Grundlagen der Mathematischen Modellierung Skript zur Vorlesung f¨ ur Studierende der Masterstudieng¨ ange Marine Umweltwissenschaften und Umweltmodellierung an der Carl von Ossietzky Universit¨ at Oldenburg im Wintersemester 2009/2010 Cora Kohlmeier 25. Januar 2010
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Grundlagen
der Mathematischen Modellierung
Skript zur Vorlesung fur Studierende der Masterstudiengange
Marine Umweltwissenschaften und Umweltmodellierung
an der Carl von Ossietzky Universitat Oldenburg
im Wintersemester 2009/2010
Cora Kohlmeier
25. Januar 2010
GMM WS2009/2010
Inhaltsverzeichnis
1 Einfuhrung 1
1.1 Was ist Modellbildung – mathematische Modellierung . . . . . . 1
1.2 Was ist ein Modell ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Um das Minimum zu bestimmen, werden die partiellen Ableitungen von Q
nach m und b bestimmt und gleich null gesetzt:
7
2.2. Lineare Regression GMM WS2009/2010
∂Q(m, b)
∂m= 2
n∑
i=1
(yi − (m · ti + b)) · (−ti) =: 0
∂Q(m, b)
∂b= 2
n∑
i=1
(yi − (m · ti + b)) · (−1) =: 0
Man erhalt also zwei Gleichungen mit den zwei Unbekannten m und b. Formal
muss man naturlich zeigen, dass es sich tatsachlich um ein Minimum handelt!
Satz 2.2.1 Methode der keinsten Quadrate (lineare Regression)
Es seien n Messwerte yi, i = 1 · · ·n zu den Zeitpunkten ti, i = 1 · · ·n gegeben.
Die Summe der Abstandsquadrate der Messwerte von der Geraden
y(t) = m · t + b wird durch
m =
n ·n∑
i=1
ti · yi − T · Y
n ·n∑
i=1
t2i − T · Tb =
1
n(Y − mT )
minimiert, wobei
T :=
n∑
i=1
ti = t1 + · · ·+ tn Y :=
n∑
i=1
yi = y1 + · · ·+ yn
gilt.
Mit Hilfe der Großen Mittelwert, Varianz und Kovarianz erhalt man
m =Cov(t, y)
V (t)b = y − mt
mit
t =1
n
n∑
i=1
ti y =1
n
n∑
i=1
yi V (t) =1
n
n∑
i=1
(ti − t)2 Cov(t, y) =1
n
n∑
i=1
(ti − t) · (yi − y)
Im Beispiel erhalt man die Gerade
y = 4.44 · t − 92.43
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GMM WS2009/2010 Kapitel 2 – Empirische Modelle
Das so bestimmte Wachstum betragt also 4.44 cm/Tag. In Abbildung 2.5 sieht
man, dass die Gerade zwar keinen der Messpunkte genau trifft, aber trotzdem
besser ist als die Gerade in Abbildung 2.4. Dies liegt daran, dass Ausreisser
weniger stark einfliessen.
0 20 40 60 80 100Zeit in Tagen
0
50
100
150
200
250
300
Höh
e in
cm
Abbildung 2.5: Wachstum einer Stangenbohne. Dargestellt sind die Messwerte,fur die ein lineares Wachstum angenommen wird, und die Ausgleichgerade, diesich nach der Methode der kleinsten Quadrate ergibt.
Das Verfahren der linearen Regression ist in vielen wissenschaftlichen Taschen-
rechnern und Tabellenkalulationsprogrammen implementiert. Diese geben mei-
stens zusatzlich zu den Parametern das sogenannte Bestimmtheitsmaß r2 an.
Hierbei ist r durch
r =Cov(t, y)
√
V (t) · V (y)
gegeben. Das Bestimmtheitsmaß r2 gibt den Anteil der durch die unabhangige
Große t erklarten Varianz an der Gesamtvarianz von y an. Liegen die Werte
exakt auf einer Geraden, so ist r2 = 1.
2.3 Logarithmischer Zusammenhang am Beispiel der Karzinogenese
Haufig folgen naturliche Prozesse keinem linearen Zusammenhang. Am folgen-
den Beispiel soll gezeigt werden, wie die Methode der linearen Regression auf
Prozesse angewendet werden kann, die einem logarithmischen Zusammenhang
folgen.
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2.3. Logarithmischer Zusammenhang am Beispiel der Karzinogenese GMM WS2009/2010
Beispiel: Karzinogenese bei Ratten.
Durch Gabe von Diethylnitrosamin, kann bei Ratten Krebs ausgelost werden.
Je hoher die tagliche Dosis ist, desto schneller entwickeln die Ratten einen Tu-
mor. Die Zeit von der Diethylnitrosamingabe bis zur Ausbildung des Tumors
heisst Latenzzeit. Es besteht folgender Zusammenhang
Auf den ersten Blick kann man nicht entscheiden, welcher Zusammenhang
besteht (Abbildung 2.6).
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11Dosis in mg/kg/Tag
0
200
400
600
800
1000
Late
nzze
it in
Tag
en
Abbildung 2.6: Karzinogenese bei Ratten. Aufgetragen sind die Dosis an Die-thylnitrosamin und die zugehorige Zeit bis zur Ausbildung eines Tumors (La-tenzzeit)
Tragt man die Datenpunkte doppelt logarithmisch auf so erkennt man den
Zusammenhang (Abbildung 2.7). Doppelt logarithmisch bedeutet, dass sowohl
die x- als auch die y-Achse logarithmisch sind. Hierbei ist es unerheblich, ob
man die Achsenskalierungen logarithmisch wahlt oder die Werte in der Tabelle
logarithmiert und die Achsen linear skaliert (siehe Achsen in Abbildung 2.7).
Es scheint ein linearer Zusammenhang zwischen dem Logarithmus der Dosis
und dem Logarithmus der Latenzzeit zu bestehen:
log(Latenzzeit) = m · log(Dosis) + b
Die Parameter m und b kann man nun mit der Methode der kleinsten Quadrate
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GMM WS2009/2010 Kapitel 2 – Empirische Modelle
0,01 0,1 1 10Dosis in mg/kg/Tag
1
10
100
1000
Late
nzze
it in
Tag
en
-2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1log(Dosis)
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
log(
Late
nzze
it)
Abbildung 2.7: Karzinogenese bei Ratten. Aufgetragen sind die Dosis an Die-thylnitrosamin und die zugehorige Zeit bis zur Ausbildung eines Tumors (La-tenzzeit) in doppelt logarithmischer Darstellung
bestimmen. Hierzu macht man sich zuerst die Wertetabelle der logarithmierten
Werte. Man beachte, dass diese Werte keine Einheit haben!!:
Dieser funktionale Zusammenhang ist in Abbildung 2.8 dargestellt. Man hat
nun eine Funktion, mit der man zu einer gegebenen Dosis die Latenzzeit be-
stimmen kann. In der Praxis wird die tatsachliche Latenzzeit davon abweichen
(Ratten sind keine Computer). Auch weiss man nicht, welchen Gultigkeitsbe-
reich das Gesetz hat (bei sehr hohen Dosen werden die Ratten vermutlich viel
schneller Tumore entwickeln, bei sehr niedrigen eventuell gar keine).
2.4 Verallgemeinerung der linearen Regression ersten Grades
Weiss man, dass der Zusammenhang zwischen abhangiger und unabhangiger
Variablen einem anderen Gesetz folgt, so kann man auch hierauf optimieren.
Viel Softwarepakete und Taschenrechner haben hierzu eine Reihe von Funk-
tionen implementiert:
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2.4. Verallgemeinerung der linearen Regression ersten Grades GMM WS2009/2010
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11Dosis in mg/kg/Tag
0
200
400
600
800
1000
Late
nzze
it in
Tag
en
Abbildung 2.8: Karzinogenese bei Ratten. Aufgetragen sind die Dosis an Die-thylnitrosamin und die zugehorige Zeit bis zur Ausbildung eines Tumors (La-tenzzeit) sowie der funktionale Zusammenhang, der sich nach der Methode derkleinsten Quadrate ergibt.
f(x) = a1x + a0 linear
f(x) = a2x2 + a1x + a0 quadratisch
f(x) = a3x3 + a2x
2 + a1x + a0 kubisch
... ...
Bei der Optimierung mit Hilfe der angegebenen Funktionen handelt es sich
auch um lineare Regressionen, da die Parameter ai nicht in hoherer Potenz
vorkommen. Allgemein handelt es sich um eine lineare Uberlagerung von ein-
fachen Funktionen:
f(x) =
J∑
j=1
aj · hj(x) ,
wobei hier hj(x) = xj gilt.
Die Losung eines Optimierungsproblems lauft analog wie im Falle der Geraden.
Man leitet die Funktion der Summe der Abstandquadrate nach den Parametern
ab, setzt diese gleich null und erhalt J Gleichungen mit J Unbekannten.
2.4.1 Fourieranalyse
Nun ist es nicht zwingend, dass die Funktionen hj Potenzen von x sind. Hat
man Messwerte, von denen man weiss, dass sie einer Periodizitat unterliegen,
wie z.B. der Temperaturverlauf eines Jahres, so kann man auch periodische
Funktionen als Basis wahlen. Das bekannteste Beispiel hierfur ist die Fourier-
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GMM WS2009/2010 Kapitel 3 – Diskrete Modelle
Analyse. Man wahlt als Funktion eine Uberlagerung aus Sinus- und Kosinus-
wobei T die Periodenlange ist. Sind die Stutzwerte ti der Messwerte yi, i =
1, . . . , N aquidistant uber die Periode T verteilt, so ergibt sich fur die optimalen
Parameter
a∗0 =
1
N
N∑
i=1
yi a∗k =
2
N
N∑
i=1
yi · cos(2πktiT
) b∗k =2
N
N∑
i=1
yi · sin(2πktiT
)
3 Diskrete Modelle
Im vorherigen Kapitel haben wir ausgehend von Messwerten einen funktiona-
len Zusammenhang hergestellt. Manchmal hat man aber das Problem, dass es
keine Messungen gibt. In diesem Fall fragt man die Experten z.B. Biologen
oder Physiker wie sich das System, das man durch ein Modell beschreiben
mochte, verhalt1.Modelle, die auf den dem System zu Grunde liegenden Pro-
zesse basieren, nennt man auch prozessorientierte Modelle.
3.1 Bakterienwachstum
Aus der Mikrobiologie sei bekannt, dass sich Bakterien einer bestimmten Art
ca. alle 20 Minuten teilen. Wir nehmen vereinfachend an, dass sich dabei auch
die Bakterienbiomasse alle 20 Minuten verdoppelt. Ein Bakterium hat in etwa
einen Durchmesser von 0.5 µm.
Zielfrage: Wieviele Bakterien entstehen aus einer vorgegebenen Anzahl in ei-
ner vorgegebenen Zeit?
1Das Wissen der Experten basiert dabei im allgemeinen naturlich auch auf Messungen undderen Interpretation. Die Messdaten sind aber vielleicht im Laufe der Zeit verloren gegangen.
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3.1. Bakterienwachstum GMM WS2009/2010
Anhand der uns zur Verfugung stehenden Information stellen wir folgendes
7. Modellverbesserung: Iteration der vorangegangenen Schritte
8. Anwendungen des Modells, Dokumentation der Ergebnisse und Erkennt-
nisse
1. Eine verbale Beschreibung des Modells ist dann unerlasslich, wenn man
nicht allein am Modell arbeitet, oder wenn der Modellierer einen Auftrag-
geber hat. Man arbeitet sonst aneinander vorbei. Aber auch sonst deckt
der Versuch, das aufzuschreiben, was man im Kopf zu haben glaubt,
erst die Lucken der Vorstellungen auf. Man schafft durch die verbale
Beschreibung eine hilfreiche Vorstufe des mathematischen Modells: ein
konzeptionelles Modell. Insbesondere ist es wichtig, die Ziele und die Fra-
gen, die mit dem Modell beantwortet werden sollen, gut zu formulieren.
Man modelliert ja nicht einfach”ein System“, sondern modelliert es fur
einen Zweck, und der bestimmt die Art des Modells.
2. Die Zustandsvariablen (auch Systemvariablen) sind die Komponenten
eines Zustandsvektors. Sie werden durch die Fragestellung bestimmt,
hangen also vom Zweck des Modells ab. Die Auswahl kann sich spater im
Modellierungsprozess noch andern (Schritt”Modellverbesserung“), aber
man muss mit einer Entscheidung fur einen Satz von Zustandsvariablen
beginnen, um die nachsten Schritte ausfuhren zu konnen. Bei einem dy-
namischen System andert sich der Zustand mit der Zeit. Deshalb mussen
als nachstes die Prozesse aufgelistet werden, die die Zustandsvariablen
andern. Beide (Zustandsvariable und Prozesse) werden nun verbunden,
indem die Modellgleichungen in einer wenig spezifizierten Form aufge-
stellt werden. Das Ergebnis nennen wir”top level“-Gleichungen, da sie
die Ubersicht uber das gesamte Modell enthalten und noch alle Einzel-
heiten offen lassen. Zum Beispiel konnte man schreiben:
Anderung der Bevolkerungszahl = Geburten - Todesfalle + Zuwanderung
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GMM WS2009/2010 Kapitel 4 – Aufstellen eines Modells
Die Bevolkerungszahl ist die Zustandsvariable, Geburten, Todesfalle und
Wanderungsbewegungen sind die Prozesse, die sie andern.
3. Bei einem”System“ muss man immer klar trennen, was dazu gehort und
was als extern anzusehen ist. Die Umgebung beeinflusst die Entwicklung
des Modellsystems, aber – und das ist eine Folge der (kunstlichen) Mo-
dellabgrenzung – das Modellsystem kann das”Externe“ nicht andern,
auch wenn es”in Wirklichkeit“ eine Ruckwirkung uber die Systemgren-
zen hinaus gibt. Soll diese modelliert werden, sind die Systemgrenzen
weiter zu fassen. Die externen Bedingungen, die fur den Fortgang der
internen Entwicklung wesentlich sind, werden”Antriebskrafte“ genannt
(”driving forces“). Bei Okosystemen sind die wichtigsten Antriebskrafte
Licht, Temperatur und Niederschlag. Sie andern sich mit der Jahreszeit
und der Tageszeit. Aber auch andere”Randbedingungen“ gehoren zu den
Antriebskraften. Das sind z.B. Konzentrationen von Stoffen außerhalb
der raumlichen Systemgrenzen, wenn sie diese durch Transportprozesse
uberschreiten und dadurch im System die Zustandsvariablen andern.
4. Die”top-level“-Gleichungen mussen durch jede Menge Einzelbetrachtun-
gen prazisiert werden, und zwar so weit, dass man sie auf dem Rech-
ner programmieren kann. Es mussen Formeln fur die Prozesse gefunden
oder erfunden werden (”lower level“). Dazu ist notig, dass man sich klar
macht, wovon die Prozessraten abhangen, und wie die Einflussfaktoren
zu gestalten sind. Dabei werden Parameter in den neu entwickelten Glei-
chungen auftauchen, von denen einige noch unbekannte Werte haben.
5. Den Parametern, die in den spezifizierten Gleichungen von Schritt (4)
enthalten sind, mussen Werte zugeordnet werden. Viele Werte kann man
aus der Literatur, aus Lehrbuchern oder durch Expertenbefragung gewin-
nen. Allerdings muss der Modellierer meistens die Werte einiger Parame-
ter schatzen, da sie nicht bekannt sind. Diesen Prozess, das”Erraten“
von Parameterwerten, nennt man”educated guessing“. Es handelt sich
nicht um ein blindes Herumraten, sondern um den Einsatz des gesam-
ten Systemverstandnisses, das sich der Modellierer auf den bisherigen
Schritten und durch Literaturstudium erworben hat. Regelmaßig ist ein
Teil der Parameter in den Modellgleichungen erst durch Aufstellung der
Gleichungen definiert worden, also durch die Einsicht des Modellierers in
das Problem. Fur diese Parameter konnen gar keine Werte vorher durch
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Kapitel 4 – Aufstellen eines Modells GMM WS2009/2010
Messungen bestimmt worden sein! Durch die Modellierung liegt nun eine
theoretische Vorstellung des Systems vor, die es erlaubt, Experimente zu
ersinnen, mit denen diese neuen Parameter gemessen werden konnten.
Zunachst aber muss man diese Werte schatzen.
6. Die Programmierung des Modells ist eine ganz andere Kunst, andere
Fertigkeiten sind gefordert, die man im Prinzip auch zu anderen Zei-
ten (vorher) lernen kann. Die Durchfuhrung von Simulationslaufen und
der Vergleich mit Beobachtungsergebnissen oder experimentellen Resul-
taten erfordert dann wieder den Modellierer im Wissenschaftler. Man
kann davon ausgehen, dass die Modellresultate der ersten Versuche nicht
das gewunschte Bild zeigen. Nun kommt es darauf an, herauszufinden,
woran das liegt. Ist es ein Programmierfehler, ein Fehler in den Parame-
terabschatzungen oder ein Denkfehler beim Aufstellen der Modellglei-
chungen? Wenn es sich um Programmierfehler handelt, so erfordert es
Geduld, Ubersicht und detektivische Kleinarbeit, sie in einem langeren
Code aufzuspuren. Fehlersuche ist anspruchsvoll und wird durch Erfah-
rung erleichtert.
7. Spatestens an dieser Stelle erweist sich der Modellierungsprozess als Ite-
rationsschleife. Man muss wieder und wieder die Modellgleichungen in
Frage stellen (nicht nur den Code oder die Parameterwerte). Man muss
sogar die Ziele des Modells hinterfragen. Der Vergleich zwischen Simu-
lation und Messdaten erzeugt Einsicht in das Problem, auch und gerade
dann, wenn die Ubereinstimmung schlecht ist.
8. Wenn das Modell vertrauenswurdig”lauft“, kann man es in verschie-
denen Anwendungen nutzen, um weitere Einsichten in das System zu
erhalten. Durch Sensitivitatsanalysen sind die Parameter und Modelltei-
le zu identifizieren, die das Simulationsergebnis empfindlich beeinflussen.
Man kann Szenarien aller Art berechnen, und insbesondere das Modell
unter Bedingungen laufen lassen, die man dem realen System nicht zu-
muten mag. Die Dokumentation des Modells und die Publikation der
Ergebnisse sind unabdingbar.
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GMM WS2009/2010 Kapitel 4 – Aufstellen eines Modells
4.1 Verbale Beschreibung, Ziele
Die Wasserstandsanderungen eines Sees sollen modelliert werden. Es handelt
sich nicht um einen realen See, sondern um einen erdachten See. Wir sind seine
”Schopfer“ und wollen ihn nicht zu langweilig gestalten. Die Einleitungsaufga-
be enthalt eine sehr knappe Beschreibung des Sees und einige Zahlenangaben
(Tiefe, Flache, Zufluss, Verdunstungsanteil). Er soll einen mit der Jahreszeit
stark wechselnden Wasserstand haben. Der Zufluss ist in der kalteren regen-
reichen Zeit hoch, insbesondere gibt es ein Hochwasser (z.B. nach der Schnee-
schmelze). Im Sommer kann eine Periode ohne Zufluss existieren, und in der
Sommerhitze werden die großten Wasserverluste durch Verdunstung hervorge-
rufen. Der Seespiegel sinkt dann so stark, dass der Abfluss versiegt. Im Ex-
tremfall konnte der See auch austrocknen. Der uber das Jahr integrierte Zufluss
soll etwa zweimal das mittlere Seevolumen betragen, davon verdunstet etwa die
Halfte. Das Modell dient zu Lehrzwecken, deshalb wird ein sogenanntes”kli-
matologisches Jahr“ zugrunde gelegt, also mittlere Verhaltnisse im Zeitraum
der letzten 30 Jahre (mindestens). Dieses klimatologische Jahr wiederholt sich
im Modell immer wieder, und die Losung wird entsprechend periodische jahres-
zeitliche Schwankungen aufzeigen. Die Freiheit eines”erdachten“ Sees ist nicht
nur angenehm, sie erzwingt auch, uber Große, Querschnitt und alles andere
erfinderisch nachzudenken.
Das Wasserstandsmodell konnten wir als erste Stufe einer See-Modellierung an-
sehen. In einer Modellerweiterung wurde ein Betrieb am Ufer einen Schadstoff
uber Abwasser einleiten. Dann interessiert die Zeitentwicklung der Schadstoff-
konzentration im See. Offenbar sind die Zeiten mit niedrigem Wasserstand und
ohne Abfluss besonders kritisch. Man konnte das erweiterte Modell benutzen,
um herauszufinden, wie die Schadstoffeinleitung zu steuern und zu begrenzen
ware, wenn ein vorgegebener Grenzwert im See nicht uberschritten werden
darf.
In weiteren Fortsetzungen konnten dann die Auswirkung des Schadstoffes (oder
einer Eutrophierung) auf das Okosystem des Sees modelliert werden.
4.2 Zustandsvariable, Prozesse
Dynamische Systeme haben einen zeitabhangigen”Zustand“. Der Zustands-
raum ist die Menge aller moglichen Zustande, die das Modellsystem im Prin-
zip annehmen kann. Der aktuelle Zustand des Systems zu einem ausgewahlten
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4.2. Zustandsvariable, Prozesse GMM WS2009/2010
Zeitpunkt t ist ein Punkt im Zustandsraum. Mit Ablauf der Zeit t verschiebt
er sich darin. Das Entwicklungsgesetz gibt die Regeln an, nach denen diese
Verschiebung erfolgt.
Wenn die Zustandsvariablen definiert sind, werden die Modellgleichungen auf-
gestellt, die es ermoglichen, ihre Zeitentwicklung zu berechnen. Im Falle des
oben beschriebenen Sees bietet sich auf den ersten Blick als einzige Zustandsva-
riable der Wasserstand an. Spater kann als zweite Zustandsvariable die Schad-
stoffkonzentration hinzukommen. Als”Wasserstand“ H bezeichnen wir einen
Pegel, der sich nur durch eine Nullpunktverschiebung von der aktuellen Tiefe
des Sees unterscheidet.
Zustandsvariable: Wasserstand H
Der Name H fur die Zustandsvariable ist willkurlich (H wie Hohe des Was-
serstandes). T fur Tiefe geht nicht, weil T fur Temperatur benutzt werden
soll, und P fur Pegel kollidiert mit dem in aquatischen Okosystemmodellen
ublichen P fur Phytoplankton. Derartige Entscheidungen haben oft langanhal-
tende Auswirkungen. Modellierer halten sich moglichst an die Bezeichnungen,
die ihre Vordenker eingefuhrt haben. Sie erhohen damit die Akzeptanz ihrer
Arbeit.
Mit dem Wasserstand verknupft sind Seeoberflache F und Wasservolumen V,
die beide fur die Modellierung gebraucht werden:
Oberflache: F (H) Volumen: V (H) =H∫
−L
F (h) dh
Der Pegelstand, bei dem der See leer ist, wird hier mit -L (leer) bezeichnet,
er tritt als untere Integrationsgrenze auf und ist negativ, wenn der Pegel-
Nullpunkt daruber liegt. Wird die Seeoberflache F (H) als Funktion des Was-
serstandes H vorgegeben, so ist alles bekannt, was das Modell uber die Geo-
metrie des Sees wissen muss. Die horizontale Form spielt keine Rolle, aber der
vertikale Querschnitt, das Tiefenprofil. Als einfaches Beispiel kann man sich
einen See mit einem parabelformigen vertikalen Querschnitt vorstellen (4.1),
dann ist die Flache proportional zur Tiefe, und die Tiefe ist H + L.
F (H) = FNH + L
HN + L(4.1)
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GMM WS2009/2010 Kapitel 4 – Aufstellen eines Modells
In diesem Kapitel soll der Zusammenhang 4.1 gelten. Dabei ist HN ein Referenz-
Wasserstand (etwa der mittlere Wasserstand) und FN die zugehorige Flache.
Die Prozesse sind die Vorgange, die die Zustandsvariablen andern. Der Was-
serstand H wird durch Zufluss, Abfluss und Verdunstung geandert:
Prozesse: Zufluss zu
Abfluss ab
Verdunstung vd
Alle drei Großen haben die Dimension Volumen pro Zeiteinheit, also z.B. die
Einheit m3d−1 (Kubikmeter pro Tag). Es ist von allergroßter Bedeutung, sich
beim Modellieren immer uber Dimension und Einheiten aller auftretender
Großen im Klaren zu sein und bei jedem Term, bei jeder Gleichung sofort
die Einheiten auf Konsistenz zu uberprufen! Das ist ein wichtiges Hilfsmittel,
um Fehler beim Aufstellen der Gleichungen fruhzeitig aufzuspuren.
Die Modellgleichungen (top-level) verbinden die Zustandsvariablen mit den
Prozessen in Form von”dynamischen“ Gleichungen, das sind Gleichungen,
die die Anderungen der Zustandsvariablen beschreiben. In der Regel sind das
Differentialgleichungen oder Differenzengleichungen. Die Prozesse andern den
Wasserstand, indem sie das Volumen andern:
Volumenanderung = Zufluss - Abfluss - Verdunstung
Hier soll die Zeit in festen Tagesschritten ∆t fortschreiten. Statt mit der Ande-
rungsgeschwindigkeit V = dV/dt rechnen wir mit der Naherung”Volumenande-
rung pro Tag“
∆V = (zu − ab − vd) · ∆t (4.2)
Die Multiplikation mit ∆t auf der rechten Seite ist aus zwei Grunden bemer-
kenswert: Zum einen werden die Prozesse mit Dimension Volumen pro Zeit
durch die Multiplikation mit einer Zeit in Volumen verwandelt, wie es die linke
Seite erfordert. Zum anderen erkennt man eine”Linearitat“: Die Volumenande-
rung ist proportional zur Lange des Zeitschrittes. Genau hierin besteht der
Approximationscharakter der Differenzengleichung, denn offensichtlich ist die-
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4.2. Zustandsvariable, Prozesse GMM WS2009/2010
se Linearitat nur fur kleine Zeitschritte ∆t akzeptabel, namlich solange sich
zu, ab und vd in ∆t nur unwesentlich andern.
In Abbildung 4.1 ist die dynamische Gleichung in Form eines Diagramms dar-
gestellt.
Abbildung 4.1: Schematische Darstellung des Modellsystems. Die Pfeile stellenhier materielle Flusse dar (Wassermengen pro Zeit).
Sprachlich unscharf und sogar falsch ware die Ausdrucksweise:”Das Volumen
hangt von Zufluss, Abfluss und Verdunstung ab“. Richtig ist aber:”Das Volu-
men wird durch Zufluss, Abfluss und Verdunstung geandert“. Das Volumen V
ist keinesfalls eine”Funktion“ von zu, ab und vd! Dann musste sich namlich
aus den augenblicklichen Werten von zu, ab und vd auf das augenblickliche
Volumen schließen lassen, was nicht der Fall ist. Man sieht es schon daran,
dass das Volumen unterschiedlich sein kann, wenn z.B. alle drei Flusse ver-
schwinden. Nicht V selbst sondern die Zeitableitung von V ist eine”Funktion“
der Prozesse!
Als Zustandsvariable hatten wir eigentlich den Wasserstand H und nicht das
Volumen gewahlt! Der Integral-Zusammenhang zwischen V und H uber die
Oberflache F hat die differentielle Form V = F · H. Damit lasst sich (??a)
entsprechend umschreiben:
H =1
F (H)(zu − ab − vd) (4.3a)
Die Dimensionsprufung dieser Gleichung befriedigt, denn (Volumen/Zeit)/Flache
ergibt Lange/Zeit, also z.B. m d−1 fur die Wasserstandsanderung H. Mit dem
festen, endlichen Zeitschritt ∆t erhalt man die Differenzengleichung (4.3b) als
gesuchte Modellgleichung. Sie ist”top-level“, alle notigen Prazisierungen der
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GMM WS2009/2010 Kapitel 4 – Aufstellen eines Modells
Prozessbeschreibungen fehlen noch.
∆H =1
F (H)(zu − ab − vd) · ∆t (4.3b)
Abbildung 4.2: Im Zeitintervall ∆t, z.B. einen Tag, andert sich das Volumenum ∆V = (zu − ab − vd) · ∆t. Bei gegebener Oberflache F des Sees sind Vo-lumenanderung und Wasserstandsanderung durch ∆V = F · ∆H verknupft.Damit ergibt sich (4.3b).“
4.3 Randbedingungen, Antriebe
Als”Antriebe“ werden alle Variablen bezeichnet, die das System von
”außen“
beeinflussen. Im Falle des Sees sind das die Niederschlage, die den Zufluss be-
stimmen, und die Temperatur, die die Verdunstung reguliert. Beide andern sich
mit der Jahreszeit. Der Abfluss hangt im Gegensatz zum Zufluss vom System-
zustand (Wasserstand) ab, und die Verdunstung ist neben der Temperatur-
Empfindlichkeit proportional zur Oberflache. In Wirklichkeit wirkt ein großer
See durch Verdunstung auf das Regionalklima und somit auf Wolken, Nieder-
schlag, Zufluss, Luftfeuchtigkeit und Verdunstung zuruck. Durch Festlegung
der Systemgrenzen wird diese Ruckwirkung im Modell aber gerade ausgeschlos-
sen (unterdruckt).
Zufluss: Statt des Niederschlages geben wir den Zufluss selbst als Antrieb vor.
Das vereinfacht die Sache erheblich. Wir ersparen uns, uber die Verzogerung
zwischen Niederschlag und Zufluss nachzudenken. Da sich der Niederschlag und
entsprechend verzogert der Zufluss von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr stark
andern, findet man in der Fachliteratur als Angaben fur die Wasserfuhrung
von Flussen oft Monatsmittel uber mehrere Jahre (klimatologische Mittel).
Sie glatten diese Variabilitat. Auch hier soll so vorgegangen werden. Fur einen
realen See erhalten wir die Angaben aus dem Internet oder durch Anfrage bei
einem Amt fur Hydrologie. Wir dagegen mussen uns fur den hypothetischen See
39
4.3. Randbedingungen, Antriebe GMM WS2009/2010
die 12 Monatsmittel MM(m), m = 1 . . . 12 ausdenken. Dabei ist es sinnvoll,
den absoluten Wert von den relativen Monatsmitteln relMM(m) zu trennen:
MM(m) = relMM(m) · vzu , wobei
12∑
m=1
relMM(m) = 12 (4.4)
Das Jahresmittel vzu des Zuflusses ist in der Aufgabenstellung gegeben:
vzu =2VN
360 d(4.5)
wobei VN = V (HN) das Volumen beim Referenz-Wasserstand HN ist und mit
12 Monaten zu je 30 Tagen gerechnet wird. In einem halben Jahr konnte der
Zufluss also den See fullen, gabe es keine Verluste. Die 12 relativen Monats-
mittel addieren sich zu 12 (im Mittel 1). Im Marz soll ein erhohter Zufluss zu
beobachten sein und im Sommer durch Trockenheit eine zuflusslose Periode.
Das wird durch die in Abbildung 4.3 dargestellten Annahmen erfullt.
Abbildung 4.3: Relative Monatsmittel des Zuflusses zum hypothetischen See(Summe ist 12).
Temperatur: Auch die Temperatur setzen wir klimatologisch an. Mehr noch,
sie soll sich wie eine verschobene Sinusfunktion verhalten. Dann benotigt man
nur wenige Angaben, um die Temperatur an jedem Tag t im Jahr auszurechnen,
die jahrliche Mitteltemperatur Tm, die Amplitude der Temperaturschwankung
Ta und den kaltesten Tag tk im Jahr:
T (t) = Tm − Ta · cos
(
2πt − tk365 d
)
(4.6)
Am kaltesten Tag, das ist etwa der 1. Marz (Wassertemperatur!), ist T (tk) = Tm − Ta.
Die Formel 4.6 liefert eine recht grobe Naherung, die aber fur dieses Modell
vollkommen ausreicht (Abbildung 4.4).
40
GMM WS2009/2010 Kapitel 4 – Aufstellen eines Modells
Abbildung 4.4: Temperaturverlauf im Jahresgang. Kaltester Tag: 1. Marz.
4.4 Prozessbeschreibungen
Zufluss: Der Zufluss ist schon als”Antrieb“ im vorangegangenen Modellie-
rungsschritt behandelt worden (ersatzweise fur die Niederschlage). Mit Glei-
chung (4.4) ist fast alles gesagt. Es fehlt nur noch, wie man zu einem gegebenen
Tag t den Monat m ausrechnet. Das ist gar nicht so trivial und ware bei un-
gleich langen Monaten noch umstandlicher:
m =
[1
30(t mod 360)
]
+ 1
Hier ist (t mod 360) der Rest bei der Division der Zeit t (in Tagen) durch
360, und [..] symbolisiert das Abrunden auf die nachste ganze Zahl. Der Tag
t = 400 gehort somit zum Monat 2.
Abfluss: Wenn der Wasserstand unter einen Grenzwert sinkt, liegt der Abfluss
trocken. Um Parameter zu sparen, setzen wir den Pegel-Nullpunkt auf diese
kritische Grenze. Steigt der Wasserstand uber den Pegelwert 0 an, nimmt der
Abfluss erst langsam, dann schneller zu. Es gilt, fur dieses Verhalten eine For-
mel zu finden (4.7):
ab (H) = vab ·(
max
(
0,H
HN
))2
(4.7)
Diese Formulierung enthalt eine Konstante mit den”richtigen“ Einheiten und
einen dimensionslosen Ausdruck. Hinter diesem Ansatz steckt ein extrem wich-
tiges Prinzip, das man beim mathematischen Modellieren dringend beachten
sollte: Die Formeln werden so strukturiert, dass die einzelnen Teile eines Pro-
duktes Dimensionen mit sinnvoller Bedeutung haben. Hier ist vab eine”Ab-
flusskonstante“ mit der Dimension Volumen/Zeit und den Einheiten m3d−1.
Ihre Bedeutung ist glasklar: Wenn der Wasserstand H auf dem Referenzwert
41
4.4. Prozessbeschreibungen GMM WS2009/2010
HN > 0 steht, gibt sie gerade den Abfluss an, da dann der dimensionslose
Faktor 1 ist. Nach der Aufgabenstellung in der Einleitung ist sogar ungefahr
ihr Wert bekannt. Da namlich etwa die Halfte des Zuflusses verdunsten und
die andere Halfte abfließen soll, wird vab ≈ 1/2vzu gelten. vzu ist in 4.4 definiert
und hat die gleichen Einheiten wie vab.
Verdunstung: Die Verdunstung vd ist proportional zur aktuellen Oberflache
F des Sees. Die auf die Flacheneinheit bezogene Verdunstung ist damit vd/F .
Sie steigt mit der Temperatur stark an und hangt in Wahrheit außerdem
vom Wind und von der Luftfeuchtigkeit ab. Wir ignorieren diese zusatzlichen
Abhangigkeiten und setzen eine exponentielle Zunahme mit der Temperatur
an (4.8).
vd (t, H) = avd · F (H) · exp
(T (t) − 20 ◦C
Tvd
)
(4.8)
Wie schon beim Abfluss haben auch in (4.8) die Faktoren des Produktes klare
Dimensionen. Die eigentliche Temperaturabhangigkeit steckt in einem dimen-
sionslosen Faktor, der bei T = 20 ◦C den Wert 1 annimmt und sich bei einer
Temperatursteigerung um Tvd ver-e-facht. Damit ist die Bedeutung des Pa-
rameters Tvd beschrieben. Die Verdunstungskonstante avd hat die Dimension
Lange/Zeit mit den Einheiten md−1. Sie gibt an, um wie viel der Seespie-
gel bei 20 ◦C taglich allein durch Verdunstung sinken wurde. Das Produkt
vvd = avd · F hat wieder die Dimension Volumen/Zeit und ist mit vzu und vab
vergleichbar. Weil sich F mit H verandert, ist vvd allerdings keine Konstante.
Es kann gar nicht genug betont und wiederholt werden, wie wichtig es beim
Erfinden von Gleichungen ist, den neu auftretenden Parametern”Bedeutun-
gen“ und sinnvolle Dimensionen zu geben, um sie abschatzbar und messbar,
auch erklarbar und verstandlich zu machen! Ein grundsatzlicher”Trick“ dabei
sind dimensionslose Ausdrucke, wie sie in (4.7) und (4.8) auftreten, wo sie die
wesentlichen Abhangigkeiten vom Wasserstand bzw. von der Temperatur ent-
halten.
Entwicklungsgesetz
Nachdem die drei Prozesse durch (lower-level) Gleichungen prazisiert wurden,
lasst sich das Modell als Ganzes durch Zusammenfassung von 4.1 bis (4.8) in
42
GMM WS2009/2010 Kapitel 4 – Aufstellen eines Modells
Gleichungsform darstellen (4.9). Das System 4.9 ist die mathematische For-
mulierung des Modells, das”Entwicklungsgesetz“, da es den Zustand zur Zeit
t+∆t aus dem Zustand zur Zeit t zu berechnen erlaubt. Aus gegebenen “alten“
Werten werden”neue“ berechnet, und das wird iterativ wiederholt.
Bei einer Iteration muss ein”Iterationsanfang“ vorgegeben werden. Zu Beginn
muss fur einen Anfangszeitpunkt t0 der zugehorige Wasserstand H0 vorgegeben
werden. Dann kann 4.9 immer wiederholt werden: Fur gegebene Werte t und
H(t) werden zuerst die Hilfsgroßen Flache F und Temperatur T und Monat
m berechnet. Diese Hilfsgroßen werden fur die Berechnung der Prozesse zu, ab
und vd benotigt. Zum Schluss wird mit ihnen die Anderung des Wasserstandes
∆H und der neue Wasserstand H (t + ∆t) = H + ∆H bestimmt. Die Zeit
schreitet um ∆t fort (in 4.9 nicht aufgefuhrt). Nach dem Durchlaufen kann
diese Abfolge mit den”neuen“ Werten t und H erneut gestartet und immer
wiederholt werden, bis ein Endzeitpunkt erreicht ist. Der Iterationsanfang bei
t0 mit dem Startwert H0 legt so eine ganze Iterationsfolge fest.
Es seien t und H = H (t) gegeben:
F = FNH + L
HN + L
T = Tm − Ta · cos
(
2πt − tk365 d
)
m =
[1
30(t mod 360)
]
+ 1
zu = vzu · relMM (m) (4.9)
ab = vab ·(
max
(
0,H
HN
))2
vd = avd · F · exp
(T (t) − 20 ◦C
Tvd
)
∆H =1
F(zu − ab − vd) · ∆t
H(t + ∆t) = H(t) + ∆H
4.5 Parameterliste und Parameterwerte
Wie man aus dem System 4.9 entnehmen kann, hat das Modell die Parameter
GMM WS2009/2010 Kapitel 7 – Systeme mit 2 Variablen
0 500 1000 1500 2000Zeit in Tagen
0
50
100
150
200
Anz
ahl
Hasen (Beute)Füchse (Räuber)
Abbildung 7.2: Losungskurven des Rauber-Beute Systems.
7.1.1 Stationare Zustande
Ahnlich wie beim eindimensionalen Modell kann man die stationaren Zustande
des Modells bestimmen. Hierzu werden beide Gleichungen gleich Null gesetzt.
Man erhalt ein Gleichungssystem aus zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten.
B = r · B − b · B · R = (r − b · R) · B = 0 (7.2)
R = b · B · R − s · R = (b · B − s) · R = 0
Eine Losung (trivial) ist durch (B∗, R∗) = (0, 0) gegeben. Eine weitere Losung
ist durch
r − b · R = 0
b · B − s = 0
bestimmt, sie lautet (B∗, R∗) = ( sb, r
b). Wenn das System genau diesen Zustand
hat, wird es sich nichts mehr andern. Die Frage ist, wie sich kleine Storungen
auswirken, d.h. wie stabil dieser Zustand ist.
7.1.2 Richtungsfeld
Fur ein autonomes 2-dimensionales System kann man ebenfalls ein Richtungs-
feld zeichnen. Man betrachet hierzu
65
7.1. Rauber-Beute-Modelle GMM WS2009/2010
dR
dB=
dRdtdBdt
d.h. die Anderung des Raubers nach der Beute. Im Falle des Lotka-Volterra-
Modells gilt
dR
dB=
b · B · R − s · Rr · B − b · B · R
Abbildung 7.3: Richtungsfeld des Lotka-Volterra-Modells mit Losungskurvenzu verschiedenen Anfangswerten.
Die R-B-Ebene nennt man auch Zustandsraum oder Phasenraum des Systems,
eine Losungskurve auch Bahn oder Trajektorie2
7.1.3 Stabilitat
Das Modell ist ein singulares Modell, da der nicht-trivial stationare Zustandes
stabil aber nicht asymptotisch stabil ist. Bei kleinen Veranderungen findet dass
Modell nicht in den ursprunglichen Zustand zuruck.
Anmerkung: Will man das Modell mittels Euler-Verfahren losen, ist Vorsicht
geboten. In diesem Fall wird die Zahl der Hasen und Fuchse immer starker
2Diese Bezeichnung ist etwas ungenau. Streng genommen ist die Trajektorie eine Abbildungder Zeit in den Zustandsraum, eine Losung des Anfangswertproblem. Die Bahn ist das Bild,enthalt also die Zeitinformation nicht mehr.
66
GMM WS2009/2010 Kapitel 7 – Systeme mit 2 Variablen
oszillieren. Dies ist ein numerischer Artefakt.
Wie man die Stabilitat nachweisen kann wird spater gezeigt.
7.1.4 Modellverbesserungen
Dieses Modell kann naturlich verbessert werden. Folgende Verbesserungen fal-
len einem sofort ein:
• Die Hasen durfen nicht unbegrenzt wachsen, wenn keine Fuchse da sind.
Es muss eine Maximalkapazitat wie in Abschnitt 6.2 geben.
• Die Fuchse mussen satt werden. Die Zunahme der Wachstumsrate der
Fuchse darf nicht linear von der Zahl der Hasen abhangen.
• Nur ein Teil der Hasen kann als Nahrung verwertet werden (Fell und Kno-
chen werden ausgeschieden).
Maximalkapazitat
Verbessern wir das Modell nun dahingehend, dass wir eine Maximalkapazitat
fur Hasen berucksichtigen. In diesem Fall wird das Wachstum der Hasen durch
Gleichung 3.1 beschrieben, und das vollstandige Modell lautet:
B = r · B ·(
1 − B
K
)
− b · B · R (7.3)
R = b · B · R − s · R
Die Modellergebnisse sind in Abbildung 7.3 fur K = 250 und K = 500 dar-
gestellt (andere Parameter wie bisher). Die Oszillationen sind nun mehr oder
weniger stark gedampft. Die Zahl der Hasen und Fuchse strebt letztlich auf
konstante Werte zu.
Sattigung
Will man nun zusatzlich berucksichtigen, dass die Fuchse satt werden, so muss
man anstelle der monoton steigenden Fressrate b ·B eine Fressrate annehmen,
die durch einen maximalen Wert begrenzt ist. Diese maximale Fressrate gibt an
wie viel ein Fuchs pro Zeiteinheit maximal fressen kann. Dies ist u.a. von der so
genannten”handling time“ abhangig, der Zeitspanne, die ein Fuchs benotigt,
die Nahrung aufzunehmen (den Hasen zu zerlegen). Ein weiterer Faktor ist
die Stoffwechselgeschwindigkeit, d.h. wie schnell Biomasse aus der Nahrung
67
7.1. Rauber-Beute-Modelle GMM WS2009/2010
0 500 1000 1500 2000Zeit in Tagen
0
50
100
150
200A
nzah
l
Hasen (Beute)Füchse (Räuber)
0 500 1000 1500 2000Zeit in Tagen
0
50
100
150
200
Anz
ahl
Hasen (Beute)Füchse (Räuber)
Abbildung 7.4: Losungskurven des Rauber-Beute Systems mit einer Maximal-kapazitat fur die Hasen (Beute) von K = 250 (links) und K = 500 (rechts).
Abbildung 7.5: Richtungsfeld des verbesserten Lotka-Volterra-Modells mit ei-ner Maximalkapazitat fur die Hasen(K = 250) mit Losungskurven zu verschie-denen Anfangswerten.
aufgebaut werden kann. Die tatsachliche Fressrate soll vom Nahrungsangebot
abhangen. Hierbei kann man davon ausgehen, dass die Rate anfangs mehr oder
weniger linear ansteigt und sich dann dem Maximalwert nahert.
Hierzu geeignet ist eine Monod-Funktion oder auch Michaelis-Menten-Kinetik:
68
GMM WS2009/2010 Kapitel 7 – Systeme mit 2 Variablen
w(B) = bMB
B + M
oder allgemeiner
w(B) = µB
B + M
Die erste Gleichung geht fur M → ∞ in die alte Form uber. In der zweiten
Form ist der Bruch dimensionslos und µ ist die maximale Wachstumsrate in
1/Zeiteinheit. Der Bruch geht fur B → ∞ gegen 1.
Die Michaelis-Menten-Kinetik wird in vielen Modellen verwendet, z.B.
• Algenwachstum als Funktion der Nahrstoffkonzentration (Monod-Modell)
• Alkoholabbau als Funktion der Blutalkoholkonzentration
• Aktenbearbeitung als Funktion der Aktenmenge
Eigenschaften
• nimmt bei M die Halfte des Maximalwerts an. M heißt deshalb auch
Halbsattigungskonstante
• die Tangente im Ursprung schneidet den Grenzwert µ bei M
• die Annaherung an den Grenzwert ist sehr langsam
0 M 2M 3M 4M 5M
µ/2
µ
Abbildung 7.6: Graph der Monod-Funktion (Michaelis-Menten-Funktion) mitder Halbsattigungskonstanten M und dem Grenzwert µ.
Man erhalt hiermit folgendes allgemeinere Rauber-Beute-Modell nach Rosen-
zweig und MacArthur:
69
7.1. Rauber-Beute-Modelle GMM WS2009/2010
B = r · B ·(
1 − B
K
)
− bMB
B + M· R (7.4)
R = η · b MB
B + M· R − s · R
Der Effizienz-Parameter η gibt an, wie viel der aufgenommenen Nahrung tatsachlich
in Biomasse umgesetzt werden (Knochen werden ausgespuckt). Ein Simulati-
onsergebnis ist in Abbildung 7.7 gegeben. Man sieht, dass das System bei der
gegebenen Parameterkonstellation einen Grenzkreis erreicht.
0 5000 10000Zeit in Tagen
0
50
100
150
200
250
300
Anz
ahl
Hasen (Beute)Füchse (Räuber)
0 100 200 300 400 500
Beute
0
20
40
60
Räu
ber
Abbildung 7.7: Simulationsergebnis fur das allgemeine Rauber-Beute-Modellnach 7.4 mit den Parametern r = 0.05, K = 250, M = 30, s = 0.05, η = 0.7,b = 0.003. Links ist das Zeitdiagramm, rechts das Phasendiagramm dargestellt.Fur andere Parameterwerte kann sich das System vollig anders verhalten.
Das das System nun sehr viele Parameter enthalt, ist es einfacher, mit der
skalierten Form zu arbeiten (Herleitung siehe Skript von Wolfgang Ebenhoh,
http://eagle.icbm.de/~mathmod/mm/skript_mm.html).
7.1.5 Das skalierte allgemeine Rauber-Beute-Modell
In der skalierten Form erhalt man folgende Gleichungen
B = (1 − εB) · B − R
1 + κB· B (7.5)
R = δB
1 + κB· R − δR
Das System hat nun die Parameter ε, κ und δ, fur die angenommen wird, dass
sie alle großer oder gleich Null sind. Fur ε = 0 und κ = 0 hat man wieder ein
normales Lotka-Volterra-Modell.
Das System hat 3 stationare Zustande
70
GMM WS2009/2010 Kapitel 7 – Systeme mit 2 Variablen
1. B∗=0 und R∗ = 0 (trivial)
2. B∗ = 1ε und R∗ = 0 (Beute ohne Rauber, bei ε > 0)
3. B∗ = 11 − κ und R∗ = 1 − κ − ε
(1 − κ)2 (positiver stationarer Zustand)
Der positive stationare Zustand existiert im Zustandsraum (B, R ≥ 0), wenn
κ + ε < 1
erfullt ist. Fur κ + ε = 1 fallt der Zustand (3) mit Zustand (2) zusammen.
Das Verhalten des Systems fur δ = 1, κ = 0.5 und verschiedene ε ist in
Abbildung 7.8 dargestellt.
B
86420
R
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
B
86420
R
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
B
86420
R
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
Abbildung 7.8: Phasendiagramm fur das skalierte allgemeine Rauber-Beute-Modell nach 7.5 mit den Parametern δ = 1, κ = 0.5 und ε = 0.15 (links),ε = 0.3 (Mitte) und ε = 0.6 (rechts) und den Startwerten B0 = 6 und R0 = 1.
Fur δ = 1, κ = 0.5 hat das System die stationaren Zustande
ε 0.15 0.3 0.6
(B∗1 , R
∗1) (0,0) (0,0) (0,0)
(B∗2 , R
∗2) (6.6, 0) (3.3, 0) (1.6, 0)
(B∗3 , R
∗3) (2,1.4) (2,0.8) neg.
7.2 Verhalten 2-dimensionaler autonomer Systeme
7.2.1 Stationare Zustande
Wie bereits gezeigt, erhalt man im 2-dimensionalen Fall die stationaren Zustande
gesetzt wird, und die Losungen (X∗, Y ∗) dieses Gleichungssystems bestimmt
werden.
7.2.2 Geschlossene Bahnen
Im Gegensatz zu eindimensionalen Systemen konnen im zweidimensionalen
Fall geschlossene Losungsbahnen auftreten. Im Normalfall ist die geschlossene
Bahn das Bild einer periodischen Losung. Man nennt eine solche periodische
Bahn stabil, wenn alle Bahnen, die in ihrer Nahe starten, zu dieser hin laufen.
Man nennt solche stabilen Bahnen auch Grenzkreise. Periodische Bahnen
konnen auch instabil sein.
7.2.3 Satz von Poincare
Bei autonomen Systemen mit zwei Zustandsvariablen lauft jede Losung ent-
weder
• auf einen stationaren Zustand zu, oder
• nahert sich einer geschlossenen Kurve (Grenzkreis) an, oder
• lauft nach unendlich
7.2.4 Teilgleichgewichte (Isoklinen)
Wir betrachten das System aus Gleichung 7.6. Zuerst wollen wir einen Uber-
blick uber das Losungsverhalten gewinnen. Hierzu betrachten wird die Menge
aller Punkte fur die X = 0 bzw. Y = 0 gilt:
Teilgleichgewicht von X = {X = 0} = {(X, Y )|f(X, Y ) = 0}
Das Teilgleichgewicht von X trennt die Bereiche des Zustandsraums, in denen
die Bewegung nach rechts bzw. links erfolgt. Analog gilt
Teilgleichgewicht von Y = {Y = 0} = {(X, Y )| g(X, Y ) = 0}
Das Teilgleichgewicht von X trennt die Bereiche des Zustandsraums, in denen
die Bewegung nach oben bzw. unten erfolgt.
72
GMM WS2009/2010 Kapitel 7 – Systeme mit 2 Variablen
Die Schnittpunkte der Teilgleichgewichte sind gerade die stationaren Zustande.
B
86420
R
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
B
86420
R
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
B
86420
R
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
Abbildung 7.9: Teilgleichgewichte fur das skalierte allgemeine Rauber-Beute-Modell nach 7.5 mit den Parametern δ = 1, κ = 0.5 und ε = 0.15 (links),ε = 0.3 (Mitte) und ε = 0.6 (rechts). Die senkrechte Linie zeigt das Teilgleich-gewicht {R = 0}, die Parabel zeigt das Teilgleichgewicht {B = 0}.
7.2.5 Stabilitat stationarer Zustande
Die Stabilitat eines stationaren Zustands kann wie im eindimensionalen Fall
untersucht werden. Man betrachtet hierzu das System als Vektor
(X
Y
)
=
(f(X, Y )
g(X, Y )
)
(7.8)
Analog zum eindimensionalen Fall entwickelt man die rechte Seite des Differen-
tialgleichungssystems am stationaren Zustand (X∗, Y ∗) nach Taylor bis zum
ersten Glied und erhalt so das linearisierte System (ist fur jeden stationaren
2. Fall κ + ε > 1 (der dritte Zustand existiert nicht ):
det J > 0 und spur J = −1 + δ
(1
κ + ε− 1
)
< 0, der Zustand 2 ist stabil.
3. Fall κ + ε = 1 (der zweite und dritte Zustand fallen zusammen): det J = 0
keine Entscheidung uber die Stabilitat des Zustands 2 moglich.
Stabilitat von (B∗3 , R
∗3) =
(
11 − κ,
1 − (κ + ε)(1 − κ)2
)
Der Zustand 3 existiert fur κ + ε < 1. Fur die Jacobimatrix erhalt man
J(B∗3 , R
∗3) =
−ε1 + κ
1 − κ+ κ −1
δ (1 − (κ + ε)) 0
(7.14)
76
GMM WS2009/2010 Kapitel 7 – Systeme mit 2 Variablen
Es gilt
det J = δ (1 − (κ + ε)) > 0 (κ + ε < 1)
und
spur J = −ε1 + κ
1 − κ+ κ
Der Zustand 3 ist also stabil, wenn die Spur negativ ist, also fur
−ε1 + κ
1 − κ+ κ < 0
Dies gilt fur
ε > κ1 − κ
1 + κ=: εkrit(κ)
Das Systemverhalten in Abhangigkeit von ε und κ ist in Abbildung 7.10 dar-
gestellt.
0 1 κ
0
1
ε
Verhalten des Zustands 3
stabil
stabil (Oszillationen)
instabil (Osszilationen)
instabil
Abbildung 7.10: Verhalten des stationaren Zustands 3 (Rauber und Beute exi-stieren) des verallgemeinerten skalierten Rauber-Beute-Systems in Abhangig-keit von κ und ε fur δ = 0.2.
Abbildung 9.1: Vergleich von Wachstum und Mortalitat fur verschiedene AlterA des Waldes. Bei A = 0.7 haben die Graphen von Mortalitat (blau) undWachstum vier Schnittpunkte, in den anderen Fallen zwei, jeweils einschließlichdes Nullpunktes. Die Schnittpunkte entsprechen den stationaren Zustanden,sie sind abwechselnd stabil und instabil , wobei der Nullpunkt in jedem Falleinstabiler stationarer Zustand ist.
den Wert B∗ = 550. Bei noch hoherem A hort dieser Ast von B∗(A) auf zu
existieren. Das System muss sich einen anderen stabilen stationaren Zustand
suchen. Faktisch bedeutet das, die Borkenkaferdichte explodiert und pendelt
sich auf dem hohen Wert B∗ ≈ 4200 ein. Eine nachfolgende Erniedrigung
von A muss bis unter den Wert von etwa 0.5 fuhren, ehe die hohe Dichte
zusammenbricht.
9.2 Wald-Dynamik
Im diesem Abschnitt wird das Alter A des Waldes dynamisch modelliert. Die
Hysterese nach Abbildung 9.2 legt nahe, dass man mit Borkenkaferausbruchen
rechnen kann, wenn die Parameter entsprechend gewahlt werden. Neben Glei-
chung (9.1) bzw. (9.5) benotigt man eine weitere Systemgleichung, mit der das
”Alter des Waldes“ A durch die Prozesse Altern und Verjungung verandert
wird. Das Alter eines Baumes ist eine einfache Sache, aber nicht das Alter
des Waldes. Wir wollen als Systemvariable A ein irgendwie gemitteltes Alter
der Baume verstehen, wobei uns klar ist, dass es nicht dasselbe ist, ob der
Wald aus gleich alten 50-jahrigen oder zur halben Flache aus 10- und 90-jahri-
90
GMM WS2009/2010 Kapitel 9 – Ausbreitung von Borkenkafern (W. Ebenhoh)
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1A
0
1000
2000
3000
4000
5000
B*
Lage der Fixpunkte B*
Abbildung 9.2: Stationare Borkenkaferdichten B∗ als Funktion des Alters Ades Waldes. Im Bereich 0.55 < A < 0.75 koexistieren vier stationare Zustande(einschließlich des trivialen Falles B∗ = 0). Die Zustande sind abwechselndinstabil (gepunktet) und stabil, beginnend mit B∗ = 0 instabil.
gen Baumen besteht. A ist eine integrierte Waldeigenschaft, die wegen ihrer
Globalitat nicht leicht messbar ist, aber ein intuitives Verstandnis ermoglicht.
Die Normierung von A auf das Intervall 0 bis 1 soll beibehalten werden. Das
Waldsystem mit B und A wird nun durch (9.7) beschrieben:
B = Wachstum(B, A) − Mortalitat(B) (9.7)
A = Altern(A) − Verjungung(B, A)
Die Spezifizierung der Prozesse Altern und Verjungung erfordert wie immer
das Erfinden von Formeln. Die Alterungsrate wird als linear angenommen. Je
Alter der Wald desto geringer die Alterungsrate:
Altern(A) = α · (1 − A) (9.8)
Der Wachstumsparameter α wird etwa bei 0.01 pro Jahr liegen, was dem Baum
hundert Jahre Zeit gibt, seine volle Große zu erreichen. Anders als das Al-
tern ist die Verjungung biologisch ein schwieriger Prozess. Zuerst mussen die
alten Baume durch Borkenkafernbefall absterben. Im Modell treten Sturme,
Trockenheit, Luftverschmutzung und andere Krankheiten nicht auf. Dann mussen
die Baumleichen umfallen und zersetzt und die Lucken im Wald durch Samlinge
91
9.2. Wald-Dynamik GMM WS2009/2010
neu besiedelt werden. Der Wald enthalt junge und alte Baume nebeneinander.
Die Formel fur den Prozess Verjungung muss eine extreme Zusammenfassung
der dazu notigen Teilprozesse sein. Das Tatsache, dass A eine integrierte, qua-
litative Waldeigenschaft ist, erfordert auch fur die Verjungung eine ebenso
integrierte Betrachtung. Wir konnen annehmen, dass sie nur bei hohen Bor-
kenkaferdichten stattfindet, aber dann sehr schnell erfolgt:
Verjungung(B, A) = b · A ·(
B
K
)3
(9.9)
Durch den Exponent 3 in (9.9) schaffen geringe Borkenkaferdichten B kaum
eine Verjungung.
Die Modellgleichungen sind in (9.10) zusammengefasst.
B = r · A · B ·(
1 − B
K
)
− sB2
B2 + M2(9.10)
A = a · (A < 1) − b · A ·(
B
K
)2
Mit diesen Gleichungen ist es moglich, periodische Ausbruche von Borkenkafer-
plagen zu simulieren (Abbildung 9.3).
0 10 20 30 40 50Jahre
0
1000
2000
3000
4000
5000
Anz
ahl p
ro A
r
Borkenkäferdichte
0 10 20 30 40 50Jahre
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0 Alter des Waldes
Abbildung 9.3: Simulation von Borkenkaferausbruchen.
Ganz befriedigend ist das in Abbildung 9.3 dargestellte Simulationsergebnis
noch nicht. Die Lange der Borkenkaferplagen ist recht groß gegenuber den”nor-
malen“ Intervallen. Es ware realistischer, wenn nach die Plage noch schneller
wieder voruber ware. Ob das mit diesem einfachen Modell uberhaupt moglich
ist, kann nur mit einer Sensitivitatsanalyse herausgefunden werden.
92
GMM WS2009/2010 Kapitel 9 – Ausbreitung von Borkenkafern (W. Ebenhoh)
9.3 Raumliche Ausdehnung des Modells
Mit Hilfe der Struktur der zellularen Automaten kann das Modell erweitert
werden. Hierzu teilen den Wald in Quadrate der Große 10 m x 10 m (1Ar2) ein.
Wir nehmen an, dass jeweils ein Teil der Kafer in die benachbarten Zellen (4
Nachbarn) abwandert. Zusatzlich kann man annehmen, dass diese Wanderung
durch eine vorgegebene Windrichtung nicht symmetrisch ist.
9.3.1 Bekampfung
Die Bekampfung der Kafer erfolgt durch das Schlagen von Schneisen. Im Mo-
dell kann man das simulieren, indem man die Kaferzahl in einigen benachbar-
ten Spalten stark dezimiert oder auf Null setzt und das Waldalter herabsetzt
(Schlagen alter Baume).
Man darf bei Betrachtung dieser Modellergebnisse naturlich keinen Moment
vergessen, dass sie mit einem sehr einfachen Modell erzielt wurden, das nur
einige prinzipielle Mechanismen erklaren und nicht die Realitat quantitativ
widerspiegeln soll. Seine Parameter sind nicht an die Realitat angepasst und
vielleicht nicht einmal anpassbar, da wesentliche Komponenten des naturlichen
Systems im Modell nicht erfasst wurden.
93
9.3. Raumliche Ausdehnung des Modells GMM WS2009/2010
Land). Da Masern uber Tropfcheninfektion ubetragen werden, kann man sich
vor einer Infektion nicht wirklich schutzen, so dass die Infektionsrate bei hoher
Dichte zunehmen wird.
Die Kontaktzahl k soll also abhangig von der Bevolkerungsdichte N sein. Ist
κ die Anzahl der Kontakte bei einer Bevolkerungsdichte Nκ, so ist folgende
Annahme sinnvoll:
k(N) =κN · N
Nκ
Dann erhalt man die Infektionsrate B:
B = p · κN · NNκ
· I
N= p · κN
Nκ· I
Man kann nun uber Nκ oder κ die Kontaktzahl steuern. Angenommen die
Kontaktzahl k betragt bei einer Bevolkerungsdichte von Nκ = 200 Personen
pro Quadratkilometer κ = 5 Kontakte pro Tag, dann wird sie fur N=1000
Personen pro Quadratkilometer das Funffache betragen.
Die Anzahl der Kontakte κ bei der Bevolkerungsdichte Nκ hangt von der
Jahreszeit ab. Wahrend der Sommermonate, wenn Schulferien sind, ist die
Zahl der Kontakte geringer. Hierzu modifiziert man κ so, dass es im Sommer
niedriger als im Winter ist. Dies kann durch eine Rechteckkurve oder auch
durch eine Cosinuskurve geschehen:
κ(t) = κ ·(
1 + c
2+
1 − c
2· cos
2π t
365
)
Der Parameter c ∈ [0, 1] gibt an, auf wieviel Prozent des ursprunglichen Wert
κ gesenkt wird.
10.2.1 Simulationsergebnis
Die Simulationsverlaufe in Abbildung 10.2 wurden mit folgender Parametri-
sierung berechnet:
101
10.2. Masern GMM WS2009/2010
N = 200, 500, 900 Bevolkerungsdichte in Einwohner/km2
µ = 0.001 Migrationsrate in 1/Tag
p = 0.05 Ansteckungsrate in 1/Tag
ρ = 0.1 Gesundungsrate in 1/Tag
κ = 5 Kontaktzahl bei der Bevolkerungsdichte Nκ
Nκ = 200 Referenzbevolkerungsdichte in Einwohner/km2
I(0) = 1.0 anfangliche Infiziertendichte in Einwohner/km2
R(0) = 0.8 · N anfangliche Immunendichte in Einwohner/km2
S(0) = N − R(0) − I(0) anfangliche Suszeptiblendichte in Einwohner/km2
0 5 10 15 20Zeit in Jahren
0
2
4
6
Infiz
iert
enan
teil
in %
200 Einw. pro km2
500 Einw. pro km2
900 Einw. pro km2
Konstante Kontaktzahl
0 5 10 15 20Zeit in Jahren
0
2
4
6
Infiz
iert
enan
teil
in %
Sinusförmige Kontaktzahl (c=0.7)
Abbildung 10.2: Simulationsergebnisse fur die Masernepidemie mit konstanterKontaktzahl (oben) und sinusformiger Kontaktzahl mit einem Minimum imSommer (c=0.7, unten).
Das Model beschreibt ausschliesslich die Abhangigkeit der Infiziertenzahlen
von der Kontaktzahl. In einem realistischeren Modell muss zusatzlich der Impf-
status der Bevolkerung berucksichtigt werden.
102
GMM WS2009/2010 Anhang A – Funktionen
A Funktionen
Eine Funktion f ist eine Vorschrift, die jedem Element einer Menge D genau
ein Element der Menge W zuordnet. Die Menge D heisst Definitionsbereich,
die Menge W Wertebereich:
f : D −→ W (A.1)
x 7→ f(x)
x heisst unabhangige Variable oder Argument. Eine Funktion wird auch Ab-
bildung genannt.
Die Menge aller Punkte G := {(x, f(x))|x ∈ D} der Funktion (A.1) heisst
Graph der Funktion.
Beispiel A.0.1
f : [0, 5] −→ R (A.2)
x → x2
Das Argument x ist anschaulich gesehen ein Platzhalter und ist beliebig durch
einen anderen Buchstaben austauschbar. Durch
f : [0, 5] −→ R
t → t2
ist dieselbe Funktion wie in (A.2) definiert.
In der Schule schreibt man statt f(x) haufig einfach y. Wenn klar ist, welches
in der Vorschrift die unabhangige Variable ist, so ist das ok:
y = 5 · x2 (A.3)
Aber was ist,wenn die Vorschrift y = a · b2 geben ist. Man kann so nicht
erkennen, ob a, b oder sogar beide als Argumente dienen sollen. Moglicherweise
ist a ein Parameter, der einen festen Wert hat, und b das Argument oder
umgekehrt. Daher wird das Argument in der Vorschrift mit angegeben:
y(b) = a · b2
103
A.1. Polynome GMM WS2009/2010
Ist nun a = 5, so haben wie dieselbe Vorschrift wie in (A.3).
Nun gibt es einige Konventionen, die aber nicht strikt eingehalten werden:
So weiss man im Allgemeinen, dass bei y = mx + b eine Geradengleichung
gemeint ist, mit dem Argument x, der Steigung m und dem Abzissenwert b.
Meistens ist, wenn nicht anders angegeben x die unabhangige Variable.
In der Physik gibt es haufig Funktionen, in denen t als Argument auftritt. In
den meisten Fallen ist damit die Zeit gemeint.
Bildet man die Ableitung einer Funktion, so ist mit der Schreibweise y′ die
Ableitung nach dem (einzigen) Argument gemeint, dies ist meistens x. Ins-
besondere beschreibt f ′(x) die Ableitung der Funktion f nach x. Will man
dies besonders hervorheben so schreibt man ddx
f(x). In der Physik wird haufig
die Ableitung nach der Zeit, die sogenannte Zeitableitung, mit einem Punkt
dargestellt:
f(t) :=d
dtf(t) .
Ist der Definitionsbereich einer Abbildung N, so nennt man die Abbildung eine
Folge und schreibt
a : N −→ W
n 7→ an .
oder kurz (an)n∈N.
A.1 Polynome
Abbildungen der Form p(x) = am · xm + · · · + a1 · x + a0 , m ∈ N heissen
Polynome. Beruhmtestes Beispiel ist die Normalparabel p(x) = x2 mit m = 2,
a2 = 1 und a1 = a0 = 0.
A.2 Periodische Funktionen – Winkelfunktionen
Eine Funktion heisst periodisch mit der Periodenlange p , wenn fur alle x ∈ D
f(x + p) = f(x) gilt. Beispiele fur periodische Funktionen sind die Winkel-
funktionen (trigonometrische Funktionen) Sinus und Kosinus.
104
GMM WS2009/2010 Anhang A – Funktionen
1 2 3 4 5 6
-1
0
1
sin(x)cos(x)
α
sin(
α)
cos(α)
Abbildung A.1: Der Einheitskreis und die Winkelfunktionen
Betrachtet man im Einkeitskreis, das in Abbildung A.1 dargestellte Dreieck, so
ist die Lange der Hypotenuse 1. Der resultierende Abschnitt auf der x-Achse ist
also der Kosinus, des Winkels α, der Abschnitt auf der y-Achse ist der Sinus.
Die Steigung der Geraden betragt sin(α)cos(α)
= tan(α).
Das Argument der Winkelfunktionen kann sowohl in Grad als auch in Bo-
genmaß (Radiant) angegeben werden. Ein Vollkreis von 360 ◦ entspricht dabei
2π rad.
Wichtige Werte der Sinus und Kosinusfunktion:
Grad 0 30 45 60 90 180 270 360
Bogenmaß 0 π/6 π/4 π/3 π/2 π 3π/2 2π
Sinus 0 1/2√
2/2√
3/2 1 0 -1 0
Kosinus 1√
3/2√
2/2 1/2 0 -1 0 1
Eigenschaften der Sinus und Kosinusfunktion:
Periodenlange 2 π sin(x) = sin(x + 2π)
cos(x) = cos(x + 2π)
Sinus ist symmetrisch zum Ursprung sin(−x) = − sin(x)
Kosinus ist symmetrisch zur y-Achse cos(x) = cos(−x)
sind gegeneinander um π/2 verschoben cos(x) = sin(x + π/2)
Schnittpunkte bei x = π/4 + n · π, n ∈ Z sin(π/4) = cos(π/4)
Bemerkung: Berechnet man Sinus und Kosinus mit dem Taschenrechner so muss
105
Anhang B – Differential- und Integralrechnung GMM WS2009/2010
man aufpassen, dass die Einstellung stimmt. Ist der Taschenrechner auf Gradmaß
(DEG) eingestellt, muss man den Winkel in Grad eingeben, steht er auf Bogenmaß
(RAD) so muss er in Bogenmaß angegeben werden.
B Nicht ganz Neues aus der
Differential- und Integralrechnung
WARNUNG: Dieser Anhang ersetzt nicht die Mathematikvorlesungen. Aus
Grunden der Ubersichtlichkeit wird auf Vollstandigkeit, insbesondere auf die
Uberprufung und Angabe von Voraussetzungen verzichtet!
B.1 Kettenregel
Aus der Schule ist bekannt
f(g(x))′ = f ′(g(x)) · g′(x)
Was bedeutet dies nun? f und g sind Funktionen, wobei f(g(x)) die Hinter-
einanderausfuhrung der Funktionen f und g bedeutet. Die Funktion f wird
hierbei auch aussere Funktion ung g innere Funktion genannt.
f ◦ g(x) = f(g(x))
Das heisst, dass die unabhangige Variable x zuerst mittels der Funktion g
abgebildet wird und das Ergbnis dann mittels f abgebildet wird.
Die Kettenregel gibt nun an, wie die Ableitung der verketteten Funktion f ◦ g
zu bilden ist:
df(g(x))
dx=
df(g(x))
dg(x)· dg(x)
dx
Der erste Term auf der rechten Seite heisst außere Ableitung, der zweite Term
auf der rechten Seite innere Ableitung.
106
GMM WS2009/2010 Anhang B – Differential- und Integralrechnung
Setzt man nun y=g(x), so sieht das Ganze schon einfacher aus:
df(g(x))
dx=
df(y)
dy· dg(x)
dxoder kurz
df
dx=
df
dy· dy
dx
In der Modellierung ist wird die unabhangige Variable haufig mit t fur die Zeit
und die innere Funktion mit x bezeichnet:
f ◦ x(t) = f(x(t))
Fur die Ableitung gilt dann
df
dt=
df
dx· dx
dt
B.2 Substitutionsregel
Aus der Schule ist bekannt
∫ b
a
f(ϕ(x)) · ϕ′(x) dx =
∫ ϕ(b)
ϕ(a)
f(y) dy
Was bedeutet dies nun? Die Substitutionsregel ist ein Hilfsmittel um kompli-
zierte Funktionen in einfachere zu uberfuhren, die sich dann leichter integrieren
lassen. Diese Uberfuhrung heisst auch Substitution. Im obigen Beispiel wird
ϕ(x) durch y substituiert, also y = ϕ(x).
Letzlich ist die Substitutionsregel nichts anderes als die Kettenregel:
Ist F eine Stammfunktion von f , so gilt
F (ϕ(b)) − F (ϕ(a)) =
∫ ϕ(b)
ϕ(a)
f(y) dy
Es gilt aber auch
F (ϕ(b)) − F (ϕ(a)) =
∫ b
a
[F (ϕ(x))]′ dx
Die Ableitung von F (ϕ(x))′ ist nach der Kettenregel mit y = ϕ(x) aber
dF (ϕ(x))
dx= f(ϕ(x)) · ϕ′(x)
Schreibt man nun ϕ′(x) = dϕ(x)dx
so gilt also
107
B.3. Partielle Integration GMM WS2009/2010
∫ b
a
f(ϕ(x)) · dϕ(x)
dxdx =
∫ ϕ(b)
ϕ(a)
f(y) dy
Und nun sieht man auch, was die Physiker meinen, wenn sie das dx einfach
kurzen.
Haufig findet man auch andere Notationen, z.B.
∫ t
0
f(N) N dt =
∫ N(t)
N(0)
f(N) dN
Streng genommen darf das so nicht, da Integrationsgrenze und unabhangige
Variable verschiedene Bezeichner brauchen (hier heissen beide t), aber in der
Praxis kommt es ofter mal vor.
B.3 Partielle Integration
Die partielle Integration ergibt sich direkt aus der Produktregel fur Ableitun-
gen.
Aus der Schule ist bekannt
[f(x) · g(x)]′ = f ′(x) · g(x) + f(x) · g′(x)
Integration auf beiden Seiten ergibt
∫
[f(x) · g(x)]′ dx =
∫
f ′(x) · g(x) dx +
∫
f(x) · g′(x) dx
damit gilt
[f(x) · g(x)] =
∫
f ′(x) · g(x) dx +
∫
f(x) · g′(x) dx
durch Umstellen ergibt sich die Regel zur partiellen Integration
∫
f(x) · g′(x) dx = [f(x) · g(x)] −∫
f ′(x) · g(x) dx
108
GMM WS2009/2010 Anhang C – Differentialgleichungen
C Differentialgleichungen
Ersetzt nicht die Vorlesung zu Differentialgleichungen !!!
In einer Differentialgleichung (DGL) wird eine (unbekannte) Funktion mit ih-