Wie offen ist Android? Michael Single * Pascal Zimmermann † Severin Heiniger ‡ 14. November 2010, ETH Z¨ urich Dieser Bericht entstand im Rahmen der Vorlesung Digitale Nachhaltigkeit in der Wissensgesellschaft bei Marcus M. Dapp. Er darf gem¨ ass folgender Creative Commons- Lizenz verwendet werden: CC-BY-SA http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/ * [email protected]† [email protected]‡ [email protected]
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Groups 2010.02: Offenheit des Android-Betriebssystems (Digital Sustainability)
Offenheit des Android-Betriebssystems Bericht von Michael Single, Pascal Zimmermann, Severin Heiniger
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Wie offen ist Android?
Michael Single ∗ Pascal Zimmermann † Severin Heiniger ‡
14. November 2010, ETH Zurich
Dieser Bericht entstand im Rahmen der Vorlesung Digitale Nachhaltigkeit in der
Wissensgesellschaft bei Marcus M. Dapp. Er darf gemass folgender Creative Commons-
Lizenz verwendet werden: CC-BY-SA http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/
android-for-developers.ars/329http://www.gnu.org/licenses/lgpl.html30Beispielsweise erfordert die Verwendung LGPL-lizenzierter Bibliotheken, dass der
Code ebenfalls offen ist, oder aber die Bibliothek durch den Benutzer ausge-tauscht werden kann. Dies stellt ein Problem dar, da Android-Software oft alsGanzes ausgeliefert wird. Auch sog. Reverse Engineering ist ausdrucklich erlaubt.http://source.android.com/source/licenses.html
31http://source.android.com
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3 Offenheit
3.2.1 Private Code-Zweige
Die Entwicklung von Android erfolgt nicht sequentiell, sondern gleichzeitig in
mehreren sogenannten Code Lines (auch Zweige genannt), so dass der Code
der aktuell stabilen Version von Android von dem potentiell instabilen der
zukunftigen Version getrennt wird.32
Die Code Line der zukunftigen Version halt Google aber unter Verschluss.
Der entsprechende Code wird erst als Ganzes mit dieser zukunftigen Ver-
sion veroffentlicht. Als Grund dafur wird angegeben, damit den Fokus der
Offentlichkeit auf die aktuelle Version zu lenken. Gleichzeitig behalt sich da-
durch Google das Recht vor, die strategische Richtung von Android als Platt-
form zu bestimmen. Dadurch konne sich Google auf eine kleine Anzahl von
Geraten konzentrieren, um die Weiterentwicklung voranzutreiben, aber auch
um mit Android verwandtes geistiges Eigentum zu schutzen. Insbesondere sei
Google manchmal im Besitz vertraulicher Informationen von Drittunterneh-
men, die rechtlich noch nicht angemessen geschutzt seien.
Der nicht erwahnte, aber entscheidende Grund fur diese Politik ist aber wahr-
scheinlich ein anderer. Innovationen geschehen in diesem hart umkampften
Markt so schnell, dass es sich kein Anbieter leisten kann, seine mittel- und
langerfristigen Plane (sogenannte Roadmaps) der Offentlichkeit kund zu tun,
um der Konkurrenz nicht einen unnotigen Vorteil zu geben. Beispielsweise
erfahrt die Offentlichkeit erst kurz vor dem Verkaufsstart neuer Versionen von
Apples iPhone uber dessen Neuerungen. Darum erscheint es nur konsequent,
dass neben den privaten Code-Zweigen von Android keine Informationen uber
Zukunftsplane im Voraus preis gegeben werden.
Von diesem Ausschluss sind explizit also nicht nur Entwickler von Anwen-
dungen betroffen, sondern auch Personen, die Beitrage zum Code von Android
leisten. Ausser fur ausgewahlte Partnerunternehmen besteht fur externe Perso-
nen also keine Moglichkeit der direkten Einflussnahme auf bzw. Einsicht in die
zukunftige Versionen von Android. Da neue Versionen im Abstand von durch-
Software auszuliefern. Dies geschieht einerseits aus dem Bestreben heraus, sich
von der Konkurrenz abzusetzen, aber auch davon, durch zusatzliche Dienste
Umsatz zu generieren.
Insbesondere von Branchenkennern wird kritisiert45, dass diese Software oft
von schlechter Qualitat ist, nur von wenigen Konsumenten gewunscht werde
und oft nicht einmal deinstalliert werden konne. Solche Software wird daher
auch salopp als Bloat- bzw. Crapware bezeichnet.
Eine weitere Moglichkeit der Einflussnahme durch Mobilfunkbetreiber ist die
Einfuhrung von Beschrankungen. Kunden des Unternehmens AT&T ist es
nicht einmal gestattet, Anwendungen zu installieren, die nicht aus dem An-
droid Market stammen.46 Als weiteres Beispiel sei das sogenannte Tethering
erwahnt. Diese neue Funktion von Android 2.2 ermoglicht es, ein Android-
Gerat als mobilen Hotspot zu betreiben, so dass sich in der Nahe befindliche
Gerate ebenfalls Internetzugang erhalten konnen. Mobilfunkbetreiber konnen
diese Funktion nach Belieben sperren. Des Weiteren erlaubte die erste Version
der Internettelefonie-Software Skype fur Android auf Verizon47-Geraten keine
kostenlosen Gesprache, obwohl dies die wichtigste Funktion der Anwendung
darstellt.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Mobilfunkbetreiber die Kontrolle daruber
haben, ob und wann neue Versionen von Android an bereits verkaufte Gerate
ausgeliefert werden. Dies kann als Grund gesehen werden, warum auch ein
halbes Jahr nach Erscheinen der Version 2.2 immer noch zwei Drittel der Kon-
sumenten eine altere Version verwendeten.48 Es ist naheliegend, dass Mobil-
funkbetreiber lieber neue Gerate und Abonnemente verkaufen, als bestehenden
Kunden einen Gefallen zu tun.
Zusammenfassend lasst sich sagen, dass die Mobilfunkbetreiber durchaus von
der Offenheit von Android profitieren, aber diese infolge von Eigeninteres-
sen, die primar finanzieller Natur sind, nur beschrankt an ihre Konsumenten
45http://techcrunch.com/2010/09/09/android-open/46http://www.tuaw.com/2010/11/08/dissecting-androids-openness/47Ein grosser Mobilfunkbetreiber in den USA48http://developer.android.com/resources/dashboard/platform-versions.html
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weitergeben. Dieser Gegensatz in angeblich in den Vereinigten Staaten noch
deutlicher zu spuren als in Europa.49
3.3.2 Hardware-Hersteller
Seit der Lancierung der Android-Plattform ist die Anzahl der Unternehmen,
die Android-Gerate produzieren, deutlich gestiegen. Zu den namhaftesten Un-
ternehmen zahlen HTC, Dell, Motorola, Samsung und LG.50
Das hat zur Folge, dass Konsumenten eine wachsende Anzahl Wahlmoglichkeiten
haben. Jedoch ist dies nicht direkt ein Indiz fur die Offenheit der Plattform,
da beispielsweise auch das Betriebssystem Windows Phone auf Geraten von
unterschiedlichen Herstellern verfugbar ist. Immerhin fuhrt Konkurrenzdruck
aber zu einem Preisverfall im Sinne der Konsumenten.51
Genau wie bei den Mobilfunkbetreibern ist auch fur Hardwarehersteller die
Diversifizierung ein wichtiges Thema. HTC vermarktet seine weitreichenden
Anderungen an der Benutzeroberflache von Android HTC Sense. Diese ist
proprietar, was aber im Einklang mit den Lizenzbestimmungen von Android
ist.
Wahrend der Entwicklung der vergangenen Versionen von Android hat Goo-
gle jeweils exklusiv mit ausgewahlten Partnerunternehmen wie HTC und Mo-
torola zusammengearbeitet, was diesen einen wettbewerbstechnischen Vorteil
gegenuber anderen Unternehmen gegeben hat.52
Obwohl die Apache Software License beliebige Anderungen an der Android-
Plattform erlaubt, wurden Hardwareherstellern (aber auch Mobilfunkbetrei-
bern) gewisse Beschrankungen auferlegt, sofern diese ihre Produkte unter Ver-
wendung des Markennamens “Android” vermarkten wollen. Zum Android Open
Source Project gehort zu diesem Zweck ein Android Compatibility Program, das
49http://www.osnews.com/story/23789/Android Not Open Wait What50http://en.wikipedia.org/wiki/List of Android devices51http://blog.zentity.com/2010/09/the-android-openness-delusion/52http://seekingalpha.com/article/173363-android-handset-makers-are-at-google-s-mercy
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genau vorgibt, welche Kriterien Gerate erfullen mussen, um als Android com-
patible gelten zu durfen.53 Geraten, die diese nicht erfullen, steht insbesondere
der Android Market nicht offen.54 Als Grund fur diese Einschrankungen wird
angegeben, dass unkontrollierte Anpassungen zu inkompatiblen Implementa-
tionen fuhren konnen. Das konne sich zum Beispiel dadurch aussern, dass nicht
alle Android-Anwendungen auf einem Gerat lauffahig sind.
3.3.3 Anwendungsentwickler
Die Masse und Qualitat von Anwendungen, die fur ein mobiles Betriebssystem
verfugbar sind, gehort zu den entscheidenden Faktoren fur den Erfolg einer
solchen Plattform, da Konsumenten damit die Grundfunktionalitaten eines
entsprechenden Gerats nach Belieben erweitern konnen. Mit Hilfe des Software
Development Kits (SDK) (siehe Kapitel 2.4) konnen Anwendungsentwickler
kostenlos eigene Anwendungen bauen und auf ihren Geraten testen.
Jedoch braucht es einen Kanal, uber den solche Anwendungen zu den Kon-
sumenten gelangen konnen. Hierzu dient primar der Android Market. Dies
ist ein proprietarer Dienst von Google, den Hardware-Hersteller nur mit Ein-
verstandnis von Google auf ihren Android-Geraten anbieten durfen.55 Im No-
vember 2010 enthielt der Android Market ungefahr 160’000 Anwendungen.56
Ein Anwendungsentwickler kann selbst entscheiden, ob er fur seine Anwendun-
gen Geld verlangen mochten oder nicht. In ersterem Fall erhalt dieser aber nur
70 % des Verkaufspreises, wahrend der Rest an die Mobilfunkbetreiber und die
Unternehmen, die die Zahlungen abwickeln, verteilt wird.57
Anwendungen mussen aber nicht unbedingt uber den Android Market vertrie-
ben werden. Diese konnen vom Entwickler direkt zum Herunterladen angebo-
ten werden oder uber Dienste wie SlideMe verteilt werden.58 Auf den ersten
60http://www.android.com/us/developer-distribution-agreement.html61“You may not use the Market to distribute or make available any Product whose primary
purpose is to facilitate the distribution of Products outside of the Market.”62Dazu gehort beispielsweise die Verletzung von Rechten bzgl. geistigen Eigentums, Ent-
halten von Schadcode, usw.63http://news.cnet.com/8301-1035 3-10210515-94.html64http://www.openhandsetalliance.com/android overview.html
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3.4 Konsumenten
Im Kapitel 3.3.1 wurde beschrieben, dass manche Mobilfunkbetreiber und
Hardwarehersteller dem Konsumenten die Kontrolle uber sein Gerat entziehen,
fur das er Geld bezahlt hat. Welche Moglichkeiten stehen dem Konsumenten
zur Verfugung, um diese Kontrolle zuruckzuerhalten, ohne zu Alternativen
wechseln zu mussen, die ihm mehr Freiheiten gewahren?
Mittels Rooting ist es moglich, privilegierten Zugriff (Root Access) auf das
Android-Betriebssystem zu erlangen. Damit lassen sich weitreichende Anderungen
am Gerat durchfuhren, wozu das Entfernen von vorinstallierten Anwendungen,
die Installation neuer Versionen von Android oder sogar die Installation von
modifizierten Android-Versionen gehort.65 Lange Zeit wurde dies von Mobil-
funkbetreibern in den USA nicht geduldet66 und Gegenmassnahmen wurden
getroffen. Als Begrundung wird angegeben, dass verhindert werden soll, dass
Gerate korrumpiert oder unbrauchbar werden. Rooting wurde schliesslich Mit-
te 2010 von der fur Copyright-Fragen verantwortlichen US-Behorde fur legal
erklart.67
Die Notwendigkeit des Rootings ist somit ein klares Beispiel fur fehlende Of-
fenheit. Nur ein kleiner Teil der Konsumenten ist technisch versiert genug, um
damit die Kontrolle uber solche Android-Gerate zuruckzuerhalten.68 Der Rest
ist der Willkur von Mobilfunkbetreibern und Hardwareherstellern ausgeliefert.
CyanogenMod ist eine von privaten Android-Nutzern entwickelte modifizier-
te Version von Android, eines sogenannten Custom ROMs, das zahlreiche
Funktionen69 enthalt, die in der offiziellen Ausgabe von Android nicht enthal-
ten sind.70 Im September 2009 wurde der Hauptentwickler von Google abge-
mahnt mit der Begrundung, dass CyanogenMod die Rechte von Google verlet-
ze, da es die proprietaren Anwendungen die Google Maps, den Android Market
65http://en.wikipedia.org/wiki/Rooting (Android OS)66http://www.androidguys.com/2010/07/26/rooting-android-phone-longer-crime/67http://www.copyright.gov/1201/68http://www.pcworld.com/article/205414/googles openness on android is overrated.html69Zum Beispiel die Unterstutzung fur das verlustfreie, freie Audioformat FLAC, USB-
77If modifications of the the OS were to interfere with these control functions [volumegovernors, temperature sensors, charging circuitry], even unintentionally, the phone couldbe physically damaged or the battery could be overcharged.
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4 Vergleich zu anderen Betriebssystemen
eine Jahresgebuhr fur die Verwendung des Software Development Kits (SDK)
verrichten. 30% des aus der Anwendung erwirtschafteten Gewinnes an Apple
abgeben. Jede Anwendung, die in den App Store aufgenommen werden soll,
durchlauft zuerst eine Prufung durch Apple. Eine weitere Einschrankung der
Entwickler aussert sich darin, dass die im SDK enthaltene Entwicklungsumge-
bung Xcode nur auf Mac OS X lauffahig ist.
Seit Version 4.0 des iOS untersagt Apple zudem die Verwendung von Zwischen-
schichten zur Entwicklung von Anwendungen. Davon ist beispielsweise Adobes
Flash-Technologie, aber auch Java und Microsofts Silverlight betroffen.
Im Gegensatz zu Android kommt im iOS keine Virtual Machine zu Einsatz.
Das lasst sich dadurch begrunden, dass dazu gar keine Notwendigkeit besteht,
da iOS nicht auf zahlreichen verschiedenen Plattformen funktionieren muss,
sondern nur auf der von Apple bestimmten Hardware.
4.2 MeeGo
Durch die Vereinigung von Intels Moblin-Projekt mit Nokias Maemo hat im
ersten Quartal des Jahres 2010 die Entwicklung des auf Linux basierenden
Open-Source-Betriebssystems MeeGo begonnen. Ziel ist es, eine Plattform fur
verschiedene Endgerate wie Mobiltelefone und Notebooks bereitzustellen.78
Wahrend der finnische Konzern Nokia langjahriger Marktfuhrer bei Mobilte-
lefonen ist, liegt er im Bereich der Smartphones gegenuber seiner Konkurrenz
zuruck.79 Intel hingegen versucht durch die Entwicklung von MeeGo mit sei-
nen Atom-Prozessoren in Markt der Smartphones Fuss zu fassen, der momen-
tan von der konkurrierenden ARM-Architektur dominiert wird.80 Durch seine
Plattformunabhangigkeit soll MeeGo beide Architekturen unterstutzen.