Heike Marita Hölzner Die Fähigkeit des Fortschritts im Strategischen Management
GABLER RESEARCH
Forschungs-/Entwicklungs-/Innovations-Management
Herausgegeben von
Professor Dr. Hans Dietmar Bürgel (em.)
Universität Stuttgart
Professorin Dr. Diana Grosse, vorm. de Pay
Technische Universität Bergakademie Freiberg
Professor Dr. Cornelius Herstatt
Technische Universität Hamburg-Harburg
Professor Dr. Hans Koller
Universität der Bundeswehr Hamburg
Professor Dr. Martin G. Möhrle
Universität Bremen
Die Reihe stellt aus integrierter Sicht von Betriebswirtschaft und Technik Arbeits-
ergebnisse auf den Gebieten Forschung, Entwicklung und Innovation vor. Die
einzelnen Beiträge sollen dem wissenschaftlichen Fortschritt dienen und die
Forderungen der Praxis auf Umsetzbarkeit erfüllen.
Heike Marita Hölzner
Die Fähigkeit des Fortschritts im Strategischen Management Eine organisations- und wissenschafts- theoretisch fundierte Erweiterung des Konzepts dynamischer Fähigkeiten
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Hans Koller
RESEARCH
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Dissertation Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, 2009
Gedruckt mit Unterstützung von
Freunde und Förderer der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr
Hamburg e.V.
Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Helmut-Schmidt-Universität/
Universität der Bundeswehr Hamburg
1. Auflage 2009
Alle Rechte vorbehalten
© Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
Lektorat: Claudia Jeske | Sabine Schöller
Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
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wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-8349-1823-9
Geleitwort
Die aktuelle Literatur zum Strategischen Management und zur Innovationsfähigkeit
von Unternehmen ist gepflastert mit Arbeiten zu den Segnungen all jener Ansätze, die
auf den Ressourcen des Unternehmens basierend eine dynamische Anpassung der Un-
ternehmensleistungen sowie seiner Strukturen und Prozesse an die sich verändernden
Rahmenbedingungen bewirken. Konstrukte wie die „Dynamic Capability“, „Absorp-
tive Capacity“ oder „Innovation Capability“ scheinen hinsichtlich der erstrebenswer-
ten Innovationen und der strategischen Ausrichtung von Unternehmen einen Ausweg
aus dem Anpassungsdilemma zu bieten.
So überzeugend die zugehörigen Grundgedanken sind, so abstrakt bleiben sie, sobald
es um eine klare begriffliche Abgrenzung unterschiedlicher Ansätze oder gar um ihre
detaillierten Wirkungsmechanismen geht. Die vorliegende Arbeit stellt sich der
schwierigen Aufgabe, Licht in den konzeptionellen Raum dieser Ansätze zu bringen
und ihren Beitrag zum Fortschritt der Theorie des strategischen Managements heraus-
zuarbeiten: Ausgehend von einer differenzierten Analyse des Objektbereiches „Stra-
tegisches Management“ und des Beitrages, den die Forschung im Strategischen Ma-
nagement durch eine differenzbildende Wissensgenese zur Lösung der aufgeworfenen
Praxisprobleme zu erbringen vermag, gelangt Frau Dr. Hölzner konsequent zu der
Frage, was Rigorosität im wissenschaftstheoretischen Sinne ausmacht. In einer lo-
benswert fundamentalen Weise setzt sie sich mit verschiedenen wissenschafts-
theoretischen Positionen zur Frage der Wissenschaftlichkeit und den Kriterien für
wissenschaftlichen Fortschritt auseinander und entwickelt daraus ein eigenes Prüf-
schema zur Beurteilung des wissenschaftlichen Fortschritts. Allein dieses wissen-
schaftstheoretisch begründete Prüfschema stellt eine bemerkenswerte Leistung dar. Es
ermöglicht die nun folgende systematische Beurteilung des wissenschaftlichen Fort-
schritts, den der Capability-based View im Rahmen des Strategischen Managements
erbringt sowie die begründete Herausarbeitung aktueller Defizite des Ansatzes. Ganz
zweifellos leistet Frau Dr. Hölzner damit einen fundamentalen Beitrag zur Einord-
nung, aber auch zur Weiterentwicklung des Capability-based View.
Als wäre der hieraus erzielte Erkenntnisfortschritt nicht schon genug, setzt sich die
Arbeit darüber hinaus mit der zuvor als Erklärungslücke identifizierten Frage ausein-
ander, wie die Dynamik innerhalb der organisationalen Fähigkeit zu erklären sei. Zur
Beantwortung wendet sich die Autorin dem Kernelement organisationaler Fähigkeiten
VI Geleitwort
– den Routinen – zu. Sie analysiert die Beiträge der verhaltenwissenschaftlichen Ent-
scheidungstheorie, der Evolutorischen Ökonomik und der Strukturationstheorie zur
Erklärung der Anpassung von Routinen und integriert diese Sichtweisen in einem
neuen Modell, das durch die Einbeziehung eines reflexiven Akteurs sowie diverser
Variations- und Filtermechanismen in der Lage ist, die Entstehung, die Tradierung
und den intendierten Wandel von Routinen zu erklären.
Insgesamt bietet Frau Dr. Hölzner nicht nur einen wissenschaftstheoretisch begründe-
ten Beitrag für die Einordnung des Capability-based View sondern auch eine Erklä-
rung für die dynamische Anpassung von Routinen an veränderte Rahmenbedingun-
gen, aus der sich wichtige Anregungen für die Gestaltung von innovationsförderlichen
Strukturen und Prozesse in Unternehmen ergeben. Die Arbeit offeriert damit wirklich
bemerkenswerte Einsichten – sowohl für die Weiterentwicklung der Theorie des Stra-
tegischen Managements und des Innovationsmanagements als auch für die Praxis. Vor
diesem Hintergrund wünsche ich ihr die ihr gebührende Resonanz in der Wissenschaft
und in der Praxis. Den Lesern ist eine fordernde, aber zugleich fesselnde und erkennt-
nisreiche Lektüre gewiss.
Prof. Dr. Hans Koller
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mit-
arbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Industriebetriebs-
lehre und Technologiemanagement an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg
und wurde dort im Mai 2009 als Dissertation angenommen.
Die mehrjährige intensive Beschäftigung mit einem wissenschaftlichen Thema war für
mich eine prägende Erfahrung und eine Zeit, in der nicht selten die Grenzen zwischen
Beruf und Privatleben fließend waren. Das betrifft nicht nur das Arbeiten an Wochen-
enden und nach Feierabend. Mit der Zeit habe ich bemerkt, dass sich insgesamt mein
Blick auf die Welt verändert hat. So habe ich mich in der vorliegenden Arbeit mit der
Entstehung und Veränderung von Routinen in Unternehmen beschäftigt und dabei
nicht selten auch die Abläufe in meinem Arbeits- und Privatleben ins Visier genom-
men. Dabei habe ich festgestellt, dass so einzigartig der Entstehungsprozess einer Dis-
sertation auch ist, er doch an vielen Stellen von Interaktionen und Routinen begleitet
wird. Sie strukturieren den Forschungsprozess, helfen dem Autor die eigene Leistung
einzuordnen und schaffen Freiraum für Kreativität und Veränderung. Ihre positive
Wirkung entfaltet sich in vollem Umfang jedoch nur dann, dieses Phänomen kann auf
den folgenden Seiten nachvollzogen werden, wenn der sie ausführende Akteur gleich-
zeitig an unterschiedlichen sozialen Prozessen partizipiert. Mit anderen Worten: je
vielfältiger das private und berufliche Umfeld, desto förderlicher das Zusammenwir-
ken der verschiedenen Routinen und desto größer die Chance auf Fortschritt. Wenn ich
mit der vorliegenden Arbeit also einen Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt lei-
sten konnte, dann ist das auch ein Verdienst der Menschen, die es mir erlaubt haben
Teil ihrer „Routine“ zu sein. Ihnen möchte ich an dieser Stelle danken.
Zunächst danke ich meinen Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hans Koller, für die Bereit-
schaft ein in der strategischen Forschung eher ungewöhnliches Thema anzunehmen
sowie für das damit in mich gesetzte Vertrauen und für den Freiraum, diese Arbeit
entwickeln zu können und reifen zu lassen. Herrn Prof. Dr. Günther Ortmann danke
ich für die Übernahme des Zweitgutachtens sowie Herrn Prof. Dr. Michael Gaitanides
für seine Unterstützung als Prüfer in meinem Rigorosum. Allen drei Herren sei herz-
lich für ein Promotionsverfahren gedankt, das sich durch eine „wissenschaftliche Rou-
VIII Vorwort
tine" im besten Sinne, d.h. durch einen konstruktiv-kritischen und doch grundsätzlich
aufgeschlossenen Diskurs auszeichnete.
Darüber hinaus gebührt mein Dank meinen Kollegen, die mich auf vielfältige Weise
unterstützt und aus den „Routinen“ des Universitätsalltags eine Freude gemacht haben.
Besonderes zu erwähnen sind dabei Dr. Christian Langmann, Dr. Sascha Hoffmann
und Dipl.-Wi.-Ing. Petra Plenio, die frühe Fassungen dieser Untersuchung gelesen und
mit wertvollen Hinweisen zu ihrem Gelingen beigetragen haben. Für ihre moralische
Unterstützung und das Einbringen einer interdisziplinären Sichtweise danke ich Dipl.-
Kffr. Katrin Brändel und RA Tanja Geuter.
Des Weiteren danke ich auch heute noch Prof. Dr. Reinhard Pfriem, Prof. Dr. Michael
Mohe und Prof. Dr. Christoph Kolbeck dafür, dass sie mich während meines Studiums
an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg bei meinen ersten wissenschaftli-
chen Schritten unterstützt und in mir den Wunsch zu promovieren gefördert haben.
In dieser Zeit entstanden auch besondere Freundschaften zu Menschen, die für mich
heute wie eine zweite Familie sind und denen ich für ihre Unterstützung danken möch-
te. Stellvertretend seien hier vor allem Dipl. Oec. Andreas Ahlden und Dipl. Oec. Ste-
phan Sprenger erwähnt, die mir seit nunmehr fast 10 Jahren mit Rat und Tat dabei zur
Seite stehen, meinen Weg zu finden und meine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren
sowie Dipl. Oec. Dörte Borchers, der ich besonders für ihr Verständnis als Mitbewoh-
nerin und für ihren Beistand in so mancher Schaffenskrise danke.
Nicht zuletzt gebührt ein großer Dank meiner Familie. Allen voran meinem Mann
Frank, der die emotionalen Hoch- und Tiefpunkte gegen Fertigstellung der Arbeit so
geduldig ertragen und mich nach Kräften unterstützt hat. Meinen Brüdern Gerd und
Stefan Untiedt sowie meinem Vater Gerhard Untiedt danke ich für ihren guten Rat und
dafür, dass sie mir immer das sichere Gefühl vermittelt haben, bei jeder Entscheidun-
gen hinter mir zu stehen. Und schließlich danke ich meiner Großmutter Frieda Hock,
deren Fröhlichkeit und Optimismus mich immer wieder motiviert haben, meiner
Großmutter Anna Untiedt, die Ihre Entschlossenheit an mich vererbt hat sowie ganz
besonders und von Herzen meiner Mutter Marita Untiedt, von der ich gelernt habe
niemals aufzugeben und immer den Mut zu bewahren. Diesen starken Frauen, in deren
Tradition ich stehe und von denen ich so viel lernen durfte, sei diese Arbeit gewidmet.
Heike Hölzner
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort.......................................................................................................................V�
Vorwort ..................................................................................................................... VII
Inhaltsverzeichnis .........................................................................................................IX�
Abbildungsverzeichnis...............................................................................................XIII�
Tabellenverzeichnis..................................................................................................... XV
Kapitel I
Einleitung.......................................................................................................................1�
1� Problemstellung .........................................................................................................1�
2� Zielsetzung.................................................................................................................3�
3� Vorgehensweise .........................................................................................................5
Kapitel II
Wissenschaftstheorie im und für das Strategische Management ............................7�
1� Das Strategische Management als Wissenschaft.......................................................9�
1.1� Objektbereich des Strategischen Managements ...........................................10�
1.1.1�� Strategisch relevante Umwelten.....................................................11�
1.1.2�� Unternehmen als strategische Einheiten ........................................12�
1.1.3�� Erfolg und Wettbewerbsvorteile.....................................................14�
1.1.4�� Strategien........................................................................................15�
1.1.5�� Strategische Akteure.......................................................................19�
1.2� Strategieforschung zwischen Theorie und Praxis.........................................26�
1.2.1�� Wissensgenese in der Management Knowledge Industry..............26�
1.2.2�� Wissensverwertung und die Theorie-Praxis Debatte .....................41
X Inhaltsverzeichnis
2� �Wissenschaftlichkeit und Fortschritt in der Wissenschaftstheorie.........................53�
2.1� Standortbestimmung der Wissenschaftstheorie ............................................55�
2.2� Wissenschaftlichkeit aus Sicht der analytischen Wissenschaftstheorie .......59�
2.2.1�� Semantik von Theorien ..................................................................60�
2.2.2�� Syntax von Theorien ......................................................................62�
2.2.3�� Pragmatik von Theorien .................................................................65�
2.3� Wissenschaftlicher Fortschritt aus Sicht .........................................................
ausgewählter wissenschaftsphilosophischen Positionen ............................68 �
2.3.1� Evolutionäre Theorieentwicklung bei Popper................................69�
2.3.2� Divergente Theorieentwicklung bei Kuhn .....................................72�
2.3.3� Progressive Theorieentwicklung bei Lakatos ................................76�
2.3.4� Erkenntnistheoretischer Anarchismus bei Feyerabend ..................80�
2.4� �Einflussfaktoren auf die Theoriegenese aus ..................................................
wissenschaftssoziologischer Sicht ...............................................................85�
2.4.1�� Inhaltliche Determinanten der Theorieentwicklung ......................86�
2.4.2�� Kontextbezogene Determinanten der Theorieentwicklung ...........88�
3� �Eine wissenschaftstheoretische Heuristik für das Strategische Management.......91
Kapitel III
Die Fähigkeitsorientierung im Strategischen Management .................................101�
1� �Zur Ideengeschichte organisationaler Fähigkeiten...............................................102�
1.1� �Der Market-based View als Wegbereiter des „Economic Turn“ ...............106�
1.1.1�� Ökonomische Grundlagen und strategische Implikationen .........106�
1.1.2�� Kritische Würdigung ....................................................................110�
1.2� �Der Resource-based View und seine Subschulen ......................................112�
1.2.1�� Die Strukturschule........................................................................113�
1.2.1.1�� Ökonomische Grundlagen und strategische Implikationen .........113�
1.2.1.2�� Kritische Würdigung ....................................................................121�
1.2.2�� Die Prozessschule.........................................................................124
Inhaltsverzeichnis XI
1.2.2.1�� Modifizierte ökonomische Grundlagen .......................................125�
1.2.2.2� Subschulen....................................................................................126�
2� �Fähigkeiten als Explanans: Der Capability-based View ......................................131�
2.1� �Zentrale Konstrukte und Begrifflichkeiten ................................................133�
2.2� �Die organisationale Fähigkeit ....................................................................136�
2.2.1� Die Combinative Capability.........................................................137�
2.2.2� Die Absorptive Capacity ..............................................................140�
2.2.3� Die Innovation Capability ............................................................143�
2.2.4� Die Dynamic Capability...............................................................146�
2.2.5� Das Basismuster organisationaler Fähigkeiten ............................148�
2.3� �Kritische Würdigung ..................................................................................152�
3� Die Fähigkeitsorientierung aus wissenschaftstheoretischer Perspektive.............156�
3.1� �Analyse der Vorraussetzungen auf struktureller Ebene .............................157�
3.2� �Analyse der Vorraussetzungen auf logischer und sprachlicher Ebene ......160�
3.3� �Analyse der Kontextebene der Theoriegenese...........................................161�
3.4� �Analyse der Voraussetzungen auf methodologischer Ebene .....................165
Kapitel IV
Quo vadis, organisationale Fähigkeit?....................................................................169�
1� �Ansätze zur Erklärung der Fähigkeiten inhärenten Dynamik ..............................171�
1.1� �Integrativer Ansatz .....................................................................................172�
1.2� �Kontingenzansatz .......................................................................................174�
1.3� �Hierachiemodell organisationaler Routinen...............................................176�
1.4� �Lebenszyklusmodell...................................................................................179�
1.5� �Kompetenzmonitoring................................................................................182�
1.6� �Kritische Würdigung der vorliegenden Ansätze ........................................188�
2� �Das unterschätzte Potential organisationaler Routinen........................................191�
2.1� �Routinen im Licht der ....................................................................................
verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie .................................193�
2.1.1� Theoriebasis..................................................................................194�
XII Inhaltsverzeichnis
2.1.2� Routinen als Programme ..............................................................195�
2.1.3� Entstehung und Veränderung der Routine....................................196�
2.1.4� Kritische Würdigung ....................................................................200�
2.2� �Routinen im Licht der Evolutorischen Ökonomie .....................................201�
2.2.1� Theoriebasis..................................................................................202�
2.2.2� Routinen als Gene ........................................................................204�
2.2.3� Entstehung und Veränderung der Routine....................................205�
2.2.4� Historizität und Pfadabhängigkeit................................................210�
2.2.5� Kritische Würdigung ....................................................................213�
2.3� �Routinen im Licht der Strukturationstheorie .............................................216�
2.3.1� Theoriebasis..................................................................................216�
2.3.2� Routinen als Sprache ....................................................................224�
2.3.3� Entstehung und Veränderung der Routine....................................231�
2.3.4� Kritische Würdigung ....................................................................233�
2.4� �Das RVSR-Modell organisationaler Routinen – ein integierter Ansatz ...234�
2.4.1� Entwicklung des RVSR-Modells .................................................235�
2.4.2� Das Erklärungs- und Gestaltungspotential des RVSR-Modells ..240�
2.4.3� Das RVSR-Modell aus wissenschaftstheoretischer Perspektive .257
Kapitel V
Schlussbetrachtung ...................................................................................................263�
1� Reflexionen der wissenschaftstheoretischen Ergebnisse ......................................264�
2� Reflexionen der Erkenntnisse zum Capability-based View..................................266�
3� Reflexionen der organisationstheoretischen Analyse............................................267�
4� Resümee.................................................................................................................270
Literaturverzeichnis ....................................................................................................273�
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Vorgehensweise der Untersuchung........................................................6
Abbildung 2: Konzeptioneller Rahmen der Strategieforschung ................................23
Abbildung 3: Rekursiver Prozess des Management-Fashion-Setting........................36
Abbildung 4: Wissenschaftstypologie in der Industrie-, .............................................
Arbeits- und Organisationspsychologie ...............................................42
Abbildung 5: Vorgehensweise bei der Herleitung........................................................
des wissenschaftstheoretischen Modells..............................................58
Abbildung 6: Modell der deduktiv-nomologischen Erklärung ..................................64
Abbildung 7: Inhalts- und Kontextdeterminanten im Evolutionsprozess.....................
einer theoretischen Denkschule............................................................90
Abbildung 8: Progressive Problemverschiebung .......................................................99
Abbildung 9: Wissenschaftstheoretisches Prüfmodell der Untersuchung ...............100
Abbildung 10: Erfolgsdeterminanten im Market-based View ...................................110
Abbildung 11: Ressourcentypologien im Resource-based View...............................117
Abbildung 12: The Cornerstones of Competitive Advantage....................................120
Abbildung 13: Model einer Absorptive Capacity ......................................................143
Abbildung 14: Integriertes Innovationsmodel............................................................145
Abbildung 15: Strategische Analyse aus Sicht der Prozessschule .................................
des Resource-based View...................................................................153
Abbildung 16: Heuristik zur Einordnung des Capability-based View ......................157
Abbildung 17: Ergebnis der wissenschaftstheoretischen Prüfung .................................
des Capability-based View.................................................................167
Abbildung 18: Lebenszyklusmodell dynamischer Fähigkeiten .................................180
Abbildung 19: Dualer Prozess einer Fähigkeitsdynamisierung .................................183
Abbildung 20: Organisationaler Lernkreislauf...........................................................199
Abbildung 21: Wandel in der Evolutorischen Ökonomie..........................................208
Abbildung 22: Strukturation als Reproduktion sozialer Phänomene .............................
im Zuge der sozialen Praxis ...............................................................219
XIV Abbildungsverzeichnis
Abbildung 23: Stratifikationsmodell des Handelns ...................................................221
Abbildung 24: Enstehungs- und Veränderungskreislauf der Routine .......................231
Abbildung 25: RVSR-Modell des Wandels organisationaler Routinen ....................236
Abbildung 26: Vergleich der wissenschaftstheoretischen Einordnung des ...................
status-quo des Capability-based View sowie des RVSR-Modells ....261
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Betrachtungsperspektiven strategischer Prozesse ............................... 13
Tabelle 2: Offizielle und latente Funktion von Managementberatung................. 28
Tabelle 3: Praxisorientierte Managementkonzepte .............................................. 32
Tabelle 4: Erfolgsfaktoren von Managementbestsellern...................................... 35
Tabelle 5: Merkmale einer “Applied Science Finction” ...................................... 49
Tabelle 6: Leistungsmerkmale und Anforderungen an Theorien......................... 94
Tabelle 7: Isolationsmechanismen superiorer Ressourcen................................. 119
Tabelle 8: Nominaldefinitionen zentraler Begrifflichkeiten des ..............................
Capability-based View ..................................................................... 136
Tabelle 9: Merkmale und Funktionen organisationaler Routinen...................... 150
Tabelle 10: Vergleich unterschiedlicher Dynamic Capability Konzepte ............. 175
Tabelle 11: Dynamisierungsansätze organisationaler Fähigkeiten ...................... 189
Tabelle 12: Regeln und Ressourcen in der Strukturationstheorie ........................ 217
Tabelle 13: Analogie von Verhaltenseinheit und grammatikalischer Einheit ...... 228
Tabelle 14: Reinterpretation der klassischen Routinedefinition .......................... 230
KAPITEL I
Einleitung
„Je populärer eine Idee, desto weniger denkt man über sie nach, und desto wichtiger wird es also, ihre Grenzen zu untersuchen. “
Paul Feyerabend (1924-1994)
1 Problemstellung
Das Strategische Management wird von seinen Vertretern oft als die Königsdisziplin
der Managementforschung bezeichnet, deren Bedeutung in Zeiten globaler Märkte
und internationaler wirtschaftlicher Verpflechtungen stetig zunimmt.1 Auf der Suche
nach Mechanismen zur Schaffung und Bewahrung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
und Sicherung des Erfolgs von Unternehmen,2 haben Forscher auf diesem Gebiet in
der Vergangenheit eine beeindruckende Vielfalt von theoretischen Modellen und
Denkschulen3 entwickelt.4 Unter ihnen gilt derzeit der so genannte Capability-based
View,5 eine Weiterentwicklung des in den 1990er Jahren entstandenen ressourcenba-
sierten Ansatzes6, als dominierend.7
Der Capability-based View gilt als theoretische Antwort auf sich immer dynamischer
entwickelnde Wettbewerbsbedingungen, die eine hohe Flexibilität strategischer Pläne
und Entscheidungen fordern. Unter seinem Dach widmet sich die Strategieforschung
daher konzeptionell und jüngst auch empirisch8 dem Phänomen komplexer, überindi-
1 Vgl. Alvesson/Willmot 1995, S. 98; Pettigrew et al. 2002, S. 5; Rumelt 2008, S. 1. 2 Dies gilt als zentrales Interesse der Strategieforschung, vgl. Schendel/Hofer 1979, S. 11; Summer
et al. 1990, S. 364; Chakravarthy/Doz 1992, S. 5; Teece et al. 1997, S. 509; Powel 2001, S. 875; Farjoun 2002, S. 578.
3 In Anlehnung an McKinley et al. 1999, S. 635, wird eine Denkschule als „integrated theoretical framework that provides a distinct viewpoint on organizations and that is associated with an active stream of empirical research” definiert. Sie sind meist auf wenige bekannte Arbeiten eines Wis-senschaftlers oder einer Gruppe zurückzuführen. Vgl. Mizruchi/Fein 1999, S. 653.
4 Vgl. für Überblicke u.a. Knyphausen-Aufseß 1995, Mintzberg et al. 1999, Hoskission et al. 1999, Bowman et al. 2002.
5 Vgl. Foss 2005b, S. 2 m.w.N. 6 Vgl. Wernerfelt 1984; Barney 1991; Wernerfelt 1995; Peteraf 1993; Barney 2001, sowie die Aus-
führungen in Kapitel III 1.2. 7 Vgl. Foss 2005b, S. 2 m.w.N. 8 Vgl. Montealegre 2002, Raff 2000, Zott 2003; Dutta et al. 2005; Ethiraj et al. 2005.
2 Einleitung
vidueller in der Organisation verankerter Interaktions- und Problemlösungsmuster, die
als organisationale Kompetenzen oder Fähigkeiten bezeichnet werden.9 Sie gelten als
historisch gewachsene, stabile und über die Zeit beständige Elemente kollektiver Pro-
blemlösung in unsicheren und komplexen Aufgabenumfeldern, die im Gegensatz zu
Ressourcen in früheren strategischen Diskursen nicht als feste Bestandteile von Un-
ternehmen, sondern als Einflussgrößen auf die Ressourcenbasis der Unternehmen ver-
standen werden. Ihre erfolgsrelevante Eigenschaft ist, flexibel und rasch auf Verände-
rungen zu reagieren.10 Populäre Ausführungen derartiger Fähigkeiten sind die z.B. die
Marketing Capability, Technological Capability, Combinative Capability, Change Ca-
pability, Absorptive Capacity, Innovation Capability, oder Dynamic Capability.11
Ein wesentlicher Bestandteil organisationaler Fähigkeiten sind kollektive Routinen,
die in langwierigen und größtenteils impliziten Lern- und Entwicklungsprozessen in
der Organisation entstehen.12 Ihnen wird die Eigenschaft zugewiesen, Stabilität zu
offerieren und gleichzeitig Wandel zu induzieren.13 Sie fungieren als Speicherplatz
organisationalen Wissens14 und als „enabler“ für Handlungen in der Organisation.15
Aufgrund ihrer komplexen Struktur und kausalen Verankerung sind sie weder transfe-
rier- noch veräußerbar und können nur schwer, bzw. nicht imitiert werden.16
Die Hinwendung der Managementforschung zu organisationalen Fähigkeiten ist aus
theoretischer Sicht eine längst fällige Entwicklung. Sie rückt die bisher zu Gunsten
marktlicher Bedingungen und statischer Ressourcenausstattung wenig beachtete ideo-
synkratische Kompetenzstruktur des Unternehmens in den Mittelpunkt der Betrach-
tung.17 Und dennoch ist der Capability-based View als Denkschule im Strategischen
Management nicht unumstritten. Auf der einen Seite sehen Vertreter des Ansatzes im
Kernargument organisationaler Routinen einen überlegenen theoretischen Bezugs-
rahmen, der in der Lage sei, nicht nur ökonomische, sondern auch verhaltenswissen-
9 Vgl. Grant 1991, S. 122; Collis 1994, S. 145; Teece et al. 1997, S. 16. 10 Vgl. Schreyögg/Kliesch-Eberl 2007, S. 915f., Montealegre 2002, S. 516f. 11 Vgl. Cohen/Levinthal 1990; Kogut/Zander 1992, Pettigrew/Whipp 1993; Teece et al. 1997; Eisen-
hardt/Martin 2000; Lawson/Samson 2001; Zahra/George 2002; Zollo/Winter 2002; Coombs/Metcalfe 2002; Helfat/Peteraf 2003; Winter 2003; Zahra et al. 2007.
12 Vgl. Nelson/Winter 1982, S. 96; Nelson 1991, S. 68; Winter 2000, S. 983; Dosi et al. 2000, S. 4; Zollo/Winter 2002, S. 340; Winter 2003, S. 991; Pentland/Feldman 2003, S. 97.
13 Vgl. für dieses Argument ausführlich Becker 2004, S. 659 m.w.N. 14 Vgl. Nelson/Winter 1982, S. 99; Cohen/Bacdayan 1994, S. 554; Becker 2004, S. 660f. 15 Vgl. Egigi 1996, S. 304; Foss 1997, S. 73. 16 Vgl. Amit/Schoemaker 1993, S. 35; Becker 1993, S. 386; Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 360. 17 Vgl. Moldaschl 2006, S. 3.
Einleitung 3
schaftliche und sozio-biologische Theorien in die Strategieforschung zu integrieren18
und schreiben dem Forschungszweig daher das Potential zu, die bisher eher zerstreu-
ten Forschungsbemühungen der Strategieforschung unter einem gemeinsamen Dach
zu vereinen und diverse Forschungslücken zu schließen.19 Auf der anderen Seite be-
zeichnen Kritiker den Capability-based View jedoch als beispielhaft für die theoreti-
sche Oberflächlichkeit und Modehaftigkeit strategischer Theorien20 und attestieren
der Literatur zu diesem Thema neben einer grundsätzlich zirkulären Argumentation
zudem eine mangelhafte Definition der zentralen Begrifflichkeiten, eine wahre Abun-
danz des Fähigkeitsbegriffs sowie eine konzeptionelle Ungenauigkeit in Bezug auf
Routinen und die Frage, ob und was eine Fähigkeit von einer Routine unterscheidet.21
Es werden Zweifel daran geäußert, ob der Capability-based View im Vergleich zu sei-
nem ressourcenorientierten Vorgängermodell überhaupt einen Erkenntnisfortschritt
bringt:
„To me, all this suggests that while labeling these new phenomena can be very help-ful in identifying ways in which a common theoretical perspective can be applied, these labels – per se – do not represent theoretical contributions to the field.“22
Diese Diskrepanz zwischen der Potentialzuweisung und Perzeption des Capability-
based View auf der einen Seite sowie der an dem Ansatz geübten, teils fundamentalen
Kritik auf der anderen Seite, ist Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung.
2 Zielsetzung
Im Mittelpunkt des Interesses der vorliegenden Untersuchung steht die Frage, wie das
oben beschriebene Phänomen der, zumindest verfrühten Euphorie für den Capability-
based View zu erklären ist und welche Konsequenzen sich daraus für zukünftige For-
schungsbemühungen im Strategischen Management ergeben.
Dabei ist zunächst festzustellen, dass es sich hier um keinen Einzelfall handelt, son-
dern der Fall des Capability-based View stellvertretend für ein grundsätzliches Pro-
blem der Theorieentwicklung im Strategischen Management betrachtet werden kann.
Wie kaum eine andere Managementwissenschaft sieht sich dieses verhältnismäßig
18 Vgl. Sanchez/Heene 1997, S. 305ff., Freiling 2001, S. 37 sowie allgemein zum Resource-based
View Grant 1991, Barney 1992 und mit konträrer Meinung Zajac 1992. 19 Vgl. Hoskisson et al. 1999, S. 441ff. 20 Vgl. Moldaschl 2006, S. 4. 21 Vgl. Porter 1991, S. 108; Pfriem/Butler 2001, S. 59; Ethijari et al. 2005, S. 28; Moldaschl 2006, S. 3. 22 Barney 2003, S. 425.
4 Einleitung
junge Forschungsfeld seit seiner Entstehung heftiger Kritik ausgesetzt. Vor allem die
mangelnde wissenschaftliche Rigorosität in der Wissensproduktion23 und der moden-
hafte Charakter strategischer Theorien und Modelle werden immer wieder beanstan-
det.24 Eine mögliche Ursache hierfür wird in dem Umstand gesehen, dass sich Wis-
senschaftler in dieser anwendungsorientierten Forschung einem Zielkonflikt zwischen
wissenschaftlichen und praktischen Anforderungen gegenüber sehen.25 Versuche bei-
de Anspruchsgruppen zu befriedigen, führten in der Vergangenheit zu einer inhaltli-
chen Zerfaserung des Faches und veranlassten selbst Vertreter der Disziplin dazu,
dem Strategischen Management das Fehlen eines einenden Paradigmas zu attestie-
ren.26 Strategische Forschung oszilliere lediglich zwischen verschiedenen Denkschu-
len, ohne dabei einen messbaren wissenschaftlichen Fortschritt zu erreichen.27 Aus
dieser Warte betrachtet wäre auch der Capability-based View lediglich als das vorläu-
fige Ende dieser Pendelbewegung zu betrachten und die beschriebene Diskrepanz lie-
ße sich als typische Folge anwendungsorientierter Strategieforschung interpretieren.
Jedoch ist die Antwort nicht ganz so einfach, wie aktuelle Diskussion im Rahmen der
Relevanzdebatte und die Wiederbelebung wissenschaftstheoretischer Diskurse zeigen.
Hierin mehren sich Stimmen, die dieses Urteil als unzutreffend erachten und ein
Überdenken traditioneller Kriterien von Wissenschaftlichkeit und Relevanz für das
Strategische Management fordern, in deren Licht die Bewertung vorhandener Theori-
en erneut stattfinden sollte.28
Hier knüpfen die Forschungsbemühungen der vorliegenden Untersuchung an. Wis-
senschaftlichkeit und theoretischer Fortschritt im Strategischen Management werden
nachfolgend am Beispiel des Capability-based View untersucht. Die zentrale For-
schungsfrage dabei lautet:
Ist der Capability-based View ein wissenschaftlicher Fortschritt innerhalb der Theo-
riegenese des Strategischen Managements?
23 Vgl. Huff 2000; Starkey/Madan 2001; MacLean et al. 2002; Harvey et al. 2002; oder Oster-
loh/Frost 2003; Nicolai 2004a. 24 Vgl. Abrahamson 1996; Kieser 1996; Jackson 2001; Hopewell 2002; Clark 2004. 25 Vgl. Hoskisson et al. 2001, S. S41; Shrivastava 1987; Lampel/Shapira 1995; Nicolai 2004a. 26 Vgl. Montogomery 1988, S. 3; Schendel/Cool 1988, S. 27; Fredrickson 1990, S. 2; Bowman
1990, S. 17f.; Schendel 1997, S. 3. 27 Vgl. für einen Überblick Hoskisson et al. 1999; Foss 2007. 28 Vgl. Godfrey/Hill 1995; Huff 2000; Mir/Watson 2001; Powell 2001, 2003; Farjoun 2002; Arend
2003; Nicolai 2004a; Foss 2007; Freiling et al. 2008.
Einleitung 5
3 Vorgehensweise
Dem beschriebenen Forschungsziel nähert sich die vorliegende Untersuchung anhand
der einzelnen Elemente der Forschungsfrage. Kapitel II legt die Grundlagen für eine
wissenschaftstheoretische Untersuchung innerhalb des Strategischen Managements.
Dazu stehen zunächst in Kapitel II.1 stehen dazu die Besonderheiten des Strategi-
schen Managements als Wissenschaft, vor allem seine relativ junge Wissenschaftsge-
schichte und die spezifischen Herausforderungen, die sich aus der hohen Anwen-
dungsorientierung der Disziplin ergeben im Vordergrund. Ein Verständnis für diese
Zusammenhänge ist zwingend notwendig um das Verhältnis des Strategischen Mana-
gements zur Wissenschaftstheorie in der Vergangenheit sowie die Bedeutung eines
wissenschaftstheoretischen Fundaments für die Zukunft der Disziplin zu verstehen.
Kapitel II.2 beschäftigt sich daraufhin mit den Fragen, was eine wissenschaftliche
Theorie und wissenschaftlichen Fortschritt konstituiert und wie dieser messbar ge-
macht werden kann. Dazu werden Argumente der analytischen Wissenschaftstheorie
sowie der philosophischen Wissenschaftstheorie und der Wissenschaftssoziologie he-
rangezogen. Die erzielten Erkenntnisse werden in Kapitel II.3 mit den Ergebnissen
der Kontextanalyse zu einer wissenschaftstheoretischen Heuristik für das Strategische
Management zusammengefügt, auf der im weiteren Verlauf die Bewertung des Capa-
bility-based View aufbaut.
Kapitel III rückt anschließend die Fähigkeitsorientierung im Strategischen Manage-
ment in den Mittelpunkt der Betrachtung. In Kapitel III.1 wird zur Bemessung des
relativen Fortschritts, den der Capability-based View im Strategischen Management
ausweist, die Ideengeschichte des Modells anhand einer kurzen Beschreibung seiner
Vorläufer nachgezeichnet. Im Anschluss daran wird in Kapitel III.2 der Capability-
based View anhand zentraler Begrifflichkeiten vorgestellt. Darauf aufbauend nähert
sich die Arbeit spezielle dem Konstrukt der organisationalen Fähigkeit, durch Analyse
verschiedener in der Literatur vorliegender Fähigkeitsmodelle. Den Abschluss des
Kapitels bilden eine Bewertung des Status quo des Capability-based View vor dem
Hintergrund des oben erarbeiteten wissenschaftstheoretischen Modells sowie ein
Ausblick auf notwendige weitere Forschungsbemühungen in diesem Feld in III.3.
Kapitel IV richtet das Augenmerk auf die mangelnde konzeptionelle Basis des Fähig-
keitskonstrukts, die zuvor wesentlicher als Teil der Kritik am Capability-based View
identifiziert wurde. Dabei wird zunächst in Kapitel IV.1 eine Analyse der in der Lite-
ratur besonders populären Fähigkeitskonzepte durchgeführt. Vor dem Hintergrund der
dort erzielten Ergebnisse wird in Kapitel IV.2 auf Basis detaillierter organisationstheo-
6 Einleitung
retischer Analysen eine Elaborierung des Routinekonstruktes vorgenommen. Das ent-
wickelte, integrierte Routinemodell wird gemäß der Vorgaben der vorliegenden Arbeit
abschließend selbst einer wissenschaftstheoretischen Prüfung unterzogen, um so
seinen Beitrag zum Fortschritt im Strategischen Management zu bestimmen.
Die Arbeit schließt mit einer Reflektion der erzielten Ergebnisse und einem Ausblick
auf weiteren Forschungsbedarf in Kapitel V.
Abbildung 1: Vorgehensweise der Untersuchung
Quelle: eigene Darstellung.
KAPITEL II
Wissenschaftstheorie im und für das Strategische Management
Die Wissenschaft genießt in unserer Gesellschaft ein hohes Ansehen.29 Ihren Annah-
men und Aussagen wird ein spezieller Verdienst, oder zumindest eine spezielle Art der
Zuverlässigkeit zugeschrieben. Was als „wissenschaftlich“ bezeichnet werden kann,
gilt gemeinhin als objektiv und stellt damit im Vergleich zum Alltagswissen eine
überlegene Wissensart dar.30 Doch stellt sich die Frage, was diese Autorität der Wis-
senschaft begründet? Woran misst man die Objektivität der Wissenschaft? Gelten
hierbei für jede Wissenschaft, für naturwissenschaftliche Disziplinen wie auch für
Geisteswissenschaften, die gleichen Kriterien?
Die Wissenschaftstheorie gilt als spezielles Teilgebiet der Philosophie und so genann-
te „Meta-Theorie“31 und ist diejenige Institution, welche Aussagen über die zweck-
mäßige Organisation von Wissenschaftsprozessen und wissenschaftlichen Institutio-
nen zu treffen sucht.32 Dabei stellt sich die moderne Wissenschaftstheorie jedoch kei-
nesfalls als praktische Methode dar, die ein standardisiertes Handwerkszeug zur Be-
wertung wissenschaftlicher und fortschrittlicher Forschung zur Verfügung stellt.33
Vielmehr existiert hier eine Reihe unterschiedlicher philosophischer Lager, die ihrer-
seits sehr differente Auffassungen über den Zweck und die Methodologie der Wissen-
schaft und den Prozess des wissenschaftlichen Fortschritts vertreten.34 Dadurch
kommt es zu einer internen Heterogenität dieser Meta-Theorie, die sich auch auf die-
jenigen Wissenschaften, die sich einer wissenschaftstheoretischen Reflektion unter-
werfen, überträgt und dort im Einzelfall zu einer Art Aushandlungsprozess führt. Da
die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung in hohem Maße von den Zwecken und der
Historie der Disziplin bestimmt sind, ist die autonome Auseinandersetzung mit ihrer
29 Vgl. für eine Differenzierung der Wissenschaft in Tätigkeit, Institution und Ergebnis einer Tätig-
keit Kornmeier 2007, S. 4f. 30 Vgl. Chalmers 2001, S. 1. 31 Vgl. Wenturis et al. 1992, S. 48ff. 32 Vgl. Raffée 1995, S. 13; Frank 2003, S. 289. 33 Vgl. Chalmers 2001, S. 166f. 34 Vgl. Bayertz 1991, S. 229.
8 Wissenschaftstheorie im und für das Strategische Management
eigenen wissenschaftstheoretischen Position für jede Wissenschaft unerlässlich ist und
mündet bestenfalls in einem eigenen Wissenschaftsethos.35
Das bedeutet, zur Einordnung und Bewertung des wissenschaftlichen Fortschritts ei-
ner Theorie oder eines Modells bedarf es nicht nur (1) Referenzpunkten der Bewer-
tung, also Prüfsteinen der Wissenschaftstheorie mit deren Hilfe sich Wissenschaft-
lichkeit und wissenschaftlicher Fortschritt einordnen lassen, sondern, da diese je nach
Art der Wissenschaft und Entwicklungsstadium der einzelnen Disziplin variieren
können,36 (2) auch Kenntnissen über den Kontext der Bewertung, also ein genaues
Bild der Wissenschaft, in der dieser Fortschritt gemessen werden soll.
Das vorliegende Kapitel widmet sich der Klärung dieser Grundlagen und beginnt da-
zu mit einer Einführung in die untersuchte Wissenschaft des Strategischen Manage-
ments. Hier wird zunächst eine inhaltliche Eingrenzung des Objektbereichs der Wis-
senschaft vorgenommen, um so den Realitätsausschnitts, in dem die theoretische Pro-
blemlösung vollzogen werden muss, zu bestimmen.37 Ziel dieser Eingrenzung ist ne-
ben einer ersten Annäherung an die Komplexität und Heterogenität des Forschungs-
gebietes auch die Erklärungs- und Gestaltungsfunktion des Strategischen Manage-
ments abzugrenzen und so den Rahmen aufzuspannen, in dem strategische Theorien
operieren sollten.38 Im Anschluss daran werden die Besonderheiten der anwendungs-
orientierten Wissenschaft im Rahmen der Theoriegenese und -verwertung des Strate-
gischen Managements diskutiert. Dadurch wird ein besseres Verständnis für die ver-
schiedenartigen und teilweise konfligierenden Anforderungen an theoretische Model-
le des Strategischen Managements erarbeitet.
Erst hieran anschließend widmet sich die vorliegende Untersuchung in Abschnitt II 2
der Frage nach den Gütekriterien und Fortschrittlichkeitsmaßen des Strategischen
Managements. Trotz auch jüngerer Vergangenheit immer wieder aufflammender Aus-
einandersetzungen mit den eigenen wissenschaftstheoretischen Grundlagen, hat sich
hierzu bis heute kein Konsens unter Strategietheoretiker herausgebildet.
„Strategy is an experiental arena where philosophy matters, and strategy research is beginning to recognize this connection. But there is much more work to be done.“39
35 Vgl. Fülbier 2004, S. 266; Chmielewicz 1994, S. 6. 36 Vgl. Chalmers 2001, S. 131ff. 37 Vgl. Knyphausen-Aufseß 1995, S. 3. 38 Vgl. zur Unterscheidung zwischen Erklärungs- und Gestaltungsfunktion einer praktisch-
normativen Wissenschaft Heinen 1985, S. 26ff, sowie Kapitel II 2.2 der vorliegenden Arbeit. 39 Powell 2002, S. 879.
Das Strategische Management als Wissenschaft 9
Aus diesem Grund findet in Kapitel II 2 eine ausführliche Auseinandersetzung mit
ausgewählten Positionen der modernen Wissenschaftstheorie statt, mit deren Hilfe ein
eigenes wissenschaftstheoretisches Modell zur Untersuchung abgeleitet wird.
1 Das Strategische Management als Wissenschaft
Das Strategische Management als eigenständig wahrnehmbare wissenschaftliche Dis-
ziplin ist verhältnismäßig jung. Seine Ursprünge werden auf die 1960er Jahre datiert
und mit der Entwicklung der akademischen Lehre an renommierten amerikanischen
Business Schools verbunden.40 Kurse unter dem Titel „Business Policy“ wurden hier
als übergreifende Klammer zu funktional ausgerichteten Fächern wie Marketing, Pro-
duktion oder Finanzierung konzipiert.41 Diese von Beginn an äußerst breit angelegten
Kurse gelten als Reaktion auf einen steigenden Bedarf an Strategietheorien und -
konzepten von Unternehmensseite, der mit Veränderungen des damaligen Wirt-
schaftsumfeldes, z.B. der wachsende Anzahl großer Unternehmen, der prinzipiellen
Trennung zwischen Eigentum und Kontrolle und der daraus resultierenden Notwen-
digkeit einer Legitimation des Managementhandelns gegenüber den Eigentümern42
einherging. 43
Die hohe Rezeption dieser Konzepte in der akademischen Lehre wie auch in der Pra-
xis führte zur Institutionalisierung eines eigenständigen Faches mit der Bezeichnung
„Strategic Management“, die sich vor allem in der Ausbildung wissenschaftlicher
Gremien, der Gründung einer „Strategic Management Society“, der Organisation von
Konferenzen, einer Vielzahl an Veröffentlichungen zu strategischen Themen und der
Etablierung eines eigenen wissenschaftlichen Publikationsorgans, dem „Strategic
Management Journal“ zeigt.44
Seit der Entstehung des Strategischen Managements kennzeichnen diese Wissenschaft
somit zwei zentrale Eigenheiten: eine außergewöhnliche thematische Breite und eine
enge Bindung der Wissenschaft an die Praxis, welche im Folgenden als Anwendungs-
40 Vgl. Bower 1982, S. 630. Mintzberg et al. 1999, S. 33 datieren die Entstehung der Disziplin sogar
auf das Jahr 1951 in dem William Newmans, „Administrative Action“ erschien. 41 Vgl. Bowman 1974, S. 35f.; Hungenberg/Wulf 2004, S. 3. Für einen interessanten Diskurs über
die frühe Kritik an diesen Business Schools und darüber, wie sie nach dem Vorbild deutscher Handelshochschulen konzipiert wurden, vgl. Möslein 2005, S. 21ff.
42 Vgl. grundlegend Berle/Means 1932, sowie Chandler 1962; Chandler/Deams 1980; Knight/Morgan 1991.
43 Vgl. Nicolai 2000, S. 17. 44 Vgl. MacMillan 1991; McKiernan 1997, S. 796; Müller-Stewens/Lechner 2005; S. 9.
10 Wissenschaftstheorie im und für das Strategische Management
orientierung oder Praxisrelevanz bezeichnet wird. Es sind genau diese, welche die
Disziplin bereits seit ihrer Entstehung immer wieder vor große Herausforderungen
stellen.45 Gerade im Zusammenhang mit ihrer Praxisorientierung wird der strategi-
schen Forschung mangelnde wissenschaftliche Rigorosität in der Wissensproduktion46
und ein modehafter Charakter strategischer Theorien und Modelle attestiert.47 Wäh-
rend die der inhaltlichen Breite folgende theoretische Zersplittung von einigen Fach-
vertreter noch als multiparadigmatische Ausrichtung ihres Forschungsgebiets be-
zeichnet wird,48 sehen dies andere sehr viel kritischer und bemängeln das Fehlen eines
einenden, übergreifenden Paradigmas.49 Teilweise wird sogar bezweifelt, dass sich in
der Entstehungsgeschichte des Strategischen Managements ein wissenschaftlicher
Fortschritt erkennen lässt.50
Aufgrund der sich damit abzeichnenden Bedeutung der inhaltlichen Breite und Pra-
xisrelevanz für die Krisenerscheinungen des Faches, sollen diese beiden Merkmale
des Strategischen Managements im Folgenden etwas genauer untersucht werden.
1.1 Objektbereich des Strategischen Managements
Zur Konkretisierung der Erklärungsfunktion des Strategischen Managements, ent-
wickeln Strategietheoretiker seit jeher umfangreiche Themenkataloge.51 Ein Studium
dieser Listen verdeutlicht schnell, wie umfassend und komplex das Forschungsfeld
ist. So kommt KNYPHAUSEN-AUFSEß nach systematischer Auswertung dieser Katalo-
ge zu dem immer noch sehr weit gefassten Ergebnis, dass ein Teil der Obliegenheit
einer Theorie der strategischen Unternehmensführung in der systematischen Behand-
lung relevanter, auf die Unternehmensführung ausgerichteter Fragestellungen, wie
z.B. der Suche nach einzelnen Quellen des Gewinns, dem Verhältnis zwischen Markt
und Organisation, synergetischen Beziehungen der Geschäftsfelder, unternehmens-
spezifischen Fähigkeiten oder Implementierungs-hindernissen von Strategien liegt.52
45 Vgl. Walsh 1992, S. 97; Knyphausen-Aufseß 1995, S. 32ff. 46 Vgl. Nicolai 2004, S. 101f., m.w.N. 47 Vgl. Abrahamson 1996; Kieser 1996a; Carson et al. 2000. 48 Vgl. Astely/Van de Ven 1983; Daft/Buenger 1990; Schendel 1996; Bresser 1998. 49 Vgl. Montogomery 1988, S. 3; Schendel/Cool 1988, S. 27; Fredrickson 1990, S. 2; Bowman
1990, S. 17f.; Schendel 1997, S. 3; Nicolai 2000, S. 67ff. 50 Vgl. Schendel/Cool 1988, S. 27. 51 Vgl. für derartige Kataloge Teece 1990, S. 41f.; Freeman/Lorange 1985, S. 11; Ansoff 1965, S. 6. 52 Vgl. Knyphausen-Aufseß 1995, S. 1.
Das Strategische Management als Wissenschaft 11
Ein derart breites Themengebiet lässt sich an seinen Rändern nur schwer abgrenzen
und läuft leicht Gefahr, zu einem Sammelbecken für alle nur denkbaren Fragestellun-
gen im Zusammenhang mit der Führung von Unternehmen zu werden.53 Um ein bes-
seres Gefühl für die Komplexität des Forschungsgegenstandes zu entwickeln und
dennoch das Analyse- und Beobachtungsfeld des Strategischen Managements zu spe-
zifizieren, werden im Folgenden die einzelnen Komponenten54 des Strategieformulie-
rungs- und -implementierungsprozess einzeln vorgestellt und ihr Zusammenspiel
skizzenhaft verdeutlicht. Dabei werden aus einer übergeordneten Perspektive zu-
nächst die Unternehmensumwelt, das Unternehmen als sozio-technisches System und
das generelle Ziel des Strategischen Managements als Unternehmensfunktion umris-
sen, bevor in einem zweiten Schritt die Strategie als solche, strategische Pläne und
schließlich strategische Akteure vorgestellt werden.
1.1.1 Strategisch relevante Umwelten
Jedes Unternehmen steht in einem engen Verhältnis zu seiner Umwelt. Bei der Wahl
der Strategie ist sie eine der wesentlichen Determinannte, FARJOUN spricht daher auch
von Strategie als adaptiver Koordination.55 In dieser Auffassung spiegelt sich der ana-
lytisch geprägte Teil des Strategischen Managements wider, in dem strategisches
Handeln als eine Verarbeitung externer Vorgaben betrachtet wird. Diese Anpassung
vollzieht sich jedoch nicht in einem einseitigen und deterministischen Verhältnis,
sondern findet bilateral zwischen Unternehmen und Umwelt statt. Ein Unternehmen
positioniert sich in und gegenüber ihrer Umwelt und beeinflusst sie dadurch auch.56
Die Vielseitigkeit dieser Wechselbeziehungen findet vor allem im Konzept des Stake-
holdermanagements Berücksichtigung, in dem das Unternehmen als System von An-
spruchsgruppen konzipiert wird, welche die Geschicke der Organisation beeinflussen
und den politischen Kontext bilden. FREEMAN, auf die das Anspruchsgruppenkonzept
zurückzuführen ist, definiert Stakeholder als
„any group or individual who can affect or is affected by the achievement of the firm’s objectives.”57
53 Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 17. 54 In Anlehnung an Summer et al. 1990; Farjoun 2002, S. 570ff. 55 Vgl. Farjoun 2002, S. 571. 56 Vgl. Farjoun 2002, S. 571. 57 Freeman 1984, S. 25.
12 Wissenschaftstheorie im und für das Strategische Management
Hierzu zählen interne Akteure wie Eigentümer/Kapitalgeber, Mitarbeiter und das Ma-
nagement sowie diverse externe Akteure wie Wettbewerber, Finanzinstitute, Lieferan-
ten, Gewerkschaften, Anrainer, Staat, etc. Jede Gruppe wiederum betrachtet und be-
wertet das Unternehmen aus einer oder mehreren unterschiedlichen Perspektiven.
Teils aus einer ökonomischen Sicht, teils aus einer technologischen Perspektive, oder
aus einer sozialen bzw. ökologischen Blickrichtung.58 Folglich besteht die Umwelt
aus mehreren Subsystemen, welche aus Einzelakteuren, Gruppen oder kompletten
Branchen bestehen können und das Unternehmen mit verschiedenen, zum Teil nicht
miteinander in Einklang zu bringenden Vorgaben und Ansprüche konfrontiert. Daraus
ergibt sich als eine der wesentlichen Aufgaben des Strategischen Managements, diese
Beziehungen zur Unternehmens-umwelt zu ordnen, der Umweltkomplexität Herr zu
werden und Ansprüche zu bewerten und priorisieren.59
1.1.2 Unternehmen als strategische Einheiten
Zum Unternehmen, als strategischer Einheit im engeren Sinne, gehören in Abgren-
zung zur äußeren Umwelt alle
„actual und potential internal means, mechanisms, institutions, developments, and forces that induce, enable, modify, and carry out the firm’s strategy.“60
Dabei misst das Strategische Management dem Unternehmen als komplexes soziales
System lange Zeit wenig Bedeutung zu. Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass
die Formulierung von Strategien allein durch die externen Rahmenbedingungen ge-
setzt sei und die Implementierung durch die Organisation keinerlei Einfluss auf den
58 Vgl. Ulrich/Krieg 1973, S. 20; Farjoun 2002, S. 574. 59 Vgl. hierzu auch die neoinstitutionalistischen Überlegungen zur institutionellen Umwelt einer
Organisation als heterogenes Kultursystemen und Ort, an dem organisationale Strukturen geschaf-fen und legitimiert werden. Diese Umwelt ist gleichzeitig Schöpfer und Träger der normativen Elemente und rationalen Mittel, die von Organisation zu Organisation, Branche zu Branche und Land zu Land vermittelt werden (vgl. Walgenbach 2006, S. 360ff.). Da eine Organisation auf die Akzeptanz durch die Umwelten angewiesen ist und diese nur erreichen kann, indem sie die Erwar-tungen der Umwelt erfüllt (vgl. Millonig 2002, S. 47f.), wird sie genötigt, ihre Strukturen entspre-chend anzupassen. Dies kann ggf. sogar zu Lasten technischer Erfordernisse der Produktion oder organisatorischer Anforderungen der Austauschbeziehungen geschehen (vgl. Hasse/Krücken 1999, S. 10f.). So demonstrieren Organisationen ein Teil der relevanten Umwelt zu sein und erhal-ten die Anerkennung, organisiert, modern und vor allem rational zu handeln (vgl. Meyer/Rowan 1977, S. 344.). Dieses Streben führt auf längere Sicht zu einer Herausbildung isomorpher Struktu-ren zwischen Organisation und Umwelt (vgl. Meyer/Rowan 1977, S. 348f.) und kann dann zu dysfunktionalen Folgen für die Organisation führen, wenn verschiedene Umwelten gegenläufige Anforderungen artikulieren oder ihre Forderungen mit den Zielen der Organisation konfligieren.
60 Farjoun 2002, S. 573.
Das Strategische Management als Wissenschaft 13
Inhalt der Strategie habe.61 Erst spätere Ansätze der so genannten Strategieprozessfor-
schung ändern diese Sichtweise des reinen Anpassungsoptimierers an externe Rah-
menbedingungen und schreiben der systeminternen Komponente erheblichen Einfluss
auf den Prozess der Strategiebildung und -implementierung zu. Die Vielzahl hierzu
vorliegender Prozessanalysen lässt sich, Tabelle 1 dargestellt, zu analytischen Zwec-
ken in vier große Betrachtungsperspektiven einteilen.62
Perspektive Erläuterung
Konfigurative Perspektive
Unternehmen werden als Organisationen mit innerer Struktur und Koor-dinationsmechanismen betrachtet, in denen sich partiell verselbstständig-te Subsysteme bilden. Jedes Subsystem nimmt Signale der Umwelt spezi-fisch wahr und bewertet/verarbeitet sie. Zwischen den Subsystemen kann es zu Konflikten kommen, die durch Macht und Aushandlungsprozesse gelöst werden. Die Unternehmensspitze ist nicht zwingend strategisches Zentrum, Entscheidungen sind nur partiell Resultate initiierter Prozesse.
Politische Perspektive
Strategische Prozesse werden als politische Aushandlungsprozesse be-trachtet, die viel Spielraum liefern, wenig eindeutig sind und eine hohe Relevanz für die Ressourcenverteilung besitzen. Strategien sind häufig das Ergebnis von Taktik und Kompromissfindung und nur selten genau das Optimum einer Verhandlungsgruppe.
Entschei-dungs-perspektive
Strategien werden als Ergebnis eines Zusammentreffens unterschiedli-cher organisationaler Ströme betrachtet, deren scheinbarer Zufälligkeit nur durch die Vorstellung organisierter Anarchie63 wieder Sinn verliehen wird.
Kognitive Perspektive
Unternehmen werden als Interpretationssystem betrachtet. Kognitive Muster der einzelnen Organisationsmitglieder, die durch Gruppen- und/oder Branchenzugehörigkeit geprägt sind, bestimmen die Art der Aufnahme strategischer Probleme und halten gleichzeitig standardisierte Musterlösungen vor. Besonders interessant ist hier, wie Organisationen mit Ungewissheiten umgehen, ob und wie sie ihre Realitätsvorstellungen anpassen und wie innerhalb des Unternehmens die „richtige Sicht“ iden-tifiziert/ausgehandelt wird.64
Tabelle 1: Betrachtungsperspektiven strategischer Prozesse
Quelle: in Anlehnung an Schreyögg 1988, S. 36ff.
Die Ergebnisse der verschiedenen Prozessanalysen haben erhebliche Konsequenzen
für die Bedeutung der Organisation in Bezug auf die Konstruktion von Strategien so-
wie generell auf die Möglichkeiten der Steuerbarkeit von Organisationen. Strategien
61 Vgl. Andrews 1971. 62 Vgl. nachfolgend Schreyögg 1998, S. 36ff. 63 Vgl. hierzu Cohen et al. 1972; March 1994. 64 Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2003, S. 59.
14 Wissenschaftstheorie im und für das Strategische Management
und das Strategische Management in seiner unternehmerischen Funktion sind vor al-
lem als Instrumente der Reduktion von Komplexität zu betrachten: unter Unsicherheit
und in sich dynamisch verändernden Umwelten schaffen sie Strukturen (z.B. Strategi-
sche Ziele oder Verhaltensregeln), die eine Einordnung relevanter und nicht relevanter
Ereignisse und Informationen erleichtern.65
1.1.3 Erfolg und Wettbewerbsvorteile
Die konsequente Ausrichtung theoretischer Überlegungen an der Frage, wie Wettbe-
werbsvorteile und darüber langfristig unternehmerischer Erfolg geschaffen und ge-
schützt werden können, sehen viele Fachvertreter als das konstitutive Differenzie-
rungskriterium der Strategieforschung.66 Zumindest Erfolg, als die Quintessenz stra-
tegischer Bemühungen, ist jedoch kein feststehender Begriff, sondern als Größe ab-
hängig von der jeweiligen Organisationsform und den Zielen der Organisation, wel-
che wiederum aus ihrem Verhältnis zur Unternehmensumwelt resultieren.
„Firm performance indicates the quality of the firm’s continuous co-alignment with the environment (…). This parameter can be represented by growth, profitability, sur-vival, and other standard indicators, and by non-financial indicators.”67
Dies zeigt auch ein Blick in das Forschungsfeld des strategischen Controllings, in
dem die Balanced Scorecard einen Versuch darstellt, verschiedene Performance-
Dimensionen zu verknüpfen und unter dem Dach der Gesamtunternehmensstrategie
vier Messperspektiven subsumiert: die finanzielle Perspektive, die Prozessperspekti-
ve, die Kundenperspektive und die Lern- bzw. Wachstumsperspektive.68 Obwohl also
Erfolg ein fundamentales Bezugelement des Strategischen Managements darstellt, ist
er kaum allgemeingültig operationalisierbar. Aufgrund seiner Zielgebundenheit und in
Anlehnung an die etwas weitere Bedeutung des international gültigen Begriffs der
performance kann die Erfolgsdimension im Strategischen Management jedoch als
Zielerreichungsgrad ausdrückt werden, deren Ausgestaltung situativ variiert.69
65 Vgl. Porter 1996, S. 77. 66 Vgl. Schendel/Hofer 1979, S. 11; Summer et al. 1990, S. 364; Chakravarthy/Doz 1992, S. 5; Teece
et al. 1997, S. 509; Powel 2001, S. 875; Farjoun 2002, S. 578. 67 Farjoun 2002, S. 575. 68 Vgl. grundlegend zur Balanced Scorecard Kaplan/Norton 1992. 69 Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 697.
Das Strategische Management als Wissenschaft 15
Auf freien Märkten ist der Erfolg eines Unternehmens eng mit dem Konstrukt des
Wettbewerbsvorteils verbunden.70 Vor allem die superior performance, die aus strate-
gischer Sicht anzustrebende Form des überdurchschnittlichen Erfolgs,71 ist ein relati-
ves Konzept, das einen Vergleich von mindestens zwei zueinander in Bezug stehen-
den Unternehmen in einem abgegrenzten Kontext voraussetzt.72 Ein solcher Vorteil
entsteht wenn sich das Unternehmen in einer vergleichbaren Gruppe, vornehmlich
zwischen Wettbewerbern in Segmenten oder Branchen, durch überlegene Leistung
abhebt.73 Mögliche Ausprägungen sind Kosten- oder Differenzierungsvorteile.74 Sie
können aufgrund interner Spezifität oder externer Rahmenbedingungen entstehen.
1.1.4 Strategien
Zur Definition des Begriffs Strategie wird im Strategischen Management häufig auf
seine etymologischen Wurzeln,75 oder auf andere Disziplinen wie die Militärwissen-
schaft76 oder Spieltheorie77 verwiesen. Allerdings erscheint dies heute immer weniger
passend, da der Begriff im Strategischen Management mittlerweile auf eine sehr ei-
genständige Weise verwandt wird.78 BREWS/HUNT bezeichnen strategisches Handeln
im Kontext des Unternehmens als Handeln, für welches keine standardisierten Lö-
sungen in der Organisation vorliegen.79 FARJOUN dagegen definiert Strategie als
„planned or actual coordination of the firm’s major goals and actions, in time and space, that continuously co-align the firm with its environment.“80
70 Vgl. Porter 1985, S. 11; Grant 1991, S. 118; Bharadwaj et al. 1993, S. 87; Hunt/Morgan 1995, S.
108. Daneben spielt die Erklärung und Erlangung von Wettbewerbsvorteilen auch in den in Kapi-tel III 1 diskutierten Strategiemodellen die zentrale Rolle. Für eine kritische Betrachtung der kau-salen Verknüpfung von Wettbewerbsvorteilen und Erfolg, vgl. Powel 2001.
71 Über Existenz des Konstruktes, dessen relative Bezugselemente in der Regel finanzieller buchhal-terischer oder marktlicher Form sind, besteht in der Literatur eine kontroverse Diskussion. Vgl. Powel 2001, S. 876ff.; Arend 2003, S. 208.
72 Vgl. Hu 1995, S. 74; Arend 2003, S. 208. 73 Vgl. Kay 1993, S. 17ff.; Homburg/Simon 1995, S. 2754; Fahy/Smithee 1999, S. 4. 74 Vgl. Grant 1991, S. 118; Wiggins/Ruefli 2002, S. 84 75 Vgl. u.a. Evered 1983, S. 58f. 76 Vgl. grundlegend von Clausewitz 1804/1937 sowie Pennings 1985, S. 2; Wüthrich 1991, S. 23ff.;
Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 8. 77 Vgl. grundlegend von Neumann/Morgenstern 1944, S. 79 sowie zur Verwendung dieses Strategie-
begriffs im Strategischen Management kritisch Knyphausen-Aufseß 1995, S. 75f. 78 Vgl. Knyphausen-Aufseß 1995, S. 16; Nicolai 2000, S. 55. 79 Vgl. Brews/Hunt 1999, S. 891. 80 Farjoun 2002, S. 570.