch immer im Stadtarchiv
seiner Heimatstadt Mühlhausen. Da nach
Engelbert Kämpfer am Ende des 17.
Jahrhunderts und vor Philip Franz von
Siebold ab 1830 nur der schwedische Arzt
Carl Peter Thunberg wissenschaftlich
geschult und authentisch von Japan berichten
konnte, stellen die 30 Jahre nach Thunberg
im Laufe einer halbjährigen "Isolationshaft"
gemachten Aufzeichnungen der Expedi-
tionsteilnehmer von 1804/5 eine nicht zu
unterschätzende Informationsquelle über
Japan in der Edo-Zeit dar.
Klaproth und Horner
Aber was hat das mit dem Orientalisten
Julius Klaproth3 zu tun, der nie japanischen
Boden betreten oder auch nur das Japanische
Meer von Sibirien aus gesehen hat?
Dafür lassen sich in aller Kürze folgende
Argumente auflisten:
- Er kannte die meisten der oben
genannten Weltumsegler persönlich aus
der gemeinsam in St. Petersburg
verbrachten Lebensperiode (Anfang 1807
bis 14. Sept. 1807, Ende 1808 - Anfang
1811).
- Er stand nachweislich auch später noch
mit Johann Caspar Horner, dem schweizer
Astronom der "Nadeshda", in brieflichem
Kontakt.
- Er war um 1810 mit Georg Heinrich
Langsdorff befreundet und schrieb für
dessen Bemerkungen auf einer Reise um
die Welt - in den Jahren 1803 bis 1807
60
3 Zu Leben und Werk von Klaproth hat Hartmut
Walravens mehrere Bücher verfaßt, von denen die
folgenden hier herangezogen werden:
- Julius Klaproth (1783 - 1835) : Briefe und
Dokumente. Wiesbaden 1999 (zitiert als: Walravens
BuD).
- Julius Klaproth (1783 - 1835) : Leben und Werk.
Wiesbaden 1999 (zitiert als Walravens LuW).
2 Die russische Version (2003) stammt von Tamara
Schafranovskaja, Olga Fedorova und Alexej
Krusenstern, die englische (2003) sowie deutsche
Fassung (2005) von Victoria J. Moessner.
Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien
Journal of Human Informatics Vol.13 March,2008
(Frankfurt: Wilmans 1812, 2 Bände)
sachkundige Kommentare.
Um die zahlreichen zwischen Krusenstern
und Horner gewechselten Briefe
kennenzulernen, muss man Beider Nachlass
in Zürich (Schweiz), Tartu (Estland) und wohl
auch Kalmar (Schweden) durchsuchen. In der
Handschriftenabteilung der Züricher
Zentralbibliothek (ZBZ) gibt es jedoch nicht
nur die Briefe Krusensterns im Horner-
Nachlass, sondern auch Materialien von
Klaproth.4 Zudem finden sich dort ein Brief
von Klaproth an Horner sowie eine
Manuskriptmappe, worüber im Folgenden zu
berichten ist.
Zunächst soll dieser Brief Klaproths an
Horner zitiert werden [ZBZ M 5. 56]:
Berlin d 15 May 1811.
Lieber Freund
Sie werden sich wundern von mir einen
Brief aus meiner Vaterstadt zu erhalten,
aber ich bin hierher auf Befehl des Kaisers
geschickt, um die zu meinen Arbeiten
nöthigen Chinesischen und Mandschu-
rischen Buchstaben, schneiden zu lassen.
Ich habe nämlich auf Veranstaltung des
Grafen Rasumowsky, der jezt Minister der
Aufklärung ist, einen ausführlichen
Catalog der Chinesischen und anderen
Asiatischen Stücke in der Academischen
Bibliothek machen müssen, der ebenfalls
geordnet werden soll.5 Wie ich höre so ist
es Ihnen, Ihre schweren Krankheiten
abgerechnet, recht wohl gegangen seitdem
wir uns nicht gesehen haben. Und zu Ihrer
bevorstehenden Heirath wünsche ich
Ihnen, selbst ein Ehemann, Glück.6 Ich
kam von der Caucasischen Reise erst 1809
wieder zurück, und bin sehr mit derselben
zufrieden, weil ich eine vortreffliche
Ausbeute gehabt habe, die ich jezt zu Tage
zu fördern beschäftigt bin.7 Meinen
Aufenthalt in St. Petersburg habe ich so
gut als möglich zu benutzen gesucht, und
im vorigen Jahre ein Archiv für Asiatische
Litteratur von 30 Bogen in Quarto
herausgegeben, von dem ich Ihnen gern
ein Exemplar schickte, wenn ich es hier
hätte.8 Dafür erhalten Sie anbei einige
andere Kleinigkeiten die ich seit dem habe
drucken lassen, unter denen der
61
4 So etwa seinen Brief aus Paris an [Ludwig Friedrich
Theodor ] Hain (1781-1836) vom 10.12.1822 sowie
ein an die Brönnersche Buchhandlung in Frankfurt
adressiertes Billet vom 29.4.1829.
5 Aleksej Kirillovic Razumovskij (1748 - 1822) war
1811 Minister für Volksbildung, sein Schwiegersohn
Sergej Semenovic Uvarov (1786 - 1855) wurde 1818
Universitätskurator. Mit beiden hatte Klaproth
dienstlich zu tun. Zum damals nicht gedruckten
Petersburger Katalog vgl. Walravens LuW S. 2f. und
S. 166 Nr. 323. 6 Vgl. dazu Koitz-Arko, Gerit: Zur Geistesgeschichte
des frühen 19. Jahrhunderts: Die Briefe Karl August
Böttigers an Joseph Frhr. von Hammer-Purgstall in
Text und Kommentar” (Diss. Graz 1985), wo in
Böttigers Briefen vom 29.4. 1814 (S. 189) und 26.1.
1818 (S. 239) von Klaproths Heirat mit einer
Engländerin die Rede ist. Horner heiratete im
August 1811.7 Sein zweibändiges Hauptwerk Reise in den
Kaukasus und nach Georgien erschien 1812/14.8 Von dem Archiv für asiatische Litteratur, Geschichte
und Sprachenkunde erschien nur ein Band, im Jahr
1810 (vgl. Walravens LuW S. 74-76).
Frieder SONDERMAN
人間情報学研究 第13巻 2008年3月
Leichenstein für Hager das neueste ist. In
gleicher Zeit lege ich noch ein Stückelchen
über die Russische Ambassade nach China
bei, das in Petersburg herausgekommen
sein soll, mir aber erst vor Kurzem zu
Gesichte gekommen ist.9 Ich kann in
dessen nicht begreifen wie es möglich
gewesen ist, bei so strenger Censur, ein so
anzügliches Werk dort zu publiziren, in
dem würklich manches unrichtig
dargestellt ist, und das Beleidigungen
gegen mehrere Mitglieder der
Gesandtschaft enthält. Den / Verfasser
kann ich noch nicht errathen, doch scheint
der Deutsche Styl viele Französische
Wendungen zu haben, und es ist also
vielleicht eine Übersetzung.10 Mein
Aufenthalt in Berlin wird wohl noch
beinahe ein Jahr dauern, weil meine
Geschäfte so viel Zeit erfordern, denn das
Stechen der Buchstaben geht langsam von
Statten. Ich wage eine Bitte, die Sie mir
vieleicht aus alter Freundschaft nicht
abschlagen werden. Sie würden mich
nämlich sehr durch einige Chinesische
Pinsel verbinden, die zum Schönschreiben
der Caractere durchaus nothwendig sind. -
Es thut mir jezt sehr leid, dass ich in St.
Petersburg keine Beschreibung Ihrer
Chinesischen Götter gemacht habe, weil
ich sie jezt gut gebrauchen könnte. 11
Vale faveque.
JHvKlaproth
Adresse Letzte Strasse Nr. 7.
Ein Antwortbrief von Horner an Klaproth ist
mir nicht bekannt. Zum besseren Verständnis
sind noch ein paar allgemeine Bemerkungen
bio- und bibliographischer Art sowohl über
den Briefschreiber wie auch den Empfänger
angebracht.
A. Zu Klaproths Leben und Werk
Hier bin ich vorwiegend den Angaben in den
von Hartmut Walravens veröffentlichten
Werken über Klaproth verpflichtet, der
zudem im Januar 2005 in Kyoto beim
Kokusai Nichi Bunken Center einen Vortrag12
über Klaproth gehalten hat.
Als Sohn des Apothekers und bedeutenden
Chemikers Martin Klaproth wurde Julius
1783 in Berlin geboren, zeigte schon als
Oberschüler reges Interesse für Chinesisch,
das er autodidaktisch erlernte. Als junger
Student in Halle vermochte er 1802 den
vorsichtig kalkulierenden Verleger Friedrich
Justin Bertuch in Weimar zur Herausgabe
eines kurzlebigen Asiatischen Magazins zu
bewegen. 1804 wurde er (als Adjunct) nach St.
62
9 Vgl. zu dieser 56 seitigen Streitschrift gegen den
Sinologen Joseph Hager bei Walravens LuW S. 78,
Nr. 23.10 Ob das beigelegte “Stückelchen” ein Manuskript
oder wohl doch die Druckschrift von 1809 ist, geht
aus dem Brief nicht klar hervor. Klaproths nur
leicht verschleierte Autorschaft war wegen seiner
dienstlichen Verhältnisse nötig. Man vgl. den
Wiederabdruck bei Walravens BuD (1999, S. 187 -
203) und eine spätere Version in der Zeitschrift Das
Ausland von 1828 (ebd., S. 204 - 235).
11 Horner dürfte aus Macao oder Canton – neben den
Schreibutensilien – auch chinesische Figuren und
Bilder mitgebracht haben.12 Vgl. den Vortrag in http://www.nichibun.ac.jp/
research/project2/lecture.html .
Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien
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Petersburg an die Akademie der
Wissenschaften berufen und im Herbst 1805
im Gefolge des Grafen Jan Potocki auf die
russische Gesandtschaftsreise Richtung
Peking mitgenommen. die aber nur bis an die
damalige Grenze bei Urga/Kuren kam. In
Irkutsk lernte er bei einem dort als
Sprachlehrer tätigen Japaner auch diese
Sprache kennen und fertigte ein Japanisch-
Russisch/Deutsches Lexikon an.13 Nach der
Rückkehr, also im Winter 1806/7, hat er die in
Petersburg lebenden Weltumsegler
kennengelernt.14 Doch da Klaproth bereits
vom September 1807 bis zum Januar 1809
wieder auf einer Forschungsreise in den
Kaukasus abwesend ist, wird er den erst im
März 1808 nach der Weltumseglung allein
über Sibirien heimgekehrten Langsdorff nicht
vor 1809 getroffen haben. Die Beiden scheinen
sich in der gemeinsam in Petersburg
verbrachten Zeit gut verstanden zu haben,
wie aus einem Brief von Tilesius an Horner
ersichtlich ist (St. Petersburg d 21. Novembr
1810) 15:
Der Schulmeister ist mein erklärter Feind,
aber / Klapproths Sohn und Langsdorf
sind seine erklärten Günstlinge, sie führen
die Töchter an der Hand und den Vater an
der Nase.
Sie haben wohl die Töchter des auch für die
Bibliothek der Akademie der Wissenschaften
verantwortlichen Astronomen Friedrich
Theodor Schubert (1758 - 1825) umworben.
Langsdorff heiratete die älteste der 5 Töchter
und nahm sie 1813 nach Brasilien mit, wohin
er sich als russischer Geschäftsträger hatte
versetzen lassen. Beruflich hat Klaproth, wie
schon gesagt, u.a. bei Langsdorffs
Reisebeschreibung als sachkundiger
Kommentator mitgewirkt: Die Erläuterungen
japanischer und chinesischer Begriffe, wie
auch die Ainu-Glossarien, stammen von ihm.
Doch bereits Anfang 1811 - also vor
Drucklegung von Langsdorffs Werk - trennten
sich ihre Wege wieder, als Klaproth nach
Berlin ging, um dort die Druckstöcke für seine
chinesischen (Katalog-)Publikationen
anfertigen zu lassen. Es dürften verschiedene
Faktoren gewesen sein, die ihn ganz von
Petersburg wegzogen: finanzielle, berufliche,
private, vielleicht auch politische Engpässe.
Die Adresse in Berlin "Letzte Straße Nr. 7" ist
die gleiche wie vor seinem Rußlandaufenthalt,
also wohl bei seiner Familie.
Von Deutschland aus suchte er nun weiter
nach asiatischen Manuskripten und einem
neuen Arbeitgeber. Er kam 1814 bis nach
Italien, wo er in Elba bei Napoleon I.
vorsprach. Doch erst 1818 gelang es ihm -
63
13 Das Ms. davon befindet sich sowohl in St.
Petersburg als auch in London. Kanji beherrschte
Klaproth wohl besser als sein Lehrer, der in Japan
als Matrose gearbeitet hatte. Vgl. bei Norbert R.
Adami Eine schwierige Nachbarschaft - Die
Geschichte der russisch-japanischen Beziehungen
(München 1990) S. 124 - 127 und auch bei Peter F.
Kornicki: Castaways and orientalist: the Russian
route to Japan in the early nineteenth century. Paolo
Beono-Brocchieri Memorial Lectures in Japanese
Studies. Università ca' Foscari Venezia 1999.
[lecture 24-I-2000] S.13 - 17 und 23 - 27.14 Vgl. den Brief Krusensterns an Horner vom 23. u.
30.Sept. 1807: ”Grüßen Sie Tilesius, Adelung +
Klaproth.” Alle hier zitierten Briefe Krusensterns an
Horner befinden in der ZBZ (Mappe 135, 1806 -
1808 und Mappe 136, 1808 – 1833).
15 Das Original dieses Briefes befindet sich im Horner-
Nachlass (ZBZ M. 5. 118).
Frieder SONDERMAN
人間情報学研究 第13巻 2008年3月
mittels eines Forschungsstipendiums des
preußischen Königs - in Paris, dem damaligen
Zentrum der Asienforschung, eine feste Bleibe
zu finden. Die Stelle in St. Petersburg hatte
man ihm im Vorjahr in absentia endgültig
gekündigt.
Sein umfangreiches Lebenswerk, das Zeugnis
seines immensen Fleißes ablegt, hat drei
Schwerpunkte: Sprachstudien zur
Beschreibung und Klassifikation aller, vor
allem asiatischer Sprachen, damit
verbundene Kulturforschungen, und in
Ergänzung zu diesen - last not least -
geographisch-kartographische Studien.
Herr Walravens hat in seinem Vortrag 2005
auch auf die rege antiquarische Tätigkeit
Klaproths hingewiesen. Denn neben der
sicher nicht einträglichen Edierung von
linguistischen Werken und Arbeiten über den
Fernen Osten nach 182816 hat er sich durch
Büchervermittlung ein Zubrot verdient, und
dazu zählten natürlich auch die damals raren
japanischen Werke. Das schließt nicht aus,
dass er sich schon früher intensiv mit Sprache
und Kultur Japans auseinandergesetzt hat.
Aber sein Kollege Abel Remusat war wohl der
kompetentere Japanologe. Die anfangs etwas
schwierige Zusammenarbeit mit Siebold lässt
sich aus der edierten Korrespondenz ersehen.
Sehr selbstbewusst wies Klaproth den
heimgekehrten Arzt Siebold auf die
sprachlichen Schwächen der scheinbar
kompetenten japanischen Dolmetscher hin. 17
B. Zu Horners Leben und Werk18
1774 in Zürich geboren, zum Theologen
ausgebildet, aber dann doch seiner Neigung
zu den exakten Wissenschaften folgend,
begann er 1797 ein zweites Studium in
Göttingen. Schon 1798 wurde er Assistent von
Franz Xaver von Zach auf der damals sehr
berühmten Sternwarte Seeberg bei Gotha,
promovierte und ging dann als
praktizierender Geodät nach Norddeutschland.
Zach schlug ihn für die erste russische
Weltumseglung vor. Er nahm das Angebot an
und war daher von 1803 - 1806 auf Weltreise.
Nach der Rückkehr blieb er 2 Jahre bis zum
Herbst 1808 in St. Petersburg, um dem
Kapitän Adam Johann von Krusenstern bei
der Herausgabe des offiziellen Reiseberichtes
zu helfen. Er selbst lieferte dazu verschiedene
Beiträge im 3. Band. Sein eigener Plan,
erneut in die südliche Hemisphäre zu reisen,
um dort von einer neu zu errichtenden
Sternwarte aus den Sternhimmel zu
katalogisieren, scheiterte an mangelnder
Unterstützung der russischen Regierung.
Daher kehrte er 1809 nach Zürich zurück,
64
16 Zu Arbeiten Klaproths über Japan vgl. den
Überblick bei Walravens LuW S. 62f. und die
Hinweise in seinem Vortrag 2005.
17 Klaproths Briefe an Siebold sind abgedruckt bei
Walravens BmG S. 93 – 110.18 Vgl. zu Horners Biographie die Artikel von Rudolf
Wolf in der Vierteljahresschrift 21 (1876) und 22
(1877) sowie dessen Bericht über Horner in den
Biographien zur Kulturgeschichte der Schweiz.
Zweiter Cyclus (Zürich 1859) S. 353 – 404. Die
Artikel zu Horner in der Publikation von Eva
Maeder und Peter Niederhäuser (Hg.), Von Zürich
nach Kamtschatka. Schweizer im Russischen Reich
(Chronos-Verlag, Zürich 2008) liegen mir noch nicht
vor.
Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien
Journal of Human Informatics Vol.13 March,2008
wurde Professor der Mathematik am dortigen
Collegium und von 1812 bis 1829 am
Carolinum. Neben seinen Publikationen für
ein physikalisches Lexikon hat er Artikel zu
astronomischen Fragen veröffentlicht und
sich um die Landvermessung der Schweiz
verdient gemacht. Auch in öffentlichen
Ämtern der Stadt war er tätig. Mehr als 70
Vorträge hielt er etwa in der
naturforschenden Gesellschaft von Zürich.
Aus der 1811 geschlossenen ersten Ehe hatte
er zwei ihn überlebende Kinder. Seine Frau
starb allerdings bereits 1822, weshalb er sich
1823 wieder verheiratete.
C. Das Manuskript-Konvolut in der ZBZ (Ms.
M 6. 21)
Als Titel auf dem Umschlagblatt dieser
Mappe findet sich folgende Aufschrift:
"J.C. Horner - Reisen der russischen und
englischen Gesandschaft 1804". Sie enthält
drei verschiedene Texte, die hier der
Einfachkeit halber als [A], [B] und [C]
bezeichnet werden und im Original nicht
vollständig paginiert sind:
[A] Bemerkungen | über die neuesten
Rußischen u: Englischen Gesandschaften |
nach China. | Von J. Klaproth. 19
- (13 S., 2 gefaltete Bll. à 8 Seiten + 2 Bll. à 5
Seiten Text + 3 Leerseiten)
[B] Die Rußische Gesandschaft nach Japan im
J. 1804. | mit ihren nächsten Folgen.
(1 Seite)
Vorläufige Bemerkungen über die
Gesandschaften der Europäer nach dem
Oriente.
(11 1/3 S.)
Die Rußische Gesandschaft in Japan.
(25 S.)
- (insgesamt 39 S., 8 gefaltete Bll à 32 S.,
wobei die 2. S. leer ist, + 2 Bll. à 8 S.)
[C] Unmittelbare Folgen der Rußischen
Gesandschafts= | reise nach Japan.
[über dem Titel mit Bleistift von 3.
Hand: "Vorgelesen d. 16. März.
1818."]
(37 S., 8 Bll. à 32 Seiten + 2 Bll à 5 Seiten
Text + 3 leere Seiten)
Zur Schreiberhand und den Manuskripten:
Es ist nicht die Handschrift Klaproths (auch
nicht beim Teil [A]), sie gleicht derjenigen von
Horner. Sicher ist das Konvolut nicht
einheitlich entstanden, die vielen Einschübe
und Korrekturen sprechen für ein Konzept als
Vorlage für einen Vortrag oder einen
(überarbeiteten) Artikel. An mehreren Stellen
ist offensichtlich ein anderer Schreiber tätig
gewesen.20 Diese Passagen sind sorgfältiger
verfasst oder von einer anderen Vorlage
sauber abgeschrieben worden. Ein paar kurze
Markierungen am Rand von späterer Hand
und in anderem Schreibstil lassen sich
vielleicht als Leser-/Editornotizen erklären.
Aus den handschriftlichen Protokollen der
"Naturforschenden Gesellschaft" in Zürich
ergibt sich, dass Horner dort am 12. Januar
65
19 Der senkrechte Strich ( | ) zeigt den Zeilensprung
an. Vgl. auch den Abdruck dieses Textes im Anhang.
20 So etwa in [C] pag. 12, 13 und 14 bis 16, dann
wieder pag. 22 unten bis 24 oben.
Frieder SONDERMAN
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1818 das Ms. [B] und am 16. März des
gleichen Jahres den Text [C] vorgetragen
hat.21 Ob auch der erste Teil [A] (von
Klaproth) im Zusammenhang mit dieser
Vortragsserie verwendet wurde, ist nicht klar.
Wann und wofür wurden diese Artikel
verfasst?
Es spricht nichts dagegen, die Abfassung
aller Texte auf einen Termin nach dem
Herbst 1817 zu datieren, da die von dem
Engländer William P. Amherst geleitete und
so unglücklich verlaufende englische
Gesandschaftsreise nach China in den Jahren
1816 - Nov. 1817 erwähnt wird.
Das auf weißem Papier geschriebene 13
seitige Ms. [A] über die russische
Gesandtschaft nach China unter Leitung von
Jurij Alex. Golovkin (1805-6) ist von Klaproth
verschiedentlich für Publikationen variiert
worden.22 Zuerst erschien es 1809 in
umfangreicherer Form als Buch23, dann
wieder unter dem Pseudonym "Louis d'Or,
Wilhelm Lauterbach" im Cotta'schen
Morgenblatt Dez. 1825 (Nro. 292-294) in
gekürzter und aktualisierter Form. Es wurde
noch einmal in der Zeitschrift Das Ausland 1
(1828) verwendet. Klaproth brauchte immer
Geld und verschaffte es sich auch durch solche
Journalisten-/Kommentatorentätigkeiten. Im
Jahre 1829 gibt es dann in den Neuen
Allgemeinen Geographischen und Statistischen
Ephemeriden einen Artikel "Ueber den
Handel Russland's mit Schina. Geschrieben
im Jahre 1823 von J. Klaproth".24 Auch
daraus ist ersichtlich, dass Klaproth seine
Manuskripte über Jahre hin ablagerte und sie
bei einer sich bietenden Gelegenheit
auffrischte.
Es könnte sein, daß Klaproth um 1816
Vorträge für preußische Diplomaten
verfasste, um seine vielseitigen Kenntnisse
über Asien und Russland zu demonstrieren
und somit die finanzielle preußische
Unterstützung zu erhalten. Doch bleibt
unklar, wie Klaproths Artikel in den Besitz
von Horner hat gelangen können, da von
diesem keine weiteren Briefe vorliegen.
Darüber hinaus findet sich auch im
Briefwechsel Horners mit Krusenstern kein
Hinweis auf solche fortdauernden Kontakte.
Am 9. Juni 1828 schrieb Krusenstern aus St.
Petersburg (ZBZ M 5. 135): „Ich bin neugierig
zu wissen, wie Klaproth meine Charte von
Japan critisiren wird.” In seinem Artikel
"Ueber den Handel Russland's mit Schina" für
die Neuen Allgemeinen Geographischen und
Statistischen Ephemeriden rechnete Klaproth
mit Krusensterns Plan des direkten Handels
zwischen Sibirien und Russisch-Alaska mit
China und Japan ab: Er gebe nur einer
russischen Handelsniederlassung auf den
Bonin-Inseln oder auf Formosa eine Chance,
diesen Handel mit China durchzuführen, und
66
21 Diese Protokolle befinden sich im “Tagebuch der
Physikalischen Gesellschaft …” im Staatsarchiv
Zürich (ZH B IX 198 Bl. 82f. und 98).22 Vgl. dazu die Ausführungen bei Walravens BuD S.
187.23 Die “neue Ausgabe” von 1817 - lt. Walravens LuW S.
85 Nr. 41a - lag mir nicht vor. Sie könnte die
Vorlage für Horners Abschrift und Bearbeitung sein.
24 Ebd. im 27. Band (1829), 13. (S. 385 - 397) und 14.
St. (S. 417 - 429). Vgl. dazu Walravens LuW S. 124
Nr. 158d.
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Erlaubniß, dem Kaiser präsentirt zu werden, ohne die
9 Fußfälle gemacht zu haben. Vierzehn Tage vorher
hatte man ihn in Tiantsin das nämliche Fest bereitet,
das man in Urga dem Grafen Golovkin hatte geben
wollen, ohne von Lord Amherst andere Zeremonien als
die gewöhnlichen Europäischen Höflichkeiten zu
verlangen.
Die Chinesen hatten also dem Englischen Gesandten
Alles zugegeben, währendeßen sie dem Rußischen
(11) Alles abschlugen. Wenn der Letztere sich richtig
benahm, indem er eine erniedrigende Zeremonie von
sich wies, so handelte Jener wie ein Unsinniger, als er
durch einen kindischen Eigensinn den Erfolg seiner
Sendung mit einem male vernichtete: eine
Beharrlichkeit die um so übler angebracht war, als er
so eben einen vollständigen Sieg über die Etikette der
Chinesen errungen hatte. Die Thatsache ist folgende:
Sobald Lord Amherst die Versicherung erhalten hatte,
daß der Kaiser ihm das Kin-teu erlaße, machten ihn
die zu seinem Empfang abgeschickten Großen des
Reichs, mit dem Befehl bekannt, zufolgedeßen sie ihn
Tags darauf von Thung-tscheu, wo er sich damals
befand, über Peking, nach Yuan-ming-yan, einem
Lusthause bringen sollten, wo ihm der Kaiser die
Audienz ertheilen würde. Der Gesandte reiste mit
seinem Begleit um 4 Uhr N. M. von Tung-tscheu in
einem schönen mit 4 Maulthieren bespannten Wagen
ab, u: kam um 4 Uhr morgens darauf am Ort seiner
Bestimmung an. Sie fanden dort alle Mandarins in
Staatskleidung, u: diese sagten ihm, sie würden
augenblicklich dem Kaiser präsentirt werden. Lord
Amherst klagte über große Ermüdung, u: weigerte
sich, vor dem Chinesischen Monarchen bestaubt u: in
Reisekleidern zu erscheinen. Die Chinesischen
Commißarien glaubten
(12) nun, sie hätten sich vielleicht über das Capitel der
nöthigen Zeremonien nicht deutlich genug
ausgesprochen, u: die Zögerung des Gesandten habe
eine Furcht vor den 9 Prosternationen zum Grunde,
wiederholten ihm mehrere male die Worte: Ni men ti
ly, "Euere eigene Zeremonie" - ist alles, was man
verlangt. Allein Lord Amherst, ohne zu bedenken, daß
der Kaiser mit dem ganzen Hofe seiner wartete,
bestand darauf, die Ankunft seiner schönen Kleider,
der Geschenke, seines Gefolges, u: des Schreibens des
Königs von England abzuwarten, das er vergeßen
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Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien
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hatte, in den Wagen zu legen. Der Chinesische
Reichsherzog, welcher ihn dem Kaiser vorstellen
sollte, nahm ihn endlich beym Arm mit den Worten:
"Kommen Sie wenigstens in mein Gemach, wo sie
beßer dran sind, als hier unter der Menge: Sie können
da ausruhen, währenddem ich zum Kaiser gehe, ihm
Ihre Bitte zu unterlegen." Allein Lord Amherst
erklärte sich müde u: krank, u: wollte nichts von
Audienz hören, bis sein Gefolge u: seine Sachen
angekommen wären: Er wurde demzufolge in das ihm
bestimmte Haus geführt. Einige Stunden später
schickte der Kaiser seinen Arzt zum Lord, um s.
Befinden zu untersuchen; der Äsculap, der ihn
vollkommen gesund fand, erstattete dem
(13) Sohn des Himmels seinen Bericht, u: dieser befahl
dann die Augenblickliche Zurücksendung der Engl.
Gesandschaft, weil ihr Führer sich erdreistet hätte,
den Kaiser zu hintergehen, im Augenblick, wo er ihm
hätte vorgestellt werden sollen.
Die chinesische Regierung war vernünftig genug, in
diesem Benehmen des Gesandten nur eine
persöhnliche Unbeholfenheit u: Unschicklichkeit zu
erblicken: sie behandelte die Gesandtschaft selbst auf
ihrem Rückzuge nach Canton mit aller Höflichkeit u:
Schonung u. das Vorgefallene hat auf den Handel der
Compagnie in Canton nicht den mindesten
nachtheiligen Einfluß gehabt.
〔2008年2月28日受付〕
85
Anhang 2 Brief Klaproths an Horner (aus: ZBZ, Horner-Nachlass M. 5. 135)
Frieder SONDERMAN
人間情報学研究 第13巻 2008年3月
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Anhang 3 (vgl. auch Anhang 1)Abschrift von Klaproths Text („Bemerkungen über die neuestenRußischen u: Englischen Gesandschaften nach China“ (aus: ZBZ, Horner-Nachlass M. 6. 21)