GRUNDZÜGE DES ÖSTERREICHISCHEN SCHADENERSATZRECHTS TEIL I. Alrun Cohen
GRUNDZÜGE DES ÖSTERREICHISCHEN SCHADENERSATZRECHTSTEIL I.
Alrun Cohen
Grundprinzip „Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet“ (§ 1311 Satz 1 ABGB).
A. Grundgedanke des Schadenersatzrechts
Ziel des Schadenersatzrechts
• Verlagerung der Verantwortung
• (Zurechnungs-)Gründe
B. Haftungsgründe und Systematik des Schadenersatzrechts
• Verschuldenshaftung
• Gefährdungshaftung
• Eingriffshaftung
Verschuldenshaftung
• Grund für die Ersatzpflicht des Schädigers ist das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten
• rechtswidrig = objektiv verboten (Darf sich jemand so verhalten?).
• schuldhaft = subjektiv vorwerfbar (Versteht der Schädiger, dass sein Verhalten falsch ist? Hätte er anders handeln können?)
Gefährdungshaftung
• Abweichung: knüpft nicht an rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten an
• Abstrakte Gefahr: Betrieb einer gefährlichen Sache oder Vornahme einer gefährlichen Handlung
• Grundgedanke: Vorteil aus der Benutzung einer gefährlichen Sache strengere Haftung
• Hintergrund: Entwicklung der Technik (zB Auto, Zug, Massenproduktion)
Eingriffshaftung
• Grund der Ersatzpflicht ist der – ausnahmsweise erlaubte – Eingriff in ein fremdes Rechtsgut
• Beispiel: Haftung für erlaubten Anlagebetrieb (§ 364a ABGB)
C. Zwecke des Schadenersatzrechts
Ausgleichsfunktion Präventionsfunktion Straffunktion?
Der Geschädigte bekommt einen
äquivalenten Ausgleich für seinen erlittenen
Nachteil.
Ziel der Rechtsordnung ist es auch, menschliches
Verhalten zu steuern und gefährliches Verhalten vorweg zu verhindern
(Abschreckung)
Soll der Schädiger über den Ausgleich hinaus bestraft werden? In Österreich grs
keine Straffunktion. Anders zB USA („punitive damages“)
D. Rechtsquellen des Schadenersatzrechts
• §§ 1293 ff ABGB (überwiegend Verschuldenshaftung) Systematik: Generalklausel § 1295 ABGB vertragliche und außer-vertragliche (deliktische) Haftung
• Formen: Schadenersatz, Unterlassung, Beseitigung Eingriffshaftung: insb § 364a ABGB
• Sondergesetze, zB in der Gefährdungshaftung: Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (EKHG), Produkthaftungsgesetz (PHG)
VERSCHULDENSHAFTUNG
A. Elemente der Verschuldenshaftung
Schaden Rechtswidrigkeit objektive Zurechnungselemente• Kausalität (Verursachung)• Adäquanz• Rechtswidrigkeitszusammenhang (Schutzzweck der
Norm) Verschulden
A. Elemente der Verschuldenshaftung
Schaden Rechtswidrigkeit objektive Zurechnungselemente• Kausalität (Verursachung)• Adäquanz• Rechtswidrigkeitszusammenhang (Schutzzweck der
Norm) Verschulden
1. Begriff
• „Schade heißt jeder Nachteil, welcher jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt werden.“ (§ 1293)
• weiter Schadensbegriff– Vermögensschäden (realer Schaden) – Ideeller Schaden (immaterieller Schaden,
Gefühlsschaden)
2. Vermögensschaden
• Schaden, der sich im Vermögen auswirkt
• Vertragshaftung: Erfüllungsschaden und Vertrauensschaden
• Immer: Theoretische Unterscheidung zwischen positivem Schaden und entgangenem Gewinn
Positiver Schaden – entgangener Gewinn
positiver Schaden (Vermögensminus „jetzt“): Schaden im jetzigen Vermögen;
entgangener Gewinn (Vermögensminus „in Zukunft“): Vermögensgewinn, „den jemand nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten hat“ (§ 1293 Satz 2) Verlorene Gewinnchance.
Positiver Schaden – entgangener Gewinn
Relevanz? Verschuldensgrad: Entgangener Gewinn nur bei grobem Verschulden! Positiver Schaden auch bei leichtem Verschulden.
Grenze? zB Schaden an Taxi. Sind Verluste entgangener Gewinn oder positiver Schaden?
Praxis: „Positiver Schaden“ geht sehr weit. Auch die Zerstörung zukünftiger Gewinnchancen ist positiver Schaden, wenn der Gewinn im Geschäftsverkehr als sehr sicher angesehen wird.
Beispiele aus der Rechtsprechung für „positiven Schaden“
• Verlust eines Gewinns bei „vergessenem“ Totoschein
• Verdienstentgang einer Fahrschule
• Verdienstentgang eines Taxiunternehmers
• Verlorene Zinsen aus einem geschuldeten Geldbetrag
• Verdienstentfall durch Beeinträchtigung der Arbeitskraft
Beispiele für „entgangenen Gewinn“
• der bloß angedachte Weiterverkauf einer Sache zu einem höheren Preis
• Verlust der Gewinnchance (Architekturwettbewerb) wegen mangelhafter Ausschreibung
3. Immaterieller (ideeller) Schaden
Schaden im Gefühl (nicht am Vermögen).
wird meistens nur dann ersetzt, wenn es im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist.
Beispiele für immaterielle Schäden:
• Schmerzen nach Verletzung: regelmäßig Ersatz bei Körperverletzung (§ 1325 ABGB)
• Verlorene Urlaubsfreude und Erholung (bei fehlgeschlagenem, „verdorbenem“ Urlaub)
• Frustrierte Aufwendungen: Verlust einer Gebrauchs-(Nutzungs-)möglichkeit
• In Ö kein Ersatz für fiktive (hypothetische) Kosten: Auto beschädigt. Geschädigter geht während Reparatur lieber zu Fuß. Ersatz für theoretische Kosten eines Mietwagens?
Sonderfall: Wrongful birth
• Unerwünschte Geburt eines Kindes. Schuldet Arzt/Apotheker/Krankenhaus Ersatz für Unterhalt?
• OGH: Ersatz nur bei außergewöhnlichem Bedarf
• Ersatz bei behindertem Kind (1999: Mehrbedarf / 2005: Gesamter Unterhalt)
• Kein Ersatz bei gesundem Kind, außer Unterhalt ist grobe Belastung für die Eltern
A. Elemente der Verschuldenshaftung
Schaden
Rechtswidrigkeit objektive Zurechnungselemente• Kausalität (Verursachung)• Adäquanz• Rechtswidrigkeitszusammenhang (Schutzzweck der
Norm) Verschulden
1. Grundsatz
• Rechtswidrigkeit bezieht sich auf ein Verhalten, nicht auf ein Ergebnis (Schaden).
• Sowohl ein „Tun“ (Handlung) als auch ein „Nicht-Tun“ (Unterlassung) kann rechtswidrig sein.
§ 1295 Abs 1 ABGB
Haftung aus Delikt / Haftung aus Vertrag
Unterschiedliche Rechtsfolgen!
Deliktische Haftung (ex delicto)
• Verletzung von Schutzgesetzen
• Verletzung absoluter Rechte
• Verstoß gegen gute Sitten
Verletzung von Schutzgesetzen
Gebote oder Verbote, die der Verhinderung von Schäden dienen. Sie sollen die Rechtsgüter anderer Personen schützen. zB: StVO
Verletzung absolut geschützter Güter
• Rechtspositionen, die jeder respektieren muss, zB: Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum
• Feststellung der Rechtswidrigkeit ist schwierig Interessenabwägung; „case law“ (Gerichte)
• Beispiel: Verkehrssicherungspflichten
• Achtung: Das „bloße Vermögen“ ist nicht absolut geschützt! Bloße Vermögensschäden werden idR nur im Vertrag ersetzt, nicht in der deliktischen Haftung.
Verstoß gegen gute Sitten
§ 1295 Abs 1 ABGB
Haftung aus Delikt / Haftung aus Vertrag
Unterschiedliche Rechtsfolgen!
Haftung aus Vertrag (ex contractu)
• Verzug Verkäufer liefert eine Ware – zB Traktor – zu spät; der Käufer
hätte die Ware aber schon für seine Produktion gebraucht, er hat Verluste wegen der Verspätung.
• Unmöglichkeit (Zerstörung)Verkäufer lässt den Traktor draußen, es regnet und der Traktor
wird kaputt.
• Mangelhafte Lieferung Verkäufer liefert kaputten Traktor; er beginnt zu brennen und der Käufer verletzt sich.
Haftung aus Vertrag (ex contractu)
• AufklärungspflichtenzB: vollständige und richtige Aufklärung über
alle Risiken
• Schutz- und SorgfaltspflichtenzB: vorsichtige Lieferung der bestellten Ware
Rechtfertigungsgründe
• Notwehr (Schädiger wehrt sich)
• Notstand (Schädiger hat keine andere Möglichkeit, um sich selbst zu schützen)
• Selbsthilfe (Schädiger wollte nur sein Recht durchsetzen)
• Einwilligung (Geschädigter hat der Verletzung zugestimmt)
A. Elemente der Verschuldenshaftung
Schaden Rechtswidrigkeit
objektive Zurechnungselemente• Kausalität (Verursachung)• Adäquanz• Rechtswidrigkeitszusammenhang (Schutzzweck der
Norm) Verschulden
Objektive Zurechnungselemente
Verbindung zwischen rechtswidrigem Verhalten des Schädigers und Schaden (Ersatzpflicht)
•Kausalität (Verursachung)• Adäquanz• Rechtswidrigkeitszusammenhang
(Schutzzweck der Norm)
Kausalität (Ursachenzusammenhang)
• rechtswidriges Verhalten muss für den Schaden kausal (ursächlich) gewesen sein
• Äquivalenztheorie– Handlung ist kausal, wenn sie nicht weggedacht
werden kann, ohne dass auch Erfolg entfällt. – Unterlassung ist kausal, wenn sie nicht
hinzugedacht werden kann, ohne dass auch der Erfolg entfällt.
Objektive Zurechnungselemente
Verbindung zwischen rechtswidrigem Verhalten des Schädigers und Schaden (Ersatzpflicht)
• Kausalität (Verursachung)
•Adäquanz• Rechtswidrigkeitszusammenhang
(Schutzzweck der Norm)
Adäquanz
Grundgedanke• Schädiger soll nur für vorhersehbare, beherrschbare
Schäden haften
• Verhalten ist adäquat, wenn die dadurch verursachte Schädigung nicht ganz außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt (nicht atypische, sondern übliche bzw adäquate Schädigung)
• Rsp ist bei Beurteilung der Adäquanz nicht sehr streng
Beispiele für Adäquanz (typische Schäden)
• erster Unfallverursacher für Folgeunfälle, zB: Auffahrunfälle
• schwere Körperverletzung führt zu Depressionen und zu Selbstmord
• schwere Verletzung führt zu Drogenabhängigkeit
• Würgegriff führt zu schwerer Schädigung im Gehirn
• Persönlichkeitsstörung eines Kindes wegen sexuellen Missbrauchs
• schlecht verwahrte Waffe wird von einem Dritten verwendet
Beispiele für fehlende Adäquanz (atypische Schäden)
• Jemand bekommt einen Herzinfarkt, weil er sich ärgert und stirbt
• A bricht dem B die Hand. Im Krankenhaus bekommt B eine Infektion, sodass ihm sein Arm amputiert werden muss. As Verhalten war nicht adäquat für die Handabnahme.
Objektive Zurechnungselemente
Verbindung zwischen rechtswidrigem Verhalten des Schädigers und Schaden (Ersatzpflicht)
• Kausalität (Verursachung)• Adäquanz
• Rechtswidrigkeitszusammenhang (Schutzzweck der Norm)
Rechtswidrigkeitszusammenhang
ZielDer Schädiger muss nur solche Schäden ersetzen,
die die Norm verhindern wollte. Das dient der Begrenzung der Ersatzpflicht. Betrifft vertragliche
genauso wie deliktische Pflichten.
Schutzzweck der Norm? Ermittlung durch „teleologische Auslegung“ (Sinn
und Ziel der Norm)
Zweck der Norm?
• Jede Norm verfolgt bestimmte Zwecke. Sie soll bestimmte Schäden verhindern und bestimmte Personenkreise schützen.
• Schädiger haftet nur, wenn Geschädigter und Schaden im Schutzzweck der Norm liegen.
Terminologie
– Schaden innerhalb des Schutzbereichs: unmittelbarer Schaden / unmittelbar Geschädigter
– Schaden außerhalb des Schutzbereichs: mittelbarer Schaden / mittelbar Geschädigter
Verletzung von Schutzgesetzen
• Beispiel 1: Gesetz: „Man darf nur mit Führerschein Auto fahren“.
A fährt ohne Führerschein. B verursacht Unfall. Grs darf A nicht ohne Führerschein fahren. Jedoch haftet A nicht, wenn der Unfall nichts mit fehlender Fahrberechtigung zu tun hat.
• Beispiel 2: Gesetz: „Man darf nur mit einem offiziell geprüften Auto auf der Straße fahren“.
A fährt mit einem Auto, das nicht zum Verkehr zugelassen ist. B verursacht einen Unfall. Grundsätzlich darf A nicht mit einem nicht-zugelassenen Auto fahren. Trotzdem haftet A nicht, wenn das Fahrzeug keinen Mangel hat, der die Zulassung zum Verkehr verhindert hätte.
Beispiel 3: Gesetz „Zeugen müssen grundsätzlich vor dem Strafgericht aussagen“.
Normen über die Aussagepflicht des Zeugen dienen nicht dem Schutz des öffentlich-rechtlichen Strafanspruchs des Staates, aber auch dem Schutz Dritter (Ersatzpflicht für Detektivkosten, die ein Dritter zur Ausforschung des Täters aufwendet, wenn Zeuge pflichtwidrig Täter nicht nennt)
Beispiel 4: Gesetz: „Der Geschäftsführer muss rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellen“.
Die Norm hat das Ziel, das Unternehmen zu retten und auch das Ziel, dass den Gläubigern des Unternehmens kein größerer Schaden entsteht, weil das Unternehmen noch mehr Geld verliert.
Rechtmäßiges Alternativverhalten
Schädiger beweist, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich richtig verhalten hätte.
In Österreich entfällt nach hA die Ersatzpflicht.
A. Elemente der Verschuldenshaftung
Schaden Rechtswidrigkeit objektive Zurechnungselemente• Kausalität (Verursachung)• Adäquanz• Rechtswidrigkeitszusammenhang (Schutzzweck der
Norm)
Verschulden
1. Grundlagen des Verschuldens
• Verschulden: individuelle Vorwerfbarkeit des rechtswidrigen Verhaltens
• Rechtwidrigkeit: Urteil über die Tat• Verschulden: Urteil über den Täter
• Konnte der konkrete Schädiger erkennen und verstehen, dass sein Verhalten objektiv sorgfaltswidrig ist? Wenn ja, dann kann er für die Tat verantwortlich gemacht werden.
2. Verschuldensfähigkeit
• Verschuldensfähigkeit idR mit Erreichung der Mündigkeit, ab 14 Jahre (§ 153 ABGB)
• Haftungsrechtliche Verhältnisse bei Deliktsunfähigen– möglicherweise Haftung des Obsorgeverpflichteten
(§ 1309 ABGB)– keine „automatische“ Haftung – nur für eigene schuldhafte Verletzung der
Aufsichtspflicht
Ausnahmsweise Haftung des Deliktsunfähigen („Billigkeitshaftung“, § 1310 ABGB)
• nur wenn kein Obsorgeverpflichteter haftet und
• wenn Deliktsunfähigen ausnahmsweise doch ein Verschulden trifft oder
• Geschädigter hat Abwehr mit Rücksicht auf Schädiger unterlassen oder
• Vermögensvergleich: Kind kann Schaden leichter tragen (zB Versicherung)
• Anspruch auf vollständigen oder teilweisen Schadenersatz nach Billigkeit
3. Arten des Verschuldens
• Vorsatz („böse Absicht“)
• Fahrlässigkeit („Versehen“)
Vorsatz
Schädiger handelt bewusst rechtswidrig und will Schadenseintritt herbeiführen oder er rechnet zumindest mit dem Schadenseintritt und nimmt es in Kauf („dolus eventualis“)
Fahrlässigkeit
• Schädiger ist unsorgfältig/unvorsichtig; muss nicht bewusst passieren (vgl § 1294 ABGB).
• Theoretische Unterscheidung zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit (§ 1394 ABGB)– Leicht: Sorglosigkeit, die auch einem sorgfältigem
Menschen gelegentlich passiert– Grob: Sorglosigkeit, die einem sorgfältigem
Menschen niemals passiert
Warum unterscheidet man?
• § 1324 ABGB: bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Schädiger nur für positiven Schaden. Bei grober Fahrlässigkeit haftet er für positiven Schaden UND entgangenen Gewinn.
• Unterschied auch bei Trauerschaden und Schockschaden (siehe später).
Beispiele für „grob fahrlässig“
• Missachtung einer Stopptafel; Fahren trotz roter Ampel, Abbremsen, um andere zu schrecken
• „Diskotheken-Fall“
4. Objektivierung des Verschuldens
Grundsatz (§ 1297 ABGB)
Subjektive Vorwerfbarkeit des objektiv rechtswidrigen Verhaltens.
Konnte der Schädiger verstehen, dass sein Verhalten unrichtig ist? Wenn nicht, ist er
grundsätzlich schuldfrei.
Abweichung (§ 1299 ABGB)
Sachverständigen objektiver Maßstab
Personen, die erkennbar eine Tätigkeit ausüben, für die man besondere Kenntnisse und Fähigkeiten braucht.
Beispiele: Ärztin, Rechtsanwalt, Steuerberaterin, Bank, Installateur, Mechanikerin, Fahrlehrer usw.
Rechtsfolgen
Sachverständige Schädiger müssen den durchschnittlichen Fleiß und die Kenntnisse haben, die man von einer Person aus dieser Branche erwarten darf. Ob er persönlich nur
geringere Fähigkeiten oder weniger Kenntnisse hat, wird nicht berücksichtigt.
5. Beweislast
Grundsatz (§ 1296 ABGB)
Der Geschädigte trägt die die Beweislast für das Verschulden des Schädigers: Er muss beweisen, dass der Schädiger schuldhaft gehandelt hat.
Umkehr der Beweislast im Vertrag (§ 1298 ABGB)
Falls der Schädiger eine vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Geschädigten verletzt hat, so vermutet das Gesetz, dass der die Verpflichtung schuldhaft verletzt hat
Die Beweislast dreht sich um: Der Schädiger muss sich vom Verschulden „freibeweisen“!
Mitverschulden des Geschädigten (§ 1304 ABGB)
• Mitverschulden des Geschädigten führt zu Kürzung des Anspruchs
• Jeder trägt den Schaden entsprechend seines Verschuldensgrades
• Falls nicht feststellbar (im Zweifel): Teilung 50/50
G. Art und Umfang des Schadenersatzes
1. Rechtsquelle• § 1323 ABGB: „Alles muss in den vorigen
Stand zurückversetzt werden“. Wenn das nicht möglich oder nicht tunlich ist, dann muss der geschätzte Wert ersetzt werden.
Prinzipien Schutz des Integritätsinteresses
• primär Naturalrestitution) Wiederherstellung
des vorigen Zustands: durch den Schädiger selbst oder durch den Geschädigten. Wahlrecht.
• subsidiär Wertersatz) dient dem Wertinteresse
des Geschädigten: Wenn Naturalrestitution unmöglich oder unzumutbar ist Ausgleich durch Geld.
3. Reichweite der Schadenersatzpflicht
a)Naturalrestitution
b)Wertersatz
a) Naturalrestitution
• Nur, soweit möglich und tunlich. – Unmöglich zB: Bild ist verbrannt. – Untunlichkeit auch bei unverhältnismäßig hohem
wirtschaftlichem Aufwand, zB: Totalschaden beim Auto.
b) Wertersatz
• Maximal bis zum Wert der Sache; kein Ersatz für höhere „fiktive Reparaturkosten“.
• Kein Ersatz für „fiktive Heilungskosten“ (Ausnahme bei Heilung eines Tieres, § 1332a ABGB).
c) Sonderproblem: „Neu für Alt“
Ausgangsfall: S macht Flecken ins gebrauchte Ballkleid von G. Es existiert kein Markt für gebrauchte Kleider; S kann keine gleichartige Ersatzsache besorgen. Daher muss Geschädigte:
a) eine neue Sache kaufen.b) die alte, zerstörte Sache vollständig reparieren lassen.
Sonderproblem: „Neu für Alt“
Problem: Der Kauf der neuen Sache (a) oder die Reparatur
der beschädigten Sache (b) führt zu einer Werterhöhung und daher zu einer längeren Lebensdauer
Bsp:G bekommt ein neues Ballkleid. Das ist mehr, als sie vorher hatte. Durch diesen vollen
Ersatz wird die Geschädigte bereichert.
Sonderproblem: „Neu für Alt“
Lösung: Berücksichtigung bei Schadensberechnung.
Geschädigte bekommt „nur“ Anspruch auf aliquoten Ersatz: Angemessener Abzug für die erhöhte Lebenserwartung der neuen Sache.
Bsp aus der Rsp für einen Abzug nach „Neu für Alt“
• Zerstörung einer 72 Jahre alten Brücke• hätte Lebensdauer von etwa 120 Jahren
gehabt, dh Restdauer: 48 Jahre• wird ersetzt durch neue Brücke mit
Lebenserwartung von ca 80 Jahren• Ersatz der Herstellungskosten mit
angemessenem Abzug (Abzug von ca 40 %)
Bsp aus der Rsp gegen Abzug nach „Neu für Alt“
Der beschädigte Keller war trotz des hohen Alters (100 Jahre) in einem guten Zustand und noch nicht sichtbar abgenutzt.
OGH verneint Abzug, denn der Geschädigte hätte die „alte“ Sache (Keller) noch genauso lange nützen können, wie die „neue“ keine Bereicherung.
4. Vermögensschaden
• Grundsatz: Schutz des Vermögens ist meistens nicht vom Schutzzweck einer Norm erfasst.
• BeispielTom verletzt Anna schuldhaft. Sie muss ihre Tanzshow absagen. Alle Zuschauer „verlieren“ das Ticket, das sie für die
Tanzshow bezahlt haben. Ersatz?
Vermögensschaden
• Ausnahmen: Nur in bestimmten Fällen besteht ein Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens:
a) „Folgeschaden“ b) Vertrag c) Gesetzliche Anordnung d) Schutzzweck der Norm
a) Folgeschaden
Schädiger verletzt ein absolut geschütztes Rechtsgut des Geschädigten. In weiterer Folge entsteht ein Vermögensschaden
b) Vertrag
Anspruch auf Ersatz des „bloßen Vermögenschadens“.
Beispiel: Verkäufer liefert die Produktionsmaschine einen Monat zu spät. Dadurch kann der Unternehmer die Produktion erst einen Monat später beginnen. Kunde kündigt den Vertrag. Der Unternehmer erleidet einen Vermögensschaden. Ersatz!
c) Gesetzliche Anordnung
• Manche Normen gewähren ausdrücklich einen Anspruch auf Ersatz des Vermögenschadens.
• BeispielAnton tötet Peter. Peter hatte drei Kinder und musste ihnen Unterhalt bezahlen. Gem § 1327 ABGB haben die Kinder gegen A Anspruch auf Ersatz des verlorenen Unterhalts.
d) Schutzzweck der Norm
• Manche Normen geben nicht ausdrücklich einen Anspruch auf Ersatz, aber nach ihrem Schutzzweck soll auch das „bloße“ Vermögen des Geschädigten geschützt sein.
• Beispiel: § 69 IO
H. Sonderhaftungstatbestände
1) Körperverletzung (§ 1325 ABGB)2) Verunstaltungsentschädigung (§ 1326 ABGB)3) Tötung (§ 1327 ABGB)4) Sonderproblem: Schock- und Trauerschäden
1. Körperverletzung (§ 1325 ABGB)
a) Tatbestand
Jede Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Gesundheit.
b) Rechtsfolgen
• Heilungskosten
• Verdienstentgang
• Schmerzengeld
Funktion der Heilungskosten
• Ausgleichsfunktion: Verletzter muss sich mehr anstrengen, kann früher erschöpft sein
• Sicherungsfunktion: Rücklagenbildung für Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt
Schmerzengeld
• Ausgleich für körperliche und seelische Schmerzen.
• soll dem Verletzten für die Schmerzen andere Annehmlichkeiten und Erleichterungen bringen
• ist in angemessener Höhe zu leisten
• ist regelmäßig global festzusetzen (fixe Tabelle beim Gericht); Tagessätze.
2. Verunstaltungsentschädigung (§ 1326 ABGB)
3. Tötung (§ 1327 ABGB)
• Grundsätzlich haben dritte Personen keinen Ersatzanspruch (= mittelbar Geschädigte).
• § 1327 macht davon eine Ausnahme: Ersatzpflicht für Hinterbliebene – Begräbniskosten, Grab, Trauerkleidung etc– Unterhaltsberechtigte Personen (zB die Kinder des
Getöteten) haben einen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Unterhalts in Form einer Rente
4. Sonderproblem: Schock- und
Trauerschäden
Allgemeines
Schock- und Trauerschäden entstehen vor allem, wenn Angehörige den Tod oder die schwere Erkrankung eines geliebten Menschen miterleben und selbst darunter leiden
zB Eltern erleben den Tod des Kindes mit; die Ehefrau erlebt den Tod ihres Ehemannes mit; die Eltern erhalten eine Nachricht über den Tod des Kindes
OGH-FallDer LKW-Fahrer Leo fährt viel zu schnell auf der
Straße. Er übersieht die kleine Nina und überfährt sie. Ihre Eltern kommen zur Unfallstelle und müssen miterleben, wie Nina noch am Unfallort stirbt.
Ihr Vater ist lange Zeit traurig, aber er überwindet die Trauerphase ohne ärztliche Hilfe. Ihre Mutter hat bei diesem Erlebnis so einen Schock erlitten, dass sie seither tief depressiv ist. Sie muss Medikamente gegen die Depression nehmen und ist nicht mehr fähig zu arbeiten.
Haben die Eltern Schadenersatz gegenüber Leo?
Rechtsprechung:Unterscheidung zwischen
Schock- und Trauerschäden
Schockschaden
• Krankhafte Trauer; Depression; Schockzustand; Posttraumatische Störung; bleibende Schäden in der Psyche; nur mit Medikamenten behandelbar.
• eigene Körperverletzung eigener Anspruch gemäß § 1325 ABGB gegen den Schädiger.
• auch bei leichtem Verschulden
Trauerschaden
• Normale Trauer; kein Krankheitswert oder psych. Störungen
• keine eigene Körperverletzung, sondern:„immaterieller“ Schaden bzw Gefühlsschaden
• Gesetz kennt keinen allg. Ersatzanspruch für immaterielle Schäden. In dem Fall kann der Geschädigte
• Rsp: Ersatz nur dann, wenn der Schädiger grob fahrlässig
Gehilfenhaftung
I. Gehilfenhaftung
• Grundsatz
• Unterscheidung zwischen–Vertragshaftung–Deliktshaftung
Grundsatz
Grundsätzlich haftet jeder nur für sein eigenes Verschulden
Gehilfenhaftung ist Besonderheit
Der Geschäftsherr setzt Gehilfen ein, um mehr Verträge zu erfüllen und schneller zu arbeiten.
Dafür soll er auch für das Verhalten seiner Gehilfen verantwortlich gemacht werden.
Schuldverhältnis
Erfüllungsgehilfen (§ 1313a ABGB)
• wer vom Geschäftsherrn zur Erfüllung eines besonderen Schuldverhältnisses (insb Vertrag) eingesetzt wird und im Zuge der Erfüllung dem Vertragspartner einen Schaden zufügt
• Geschäftsherr haftet für Erfüllungsgehilfen, so als hätte er selbst gehandelt.
Kein Schuldverhältnis
Besorgungsgehilfen (§ 1315 ABGB)
• wer vom Geschäftsherrn zur Besorgung von Angelegenheiten herangezogen wird, ohne dass zwischen Geschäftsherrn und Geschädigten ein Schuldverhältnis besteht
• Geschäftsherr haftet nur dann, wenn der Gehilfe absolut untüchtig ist oder gefährlich für diese Tätigkeit ist und der Geschäftsherr davon wusste.
Wichtigste Unterschiede zwischen Vertragshaftung
und Deliktshaftung
DELIKT VERTRAGGeschädigter und Schädiger haben
keine vertragliche Beziehung.Geschädigter und Schädiger haben
eine (quasi-)vertragliche Beziehung.
Verschulden – Beweislast§ 1296 ABGB
Der Geschädigte muss im Prozess beweisen, dass der Schädiger
schuldhaft gehandelt hat.
§ 1298 ABGBDas Gesetz vermutet, dass Schädiger schuldhaft war. Schädiger muss sich vom Verschulden freibeweisen.
Gehilfenzurechnung§ 1315 ABGB
Geschäftsherr haftet gegenüber „fremden“ Personen (mit denen er keinen Vertrag hat) nur dann für seine Gehilfen, wenn der Gehilfe absolut unfähig oder gefährlich in Hinblick auf diese Tätigkeit war und der Geschäftsherr von der Gefährlichkeit wusste.
§ 1313a ABGBDer Geschäftsherr haftet gegenüber seinem Vertragspartner für alle Gehilfen, die er zur Erfüllung seines Vertrages eingesetzt hat. Er haftet für das Verschulden seiner Gehilfen genauso, als hätte er selbst gehandelt.
DELIKT VERTRAG
VermögensschadenHaftung für Vermögensschäden nur dann, wenn sie Folge der Verletzung
absoluter Güter sind.
Haftung für alle Vermögensschäden, die im Rahmen der Pflichtverletzung
entstehen.
DELIKT VERTRAG
Schutzlücken• Ausweitung der Aufklärungs-, Schutz- und
Sorgfaltspflichten
• Culpa in Contrahendo
• Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Amtshaftung
• Rechtsgrundlage: AHG
• Hoheitsverwaltung: „In Vollziehung der Gesetze“
• Rechtsträger (zB Land Wien) haftet dem Geschädigten auf Schadenersatz in Geld
Beispiele für Amtshaftung
• Gewalt durch die Polizei
• Falsche Auskunft vom Finanzamt
• Grob falsche Entscheidung eines Gerichts
• Schussverletzung beim Militär
Staatshaftung
• Keine explizite Rechtsgrundlage im Gesetz
• Rechtsprechung des EuGH
• Schadenersatz wegen fehlerhafter oder verspäteter Umsetzung einer Richtlinie oder fehlerhafter Anwendung von europäischen Gemeinschaftsrecht
Gefährdungshaftung
• ABGB: Rechtswidrigkeit und Verschulden
• ABWEICHUNG: Gefährdungshaftung
• KRITERIUM: Gefährliche Tätigkeit oder Sache
• BEISPIELE : PHG (Produkte) und EKHG (Auto)
Produkthaftung
• § 1 PHG:
Haftung für Schäden, wenn durch ein fehlerhaftes Produkt ein Mensch verletzt oder getötet wird oder eine vom Produkt verschiedene Sache beschädigt wird.
Haftpflichtige Person
• Wer haftet?
• Jedenfalls der Hersteller des Endprodukts
• = wer das Produkt in den Verkehr gebracht hat
„Produkt“
• § 4 PHG:
Produkt ist eine bewegliche körperliche Sache, auch wenn sie durch Einbau fest mit einer unbeweglichen Sache verbunden wird.
Haftungsgrund
• § 5 PHG: Produkt entspricht nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen!
• Wie stellt man diese fest?– Erwartungsgemäßer Gebrauch, aber auch
atypischer Fehlgebrauch, der passieren kann.– Werbung, Prospekt, Anleitung
Fehlerkategorien
Konstruktionsfehler
Produktionsfehler
Instruktionsfehler
Wirkungslosigkeit
Kausalität
• Keine Rechtswidrigkeit
• Kein Verschulden
• Natürlich: Kausalität! Der Fehler des Produkts muss für den Schaden kausal gewesen sein.
Haftungsbefreiung (§ 8 PHG)
• Grundsatz: Haftung - unabhängig vom Verschulden
• Wichtigste gesetzliche Ausnahmen von der Haftung:– Fehler basiert auf Vorschriften oder Anordnungen– Nach Wissenstand und Technik nicht erkennbar
Schadenersatz
• Verletzung oder Tötung eines Menschen• Sachschäden. Achtung: nicht für das Produkt selbst
• Umfang (--> richtet sich nach ABGB)– Körperverletzung: Heilungskosten Verdienstentgang,
Schmerzengeld (§ 1325 ABGB)– Tötung: Begräbniskosten, Unterhalt (§ 1327 ABGB)
EKHG
• Anwendungsbereich (§ 1 EKHG):
Der Betriebsunternehmer einer Eisenbahn oder der Halter eines Kraftfahrzeugs (Auto, LKW) haftet, wenn durch einen Unfall beim Betrieb des Fahrzeugs ein Mensch getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt wird.
Wer haftet?
• Betriebsunternehmer– Der Unternehmer der Eisenbahn (zB ÖBB)
• Halter– Wer das Fahrzeug auf eigene Rechnung und
Gefahr verwendet– Unabhängig vom Eigentum (auch Leasingnehmer)
Haftungsgrund
• Unfall beim Beitrieb
• Verwirklichung einer Betriebsgefahr– Gefährdungszusammenhang!– Primär: Gefahren durch die typische Benutzung
eines Fahrzeugs mit hoher Masse und Geschwindigkeit
Haftungsbefreiung
• Grundsatz: Haftung unabhängig vom Verschulden
• Gesetzliche Ausnahmen von der Haftung:Keine Haftung für ganz unkontrollierbare Gefahren, die von außen kommen.- § 6 EKHG: Schwarzfahrer- § 9 EKHG: „Gefahren von außen“
Haftungsbefreiung (§ 9 EKHG)Grundregel (Haftung)
Haftung bei Unfall beim Betrieb
Plötzlich von außen wirkendes Ereignis, jedenfalls wenn Fahrzeug mit Motor in Bewegung war
Ausnahme (haftungsfrei)Haftungsbefreiung bei unabwendbarem Ereignis
Voraussetzung: Einhaltung jeglicher Sorgfalt
Völlig unkontrollierbares Ereignis „von außen“ (zB Tier, Kind, Steinbruch). Halter selbst muss aber total sorgfältig und aufmerksam gewesen sein.
Gegenausnahme (Haftung) Haftung, wenn Unfall auf
eine außergewöhnliche Betriebsgefahroder
auf ein technisches Gebrechen des Fahrzeuges zurückzuführen ist.
Kontrollverlust über das Fahrzeug (zB Rutschen, Schleudern, Überschlagen etc).
Fahrzeug hat Mängel, zB Versagen der Bremsen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit