„Gulag und Genossen“ – ein Zeitzeuge über die politische Verfolgung in der DDR 10 Jahre wegen antisowjetischer Hetze, 15 Jahre wegen Spionage, 20 Jahre wegen Diversion – so lautete im Herbst 1952 die Anklage eines sowjetischen Militärgerichts gegen den damals erst 19jährigen Günther Rehbein aus Gera/ Thüringen, die ihm schließlich 25 Jahre im sowjetischen Gulag Workuta einbringen sollte. Dem Urteil vorausgegangen war ein erzwungenes Geständnis in der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Karlshorst unter Folter sowie Androhung von Konsequenzen für seine Familie. Am 11. September 2012 - mit 79 Jahren - schildert Günther Rehbein den Schülern der 12. und 13. Klassen des Beruflichen Gymnasiums sein Schicksal, in der Hoffnung, dass dieses und das der Abertausend anderen politischen Verfolgten des stalinistischen Systems nie vergessen wird. Die Jugend und die Hoffnung in sie, dass sie dazu erzogen wird, die Demokratie zu schützen und auszubauen, gibt ihm die Kraft, über sein Schicksal zu sprechen. Er ist einer der wenigen heute noch lebenden Gulag-Häftlinge, die diesbezüglich überhaupt Worte finden. Rückblickend auf sein Schicksal zeigt Günther Rehbein einen selbstgedrehten Film über die Haftanstalt Berlin-Karlshorst, als Ort des Grauens. Die Bilder der Zellen, Folter- kammern und Verhörzimmer ergänzt er mit Schilderungen des Häftlingsalltages, die unfassbar erscheinen. Und noch unwirklicher und kaum vorstellbar ist die Dokumenta- tion über das Straflager Workuta, ein Begriff für Eiseskälte, unmenschliche Arbeits- bedingungen in den Kohleschächten, Hunger, Skorbut, Tod - das Begräbnis von Lebenden. Günther Rehbein, jüngster Deutscher in Workuta Anfang der Fünfziger Jahre, hatte Glück – er hatte einen anderen deutschen Häftling kennengelernt, der ihn immer wieder motivierte durchzuhalten. Und es hatte sich gelohnt – 1955 wurden alle politischen Strafgefangenen aufgrund eines Abkommens der BRD mit der Sowjetunion, welches auf Initiative des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer geschlossen wurde, freigelassen.
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„Gulag und Genossen“ – ein Zeitzeuge über die politische Verfolgung in
der DDR
10 Jahre wegen antisowjetischer Hetze, 15 Jahre wegen Spionage, 20 Jahre wegen
Diversion – so lautete im Herbst 1952 die Anklage eines sowjetischen Militärgerichts
gegen den damals erst 19jährigen Günther Rehbein aus Gera/ Thüringen, die ihm
schließlich 25 Jahre im sowjetischen Gulag Workuta einbringen sollte. Dem Urteil
vorausgegangen war ein erzwungenes Geständnis in der Untersuchungshaftanstalt
Berlin-Karlshorst unter Folter sowie Androhung von Konsequenzen für seine Familie.
Am 11. September 2012 - mit 79 Jahren - schildert Günther Rehbein den Schülern der
12. und 13. Klassen des Beruflichen Gymnasiums sein Schicksal, in der Hoffnung, dass
dieses und das der Abertausend anderen politischen Verfolgten des stalinistischen
Systems nie vergessen wird. Die Jugend und die Hoffnung in sie, dass sie dazu erzogen
wird, die Demokratie zu schützen und auszubauen, gibt ihm die Kraft, über sein
Schicksal zu sprechen. Er ist einer der wenigen heute noch lebenden Gulag-Häftlinge,
die diesbezüglich überhaupt Worte finden.
Rückblickend auf sein Schicksal zeigt Günther Rehbein einen selbstgedrehten Film über
die Haftanstalt Berlin-Karlshorst, als Ort des Grauens. Die Bilder der Zellen, Folter-
kammern und Verhörzimmer ergänzt er mit Schilderungen des Häftlingsalltages, die
unfassbar erscheinen. Und noch unwirklicher und kaum vorstellbar ist die Dokumenta-
tion über das Straflager Workuta, ein Begriff für Eiseskälte, unmenschliche Arbeits-
bedingungen in den Kohleschächten, Hunger, Skorbut, Tod - das Begräbnis von
Lebenden.
Günther Rehbein, jüngster Deutscher in Workuta Anfang der Fünfziger Jahre, hatte
Glück – er hatte einen anderen deutschen Häftling kennengelernt, der ihn immer wieder
motivierte durchzuhalten. Und es hatte sich gelohnt – 1955 wurden alle politischen
Strafgefangenen aufgrund eines Abkommens der BRD mit der Sowjetunion, welches auf
Initiative des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer geschlossen wurde,
freigelassen.
Die Entscheidung, in welchen Teil Deutschlands die deutschen Häftlinge zurückkehren
wollen, konnten diese selbst treffen. Für Günther Rehbein war klar, dass er zu seiner
Familie nach Thüringen zurückkehrt.
Diese Entscheidung brachte ihm jedoch Enttäuschungen sowie weitere Repressalien,
Verfolgung und Haftjahre in Bautzen durch die „Genossen“ und das Unrechtssystem der
DDR ein.
Er war ein Opfer der Stasi bis zum Mauerfall.
Günther Rehbein unterbricht seine Schilderungen immer wieder und motiviert seine
Zuhörer Fragen zu stellen. Zum Ende der Veranstaltung werden es immer mehr Schüler,
die sich trauen und zum Teil ganz persönliche Fragen an den Zeitgenossen haben.
Schließlich waren sich alle im Klaren, dass sie über die Zeit der politischen Verfolgung
nach dem Nationalsozialismus doch kaum etwas wussten und auch der Terror der
sozialistischen Diktaturen nicht vergessen werden darf. Das ist es, was sich Günther
Rehbein wünscht und weshalb er sich immer wieder auf den Weg zu jungen Menschen
macht, um diese aufzuklären.
Der Beifall der Schüler am Ende der Veranstaltung war Ausdruck des Dankes für den
Mut und die Kraft Günther Rehbeins, über Erfahrungen zu berichten, die in der
Gegenwart zum Glück nur noch Geschichte sind.
(Literaturtipp: Grundlage der Veranstaltung, die durch die Gedenkstätte Berlin-
Hohenschönhausen koordiniert wurde, war das Buch „Gulag und Genossen“, welches
Günther Rehbein 2008 veröffentlichte.) Aus WIKIPEDIA: „Gulag (Главное управление лагерей/ oder Главное управление исправительно-трудовых лагерей и колоний Glawnoje uprawlenije isprawitelno-trudowych lagerej i kolonij) – auch GULag – ist das Akronym für Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager und gleichzeitig Synonym für ein umfassendes Repressionssystem in der Sowjetunion, bestehend aus Zwangsarbeitslagern, Straflagern, Gefängnissen und Verbannungsorten. Sie dienten der Unterdrückung politischer Gegner, der Ausbeutung durch Zwangsarbeit, medizinischen Menschenversuchen und der Internierung von Kriegsgefangenen. Das Lagersystem stellte ein wesentliches Element der stalinschen Herrschaft dar. …“