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Inhaltsverzeichnis: 1. Einführung:……………………………………………………...2 2. Zur Problematik über die Anfänge polnischer Städte:……….2 3. Von der Burg zur Stadt:………………………………………...4 3.1. Frühstädtische Entwicklung in Großpolen: …………………..5 3.1.1. Entwicklung großpolnischer Zentren am Beispiel von Posen:…………………………………………………………….10 3.2. Frühstädtische Entwicklung in Kleinpolen:…………………13 3.2.1. Entwicklung kleinpolnischer Zentren am Beispiel von Krakau: …………………………………………………………...15 4. Schlussbetrachtung:…………………………………………….17 5. Literaturverzeichnis:……………………………………………19 1
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Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen im 10. – 13. Jahrhundert

Feb 24, 2023

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Page 1: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

Inhaltsverzeichnis:

1. Einführung:……………………………………………………...2

2. Zur Problematik über die Anfänge polnischer

Städte:……….2

3. Von der Burg zur Stadt:………………………………………...4

3.1. Frühstädtische Entwicklung in Großpolen:

…………………..5

3.1.1. Entwicklung großpolnischer Zentren am

Beispiel von Posen:…………………………………………………………….10

3.2. Frühstädtische Entwicklung in

Kleinpolen:…………………13

3.2.1. Entwicklung kleinpolnischer Zentren am

Beispiel von Krakau:

…………………………………………………………...15

4. Schlussbetrachtung:…………………………………………….17

5. Literaturverzeichnis:……………………………………………19

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Page 2: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

1. Einführung:

Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf

die dynamische Entwicklung polnischer

frühstädtischen Zentren der Piasten. In der

modernen Forschung gibt es verschiedene

Standpunkte und oft wird spekuliert. Um an

Antworten zu gelangen, habe ich mich mit

mehreren Arbeiten auseinandergesetzt. Und um

nicht einseitig an das Thema einzugehen, habe

ich Literatur von deutschen wie polnischen

Wissenschaftler beigezogen. Die historischen

Ereignisse spiegeln sich in den verschieden

Gesichtspunkten der Forscher. Dabei habe ich

auch mit Aufsätzen und Monographien gearbeitet,

die den aktuellen Forschungsstand

repräsentieren. Im Rahmen meiner Hausarbeit

lässt sich nicht die Literatur vollständig

aufführen. Ich habe versucht die wichtigste und

die meist verwendete Werke herauszufinden und

zu erforschen.

Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt in der

Frage nach der Entstehungsgeschichte polnischer

Vorstädte und deren Entwicklung zur Städten.

Dabei bemühe ich mich die Bedeutung der

Burgsiedlung im Prozess der Städtewerdung

herauszuheben. Angesichts der Grundterritorien

Polens, nämlich Großpolen und Kleinpolen,2

Page 3: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

versuche ich jenen Faktoren herauszufinden, die

die frühstädtische Entwicklung bestimmten.

2. Zur Problematik über die Anfänge

polnischer Städte:

Die Frage nach der Anfänge und der Entwicklung

der Städte in Polen ist sehr komplex. Die

sogenannte Kolonialtheorie, die durch deutsche

Historiker formuliert wurde besagt, dass die

Anfänge der Städte in Polen im 13. Jahrhundert

liegen1. Demnach kann man von einem Städtewesen

in der Zeit vor der deutschen Lokation nicht

reden, sondern eher von einer Art vorstädtische

Siedlungen. Nach dem Ersten Weltkrieg wandte

sich die Interesse der polnischen

Geschichtsschreibung der vorkolonialen

Entwicklungsphase Zentren städtischer

Charakter. Kaziekierz Tymieniecki schreibt,

dass die Entstehung einer Stadt nicht nur im

rechtlichen, sondern auch im wirtschaftlichen

und topographischen Sinne als Erscheinung zu

behandeln ist. Daher bezeichnet die Lokation

1 Szaja, R.: Bilanz und Perspektiven der polnische

Städteforschung; in: Duchhard, H. u.a. (Hrsg.):Städteforschung, Stadt und Region, Köln1 2005, Reihe A, Bd. 65,S. 15-16 Elektronisch zugänglich unter:(http://books.google.de/ ) Letzter Zugriff (14.08.2012)

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Page 4: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

eher das Ergebnis eines langen

Entwicklungsprozesses und nicht den Anfang

polnischer Städte2. In den folgenden Jahren

konzentrierte sich die Forschung auf die

städtische Funktion der Vorburgen, auf die

Bedeutung der Märkte vor der Lokation und deren

Beziehungen mit den deutschrechtlichen Städten

und auf die Herausbildung eines eigenständigen

Stadtrechts. Entscheidende Erkenntnisse brach

vor allem die Forschung in den letzten 25

Jahren. Die Existenz eines eigenständigen

polnischen Stadtrechts wird immer wieder

abgelehnt und damit die Evolutionstheorie.

Karol Buszek rechtfertigte dies, indem er

zeigte, dass die frühpolnischen Siedlungen

nicht autark waren, sondern

Rechtsinstitutionen, denn sie unterstanden der

Katellaneigerichtsbarkeit3. Dennoch wird der

dynamischen Entwicklung frühstädtischer

polnischen Zentren im 10.-13.Jahrhundert eine

große Rolle für den gesellschaftlichen

2 Schich, W.: Wirtschaft und Kulturlandschaft, Gesammelte

Beiträge 1977 bis 1999 zur Geschichte des Zisterzienser und der „Germanica Slavica“, Bd. 12, Berlin1 2007, S. 224-237 Elektronisch zugänglich unter: (http://books.google.de/) Letzter Zugriff (12.08.2012)3 Gawlas, S.: Die lokationswende in der Geschichtemitteleuropäischer Städte; in: Mühle, E.: Städteforschung,Rechtsstadtgründungen im mittelalterlichen Polen, Köln u.a.2011, Reihe A, Bd. 81, S. 78

4

Page 5: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

Aufschwung beigemessen, bei der Erforschung von

wirtschaftlichen Faktoren4.

Im Vergleich der vorkolonialen Formen

städtischer Siedlung im Ostmitteleuropa mit

frühen städtischen Siedlungen im nicht römisch

beeinflussten Westmitteleuropa vermerkt Walter

Schlesinger Parallelen in der städtischen

Entwicklung der gesamten Region. Dazu gehören

auch die sogenannten Burgstädte. Demnach

sollten stadtartigen slawischen Siedlungen in

vorkolonialer Zeit genauso wie die germanisch-

deutschen Siedlungen mit städtischem Charakter

als Städte bezeichnet werden, denn „nicht nur durch

ihr Recht wird die Stadt zur Stadt, sondern auch durch

Bevölkerungszahl, Siedlungsform, Wirtschaftsweise und

Zentralität“. Zufolge hat sich nicht die Stadt

nach Osten ausgebreitet, sondern die ausgebaute

im Westen „städtische Gemeindeverfassung“5.

Die moderne Forschung unterscheidet drei Phasen

der Verstädterung in der Vorlokationsperiode.

Die erste Phase umfasst die Entwicklung des

sogenannten „Keim der Stadt“ vor der Entstehung

des polnischen Staates unter den Piasten. Die

zweite Phase behandelt die Zeit der

frühpiastischen Monarchie bis zum Anfang des

11. Jahrhunderts. Und die letzte Phase

4 Szaja, R.: Bilanz und Perspektiven der polnischeStädteforschung, S. 16-305 Schich, W.: Wirtschaft und Kulturlandschaft, S. 231-233

5

Page 6: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

entspricht die Entwicklung des Stadtwesens als

Vorgänger der Lokation6.

3. Von der Burg zur Stadt:

Heute ist uns über die Zeit der sogenannten

„Stadtkeime“ nur wenig bekannt. Die Forschung

stützt sich vor allem an archäologische

Erkenntnisse. Die Zeit der frühpiastischen

Monarchie ist dank schriftlicher Quellen etwas

eindeutiger. Bei dem Erforschen der

Anfangsphase der Städteentstehung unterscheidet

man zwei Typen von städtischen Siedlungen,

nämlich Stadtkeime und Städte mit Lokalrecht7.

Die Stadtkeime stellen Zentren dar, in denen im

Rahmen einer Burg eines Feudalherrn, Kaufleute

und Handwerker siedelten. Dabei erledigte die

Bevölkerung weiterhin bäuerliche Arbeiten. Bei

den Städten mit Lokalrecht handelt es sich um

typisch mittelalterliche Städte, die aber über

die volle Rechtsautonomie nicht verfügten8. Die

sogenannten Burgstädte bezeichnen eine Art6 Andrzej, W.: Die polnische mediävistische Forschung zu Fragender Genese und Entwicklung der Stadtformen in derVorlokationszeit (eine Forschungsbilanz); in: Brachmann, H.(Hrsg.): Burg-Burgstadt-Stadt, Zur Genese mittelalterlichernichtagrarischer Zentren in Ostmitteleuropa, Berlin 1995, S.28-297 Hensel, W.: Anfänge der Städte bei den Ost- und Westslawen,Bautzen 1967, S. 298 Hensel, W.: Anfänge der Städte, S. 30

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Page 7: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

stadturbane Siedlungen. Diese Siedlungskomplexe

bestanden meist aus einem Burgwall mit

zugehöriger nichtagrarischen Suburbien

(Handwerkersiedlung) und einer offenen

Siedlung. Wahrscheinlich wurde die piastische

Herrschaft durch Statthalter in den abhängigen

Burgwällen gesichert. In den schriftlichen

Quellen seit dem 11. Jahrhundert ist auch die

Rede von spezialisierten Handwerkern als

fürstliche Dienstleute9. Die zentralen

Burgwälle besaßen neben den Gefolgschaften der

weltlichen Macht auch kirchliche Gemeinden als

Vertreter der geistlichen Macht. Diese

Siedlungskomplexe stellten nicht nur politisch-

kirchliche Zentren dar. Sie durften überwiegend

an gewerbliche und kaufmännische

Beschäftigungen orientiert gewesen sein10.

Archäologische Zeugnisse datieren die

Entstehung einiger der wichtigsten piastischen

Burganlagen wie Posen, Gnesen und Kruszwica, im

Sinne der multifunktionalen

Siedlungsagglomeration, erst im 10.

Jahrhundert. Was zu bedeuten hat, dass sie

keine Jahrhundertlangen Geschichte haben,9 Brather, S.: Archäologie der Westlichen Slawen, in: Beck, H.u.a. (Hrsg.): Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischenAltertumskunde, Bd. 61, Berlin2 u.a. 2008, S. 146-14910 Evamaria, E.: Wege zur mittelalterlichen Stadt; in:Brachmann, H. (Hrsg.): Burg-Burgstadt-Stadt, Zur Genesemittelalterlicher nichtagrarischer Zentren in Ostmitteleuropa,Berlin 1995, S. 13-19

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Page 8: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

sondern sind sie das Ergebnis einer rasanten

und dynamischen Entwicklung. Andere wiederum

entstanden als direkte Folge einer

Herrscherinitiative11.

3.1. Frühstädtische Entwicklung in Großpolen:

Großpolen stand nicht unter dem großen Einfluss

des Fernhandels, denn das Land befand sich weit

von den damaligen Handelsstraßen. Daher verlief

auch die Städteentwicklung anders als in

Kleinpolen12.

Bereits vor der Entstehung des polnischen

Staates traten große Veränderungen des

Burgnetzes. Viele Burgen im Südwesten

Großpolens verschwanden oder sanken auf die

Stufe eines Dorfes. Dafür kam es aber zu einer

Verdichtung des Burgnetzes im Zentrum

Großpolens13.

Anhand aufgefundenen Waffen und Reiterrüstungen

wird die oben erwähnte Präsenz lokaler Fürsten

und bewaffnete Gefolgschaften belegt. Dies wird

als der Anfang militärischer Kräfte angesehen,

11 Brather, S.: Archäologie der Westlichen Slawen, S. 149-15312 Hensel, W.: Anfänge der Städte, S. 50-5713 Zofia, K.: Frühstädtische Entwicklung an den Zentren derPiasten in Großpolen; in: Brachmann, H. (Hrsg.): Burg-Burgstadt-Stadt, Zur Genese mittelalterlicher nichtagrarischerZentren in Ostmitteleuropa, Berlin 1995, S. 133-135

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Page 9: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

was für die Herausbildung des polnischen

Staates eine Grundlage war. Die hohe

Konzentration des Burgnetzes in Großpolen

bedeutete eine starke Konzentration der fast

gesamten militärischen und sozialen Kräfte im

Zentrum Großpolens. In diesen Burgen gibt es

keine eindeutigen Belege für einen

Großfernhandel14. Umso bemerkenswerter ist der

Aufschwung handwerklicher Produktion in den

folgenden Jahren.

Zwischen den 10. und 11. Jahrhundert macht sich

eine hierarchische Herausbildung der

frühpiastischen Burgen bemerkbar. Die Anlagen

Gnesen, Posen, Ostrow Lednicki, Giecz und

Grzybowo sondern sich als Hauptburgen der

frühpiastischen Monarchie aus. Sie wurden dicht

aneinander gebaut und zeichneten sich durch

eine beträchtliche Größe aus. Die Burgen ersten

Ranges wurden stark befestigt und hatten eine

hohe Zahl an Bewohner. In der Umgebung der

Burgen ist eine intensive agrarische

Kolonisation zu beobachten.

Die Burgen zweiten Ranges wurden eher an

strategischen Stellen gebaut. Meist baute man

aber kleine gut befestigte Burgen im Hinterland

der Hauptburgen oder auch in Knotenpunkte der

Siedlungszonen. Insgesamt hat sich die Zahl der

14 Zofia, K.: Frühstädtische Entwicklung…, S. 132-1339

Page 10: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

neuen Siedlungen und der kleinen Burgen bis zum

Anfang des 11. Jahrhunderts verdreifacht 15.

Die Entstehung neuer Siedlungen und

Burgkomplexe unter den Piasten war das Ergebnis

planvoller Umsiedlung der Bevölkerung aus

anderen Teilen Großpolens. Besonders die neuen

Siedlungskammern im Zentrum Großpolens

bestimmten die Siedlungsstruktur des Raumes im

Hochmittelalter16.

Die erstrangigen Burgen Großpolens waren alle

durch das Wassersystem von Warthe verbunden.

Die strategische Raumeinteilung des Burgnetzes

an Flüsse ermöglichte direkte

Verkehrsverbindungen zu Westpommern,

Ostpommern, Mittelpolen, sowie zu den

russischen Ländern. Durch planmäßige Besiedlung

schaffte der neue Staat nach und nach ein Netz

von Land- und Wasserstraßen17.

Abgesehen von dem Rechtsstatus, besaßen die

erstrangigen Burgstädte der frühpiastischen

Monarchie alle Merkmale, die für eine

mittelalterliche Stadt typisch waren. Die

Burgwällen dienten der Demonstration und der

Repräsentation der piastischen Macht. Die

Konzentration der fast gesamten militärischen

Kräfte im Centrum Großpolens spiegelte sich in

15 Ebd., S. 13516 Ebd., S. 138-13917 Ebd., S. 139-140

10

Page 11: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

der ständigen Vergrößerung und Verbesserung der

Burgkomplexe wieder18. Die Tatsache, dass diese

Burgen nur selten einen fremden Angriff nicht

überstehen konnten, zeugt von der hohen

Verteidigungswert dieser Befestigungsanlagen19.

Wie schon erwähnt stellten die Burgwälle nicht

nur politische, sondern auch wirtschaftliche

und sakrale Standorte dar. Als

Herrschaftsresidenzen zeugen sie von

bemerkenswerter Architektur. Gleichzeitig

erfüllten sie die Funktion von Verwaltungs- und

Gerichtszentren. Die hochrangigen Burgen waren

die ersten polnischen Zentren des Christentums,

der Kunst, der westlichen Kultur usw. Die

Burgen dieser Gruppe stellten die Anfänge des

Schulwesens und die Entwicklung des Schrifttums

dar20.

Die wirtschaftlichen Funktionen der

frühpiastischen Burgen verlagerten sich in die

Suburbien. Deren Aufgaben waren vor allem die

Bedürfnisse der Herrschaftselite zu

befriedigen. Also kurz gesagt, stellten die

Burgen eher Konsumzentren dar21. Die kleineren

Burgen erfüllten zum größten Teil

Abgabepflichten zu den erstrangigen Burgen. Im

Bereich der Dienstleistungs- und der18 Brather, S.: Archäologie der Westlichen Slawen, S. 121-12619 Archäologie der Westlichen Slawen, S. 14120 Ebd., S. 141-14221 Schich, W.: Wirtschaft und Kulturlandschaft, S. 239-249

11

Page 12: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

Produktionsverhältnisse waren sie also

überwiegend nicht autark.

Von größerer Bedeutung für den wirtschaftlichen

Aufschwung des Burgnetzes waren die

Handelskontakte Großpolens. Archäologische

Funde von Waagen und Gewichten, von Importwagen

sowie eine hohe Menge an aufgefundene

Silberschätze aus dem 10. und 11. Jh. in den

Machtzentren und ihrem Hinterland, bezeugen die

offensichtlich schwerwiegende Rolle des

Fernhandels für die Wirtschaft des Staates.

Großpolen nahm aktiv an den Ostseefernhandel

teil22. Das hohe Niveau der frühstädtischen

Töpferproduktion im 12.Jh. deckte nicht nur den

lokalen bedarf, sondern forderte es die

Umgestaltung der Keramikproduktion benachbarter

Länder heraus. Dabei ist es den Zustrom fremder

Erzeugnisse zu erwähnen. Gefässe aus

Edelmetall, Glas und Keramik waren begehrte

Handelsware. Empfänger importierter Erzeugnisse

waren vor allem geistliche und weltliche

Repräsentanten. Der Zufluss von Luxuswaren ist

nicht selten durch Schenkungen zu erklären. Bei

Besuchen von Monarchen, wie z.B. das Treffen in

Gnesen, wurden Geschenke verschiedenster Art

überbracht - von Edelmetallgefässe bis zu

unfreien Menschen. Die Zufuhr verschiedener

22 Zofia, K.: Frühstädtische Entwicklung…, S. 142-14312

Page 13: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

Güter sowie auch neuer Ideen und Methoden,

bewirkten auch die Besuche geistlicher

Missionare, Hofrepräsentanten, Krieger und

dienstliche Handwerker23. Diese Wanderungen

haben zum multikulturellen Charakter der Burgen

beigetragen.

Die Krise Polens in der zweiten Hälfte des 11.

Jahrhunderts entzog die führende politische

Rolle Großpolens. Die politische Herrschaft

verlegte sich nach Kleinpolen. Im südöstlichen

Großpolen spiegelte sich die Krise in den

Besiedlungsrückgang wieder. Die zerstörten

Großburgen in Gnesen, Posen, Ostrow Lednicki

und Giecz wurden wiederaufgebaut und wie

anderen Kleinburgen zu Kastellaneiburgen

verwandelt. Nur Gnesen und Posen behielten ihre

politische Stellung24.

Trotz veränderter geopolitischer Stellung kann

man in der Periode zwischen den 11. und 12. Jh.

von einen Entwicklungsprozess der Vorstädte zu

Städte mit Lokalrecht ausgehen. Die

Kastellaneiburgen konnten sich weiterhin als

Militärzentren und Besiedlungs- sowie

Verkehrsknotenorte behaupten. Die23 Dzieduszycki, W.: Zum Studium weitreichender Kontaktefrühstädtischer Zentren am Beispiel der Diffusion keramischerImporte nach Polen im 10.-13. Jh.; in: Hensel, W. (Hrsg.):Archaeologia Polona, Journal of Archaeology, Vol. XIX, 1980,S.79-83 Elektronisch zugänglich unter:(http://www.iaepan.edu.pl/archaeologia-polona/) LetzterZugriff (14.08.2012)24 Zofia, K.: Frühstädtische Entwicklung…, S. 144-145

13

Page 14: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

handwerklichen und kaufmännischen Tätigkeiten

stiegen. Im Hinterland der Burgen entstanden

neue Austausch- und Handwerkersiedlungen25.

Im 13. Jahrhundert begann die Zeit der

Städtereform in Großpolen, bekannt als die

Lokationsperiode. Wie schon erwähnt wurde das

Wirtschaftssystem der frühpiastischen Monarchie

überwiegend auf dem Bedarf des fürstlichen

Hofes orientiert. Die sogenannte

Dienstsiedlungsstruktur war nicht mehr

zeitgemäß und daher konnte sie nicht mit der

Entwicklung des Staates mithalten. Die

Wirtschaft musste neu organisiert werden, um

den wachsenden Bedürfnisse der neu entstandenen

fürstlichen Hofhaltungen gerecht zu werden. Das

Streben nach Umgestaltung der Rechts- und

Wirtschaftsordnung löste spätestens seit dem

Ende des 12. Jahrhunderts eine große

deutschrechtliche Siedlungsbewegung aus. „ Das

wichtigste und im allgemeinen einzige Ziel der Herrscher-denen die

Adelige folgten-war […], also eine bessere Bewirtschaftung von Teilen

des Landes durch eine Erhöhung der Bevölkerungsdichte, eine

Verbesserung der landwirtschaftlichen Anbaumethoden, eine

Ordnung der Beziehungen zwischen Herren und Untertanen auf

neuer Grundlage, eine Belebung des städtischen Lebens, des Handels

usw.“26. Die Einzelheiten dieses Prozesses werde25 Ebd., S. 144-14526 Gawlas, S.: Fürstenherrschaft, Geldwirtschaft undLandesausbau. Zum mittelalterlichen Modernisierungsprozess impiastischen Polen; in: Mühle, E.: Städteforschung,Rechtsstadtgründungen im mittelalterlichen Polen, Köln u.a.

14

Page 15: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

ich am Beispiel von Posen und Krakau in den

folgenden Kapiteln deutlicher machen.

Im Allgemeinen löste die Siedlungswelle die

traditionellen Strukturen Großpolens durch

Lokationen ab. Die ältere Burgzentren wurden

durch neue Städte ersetzt. Im Großen und Ganzen

behielt sich aber die alte Raumplanung. Also

die Lokationsstädte wurden in unmittelbarer

Nähe der älteren Burgen gebaut27. Die ehemaligen

Burgen kamen oft in kirchliches Eigentum oder

wurden verlassen. Das alte Landstraßennetz

wurde durch neue Verkehrsstraßen ergänzt.

3.1.1. Entwicklung großpolnischer Zentren am

Beispiel von Posen:

Als deutlich ausgeprägtes Beispiel

Stadtkeimanlagen heben sich die stark

befestigten Burgen von Gnesen und Posen ab.

Die hohe Zahl an Tongefäßen deutet auf breiten

landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Andererseits

weisen Bodenfunde auf Handwerksarbeiten und

Handelstätigkeiten hin. Die Erscheinung der

befestigten Suburbia während des 9. Jh. und zu

2011, Reihe A, Bd. 81, S. 14-1527 Heyde, J.: Geschichte Polens, München 2006, S. 16-18

15

Page 16: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

Anfang des 10. Jh. zeugt von verstärkte

Tendenzen einer Urbanisierung28.

Posen ist eine der ältesten Städte Polens und

gehört zu den Hauptzentren der piastischen

Monarchie. Zwar ist das Posener Land bereits

seit 10 000 Jahren besiedelt, aber von

polnischen Siedlern entlang der Fluss Warthe

und ihrer Nebenflüsse wissen wir erst seit dem

9. Jahrhundert29. Die Stadt Posen entstand auf

der heutigen Dominsel, genannt auch „Ostrow

Tumski“, unter Mieszko als ein hölzernes

Bollwerk. Spätestens gegen Ende des 10.

Jahrhunderts zeichnete sich die Stadt durch

eine stark befestigte Burg und Suburbia,

umgeben von Holz-Erde- bzw. Stein-Wallanlagen30.

Schon im 11. Jahrhundert war die Stadt so dicht

besiedelt, dass ständige Vergrößerungen

benötigt wurden. Die günstige Lage an den

uralten Handelspfaden zwischen West- und

Osteuropa ermöglichte die rasche Entwicklung

des Siedlungskomplexes. Im Raum des Suburbiums

des Posener Landes lassen sich die lebhafte

politische und kulturelle Beziehungen u.a.

durch die Überreste von zwei Kirchen belegen,28 Hensel, W.: Anfänge der Städte, S. 50-5829 Schulze, H.: Das Posener Land (Warthe- und Neßegau),Bevölkerung, Siedlungen, Verkehr und Wirtschaft; in: Deutschewissenschaftliche Zeitschrift für Polen, Sonderheft 5, TeilIII, Posen 1925, S. 235-24130 Ludat, H.: Deutsch-slawische Frühzeit und modernespolnisches Geschichtsbewusstsein, Ausgewählte Aufsätze, Köln1969, S. 74-75

16

Page 17: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

die die Merkmale romanischer und vorromanischer

Kultur vorweisen31. Posen wuchs zu einen der

wichtigsten politischen, wirtschaftlichen,

sozialen und kulturellen Zentren Polens32. Neben

der Residenz des polnischen Herrschers, wurde

auf der Dominsel die erste Kathedrale Polens

„St. Peter und Paul“ gebaut. Als erstes

polnisches Bistum spiegelte sich die große

sakrale Rolle Posens in der Innenausstattung

der Burg wieder. Die geistlichen Präsenter

wurden von den weltlichen deutlich durch einen

Wall getrennt. Mit der hohen

Siedlungskonzentration bei der Burg,

entwickelten sich auch mehrere Siedlungen mit

einem Marktplatz entlang der Warthe auf beiden

Seiten33. Es ist anzunehmen, dass die erhöhte

Besiedlung im Hinterland Posens durch

Herrscherinitiative hervorgebracht wurde. Man

zielte die Stabilisierung des Landverkehrs34.

Durch den Bau von Straßen und Brücken wurde

Posen einen Teil von dem großen Netz von Land-

und Wasserstraßen in Großpolen.

Die mächtige Befestigung der Posener Burg hielt

mehrmals fremde Angriffe auf. Zwischen den 11.

und 12. Jh. verwandelte sich die Stadt zum

Zentrum eines Kastellaneibezirkes. Die Epoche31 Ebd., 7632 Hensel, W.: Anfänge der Städte, S. 240-24133 Zofia, K.: Frühstädtische Entwicklung…, S. 13634 Ebd., S. 140-141

17

Page 18: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

der Teilfürstentümer Polens war die Zeit

wirtschaftlicher Entfaltung der Stadt. Die

Ausbreitung der Hofhaltungen, die Ausdehnung

der inneren Verwaltung, sowie der Landesausbau

trugen zu einer Belebung des Verkehrs und

folglich zu große Handelstätigkeiten bei. Als

Knotenpunkt zwischen den Westen und Osten wurde

Posen Heimat zahlreicher fremder Siedler35.

Wie schon vermerkt öffneten die großpolnischen

Fürsten ihr Land den wachsenden westlichen

Unternehmerkräften und förderten damit den

geopolitischen Anstieg Polens. Schon Anfangs

des 12. Jahrhunderts rief Mieszko der Alte den

Johanniterorden ins Posener Land und schenkte

ihm auf dem östlichen Ufer der Warthe ein Stück

Land. Im Jahr 1187 wurde hier die

Johanneskirche gebaut. Die Anwesenheit des

Johanniterordens bewirkte auch den Bau des

ersten Krankenhaus Posens. Unter dem deutschem

Einfluss begann im 12. Jh. in Posener Land die

Errichtung von Bauten aus Stein. Am Anfang des

13. Jh. entstand zwischen dem „alten Posen“ auf

der Dominsel und der Johannitersiedlung ein

Gemeinwesen, bekannt mit dem Namen „Srodka“36.

Spätestens im 1242 bewirkte der damaligen

Bischof Boguchwal die Verlegung der Dominikaner

35 Ludat, H.: Deutsch-slawische Frühzeit und …, S. 7836 Ludat, H.: Posen vor der Lokation; in: Rhode, G. (Hrsg.):Geschichte der Stadt Posen, Neuendettesau 1953, S. 7-8

18

Page 19: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

von „Srodka“ auf dem westlichen Ufer der

Warthe, womit sich die Agglomeration von der

alten Burg auf der Dominsel auf eine

Lokationsstadt verschob. Die Stadt wurde im

Schachbrettmuster um den Marktplatz angelegt37.

So überließ die einst hochrangige Burg Posens

ihren Platz der neuen Burgstadt, die der neuen

wirtschaftlichen und militärischen

Konstellation gewachsen war. Der Fürst Przemysl

begann ab dem Jahr 1247/1249 überwiegend in der

neuen Stadt zu residieren. Ab diesem Zeitpunkt

begann sich Posen als unangefochtenen

Machtzentrum von Großpolen zu etablieren38. Dank

ihrer günstigen Lage an der Kreuzung wichtiger

Handelswege kam die deutsche Neustadt zu

wirtschaftlicher und kultureller Blüte nach

westeuropäischem Vorbild. Im Jahr 1253 verlieh

der großpolnische Herzog Przemysl der neuen

Stadt das Magdeburger Stadtrecht. In den

folgenden Jahren entstanden bemerkenswerte

städtische Bauwerke, u. a. das Rathaus, die

Stadtwaage, die Pfarrkirche.

37 Jurek, T.: Derposener Lokationsprozess; in: Mühle, E.:Städteforschung, Rechtsstadtgründungen im mittelalterlichenPolen, Köln u.a. 2011, Reihe A, Bd. 81, S. 230-23138 Ebd., S. 228-230

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Page 20: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

3.2. Frühstädtische Entwicklung in Kleinpolen: Leider ist der Stand der Forschung der

Burgsiedlungen auf dem Gebiet Kleinpolens im

Vergleich mit Großpolen sehr dürftig und bietet

keine Möglichkeit eine umfassende

Auseinandersetzung mit der Entwicklung

vorstädtischer Zentren vorzunehmen. Viele neue

Erkenntnisse durch weitere Ausgrabungen stehen

vor39.

Insgesamt sind etwa 315 frühmittelalterliche

Burgen in Kleinpolen registriert. Am besten

sind u.a. die Burgwälle von Krakau, Stradow,

Chrodik und Sasiadka erforscht. Die

Burgsiedlungen sind vor allem im nördlichen

Teil Kleinpolens konzentriert. Im Vergleich mit

Großpolen ist deren Anzahl relativ niedrig.

Also kurz gesagt ähnelt sich die Verbreitung

vorstädtischer Siedlungen in Kleinpolen der

Situation in Böhmen und Mähren40.

Die Versuche kleinpolnischer Stadtkeime

zeitlich einzuordnen sind dank Zaki`s

kritischer Bearbeitung der Funde in Chrodik

etwas eindeutiger. Die Anfänge kleinpolnischer

39 Poleski, J.: Frühmittelalterliche Burgen in Kleinpolen; in:Henning, J. – Ruttkay, A. (Hrsg.): FrühmittelalterlicherBurgenbau in Mittel- und Osteuropa, Bonn 1998, S. 29240 Zaki, A.: Die frühmittelalterlichen Burgwälle in Kleinpolen;in: Aubin, H. u.a. (Hrsg.): Zeitschrift für Ostforschung,Syntagma Friburgense, Festschrift für Hermann Aubin, Jahrgang10, Marburg 1961, S. 370

20

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Vorstädte liegen im 8./9. Jahrhundert41. Also

der Ursprung Stadtkeime Kleinpolens liegt

zeitlich deutlich früher wie in Großpolen.

Deren Existenz dauerte aber etwa bis zum

spätestens 12. Jh. nach der Eingliederung

Kleinpolens in den Piastenstaat. Und zwar

existierten sie nicht mehr als Wehranlagen,

sondern eher als ländlichen offenen Siedlungen.

Als wahrscheinlicher Grund für den Untergang

der großen Burgen in Kleinpolen wird die

Gründung der Staaten Böhmen und Polen mit

Zentrum in Großpolen angenommen. Von den

Stammesburgen besteht sicherlich nur Krakow

weiter fort42. Demnach erscheinen wahrscheinlich

auch die ersten Städte mit Lokalrecht in

Kleinpolen einen Jahrhundert früher wie in

Großpolen43.

Zum Anfang des 11. Jh. entstanden neue

Burgkomplexe als einen Teil des staatlichen

Burgnetzes Polens. Die Zahl der neuen

Siedlungen war deutlich niedriger als vor dem

10. Jh. Da Kleinpolen der Kulturzone von Mähren

und Böhmen zugerechnet wird, sind auch diverse

lokale Unterschiede im sozialen, politischen

und kulturellen Leben zu Großpolen

festzustellen. Kleinpolen charakterisiert sich41 Hensel, W.: Anfänge der Städte, S. 5742 Poleski, J.: Frühmittelalterliche Burgen in Kleinpolen, S.294-29543 Hensel, W.: Anfänge der Städte, S. 84

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durch ein dünneres Verbreitungsgrad der

vorstädtischen Siedlungen44. Die Fläche dieser

Komplexe variierte von 1 ha – in Chodlik bis

25 ha in den größten Burgkomplex Polens von

Stradow. Die meisten von den hatten

mehrgliedrige Struktur und besaßen mehrere

Vorburgen45.

Die sogenannten „Volksburgen“ Kleinpolens waren

vor allem ovale Wehranlagen, die sich den

mährischen sehr ähnelten. Vermutlich stellten

sie Verwaltungs- und Militärzentren dar.

Gleichzeitig besaßen sie Handwerkerstätten und

funktionierten als Standorte des lokalen

Handels und Fernhandels. Die Außenbeziehungen

belegen importierte spätawarische,

großmährische und altmagyarische Denkmäler46.

Aus dem 11. bis Mitte des 13. Jh. sind 60

staatlichen Burgen bekannt. Mit Ausnahme von

Krakow wurden alle nach der Eingliederung

Kleinpolens in den Piastenstaat gegründet.

Leider wurde bisher nur die Krakauer Burg

ausreichend erforscht47. Hier ist eine klare

Grenze zwischen den Stammesburgen und den

staatlichen Burgen zu erkennen. Ein Viertel der

neuen Burgkomplexe erfüllte die Funktion der

neugegründeten im 12.Jh. in Polen44 Ebd., S. 372-37945 Poleski, J., Ebd., S. 295, S. 30146 Ebd., S. 295-29647 Ebd., S. 297

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Kastellaneiburgen. Einige Anlagen wiederrum

fungierten als Militär- und Kultzentren. Im

Hinterland der neuen Burgen wurden

hauptsächlich steinernen Kirchen gebaut48.

Im Großen und Ganzen entsprachen die

Ausstattung und die Funktion der

kleinpolnischen Siedlungsburgen ab dem 12. Jh.

die der großpolnischen. Ein ähnliches Bild

vermittelt auch die Beschreibung des arabischen

Geographen al-Idrisi über die großen Städte

Polens49.

In der zweiten Hälfte des 11. Jh. verlegte sich

das politische Zentrum Polens nach Kleinpolen.

Die neue politische Stellung Krakaus

begünstigte die rasche Entwicklung der ganzen

Region. Am Beispiel der Krakauer Burg, als

besterforschte, versuche ich im folgenden

Kapitel mehr Klarheit über den Prozess der

städtischen Entwicklung in Kleinpolen zu

schaffen.

3.2.1. Entwicklung kleinpolnischer Zentren am

Beispiel von Krakau:

48 Zaki, A.: Die frühmittelalterlichen Burgwälle in Kleinpolen,S. 38049 Hensel, W.: Anfänge der Städte, S. 116-117

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Page 24: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

Auf der europäischen Szene erscheint Krakau

erstmals im Jahr 965. Der Handelsmann Ibrahim

ibn Jaqub beschreibt Krakau in seinem

Kontenbuch als wichtiges Handelszentrum50.

Die ersten Hinweise auf die Existenz slawischer

Krakau stammen aus dem 6. und der ersten Hälfte

des 7. Jh. In den folgenden Jahrhunderten

stellte Krakau die staatliche

Befestigungsanlage der Wislanen auf dem

Wawelhügel dar51.

Bereits im 9.-10. Jh. war Krakau einen

beträchtlich großen Siedlungskomplex, umgeben

von kleineren Siedlungen. Eine Gemeinde, die

schon damals die Funktionen einer Stadt

erfüllte. Deren Bewohner betrieben

Landwirtschaft, Viehzucht, Handwerk und Handel.

Das Handwerk äußerte sich vor allem in

Töpferei, Weberei, Gießerei, Hornbearbeitung

und wahrscheinlich auch in Goldschmiedekunst52.

Die Entwicklung der Stadt zum wichtigen

Handelszentrum verdankt Krakau wahrscheinlich

seiner günstigen Lage an fünf zentralen

Handelsstraßen53.

50 Jone, K. – Rahn, C. (Hrsg.): Warschau, Krakau,Bielefeld/Brackwede4 1999, S. 21151 Lebmann, P.: Andere heimat, Krakow, Leipzig1 1988, S. 14752 Czopek, B.: Das frühmittelalterliche Krakow als städtischesZentrum der Fürstenmacht – im Lichte der Ortsnamen; in:Brachmann, H. (Hrsg.): Burg-Burgstadt-Stadt, Zur Genesemittelalterlicher nichtagrarischer Zentren in Ostmitteleuropa,Berlin 1995, S. 17653 Jone, K. – Rahn, C. (Hrsg.): Warschau, Krakau, S. 211

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Page 25: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

Mit der Eingliederung Kleinpolens zum

Piastenstaat am Ende des 10.Jh. erfolgte

unverzüglich die Christianisierung der

Krakauer. Dies wurde besiegelt durch die

Errichtung des Krakauer Bistums im Jahr 1000

und mit ihm entstand die romanische Kathedrale

auf dem Wawelhügel54. Norman Davies schrieb in

Bezug auf der neuen Position der Stadt: „Krakow

is without parallel in Europe as a city which, from its origin, has

been dominated by the royal Court and the Cathedral”55. Die

Kathedrale und das Schloss auf dem Wawelhügel

wurden zum Markenzeichen Krakaus.

In der zweiten Hälfte des 11. Jh. veränderte

sich die geopolitische Stellung Kleinpolens und

im Jahr 1038 verlegte Kasimierz der Erneuer die

Hauptstadt Polens nach Krakau. Damit

konzentrierten sich die wichtigsten

politischen, militärischen, rechtlichen und

administrativen Funktionen Polens in der neuen

Hauptstadt. Dies führte zur raschen

Entwicklung der Region. Um der Stadt formierten

sich mehrere Ansiedlungen, die in der

Dienststruktur Krakaus herangezogen wurden. Es

entstanden zahlreiche Bauten im romanischen

Stil, u.a. die berühmte Wawelrotunde, die

Kirchen der Heiligen Dreifaltigkeit, St.54 Rozek, M.: Krakau, übers. von Hirszenberg, B., Warszawa1991, S. 1355 Davies, N.: Heart of Europe: a Short History of Poland,Oxford u.a. 1986, S. 306

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Page 26: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

Andreas, St. Florian u.a., das Kloster Tyniec56,

sowie der Stadtteil Okol57. Mit den umliegenden

Siedlungen stieg die Zahl der Bewohner Krakaus

auf 14 00058. „Der Hof wurde zu einem Brennpunkt

internationaler Verbindungen und eines regen

Ideeaustauschs“59.

In der Zeit der Partikularismus behielt die

Stadt Krakau ihre Stellung als Hauptstadt des

Seniorats Polen. Im Rahmen der

Senioratsverfassung war der Krakauer Fürst –

Senior den übrigen polnischen Fürsten

übergeordnet. So verwandelte sich Krakau in

einer Metropole nach europäischer Muster. Die

Stadt wurde zum bedeutenden intellektuellen

Zentrum. Hier entstand eine lateinische Schule

mit beachtlicher Bibliothek60.

Kurzzeitig wurde die rasche Entwicklung Krakaus

von den Tatarenüberfällen in den Jahren

1241/1242 angehalten. Die Stadt wurde schwer

verwüstet. Nur die Wawelburg und der Stadtteil

Okol überstanden die Angriffe. Die Krise wurde

schnell überwunden und die Stadt neu aufgebaut.

Im Jahr 1257 verlieh der Großfürst Boleslaw der

Schamhafte der Stadt das Magdeburger56 Rozek, M.: Krakau, S. 12-1357 Czopek, B.: Das frühmittelalterliche Krakow als städtischesZentrum der Fürstenmacht – im Lichte der Ortsnamen, S. 17658 Jone, K. – Rahn, C. (Hrsg.): Warschau, Krakau, S. 21159 Kozinska-Witt, H.: Krakau in Warschaus langem Schatten,Konkurrenzkämpfe in der polnischen Städtelandschaft 1900-1939,Stuttgart 2008, S. 2260 Rozek, M.: Krakau, S. 13-14

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Page 27: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

Stadtrecht. Zum Anlass ordnete er eine große

Bebauung des Stadtgebietes. Es wurde einen

200x200m großen Marktplatz angelegt, verbunden

mit schachbrettigem Straßennetz. „Die

mittelalterliche Gestalt der Stadt gehört zu den urbanistischen

Phänomenen Europas“61.

4. Schlussbetrachtung:

Angesichts der Literatur, die ich behandelt

habe, ist es abzuschließen, dass die Entstehung

städtischer Siedlungen in Polen grundsätzlich

auf einer Herrscherinitiative zurückzuführen

ist. Damit kann man kein Äquivalent zur

Westeuropa finden.

Es ist auch offensichtlich, dass die polnischen

Vorstädte einer raschen und dynamischen

Entwicklung unterstanden und sich zu Städten

herausbildeten. Still stimme ich der

Evolutionstheorie zu, denn eigentlich besaßen

die polnischen Agglomerationen bereits im 12.

Jahrhudert alle Merkmale einer typischen

mittelalterlichen Stadt. Man könnte sogar

behaupten, dass die fertigausgebaute westliche

Modell auf eigener Weise die natürliche

einheimische Entwicklung unterbrach. Nicht61 Ebd., S. 14

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Page 28: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

destotrotz hatte die Lokation eine

bahnbrechende Bedeutung für die weitere

Entwicklung der polnischen Städte.

Aufgrund mehrerer Faktoren verlief die

Entwicklung an den Zentren der Piasten in Groß-

und Kleinpolen bis zum 12. Jahrhundert

unterschiedlich. Die Hauptgründe liegen in der

geographischen Lage beider Grundterritorien

Polens. Groß- und Kleinpolen gehörten

verschiedenen Kulturzonen. Und wie schon

erwähnt, im Sinne der Wirtschaftsmöglichkeiten,

befand sich Kleinpolen in wesentlich günstiger

Position. Denn das Land lag in unmittelbarer

Nähe von der alten Bernsteinstraße. Im Gegenzug

mussten neue Handelswege in Großpolen erst

entwickelt werden. Die kleinpolnischen

Burgstädte entstanden fast ein Jahrhundert

früher wie die in Großpolen.

Ab dem 12. Jahrhundert verlief der

Entwicklungsprozess der städtischen Zentren in

Groß- und Kleinpolen relativ proportional. In

dem nächsten Jahrhundert war die Struktur

zumindest der Großstädten Groß- und Kleinpolens

sehr ähnlich. In den Augen fremder Reisenden,

wie der arabische Geograph al-Idrisi, waren sie

beinahe identisch.

Im 13.Jahrhundert stellten die polnischen

Städte „Zentren, in denen der Überfluss verschiedener Länder

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Page 29: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

zusammengetragen ist. Außerdem genießen sie Achtung, da in

ihnen Gelehrte (sich aufhalten), die in den

Wissenschaftszweigen und der rumischen Religion gebildet

sind“62, Zentren nach europäischen Muster.

62 Hensel, W.: Anfänge der Städte, S. 11629

Page 30: Groß- und Kleinpolen im Hochmittelalter. Frühstädtische Entwicklung in Groß- und Kleinpolen  im 10. – 13. Jahrhundert

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