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Inhalt
1. Chained in Dutch South Africa .......................................................................................... 2
2. ‚Freie Arbeit‘ und Sklaverei .............................................................................................. 2
3. Die Entwicklung der Sklaverei in der Cape Kolonie ............................................................ 3
4. System der Knechtschaft – Mittel der Manifestation von Macht ....................................... 4
5. Über den (nicht) organisierten Widerstand… .................................................................... 6
5.1 …bis hin zur Revolte von 1808 ........................................................................................ 8
6. Fazit .............................................................................................................................. 10
Quellenverzeichnis ............................................................................................................ 12
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1. Chained in Dutch South Africa
„We all intellectually 'know' the brutality and inhumanity of slavery,[…] but after you
do the research it's no longer intellectual any more, no longer just historical record –
you feel it in your bones. It makes you angry, and want to do something … I'm here to
tell you, that however bad things get in the movie, a lot worse shit actually happened“
(The Guardian 2012: o. S.).
Diese Aussage Quentin Tarantinos zu seinem jüngsten Film „Django Unchained“, der
hauptsächlich in den Südstaaten der USA spielt (Spiegel 2013: o. S.), macht die
Brutalität der Institution Sklaverei deutlich. Jedoch ist über die Sklaverei in Amerika
wesentlich mehr bekannt, als über selbige an der Südspitze Afrikas (JOHANNESSON
1995: 5). In der vorliegenden Arbeit wird daher versucht, die Lebenswelt der Sklaven in
der ‚Cape Kolonie‘ des 19. Jahrhunderts zu beleuchten.
Die wissenschaftliche Fragegestellung, die den Leitfaden knüpfen soll, lautet:
„Warum war die Sklavenrevolte von 1808 möglich und welche Schlüsse können aus der
Revolte geschlossen werden?“
Um die Frage zu beantworten, wird zunächst versucht eine Definition von Sklaverei
mittels der Abgrenzung zur ‚freien Arbeit‘ zu geben. Im Anschluss wird die
Entwicklung der Sklaverei in der Cape Kolonie skizziert. Es folgt ein Abriss über das
‚System der Knechtschaft‘. Vor dem Fazit erfolgt eine Darstellung widerständiger
Praktiken der Sklav_innen und eine Darstellung der Revolte von 1808.
2. ‚Freie Arbeit‘ und Sklaverei
Der Lehre der liberalen Wirtschaftstheorie zufolge, deren Grundgedanken im 19.
Jahrhundert formuliert wurden, ist Arbeit frei und gehorcht einzig den Gesetzen von
Angebot und Nachfrage. Die Menschen werden nicht zur Arbeit gezwungen, sondern
reagieren auf ‚Anreize‘. Wenn diese Aussagen eine Beschreibung der Wirklichkeit
darstellen sollen, so ist bereits für das 20. Jahrhundert Kritik anzumelden
(OSTERHAMMEL 2009: 992).
Nicht umsonst zieht Marx Parallelen zwischen Sklaverei und Lohnarbeit im
Kapitalismus. Beide Systeme benötigen eine ‚herrschende Klasse‘, die sicherstellt, dass
die Arbeiter_innen über ihre eigenen Bedürfnisse hinaus arbeiten (MASON 2003: 144).
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‚Freie Arbeit‘ ist zumindest juristisch definierbar als Vertragsverhältnis bei dem der
Arbeitnehmer seine Arbeitskraft für einen bestimmten Zeitraum dem Arbeitgeber gegen
Entlohnung zur Verfügung stellt. Das Verhältnis ist von beiden Seiten kündbar. Der
Zustand eines solchen Vertragsverhältnisses war um 1800 nicht üblich, wurde aber um
1900 in vielen Teilen der Welt selbstverständlich (OSTERHAMMEL 2009: 992).
Als Sklav_in wird der Mensch im Gegensatz zum ‚freien Arbeiter‘ zu einem
veräußerbaren Eigentum eines anderen und muss alles tun, was sein Eigentümer von
ihm verlangt. Hierzu gehört tägliche harte Arbeit ohne monetären Ausgleich und die
Vererbbarkeit des Status Sklave. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die
Gefangennahme und Deportation aus dem eigentlichen (familiären) Umfeld des
Individuums (JOHANNESSON 1995: 1-2).
In der Sklaverei kommt es zur Verdinglichung von Menschen. Sie werden zu einem
Werkzeug ohne Würde und durch die heimtückische Institution der Sklaverei einzig und
allein zu Dienern ihrer Eigentümer (MOUNTAIN 2004: 17). Letzter erlangt im südlichen
Afrika der Kolonialisten erst durch den Besitz von Sklav_innen den Ruf eines
Gentleman (WORDEN 1985: 139).
3. Die Entwicklung der Sklaverei in der Cape Kolonie
Die Anfänge der Sklaverei an der Südspitze Afrikas reichen bis in die Mitte des 17.
Jahrhunderts zurück. 1652 etablierte die VOC (Dutch East India Company) eine
„refreshment station“ für ihre Schiffe, die von und nach Indien fuhren und siedelte dort
Menschen in der Region an. Zunächst versuchten diese, die dort ansässigen Khoikhoi
für ihre Zwecke zu engagieren, was jedoch nicht gelang. Aufgrund dessen wurde bereits
1654 die Sklaverei erlaubt und 1658 wurden die ersten Sklaven in die Region deportiert.
Ab 1680 wuchsen die Profite der VOC und die „refreshment station“ wurde zu einer
Kolonie ausgeweitet. (MOUNTAIN 2004: 18-21).
Die VOC deportierte zunächst Sklav_innen aus Madagaskar mit ihren Schiffen und so.
Damit gelangten auch die angestellten der VOC an Sklav_innen. Da die Sklaverei in
Holland verboten war, verkauften die VOC-Angestellten ihre Sklaven in Cape. So war
es für die free burghers und free blacks möglich Sklaven zu erwerben (MOUNTAIN
2004: 28-29).
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Bereits 1713 war die Zahl der Skalv_innen in der Cape Kolonie höher als die der
Europäer_innen. 1 659 Europäer_innen stehen 1794 Sklav_innen gegenüber. Ende des
18. Jahrhunderts kommen auf etwa 22 000 Europäer_innen ca. 26 000 Sklavinnen (VAN
DER ROSS 2005: 40).
Das Geschlechterverhältnis unter den Sklav_innen lag im 18. Jahrhundert bei 4:1 zu
Gunsten der männlichen Sklaven (JOHANNESSON 1995: 12). Dies führte dazu, dass sich
im 18. Jahrhundert die Sklavenpopulation nicht selbstständig erhöhte (EDELREDGE &
MORTON 1994: 16). Da die Reproduktionsraten der Sklav_innen zu gering waren,
wurden ständig neue Sklav_innen aus unterschiedlichen Regionen herantransportiert
(WORDEN 1985: 86).
Von 1795-1803 fällt Cape an die Briten. In dieser Zeit wurden die Sklav_innen
hauptsächlich aus Mozambique bezogen (ULRICH 2011: 197). Bis 1806 stand die
Kolonie wieder unter Verwaltung der Holländer, danach gelangt sie an die Briten
zurück (JOHANNESSON 1995: 24). Diese schafften 1808 den Sklavenhandel offiziell ab
und verboten am 1. Dezember 1834 die Sklaverei in Cape. Zu dieser Zeit befanden sich
etwa 39 000 in Sklaverei (VAN DER ROSS 2005: 40-41).
4. System der Knechtschaft – Mittel der Manifestation von Macht
Die Sklav_innen verrichteten zumeist Handarbeit, die von ihren Eigentümern gering
geschätzt wurde (WORDEN 1985: 139). So hatten die Sklav_innen Arbeit in der
Landwirtschaft zu verrichten oder häuslichen Tätigkeiten nachzugehen. Ebenfalls
wurden Straßen und Gebäude durch Sklav_innen errichtet. Sie mussten Möbel und
Kleidung hergestellen (MASON 2004: 25). Im Hafen wurden sie zum Be- und Entladen
der Schiffe eingesetzt (CRAIS & WORDEN 1994: 146).
Doch die Sklav_innen wurden nicht allein durch Verpflichtung zur Verrichtung von
kaum geschätzten Tätigkeiten ausgestoßen, sondern auch durch den Ausschluss aus dem
kulturellen System ihrer Eigentümer (WORDEN 1985: 97). Ihnen war es nicht erlaubt zu
heiraten und sie hatten keine Rechte über ihre Kinder. Das Zusammenleben in einem
Familienverbund wurde lediglich durch das Gesetz toleriert (MASON 2003: 209). Da die
Familie als ein Ort galt, in welchem der Freiheitsgedanke gestärkt wurde, wurde die
Familienbildung der Sklav_innen versucht zu verhindern (CRAIS & WORDEN 1994:
201).
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Der Familienverbund der Sklavenhalter hingegen wurde als Mittel zum Zweck der
Unterdrückung genutzt, indem die Kinder dazu erzogen wurden, die Sklav_innen zu
bevormunden, zu schlagen und zu tyrannisieren (MASON 2003: 149).
Als Sklave unterlag man einer ständigen Kontrolle durch physische und psychologische
Machtausübung. Der Zwang barfuß zu Laufen mag noch als mildeste Form der
sichtbargemachten Unterdrückung gewesen sein (JOHANNESSON 1995: 18-19). Den
Sklav_innen wurden meist Namen mit Bezug auf den Ort ihrer Herkunft gegeben (Jan
of Batavia, Apirl of Bali, usw.). Damit sollte sichergestellt werden, dass die
Sklav_innen eines Eigentümers aus unterschiedlichen Regionen kamen und wegen der
Sprachbarriere und unterschiedlicher kultureller Traditionen an der Organisation von
widerständigen Verhalten gehindert werden (MOUNTAIN 2004: 58).
Widerstand und Flucht wurden als kriminelle Akte gewertet und standen unter Strafe
(OSTERHAMMEL 2009: 995). Nach einem Gesetz der Kolonialregierung von 1711 wurde
der Fluchtversuch durch ein Brandzeichen auf der Wange bestraft. Bei Wiederholung
wurde die andere Wange gebrandmarkt. Der dritte Fluchtversuch wurde durch
Abschneiden der Ohren und der Nase bestraft (JOHANNESSON 1995: 20). Neben dem
Auspeitschen wurden die Sklav_innen nach einem Fluchtversuch gewöhnlich in Ketten
gelegt. Die Anstiftung zur Flucht wurde mit dem Tode bestraft (VAN DER ROSS 2005:
52).
Die Bestrafung durch Auspeitschen wirkte durch die bleibenden Narben als
Verbildlichung der Autorität und Vorherrschaft des Eigentümers. Das Auspeitschen
wurde meist durch dafür eingestellte Aufseher ausgeführt. Letztere waren in der
sozialen Hierarchie sehr niedrig gestellt. Sie waren landlose und sklavenlose Menschen
in einer Gesellschaft, in der Eigentum von Land und Sklav_innen der Ausgangspunkt
von Ansehen und Wohlstand waren (MASON 2003: 147-149). Wenn üppiges
Auspeitschen verlangt wurde, so konnten die Aufseher von anderen Sklaven unterstützt
werden (VAN DER ROSS 2005: 52).
Folter und Exekutionen sollten jeglichen Widerstand brechen und galten aus Sicht der
Unterdrücker als Garantie für ruhige soziale Verhältnisse (RAYNER 1986: 132-133).
Jedoch unterlagen nicht alle Sklav_innen in gleicher Weise den
Unterdrückungsmechanismen und je nach Einsatzgebiet fielen die Mittel zur
Aufrechterhaltung von (ökonomischer) Abhängigkeit anders aus. Die Farmer im East
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District waren z. B. darauf angewiesen, ihre Viehherden wegen ungünstiger
Klimabedingungen wochenlang durch Sklav_innen in entfernte Gebiete zu entsenden.
Deshalb mussten positive Anreize geschaffen werden, die eine Flucht verhinderten und
so wurde versucht glaubhaft zu machen, ein Leben als Sklav_in sei vorteilhafter als ein
Leben auf der Flucht (EDELREDGE & MORTON 1994: 71-72).
Generell war die Lebenssituation abhängig vom Wohlstand des Eigentümers und
inwiefern er dazu bereit war, diesen in Form von Nahrungsmitteln, Kleidung und
Schutz zu gewähren. Die häufigste Todesurasche war schlechtes oder zu wenig Essen.
Auf den Weingütern wurden die Sklav_innen meist mittels Wein in die Alkoholsucht
und somit in die Abhängigkeit getrieben (WORDEN 1985: 91).
Mit der Übernahme der Kolonie durch die Briten wurden die Fesseln der Sklaverei
etwas gelockert (MOUTAIN 2004: 59). Die wichtigste Neuerung war das Verbot des
Handels mit Sklav_innen 1808. Mit der Unveräußerbarkeit erlangen die Sklav_innen
einen höheren Wert für ihre Eigentümer (JOHANNESSON 1995: 24,44)
1823 kam es zu einer Arbeitszeitbegrenzung auf zehn Stunden pro Tag im Winter und
zwölf Stunden pro Tag im Sommer. Eine Ausnahmereglung galt für die Pflug- und
Erntesaison. Hier waren bis zu 15 Stunden Arbeit erlaubt (WORDEN 1985: 86-87)
Ebenfalls 1823 wird es den Sklav_innen erlaubt zu heiraten und 1830 wird das
„punishment recordbook“ eingeführt, in dem die Bestrafung der Sklav_innen durch ihre
Eigentümer dokumentiert werden sollte (JOHANNESSON 1995: 12, 46).
Die Reformgesetze von 1829/30 erlaubten Sklav_innen eigene Gärten zu besitzen
(EDELREDGE & MORTON 1994: 67). Sie durften allerdings kein Land käuflich erwerben
und die Bewirtschaftung eines Gartens, dessen Erträge auch verkauft werden durften,
kann daher als ein Mittel zur Sicherstellung der Loyalität gegenüber den Eigentümern
gewertet werden (VAN DER ROSS 2005: 64).
Einigen Sklav_innen wurde bereits vorher die Möglichkeit Geld zu verdienen
eingeräumt und sie konnten sich so aus der Sklaverei in den Status free black(s) frei
kaufen (JOHANNESSON 1995: 12).
5. Über den (nicht) organisierten Widerstand…
Die o. g. Mittel zur Kontrolle der Sklav_innen machen den Wunsch nach einer
Befreiung aus dem Zustand der Versklavung offensichtlich. Die Sklaverei, als eine
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Form der totalen Verweigerung von Freiheit verursachte durch die ihr inne wohnenden
Unterdrückungsmechanismen immer wieder Versuche von Individuen sich der
Unfreiheit zu entledigen (VAN DER ROSS: 52).
Da die Sklav_innen in der Cape Kolonie mit Institutionen und Menschen konfrontiert
waren, die zu machtvoll waren, um sich ihnen offen entgegen zu stellen, fiel der
Widerstand in Praktiken, die im Alltag verübt werden konnten aus: Entwendung von
Essen, Dissertation, falsche Einwilligung, Diebstahl, Ignoranz, Beschimpfung,
Brandstiftung, Sabotage. Mason bezeichnet diese Praktiken als „everyday forms of class
struggle“ (MASON 2003: 153-154).
Fredrickson und Lasch versuchen hierbei zwischen Widerstand und Nichtkooperation
zu unterscheiden. Nichtkooperation ist ihrer Auffassung nach nicht politisch motiviert.
Widerstand hingegen verstehen sie als ein Konzept des politisch motivierten Handelns,
durch das beabsichtigt wird, Macht aufzuteilen. Sie fassen unter Widerstand jegliche
Aktivität, von Gruppen oder Individuen, die darauf ausgelegt ist, ein Bewusstsein für
ein kollektives Interesse zu schaffen. Durch diese enge Grenzziehung zwischen
Widerstand und Nichtkooperation wird verkannt, dass „everyday forms of class
struggle“, die auch teils aus nichtkooperativen Verhalten bestehen, Widerstand
konstituiert. (MASON 2003: 154).
Der Rückzug aus der Gesellschaft und offenes Infragestellen von politischen und
sozialen Strukturen sind zwei Seiten ein und derselben Medaille (ULRICH 2011: 195).
Der Suizid ist hierbei wohl die autodestruktivste Methode des Rückzugs aus der
Gesellschaft und kann als eine Form widerständigen Verhaltens interpretiert werden
(MOUNTAIN 2004: 25). Selbstmord könnte aber auch als Form von Nichtkooperation
gesehen werden, da die politische Intention des durch sich selbst ermordeten
Individuums nicht mehr mit aller Gewissheit hinterfragt werden kann.
Auch beim Beispiel der Flucht wird klar, wie unmöglich eine klare Trennung von
Nichtkooperation und Widerstand, wie sie Fredrickson und Lasch vorschlagen ist. Es ist
vorstellbar, dass die Flucht aus der Sklaverei als ein spontaner Akt ohne vollständig
bewusste politische Motivation erfolgen konnte.
Viele Sklav_innen, die die Flucht ergriffen, blieben in der Nähe der Kolonie und
organisierten sich in kleinen Gruppen, um sich gegenseitig zu schützen oder um
gemeinsam Nahrung zu beschaffen. Der bekannteste Ort hierfür war Hangklip (auch
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Hanglip) auf Table Moutain. Dort fanden sich zeitweise über 60 Sklav_innen ein. Sie
lebten ihn Höhlen, ernährten sich durch Fischen oder Plündern und besuchten sogar
Cape Town, um Besorgungen zu machen. Einem Sklaven gelang es für insgesamt 16
Jahre dort zu leben (VAN DER ROSS 2005: 53).
5.1 …bis hin zur Revolte von 1808
Am 1. Januar 1808 trat das Verbot des Handels mit Sklav_innen in Kraft (VAN DER
ROSS 2005: 43). Im Oktober desselben Jahres trifft ein Sklave namens Louis [of
Mauritius] in Cape Town auf die Iren Michael Kelly und James Hooper, die auf einem
Schiff der East India Company gedient hatten (ROSS 1983: 97).
Louis, der als Schneider arbeitete, genoss große Freiheiten seitens seiner Eigentümerin.
Ihm war es erlaubt, für sich und seine Lebensgefährtin Geld zu verdienen und so konnte
er ein freieres Leben als andere Sklav_innen führen (VAN DER ROSS 2005: 54). Er war
sogar im Besitz von drei Pferden, die er vermietete und wurde oft für eine freie Person
gehalten (ULLRICH 2011: 199). Louis helle Hautfarbe und die Tatsache, dass er zur
handwerklichen Elite der Sklav_innen gehörte, hatten ihr übriges dazu beigetragen
(ROSS 1983:97).
Abraham of the Cape, ein weiterer Sklave, fungierte als Medium zwischen Michael
Kelly, James Hooper und Louis [of Mauritius], da Louis selbst kein Englisch sprach.
Durch das Gespräch mit James und Michael erfuhr Louis, dass es in Irland keine
Sklaverei gab. Die Idee einer Revolte entstand (ROSS 1983: 97-98).
Sie fassten den Plan, so viele Sklav_innen wie möglich für sich zu gewinnen, sie dazu
anzuspornen, ihre Eigentümer zu verlassen, nach Cape Town zu marschieren und die
Stadt einzunehmen. Doch zunächst zogen sie in die Nähe von Malmesbury, ca. 70
Kilometer von Cape Town (VAN DER ROSS 2005: 54-55). Sie verbrachten eine Nacht
(25. auf 26. Oktober) im Freien und am nächsten Morgen zogen sie zur Farm von Petrus
Gerhardus Louw. James und Abraham waren zuvor dort gewesen um die Sklav_innen
in das Vorhaben einzuweihen (ROSS 1983: 99).
Schlüsselfigur hierbei war Jephta from Batavia, der Sklave auf Louws Farm
Vogelgezang im Zwartland war. Louis und Jephta kannten sich von der gemeinsamen
Arbeit als Lastenträger-Sklaven. Jeptha war besser ausgebildet als die anderen
Sklav_innen auf der Farm und fuhr gelegentlich Louw’s Wägen zum Markt nach Cape
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Town. So konnte er möglicherweise als Informationskanal fungieren und die anderen
Sklav_innen über die Abschaffung des Sklavenhandels aufgeklärt haben. Der neuerliche
illegale Ankauf Louw’s zweier Sklaven aus Mozambique muss somit Verwunderung
bei den anderen Sklav_innen ausgelöst haben (ULRICH 2011: 207).
Louw war zum Zeitpunkt ihrer Ankunft nicht zu Hause. Seine Frau öffnete dem Trio
die Tür. Louis hatte sich zuvor eine Uniform genäht und gab sich als spanischer Kapitän
aus. Die Hausherrin bemerkte den Schwindel nicht und so lud sie alle drei zum Essen
und zur Übernachtung ein (MOUNTAIN 2004: 60). So kam es zur Umkehr der
Hierarchien, der Sklave wurde zum Ehrengast im Zuhause des Farmers (ULRICH 2011:
210).
Als die Revolte am nächsten Morgen anlief, verschwanden die beiden Iren, angeblich
aus Furcht. Louis hatte als charismatische und überzeugend wirkende Person jedoch
kaum Schwierigkeiten, die Sklav_innen trotzdem für sich zu gewinnen. Am 27. Oktober
1808 kam die Revolte in Fahrt und der Marsch auf Cape Town begann. Die Gruppe der
Aufständigen wuchs auf etwa 350 Männer, Frauen und Kinder an (MOUNTAIN 2004:
60). Dies war u. A. möglich, da der Weg nach Cape Town durch die Distrikte
Tijgerberg und Koeberg führte, die wegen des Weizenanbaus eine hohe Farmdichte
hatten. (ROSS 1983: 101).
Der Aufstand wurde jedoch abgefangen und scheiterte. 326 Männer und Frauen wurden
festgenommen. 51 wurden von Gericht gebracht. Die Anklage lautete auf Hochverrat
und in einem Fall auf Vergewaltigung. Der Gouverneur, Earl of Caledon, setzte dabei
11 der insgesamt 16 Todesurteile aus und wandelte sie in lebenslange Haftstrafen um.
Die 5 Angeklagten, bei denen das Todesurteil vollstreckt wurde, waren Louis of
Mauritius selbst, James Hooper, Abraham of the Cape, Jeptha from Batavia und Cupido
(Nachname unbekannt), ein weiterer Sklave Louw’s, der die Vergewaltigung begangen
haben soll (VAN DER ROSS 2005: 55).
Insgesamt verlief die Revolte aber bemerkenswert friedlich ab. Die Farmer leisteten
wenig Widerstand und leidtragend war hauptsächlich das Privateigentum der Farmer
und weniger sie selbst und/oder ihre Familien (MOUNTAIN 2004: 60).
Von 98 der am Aufstand beteiligten Menschen sind nähere Informationen bekannt, da
das Gericht ihre Daten für weitere Recherchen festhielt. Aus den Angaben des Gerichts
wird ersichtlich, dass die Gruppe heterogen zusammengesetzt war. 26 von ihnen
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stammten aus Mozambique, 25 waren im Cape geboren, 16 mit unbekanntem
Herkunftsort, 8 aus Indonesien, 6 aus Indien und, 5 waren Khoi, weitere 5 stammten
aus Madagaskar und 2 aus Mauritius (einer davon war Louis). Hinzu kommen noch
Abraham of the Cape (der Übersetzer zwischen Louis, Michael und James), David van
der Caab (Fahrer des Pferdewagens, den Louis angeheuert hatte um von Cape Town
Richtung Malmesbury zu kommen), Adonis von Ceylon (der sich auf dem Weg von
Cape Town Richtung Malmesbury anschloss) und die beiden Iren Michael Kelly und
James Hooper.
Diese Gruppe mag zwar (abgesehen von den beiden Iren) dem ethnischen Durchschnitt
der auf den Weizenfarmen arbeitenden Sklav_innen entsprochen haben, jedoch gibt es
keine Indizien dafür, dass sie auch einen Durchschnitt der ca. 350 an der Rebellion
beteiligten Personen bildeten. Alle 98 aufgeführten Personen waren ausschließlich
männlich, was nur einen Hinweis auf die juristische Vorselektion der Gruppe bildet
(ROSS 98: 101).
Entgegen der Unschuldsbehauptungen, wurde die Revolte von vielen unterstützt. Die
Aussage Jacob von Mozambique (ein Sklave Louw‘s), er habe geglaubt, alle Christen
sollten während der Revolte nach Cape Town und von dort mit Schiffen in andere
Länder gebracht werden, spiegelt eine gewisse Euphorie der Auftständigen wieder. Das
Auftreten solcher Aussagen wurzelt in dem Aufstand der Freeburghers von 1799, die als
Folge dessen von den Briten von Algoa Bay nach Cape Town gebracht wurden.
Ähnliche Gerüchte wurden auch nach der Revolte der Khoi 1825 laut (ULRICH 2011:
214).
6. Fazit
Vor der Sklav_innen Revolte von 1808 sollen die sozialen Verhältnisse angeblich
friedlich gewesen sein. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings klar: Widerstand von
Seiten der Unterdrückten hat es schon immer gegeben. Einzig die Ausdrucksform
änderte sich von individuellem Widerstand durch Sabotageakte, spontane Attacken und
ablehnendem Verhalten gegenüber den Unterdrückern hin zu einem sichtbareren Protest
(RAYNER 1986: 134).
Es ist kein Zufall, dass die Rebellion nach Übernahme der Cape Kolonie durch die
Briten passierte. Offensichtlich besteht kein Zusammenhang zwischen der Schwere der
Unterdrückung und der Rebellion. Die Schlussfolgerung, die Revolte hätte wegen
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massiverer Unterdrückungspraktiken stattgefunden, wäre also falsch. Das Gegenteil ist
der Fall. Durch das Verbot des Sklavenhandels, der ein wichtiger Bestandteil der
Institution Sklaverei war, machte sich Optimismus unter den Sklav_innen breit. Die
Revolte wurde also auch durch einen Wandel der Ideologie der Unterdrücker möglich
(ROSS 1983: 96).
Ein weiterer Grund mag die zahlenmäßige Überlegenheit der Sklav_innen Ende des 18.
/ Anfang des 19. Jahrhunderts gewesen sein.
Der Aufstand macht sowohl eine Verbindung von Hafen und Hinterland in der Cape
Kolonie, als auch die Verbindung von Lokalem und Internationalem wird durch die
Revolte ersichtlich. Die sozialen Netzwerke, die in der Unterschicht [hier: Sklav_innen
und einfache Arbeiter_innen] zwischen Individuen unterschiedlicher Herkunft geknüpft
wurden bildeten einen eigenen soziogeographischen Raum und erleichterten so die
Verbreitung von Ideen und ermöglichten den Widerstand (ULRICH 2011: 221).
Wie in Kapitel 2. gezeigt wurde, entwickelte sich von 1800 auf 1900 die Idee eines
vertraglich geregelten Arbeitsverhältnisses. Damit kann die Revolte nicht allein als
vereinzeltes Ereignis, sondern als ein Teil eines globalen Trends betrachtet werden
(ULRICH 2011: 221).
Die Arbeitszeitbegrenzungen und die Erlaubnis der Heirat für die Sklav_innen von 1823
sind möglicherweise auch eine Spätfolge des Aufstandes von 1808. Hier erfolgte ein
weiterer Wandel und die Familie wurde nicht mehr als Hort möglicher
Freiheitsgedanken betrachtet, sondern der Gedanke, Sklav_innen mit Familie neigen
weniger zum Aufstand als jene, die keine Familie und somit nicht zu verlieren hatten.
(MASON 2003: 211).
Die Geschichten, die sich um den Aufstand von 1808 rankten, spiegelten den Wunsch
nach Freiheit wieder und offenbarten die Schwäche der Farmer trotz ihrer imperialen
Autorität (ULRICH 2011: 214).
Der Aufstand von 1808 trug somit einen Teil zur Befreiung der Sklav_innen ‚von
unten‘ bei.
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Quellenverzeichnis
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OSTERHAMMEL, J. & PETERSSON, N. P. (2003): Geschichte der Globalisierung –
Dimensionen Prozesse Epochen. München.
OSTERHAMMEL, J. (2009): Die Verwandlung der Welt – Eine Geschichte des 19.
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RAYNER, M. I. (1986): Wine and Slaves: The Failure of an Export Economy and the
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Spiegel (2013): „Django“-Regisseur Tarantino: „Das ist das Höllenfeuer“. Internet:
http://www.spiegel.de/kultur/kino/interview-mit-django-unchained-regisseur-quentin-
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The Guardian (2012): Quentin Tarantino defends depiction of slavery in Django
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M. VAN DER LINDEN (Hrsg.): Humanitarian Intervention and Changing Labor Relations:
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13
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