Grüne Gentechnik Eine Variante der Transformation von Kulturpflanzen Autorin oder Autor __________________________________________________ Adresse __________________________________________________ Betreuende Lehrperson __________________________________________________ Elmas Pinar, 4e Stationsweg 21, 8806 Bäch Herr Heiner Hirzel Maturaarbeit Oktober 2011
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Grüne Gentechnik - ksasz.ch · Grüne Gentechnik las, desto grösser wurde mein Interesse. Mich faszinierte einerseits die Tatsache, dass Wissenschaftler heute durch ihr Wissen in
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Grüne Gentechnik Eine Variante der Transformation von
Kulturpflanzen
Autorin oder Autor __________________________________________________
anfällige Kultursorte unten Kulturkartoffeln, die keine Resistenz
gegenüber dem Pilz aufweisen
1 Ray Wu und Ellen Taylor gelang es mit der Entdeckung von Restriktionsenzymen eine Sequenz von zwölf Basen aus einem Virus namens Lambda- Phage herauszutrennen.
5
Das Ziel meiner Forschungsarbeit ist es, eine Variante der Transformation von Kulturpflanzen kennen
zu lernen. Dabei entschied ich mich für die Variante mit Agrobakterien, weil sie sich mit
unterschiedlichen Methoden der Molekularbiologie befasst. Ausserdem ist sie die am häufigsten
ausgeführte Form der Transformation in der Schweiz, natürlich nur für Forschungszwecke. Die
verschiedenen Techniken, die für die Transformation angewandt werden, tragen auch zu einem
wichtigen Teil meiner Arbeit bei. Ich habe einen grossen Wert darauf gelegt, dass die Leser die
Methoden der Transformation wie PCR oder Gelelektrophorese verstehen und eine Verknüpfung zu
den angewandten Techniken herstellen können. Schliesslich gliederte ich den wissenschaftlichen Teil
meiner Arbeit in zwei Phasen, die auch im Inhaltsverzeichnis unter den Kapiteln 4 und 5 aufgeführt
sind, wobei ich zunächst auf den theoretischen Teil der einzelnen Schritte eingehe, die Informationen
dazu liefere und anschliessend meine eigenen Resultate zu den Schritten zusammenfasse. Die
einzelnen Verfahren der Transformation habe ich an der Acker- Schmalwand (Arabidopsis thaliana)
angewandt, weil sie wichtige Vorteile besitzt2: Im Jahre 2000 gelang es einigen Wissenschaftlern, das
Genom der Pflanze vollständig zu sequenzieren. Ausserdem besitzt sie ein ziemlich kleines Genom
von 125 Millionen Basenpaaren. Arabidopsis hat einen Generationszyklus von nur acht Wochen und
ist in einem kleinen Raum haltbar. Zu Letzt kann sie durch das Agrobakterium tumefaciens
transformiert werden. Ich übertrug den Promoter der Gene namens AIN, M17, TMM, MUTE und M10
in die Pflanze. Dabei handelte es sich um Promotersequenzen aus dem Genom der Arabidopsis. Die
Resultate zu meinen Methoden zeige ich am Promoter MUTE, diese Entscheidung traf ich aus
Übersichtsgründen. Am Schluss der Experimente möchte ich feststellen können, wo sich meine
Promoter aktiv verhalten, d.h. wo es zu einer Transkription bzw. Translation in der Pflanze kommt.
Nebst dem wissenschaftlichen Teil der Grünen Gentechnik beschäftigte ich mich mit der politischen
Situation in der Schweiz. Hierzu interessierten mich die stärksten Argumente der Befürworter und
Gegner der Technologie. Ich stellte mir ausserdem die Frage: „Was bringt das Moratorium für eine
Wissenschaft wie die Gentechnik?“
2 Im Quellenverzeichnis (QV): Internet
6
4. Methoden einer Form der Transformation am Beispiel der Acker- Schmalwand
Exkurs
Entdeckung der DNA3
Schon im Jahre 1928 entdeckte der britische Bakteriologe Frederick Griffith, dass sich genetische
Informationen zwischen Bakterien übertragen konnten4. Dafür experimentierte er mit zwei
verschiedenen Bakterienstämmen (Pneumokokken). Die Bakterien des S- Stamms waren mit einer
Kapsel ausgestattet, lebten und waren virulent5, die Bakterien des R- Stamms enthielten keine
Kapsel, lebten und waren nicht virulent. Zunächst injizierte er die Bakterien des S- Stamms in lebende
Mäuse, die kurz danach starben. Die Kapsel schützte die Bakterien vor dem Immunsystem der
Mäuse. Den gleichen Versuch machte er mit den Bakterien des R- Stamms. Die Mäuse lebten nach
der Injektion weiter, da bei den Bakterien die Kapsel fehlte und sie durch eine Immunabwehr
unschädlich gemacht werden konnten. Als Griffith die Bakterien des S- Stamms durch Hitze abtötete
und sie mit den Bakterien des R-Stamms mischte, stellte er das Erstaunliche fest: Die Maus, in welche
er das Gemisch spritzte, fiel tot um. Offenbar übernahmen die nicht virulenten Bakterien die
Fähigkeit zur Kapselbildung von den Bakterien des S- Stamms. Den Beweis lieferte Oswald Avery
1944. Er ging davon aus, dass die Erbinformation in Form der Desoxyribonukleinsäure in den Zellen
der Bakterien, Pflanzen und Tieren gespeichert ist. Deshalb isolierte er die DNA der hitzeabgetöteten,
virulenten Bakterien und mischte es in eine Lösung mit lebenden, nicht virulenten Bakterien. Die
Maus starb wieder. Avery stellte auch folgende Bedingungen an die DNA:
1. Der Stoff muss viele Infomationseinheiten speichern können!
2. Er muss fähig sein, sich identisch zu verdoppeln, damit die ganze Information bei der
Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben wird!
3. Die DNA muss sich verändern können, d.h. mutationsfähig sein (als Folge: Die biologische
Evolution)!
3 Glossar
4 Im QV: Internet
5 Virulenz (lat. virulentus= giftig)
7
Aufbau der DNA
Über die Struktur der DNA forschten die Biochemiker James Watson und Francis Crick, wofür sie
1962 einen Nobelpreis erhielten. Die Erbinformation besteht aus einer Helix. Dabei vereinen sich
zwei Einzelstränge, die antiparallel zueinander stehen, über Wasserstoffbrücken6 miteinander. Die
kleinste Einheit der DNA sind die Nukleotide: Die über Phosphatbrücken verbundenen
Desoxyribosemoleküle (Zucker) bilden dabei das Rückgrat der Helix. Die genetische Information ist in
vier Basen gespeichert (Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin), wobei je eine Base an ein Zuckermolekül
geknüpft ist. In der Helix paaren sich die Basen Adenin mit Thymin und Cyosin mit Guanin (Abb.13).
Abb. 3: Wasserstoffbrücken zwischen Adenin, Thymin und Guanin, Cytosin
6 Starke zwischenmolekulare Kräfte bzw. Dipol- Dipol- Kräfte zwischen positiv polarisierten H- Atomen und negativ polarisierten O- und N- Atomen (auch Fluoratom; dieses kommt aber in der Nukleinsäure nicht vor).
8
4.1. Polymerase- Kettenreaktion
Die Polymerase- Kettenreaktion (PCR) ist die Methode der Molekularbiologie, die der Vervielfältigung
von DNA- Fragmenten dient7. Bevor ein Enzym die DNA- Fragmente herstellen kann, muss zunächst
die Doppelhelix aufgetrennt werden. Dies ist der Schritt der Denaturierung. Dabei wird die DNA auf
94°C erhitzt und die Wasserstoffbrücken beginnen sich zu lösen. Anschliessend wird die Temperatur
auf ca. 55°C gesenkt, worauf der Annealingschritt folgt. Die Primer, die das zu vervielfältigende DNA-
Fragment definieren, lagern sich bei ca. 2°C unter ihrem Schmelzpunkt an die entsprechenden
Sequenzen. Der Schmelzpunkt ist von der Länge und der Basenart abhängig. Die DNA- Polymerase
spielt bei der PCR ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie beschleunigt die Synthese von DNA aus
Desoxyribonukleotiden an einem Strang. Dies ist der Schritt der Elongation. Der Start einer Synthese
wird durch das 5‘OH- Ende der Primer festgelegt. Da die Polymerase- Kettenreaktion bei hohen
Temperaturen stattfindet, eignet sich die Taq- Polymerase. Dieses Enzym ist die DNA- Polymerase
eines Bakteriums, das in Geysiren (bei ca. 70°C) lebt. Also ist sie hitzebeständig.
Die Vervielfältigung der Fragmente steigt exponentiell an. Die angelagerten Primer bleiben bei jedem
Zyklus erhalten. Sie sind ein Teil des PCR- Produktes. Wenn die DNA- Polymerase die Synthese
beendet hat, trennt sich der DNA- Doppelstrang wieder und es lagern sich neue Primer an den
spezifischen Stellen der DNA an. Erst im 3. Reaktionszyklus entsteht der definierte Abschnitt (Abb. 5).
Die Taq- Polymerase synthetisiert die Grundbausteine der Nukleinsäure bis das gewünschte
Fragment in grösserer Menge vorhanden ist. In der Abbildung 4 ist ein Thermozykler dargestellt,
welches die Temperatur, die Zeit und die Anzahl der Zyklen automatisch regelt.
1. Zyklus
2. Zyklus
3. Zyklus
Abb. 4: Der Thermozykler Abb. 5: PCR (Auftrennung der Doppelhelix,
Primeranlagerung und Verlängerung der DNA)
7 Mühlhardt Cornel. Der Experimentator. 2003. S. 73.
9
4.2. Gelelektrophorese
Die Gelelektrophorese dient der Analyse von DNA- Molekülen, welche der Grösse nach aufgetrennt
werden8. Ein Agarosegel, das in einer ionisierten Pufferlösung liegt, steht unter dem Einfluss eines
elektrischen Feldes (Abb. 6). Weil die DNA- Moleküle negativ geladen sind, werden sie vom positiv
geladenen Pol (Kathode) angezogen. Während kleinere, negativ geladene Moleküle schneller durch
das Gel in Richtung Kathode wandern, legen grössere Moleküle einen kleineren Weg zurück. Mit
dieser Methode können auch die PCR- Produkte analysiert werden. So kann man überprüfen, ob die
gewünschten Fragmente synthetisiert wurden. Weil die DNA- Moleküle von Auge nicht erkennbar
sind, kann man die Nukleinsäure durch den Farbstoff Ethidiumbromid im Gel sichtbar machen9. Das
Anfärben der Nukleinsäuren mit Ethidiumbromid ist ein übliches Verfahren der Gelelektrophorese.
Die Ethidiumbromid- Moleküle lagern sich zwischen die Basen der Nukleinsäure und verursachen
dabei eine erhöhte Absorption von Licht. Die Fähigkeit zur Lichtausstrahlung bleibt jedoch
unverändert. So wird die Intensität der Lichtausstrahlung erhöht. Unter Einwirkung von UV- Licht
kann das Resultat der Gelelektrophorese sichtbar gemacht werden. Denn es leuchten die Stellen auf
dem Gel heller, an denen sich Nukleinsäuren befinden.
Abb. 6: Gelelektrophoreseapparatur
8 QV: Internet 9 QV: Internet
10
4.3. Klonierung
Bei der Klonierung wird das zu untersuchende DNA- Fragment in ein Plasmid (Vektor) übertragen10.
In einem Vektor soll je ein Exemplar des DNA- Fragmentes enthalten sein. Der Vektor dient bei der
Transformation einer Pflanze als sog. "Genfähre", wobei das Fragment in eine Empfängerzelle
gelangt. In dieser Phase der Transformation spielt das Plamid pENTR von Escherichia coli eine
entscheidende Rolle (Abb. 7). Durch Restriktionsenzyme wird das Plasmid gschnitten. Es entstehen
sich überlappende Enden, die am 5'- Ende des unteren Stranges mit vier stickstoffhaltigen Basen
(GTGG) enden. Da die Basenabfolge des Plasmids durch das Sequenzieren bekannt ist, wurden dem
DNA- Fragment bei der PCR zusätzlich vier Basen CACC am 5'- Ende des oberen Stranges angehängt.
So bindet die DNA- Ligase den Promoter mit den Anfangsbasen CACC an den Strang des Plasmids mit
den komplementären Basen GTGG. Der Promoter befindet sich nun im Plasmid, in welchem ein
Antibiotikumresistenzgen für Kanamycin vorhanden ist. Dieses Resistenzgen trägt zur Selektion der
transformierten Bakterien von den nicht- transformierten Bakterien bei (im Kapitel 4.4. wird näher
auf dieses Phenomen eingegangen).
Abb. 7: Plasmid pENTR für die Klonierung, danach
befindet sich der Promoter an der rot markierten Stelle
10 QV: Internet
11
4.4. Transformation von Escherichia coli
Nach dem Klonieren wird das Plasmid in das Bakterium E. coli übertragen11. So kann das Bakterium
den aufgenommenen Plasmid in seiner Zelle durch Replikation vermehren. Diesen Vorgang
bezeichnet man als Transformation: Das DNA- Fragment, das ursprünglich aus dem Genom von
Arabidopsis stammt, wird in der Bakterienzelle kopiert, als wäre es schon immer ein Bestandteil
dieses Bakteriums gewesen. Für diesen Versuch müssen die Bakterien vorerst jedoch kompetent
gemacht werden, d.h. sie müssen in einen unstabilen Zustand überführt werden, damit sie die von
aussen zugeführte Plasmid- DNA aufnehmen können. Dieser Zustand kann bei E. coli nur künstlich
hergestellt werden, indem man es mit Calciumchlorid behandelt. Zwischen der negativ geladenen
DNA und der äusseren Membran von E. coli herrschen Abstossungskräfte. Das Calciumchlorid mildert
durch die Calciumionen (= Kationen) die abstossenden Kräfte. Damit die fremde DNA durch die
Zellwand gelangen kann, erfahren die Bakterien einen Hitzeschock. Für den Hitzeschock werden die
Bakterien bei Temperaturen von 42°C gehalten. Weil die Zellhülle der Bakterien vorwiegend aus
Proteinen zusammengesetzt ist, drohen sie bei 42°C zu denaturieren. Durch die Erwärmung
vergrössern sich zwar die Proteine, dies ist aber nur ein Übergangszustand. Denn die Bakterien sind
auf solche Veränderungen eingerichtet. Sie sind in der Lage solche Veränderungen rückgängig zu
machen. Im Übergangszustand, wenn die Proteine vergörssert werden, entstehen Poren in der
Zellhülle. Durch diese Poren kann die Plasmid- DNA hindurchwandern. Bei einer geeigneten
Temperatur von 37 Grad Celsius, diese Temperatur herrscht auch im menschlichen Darm, wird das
Resistenzgen für Kanamycin aktiviert. In einem Nährmedium, das mit diesem Antibiotikum
angereichert ist, vermehren sich die transformierten E. coli. Es entstehen sichtbare Kolonien.
Bakterien, die dieses Resistenzgen nicht enthalten, sind nicht überlebensfähig. Sie gehen zu Grunde.
Auch wenn man davon ausgehen kann, dass die Bakterien auf dem Nährmedium das Resistenzgen
enthalten, so ist es nicht zwingend, dass sie auch den Promoter haben. Grundsätzlich sind Bakterien
nur überlebensfähig, wenn sie ihre gesamte DNA verdoppeln können. So geben sie ihre gesamte
Erbinformation an die Tochterzellen weiter. Wenn ein Plasmid nicht geschlossen ist, d.h. den
Promoter enthält, so kann die Information nicht repliziert werden. Es erfolgt keine Zellteilung und
das Bakterium stirbt ab. Trotzdem kann sich während des Experiments ein Fehler eingeschlichen
haben und das Plasmid kann geschlossen werden, ohne den Promoter zu enthalten. Auf diese Weise
wäre das Bakterium zwar überlebensfähig, aber der Promoter würde sich nicht im Plasmid befinden.
Schliesslich wird das Plasmid derjenigen Bakterien extrahiert, die auf dem Nährmedium überleben
konnten. Eine Analyse der klonierten DNA liefert Ergebnisse darüber, ob der Promoter am Plasmid
gebunden hat. Sie wird als Restriktionsanalyse bezeichnet.
11 QV: Internet
12
4.5. Restriktionsanalyse
Die Restriktionsenzyme spalten den DNA- Doppelstrang in kleinere DNA- Fragmente, wobei jedes
Enzym an bestimmten Positionen der DNA schneiden kann12. Die Restriktionsenzyme stammen meist
aus dem Genom der Bakterien. In den Bakterien haben die Enzyme eine wichtige Aufgabe. Sie
durchtrennen die DNA derjenigen Viren, die sich ein Bakterium als Wirtszelle ausgesucht haben. Auf
diese Weise werden die Viren unschädlich gemacht. Jedes Restriktionsenzym erkennt eine definierte
Basensequenz und durchtrennt die DNA auf zwei unterschiedliche Arten:
1. Blunt end: Das Enzym schneidet die DNA gerade (Abb. 8)
2. Sticky end: Das Enzym kann auch die DNA versetzt durchtrennen (Abb. 9)
Abb. 8: Blunt end Abb. 9: Sticky end
4.6. Transformation von Agrobakterium tumefaciens
Der Name Agrobakterium tumefaciens stammt aus dem Lateinischen und bedeutet “Tumor
machendes Ackerbakterium”. Dieses Bakterium besitzt Tumor induzierende Plasmide. Das Ti-
Plasmid trägt Gene, die für Enzyme kodieren, welche in der Lage sind, zwei spezielle Phytohormone
zu synthetisieren. Diese Phytohormone entwickeln in Pflanzen Tumore (Wurzelhalsgalle, Abb. 10). Da
das Agrobakterium tumefaciens eigene DNA in pflanzliche Zellen übertragen kann, löst es in der
Pflanze Tumore aus. Natürlich integriert die pflanzliche Zelle, die von Agrobakterien befallen wird,
nicht das ganze Plasmid in ihre DNA. Der Teil des Ti- Plasmids, der in die pflanzliche DNA
aufgenommen wird, heisst Transfer- DNA (T- DNA). In der T-DNA liegt auch die Sequenz für die
Translation der oben erwähnten Enzyme.
Abb. 10: Transformation einer Pflanzenzelle durch ein Agrobakterium tumefaciens
12 QV: Internet
13
Zwischenüberlegung: Weshalb werden zwei Bakterien transformiert?
Bei Escherichia coli handelt es sich um ein Bakterium, das seine Plasmide sehr schnell vermehren
kann. Man erhält eine grosse Zahl von Plasmiden. So ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass mehrere
Bakterien der nächsten Generation den eingebauten Promoter enthalten. Ausserdem lässt sich E. coli
unter einfacheren Bedingungen kultivieren. Das Agrobakterium tumefaciens ist nicht in der Lage, die
aufgenommenen Plasmide in sehr grosser Zahl zu kopieren. Weil dieses Bakterium nur unter
umständlichen Bedingugen Zellteilung betreiben kann, kann die Zahl der transformierten Bakterien
gering sein. Um also mehrere Agrobakterien mit dem Promoter zu erhalten, müssen zunächst
mehrere klonierte Plasmide vorhanden sein.
4.7. Transformation der Acker- Schmalwand
Für die Übertragung des Promoters in die Pflanze, ist die Verletzung von Pflanzenzellen
vorausgesetzt13. Nach der Verletzung bildet die Pflanze Substanzen, die das Anheften der
Agrobakterien an die Pflanzenzellen verursacht. Auf dem Ti- Plasmid befindet sich ein Gen namens
vir, welches ein Restriktionsenzym synthetisiert (Abb. 11). Das Restriktionsenzym erkennt die rechte
und linke "Grenze" (LB und RB) der T- DNA und schneidet sie an diesen Stellen heraus. Das
Agrobakterium arbeitet sich dabei von der rechten zur linken Grenze hinüber und fügt die T- DNA ins
Pflanzengenom. Durch die Anlagerung eines Proteins an den DNA- Einzelstrang entsteht ein T- DNA-
Proteinkomplex (Abb. 12). Dieser Komplex wird auch durch Genprodukte von vir in die Pflanze
übertragen.
Abb. 11: Ti- Plasmid mit T- DNA, LB= left
border, RB= right border, ori= origin bzw.
Replikationsursprung, an dieser Stelle kopiert
die DNA- Polymerase das Plasmid
13 Kempken Frank. Gentechnik bei Pflanzen. 2006. S. 83ff.
14
Abb. 12: T- DNA Trennung aus einem Plasmid
15
4.8. Der Nachweis mit dem Beta- Glucuronidase- Gen
Das β- Glucuronidase- Gen weist die Aktivität der transformierten DNA nach14. Das Plasmid, welches
in die pflanzliche Zelle integriert werden soll, enthält nebst dem gewünschten DNA- Fragment
(Promoter) noch das β- Glucuronidase- Gen. Die Information des Gens ermöglicht die Synthese eines
Enzyms namens β- Glucuronidase, welches die Substanz X- Gluc spaltet. Dafür wird das X- Gluc
hydrolysiert, wobei das Edukt 5-Brom-4-chlor-indoxyl gebildet wird. Wenn dieser Stoff mit der Luft in
Kontakt gerät, bildet sich der blaue Farbstoff 5,5'-Dibrom-4,4'-dichlor-indigo Abb. 13). Der Farbstoff
lässt sich nur in den Zellen nachweisen, wo das Enzym β- Glucuronidase hergestellt wird. Das Enzym
wiederum wird nur dort hergestellt, wo das GUS- Gen zur Transkription bzw. Translation angeregt
wird. Auf diese Art kann man unter dem Lichtmikroskop blau angefärbte Zellen beobachten. In
diesen Zellen ist die transformierten DNA (Promoter und GUS- Gen) aktiv.
Abb. 13: Enzymatische Spaltung von X- Gluc, das zunächst 5-Brom-4-chlor-indoxyl bildet (1) und nach dem
Kontakt mit der Luft zum blauen Farbstoff 5,5'-Dibrom-4,4'-dichlor-indigo oxidiert (2)
14 QV: Internet
16
5. Resultate
5.1. Polymerase- Kettenreaktion
Für die Polymerase- Kettenreaktion musste ich zunächst die Basenabfolge der Primer bestimmen,
welche die Startpunkte für die Vervielfältigung (PCR) definieren. Da die DNA- Polymerase vom 3‘-
Ende zum 5‘- Ende des DNA- Stranges arbeitet, lagern sich die Primer am 3‘- Ende an. Deshalb bildet
sich der erste Primer aus den der Promotersequenz am 5‘- Ende. Der zweite Primer ist komplementär
zur Promotersequenz am 3‘- Ende (Abb.14). Die Länge der Primer variiert zwischen 20- 25 Basen.
Die aufgeführten Basenabfolgen beziehen sich auf einen Einzelstrang. Die Basen werden
Der Schmelzpunkt wird durch die Formel auf Seite 6 ermittelt. 16
Die Nukleinbasen: Cytosin und Adenin werden zusätzlich an den Primer angehängt, damit sie ebenfalls synthetisiert werden ( PCR). Die Bedeutung der angehängten Anfangssequenz (CACC) wurde erklärt.
Die ermittelten Primer wurden durch die Firma Invirtogen hergestellt. Sie ergänzten den zweiten
Strang zu jedem Primer. Bei der PCR trennen sich die DNA- Doppelstränge durch den
Denaturierungsschritt. Nur so können sie sich an eine DNA- Sequenz lagern.
Abb. 14: Beschriftung der DNA- Stränge und Primer (P).
Die Primer binden komplementär an die DNA- Stränge.
Die Synthese erfolgt vom 3‘- Ende zum 5‘- Ende der DNA.
5.2. Gelelektrophorese
Da die Länge und die Basenabfolge der Primer unterschiedlich ist, varriieren auch ihre
Schmelzpunkte. So ist auch die Temperatur der Primeranlagerung an die DNA unterschiedlich
(Temperatur der Primeranlagerung 2°C unter dem Schmelzpunkt der Primer). Um zu sehen, inwie
fern die Temperatur bei der PCR eine wichtige Rolle spielt, entschied ich mich vorerst für einen
Durchschnittswert von 54°C.
5‘-
-5‘
-3‘
3‘-
5‘- -3‘
3‘- -5‘
P1
P2
18
1. 2. 3. 4. 5. 6.
1. Musterband17
2. AIN
3. M17
4. TMM
5. MUTE
6. M10
Abb. 15: Gelelektrophorese meiner PCR- Produkte
unter UV- Licht
Auf der Abbildung 15 sollten die PCR- Produkte auf der Länge des roten Pfeiles sichtbar sein. Es sollte
dort ein heller Balken erscheinen, denn die Länge der Promoter liegt zwischen 2000- 2400
Basenpaaren. Die DNA- Fragmente dieser Länge, also zwischen 2000- 2400 Basenpaaren, sind auf der
rot markierten Stelle gekennzeichnet. Bei Nr. 2 und 5 ist ein schwacher Balken sichtbar. Vermutlich
kam es bei der PCR zu einer schwachen Synthese der gewünschten Sequenz. Die Resultate der PCR
waren zwar nicht brauchbar, aber sie liessen mich annehmen, dass die Bedeutung der
Temperatursetzung doch wichtig war. Ausserdem lagerten sich die Primer dieser Promotoren auch
an einer zweiten Stelle der DNA an. Man erkennt es an der Markierung weiter unten.
Dies bedeutet, dass die Anlagerungstemperaturen vielleicht zu niedrig waren, so dass sie die Primer
auch an anderen Sequenzen gebunden hatten. Daraus resultierend, lagen die Temperaturen für Nr.
3, 4 und 6 zu hoch, so dass die Primer nicht an die Sequenzen binden konnten.
Um meine Annahmen zu beweisen, startete ich eine zweite Polymerase- Kettenreaktion. Deshalb
erhöhte ich die Temperaturen für die Primeranlagerung auf 51°C bzw. 58°C.
2. PCR
Promotoren Temperaturen
AIN
MUTE
58°C
M17
TMM
M10
51°C
17 Dieses Musterband ist ein Vergleichsmuster. Damit kann ich die Länge meiner PCR- Produkte kontrollieren. ( Abb. 30)
19
1. 2. 3. 4. 5. 6.
1. Musterband
2. AIN
3. M17
4. TMM
5. MUTE
6. M10
Abb. 16: Zweite Gelelektrophorese
Die zweite PCR bestätigte einen grossen Teil meiner Annahmen: Tatsächlich spielte die Temperatur
eine entscheidende Rolle für die Anlagerung der Primer an der ausgesuchten Sequenz. Der zu Beginn
ausgewählte Durchschnittswert, verhinderte fast vollständig die Synthese der Promotersequenzen
TMM, MUTE, M10, M17 und AIN. Als die Temperaturen den verschiedenen Primern näher angepasst
wurden, erfolgte die Synthese der Promotersequenzen erfolgreicher. Dies zeigt die Abbildung 16 der
zweiten Gelelektrophorese. Man sieht die Banden bei Nr. 2, 4, 5 und 6. Die Nr. 3 (M17) scheint trotz
der Veränderung kein Band zu enthalten. Offenbar lag der Fehler woanders. Die erfolgreich
abgeschlossenen Produkte der PCR genügen mir für die weiteren Versuche, deshalb arbeite ich nicht
mehr mit dem Promoter des Gens M17.
5.3. Klonierung
Bei der Klonierung hatte ich ein Problem. Die Promoter von AIN, M17, TMM, MUTE und M10
konnten nicht an den Vektor pENTR synthetisiert werden. Dies nahm ich an, weil ich nach der
Restriktionsanalyse auf dem Agarosegel nur DNA- Fragmente gleicher Länge sah. Das Enzym, welches
im Promoter schneiden sollte, tat dies offenbar nicht, weil die Sequenz fehlte. Asuka und ich gingen
einzeln den Schritten nach, die wir bis zur Klonierung erledigt hatten. Woran lag wohl dieser Fehler?
Später las Asuka im Internet von einem Enzym namens Phusion. Dieses Enzym spielt bei der PCR eine
wichtige Rolle. Ausserdem arbeitet es effizienter als die Taq- Polymerase, die wir bevorzugten. Es
erstellt saubere Enden der PCR- Produkte. Nach der dritten PCR erwies sich, dass der Fehler
tatsächlich an der Taq- Polymerase lag, die unsorgfältig arbeitete. Denn wenn die PCR- Produkte
nicht den vorgegebenen Anfang der Basen (CACC) aufweisen, können sie nicht an die Vektoren
binden, welche die komplementären Basen enthalten.
20
Abb. 17: Gelelektrophorese nach Taq- Polymerase
In der Abbildung 17 wird meine misslungene Klonierung dargestellt. Die DNA- Fragmente der
Promoter MUTE und TMM sind alle gleich lang, nämlich 2601 Basen lang. Dies ist die exakte Länge
des pENTR- Vektors. Daraus resultiert, dass die 2267 Basen von MUTE und 2098 Basen von TMM gar
nicht in den Proben vorhanden waren.
Abb. 18: Gelelektrophorese nach Phusion
Aus der Abbildung 18 ist herauszulesen, dass die Promoter in den Plasmiden von E. coli enthalten
waren. Bei MUTE betrifft es die Bakterien aus der zweiten Kolonie. Obwohl die anderen Kolonien die
Promoter nicht enthielten, genügen mir die Bakterien aus der zweiten Kolonie für die Transformation
von Arabidopsis (Abb. 20). Für die weiteren Versuche mit Agrobakterien verwendete ich die
Promoter TMM aus der ersten Kolonie.
Obwohl ich mit Schwierigkeiten konfrontiert war und manchmal beinahe verzweifelte, empfand ich
die Feldarbeit als den interessantesten Teil meiner Maturaarbeit. Die Experimente waren vielseitig,
was mir grossen Spass bereitet hat.
MUTE TMM
21
5.4. Transformation von Eschericha coli
Auf dem Nährmedium wachsen die transformierten E. coli Bakterien heran (Abb. 19). Weil dieses
Medium mit Antibiotika angereichert ist, können nur solche Bakterien überleben und sich
vermehren, welche das Resistenzgen aufgenommen haben.
Abb. 19: Nährmedium für transformierte E. coli, Abb. 20: Auf der rot markierten Stelle sind
Bakterien mit unterschiedlichem Promoter werden transformierte E.coli sichtbar, die den Promoter MUTE
getrennt gezüchtet enthalten
Auch wenn man davon ausgehen kann, dass die Bakterien auf dem Nährmedium das Resistenzgen
enthalten, so ist es nicht zwingend, dass sie auch den Promoter haben. Grundsätzlich sind Bakterien
nur überlebensfähig, wenn sie ihre gesamte DNA verdoppeln können. So geben sie ihre gesamte
Erbinformation an die Tochterzellen weiter. Wenn ein Plasmid nicht geschlossen ist, d.h., den
Promoter enthält, so kann die Information nicht repliziert werden. Es erfolgt keine Zellteilung und
das Bakterium stirbt ab.
Trotzdem kann sich während dem Experiment ein Fehler eingeschlichen haben und das Plasmid kann
geschlossen werden, ohne den Promoter zu enthalten. Auf diese Weise wäre das Bakterium zwar
überlebensfähig, aber der Promoter würde sich nicht im Plasmid befinden.
Schliesslich wird das Plasmid derjenigen Bakterien extrahiert, die auf dem Nährmedium überleben
konnten. Eine Analyse der klonierten DNA liefert Ergebnisse darüber, ob der Promoter am Plasmid
gebunden hat. Sie wird als Restriktionsanalyse bezeichnet.
22
5.5. Restriktionsanalyse
Für diese Phase meiner Forschungsarbeit wählte ich ein Enzym, das einerseits im Vektor und
andererseits in der Promotersequenz die DNA schneidet. Ein Computer- Programm stellte mir eine
Auswahl von Enzymen dar, die für jedes Plasmid spezifisch aufgeführt waren. Durch die
unterschiedliche Basenabfolge meiner Plamide unterschied sich auch die Auswahl der
Restriktionsenzyme.
Ein Beispiel:
Die 685. Base des p-ENTR Vektors
bildet den Beginn der Promoter-
sequenz. Diese Information erhielt
ich durch Abbildung 21. Zudem
kannte ich die Länge der Basen für
den Promoter MUTE. So fand ich ein
Enzym, das im Promoter und im
Vektor schneidet. In der
nebenstehenden Abbildung ist das
Enzym rot unterstrichen.
Abb. 21: Restriktionsenzyme für den p-ENTR- MUTE aus dem oben erwähnten
Computerprogramm (NEB). Wenn man mit der Maus auf ein Enzym klickt, erfährt
man an welcher Basensequenz das Enzym schneidet.
23
Nach der Restriktionsanalyse wird mit einer erneuten Gelelektrophorese überprüft, ob man zwei
DNA- Fragmente sehen kann.
Promoter: MUTE
1. 2. 3. 4. 5.
1. Musterband
2. E. coli der 1. Kolonie
3. ˮ 2. Kolonie
4. ˮ 3. Kolonie
5. ˮ 4. Kolonie
Abb. 22: Gelelektrophorese
Die Plasmide (Vektor und Promoter) der E. coli wurden mit dem Enzym EcoRV behandelt. Es sind
jedoch nur bei den Bakterien der zweiten Kolonie zwei unterschiedlich lange Fragmente sichtbar
(Abb. 22). Für die folgenden Experimente arbeite ich mit den E. coli der zweiten Kolonie.
24
5.6. Transformation von Agrobakterium tumefaciens
Für meine Experimente verwendete ich einen Vektor namens pLB12, der mit einem meiner Promoter
verknüpft werden sollte. Die Promoter wurden aus dem Vektor pENTR durch Restriktionsenzyme
gelöst und in pLB12 integriert. Beide Vektoren wurden mit solchen Restriktionsenzymen behandelt,
damit die Enden der Nukleinsäuren überlappten. Dabei musste ich darauf achten, dass die Enden
auch komplementär zueinander waren.
Der Promoter wurde an die Stelle eingebaut, wo sich die Sequenz der Tumor auslösenden Gene
befand. Anschliessend gelangte das neue Plasmid (pLB12 und Promoter) in ein Agrobakterium. Das
Bakterium vervielfältigte das Plasmid durch den Kopiervorgang in seiner Zelle und war von nun an
Träger eines meiner Promoter (Abb. 23).
Abb. 23: Modell des Vektors pLB12 (CMr-ccdB= einer meiner Promoter, XVE=
Hormonrezeptor; hat keine Bedeutung für meine Arbeit, Kan= Kanamycin-
Resistenzgen für die Selektion der Agrobakterien, GUS= β- Glucuronidase- Gen;
Erklärung folgt im Kapitel „Nachweis mit dem GUS- Gen“)
25
5.7. Transformation der Acker- Schmalwand
Abb. 24: Die Acker- Schmalwand wurde mit transformierten
Agrobakterien infiziert
Abbildung 24 zeigt eine mit Flüssigkeit gefüllte Flasche. In der Flüssigkeit waren Nährstoffe gelöst, die
für das Überleben des Agrobakteriums sorgten. Für die erfolgreiche Infektion berücksichtigte ich zwei
Kriterien: Einerseits verwundete ich die Acker- Schmalwand mit der Schere, so fällt es den Bakterien
leichter, die Pflanze zu infizieren und die T-DNA zu übertragen. Andererseits war es wichtig, dass die
Keimlinge von den Bakterien überfallen wurden. Das zweite Kriterium spielt bei der Zellteilung eine
wichtige Rolle. Wenn die jungen Zellen der Pflanze infiziert werden, kann die gesamte genetische
Information mittels Zellteilung auf die Tochterzellen übergeben werden. Diese Zellen teilen sich
wieder und reichen die Information an ihre Tochterzellen weiter. Auf diese Weise ist in jeder Zelle
der aus den Keimlingen heranwachsenden Pflanzen die Information zu einem meiner Promoter
enthalten. Später lagerte ich die infizierten Pflanzen in einem Raum, der mit Licht gesättigt war. Die
Samen der Keimlinge verteilte ich auf einem Nährmedium, das Kanamycin enthielt. Nach zwei
Wochen war folgendes Ergebnis sichtbar.
26
Abb. 25: Nährmedium für die Acker- Schmalwand
Auf der Abbildung 25 erkennt man, dass die Samen der Acker- Schmalwand zu wachsen begannen.
Darunter befanden sich auch Samen, die nicht transformiert wurden und somit keine Resistenz
gegenüber dem Antibiotikum aufwiesen. Die aus den Samen entstandenen Pflanzen waren hellgrün
und hatten kein gesundes Wachstum. Die Blattränder begannen sich aufzulösen. Auf der rot
markierten Stelle entwickelte sich eine Pflanze, die gesund aussah und dunkel gefärbt war (Abb. 26).
Abb. 26: Eine antibiotikaresistente Pflanze, die den Promoter
MUTE enthält
27
5.8. Der Nachweis mit dem Beta- Glucuronidase- Gen
Unter dem Lichtmikroskop sah ich
die blaue Färbung einerseits an der
Blattoberfläche und andererseits in
den jungen Zellen der Acker-
Schmalwand. Damit konnte ich
beweisen, dass die Pflanze
tatsächlich den Promoter MUTE
enthielt. MUTE steuert die
Transkription bzw. Translation des
GUS- Gens. Weil das GUS- Gen in
den blau gefärbten Zellen aktiv ist,
bedeutet es, dass auch der
Promoter in diesen Zellen arbeitet.
Abb. 27: Ein Blatt der transformierten Acker- Schmalwand mit dem Promoter
MUTE unter dem Lichtmikroskop
28
6. Politische Situation in der Schweiz
6.1. Das Moratorium
In der Schweiz gilt seit dem 27. November 2005 ein Moratorium für die Anwendung der Grünen
Gentechnik. Zunächst wurde der Entscheid, ob man in der Schweiz gentechnisch veränderte Pflanzen
anbauen darf, auf das Jahr 2010 verschoben. Anschliessend verschob der Bundesrat den Entscheid
um weitere drei Jahre. Das Labor und die Freilandversuche sind vom Moratorium jedoch nicht
betroffen. Das Moratorium verbietet den landwirtschaftlichen Anbau gentechnisch veränderten
Saatguts. Bis 2013 sollten die Nutzen und Risiken der Gentechnik erforscht werden. Deshalb darf
man weiterhin Forschung im Labor und mit Freilandversuchen betreiben. „Die Technologie ist
absolut noch am Anfang18. Das Potenzial ist enorm. Wir werden in wenigen Jahren wahrscheinlich
Produkte herstellen können, die sinnvoll sind. Heute können wir noch keine Produkte herstellen, die
auch im Sinne der Ängste richtig sind“, sagt Cesare Gessler, ein Forscher auf dem Gebiet der Grünen
Gentechnik.
6.2. Ziele des Nationalen Forschungsprogramms 59
Für die Forschungszwecke wurde ein nationales Forschungsprogramm NFP59 durch den Bundesrat
aufgestellt19. Das Programm versucht Fragen zu klären, die mit Politik, Ökologie, Gesellschaft und
Technologie verbunden sind:
Die Koexistenz
Eine der Fragen, um die sich das Forschungsprogramm kümmert, ist die Koexistenz, d.h. das
gleichzeitige Vorhandensein von herkömmlichen, landwirtschaftlichen Produktionsmethoden und
der Gentechnik. Ein Landwirt oder Bauer soll die Freiheit haben zu entscheiden, ob er biologischen
Anbau betreiben oder gentechnisch verändertes Saatgut anpflanzen will. Genau dieses Problem
befürchten die Schweizer Bauern: Das gentechnisch veränderte Saatgut des Nachbarfeldes könnte
durch einen Windstoss auf dasjenige Feld gelangen, auf dem biologischer Anbau stattfindet. Dadurch
können die Pflanzen kaum unterschieden werden und der Konsument könnte sich nicht mehr darauf
verlassen, ein biologisches Produkt zu kaufen. Laut Art. 7 des Schweizerischen Gentechnikgesetzes
(GTG) muss aber die Produktion ohne gentechnisch veränderte Organismen geschützt bleiben.
Dieses Gesetz schützt auch die Wahlfreiheit der Konsumenten. Deshalb ist ein getrennter Warenfluss
ebenfalls wichtig für das Forschungsprogramm. Es besteht immerhin ein Risiko, dass das
transformierte Bodenbakterium, welches sich auf der transgenen Pflanze befindet, auch andere
Pflanzen transformieren kann.
Bis 2013 soll geklärt werden, welcher Abstand zwischen zwei unterschiedlich bewirtschafteten
Feldern notwendig ist, um die Koexistenz zu ermöglichen. Das Projekt 26 untersucht den getrennten
Warenfluss.
18 QV: Debatte 19 QV: Internet
29
Das Verhalten der Gesellschaft
Das NFP 59 setzte einen weiteren Schwerpunkt in der Forschung: Sie untersuchte das Verhältnis der
Gesellschaft zur Gentechnologie. Sie stellte fest, dass zwar die Angst bzw. Abneigung der
Bevölkerung zur Grünen Gentechnik seit dem Jahr 2002 leicht abnahm. Bei einer Meinungsumfrage
eines Experiments im Rahmend des NFP 59 waren aber trotzdem 62% der Befragten (also die
Mehrheit) dagegen, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu konsumieren. 25% entschieden sich
deutlich für den Konsum von gentechnisch veränderten (GV-) Lebensmitteln und eine grosse Menge
forderte die Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten und unveränderten Lebensmitteln. Von
diesen 62%, die gegen den Konsum waren, schlugen nur 26% ein Verbot vor.
Die Feldversuche
Da die Freilandversuche vom Moratorium nicht betroffen sind, wurden bereits erste Experimente mit
transgenem Weizen durchgeführt. Für die Freilandversuche musste eine Bewilligung der zuständigen
Behörden eingeholt werden. Ausserdem wurde ein grosser Sicherheitsaufwand erbracht. Denn
Umweltschützer und Gentech- Kritiker versuchten die Experimente zu sabotieren. Die Feldversuche
in Zürich untersuchten das Resistenzgen gegen Mehltau und die biologische Sicherheit des
transgenen Weizens. Im Gewächshaus schien das Resistenzgen in der Pflanze kaum Nachteile zu
zeigen. Als sich die Pflanze der Umwelt näherte, tauchten jedoch bereits erste Probleme auf: Je nach
Weizensorte wirkte die Resistenz unterschiedlich. Zudem verfärbten sich die Blätter der Pflanze und
die Samenmenge reduzierte sich. Offenbar veränderte sich die Pflanze erst durch den leichten
Kontakt mit der Umwelt. Wie hätte sich die Pflanze wohl verhalten, wenn sie kommerziell angebaut
worden wäre? Aufgrund des Moratoriums werden viele Wissenschaftler keine Antwort auf diese
Frage finden können.
Das Moratorium gilt bewusst bis ins Jahr 2013, denn die Ergebnisse des Forschungsprogramms liegen
erst im Jahr 2012 vor.
30
6.3. Meinungen aus dem Schweizer Volk
6.3.1. Ein Befürworter der Grünen Gentechnik
Der Nutzen der Gentechnik an einem Beispiel aus China
Die Produktion des wichtigsten Textilrohstoffs, die Baumwolle, kann mit der weltweiten Nachfrage
kaum Schritt halten20. Den Pflanzenzüchtern war es schon lange ein Anliegen, den Ertrag der
Baumwolle zu steigern. Mit der klassischen Züchtung konnten ertragreichere Baumwollsorten
hergestellt werden. Die Gene für hohe Faserqualität konnten jedoch nicht auf eine Pflanzensorte
übertragen werden. Die Verbesserung dieser Eigenschaft war mit der klassischen Kreuzung nicht
möglich. Ein chinesisches Forscherteam war mit den bisher erzielten Ergebnissen bei weitem nicht
zufrieden. Die Qualität und die Quantität sollten die gleiche Bedeutung für die Baumwolle erhalten.
So versuchte das Forscherteam mit der Gentechnologie das Gen in die Pflanze zu bringen, welches
für die Produktion des Pflanzenhormons IAA verantwortlich ist. Das Pflanzenhormon IAA regt die
Entwicklung der Baumwollfaser an. Bei den Laborversuchen zeigte die neue Baumwollsorte einen
34% höheren Ertrag als die ursprüngliche Baumwolle. Dank der Gentechnologie hatte diese Sorte
feinere Fasern. Der Erfolg der Gentechnologie führte dazu, dass seit 1997 zwei Drittel des
Baumwollanbaus in China mit Gentech- Sorten besetzt sind. Darunter sind vor allem Baumwollsorten
vorhanden, die Resistenzgene gegen Insekten aufweisen.
Zum Erfolg der Grünen Gentechnik in China äusserte sich Jan Lucht, ein Befürworter (Abb. 28) dieser
Technologie, wie folgt: „Das Ereignis in China zeigt eine effiziente Möglichkeit Eigenschaften von
Pflanzen zu verändern21. Die Gentechnologie kann gezieltere Veränderungen im Erbgut erreichen, als
es die klassische Kreuzung erlaubt. Wissenschaftler erforschen das für das gewünschte Merkmal
verantwortliche Gen, isolieren es und transformieren die DNA in die Zielpflanze. Wenn die weiblichen
und männlichen Gene nicht zufällig verteilt werden, vermeidet man den Nebeneffekt von
unerwünschten Eigenschaften, die wie im Beispiel von China eine verschlechterte
Faserqualität der Baumwolle verursachten. Zudem ist es möglich, ein
artenfremdes Gen in eine Pflanze zu übertragen. Dies ist bei der klassischen
Züchtung unwahrscheinlich, da man Pflanzen gleicher Art miteinander kreuzt.
Meistens sind für eine Eigenschaft mehrere Gene verantwortlich. Mit der
klassischen Züchtung ist es schwierig verschiedene Gene unter einen Hut zu
bringen, wie es im oberen Beispiel angedeutet wurde.“
Abb. 28: Jan Lucht
20 Lucht Jan. Internutrition Point. 2011. S. 1. 21 Anhang: Ein Interview mit Jan Lucht. 2011.
31
Bringt die Grüne Gentechnik einen Nutzen für die Umwelt? „Natürlich kann sie so eingesetzt werden,
dass die Umwelt von der Grünen Gentechnik profitiert. Ein wichtiger Einfluss ist beispielsweise die
Insektenresistenz der Baumwolle aus China“ begann Jan Lucht, „Diese Baumwolle trägt ein Gen in
sich, das aus einem Bodenbakterium stammt. Das Gen regt die Pflanze an, ein Insektizid namens Bt-
Toxin zu produzieren, welches die schädlichen Insekten abtötet. Dank insektenresistenter GV-
Baumwolle konnte der Verbrauch an Insektiziden verringert werden. Eine Untersuchung, die 14 Jahre
andauerte, bewies, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmittel weltweit auf 150 Millionen Kilogramm
sank. Dies war nur dank der Gentechnik in so kurzer Zeit machbar.“ Der Interviewte verknüpfte
diesen Gedanken mit dem CO2- Ausstoss von Transportwagen: „Wenn künftig weniger
Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, verringert sich auch der Transport solcher Produkte. Somit
wird der weltweite CO2- Ausstoss reduziert“.
Die importierten Lebensmittel
In der Schweiz gilt das Moratorium, deshalb ist der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen
strengstens verboten. Aber 10% der weltweiten Ackerflächen werden schon heute mit diesen
Pflanzen bewirtschaftet. Deshalb könnte es möglich sein, dass durch den Import z.B. von Soja GV-
Lebensmittel in der Schweiz verkauft werden. Jan Lucht verifizierte diese Annahme teilweise: „Es ist
schwierig, GV- Pflanzen von den anderen vollkommen zu trennen. Denn ein leichter Wind reicht, um
das Saatgut der transformierten Pflanzen in Bewegung zu setzen. So können auf der Anbaufläche, wo
ursprünglich biologischer Anbau betrieben wurde, auch GV- Pflanzen heranwachsen. Doch beim
Import unterliegen die Lebensmittel regelmässigen Kontrollen. Mit den neusten Techniken kann man
schnell herausfinden, ob es sich um ein GV- Produkt handelt. Wenn das der Fall ist, wird es auf der
Packung angeschrieben. In der Schweiz als auch in der EU sind GV- Spuren von weniger als 0,9 %
zugelassen und müssen nicht gekennzeichnet werden, wenn die Sorte im Land bereits als Lebensmittel
zugelassen ist.“ Ich erfuhr von ihm, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel auch in der Schweiz
verkauft wurden. Doch aufgrund heftiger Proteste wurden die Produkte auf dem Markt verboten.
Dies geschah vor dem Moratorium.
Eingeschränkte Forschung
Ich interessierte mich für die Einstellung von Jan Lucht zum Moratorium in der Schweiz. Er ist froh
darüber, dass das Labor und die Freilandversuche davon nicht betroffen sind. Doch es sei schade,
dass man GV- Produkte nicht auf dem Land anbauen kann. Bei den Freilandversuchen ist die Pflanze
nie ganz denselben Umweltfaktoren ausgesetzt wie auf dem Land. Wenn man nicht sehen kann,
welche Probleme die transformierte Pflanze auf dem Feld mit sich bringt, ist es schwierig, daran
etwas zu verbessern. Aus diesem Grund schränken die Freilandversuche viele Unternehmen wie die
Syngenta ein. Die Syngenta ist das grösste schweizerische Agrargeschäft. Es ist auch in der
Gentechnik tätig. Damit es bessere Pflanzen züchten kann, betätigt sich das Unternehmen auch im
Ausland.
32
„Die Angst vor dem Neuen“
Bei den Freilandversuchen der ETH in Lindau stiess der Anbau von transgenen Pflanzen auf heftigen
Widerstand der Schweizer Bürger (siehe Kapitel 6.3.2.). Sie zerstörten die Pflanzen und sabotierten
die Experimente der Forscher. Dies führte dazu, dass künftig solche Experimente mit grossen Kosten
und Aufwand verbunden waren: Die transgenen Pflanzen mussten seitdem mit elektrischem
Stacheldraht und von Sicherheitsleuten bewacht werden. Woher rührt die Angst der Schweizer
Bevölkerung gegenüber der Gentechnik? Jan Lucht geriet ins Stottern, als er diese Frage beantworten
musste. Ich merkte sofort, dass es sich um eine schwierige Frage handelte. Trotzdem sagte er: „Ich
vermute, die Leute haben Angst vor dem Neuen. Sie haben bislang keinen Berührungspunkt mit GV-
Lebensmitteln gehabt. Die Gentechnik bei Lebensmitteln wird heute sowieso als ein Tabuthema
angesehen. Bei Medikamenten ist die Gentechnik heute sehr gefragt. Ich bin mir sicher, wenn man die
Konsumenten mit den Produkten in Berührung bringen würde, wäre auch die Angst kleiner. Auf jeden
Fall wären die Produkte klar zu kennzeichnen. So könnte der Konsument selber entscheiden, ob er ein
GV- Produkt kaufen will oder nicht.“
33
6.3.2. Ein Gegner der Grünen Gentechnik
Die geschwächte Immunabwehr des Weizens
Schon seit die Menschen sesshaft sind, versuchen sie, die Pflanzen mit guten Eigenschaften
untereinander zu kreuzen. Es werden diejenigen Pflanzen bevorzugt, die aus der Kreuzung
entstanden sind und die besten Eigenschaften untereinander aufweisen (klassische Züchtung). Von
der klassischen Züchtung habe ich bereits in der Einführung gesprochen. Nun möchte ich anhand
eines Beispiels eine negative Folge dieser Form der Züchtung zeigen: Der Weizen hat als eine der
wichtigsten Getreide- und Nutzpflanzen auf der Welt seine Widerstandsfähigkeit gegen
Pilzkrankheiten verloren22. Der Ursprung dieses Problems liegt bei der klassischen Züchtung, die die
natürlichen Abwehrkräfte des Weizens schwächte. Die Menschen konzentrierten sich auf besseren
Ertrag und Geschmack und vernachlässigten das für das Auge Unsichtbare: Die Gesundheit der
Pflanze. Über lange Zeit schien die geschwächte Gesundheit keinen Einfluss auf die Pflanze zu haben.
Nun kehrte sich das Blatt und die negativen Auswirkungen machten sich bemerkbar. Die Qualität und
der Ertrag verschlechterten sich nach einiger Zeit. Die am häufigsten aufgetretene Krankheit nennt
sich „Stinkbrand“. Der Erreger, der den Stinkbrand auslöst, ist der Schadpilz23. Der Pilz infiziert die
Weizenkeimlinge und breitet sich während des Wachstums der Pflanze bis in die Stängel aus. Selbst
die Weizenkörner werden durch den Schadpilz infiziert. Auf diese Weise kann sich die Krankheit auf
andere Pflanzen übertragen.
Der Freilandversuch mit gentechnisch verändertem Weizen
Das Problem des Weizens beschäftigte die Forscher der ETH Zürich, sie glaubten in der Gentechnik
eine Lösung gefunden zu haben. Dabei wurde ein Gen, das das Wachstum des Schadpilzes hemmen
sollte, in eine Weizensorte transformiert. Da die Wirkung des Gens auf den Weizen im Labor und
Gewächshaus bekannt war, wagte es der Forscher der ETH Zürich, Christoph Sautter, den
gentechnisch veränderten Weizen im Freiland zu untersuchen. Im Freien sollte die Wirkung des Gens
in der Pflanze, die Wirkung des Gens auf den Schadpilz und das Verhalten des transformierten
Weizens in der Umwelt getestet werden. Bei den Versuchen sollen die Umweltfaktoren wie Wind,
Regen und Sonneneinstrahlung mitwirken. Die Erkenntnisse, die Christoph Sautter erlangte, zeigten,
dass die Umwelt einen Einfluss auf die transformierten Pflanzen hatte und das Verhalten der GV-
Pflanzen beeinflussen konnte.
Das Verhalten der Schweizer Bevölkerung
Beim Feldversuch in Lindau im Jahre 2004 liess sich auch das Verhalten der Schweizer Bevölkerung
gegenüber der Grünen Gentechnik analysieren. Obwohl es einige Wochen vor dem Feldversuch
Informationsveranstaltungen zum Thema „Anwendung der Gentechnik in Pflanzen“ gab, wurden die
Forscher mit einem heftigen Protest der Bevölkerung konfrontiert. Die Abneigung zur Grünen
Gentechnik führte so weit, dass die Forscher zunächst die Erlaubnis zum Freilandversuch vom Staat
nicht erlangten. Erst durch ein weiteres Gesuch wurde das Experiment genehmigt. „Doch woher
rührt die Abneigung der Bevölkerung gegenüber der Grünen Gentechnik?“, fragte ich Stefan
Scheidegger, einem Mildglied der Grünen Partei Schwyz (Abb. 29).
22 QV: Internet 23 Der Schadpilz produziert ein Toxin, das die Qualität der Pflanze verschlechtert und ihren Ertrag verringert.
34
„In der Psychologie gibt es zwei Arten, um Entscheidungen zu fällen24.
Die eine Art basiert auf der Logik und dem Wissen und die andere Art
befasst sich mit den Intuitionen und Bauchgefühlen. Ich denke, dass nach
den Bildern mit Hochtechnologien wie die Atomkraftwerkunfälle (neulich
in Fukushima), die Menschen nicht mehr mit dem Wissen entscheiden
wollen. Sie urteilen mit den Bildern, die in ihren Köpfen verankert sind.
Ausserdem nahmen die Forscher an, dass die Angst schrumpfen würde,
wenn die Menschen über die Gentechnologie informiert wären oder sie
in ihre Projekte einschliessen würden. Dies war nicht der Fall. Es zeigte
sich, dass das Wissen kaum einen Einfluss auf die Akzeptanz der Grünen
Gentechnik hatte. Es sind die Gefühle und Ängste, die entscheidend
sind.“ Abb. 29: Stefan Scheidegger
Der biologische Trend
Als weitere Ursache für die Ablehnung der Grünen Gentechnik, vor allem in Lebensmitteln, nannte er
den biologischen Trend, der sich in der heutigen Gesellschaft entwickelte. „Ein Konsument will, dass
seine Produkte lokal hergestellt, fair gehandelt und biologisch gezüchtet werden. Dieses Verhalten
förderten auch die Grosshändler Coop und Migros. Durch ihre Werbeplakate und -slogans haben sie
den Konsumenten dazu angeregt, biologische Produkte zu kaufen. Es stellte sich das Image ein:
„Wenn es biologisch ist, ist es gut.“, behauptete Stefan Scheidegger.
Ich fragte Stefan Scheidegger, ob er Angst vor der Grünen Gentechnik habe. „Wenn ich den Begriff
höre, dann kommt mir zunächst der Widerspruch zwischen „Grün“ und „Gentechnik“ in den Sinn“,
sagte er, „Das „Grüne“ symbolisiert für mich etwas Natürliches, wobei die „Gentechnik“ gezielt und
manipulativ geschieht. Ich bin sehr skeptisch gegenüber den Folgen. Für mich existiert die
Möglichkeit, dass schwerwiegende Folgen eintreten. Schliesslich brachte auch das Atomkraftwerk
Fukushima verheerende Folgen mit sich. Es waren ungewollte Folgen, aber sie bestanden durchaus.“
Die Gentechnik kann auch Leben retten
Vor ca. 20 Jahren gab es Proteste gegen gentechnisch hergestellte Medikamente. Aber der Nutzen
dieser Medikamente hatte offenbar dazu geführt, dass die Bevölkerung die Medikamente
akzeptierte.
Dazu bemerkte Stefan Scheidegger: „Es ist ein riesiger Erfolg, dass die Wissenschaft krebskranke
Leute oder Diabetiker heilen kann. Für solche Eingriffe ist den Wissenschaftlern auch jedes Mittel
heil. Wenn wir aber das Geschehen zu Ende denken, dann stellen wir fest, dass solche Lösungen im
Kleinen extrem scheinen. Aber je mehr wir diese Technik in Anspruch nehmen, desto komplizierter
wird es. Später beginnen Wissenschaftler sogar Kinder so zu verändern, dass sie die Augenfarbe
besitzen, die sich die Eltern ausgesucht haben. Da frage ich mich: „Wollen wir in einer solchen Welt
leben?““
24 Anhang: Ein Interview mit Stefan Scheidegger. 2011.
35
Das Moratorium
Der Gegner der Grünen Gentechnik unterstützt das Moratorium vollkommen: „Das Moratorium ist
sinnvoll, denn es ermöglicht einerseits den Politikern, andererseits dem Schweizer Volk und der
Wissenschaft eine Denkpause. Man kann sich überlegen, ob wir es in der Schweiz nötig haben,
gentechnisch veränderte Pflanzen zu züchten. Mir wäre es sogar lieber, dass das Moratorium um
weitere 20 Jahre verlängert werden würde. Es ist wichtig zu sehen, ob sich die getesteten Pflanzen
über längere Zeit ohne Risiken für die Umwelt entwickeln können.“ Ich sehe das Problem des
Moratoriums darin, dass sie die Forschung der Grünen Gentechnik in der Schweiz zum Erliegen
bringen könnte. Viele Privatunternehmen wie die Syngenta haben ihren Standort ins Ausland verlegt,
da sie ihre GV- Produkte in der Schweiz nicht kommerziell anbauen können. Auf meine These
antwortete Stefan Scheidegger auf die folgende Art: „Privat finanzierte Forschung ist sowieso nicht
gut. Meiner Meinung nach hat die Forschung von den privaten Interessen unabhängig zu sein. Es
besteht die Gefahr, dass Statistiken so gefälscht werden, wie es den Unternehmen passt. Deshalb soll
die private Forschung verboten werden und nur der Staat soll Forschung betreiben können. Der Staat
soll auch das für die Forschung notwendige Geld zur Verfügung stellen und Forschungsinstitute wie
die ETH unterstützen. Diese Institute sollen in der Lage sein, die wirtschaftlich interessanten Produkte
auszutesten. Aber es muss verhindert werden, dass während den Forschungsarbeiten ein GV- Produkt
auf den Markt gelangt. Denn wenn die GV- Produkte erst einmal auf dem Markt sind, kommt der
Konsument in Kontakt mit den Produkten. Ausserdem würden auf dem Markt die wirtschaftlichen
Interessen überwiegen. Man konzentriert sich auf den Gewinn und vernachlässigt die Gesundheit der
Umwelt und des Menschen. Deshalb ist es noch viel zu früh um bereits die Wirtschaft mit den GV-
Pflanzen zu versorgen. Die Schweiz ist ein attraktives Land. Sie bietet viele Vorteile wie einen guten
ÖV, tiefe Steuern und gut ausgebildete Leute. Es werden die meisten Privatunternehmen ihren
Hauptsitz in der Schweiz behalten wollen.“
36
Die globale Perspektive
„Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind25!“ Das Zitat stammt vom UN- Sonderbeauftragten Jean
Ziegler, der über die Hungersnot in Afrika berichtete. Mit einer Verbesserung der Landwirtschaft
durch die Gentechnik könnte das Problem des Hungers gemildert werden. Stefan Scheidegger ist
anderer Meinung. Er befürchtet, dass die gentechnisch veränderten Kulturpflanzen ein grösseres
Risiko für die Landwirtschaft darstellen können, da die Wissenschaftler zu wenig über die Risiken
wissen. Er sieht den Hunger in Afrika als ein Problem, das aufgrund der globalen, ungerechten
Verteilung der Nahrung entstand. Zudem berichtete er, dass die Afrikaner keine finanziellen Mittel
hätten, dass sie in die Forschung stecken könnten. Wenn sie in Not sind, dann kürzen sie ihre
Ausgaben für die Bildung und Forschung. Somit wäre das Problem nicht gelöst.
Die ETH startete vor einigen Jahren eine neue Entwicklungshilfe für Afrika. Sie entwickeln einen GV-
Reis, dessen Vitamin A- Gehalt viel höher ist, als derjenige Reis aus Afrika. In dieses Projekt bezieht
die ETH auch Wissenschaftler aus Afrika ein. Ausserdem wird das Projekt finanziell vom Schweizer
Staat unterstützt.
„Es sind nicht nur das Geld und die Technik, die Probleme darstellen. Für mich ist es nicht korrekt, dass
wir in der Schweiz keine GV- Pflanzen anbauen, aber solche Produkte nach Afrika verschicken wollen.
Wenn die Produkte von der Qualität nicht so beschaffen sind, dass wir es in der Schweiz essen
könnten, sollten wir es nicht als Müll nach Afrika senden!“, beklagte sich Stefan Scheidegger.
25 Ebner Martin. TERRA. 2011. S. 38.
37
Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen zum Verhalten der Schweizer gegenüber der Grünen
Gentechnik
Befürworter der Grünen Gentechnik: Gegner der Grünen Gentechnik:
Der Kontakt der Bevölkerung mit der Grünen Gentechnik würde ihr Verhalten positiv beeinflussen, dies bewies die heutige Akzeptanz der gentechnisch veränderten Medikamente. Der Kontakt kann in Form von gentechnisch veränderten Lebensmitteln sein, die auf dem Markt angeboten werden. Die Angst vor der Grünen Gentechnik rührt nicht daher, dass die Bevölkerung zu wenig weiss. Sie ist heute aufgeklärter denn je. Nicht der Geschmack oder der Preis der GV- Produkte verleitet die Menschen dazu, die Grüne Gentechnik abzulehnen. In der Schweiz gibt es keinen Anbau mit GV- Pflanzen, deshalb besteht die Angst vor einer Hochtechnologie. Ausserdem wurden Gerüchte von Gentech-Gegnern in die Welt gesetzt. Die Abneigung der Bevölkerung gegen GV- Pflanzen ist eher abnehmend, denn heute werden weltweit grosse Ackerflächen mit GV- Pflanzen angebaut. Das Moratorium wirkt sich negativ auf die Bevölkerung aus. Leute, die kaum etwas von der Grünen Gentechnik wissen, werden in ihrem Verhalten durch das Moratorium manipuliert. Das Moratorium trägt somit zu einer schlechten Stimmung im Volk bei.
Die Bevölkerung unterscheidet zwischen medizinischen und nicht-medizinischen Anwendungen der Gentechnik. Die medizinische Anwendung ist akzeptiert, weil ein grösserer Nutzen wahrgenommen wird.
Trotz den Informationen, die die Forscher der Bevölkerung liefert, um ihr Vertrauen zu gewinnen, hat das Wissen keinen Einfluss auf die Akzeptanz der Grünen Gentechnik. Die Ängste und Bauchgefühle sind wichtig für die Akzeptanz der Grünen Gentechnik. Die Entscheidungen haben keine logische Begründung. Sie sind spontan und stützen sich auf die Bilder der Vergangenheit (Bilder des Atomkraftwerkunfalls in Fukushima). Das Verhalten der Bevölkerung blieb konstant. Die Mehrheit der Schweizer ist gegen die Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft. Das Moratorium gewährt der Wissenschaft und Politik eine Denkpause, um später in Ruhe über die Angelegenheit debattieren zu können. Es muss aber in dieser Zeit intensiv Forschung betrieben werden, damit die Debatten auf Fakten beruhen können.
38
Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen zum Moratorium
Das Moratorium schränkt die Forschung ein, weil es den kommerziellen Anbau von GV- Pflanzen verbietet. Wenn die Pflanzen in der Umwelt integriert wären, zeigten sich Probleme, mit denen sich ein Forscher befassen könnte. Es ist schwierig alle Risiken im Labor einzuschätzen. Wo keine Probleme vorliegen, können keine Lösungen angesetzt werden. Wenn die Forscher einen Freilandversuch machen, müssen sie einen grossen administrativen Aufwand leisten. So geht viel Zeit verloren, die man für die Forschung hätte investieren können. Wenn die Bewilligung zum Versuch eingeholt ist, muss man mit hohen Kosten dafür sorgen, dass die GV- Pflanzen geschützt sind und keinen Schaden in der Umwelt verrichten können. Die Forschungsinstitute müssen auch das Gelände absperren, da Teile der Bevölkerung versuchen werden, die Experimente zu sabotieren. Die Absperrungs- und Sicherheitskosten sind oft höher als die des Experiments.
Während des Moratoriums müssen sich die Forscher intensiv mit den Risiken der Grünen Gentechnik befassen. Es darf keine GV- Pflanze kommerziell angebaut werden oder auf dem Markt erscheinen. Der Markt und die Umwelt sind unkontrollierbar. Es ist wichtig, dass die Freilandversuche an harte Auflagen verknüpft sind, so werden die Forscher nur solche Freilandversuche durchführen wollen, die nützlich für die Forschung sind. Die Arbeiten werden sorgfältiger geplant. -
39
7. Diskussion
Bei der Forschungsarbeit tauchten zwei Probleme auf: Zunächst wählte ich die falschen
Temperaturen für die Primer, die sich an den DNA- Strang anlagern sollten. Anschliessend ersetzte
ich die Taq- Polymerase durch ein präziser arbeitendes Enzym: Phusion. Die Erkenntnisse, die ich aus
den Experimenten im Labor gewann, zeigten mir, dass die Polymerase- Kettenreaktion schwierig ist.
Sie war diejenige Methode, welche am meisten Zeit beanspruchte. Die geführten Interviews
widerlegten meine erste These: „Akzeptiert die Schweizer Bevölkerung die Gentechnik in der
Landwirtschaft deshalb nicht, weil sie zu wenig über die Wissenschaft weiss?“ Sowohl Jan Lucht als
auch Stefan Scheidegger sind der Meinung, dass die Mehrheit der Bevölkerung diesbezüglich
genügend aufgeklärt ist. Es ist auch nicht mangelndes Wissen, das sie dazu bewegte, die Initiative
zum Moratorium zu unterstützen. Die Wissenschaft bemüht sich immer, bei Veranstaltungen die
Bevölkerung in die Projekte einzubeziehen und sie zu informieren. Deshalb kennen sie die Erfolge,
welche die Technologie mit sich bringt. Vielmehr lässt sich die Bevölkerung von den Gerüchten und
Horrorbildern der Gentechnik beeinflussen. Selbst das Moratorium trägt zu einer Stimmung bei, die
die Angst provoziert. Meine zweite These lautete: „Hindert das Moratorium die Forschung auf dem
Gebiet der Grünen Gentechnik in der Schweiz?“ Die These verifizierte sich. Viele Forscher verlassen
die Schweiz, weil sie schlechte Arbeitsaussichten haben (NZZ 21. Mai 2008). Selbst das Interesse der
jungen Forscher am Nationalen Forschungsprogramm 59 war seit dem Moratorium sehr gering.
Heute gibt es keine KMU mehr, die sich mit der Grünen Gentechnik in der Schweiz beschäftigt. Ich
bin derselben Ansicht wie Jan Lucht, dass das Moratorium die Entwicklung dieser Wissenschaft
beeinträchtigt. Es braucht Leute, die forschen. Wenn die Menschen eingeschränkt sind zu forschen
oder ihre Produkte auf dem Markt zu verkaufen, fehlt ein Anreiz. Sie beginnen sogar an der Zukunft
der Grünen Gentechnik zu zweifeln, besonders in der Schweiz.
40
8. Quellenverzeichnis
Literatur:
Ebner Martin. Joachim Jens. Korby Wilfried. Kreus Arno. Linder Paul. Von der Ruhren Norbert. TERRA,
Entwicklungsländer im Wandel, Leben in der „Einen Welt“. 2011. Ernst Klett Verlag. Stuttgart.