Grundlagen der Thermischen Behaglichkeit
Grundlagen der Thermischen Behaglichkeit
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Abstract / Zusammenfassung
Diese Lerneinheit ist eine Einführung in das Thema thermische Behaglichkeit. Erklärt werden
die grundlegenden Begriffe sowie die wesentlichsten Einflussfaktoren des Raumes wie
Raumlufttemperatur, Luftfeuchte, etc. und wie diese zu berechnen sind. Abschließend wird
dargestellt wie die thermische Behaglichkeit vorausgesagt und bewertet werden kann.
Lernziele
Nach dieser Lerneinheit können Sie
- thermische Behaglichkeit und die wichtigsten Begriffe definieren
- die Größen für die thermische Behaglichkeit benennen
- die wesentlichen Einflussfaktoren benennen
- Raumlufttemperatur und Raumtemperatur differenzieren
- den Einfluss von Luftfeuchte , Luftbewegung etc . erklären
- „Komfort-Werte“ PMV und PPD erklären
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Inhalt
Abstract / Zusammenfassung ........................................................................................................ 2
Lernziele ......................................................................................................................................... 2
1. Einleitung .............................................................................................................................. 4
2. Was sind die Grundlagen der Thermischen Behaglichkeit? .................................................. 4
2.1 Faktoren des Raumes .......................................................................................................... 6
2.1.1 Raumlufttemperatur ..................................................................................................... 7
2.1.2 Operative Raumtemperatur ......................................................................................... 8
2.1.3 Luftfeuchte ................................................................................................................... 9
2.1.4 Luftbewegung ............................................................................................................. 10
2.1.5 Kaltluftabfall ............................................................................................................... 12
2.2 Faktoren des Menschen .............................................................................................. 15
2.2.1 Kleidung ...................................................................................................................... 15
2.2.2 Körperliche Aktivität ................................................................................................... 16
2.3 Bewertung der thermischen Behaglichkeit ................................................................. 16
3. Quellen ................................................................................................................................ 18
Impressum ................................................................................................................................... 18
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1. Einleitung
Menschen in Industrienationen verbringen einen Grossteil ihres Lebens in Gebäuden; zum
Arbeiten, Wohnen oder für Freizeitaktivitäten. Gebäude sind daher ein wesentlicher Faktor für
unser Wohlbefinden d.h. für unsere Lebenszufriedenheit und Gesundheit. Gerade in diesem
Kontext muss die Gebäudetechnik und Architektur höchsten Anforderungen gerecht werden.
Gebäude nach dem aktuellen Stand der Technik müssen vielen Ansprüchen gerecht werden.
Es reicht nicht, wenn lediglich ein behagliches Raumklima garantiert wird. Mit immer
strengeren Auflagen aus der Klimapolitik und steigenden Energiepreisen müssen Prozesse im
Gebäude auch energieeffizient sein. Energetische Verbesserungsmassnahmen an Gebäuden
dürfen aber nie zulasten der Behaglichkeit gehen.
Dazu ist es unumgänglich ein Gebäude als ein in sich funktionierendes System zu betrachten.
Es müssen die Wechselwirkungen zwischen Heizungs-, Lüftungs- und Klimaprozessen mit
bauphysikalischen und architektonischen Aspekten erkannt werden, um an der richtigen
Stelle „den Hebel für die Energieeffizienz“ anzusetzen (Rieder, U., Felder, P.: 2011).
Für eine erste Einschätzung reicht es oft die einfachen physikalischen Zusammenhänge vom
System Gebäude zu verstehen. Ausgangspunkt dabei ist der Begriff „Thermische
Behaglichkeit“.
2. Was sind die Grundlagen der Thermischen Behaglichkeit?
Die Wissenschaft hat die Behaglichkeit in Gebäuden auf wenige Grössen reduziert, die alle mit
der thermischen Behaglichkeit zusammenhängen: Die Raum- und Oberflächentemperatur,
die Luftfeuchtigkeit und Luftgeschwindigkeit sowie Bekleidungs- und Aktivitätsgrad (Tab.
1).
Mittels Formeln werden Grössen berechnet und daraus Behaglichkeit abgeleitet. Trotzdem
fühlen sich viele Menschen in vollklimatisierten Büros mit normiertem Klima nicht wohl. Um
ganzheitlich von Behaglichkeit zu sprechen müssen auch andere, nicht normierbare
Anforderungen des Wohlbefindens in die Überlegungen und Planungen mit einbezogen
werden (Hausladen, G., 2005)
Hier einige Beispiele:
Heizung: Viele Menschen fühlen sich in der Umgebung eines Kachelofens sehr wohl, obwohl
die objektiv als behaglich definierte Temperatur deutlich zu hoch ist. Sicher spielt etwas
Nostalgie eine Rolle, entscheidend ist aber, dass man die Möglichkeit hat, sich je nach
Stimmung und Verfassung der Wärme auszusetzen oder zu entziehen.
Kaltluft: Die meisten Menschen haben das tiefe Bedürfnis, selbst das Fenster auf und zu
machen zu können, anstatt permanent einer zentral gesteuerten Klimaanlage ausgesetzt zu
sein. Öffnet man im Winter ein Fenster fällt kalte Luft herein, was objektiv unbehaglich ist.
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Subjektiv kann es jedoch sehr angenehm sein, die kalte, frische Luft zu spüren und zu riechen.
Und man kann das Fenster wieder zu machen, wenn es zu kalt wird.
Sonnenschutz: In Bürogebäuden werden Sonnenblenden oft über eine zentrale Steuerung je
nach Himmelsrichtung und Strahlungseinfall geregelt. Objektiv ist das richtig, damit die
Raumtemperatur nicht zu hoch wird. Subjektiv kann das automatisch heruntergefahrene Rollo
jedoch als sehr störend empfunden werden, weil sich der Einzelne zwischendurch gern von der
Sonne anstrahlen lassen möchte.
Tageslicht: Natürliches Licht lässt sich nur in wenigen physikalischen Werten durch Kunstlicht
ersetzen. Tageslicht ist für die meisten Menschen, die sich fast ausschliesslich in Gebäuden
aufhalten, die Verbindung zur Natur. Über Veränderungen von Lichtqualität, Farbe und Einfall
wird einerseits der direkte Aussenbezug hergestellt, andererseits bedeutet Kunstlicht erhöhte
innere Lasten und zusätzlichen Energieverbrauch.
Tabelle 1: Wohlfühlen – Faktoren thermischer Behaglichkeit (Bauer, Mösle, Schwarz, 2010)
Trotz aller Subjektivität und Individualität müssen für die Planung Anforderungen definiert
werden, die Behaglichkeit fassen lassen.
Einige dieser lassen sich Hand in Hand erfüllen:
Die Bereitstellung eines angenehmen Raumklimas durch natürliche Lüftung und Verwendung
schadstoffarmer, erneuerbarer Materialien lässt den Komfort steigen, gleichzeitig sinkt der
Energieverbrauch und die Umweltbelastung wird verringert.
Andere Kriterien führen zu Zielkonflikten:
Die Wünsche nach hellen Räumen, angenehmen raumklimatischen Bedingungen,
Energieeinsparung und niedrigen Kosten stehen bis zu einem gewissen Grad im Widerspruch.
Grosse südseitig gelegene Glasflächen bedeuten hohe Solargewinne, die aber leicht zur
Überhitzung führen können wenn nicht ausreichend Speichermassen und Abschattungen
vorgesehen sind. Im Winter verliert der Raum durch Glasflächen viel Energie, sofern nicht die
entsprechenden hocheffizienten Fenster mit 3-fach Verglasung eingebaut werden.
Die US-amerikanische Gesellschaft ASHRAE - American Society of Heating, Refrigerating and
Air‐Conditioning Engineers – hat die Behaglichkeit wie folgt definiert:
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“Thermal comfort is that condition of mind which expresses satisfaction with the thermal
environment”. Frei übersetzt: “Im Zustand thermischer Behaglichkeit besteht Zufriedenheit
mit der thermischen Umgebung”
Thermische Behaglichkeit ist also dann gegeben, wenn der Mensch mit der Temperatur,
Feuchte und Luftbewegung in seiner Umgebung zufrieden ist und weder wärmere noch
kältere, weder trockenere noch feuchtere Raumluft wünscht.
Neben den Faktoren des Raumes und der Technik übt der der Mensch selbst durch seine
Tätigkeit und durch die Art seiner Bekleidung einen wesentlichen Einfluss auf das
Behaglichkeitsempfinden aus (Abb. 1).
Abbildung 1: Thermische Behaglichkeit und deren Einflussfaktoren
2.1 Faktoren des Raumes
Die wesentlichen Einflussfaktoren des Raumes sind dabei definiert über die (messbaren)
Grössen (Abb. 2)
Temperatur der Raumluft
Temperatur der Oberflächen
Verteilung der Lufttemperatur
Luftbewegung
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Abbildung 2: Einflussfaktoren des Raumes auf die thermische Behaglichkeit
2.1.1 Raumlufttemperatur
Grundsätzlich können zwei Arten der Lufttemperatur unterschieden werden. Zum einen
die Raumlufttemperatur und zum anderen die Raumtemperatur (nach ISO 7730 auch als
„operative Temperatur“ bezeichnet).
Definition
Die Raumlufttemperatur definiert die Lufttemperatur in der Mitte des Raumes in 1 m Höhe
über dem Boden, wenn die Strahlungstemperatur der umschliessenden Wände vernachlässigt
wird.
Hingegen die Raumtemperatur versteht sich als Mittelwert zwischen der Raumlufttemperatur
und der Strahlungstemperatur der umschliessenden Flächen (vgl. Abb. 2).
Für Komfortbetrachtungen in der Gebäudetechnik, also bei der Dimensionierung von
Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen wird im Normalfall mit der Raumlufttemperatur
gearbeitet (Abb. 3).
Die operative Raumtemperatur wird dagegen zusätzlich als Mass für den Strahlungskomfort
im Raum betrachtet.
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Abbildung 3: Empfohlene Raumlufttemperatur in Funktion der Aussentemperatur (Quelle: SIA 382/1)
2.1.2 Operative Raumtemperatur
Mit der (nicht messbaren) Rechengrösse „operative Raumtemperatur“ 𝜽𝒐𝒑wird versucht,
das Empfinden des Menschen anzunähern.
Definition
Als Mass für den Strahlungskomfort im Raum ist sie definiert als das arithmetische Mittel aus der Lufttemperatur und der mittleren Oberflächentemperatur der Raumumschliessungsflächen (Abb. 4).
Die operative Raumtemperatur wird auch als „Empfindungstemperatur“ bezeichnet. Sie ist
das arithmetische Mittel aus der Lufttemperatur 𝜃𝐿 und der mittleren Temperatur der
Umschliessungsflächen 𝜃𝑈.
Berechnet wird sie mit der Formel:
𝜃𝑜𝑝 =𝜃𝐿 + 𝜃𝑈
2[°𝐶]
Die mittlere Temperatur der Umschliessungsflächen berechnet sich als das flächenmässig
gewichtete Mittel der Oberflächen-Temperaturen 𝜃𝑈,𝑖 der Raumumschliessungsflächen 𝐴𝑖:
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𝜃𝑈 =∑ 𝜃𝑈,𝑖𝐴𝑖𝑖
∑ 𝐴𝑖𝑖
[°𝐶]
Abbildung 4: Operative Raumtemperatur als Mittelwert der Raumlufttemperatur und der Mitteltemperatur der Raumumschliessungsflächen
2.1.3 Luftfeuchte
Allgemein wird bei Luft zwischen relativer‐ und absoluter Feuchte unterschieden.
Die Begriffe der Luftfeuchte haben immer etwas mit dem in der Luft enthaltenen
Wasserdampf zu tun, der neben der Temperatur von entscheidender Bedeutung für unser
Wohlbefinden ist.
Wenn wir über unser Wohlbefinden in einem Raum bzw. dessen Luftfeuchte sprechen,
benutzen wir meisten die relative Feuchte (Angabe in % relativer Feuchte).
In einer Literaturstudie über trockene Luft (Von Hahn, o. J.) konnten keine medizinischen
Rückschlüsse auf den Zusammenhang zwischen Gesundheit und zu trockener Luft festgestellt
werden. Dennoch wird allgemein ein unterer Grenzwert von 30% relativer Luftfeuchte
vorgegeben, um trockene Augen und Schleimhautreizungen zu vermeiden. Zudem werden
Kunststoffe aller Art bei trockener Luft elektrisch aufgeladen, was die Staubbildung erleichtert
und das Entladen des menschlichen Körpers mindert. „Elektrische Schläge“ können häufiger
auftreten.
Entscheidender wird der Einfluss der Raumfeuchte bei hohen Raumtemperaturen. Luft
hat die physikalische Eigenschaft, dass sie bei hohen Temperaturen mehr Wasser
aufnehmen kann als bei tiefer. Bei hohen Raumtemperaturen mit hoher Luftfeuchte, nimmt
die Verdunstung auf der Körperoberfläche deutlich zu – man beginnt zu schwitzen.
Im Allgemeinen sollte sich die Luftfeuchte in einem Bereich von 30‐70% relativer Feuchte
befinden, der zulässige Bereich ist in Abb. 5 dargestellt.
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Abbildung 5: Zulässiger Bereich der relativen Luftfeuchtigkeit in Abhängigkeit von der Raumlufttemperatur (Recknagel, Sprenger, Schramek, 2011/12. Alle Rechte vorbehalten)
2.1.4 Luftbewegung
Die Geschwindigkeit der Luft in einem Raum hat erheblichen Einfluss auf unser
Wohlbefinden.
Während sich der Mensch im Freien kaum an Luftbewegungen stört, kann eine erhöhte
Luftgeschwindigkeit im Raum (Zugluft) schnell als störend empfunden werden. Dies trifft vor
allem zu, wenn die Lufttemperatur der Zugluft unter der Raumlufttemperatur liegt. Der
unzulässige Bereich der Raumluftgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der
Raumlufttemperatur ist in Abb. 6 dargestellt.
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Abbildung 6: Zulässiger Bereich der Raumluftgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Raumlufttemperatur (SIA 382/1)
Strahlungsasymmetrie
Der Wärmeabfluss unseres Körpers erfolgt durch Wärmeleitung, Wärmeübergang
(Konvektion) und Wärmestrahlung. Unser Temperaturempfinden hat deshalb nicht nur mit
der Raumlufttemperatur, sondern auch mit den inneren Oberflächentemperaturen des Raums
zu tun. Die empfundene Temperatur wird über die operative Temperatur beschrieben. Eine
Strahlungsasymmetrie (d.h. in verschiedenen Richtungen verschiedene
Oberflächentemperaturen) beeinflusst unser Wohlbefinden positiv oder negativ (Abb. 7).
Positiv: In einem Wohnraum mit Kachelofen fühlt man sich, trotz ausgeprägter
Strahlungsasymmetrie, ausgesprochen wohl. Es besteht die Möglichkeit, in eine als
behaglicher empfundene Zone auszuweichen. In Büros hingegen besteht keine
Fluchtmöglichkeit, es ist eine weitgehende Symmetrie zu fordern.
Negativ: Im Winter bewirkt die tiefe Oberflächentemperatur von Fenstern und
Aussenwänden nebst der kalten Strahlung auch eine kalte Luftströmung. In der Grenzschicht
an der Fensteroberfläche (oder an einer kalten Wand) entsteht eine nach unten gerichtete
Kaltluftströmung infolge freier Konvektion.
Die Strömung wird am Boden gegen das Rauminnere umgelenkt und kann nahe dem Fenster
zu unangenehmem Luftzug im Fussbereich führen.
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Abbildung 7: Anzahl der Unzufriedenen infolge Asymmetrie der Strahlungstemperatur, zulässiger Bereich grau hinterlegt (Quelle: SIA 180:2014)
2.1.5 Kaltluftabfall
In der Wechselwirkung Gebäudetechnik‐Architektur ist vor allem der Kaltluftabfall von
Bedeutung. Dabei werden in der Nähe von Fensterverglasungen unerwünschte
Luftbewegungen ausgelöst (Abb.8). In Räumen mit Eckverglasung wird das Problem noch
massiv verschärft, da sich die zwei abfallenden Luftströme vereinen.
Abbildung 8: Prinzip des Kaltluftabfalls in einem Raum
Bei Aussentemperaturen, die tiefer als die Raumtemperaturen sind, tritt auf Grund der
Temperaturdifferenz ein Wärmestrom vom Raum nach draussen auf. Dabei kühlt sich die
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Luft an der Grenzschicht zwischen Raumluft und Glas ab und beginnt zu sinken. Die dabei
entstehende Luftzirkulation wird als Kaltluftabfall bezeichnet (Abb. 9).
Abbildung 9: Strömungssimulation des Kaltluftabfalls in einem Raum
Je grösser der Wärmestrom durch ein Fenster ist, desto schneller kühlt sich die Grenzschicht
ab und desto schneller bewegt sich die Luftzirkulation zum Boden. In Wohnräumen kann ein
Kaltluftabfall schnell als störend empfunden werden, da der Mensch in Innenräumen viel
empfindlicher auf äussere Einflüsse reagiert als draussen.
Um einem Kaltluftabfall vorzubeugen muss der Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert)
der Höhe der Fensterverglasung angepasst werden. Die in Abb. 10 angegebenen
Maximalwerte für das Glas tragen diesem Umstand Rechnung und sind die Grenzwerte für die
Verglasungshöhen.
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Abbildung 10: Maximal zulässiger U-Wert einer Fensterverglasung. (Quelle: SIA 382/1:2007)
Häufig wird darüber hinaus der Fensterbereich mit einer zusätzlichen Wärmequelle wie z.B.
Bodenheizung oder Konvektor ausgerüstet. Dabei wird die Luft in der Nähe des Fensters
erwärmt und beginnt zu steigen. Es entsteht eine gegenläufige Luftzirkulation, die dem
Kaltluftabfall entgegenwirkt.
Die Möglichkeiten zur Minimierung der Strahlungsasymmetrie und von Kaltluftabfall
können in bauliche, betriebliche und gebäudetechnische Massnahmen unterteilt werden:
Bauliche Massnahmen
Der Glasanteil der Fassade soll mit Bedacht erfolgen: Je höher der Glasanteil,
desto höher der Planungsaufwand bzw. weniger fehlertolerant. Beidseitig
verglaste Eckräume sind besonders kritisch und nach Möglichkeit zu vermeiden.
Räume hinter verglasten Fassaden sollen tief sein. Je tiefer die Räume, desto
geringer die Auswirkungen der externen Wärmelasten.
Die Art und Lage des Sonnenschutzes ist zu beachten. Die beste Wirkung hat ein
automatisch betriebener, luftumströmter, beweglicher und windsicherer
Sonnenschutz. Zu beachten ist bei automatisiertem Sonnenschutz der
Stromverbrauch.
Ein Teil der Fenster soll individuell zu öffnen sein.
Die Gebäudemasse an der Decke, Boden und an den Wänden soll offen zum Raum
sein (Abhängungen vermeiden).
Betriebliche Massnahmen
Die Arbeitsplätze sollen nicht zu nah am Fenster platziert sein (ca. 2m Abstand).
Die internen Wärmelasten sollen tief sein (energieeffiziente Bürogeräte,
Helligkeits-Präsenzsteuerung beim Licht).
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Die Raumnutzer sollen die Möglichkeit haben, ihre Bekleidung der Jahreszeit
anzupassen.
Abgetrennte, separate Räume für Raucher.
Gebäudetechnische Massnahmen
Die mechanische Lüftungsanlage soll in Gebäuden ohne Zusatzkühlung in der
Sommernacht einige Stunden voll zur Raumkühlung betrieben werden
(Morgentemperatur beachten).
Im Sommer soll die Primärluft gekühlt werden bzw. der Raum sollte eine
zusätzliche Flächenkühlung haben. Stark verglaste Räume können kaum ohne
Kühlung behaglich benutzt werden. Eine Zusatzkühlung ist meist
energieeffizienter als die Nachtlüftung.
Die Kühlleistung (Luft und Bauteilkühlung) muss dem effektiven Bedarf angepasst
sein; keine unnötige Überdimensionierung.
2.2 Faktoren des Menschen
2.2.1 Kleidung
Wie jeder aus eigener Erfahrung kennt, wird die Behaglichkeit durch Kleidung erheblich
beeinflusst. Man kann sich in einem Raum, der zu kalt empfunden wird, schnell mit besserer
Bekleidung abhelfen. Da sich die Kleidung nicht physikalisch ermitteln lässt, wurde von Gagge
et al., 1941, der Clo‐Wert eingeführt (Clothing-Value, 1 clo 0,155 m2*K/W, Tab. 2).
Tabelle 2: Dämmwert von Kleidung (Quelle: Recknagel, Sprenger, Schramek, 2011/12, Alle Rechte vorbehalten)
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2.2.2 Körperliche Aktivität
Neben der Bekleidung haben auch unsere Bewegungsabläufe, also die körperliche Aktivität,
einen Einfluss auf unser Wohlbefinden und damit auf die bevorzugte Raumtemperatur. Je
mehr sich ein Mensch bewegt, desto grösser ist seine körperliche Wärmeabgabe. Wie bei der
Bekleidung der Clo-Wert wurde für die Aktivität eine Grösse eingeführt; der Met‐Wert
(Metabolic Rate, Tab.3). 1 met entspricht dabei einer Wärmeabgabe von 58 W pro
Quadratmeter Körperoberfläche.
Energieumsätze nach DIN EN ISO 7730: 2003
Körperliche Tätigkeit Energieumsatz
W/m2 met W*
Angelehnt 46 0,8 83
Sitzend, entspannt 58 1,0 104
Sitzende Tätigkeit 70 1,2 126
Stehende, leichte Tätigkeit (leichte Arbeiten)
93 1,6 167
Stehende, mittelschwere Tätigkeit (Verkauf, Maschinenbedienung, Hausarbeit)
116 2,0 209
Gehen auf der Ebene 2 km/h 3 km/h 4 km/h 5 km/h
110 140 165 200
1,9 2,4 2,8 3,4
198 252 297 360
*Es ist eine wärmeabgebende Oberfläche des Menschen von 1,8 m2 zugrunde gelegt.
Tabelle 3: Gesamtwärmeabgabe des Menschen in Abhängigkeit von der Tätigkeit
2.3 Bewertung der thermischen Behaglichkeit
Damit das Wohlbefinden von Personen in Innenräumen ungefähr vorausgesagt werden kann,
hat der dänische Ingenieur Ole Fanger, 1972, (vgl. ISO 7730 und (Recknagel, Sprenger,
Schramek, 2011/12) ein Verfahren entwickelt, mit dem das Wohlbefinden von Personen in
Innenräumen mehrheitlich vorausgesagt werden kann.
Dazu wurden die „Komfort-Werte“ PMV und PPD eingeführt.
Die Abkürzung PMV steht für Predicted Mean Vote (= erwartete durchschnittliche
Empfindung) und ist ein Wert, der den Grad der Behaglichkeit oder Unbehaglichkeit
beschreibt (siehe Abb. 12).
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Was gibt der PMV-Index wieder?
Der PMV-Index gibt die mittlere subjektive Beurteilung einer grösseren Personengruppe
wieder, die in gleicher Kleidung bei gleicher Aktivität in derselben Umgebung zur ihrem
Behaglichkeitsempfinden befragt wurde.
Die Bewertungsskala des PMV-Wertes reicht von:
kalt kühl etwas kühl neutral etwas warm warm heiß
PMV -3 -2 -1 0 +1 +2 +3
Zu den Einflussgrössen dieses Empfindens gehören dabei:
- Aktivitätsgrad
- Wärmeleitwiderstand der Kleidung
- Raumlufttemperatur
- Mittlere Strahlungstemperatur der Raumumschliessungsflächen
- Luftgeschwindigkeit
- Luftfeuchte
Inzwischen lässt sich der PMV-Index auch mit Geräten messen und mit modernen Computer-
Anwendungen berechnen. Er ist dimensionslos zwischen -3 und +3 und steht in direktem
Bezug zum PPD-Index (= Predicted Percentage of Dissatisfied = erwartete
durchschnittliche Unzufriedenheitsrate, Abb. 13).
Abbildung 11: PPD-Index in Abhängigkeit von der PMV-Bewertung
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Die Zuordnung der beiden Werte zeigt, dass selbst bei optimalen Verhältnissen immer ein
gewisser Grad an unzufriedenen Personen erhalten bleibt. Sehr gute thermische
Verhältnisse in einem Raum liegen vor, wenn nicht mehr als 10 % der Raumnutzer
unzufrieden sind. 5% der Nutzer sind immer unzufrieden.
In der Gebäudeplanung wird die Bestimmung des PMV-Index zur Auslegung von Klima- und
Lüftungsanlagen oder bei der Planung von Bereichen mit sehr hohen
Behaglichkeitsanforderungen verwendet.
Die optimale operative Temperatur kann grafisch unter Einbezug der Met- und Clo-Werte
ermittelt werden.
3. Quellen
Hausladen, G.: Clima Design. Lösungen für Gebäude, die mit weniger Technik mehr können.
Callwey, München (2005)
Rieder, U., Felder, P.: Skript „Das Gebäude als System – Kontext Gebäudetechnik und
Architektur“ Luzern; 2011
Bauer, Mösle, Schwarz, Green Building, Guidebook for Sustainable Architecture, 2010
Von Hahn, “Trockene Luft” und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit – Ergebnisse einer
Literaturstudie
Recknagel, Sprenger, Schramek: Taschenbuch für Heizung + Klimatechnik, 2011/2012
Impressum
Herausgeber:
e-genius - Initiative offene Bildung in Technik und Naturwissenschaften
Postfach 16 1082 Wien Österreich
Leitung: Dr. Katharina Zwiauer E-Mail: katharina.zwiauer(at)e-genius.at
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Autor: Prof. Dr. Axel Seerig (Hochschule Luzern, Technik & Architektur, Institut für Gebäudetechnik und Energie IGE) https://www.hslu.ch/de-ch/
Dezember 2017
Bearbeitung finanziert durch:
Nutzungsbedingungen:
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