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Monika Trümper Grobschlächtige Arbeiter oder durchtrainierte Athleten? Zur singulären Darstellung einer Badeszene auf einer spätarchaischen schwarzfigurigen Lekythos Im Jahre 1985 wurden bei Bauarbeiten im Gebiet der antiken Nekropole von Gela zwei Tonsarkophage gefunden. Einer von beiden enthielt neben einer schwarzfigurigen Amphora eine schwarzfigurige Lekythos, die E. De Miro kürzlich publiziert hat (Abb.1. 2) 1 . Er weist diese Lekythos dem Gela-Maler zu und deutet die vier dargestellten Männer als Handwerker in einer Töpfer- werkstatt, die mit bislang partiell unbekannten bzw. nicht dargestellten Tätig- keiten befaßt seien: Am rechten Rand des Bildfeldes nähere sich ein nur mit einem Schurz bekleideter Mann vorsichtig einem Töpferofen, in dem gerade ein Pithos gebrannt werde. Offenbar obliege es ihm, den Zustand des Brandes zu prüfen (»verificatore«). Hinter ihm bereite sich ein gänzlich nackter, kräf- tiger Mann vor, die fertige Vase aus dem Ofen zu heben, indem er sich die Hände befeuchte (»prelievo del vaso dal forno«). Es folge der ebenfalls unbe- kleidete Heizer, der in seiner Rechten ein gekrümmtes Eisen zum Schüren des Feuers halte (»fuochista«). Mit der erhobenen Linken scheine er den Kollegen am Ofen auf die nötigen Geräte zur Prüfung des Feuers hinzuweisen. Den Schluß in der Reihe gleichförmig nach rechts gewandter Männer bilde ein Handwerker, der in einer Art Wanne sitze. Er bereite den in der Wanne auf- gehäuften Ton vor und halte in der Rechten eine Form, bei der es sich um einen Tonklumpen handele, aus dem der Töpfer die Vasen mache. Im Hinter- grund hingen zwischen den Männern an Stöcken Stoffstücke, von denen das linke eindeutig als Mantel bzw. typische ›exomís anagraphé‹ der Sklaven zu identifizieren sei. Bei dem rechten, gemusterten und wesentlich kompakter wirkenden könne es sich dagegen entweder um ein Bündel aus mehreren Klei- dern der Arbeiter oder aber um ein Kissen handeln, das für den Transport der Vase nach dem Brand gedacht sei. Der am linken Bildrand aufgehängte Gegen- stand sei schwierig zu erklären und stelle wohl einen fußlosen Krug mit trich- terförmigem Hals, eine Art umgedrehter Feldflasche dar. Wenn auch einige der hier dargestellten Tätigkeiten auf anderen Vasen wie- dergegeben werden, wie etwa die Kontrolle und Betreuung des Töpferofens oder die Aufbereitung des Tons, so habe der Gela-Maler nicht nur partiell eine ungewöhnlich eigenwillige Darstellungsweise gewählt wie etwa bei der Bear- beitung des Tons, sondern auch neue bzw. bislang unbekannte Aktivitäten verbildlicht wie das Befeuchten der Hände. Dank dieser Vase seien in einzig- artiger Weise Informationen über das soziale Leben, die Strukturen in Werk- stätten und die Stellung der Handwerker möglich. Vor allem biete die Dar- stellung erstmals Einblick in den hohen Grad der Spezialisierung, der nicht nur in metallverarbeitenden Werkstätten, sondern ganz offenbar auch in Kera- mikateliers den Produktionsablauf kennzeichnete. So sei eine klare Feindiffe- renzierung der Aufgaben innerhalb einer Töpferwerkstatt faßbar, die neben dem hier nicht wiedergegebenen Töpfern, Bemalen und Nachbearbeiten der Auf diese Lekythos hat mich H. Pflug aufmerksam gemacht, der auch bereits die Zugehörigkeit zum Kontext von Palästra und Bad erkannt hatte. Dafür, daß er mir großzügigerweise die Publika- tion dieser neuen Deutung überlassen und diese durch zahlreiche Anregungen entscheidend befördert hat, möchte ich ihm herzlich danken. Für Diskussionen und Hinweise bin ich ferner B. Borg, A. Heinemann und J. Welp sehr verbun- den. Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus M. Bentz, der parallel zu meinen Forschungen diese Lekythos untersucht, seine Ergebnisse aber noch nicht schrift- lich zusammengefaßt hatte, als ich meinen Artikel schon eingereicht hatte. Seine Interpretation dieser Lekythos deckt sich grundsätzlich mit meiner, aber er gab mir zusätzlich noch wichtige Hinweise und Kommentare, die ich nachträglich einarbeiten konnte (s.u.); zusätzlich überließ er mir großzügiger- weise Originalfotos der beiden Ver- gleichsstücke in Providence und Bologna. 1 De Miro (1999). AA 2002/1, 1–8
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Grobschlächtige Arbeiter oder durchtrainierte Athleten? Zur singulären Darstellung einer Badeszene auf einer spätarchaischen schwarzfigurigen Lekythos, Archäologischer Anzeiger

Jan 19, 2023

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Monika Trümper

Grobschlächtige Arbeiter oder durchtrainierte Athleten?Zur singulären Darstellung einer Badeszene auf einer spätarchaischen

schwarzfigurigen Lekythos

Im Jahre 1985 wurden bei Bauarbeiten im Gebiet der antiken Nekropole vonGela zwei Tonsarkophage gefunden. Einer von beiden enthielt neben einerschwarzfigurigen Amphora eine schwarzfigurige Lekythos, die E. De Mirokürzlich publiziert hat (Abb.1. 2)1. Er weist diese Lekythos dem Gela-Malerzu und deutet die vier dargestellten Männer als Handwerker in einer Töpfer-werkstatt, die mit bislang partiell unbekannten bzw. nicht dargestellten Tätig-keiten befaßt seien: Am rechten Rand des Bildfeldes nähere sich ein nur miteinem Schurz bekleideter Mann vorsichtig einem Töpferofen, in dem geradeein Pithos gebrannt werde. Offenbar obliege es ihm, den Zustand des Brandeszu prüfen (»verificatore«). Hinter ihm bereite sich ein gänzlich nackter, kräf-tiger Mann vor, die fertige Vase aus dem Ofen zu heben, indem er sich dieHände befeuchte (»prelievo del vaso dal forno«). Es folge der ebenfalls unbe-kleidete Heizer, der in seiner Rechten ein gekrümmtes Eisen zum Schüren desFeuers halte (»fuochista«). Mit der erhobenen Linken scheine er den Kollegenam Ofen auf die nötigen Geräte zur Prüfung des Feuers hinzuweisen. DenSchluß in der Reihe gleichförmig nach rechts gewandter Männer bilde einHandwerker, der in einer Art Wanne sitze. Er bereite den in der Wanne auf-gehäuften Ton vor und halte in der Rechten eine Form, bei der es sich umeinen Tonklumpen handele, aus dem der Töpfer die Vasen mache. Im Hinter-grund hingen zwischen den Männern an Stöcken Stoffstücke, von denen daslinke eindeutig als Mantel bzw. typische ›exomís anagraphé‹ der Sklaven zuidentifizieren sei. Bei dem rechten, gemusterten und wesentlich kompakterwirkenden könne es sich dagegen entweder um ein Bündel aus mehreren Klei-dern der Arbeiter oder aber um ein Kissen handeln, das für den Transport derVase nach dem Brand gedacht sei. Der am linken Bildrand aufgehängte Gegen-stand sei schwierig zu erklären und stelle wohl einen fußlosen Krug mit trich-terförmigem Hals, eine Art umgedrehter Feldflasche dar.

Wenn auch einige der hier dargestellten Tätigkeiten auf anderen Vasen wie-dergegeben werden, wie etwa die Kontrolle und Betreuung des Töpferofensoder die Aufbereitung des Tons, so habe der Gela-Maler nicht nur partiell eineungewöhnlich eigenwillige Darstellungsweise gewählt wie etwa bei der Bear-beitung des Tons, sondern auch neue bzw. bislang unbekannte Aktivitätenverbildlicht wie das Befeuchten der Hände. Dank dieser Vase seien in einzig-artiger Weise Informationen über das soziale Leben, die Strukturen in Werk-stätten und die Stellung der Handwerker möglich. Vor allem biete die Dar-stellung erstmals Einblick in den hohen Grad der Spezialisierung, der nicht nurin metallverarbeitenden Werkstätten, sondern ganz offenbar auch in Kera-mikateliers den Produktionsablauf kennzeichnete. So sei eine klare Feindiffe-renzierung der Aufgaben innerhalb einer Töpferwerkstatt faßbar, die nebendem hier nicht wiedergegebenen Töpfern, Bemalen und Nachbearbeiten der

Auf diese Lekythos hat mich H. Pflugaufmerksam gemacht, der auch bereits die Zugehörigkeit zum Kontext vonPalästra und Bad erkannt hatte. Dafür,daß er mir großzügigerweise die Publika-tion dieser neuen Deutung überlassenund diese durch zahlreiche Anregungenentscheidend befördert hat, möchte ichihm herzlich danken. Für Diskussionenund Hinweise bin ich ferner B. Borg,A. Heinemann und J. Welp sehr verbun-den.Mein besonderer Dank gilt darüberhinaus M. Bentz, der parallel zu meinenForschungen diese Lekythos untersucht,seine Ergebnisse aber noch nicht schrift-lich zusammengefaßt hatte, als ichmeinen Artikel schon eingereicht hatte.Seine Interpretation dieser Lekythosdeckt sich grundsätzlich mit meiner, aberer gab mir zusätzlich noch wichtigeHinweise und Kommentare, die ichnachträglich einarbeiten konnte (s.u.);zusätzlich überließ er mir großzügiger-weise Originalfotos der beiden Ver-gleichsstücke in Providence und Bologna.1 De Miro (1999).

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Vasen das Aufbereiten des Tons, das Prüfen und das Beheizen des Ofens sowiedie Extraktion des gebrannten Töpfergutes umfaßten. Der in seiner Qualitätumstrittene Gela-Maler habe hier in einem besonders glücklichen Momentseiner Karriere eine geschlossene Szene in gelungener Weise dargestellt, habediese einerseits geschickt an die Form und das Volumen der Vase angepaßt undandererseits mit realistischer Pedanterie »una scena unitaria di tempo e dispazio« geschaffen. Dargestellt seien hier wohl Sklaven, denen die Natur nachAristoteles eine besonders robuste Konstitution für physisch anstrengendeTätigkeiten mitgegeben habe.

Die Deutung des Bildes als Szene in einer Töpferwerkstatt überzeugt nicht,was hier im folgenden gezeigt werden soll. Vielmehr bezieht sich die Darstel-lung auf den Kontext von Bad und Palästra2. Im Bestand der relativ einheit-lich gestalteten Palästraszenen, die dem Gela-Maler zugewiesen werden3, fälltdieses Bild bezüglich der Komposition wie der Motivwahl aber aus demRahmen – und dies gilt nicht nur für das Spektrum dieses Malers, sondern fürDarstellungen aus dem Bereich des Sports und Badens auf Vasen generell.Abgebildet sind hier von links nach rechts ein Mann, der in einer Sitzbade-wanne ein heißes Bad nimmt oder bald nehmen wird, zwei mit charakteristi-schen Attributen ausgestattete Athleten, von denen der rechte sich geradeeinölt, sowie ein Diener, der für die Erhitzung des Badewassers verantwort-lich ist: Er hebt den Deckel eines großen Gefäßes, in dem Wasser auf demFeuer erhitzt wird, vermutlich um die Temperatur des Wassers zu kontrollie-ren oder das Gefäß vom Feuer zu nehmen. Die Begründung für diese von DeMiros Version abweichende Interpretation sei im folgenden im Detail vorge-führt. Dabei werden die vier Akteure einzeln diskutiert, geordnet nicht nach

2 Korrekter wäre statt der Palästra wohldas Gymnasium zu nennen. Die Begriffewerden in der Fachliteratur oft synonymverwendet. Auch wenn dies falsch bzw.unpräzise ist, sei hier in Anlehnung an dieTerminologie in der Literatur zum Gela-Maler dieser Konvention gefolgt. Imfolgenden wird deshalb nicht zwischenPalästra und Gymnasium unterschieden,zumal diese Differenzierung für dieFragestellung nicht relevant ist. ZumGymnasium s.Der Neue Pauly 5 (1998)20ff. s.v. Gymnasion (Ch. Höcker); zurPalästra s.Der Neue Pauly 9 (2000) 166f.s.v. Palaistra (Ch. Höcker), jeweils mitLiteraturangaben.3 Zusammenfassend zum Themenre-pertoire Hemelrijk (1974) 129ff.: ImBestand der über 280 zugewiesenenWerke dominieren dionysische Szenen(mehr als 45%), gefolgt von Darstel-lungen des Herakles (10%); Palästradar-stellungen sind mit zehn Beispielen (diese

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Abb. 1 Schwarzfigurige Lekythos desGela-Malers aus Gela, Gesamtansicht. Gela,Museo Archeologico

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der dargestellten Reihenfolge von rechts nach links oder umgekehrt, sondernnach der Eindeutigkeit und Zusammengehörigkeit ihrer Aktionen und Attri-bute: zunächst der Mann in der Badewanne, dann der Badediener, der Ölaus-gießer und schließlich der Athlet mit Stock. Abschließend soll der Versuchunternommen werden, die Szene in den historischen und archäologischenKontext des Badens in der griechischen Welt des 6. und 5. Jhs. v.Chr. ein-zuordnen.

Die auf stilistischen Kriterien basierende Zuweisung der Lekythos an denGela-Maler sei nicht weiter diskutiert, da sie für die hier gewählte Fragestel-lung nicht von Belang ist4. Auch wenn im folgenden gelegentlich diesemMaler zugeschriebene Stücke zum Vergleich herangezogen werden, ist die fol-gende neue Lesart grundsätzlich unabhängig von einer Meisterzuweisung.

Vase nicht mitgezählt) vertreten (ca. 4%):Aufzählung vgl. Hemelrijk (1974) 151Anm.186. Nur auf zwei Vasen wird einSujet aus dem Umfeld der Handwerkerdargestellt (ABL 209 Nr.81 Taf.24, 4;212 Nr.154): Haspels deutet die Darstel-lung auf Nr.81, die sie nicht näherbeschreibt und die auch nur unvollständigabgebildet ist, als »oilshop«: zwei mitlangen Mänteln bekleidete Männer, vondenen der vollständig sichtbare einengegabelten Stock hält, sitzen auf Klapp-stühlen, umgeben von großen Ampho-ren; zwischen ihnen hängen kleineLekythen an der Wand. Auf der nichtabgebildeten Lekythos Nr.154 sollebenfalls ein »oilshop« dargestellt sein. –In der Datenbank des Beazley Archive inOxford werden unter dem Namen des›Gela Painter‹ 368 Vasen aufgelistet, vondenen einige aber auch seinem Umkreiszugewiesen werden und bei einigenfrühere Zuschreibungen bereits wieder

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revidiert wurden. Den Athletendarstel-lungen kann eine weitere hinzugefügtwerden: Auf einer Lekythos, die imSchweizer Kunsthandel aufgetaucht ist,ringen Athleten zwischen Trainern, vgl.E. Bloch-Diener, Antike Kunst, Berne,Sale Catalogue Nr.183 (o. J.). Eineweitere, diesmal wgr. Lekythos zeigt dreisitzende Männer beim Verkauf vonAmphoren, vgl. Beazley, Paralipomena216 (Athen, Nationalmus. NA57a 2360).4 Vgl. ABL 78ff.; Hemelrijk (1974)134ff. – In der Datenbank des BeazleyArchive wird diese Vase trotz des Litera-turverweises auf die bislang einzige Publi-kation durch De Miro nicht dem Gela-Maler zugeschrieben. Die dargestelltenMänner werden als Handwerker, Töpfer(mit Fragezeichen), einer hockend, einermit Stab, einer mit Aryballos, einer aneinem Ofen in einer Höhle (mit Frage-zeichen) beschrieben. – Nach M. Bentztrifft die Zuweisung an den Gela-Maler

sicher zu, was sich durch die Palmettenauf der Schulter nachweisen ließe, dieallerdings bei De Miro nicht eigens voll-ständig abgebildet sind. De Miro (1999)307 beschreibt »sulla spalla cinque pal-mette alternate collegate da volute conpuntino esterno« und ordnet diese Deko-ration der Gruppe ABL 81 IIIb zu. Indieser Gruppe sind allerdings Lekythoimit drei Palmetten und zwei den Henkelrahmenden stilisierten Lotosblütenzusammengefaßt. Auf der Lekythos ausGela kann man ebenfalls nur drei großePalmetten sicher identifizieren; bei denauf De Miro (1999) Abb.1 kaum erkenn-baren Strukturen zu Seiten des Henkelswird es sich vermutlich um stilisierteLotosblüten handeln, da hier zwei weiteregroße Palmetten sicher keinen Platzgefunden hätten. Vgl. ABL 81f. mitTaf.27, 3 (Schulterzone einer Lekythosder ähnlichen Gruppe IIIa). Die GruppeIIIb datiert Haspels um 490 v.Chr.

Abb. 2 Schwarzfigurige Lekythos desGela-Malers aus Gela, Detailansicht desBildfeldes. Gela, Museo Archeologico

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Der Badende

Die verschiedenen Prozesse zum Abbau, Schlämmen und Aufbereiten des Tonslassen sich zwar rekonstruieren, sind aber auf Vasen kaum dargestellt. DerArbeitsschritt unmittelbar vor der Formung auf der Töpferscheibe, der nachdem Treten der Tonmasse die Aufteilung in kleine handliche Klumpen vor-sah, ist nur auf einem korinthischen Tontäfelchen aus der 1. Hälfte des 6. Jhs.v.Chr. dargestellt. Auch wenn das Stück nur unvollständig erhalten ist, fehltdie hier so auffällige Wanne eindeutig. Außerdem ist dort die zuständige Per-son, eine Frau, mit sehr viel eindeutigerer, charakteristischer Handbewegunggezeigt: Sie formt mit beiden Händen eine Kugel, während der Mann auf derLekythos aus Gela eine flache Form in der rechten Hand hält5.

Die Wanne, in der der Mann sitzt, läßt sich besser als Badewanne denn alseine – nicht überlieferte – ›Tonwanne‹ verstehen. Es handelt sich um den inder griechischen Welt weit verbreiteten Typus der Sitzbadewanne, in der mannur in Hockstellung kauern und sich mit Wasser übergießen, nicht aber sichgroßzügig ausstrecken und wirklich tief untertauchen konnte. In diesem Kon-text ist auch der Gegenstand in der Rechten des Mannes leicht als Schwammzu identifizieren, mit dem der Badende sich wäscht6. Die Form griechischerBadewannen und mit ihr die Menge des Wassers, die man für Sitzbäder ver-wenden konnte, änderten sich über die Jahrhunderte. Von der archaischen biszur hellenistischen Zeit wurden die Wannen immer kürzer, niedriger und dif-ferenzierter in der Innenaufteilung, die eigene Sitze im hinteren breiteren Teilder Wanne und runde Vertiefungen im vorderen schmalen Bereich zumSchöpfen des Waschwassers oder aber zum Entleeren des Brauchwassers umfas-sen konnte. Entsprechend änderte sich die Form des Bades vom »bain d’im-mersion« zum »bain de propreté pour affusions ou douches«7. Diese Sitzbade-wannen bestanden entweder aus Terrakotta oder wurden gemauert undwasserfest verputzt. Erstere konnten freistehen und als transportable Möbelentsprechend flexibel verwendet oder fest in die Erde eingelassen werden(Abb.3–5). Ob hier eine solche mobile Terrakottawanne gemeint ist, kannnicht mit Sicherheit entschieden werden, da der Kontext ungewiß und zumin-dest nicht eindeutig baulich fixiert ist.

Daß sich für die Form dieser Wanne im archäologischen Bestand keineexakten Vergleiche finden, kann verschieden begründet werden. Nur wenigeBadewannen können sicher in archaische Zeit datiert werden, da viele derüberkommenen Beispiele nicht oder nicht ausreichend in archäologischenKontexten verankert sind und sich auch nicht einzig anhand der Form chro-nologisch eindeutig einordnen lassen. Deshalb sind über das Formenspektrum

5 Zur Bearbeitung des Tons s.Scheibler(1995) 72ff.; zum Berliner Tontäfelchenebenda Abb.65. – Das von De Mirozitierte Vergleichsbeispiel, ein sf. Skyphosdes Theseus-Malers in Boston, auf demder vorhergehende Arbeitsschritt mit derAufhäufung des Tons in einer Art Wanneillustriert worden sein soll, wird mittler-weile anders gedeutet: Anstelle des Hofeseiner Töpferei sei die Vorbereitung einesErntefestes mit der Aufhäufung vonGetreide und der Bekränzung vonAmphoren dargestellt; vgl. Scheibler(1995) 110 Anm. 69 Abb.101mitweiterer Lit. Die bei De Miro (1999) 310beschriebene »sorta di tinozza« wird

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nirgendwo erwähnt und läßt sich auf denBildern auch nicht ausmachen.6 Zum Typus der Sitzbadewanne:Ginouvès (1962) 29ff.; Weber (1996)17ff.; Hoffmann (1999) 73ff. – DasObjekt in der Rechten des Badendenhielt ich ursprünglich für eine Schale, diedem Mann dazu diente, sich mit Wasserzu übergießen. M. Bentz wies michdarauf hin, daß sich die amorphe Formdieses Gegenstandes besser mit einerDeutung als Schwamm verbinden läßt;für diese Version gibt es Parallelen, vgl.etwa die badende Frau auf einer Schale in Bologna, die in der Linken einenSchwamm und in der Rechten eine

Kanne hält (s. ausführlich u.): CVABologna (1) Taf.9 (hier Abb.6).7 Analog änderte sich die benötigtebzw. maximal verwendbare Wassermenge,vgl. Ginouvès (1962) 39ff. – DieEntwicklung verlief allerdings nicht strin-gent linear, da im Hellenismus als Luxus-variante für das »bain de délassement«auch wieder große, häufig sogar beheiz-bare Badewannen auftreten; vgl.H. Broise, La pratique du bain chaud parimmersion en Sicilie et dans la péninsuleitalique à l’époque hellénistique,XeniaAnt 3, 1994, 17–32; M. Trümper,Wohnen in Delos. Eine baugeschichtlicheUntersuchung zum Wandel der

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und den Grad einer möglichen Standardisierung archaischer Badewannenkeine fundierten Aussagen zu treffen8. Die Maße der Wanne, die sich im Ver-hältnis zur Größe des darin Sitzenden grob ermitteln lassen, korrespondierenmit der soeben skizzierten Entwicklung griechischer Badewannen und ver-weisen passend auf die archaische Zeit. Daß die Seiten der Wanne hier gegen-über der Front und vor allem der Rückseite deutlich niedriger ausfallen, istmit erhaltenen Beispielen begrenzt zu vereinbaren9. Die niedrigen Seitenteilekonnten das Einsteigen in die Wanne erleichtern und bei besonders langenund tiefen Wannen als Auflager für die Arme dienen. Es ist aber nicht auszu-schließen, daß sie hier einzig zugunsten einer maximalen Sichtbarkeit desBadenden so niedrig gestaltet wurden. Für die weit ausschwingende Wan-nenfront gibt es im überkommenen Bestand keine Parallelen. Ebenso bieteneine so hohe, gerade geführte Rückwand wie hier eigentlich nur eingebauteund archäologisch erst wesentlich später faßbare Wannen (Abb.5)10.

Das Motiv des Badens in der Wanne ist in der gesamten Vasenmalerei fastsingulär. Während Vasen Personen beim Duschen, beim Schwimmen, beimTauchen sowie bei der Reinigung und Toilette an verschiedenen Waschbecken

Wohnkultur in hellenistischer Zeit, Inter-nationale Archäologie 46 (1998) 65f.8 Eine Sitzbadewanne aus Milet wirdeinem Haus geometrischer Zeitzugeordnet, vgl. G. Kleiner, Die Ruinenvon Milet (1968) 42 Abb.23. In Sizilienist für die Archaik mehrfach die sekun-däre Verwendung von großen ungeglie-derten Badewannen als Sarkophage nach-gewiesen; ferner sind dort auch unge-wöhnliche Wannenformen und -dekora-tionen überliefert, was an einer stringen-ten Standardisierung in dieser Epochezweifeln läßt. Vgl. NSc 1925, 422f.Abb.1. 2; Ginouvès (1962) 32f. mit Lit.9 Vgl. etwa eine Terrakottastatuette beiGinouvès (1962) Abb.10. 11mit allerdingsinsgesamt ganz anderer Wannenform.10 Etwa die in Rundräumen angeord-neten, in den Fels gehauenen bzw.gemauerten Wannen mit hohen Wand-

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Abb. 3 Gela, Griechisches Bad, 4./3. Jh.v. Chr.: gemauerte Sitzbadewanne im recht-eckigen Raum des Bades

Abb. 4 Gela, Griechisches Bad, 4./3. Jh.v. Chr.: Sitzbadewannen im rechteckigenRaum des Bades, zwei gemauerte im Hinter-grund und eine aus Terrakotta im Vorder-grund mit partiell abgebrochenem Rand

Abb. 5 Gortys, Asklepiosheiligtum,Badeanlage, 4./3. Jh. v. Chr.: gemauerteSitzbadewannen mit hoher Rückwand inRundraum G

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vorführen, sind in Wannen sitzende Badende lediglich in Form einiger weni-ger Kleinterrakotten dargestellt11. Die einzige Ausnahme bildet das Innenbildeiner rotfigurigen Schale in Bologna, das eine Frau beim warmen Wannenbadzeigt (Abb.6)12. Mit einem Schwamm in der Linken und einer Kanne in derRechten entsteigt sie allerdings gerade der am unteren Bildrand dargestelltenWanne, wohl um heißes Wasser aus dem am rechten Bildrand erkennbarenKessel nachzuschöpfen. Vor der Wanne, die den für Sitzbadewannen typischenabgetreppten Rand aufweist, ist ein Bänkchen mit Schuhen zu sehen. Dergroße offene Wasserkessel steht auf zwei merkwürdigen länglichen Gegen-ständen, die sich nicht sicher deuten lassen, aber doch sehr wahrscheinlich mitder Erhitzung des Badewassers zusammenhängen bzw. auf diesen Vorganghinweisen13. Von der Lekythos unterscheidet sich das Schaleninnenbild nicht

nischen in den Bädern von Gortys (3. Jh.v.Chr.) und Kyrene (3./2. Jh. v.Chr.); vgl.Hoffmann (1999) 129ff. Kat.-Nr.17Abb.58b; 143f. Kat.-Nr.23 Abb.71. –Da die Wanne den Rand des Bildfeldesmarkiert und zusammen mit dem Ofenauf der rechten Seite gewissermaßen alsRahmen fungiert, könnte ihre Rückseiteauch aus kompositorischen Gründen soauffällig gerade und hoch dargestelltworden sein, parallel zur Rückwand desOfens am rechten Bildrand; ähnlichrahmen auf anderen Werken des Gela-Malers Architekturteile die Darstel-lungen; vgl. Frontisi-Ducroux (1996)192ff. Abb.1. 6.11 Zu den entsprechenden Vasenbildernvgl. Sudhoff (1910) mit zahlreichen Abb.;Ginouvès (1962) Abb.2–4. 23. 30–32.35–44. 47–58. 68. 78–89. 94–97.129–135. 144–148; Weber (1996)Abb.3–6; Hoffmann (1999) 196ff. Abb.1.2. 3b; 5a. b. Eine zusammenfassendeBehandlung solcher Szenen auf Vasenfehlt. – Zu zwei Terrakotten aus dem7./6. Jh. v.Chr. vgl. Ginouvès (1962)Abb.8. 10. 11, eben diese auch abgebildet

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Abb. 6 Rotfigurige Schale, Innenbild.Bologna, Museo Civico Archeologico

bei Weber (1996) Abb.9 und Hoffmann(1999) Abb.3a; 4. – Um 480–460 v.Chr.ist eine Terrakotta aus Kamiros datiert, dieeine Frau in einer Badewanne zeigt, vgl.R. A. Higgins, Catalogue of the Terra-cottas in the Department of Greek andRoman Antiquities. British Museum(1954) 88 Nr.236 Taf.39.12 Den Hinweis auf diese Schale, diezwar schon bei Ginouvès (1962) 27f.Anm. 12; 40. 164 Anm. 3 Abb.23 kurzbeschrieben und auch abgebildet ist, miraber in ihrer Bedeutung entgangen war,verdanke ich M. Bentz, der mir auch dasOriginalfoto überlassen hat. Vgl. CVABologna (1) Taf.9; Ginouvès (1962) 40kommentiert diese Darstellung als »imageexceptionnelle«.13 M. Bentz hält diese ›Gegenstände‹für (ungewöhnlich dargestelltes) Feuer;im CVA Bologna (1) Taf.9 ist von einem»grosso pithos, posto a destra sopra deipezzi di legno« die Rede. Ginouvès(1962) 40 übernimmt dies und beschreibtden Kessel als »soutenu par des morceauxde bois«, präzisiert aber Anm. 3: »Ledessin exclut qu’il puisse s’agir d’un

véritable support, et on pourrait y recon-naître le foyer où chauffe l’eau du bain«.Merkwürdig bleibt die unmittelbar amBildrand erkennbare Öse (Ring) rechtsneben den länglichen Gegenständen, diebei keinem eigens erwähnt wird – undauch zu keiner Deutung so recht paßt.Vielleicht weist sie doch auf eine ArtStänder hin, auf dem der Kessel über dem›stilisierten‹ Feuer (?) plaziert ist? Auf-grund der Einpassung des Bildes in dasSchalenrund ist nicht zu bestimmen, wie›hoch‹ der Kessel oder auch die Bade-wanne über dem Boden stehen. ZumKochen in Kesseln über offenem Feuervgl. etwa die Darstellungen der Peliaden:Die Kessel, in denen ein Widder gekochtwird bzw. der Vater zwecks Verjüngunggekocht werden soll, werden von ganzunterschiedlich hohen Ständern getragen,unter denen in vielen Fällen ein heftigesFeuer lodert. Feuer und Holzscheite sindallerdings in keiner Weise mit der Darstel-lung auf der Schale in Bologna vergleich-bar! Vgl. LIMC VII 1 (1994) 270ff. s.v.Peliades (E. Simon).

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nur hinsichtlich des visualisierten Momentes beim Wannenbad, sondern vorallem hinsichtlich des bzw. der Protagonisten und damit eng zusammenhän-gend des Kontextes, wie noch zu diskutieren ist.

Gestützt wird die Deutung als Badeszene auf der Lekythos aus Gela durchdie Accessoires, die über dem Mann hängen. Der linke Gegenstand ist auf-grund eines Vergleichs mit Vasen des Gela-Malers wie auch anderer Maler ein-deutig als ein Bündel mit Schwamm und Aryballos zu identifizieren, das häu-fig in Palästraszenen, aber auch bei unspezifischen ›Bürgerbildern‹ auftritt.Diese Utensilien kennzeichnen in erster Linie die Dargestellten als Athletenbzw. verweisen auf ihre entsprechenden Fähigkeiten und Betätigungen, kön-nen darüber hinaus auch auf die Lokalisierung einer Szene im Kontext desGymnasiums hinweisen14. Bei dem Stock zwischen bzw. hinter dem Baden-den und dem rechts folgenden Mann handelt es sich um den T-Stock, derals typisches Bürgerattribut zahlreiche Parallelen auf Vasenbildern hat. Überdiesen Stock hat einer der Männer, die beide unbekleidet sind, seinen Mantelgelegt15.

Der Badediener (Loutrochoos)

Der Mann am rechten Bildrand ist im Gegensatz zu den drei anderen miteinem reich gefältelten Schurz bekleidet. Daß er hier die Temperatur des Ofensbzw. den Fortgang des Brandes prüft, ist ganz ausgeschlossen. Bei den beidenziegelartigen Platten, die De Miro über der Mündung des im Ofen stehendenGefäßes entdeckt haben will und die er als Verschluß des Kontroll-Gucklochsin der vermauerten Einsetzöffnung des Ofens interpretiert, wird es sich docheher um einen Deckel handeln. Dort, wo diese Kontrollöffnungen an Töp-feröfen abgebildet werden, sind sie immer in der Wand des Ofens eingezeich-net und zweifelsfrei zu erkennen16. Vielmehr greift der Mann hier eindeutigquasi in den vermeintlich brennenden Töpferofen hinein und berührt denDeckel des Gefäßes bzw. setzt dazu an, ihn abzuheben17. Diese Handlung istim Rahmen des Brennprozesses ganz undenkbar und auch gewiß nicht bild-

14 Ein exakt gleich gestaltetes Pendantzu dem Gegenstand auf der Lekythos ausGela findet sich am linken Bildrand aufeiner Olpe des Gela-Malers in Rom, VillaGiulia 20915; er wird einmütig als Ary-ballos mit Schwamm interpretiert, vgl.Hemelrijk (1974) 150ff. Abb.65; Fron-tisi-Ducroux (1996) 195f. Abb.11. – Zu ähnlich dargestellten Bündeln, dieSchwamm, Aryballos, Strigilis und Leder-riemen für Boxer enthalten konnten, vgl.etwa: Mind and Body. Athletic Contestsin Ancient Greece, Ausstellungskat.Athen (1989) 285 Kat.-Nr.173mit Abb.(rf. Amphoriskos des Pythokles-Malersaus Aegina: Athen, Nationalmus. 1689;frühes 5. Jh. v.Chr.); U. Sinn (Hrsg.),Sport in der Antike. Wettkampf, Spielund Erziehung im Altertum (1996) Kat.-Nr.11 Abb.16 (Augenschale: Würzburg,Martin-von-Wagner-Museum L 469; 510v.Chr.); ebenda Kat.-Nr.34 Abb.76(Kylix: Würzburg, Martin-von-Wagner-Museum L 485; frühes 5. Jh. v.Chr.). –

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Vgl. auch Hollein (1988) 71ff. Abb.82ff.,der diese Utensilien als typische Bürger-attribute für den Topos Palästra auf zahl-reichen ›Bürgerbildern‹ nachweisenkonnte.15 Zum Stock und seiner vielfältigenVerwendung vgl. RE III A 2 (1929)1894ff. s.v. Stab; Der Kleine Pauly 5(1975) 334f. s.v. Stab; Hollein (1988) 18Anm. 33. – Nach ABL 79 sind überStöcken aufgehängte Mäntel durchaustypisch für den Gela-Maler und zeugenvon seiner Unfähigkeit, »to abstract, totranslate reality into the style of theperiod. If he hangs up a wrap in a palaes-tra, he needs a big stick to hang it on«,mit Verweis auf die Palästraszenen auf denLekythoi ABL 206f. Nr.20 und 41, dieaber beide bisher nicht abgebildet sind.16 Die vollständigste Zusammenstel-lung der Werkstattbilder mit Töpferöfenin Abbildungen findet sich bei G. M. A.Richter, The Craft of Athenian Pottery(1923) 64f. 76 ff. Abb.58. 72–80; vgl.

auch Scheibler (1995) 98ff. Abb.91–98.17 De Miro (1999) bezeichnet diesesGefäß ohne nähere Gründe als Pithos; dadas Gefäß nicht gebrannt wird, sondernzum Erhitzen dient, ist diese Benennungkaum möglich: Pithoi dienten im all-gemeinen als Vorratsgefäße; vgl.B. A. Sparkes – L. Talcott, Black andPlain Pottery, Agora XII (1970) 193ff.;Der Neue Pauly 9 (2000) 1053f. s.v.Pithos (R. F. Docter). Da gerade diepotentielle Henkelzone des Gefäßes nichterhalten ist, läßt es sich nicht näherbestimmen. Man kann nur festhalten, daßes groß, länglich und geschlossen ist,einen schmalen, stark eingezogenen Halssowie eine breit ausladende Mündungbesitzt und zum Erhitzen bzw. als Koch-gefäß geeignet war. Ebenso wenig ist zuermitteln, ob ein Gefäß aus Ton oder garaus Metall gemeint ist. Wegen dieserUngewißheiten wird im folgendenneutral von dem ›Gefäß‹ bzw. dem›großen Gefäß‹ gesprochen.

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lich fixiert. Auf eindeutigen Werkstattbildern mit Keramikofen wird der Töp-fermeister entweder beim Anfachen des Feuers am Schürloch bzw. -kanal desOfens oder aber – sehr viel häufiger – in dem Moment präsentiert, in dem erseinen Ofen besteigt, um das Abzugsloch zu kontrollieren und zu manipulie-ren18. Aus dem Abzug sowie aus dem Schürloch/-kanal lodern auf einigenDarstellungen Flammen, die anzeigen, daß der Brand noch voll im Gange ist(Abb.11). Der laufende Brennvorgang konnte allenfalls durch ein kleinesGuckloch beobachtet werden, das man in der Einsetztür beim Zumauerngelassen hatte. Die gebrannte Ware ließ sich dagegen erst aus dem Ofen ent-fernen, nachdem dieser langsam über Stunden oder sogar Tage abgekühlt war,denn andernfalls riskierte man Kühlrisse in dem eingesetzten Töpfergut19.

Auch für die Form des hier abgebildeten Ofens finden sich keine Paralle-len bei eindeutig identifizierten Töpferöfen (Abb.11). Letztere sind bevorzugtvollständig und fast ausschließlich als geschlossene runde bzw. überkuppelteBaukörper mit separatem, langen und niedrigen Schürkanal dargestellt20.Meist sind die Wände kompakt schwarz gemalt, nur selten ist quasi in einemSchnitt durch den Ofen ein Einblick in die Brennkammer möglich, in derimmer mehrere Vasen gestapelt sind und niemals nur eine einzige großegebrannt wird.

Eine Ausnahme scheint allerdings der Ofen auf einer rotfigurigen Lekythosin Providence zu bilden, der ähnlich wie hier und vor allem mit einem ein-zigen großen Gefäß wiedergegeben ist (Abb.7–10)21. Dieser Ofen ist unter-schiedlich als Töpferofen oder Schachtofen in einer Schmiede gedeutet wor-den22. Ersteres kommt aus den soeben genannten Gründen nicht in Frage,

18 Lit. vgl. Anm. 16. – Vgl. auch denMann mit Schürhaken am Schmiedeofenauf der Schale des Erzgießerei-Malers inBerlin, Antikenslg. F 2294, abgebildet in:B. Knittlmayer – W.-D. Heilmeyer(Hrsg.), Die Antikensammlung. AltesMuseum. Pergamonmuseum2 (1998)60ff. Nr.28mit Abb.19 Vgl. R. Hampe – A. Winter, BeiTöpfern und Zieglern in Süditalien,Sizilien und Griechenland (1965) 197;Scheibler (1995) 106.20 Die einzig bekannte bzw. in derüblichen Lit. zitierte Ausnahme bildet

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der Ofen auf einer Hydria in München,Staatl. Antikensammlungen 1717,abgebildet bei Scheibler (1995) Abb.97.101: Er befindet sich am rechten Randdes Schulterbildes und ist nur partielldargestellt, so daß seine Form und Größenicht zu bestimmen sind. Aber ansonstenstochert der Heizer wie üblich mit demFeuerhaken im Schürloch des Ofens,dessen kompakt geschlossene Wand miteiner Satyrmaske geschmückt ist. – Zuden Öfen allgemein s.Anm. 16.21 Vgl. Luce (1933) ohne nähereDatierung; in ARV2 676, 17 der frühklas-

sischen Class PL zugewiesen; in derDatenbank des Beazley Archive als Datie-rungsangabe 475–425 v.Chr.22 Töpferofen: Luce (1933); Ziomecki(1975) 97ff. Abb.11. 12; M. M. Eisman –L. Turnbull, AJA 82, 1978, 395ff. Abb.5;vermutlich meint auch De Miro (1999)309 Anm. 4 dieses Stück, allerdingsunverständlich zitiert als »E. G. Radeke,CVA USA II, Providence, Rhode IslandSchool, tav. 27, 9«. – Schmiedeofen:Schwandner-Zimmer (1983) 67ff.Abb.8. 9.

Abb. 7–9 Rotfigurige Lekythos.Providence, Museum of the Rhode IslandSchool of Design

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letzteres scheidet ebenfalls aus, da sich dieser Ofen von den bei E. L. Schwand-ner und G. Zimmer zitierten Vergleichsbeispielen deutlich absetzt: Die zwei-felsfrei identifizierten Schachtöfen (Abb.12) bestehen aus hohen Zylindern,auf denen große runde geschlossene Kessel mit ›Gichtringen‹ stehen. DieFunktion der Öfen wird in allen Fällen durch den Bildzusammenhang erläu-tert, d.h. durch zusätzliche Accessoires wie Amboß und Werkzeug, durch ein-deutige Tätigkeiten des den Ofen bedienenden Personals sowie durch weitereSzenen, die in Metallwerkstätten zu lokalisieren sind. Die dargestellten Figu-ren sind jeweils mit für ihr Metier charakteristischen Tätigkeiten beschäftigtund immer in Aktion gezeigt23.

Auf der Lekythos in Providence ist ein deckelloses Gefäß mit markant abge-setztem Rand und breiter Öffnung dargestellt, das weder mit den Kesseln aufSchachtöfen noch mit dem Gefäß auf dem Stück aus Gela vergleichbar ist(Abb.2. 12). Aber auf den Lekythoi in Providence sowie aus Gela steht dasgroße Gefäß gar nicht in oder hoch oben auf dem Ofen, sondern auf einerniedrigen Feuerstelle. Das Beispiel in Providence zeigt dies noch viel deut-licher als die Lekythos aus Gela und demonstriert vor allem, wie die Rück-wand bzw. der ›obere‹ Teil des Ofens zu verstehen ist. Dieser Ofen ist quasidreigeteilt: Der untere Teil ist ungegliedert dargestellt und an der im Profilabgebildeten linken Seite ausgebuchtet, um das Feuerungsloch zu bezeichnen,aus dem hier aber keine Flammen schlagen. Auf diesem Untersatz steht dasgroße Gefäß, hinter dem eine aus Ziegeln gemauerte, kuppelförmig gewölbteWand hochführt; diese verengt sich im obersten Teil zu einem schmalenSchlauch, der deutlich in das Dekorband unterhalb der Schulter der Lekythosmündet. Mit dieser ungewöhnlichen Darstellung kann nur eine Feuerstelle mitKamin bzw. Abzugsrohr in einem geschlossenen Raum gemeint sein, nichtaber ein Schachtofen oder gar Töpferofen im Freien24. Während Keramik-öfen oben allenfalls eine kleine aufgesetzte Abzugsöffnung, niemals aber einenso langen Abzugsschlauch hatten, weist kein schachtförmiger Schmiedeofeneine so bauchige gemauerte Wand und einen so niedrig plazierten Kessel auf.Passend fehlt bei dieser Szene dem Mann, der im Zentrum des Bildes steht,der unabdingbare Schürhaken des Töpfers oder das nötige Handwerkszeug desSchmiedes, ist er auch nicht bei einer typischen Handlung bzw. überhauptsichtbar in Aktion dargestellt. Entgegen Schwandner und Zimmer ist dasblockförmige Objekt vor dem Ofen nicht eindeutig als Amboß zu erkennen,sondern mit S. B. Luce als »block on which to sit when at work« oder etwa alsAbstellfläche für das über dem Feuer erhitzte Gefäß zu interpretieren25.

Feuerstellen mit Kaminen bzw. Abzugsschächten sind ab dem 5. Jh. v.Chr.und vor allem dann im 4. Jh. v.Chr. archäologisch für Privathäuser bezeugt,

23 Eine Ausnahme bildet die Darstel-lung auf einer Choenkanne aus dem spä-ten 5. Jh. v.Chr. von der Athener Agora,Agora-Mus. PL 15210 (Lit.: Schwand-ner-Zimmer [1983] 68 Anm. 35), auf derein Schmied in einem langen, gemuster-ten Gewand beim Opfern dargestellt sei,gerahmt von einem Schachtofen undeinem Amboß; A. Burford, Künstler undHandwerker in Griechenland und Rom(1985) Abb.35 sieht in dieser Darstellungden Schmied am Feiertag in seinen bestenKleidern, dem ein Diener Feiertags-kuchen anbiete. Der Bildkontext dieserSzene (kultisch?), die Identifizierung desObjektes im Zentrum (Amboß? Bothros?

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etc.) und des Protagonisten (Schmied?Priester? etc.) sowie die Funktion desOfens (Requisit? Lokalbezeichnung?Hinweis auf ›Beruf‹ des Protagonisten?)sind höchst ungewiß, die bislang vorge-tragenen Deutungen überzeugen nicht.Deshalb ist fragwürdig, ob das Fehlenhandwerkerspezifischen Handelns aufdieser Choenkanne die Szene auf derLekythos in Providence erläutern bzw. alsParallele fungieren könnte.24 Der ähnlich schlauchförmigenVerengung eines Ofen auf einem Kraterin Caltanisetta weisen Schwandner undZimmer die Funktion als hohe schmaleEsse zu, durch die heiße Abgase nach

oben entweichen konnten, vgl.Schwandner-Zimmer (1983) 69 Anm. 36Abb.8e (hier Abb.11e). Dieser Ofenunterscheidet sich aber sonst in nichts vonden meist frontal gezeigten Schachtöfen.25 Luce (1933); Schwandner-Zimmer(1983) 69; solche einfachen niedrigenBlöcke dienen Handwerkern öfters alsSitzmöbel, vgl. Ziomecki (1975) Abb.2.5. 13; niedrige Sitzgelegenheiten sindgrundsätzlich typisch für Werkstattbilderbzw. Handwerker, vgl. das breite Spek-trum bei Ziomecki (1975) Abb.3. 4. 16.17. 19. 21. 23–25. 32. 34.

Abb. 10 Wie Abb. 7–9. Gesamtansicht

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wo sie in kombinierten Bad-Küchentrakten rekonstruiert werden. In öffent-lichen Bädern lassen sich vergleichbare Heizvorrichtungen dagegen erst nachder Mitte des 4. Jhs. v.Chr. nachweisen26.

Analog muß man den Ofen auf der Lekythos aus Gela als niedrige gemau-erte Feuerstelle deuten, auf der in dem großen Gefäß etwas erhitzt wird, mithoher Wahrscheinlichkeit Wasser für ein warmes Bad. Die Existenz und hoheBedeutung warmer Bäder ist im griechischen Bereich literarisch mehrfachdokumentiert und archäologisch durch die Kombination von Badewannenund Heizanlagen nachgewiesen. Die Vorrichtungen zur Erhitzung des Was-sers oder auch der Böden und Wannen reichten von einfachen Feuerstellen,über denen Dreifüße aufgestellt wurden, einfachen gemauerten Öfen, elabo-rierten Anlagen mit Heizkanälen und Kaminen bis hin zu aufwendigenHypokaustsystemen, die allerdings erst in hellenistischer Zeit aufkamen27.Während in den homerischen Epen den Gästen und Helden nach anstren-genden Arbeiten immer ein warmes Bad zur verdienten und vergönnten Ent-spannung angeboten wurde, galt dieses bereits im Athen des 5. Jhs. v.Chr. eini-gen konservativ Gesinnten als dekadent, verweichlichend und moralischverwerflich28. Aber allein die anhaltend negative Bewertung des ›luxuriösen‹Warmbadens bezeugt, daß es sich zum Standard zumindest für die staats-tragende Bürgerschicht entwickelt hatte und sich allgemeiner Beliebtheit undweiter Verbreitung erfreute.

26 Zu den Häusern vor allem inOlynth, Eretria und Delphi vgl. Ginouvès(1962) 178ff. Abb.98. 99; W. Hoepfner –E.-L. Schwandner, Haus und Stadt imklassischen Griechenland. Wohnen in derklassischen Polis I2 (1994) 100ff. 320;K. Reber, Die klassischen und hellenisti-schen Wohnhäuser im Westquartier,Eretria. Ausgrabungen und ForschungenX (1998) 47f. 100ff. 137ff. – Die erstefaßbare Heizvorrichtung in einem öffent-lichen Bad weist das jüngere Sitzwan-nenbad in Olympia auf, vgl. Hoffmann(1999) 157ff. bes. 159mit älterer Lit.27 Vgl. Hoffmann (1999) bes. 11 ff.15 ff. 79 ff. In öffentlichen Anlagen wiePrivathäusern haben sich Öfen in Verbin-dung mit Badewannen gefunden, aller-dings vermehrt erst aus hellenistischenKontexten; zu den öffentlichen Anlagenvgl. den Katalog bei Hoffmann (1999)102ff.; zu hellenistischen Häusern vgl.Trümper a.O. (s.o. Anm. 7) 64ff.28 Vgl. die Sammlung der Schrift-quellen zum Thema Baden bei Hoffmann(1999) 214ff.

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Wenn auch die Funktion des Ofens somit eindeutig geklärt werden konnte,bleibt seine Form problematisch. Die Gestaltung des Ofens weicht im mittle-ren und oberen Teil von dem Beispiel auf der Lekythos in Providence ab: Derobere Teil wölbt sich hier weit nach links vor, so daß er das große Gefäß über-fängt. Ein Abzugskanal oder Kamin ist in diesem Vorsprung zwar nicht eigensangegeben, aber doch wohl anzunehmen, zumal dieser Überfang an seinerUnterseite unmittelbar über der Mündung des Gefäßes eine kleine Einkerbungaufweist, die vielleicht auf eine Abzugsvorrichtung hinweisen soll. Unterfunktionalen Gesichtspunkten ist dieser Ofen jedenfalls viel glücklicher als seinPendant auf der Lekythos in Providence gestaltet, da hier die entstehendenAbgase auch tatsächlich nach oben in einen potentiellen Abzugsschacht abge-leitet werden konnten, während sie dort im Prinzip in den leeren Raum undnicht sichtbar in den Kamin entweichen mußten29. De Miro vermutete wegendes nur sparsam profilierten und geformten Überfangs, daß der Ofen gar nichtgebaut, sondern in eine felsige Wand eingehauen worden sei30. Dies ist aus ver-schiedenen Gründen wenig wahrscheinlich. Komplett in den Fels gehaueneTöpferöfen sind bislang im archäologischen Befund nicht nachgewiesen; auchDe Miro erhärtet seine These nicht durch ein überzeugendes Vergleichsbei-spiel. Die untere Partie des Ofens unmittelbar über dem Feuerungsloch ist miteinem recht aufwendig geschwungenen Profil versehen. Darüber hinaus weistdie ›Innenseite‹ des Ofens, d.h. der Teil, der das Gefäß unten, hinten und obenumgibt, eine Art Band auf, dessen Bedeutung zwar unklar ist, das aber auffäl-lig gerade und künstlich angelegt scheint. Beide Charakteristika würde man

29 Ebenso ist das Verhältnis von ›Esse‹und Gefäß auf dem bereits zitiertenKrater in Caltanisetta dargestellt, vgl.Schwandner-Zimmer (1983) 69 Anm. 35Abb.8e (hier Abb.11e): Auf den Schmie-deschachtofen sollen aber die Kessel mitden ›Gichtringen‹ nur eine Reinigungs-öffnung verschlossenen haben, die auchzum Nachlegen von Brennstoff gedienthaben mochte. In den Kesseln sei ver-mutlich Wasser erhitzt worden, das manin einer Werkstatt stets brauchte; vgl.Schwandner-Zimmer (1983) 70. Eswurde also primär etwas in und nicht aufdiesen Öfen erhitzt, so daß ein Abzug fürdie im Ofen entwickelten Gase sinnvollund nötig war. – Der Ofen auf der Leky-thos in Providence stellt also im Prinzipeine (unrealistische?) Mischung aus zweiOfentypen dar, die möglicherweise aufdie Unkenntnis des Malers zurückzu-führen ist.30 De Miro (1999) 307.

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Abb. 11 Darstellungen von Töpferöfen aufVasen und Tontafeln des 6. Jhs. v. Chr.a. Korinthische Tontafel. Berlin, Antiken-sammlung F 608. – b. Korinthische Tontafel.Berlin, Antikensammlung F 893. – c. Hydria.München, Staatliche Antikensammlungen1717. – d. Korinthische Tontafel. Berlin,Antikensammlung F 827. – e. KorinthischeTontafel. Berlin, Antikensammlung F 616. –f. Korinthische Tontafel. Paris, Louvre. – g. Korinthische Tontafel. Paris, Louvre. – h. Korinthische Tontafel. Berlin, Antiken-sammlung F 611. – i. Korinthische Tontafel.Berlin, Antikensammlung F 802

Abb. 12 Darstellungen von Schachtöfenauf Vasen des 6. und 5. Jhs. v. Chr.a. Schale des Erzgießerei-Malers. Berlin,Antikensammlung F 2294. – b. Oinochoe.London, British Museum B 507. – c. Schale.Oxford, Ashmolean Museum 518. – d.Choenkanne. Athen, Agoramuseum PL15210. – e. Krater. Caltanisetta, MuseoArcheologico 20371. – f. Lekythos.Providence, Museum of the Rhode IslandSchool of Design, Acc. no. 25.109

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bei einem felsigen ›Naturofen‹ nicht erwarten. Und schließlich hat der Ofenmit dem Höhleneingang auf einer Lekythos des Gela-Malers in Zürich, dieDe Miro als Vergleichsbeispiel zitiert, kaum wirklich etwas gemein31. Summasummarum ist hier wohl eine gemauerte Feuerstelle mit Abzug oder Kamindargestellt, die vor einer im Querschnitt gezeigten Wand steht.

Bei dem Mann, der mit dem Erhitzen des Badewassers betraut war, könntees sich um einen Diener bzw. Sklaven oder aber einen Athleten handeln. Aufmehreren Vasenbildern assistieren sich Männer und Frauen gegenseitig beimBad, die so gleich gestaltet sind, daß eine Differenzierung nach Stand undRang nicht eindeutig zu erkennen bzw. zu etablieren ist32. Auf der Lekythosaus Gela unterscheidet sich der Mann aber durch seine Tracht deutlich von dendrei anderen, nackt dargestellten Männern und führt ferner eine Tätigkeit aus,die im Gegensatz zu den gegenseitigen Hilfeleistungen bei anderen Bade-szenen keinem unmittelbaren Gegenüber gilt und zudem rangniedriger undanstrengender wirkt. Daß er sich als potentieller Diener in der Körperbildungund Haartracht von den drei anderen Männern, die – wie noch zu zeigen seinwird – alle als Athleten zu identifizieren sind, nicht absetzt, korrespondiert mitden zeitgenössischen Darstellungskonventionen bzw. -möglichkeiten. Dennentgegen De Miro lassen die Vasenbilder hinsichtlich des Körperbaus, derHaartracht und der Physiognomik keine spezifische Handwerkerikonographieerkennen33. So tragen z.B. alle vier Männer auf der Lekythos aus Gela »skip-per beards«, die als stilistisches Charakteristikum des Gela-Malers gelten undtatsächlich bei Figuren in ganz unterschiedlichen thematischen Kontexten desihm zugeschriebenen _uvre auftauchen34. Handwerker können grundsätzlichnur durch Attribute bzw. charakteristische Arbeitsutensilien, Tracht, ihreüblichen Tätigkeiten und gelegentlich auch durch für Bürger unschicklicheHaltungen gekennzeichnet werden35. Die situationsbedingt leicht gekrümmteHaltung des Mannes mit den gebeugten Knien und den gerundeten Schulternist zwar nicht mit der eindeutig negativ konnotierten frontalen Sitzhaltung vie-ler Handwerker zu vergleichen, bei der das Geschlecht voll sichtbar ist, könnteaber dennoch auf seinen niedrigen Stand hinweisen: Während die Athletenaufrecht stehen und selbst der Badende gerade aufgerichtet in der Wanne sitzt,muß der Mann am Ofen sich hinabbeugen, um seinen Pflichten nachzukom-men.

Abschließend sei nur angemerkt, daß die beiden Lekythoi aus Gela bzw. inProvidence zwar in der Darstellung der Öfen, auf denen etwas gekocht bzw.erhitzt wird, übereinstimmen, der Kontext der beiden Szenen aber erheblichdifferiert: Luce zufolge befand sich auf der Lekythos in Providence (Abb.7–10)

31 Ebenda 310; CVA Zürich (1)Taf.18, 4–6: Dieses Detail ist überhauptnur aufgrund des thematisch-mythologi-schen Kontextes zu deuten. Die weitge-hend gerade gestaltete ›Felswand‹ weistnur ganz am oberen Ende einen kleinenVorsprung auf und ist insgesamt miteinigen wenigen groben Strichen struktu-riert.32 Vgl. Sudhoff (1910) Abb.15. 22. 40.41. In den homerischen Epen oblag esbisweilen sogar adeligen Frauen,vornehme Gäste zu baden; vgl. Hoffmann(1999) 214ff. mit Sammlung der Schrift-quellen.

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33 Davon abgesehen ist die von Aristo-teles konstatierte Robustheit der Hand-werker hier entgegen De Miro (1999)312 keineswegs durchgängig dargestellt,sind doch die beiden linken Männer imGegenteil sogar außerordentlich schlankwiedergegeben.34 Vgl. ABL 78ff.; Hemelrijk (1974)134ff.35 Vgl. die zahlreichen Abbildungenvon Handwerkern bei Ziomecki (1975),die z.B. Handwerker nackt, mit unter-schiedlich langen Schürzen, elegantdrapierten Mänteln und anderenKleidungsstücken zeigen. Ein besonders

breites Spektrum bietet diesbezüglich dieschon zitierte Schale des Erzgießerei-Malers in Berlin, auf der die Arbeiternackt oder mit kurzem Schurz, aberdurchweg schön gebildeten Körperndargestellt sind. Die ›bürgerlichen‹Besucher des Ateliers unterscheiden sichvon den Handwerkern durch kunstvolldrapierte lange Mäntel, Stöcke und ihre›Sportattribute‹ (Strigilis, Aryballos). ZurSchale vgl. o. Anm. 18. – Die Existenzvon Badepersonal (Loutrochoos, Balaneusetc.) und ihre Aufgabenbereiche sindschriftlich überliefert; vgl. Ginouvès(1962) 212ff.; Hoffmann (1999) 199.

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zur Rechten des Mannes ein Stuhl mit Stoffstücken36. Ein Detailfoto dieserbislang nicht abgebildeten Seite der Lekythos (Abb.9) zwingt jedoch, diebisherige Lesart und davon ausgehende mögliche Deutungen zu revidieren:Dargestellt ist ein niedriger Block, auf dem ein Liknon steht, das mit einemgemusterten Tuch zugedeckt ist. Auch wenn das verhüllte Liknon sicher in denkultischen Bereich verweist37, wird die Gesamtinterpretation dieser unge-wöhnlichen Lekythos nicht einfacher. Handelt es sich bei dem einsamenProtagonisten, der nur mit einem bis zu den Knien reichenden Schurz beklei-det ist und dessen Halbglatze sowie fast satyreske Gesichtszüge niedrigen Standund ›Banausentum‹ assoziieren lassen38, etwa um einen Kultdiener oder umeinen Priester? Beim Opfer assistierende männliche Personen (»servants«) tra-gen häufig ähnliche kurze oder auch längere Schürze, sind aber gewöhnlichjung und mit charakteristischen Attributen (z.B. Kultgeräten wie καν��ν,��ριψ etc.) versehen. Die älteren, überwiegend bärtigen Priester (»master«)sind dagegen bevorzugt mit einem Himation oder einem langen Chitonbekleidet und beim Akt des Opferns vorgeführt39. Erhitzt der Mann in demKessel wirklich Wasser und wofür, oder handelt es sich um einen Lebes, in demTeile des Opferfleisches gekocht werden konnten bzw. sollten? Die vielseitige,rituelle wie rein praktische Verwendung von Wasser in Heiligtümern ist zwarunbestritten, aber eine vergleichbare Darstellung ist in der Kultikonographiebislang nicht belegt40. Dagegen wird das Kochen von Opferfleisch auf Vasenabgebildet, allerdings außerordentlich selten im Gegensatz gerade zum häufigvisualisierten Braten des Fleisches auf Altären41. Das Liknon taucht in der atti-schen Vasenmalerei relativ selten auf, wird in unverhüllter Version etwa beiHochzeitsszenen oder auch als Wiege für Hermes als Kind verwendet und im

36 Luce (1933) 25. Demzufolge hätteman z.B. die Stoffstücke als abgelegteKleider und damit als Verweis auf denBereich der Palästra deuten können. Beidem – noch bekleideten – Mann hätte essich dann z.B. um einen Badediener(Loutrochoos, zuständig für Bereitstellungdes Badewassers und Übergießen mitWasser) oder Bademeister (Balaneus, Vor-steher des Bades, der Reinigungsmittelausgab und Badegeld erhob) handelnkönnen. – Schwandner-Zimmer (1983)gehen auf diesen Gegenstand, der in derinsgesamt sparsam bestückten Szene dochwohl eine Bedeutung eingenommenhaben wird, gar nicht ein.37 Das Detailfoto verdanke ich M. Bentz, der den Gegenstand auch alsLiknon und damit als Verweis auf denKontext Heiligtum identifiziert hat. –Eine gebührend ausführliche Bespre-chung dieser ungewöhnlichen Lekythosist hier nicht möglich; man könnte z.B.die Szene mit der in Anm. 23 erwähnten,gleichfalls ungewöhnlichen Darstellungauf einer Choenkanne im AthenerAgora-Museum vergleichen.38 Vgl. die Beschreibung bei Luce(1933): »He has a long beard andmustache (also in faint brown strokes), arather snub nose, round eyes and a hightskull, and is probably intended to present

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a non-Hellenic type.« Bart und Schnur-bart sind auch auf den Originalfotos nurmit Mühe zu erkennen.39 Zur Ikonographie der »masters andservants« beim Opfer vgl. F. T. VanStraten, Hiera Kala. Images for AnimalSacrifice in Archaic and Classical Greece(1995) 168ff. mit zahlreichen Abb. –Allerdings können auch ältere Männer(Priester?) bei kultischen Handlungenkurze Schürze tragen, vgl. die – in ihrerDeutung problematische – Darstellung(u.a. mit einem verhüllten Liknon undeiner Dionysosmaske) auf einer Choen-kanne des Eretria-Malers: O. Tzachou-Alexandre in: J. H. Oakley – W. D. E.Coulson – O. Palagia (Hrsg.), AthenianPotters and Painters (1997) 473ff.Abb.1–3.40 Zur Bedeutung des Wassers imreligiösen Leben vgl. Ginouvès (1962)231ff.; vgl. auch J.-L. Durand, Sacrificeet labour en Grèce ancienne. Essaid’anthropologie religieuse (1986) 123ff.41 Van Straten a.O. 147f. mit nur dreiBeispielen V 154. V 212. V 363 Abb.122.154 – von V 363, einem rf.-apulischenDinos des Dareios-Malers (Thema: Hera-kles und Busiris), gibt es gerade von derrelevanten Szene keine publizierte Abbil-dung: Auf der Rückseite füllt ein ÄgypterWasser in einen Kessel, der schon auf

dem Feuer steht, ein weiterer wartet, umseine Amphora mit Wasser gleichfalls inden Kessel zu entleeren; vgl. D. vonBothmer, The Metropolitan Museum ofArt. Notable Acquisitions 1984/1985(1985) 6 f. mit Beschreibung und Abb.der Vorderseite; K. W. Berger, Tieropferauf griechischen Vasen (1998) 64f.konstatiert, daß das Hantieren an einemKessel und das Kochen von Fleisch beimOpfer in der bildlichen wie literarischenÜberlieferung selten und ungewöhnlichsei. Er zitiert ein weiteres Beispiel, aufdem neben dem Zerlegen und Auf-spießen von Fleisch auch das Kochendesselben in einem Lebes auf Dreifußdargestellt ist, ebenda 75 V 18; VanStraten 236 V 232, ohne Nennung beiden Beispielen mit Kochszenen. – ZurEntwicklung der Opferszenen auf Vasen-bildern (z.B. zur Beliebtheit des Röstensder Innereien über dem Altarfeuer imStrengen Stil) vgl. N. Himmelmann,Tieropfer in der griechischen Kunst(1997) bes. 34 ff.; zur Rolle des Kochs(mavgeiro1) in Heiligtümern bzw. beimOpfern vgl. G. Berthiaume, Les rôles duµ�γειρ�ς. Étude sur la boucherie, lacuisine et le sacrifice dans la Grèceancienne (1982) 71ff.

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kultischen Bereich vor allem mit Demeter und Dionysos verbunden. In denliturgischen Ablauf, den C. Berard und Ch. Bron für den Einsatz von Liknabei dionysischen Ritualen rekonstruieren, läßt sich die Szene auf der Lekythosin Providence allerdings nicht sinnvoll einfügen42. Die Deutung des Vasenbil-des wird zusätzlich dadurch erschwert, daß der Protagonist hier nicht in einereindeutigen Aktion – etwa beim Opfern, beim Transport des Liknon oderbeim Hantieren am Ofen bzw. Bedienen des Kessels – dargestellt, sondernruhig frontal stehend abgebildet ist, lediglich mit der angewinkelten LinkenRichtung Ofen zeigt und mit der ausgestreckten Rechten, der auch sein Blickfolgt, auf das Liknon weist.

Der Ölausgießer

Links neben dem Badediener folgt ein aufrecht stehender, leicht nach vornegeneigter nackter Mann, der breiter und muskulöser als die beiden anderennackten Männer gestaltet ist. Seine Gesten sind so häufig in eindeutigen Kon-texten überliefert und entsprechend leicht zu interpretieren, daß hier kaumdarauf eingegangen werden muß: In der Rechten hält er einen Aryballos, ausdem er Öl in seine offene linke Handfläche träufelt. Diese Handlung ist fürPalästrakontexte zahlreich belegt, wobei im Ablauf eines Palästrabesuchs ver-schiedene Situationen in Frage kamen, bei denen die Athleten Öl verwende-ten: vor und nach den sportlichen Übungen, vor, beim und nach dem Bad43.

Wie der so auffällige kräftige Körperbau dieses Athleten zu verstehen istbzw. ob er überhaupt erklärt werden muß, ist nicht ganz eindeutig. Grundsätz-lich sind Bilder mit Athletendarstellungen in archaischer Zeit detail- undabwechslungsreich gestaltet, waren die Maler gerade bei der Darstellung meh-rerer Athleten vielfach bemüht, diese möglichst differenziert und sogar mitLindividuelleml Aussehen wiederzugeben44. Eine konkrete Unterscheidungetwa nach Altersstufen oder Sportarten, die bei Wettkampfdarstellungendurchaus realisiert wurde, kann hier mangels eindeutiger Indizien nicht nach-gewiesen werden45.

Rechts über dem Athleten befindet sich ein zweiter T-förmiger ›Bürger-stock‹, über den er seine Kleidung geworfen hat. Auch wenn dieses Stoffstückanders gestaltet ist als das schon beschriebene Pendant weiter links und vor

42 C. Bérard – Ch. Bron, Le Liknon, le»Masque« et le Poteau. Images du ritueldionysiaque, in: Mélanges P. LévêqueBd.4 (1990) 29ff.: Das verhüllte Liknonmit der ›Maske‹ bzw. dem ›heiligenGesicht‹ des Dionysos wird an den Ortder Zeremonien gebracht; das Liknonwird auf einen Tisch gestellt und dannenthüllt; die ›Maske‹ wird an einemPfeiler (›Idol‹) angebracht, das leereLiknon bleibt während der Kulthand-lungen einige Zeit ausgestellt. – Zu Liknavgl. auch C. Bérard, AntK 19, 1976,101ff. und A. Brumfield, Hesperia 66,1997, 147ff. bes. 148f. mit jeweils ältererLit. – Auf einem rf. Krater aus Spina(Ferrara, Mus. Nazionale T 128: ARV21052, 25) tritt eine Frau mit einemverhüllten Liknon auf dem Kopf vor einin seiner Deutung umstrittenes, sitzendes

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Götterpaar; vgl. dazu C. Bérard – J.-P.Vernant u.a. (Hrsg.), Die Bilderwelt derGriechen (1985) 29ff. Abb.21.43 Zu Darstellungen vgl. etwa eine sf.Hydria in Leiden (Rijksmus. van Oud-heden PC 63; Ende 6. Jh. v.Chr.) mitAthleten beim Duschen und Einölen;abgebildet bei Weber (1996) Abb.4 undHoffmann (1999) Abb.2; oder auf einemKelchkrater des Euphronios (Berlin,Antikenslg. F 2180; 510–500 v.Chr.),abgebildet z.B. in: Mind and Body.Athletic Contests in Ancient Greece,Ausstellungskat. Athen (1989) 44f. Kat.-Nr.44. – Zur Verwendung des Öls inunterschiedlichen Situationen vgl. aus-führlich RE VII 2 (1912) 2077–2081 s.v.Gymnastik (J. Jüthner); Delorme (1960)301ff.; Ginouvès (1962) 135ff.; vgl. auchHoffmann (1999) 12 Anm. 24.

44 Vgl. dazu vor allem M. Bentz, Pan-athenäische Preisamphoren. Eine athe-nische Vasengattung und ihre Funktionvom 6.–4. Jahrhundert v.Chr., 18. Beih.AntK (1998) 62. 84f.45 Im 6. und 5. Jh. v.Chr. wurdenAltersklassen grundsätzlich durch dieBarttracht charakterisiert bzw. unter-schieden, gelegentlich auch durch dieKörpergröße. Schwerathleten konntengegenüber anderen Sportlern durch dickeBäuche gekennzeichnet werden. Vgl.Bentz a.O. 61f. 74. 85. Vgl. auch RE VII 2 (1912) 2077 s.v. Gymnastik (J. Jüthner); W. Decker, Sport in dergriechischen Antike. Vom minoischenWettkampf bis zu den OlympischenSpielen (1995) 74ff. bes. 79 ff. 90 ff.

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allem der für Mäntel charakteristische längere Zipfel fehlt, wird man kaum einKissen oder mehrere Stoffstücke rekonstruieren können: Bei dem vermeint-lichen Zickzackmuster, das typisch für Ränder von Stofftüchern sei46, handeltes sich doch wohl eher um den etwas unglücklich gestalteten, in Falten geleg-ten Saum eines Mantels, die hier nur viel kleinteiliger ausfallen als bei dem– offenbar größeren und stoffreicheren – Mantel auf der linken Seite. Ähn-liche Kleiderbündel finden sich auf zahlreichen Vasen mit Palästraszenen undsind auch auf dem Gela-Maler zugewiesenen Vasen mehrfach dargestellt, wosie wie hier am Bildgrund aufgehängt oder auf Stühlen abgelegt erscheinen47.Grundsätzlich spielt der Aspekt des Ent- und Bekleidens auch auf Bildern mitBadeszenen – situationsbedingt – eine wichtige Rolle48. Dagegen wird dieserauf Werkstattbildern ausgesprochen selten thematisiert, haben nur wenigeHandwerker ihre Kleider sichtbar abgelegt bzw. aufgehängt49.

Hockeyspieler oder Athlet mit ›Bürgerstock‹

Vor dem Badenden steht aufrecht in steifer Schrittstandstellung ein schlankernackter Mann, der als einziges Attribut in der Rechten waagerecht einen lan-gen geraden Stock mit gerundeter Spitze hält. Grundsätzlich werden Stöckeauf Vasenbildern vielseitig verwendet, ohne daß sich eine strenge Korrelationzwischen bestimmten Formen und spezifischen Tätigkeiten ausmachenließe50. So sind auch die Schüreisen, die Töpfer zur Feuerung ihres Ofens ver-wenden, auf verschiedenen Vasen in Länge und Form unterschiedlich gestal-tet, wobei sich für die hier abgebildete Stockvariante durchaus Parallelen fin-den. Wie bereits dargelegt, ist aber auf allen eindeutigen Werkstattbildern mitTöpferofen der Meister in unmittelbarer Nähe zu seinem Zuständigkeits-bereich und in heftiger Aktion gezeigt51. Dagegen ist der Mann hier seltsamaktionslos und in unüblicher Entfernung von seinem mutmaßlichen Einsatz-ort dargestellt.

Für das Attribut bietet sich auch in diesem Fall eine plausiblere Erklärungan: Das Tragen eines Stockes kennzeichnet ganz unterschiedliche Gruppen wieetwa Bürger, Symposiasten bzw. Komasten, Sportlehrer, Pädagogen oder auchjungen Athleten, die nicht unmittelbar bei sportlichen Aktivitäten gezeigtwerden52. Auch wenn Stöcke in allen Längen und Gestalten – glatt, bevorzugtaber knotig bzw. mit Astgabellöchern, mit Gabeln, mit einfachen rechtecki-gen, gerundeten oder T-förmigen Abschlüssen etc. – verwendet wurden, sindForm und Haltung des Stockes hier ungewöhnlich: Er wird weder, wie meistüblich, als Stütze benutzt, noch zur Verdeutlichung luxuriösen Müßiggangslässig angelehnt oder zur Züchtigung oder Ermunterung beim Training oderUnterricht eingesetzt. Vielmehr scheint er bewußt horizontal als Attributgehalten zu werden – eine angesichts der dichten Reihung der Figuren kom-positorisch eher unglückliche Tragweise, ragt doch der Stock bis knapp vor dieBrust des Badenden.

Obwohl die Deutung als ›Bürgerstock‹ nicht grundsätzlich auszuschließenist, drängt sich wegen der ungewöhnlich geraden, glatten und vergleichsweisekurzen – der Stock reicht dem Mann bis zur Hüfte – Form des Stockes sowieder gerundeten Spitze eine andere Assoziation auf. Vergleichbare Stöcke die-nen jungen Männern auf einer spätarchaischen Basis aus der Themistoklei-schen Mauer in Athen als Schläger bei einem hockeyartigen Ballspiel. Ball-spielen erfreute sich bei Griechen allgemein großer Beliebtheit, wird aber aufVasenbildern fast ausschließlich als einfaches Fang- und Wurfspiel mit großenBällen und ohne Stöcke bzw. Schläger dargestellt. Die Abbildung eines

46 De Miro (1999) 310.47 Vgl. MonAnt 17, 1907, Abb.263 (= ABL 210 Nr.99); ABL 214 Nr.183Taf.25,7; Hemelrijk (1974) Abb.18(Amsterdam, Allard Pierson Mus. 3741).– Vgl. z.B. auch den schon zitiertenKelchkrater des Euphronios, auf dem sichein Athlet gerade entkleidet und ein sichbereits Einölender seinen Mantel aufeinem Klappstuhl deponiert hat, s.o.Anm. 43.48 Vgl. die zahlreichen Abb. bei Sud-hoff (1910), die Personen beim Ent-kleiden oder mit Kleidern in der Handoder wie auf den Palästraszenen aufge-hängte und abgelegte Kleidungsstücke als Accessoires zeigen.49 Vgl. etwa die zahlreichen Abb. beiZiomecki (1975): Nur in einem einzigenFall, in einer Schmiede, ebenda Abb.20,ist ein Mantel am linken Bildrand aufge-hängt, den offenbar ein Handwerkerabgelegt hat.50 Lit. zum Stock s.Anm. 15.51 Vgl. Anm. 16.52 Junge Athleten mit ›Bürgerstock‹vgl. U. Sinn (Hrsg.), Sport in der Antike.Wettkampf, Spiel und Erziehung imAltertum (1996) Kat.-Nr.34 Abb.76(Kylix: Würzburg, Martin-von-Wagner-Museum L 485; frühes 5. Jh. v.Chr.);Mind and Body a.O. 44f. Kat.-Nr.44mitAbb. (Kelchkrater des Euphronios: Berlin,Antikenslg. F 2180; 510–500 v.Chr.). –Zur Bedeutung und den Formen desStocks bei Bürgerbildern vgl. Hollein(1988) 17ff. Abb.1–60.

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Hockeyspiels auf der Athener Basis ist bislang singulär. Dieses Spiel wird mitSchlägern ausgeführt, die deutlich kürzer und an der Spitze stärker gebogensind als der Stock des Athleten auf der Lekythos aus Gela. Auch ist der Kon-text durch die Präsenz zweier Parteien mit drei Spielern sowie eines Balls ein-deutig bezeichnet53.

Wie genau der Stock des Athleten hier zu interpretieren ist, muß vor die-sem Hintergrund offenbleiben. Auffällig bleibt aber die deutliche Differen-zierung zwischen den beiden im Hintergrund aufgehängten T-Stöcken unddem gerundeten Stock, der sich als weiteres Merkmal die Auszeichnung die-ses Athleten mit einer Binde hinzugesellt. Diese Variante fügt sich zunächstproblemlos in den Rahmen des bereits konstatierten Detail- und Abwechs-lungsreichtums archaischer Athletenbilder. Wenn man aber darüber hinausdiese Unterscheidungen eher als Resultat eines bewußten Konzepts denn alsbedeutungslose dekorative Variante deuten möchte, fehlen eindeutige Krite-rien für eine konkrete Deutung.

Auf die ungewöhnliche statisch-aktionslose Weise wie der Stockträger hal-ten auch Athleten auf anderen Vasen des Gela-Malers ihre Wurfspeere oderTrainer ihre Gerten54. Mit diesem Haltemotiv ist häufig die auch hier darge-stellte Geste des linken erhobenen und angewinkelten Armes verbunden, dieeinmütig als Ausdruck einer – allerdings unterschiedlich gedeuteten – Akti-vität gilt. J. M. Hemelrijk erschien der Speerwerfer am rechten Bildrand aufeiner Olpe in der Villa Giulia »as if applauding some athletic feast which is notdepicted«. Demgegenüber versteht F. Frontisi-Ducroux dieses Motiv als Kon-taktaufnahme mit einem Partner, einem im Speerwurf begriffenen Athleten,der zwar am linken Rand des Bildfeldes dargestellt sei, aber das unmittelbareGegenüber des Kollegen am rechten Rand bilde, wenn man sich das Bild-programm konsequent über die Rundform der Olpe hinweg fortgesetztvorstelle55. Wegen der hier vorhandenen einheitlichen Ausrichtung aller Figu-ren nach rechts ist ›face-to-face‹-Kommunikation ausgeschlossen, so daß sichdie Haltung des linken Arms zunächst nur als Formel für Bewegung undAktion lesen ließe, die der Figur sonst gar nicht eigen ist. Diese Geste darüberhinaus im Sinne einer konkreten Handlung – etwa mit De Miro als Anfeuernoder Ermahnen der Kompagnons – zu lesen, setzt die wenig überzeugendeAnnahme eines einheitlich-stringenten narrativen Kontextes voraus.

Sport und Bad im 6. und 5. Jh. v. Chr. – Bilder und archäologische Realität

Nach der hier vorgeschlagenen Deutung der Szene sind die gleichförmiggereihten Akteure keineswegs in einem logischen narrativen Handlungskon-text mit aufeinanderfolgenden Aktionen dargestellt, die von links nach rechtsablaufen bzw. zu lesen sind. Somit erübrigt sich auch die Frage nach einer Ein-heit von Raum und Zeit, die ohnehin angesichts der allgemein üblichen Dar-stellungskonventionen archaischer Vasenbilder nicht zu erwarten bzw. zufordern ist56.

Die vier Männer stehen für unterschiedliche Aspekte, die man auf denersten Blick ohne weiteres mit dem Kontext der Palästra in Verbindung brin-gen kann: Auf diesen verweisen einerseits Attribute wie etwa Aryballos,Schwamm, aufgehängte Stöcke sowie abgelegte Kleider und andererseitstypische Handlungen wie das Einölen und die Körperreinigung. Über die Prä-sentation unterschiedlicher Motive hinaus war der Gela-Maler um eine diffe-renzierte Darstellung der drei Athleten bemüht, die sich in der unter-

53 Zur Beliebtheit und zu den Formendes Ballspiels bei den Griechen: RE II 2(1896) 2832ff. s.v. Ballspiel (A. Mau);Der Neue Pauly 2 (1997) 426f. mit Lit.s.v. Ballspiele (R. Hurschmann);N. Yalouris (Hrsg.), Athletics in AncientGreece (1976) 255ff. mit Abb. des spät-archaischen Reliefs von der Themisto-kleischen Mauer mit Darstellung des›Hockeyspiels‹, Athen, Nationalmus.3477, ebenda Abb.148; Ch. Karouzos,Nationalmuseum Athen. JapanischeAusgabe (1968) Abb.47. 49; S. Karuzu,Archäologisches Nationalmuseum Athen.Antike Skulpturen. BeschreibenderKatalog (1969) 34.54 Vgl. z.B. Lekythos in Amsterdam,Allard Pierson Mus. 3741 und Olpe inRom, Villa Giulia 20915, abgebildet beiHemelrijk (1975) Abb.15–18. 64–66;Lekythos in Palermo: Coll. Mormino 15,CVA Palermo (1) Abschnitt III Y Taf.3,1–3.55 Hemelrijk (1974) 151f. Abb.66;Frontisi-Ducroux (1996) 195f. Abb.11.56 Dies muß seit N. Himmelmann,Erzählung und Figur in der archaischenKunst (1967) nicht weiter ausgeführtwerden. – Für den Gela-Maler wurdendie Kompositionsprinzipien der Bilderallerdings sogar noch jüngst diskutiertbzw. erst richtig eingeordnet: Hemelrijk(1974) 150ff. bewertet die Inkohärenz inder Erzählung bzw. die additive Reihungisolierter Figuren in den Bildern desGela-Malers negativ und schreibt sieseiner Unfähigkeit bzw. seinem provinzi-ellen Stil und der vielleicht sogar provin-ziellen Herkunft des Malers zu; dagegensieht Frontisi-Ducroux (1996) 195 indiesem Darstellungsmodus das Bestreben,die Verschiedenartigkeit sportlicherÜbungen zu visualisieren; der Gela-Malerhabe gar keine detaillierte und getreueWiedergabe der Realität intendiert,sondern »une série de notations ponc-tuelles, suggérant la multiplicité des›choses à voir‹«.

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schiedlichen Gestaltung der Körper sowie der verschiedenen Kleider (Binde,Mäntel) und Attribute manifestiert. Ob diese Variante mit der für archaischeMaler mehrfach konstatierten Detail- und Erzählfreude ausreichend erläutertoder ob ihr eine konkrete Bedeutung zu unterlegen ist, muß mangels eindeu-tiger Indizien offenbleiben.

Unterschiedslos wurde dagegen drei der vier Männer, dem Badedienersowie den beiden stehenden Athleten, jeweils ein und dieselbe Inschrift bei-gegeben, die nur aus den Buchstaben NENO besteht. Diese Schriftzeichengelten als charakteristische Füllbuchstaben des Gela-Malers, die auf zahlreichenVasen eingesetzt worden sind. Frontisi-Ducroux hat versucht, diesen Buch-staben über die Funktion als reine Füllelemente hinaus einen konkreten Sinnzu unterlegen und interpretiert sie als »une tentative de sonorisation, une visua-lisation des cris et du tumulte qui accompagnent les gestes«. Unterstützt werdediese Deutung durch die Tatsache, daß die Buchstaben nur auf Vasen mitdionysischen, Palästra- und Kampfszenen auftreten und damit in Kontexten,in denen laute Schreie tatsächlich gerechtfertigt und erlaubt waren57. Diesesuggestive These ist allerdings mit der Darstellung auf der Lekythos in Gelanicht problemlos vereinbar, da hier heftige Bewegungen oder sportliche Akti-vitäten fehlen. Man könnte allenfalls, in Modifikation dieser These, die Buch-staben ganz allgemein als gewissermaßen akustische Verweise auf den Palästra-kontext lesen, als Attribute der Athleten, die zwar nicht beim Training gezeigtwerden, aber schon heftige Wettkämpfe ausgefochten haben oder in Zukunftbestreiten werden.

Gegen eine konkret lautmalerische Lesart der Inschrift spricht neben denschon vorgetragenen Bedenken auch die Tatsache, daß solche Füllbuchstabenbzw. ›Nonsense‹-Inschriften bei Zeitgenossen des Gela-Malers weit verbreitetsind, besonders bei den Malern spätarchaischer schwarzfiguriger Lekythen,aber ebenso bei den rotfigurigen Kollegen. Für dieses Phänomen hat HenryR. Immerwahr verschiedene Begründungen vorgeschlagen. Das Abbildenvon Buchstaben demonstriere zunächst einmal vor allem, daß der betreffendeMaler schreiben konnte und damit über eine wohl noch nicht allgemein ver-breitete Bildung verfügte, die ihm Status und Prestige verlieh58. WeitereAspekte wie etwa der ornamental-dekorative Charakter von Inschriften oderauch der Wunsch, eine Erzählung parallel in Bild und Wort zu suggerieren,könnten ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Die beiden auf der Geloer Lekythos angesprochenen Aspekte der sport-lichen Ertüchtigung sowie der Körperreinigung sind mit unterschiedlicherGewichtung auf einer Reihe von Vasenbildern thematisiert. Wenn über diePräsentation der erforderlichen Utensilien hinaus der Akt der Körperreinigungselber dargestellt ist, dominiert dieser eindeutig. Die Vasenbilder mit solchenReinigungs- und Badeszenen bildeten bislang nie den Gegenstand einer eige-nen Untersuchung, die sich mit der ihnen eigenen Bildsprache beschäftigt undsystematisch Charakteristika, Darstellungskonventionen und Veränderungenwährend der Laufzeit dieser Bilder in den Blick genommen hätte. Gewöhn-lich werden die entsprechenden Bilder (in Auswahl) in Abhandlungen zumgriechischen Bad und Badewesen aufgeführt, wo sie gemäß der Fragestellungsehr konkret auf die archäologische Realität, d. h. die architektonischenBefunde, bezogen werden59. So wird u.a. vor allem diskutiert, wo sich diejeweils visualisierten Badeszenen abspielen, in der freien Natur, unter freiemHimmel in einem baulichen Kontext oder aber in einem geschlossenen Raum– und unmittelbar anschließend, ob der architektonische Rahmen näher alsPrivathaus, Gymnasium oder öffentliches Badeetablissement zu identifizierenist. Dies gilt vor allem für das Bad von Frauen, das sehr viel schwerer im öffent-

57 Frontisi-Ducroux (1996) 195f.,ohne Aufzählung der betreffenden Vasen;vgl. auch Hemelrijk (1974) 151. – InABL 205ff. und nachfolgenden Katalogenwie etwa ABV 473–475, 1–29 undAppendix bei Hemelrijk (1974) 155ff.wird nicht aufgeführt, welche VasenInschriften tragen. – In der Datenbankdes Beazley Archive sind nur für zwei der368 Vasen Inschriften vermerkt, die ohnePräzisierung als »Nonsense Inscriptions«bezeichnet werden. Auf der Oinochoe inFerrara, Mus. Nazionale di Spina, T 748,die dem Umkreis des Gela-Malerszugewiesen wird, sind aber im CVAFerrara Taf.8, 4. 8 weder im TextInschriften erwähnt noch auf den Abbil-dungen zu erkennen. Die Publikationeiner Lekythos aus dem Kunsthandel, dieeinen älteren bekleideten und auf einenStock gestützten Mann, mehrere jungeMänner, eine Säule und ›NonsenseInscriptions‹ zeigt, vgl. J. Eisenberg, Artof the Ancient World, Royal Athena, SaleCatalogue 66 (1990) 14 Nr.41, war mirnicht zugänglich.58 Vgl. H. R. Immerwahr, Attic Script.A Survey (1990) bes. 44 f. 90 f. Nr.571mit der Angabe weiterer Gründe; ders.in: Euphronios und seine Zeit, Kollo-quium Berlin 1991 (1992) 49ff. bes. 52 f.;vgl. auch F. Lissarrague in: S. Goldhill –R. Osborne (Hrsg.), Art and Text inAncient Greek Culture (1994) 13ff. bes.15 f. 25. – Für keine der Vasen, die demGela-Maler zugeschrieben werden, isteine sinnvoll lesbare Inschrift überliefertbzw. in der Forschungsliteratur aufge-listet, s. vorige Anm.; auch Immerwahra.O. 91 Nr.571 zitiert nur die Füllbuch-staben auf einer einzigen Lekythos.59 Sudhoff (1910); Ginouvès (1962);ganz evident in beliebig wirkender Selek-tion noch bei Hoffmann (1999).

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lichen Kontext unterzubringen ist als die Körperreinigung der Männer, dieunmittelbar mit dem Training in der Palästra verbunden werden kann. Da indiesem Rahmen dem Forschungsdesiderat bezüglich der Badeszenen aufVasenbildern keineswegs Abhilfe geschaffen werden kann, besitzen die fol-genden Überlegungen notwendigerweise vorläufigen Charakter, kann dieBedeutung der Lekythos aus Gela im Prinzip beim aktuellen Forschungsstandnicht vollständig erfaßt werden.

Sollte die Frage nach der Lokalisierung dieser Szenen überhaupt vonBedeutung sein, so läßt sie sich für den Zeitraum, in denen der weitaus größteTeil der entsprechenden Vasenbilder entstanden ist, mangels architektonischerBefunde gar nicht fundiert beantworten. Die Existenz von Gymnasien ist fürdas 6. und 5. Jh. v.Chr. nur durch Schriftquellen belegt, in gebauter Form las-sen sie sich erst seit dem 4. Jh. v.Chr. fassen. Bei den drei großen, außerhalbder Stadt gelegenen Gymnasien in Athen, deren Aussehen und Funktion nuranhand der partiell ergrabenen Akademie und vor allem der literarischenZeugnisse rekonstruiert werden können, handelte es sich um ausgedehnte,nicht klar umgrenzte Parkanlagen bzw. Gärten mit Hainen, Gewässern, Grä-bern sowie zahlreichen kleinen sakralen Anlagen und Monumenten fürHeroen und Götter. Sie bildeten multifunktionale Zentren des religiösen, poli-tischen und kulturellen Lebens, in denen Versammlungen, Spiele, Grabfeste,Prozessionen und Militärparaden stattfanden, Götter und Heroen verehrt undTruppen stationiert wurden60. Es ist fraglich, ob es dort feste Bauten und Anla-gen für Sport und Bad gab, die nur nicht erhalten geblieben sind, oder ob mannicht vielmehr ausschließlich unter freiem Himmel bzw. im Schatten derBaumpflanzungen trainierte und sich allenfalls mit temporären Einrichtungenin Leichtbauweise begnügte. R. Ginouvès nimmt an, daß man sich in diesenfrühen Sportanlagen in der freien Natur reinigte und eigene Räume mitgeeigneten Installationen für diese Zwecke erst gegen Ende des 5. Jhs. v.Chr.im Zuge der baulichen Ausgestaltung der Gymnasien eingerichtet wurden61.

Nur in einem einzigen Fall – der für ihren Reichtum und Luxus bekann-ten, 510 v.Chr. zerstörten Stadt Sybaris – ist die Existenz eines wohl öffentli-chen Bades für die archaische Zeit überliefert62. In den Schriftquellen des5. Jhs. v.Chr. mehren sich zwar die Hinweise, die an dem Vorkommen und derBedeutung dieser Etablissements keinen Zweifel lassen, aber die archäologi-schen Beispiele sind rar. Das früheste Beispiel eines öffentlichen Bades bildeteine Anlage in Olympia, die in der 1. Hälfte des 5. Jhs. v.Chr. entstanden undüber Jahrhunderte genutzt und mehrfach umgebaut worden sein soll. Der ersteeinräumige Bau soll um 450 v.Chr. um einen Raum mit elf eingemauertenmarmornen Sitzbadewannen erweitert worden sein und bei einem neuerlichenUmbau nach der Mitte des 4. Jhs. v.Chr. eine Vorrichtung zum Erwärmen desBadewassers erhalten haben63.

Das Wannenbad wurde nach Ausweis von Funden in Privathäusern schonin archaischer Zeit praktiziert, wo das Badewasser ohne größeren Aufwand aufder jeweiligen Herdstelle des Hauses erwärmt werden konnte64. In den sehrviel später faßbaren Gymnasien war diese Form des Badens aber ganz unüb-lich; dort wusch man sich bevorzugt mit kaltem Wasser an hohen Becken,konnte nur in wenigen Fällen ein Tauchbad und erst in hellenistischen Bau-ten ein Schwitzbad nehmen65. Das Baden in Sitzwannen darf dagegen als Cha-rakteristikum öffentlicher griechischer Bäder gelten, die seit dem 4. Jh. v.Chr.und besonders im Hellenismus verstärkt auftraten und in denen Sitzbadewan-nen allseitig umlaufend an den Wänden rechteckiger und vor allem runderRäume nebeneinander aufgereiht wurden. Auch wenn Installationen zurErhitzung des Badewassers nicht überall faßbar sind, bezeugen die Schrift-

60 Delorme (1960) 33ff.; Ginouvès(1962) 126ff.; die jüngsten Forschungenzu den drei Athener Gymnasien sindzusammenfassend dargestellt bei Ch.Wacker, Das Gymnasion in Olympia.Geschichte und Funktion, WürzburgerForschungen zur Altertumskunde 2(1996) 227ff.61 Ginouvès (1962) 128.62 Athen. 12, 518 c; Ginouvès (1962)183. 213 Anm. 6; 216.63 Lit. und Befund vgl. Hoffmann(1999) 157ff.64 Begünstigt wurde dies etwa durchdie Nähe von Herdstellen und Kaminenzu Baderäumen, wie sie sich in klassi-schen Häusern nachweisen läßt, vgl.o. Anm. 26.65 Ginouvès (1962) 129ff.; eine Aus-nahme bildet der Fund einer Badewanneim hellenistischen Gymnasium von Apol-lonia in Illyrien, ebenda 135 Anm. 2.

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quellen, daß man in öffentlichen Bädern gewöhnlich warm badete. Die Pra-xis des Warmbadens wird in der Dekadenz- und Luxuskritik des 5. Jhs. v.Chr.scharf geahndet, da sie besonders junge Männer verderbe und verweichlicheund vom wünschenswerten Training in der Palästra abhalte66. Nichtsdesto-weniger bezeugen aber gerade diese moralisierenden Ermahnungen, daß derBesuch öffentlicher Bäder im klassischen Athen beliebt und wohl in weitenKreisen verbreitet war, und daß das Bad über seine hygienische Funktion hin-aus zu einem wichtigen sozialen Zentrum avanciert war.

Nach diesem kurzen Abriß über den historischen und archäologischenKontext von Badeszenen im 6. und 5. Jh. v.Chr. dürfte klar geworden sein,daß sich das Bild auf der Lekythos in Gela nicht ohne weiteres einordnen bzw.lesen läßt. Es rekurriert ohne Zweifel auf positiv konnotierte Aspekte derMännerwelt im archaischen Athen, ohne daß sich aber im Sinne der Forschungdie Szene eindeutig an einem konkreten Ort – öffentliches Bad oder Palästra– lokalisieren ließe. Bezogen auf die Praxis des Badens würde man Badewanneund Ofen grundsätzlich eher in einem geschlossenen bzw. zumindest archi-tektonisch formulierten Raum plazieren, kann aber mangels Befunden kei-neswegs ausschließen, daß die Badeausstattung gerade in archaischer Zeittransportabel und eine Feuerstelle ohne großen Aufwand auch im Freien her-zustellen war. Im Bild fehlen eindeutige Elemente wie etwa Bäume, diegewöhnlich als Indiz dafür angeführt werden, daß sich eine Szene im Freienabspielt; Gegenstände, die wie hier am Bildhintergrund ›aufgehängt‹ sind, wer-den dagegen meist für die Identifizierung von Innenräumen in Anspruchgenommen67. Entsprechend wäre auch die Badeszene auf der Schale in Bolo-gna (Abb.6), bei der im Hintergrund eine Kylix aufgehängt ist, in einemInnenraum zu lokalisieren; letzterer ist schon allein aufgrund der einzelnenweiblichen Protagonistin präziser im ›privaten‹ Kontext anzusiedeln und damitdeutlich vom ›öffentlich‹ konnotierten Aktionsfeld des männlichen Wannen-bades abzusetzen68.

Angesichts der hohen Bedeutung, die das Warmbaden in Wannen zumin-dest im 5. Jh. v.Chr. und vielleicht auch schon im 6. Jh. v.Chr. hatte69, ver-wundert die seltene Darstellung dieser Badeform. Wenn man dies nicht nurdem Zufall der Überlieferung zuschreiben will, muß man sich fragen, warumdas Wannenbad nicht häufiger wiedergegeben wurde. Ob dafür mit K. Sud-hoff wirklich rein künstlerische Aspekte verantwortlich zu machen sind, mußstark bezweifelt werden70. Vielmehr möchte man die Gründe im sozial-gesell-schaftlichen Bereich suchen, kann aber über diese nur spekulieren. Vielleichtglich das Hocken in den beengten Sitzbadewannen im Bild zu sehr einer Formdes Kauerns, die als banausisch und unschicklich galt und dementsprechendeher Vertretern sozial niedriger Schichten vorbehalten war. Die Dusche imBrunnenhaus und besonders die Toilette am Louterion erlaubten dagegen, dieschönen Körper der Protagonisten voll zur Geltung zu bringen und in unter-schiedlichsten Posen wirkungsvoll zu präsentieren71. Aus diesem Grundkönnte auch die Frau auf dem Schalenbild in Bologna beim Entsteigen aus derWanne dargestellt worden sein, wodurch einerseits eine dynamische Aktionund eine raffinierte Haltung vorgeführt werden konnten und andererseits dernackte (wenn auch nicht sehr versiert wiedergegebene) Körper möglichstumfassend zur Geltung kam.

Die Lekythos aus Gela bildet mit ihrer detaillierten Darstellung eines›öffentlichen‹ Wannenbades vorerst ein singuläres Dokument, das die Kennt-nis der Lebenswelt im spätarchaischen Athen um einen neuen Aspekt berei-chert. Dem breiten Spektrum ungewöhnlicher Badeszenen auf zeitgenössi-schen Vasen, die etwa Männer und Frauen beim Duschen, Schwimmen,

66 Ginouvès (1962) 216f.67 C. Bérard – J.-P. Vernant u.a.(Hrsg.), Die Bilderwelt der Griechen(1985) 35. 39ff. 132ff.68 So auch schon Ginouvès (1962) 164Anm. 3. Der ›privat-intime‹ Charakterdes vermutlich im Wohnhaus anzusie-delnden Frauenbades wird dadurch unter-strichen, daß der Frau kein Badedienerzur Verfügung steht und sie das Bade-wasser selber schöpfen muß. Der Kontextwäre auch dann noch wohl als ›privat‹einzuordnen, wenn man die Frau alsHetäre identifiziert, wie M. Bentzüberzeugend vorschlug, u.a. wegen derKylix als Verweis auf das Symposion. DieBilder auf den Außenseiten, die einerseitshomoerotische Szenen (Knaben mit›Liebesgeschenken‹; älterer Mann mitseinem Geliebten) und andererseits›häusliche‹ Szenen (Frau mit kleinemKind; Frau, die an einem Louterion ihreSchuhe wäscht!) zeigen, lassen sich imSinne einer Gesamtlesart der Schale nichtleicht mit dem Innenbild verbinden;darauf kann hier nicht ausführlichereingegangen werden.69 Zur Bedeutung des Warmbades inhomerischen Epen s.o.; für die archaischeZeit fehlen aussagekräftige Quellen, dieeine entsprechende Bewertung erlaubten.Vgl. Hoffmann (1999) 214ff.70 Sudhoff (1910) 57. Eine Badewan-nenszene soll als weniger »malerisch« alsetwa die Reinigung am Becken gegoltenund deshalb die Maler nicht zur Darstel-lung gereizt haben.71 Daß das Thema Schönheit bei diesenSzenen eine wichtige Rolle spielte,verdeutlicht die Tatsache, daß auf einigenLouteria oder auch anderen Ausstattungs-stücken die Inschrift καλ�ς bzw. καλ�eingemeißelt ist. Vgl. F. Lissarrague in:Bérard-Vernant a.O. 51ff. Abb.47;Sudhoff (1910) Abb.11. 38. 43; Ginouvès(1962) Abb.39. 50. 56. – Auf der Schalein Bologna ist am Rand der Badewanneder Buchstabe K zu erkennen, der wohlzu καλ� zu ergänzen ist. – Zum banausi-schen Kauern und Hocken vgl. diezahlreichen Handwerkerdarstellungen beiZiomecki (1975), s.o. Anm. 25.

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Grobschlächtige Arbeiter oder durchtrainierte Athleten? 63

Page 20: Grobschlächtige Arbeiter oder durchtrainierte Athleten? Zur singulären Darstellung einer Badeszene auf einer spätarchaischen schwarzfigurigen Lekythos, Archäologischer Anzeiger

Tauchen und Springen zeigen, kann nun das warme Bad in der Wanne hin-zugesellt werden. Im Bild bleibt dieser Luxus der athenischen Oberschichtvorbehalten, denn hier werden schöne, durchtrainierte Athleten in ihnenangemessenem, Sport und Bad assoziierendem Ambiente präsentiert – undnicht grobschlächtig-robuste Arbeiter in einer simplen Töpferwerkstatt.

AbbildungsnachweisAbb.1. 2: nach De Miro (1999) 308 Abb.1 • Abb.3–5: Foto M. Trümper • Abb.6:Bologna, Museo Civico Archeologico • Abb.7–10: Providence, Museum of the RhodeIsland School of Design • Abb.11: Zeichnung M. Trümper nach G. M. A. Richter,The Craft of Athenian Pottery (1923) 58. 72–76. 78. 79 und Scheibler (1995) Abb.96 •Abb.12: nach Schwandner-Zimmer (1983) Abb.8

AbkürzungenABL • C. H. E. Haspels, Attic Black-Figured Lekythoi (1936); zitiert wird die Num-mer nach dem Appendix VIII zu den Vasen des Gela-MalersDelorme (1960) • J. Delorme, Gymnasion. Étude sur les monuments consacrés à l’éducation en Grèce (des origines à l’Empire romain), BEFAR 196 (1960)De Miro (1999) • E. De Miro, Lekythos da Gela con Atelier di Ceramista, in:M. Castoldi (Hrsg.), Koiná. Miscellanea di Studi archeologici in onore di P. Orlandini(1999) 307–312Frontisi-Ducroux (1996) • F. Frontisi-Ducroux, Quelques remarques sur le peintre deGela, in: I Vasi attici ed altre ceramiche coeve in Sicilia, Atti del convegno internazionale.Catania, Camarina, Gela 1990, Bd.1 (1996) 191–199Ginouvès (1962) • R. Ginouvès, Balaneutikè. Recherches fur le bain dans l’antiquitégrecque, BEFAR 200 (1962)Hemelrijk (1974) • J. M. Hemelrijk, The Gela Painter in the Allard Pierson Museum,BABesch 49, 1974, 117–158Hoffmann (1999) • M. Hoffmann, Griechische Bäder, Quellen und Forschungen zurAntiken Welt 32 (1999)Hollein (1988) · H.-G. Hollein, Bürgerbild und Bürgerwelt der attischen Demokratieauf den rotfigurigen Vasen des 6.–4. Jahrhunderts v.Chr. (1988)Luce (1933) · CVA Providence (1) Taf.17, 1a. bScheibler (1995) · I. Scheibler, Griechische Töpferkunst. Herstellung, Handel undGebrauch der antiken Tongefäße2 (1995)Schwandner-Zimmer (1983) · E.-L. Schwandner – G. Zimmer, Zum Problem der Öfengriechischer Bronzegießer, AA 1983, 57–70Sudhoff (1910) · K. Sudhoff, Aus dem antiken Badewesen. Medizinisch-kulturgeschicht-liche Studien an Vasenbildern I (1910)Weber (1996) · M. Weber, Antike Badekultur (1996)Ziomecki (1975) · J. Ziomecki, Les représentations d’artisans sur les vases attiques (1975)

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Monika Trümper64

AnschriftDr. Monika TrümperArchäologisches InstitutUniversität HeidelbergMarstallhof 4D-69117 [email protected]