Gewinnung chemischer Energie durch den Abbau von Nährstoffen Professor Karl-Heinz van Pée Allgemeine Biochemie TU Dresden 25.10.2012 1
Gewinnung chemischer Energie
durch den Abbau von Nährstoffen
Professor Karl-Heinz van Pée
Allgemeine Biochemie
TU Dresden
25.10.2012 1
Chemische Energie
• Form der Energie, mit deren Hilfe unter den Bedingungen
einer lebenden Zelle Arbeit verrichtet werden kann
• d.h. unter konstantem Druck und bei konstanter
Temperatur
• Damit ist Wärmeenergie als chemische Energie untauglich
• Wärme ist ein Abfallprodukt bzw. wird zum Erhalt einer
konstanten Betriebstemperatur benötigt
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Chemische Energie
• Chemische Energie steckt in einem bestimmten
Biomolekül, bei dessen Spaltung mit Wasser (Hydrolyse)
sie freigesetzt werden kann
• Bei dieser Spaltung gibt das Biomolekül eine einzelne oder
zwei zusammenhängende Phosphatgruppen ab
• Dabei kann eine Phosphatgruppe auch auf ein anderes
Biomolekül übertragen werden und erhöht dadurch dessen
Energiegehalt
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Chemische Energie
Bei dem Biomolekül, das Träger der chemischen Energie
ist, handelt es sich um Adenosintriphosphat (ATP)
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Nelson, Cox, Lehninger Biochemie, 4. Auflage
Chemische Energie
Die freigesetzte Energie wir angegeben als kJ/mol
5 Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, 2. Auflage
Chemische Energie
wird z.B. benötigt für:
• Aktivierung von Molekülen
• Synthesevorgänge
• aktiven Transport
• Bewegung
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Was verbrauchen wir?
Der Grundumsatz (völlige Ruhe, liegend) ist alters- ,
größen-, gewichts- und geschlechtsabhängig
• 15-18 Jahre 7900 kJ (Mann) 6200 kJ (Frau)
• 19-35 Jahre 7300 kJ (Mann) 6000 kJ (Frau)
• 36-50 Jahre 6800 kJ (Mann) 5600 kJ (Frau)
• 51-65 Jahre 6200 kJ (Mann) 5200 kJ (Frau)
• 66-75 Jahre 5800 kJ (Mann) 5000 kJ (Frau)
• über den Daumen pro Tag: 100 kJ pro kg Körpergewicht
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Energieverbrauch: was kostet was?
• Fernsehen 0,4 kJ/min
• Essen 1,4 kJ/min
• Waschen und Anziehen 8,0 kJ/min
• Einkaufen 5,9 kJ/min
• Staubwischen 14,2 kJ/min
• Gehen (4 km/h) 5,4 kJ/min
• Laufen (9 km/h) 42 kJ/min
• Radfahren (15 km/h) 13,4 kJ/min
• Fußball 55 kJ/min
• Tanzen 22-30 kJ/min
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Was liefert wieviel Energie?
• 1 g Kohlenhydrate (Zucker) 17 kJ
• 1 g Fette 37 kJ
• 1 g Eiweiß 17 kJ
• 1 g Fleisch 22,4 kJ
• 1 g Eier 23,4 kJ
• 1 g tierische Fett 39,2 kJ
• 1 g pflanzliches Fett 39,8 kJ
• 1 g Ethanol 30,0 kJ
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Was verbraucht wieviel Energie?
• Gehirn 25%
• Magen-Darm-Trakt, Leber, Nieren 35%
• Skelettmuskeln 20%
• Herz 6%
• Rest 14%
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Wieviel haben wir wovon?
• Muskeln, Nerven, usw. 55% (Mann) 47% (Frau)
• Knochen, Bindegewebe, Blut 32% (Mann) 28% (Frau)
• Energiereserven (Fettgewebe) 13% (Mann) 25% (Frau)
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Wieviel haben wir wovon?
• Kohlenhydrate (Leber, Muskulatur) 1% der Körpermasse
• Fette (Unterhautgewebe, Bauchfett) 4-10% der Körpermasse
• Eiweiß (in allen Körperzellen) 20% der Körpermasse
• Wasser (Blut, Lymphe, in allen Zellen) 60-70% der Körpermasse
• Mineralstoffe (Ca in den Knochen, 4-5% der Körpermasse
Fe im Blut)
• Vitamine nur in Spuren
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Was enthält wieviel?
• 1 Tafel Vollmilchschokolade 2340 kJ
• 1 Bratwurst (100 g) 1470 kJ
• 1 Stück Sahnetorte 1415 kJ
• 1 Portion Erdnüsse (50 g) 1330 kJ
• 1 Glas Bier (0,3 l) 660 kJ
• 1 Glas Weinbrand (20 ml) 225 kJ
• 1 Apfel 370 kJ
• 1 Apfelsine 315 kJ
• 1 Stück Würfelzucker 85 kJ
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Was können (müssen) wir dafür tun?
• 1 Tafel Vollmilchschokolade 1 h 10 min Treppensteigen
• 1 Bratwurst (100 g) 1 h 10 min Tischtennisspielen
• 1 Stück Sahnetorte 1 h 25 min Fensterputzen
• 1 Portion Erdnüsse (50 g) 1 h 10 min Brustschwimmen
• 1 Glas Bier (0,3 l) 25 min Tanzen
• 1 Glas Weinbrand (20 ml) 2 h 40 min Kartenspielen
• 1 Apfel 45 min Radfahren (10 km/h)
• 1 Apfelsine 40 min Abwaschen
• 1 Stück Würfelzucker 40 min Schreiben
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Wieviel sollten wir wovon zu uns nehmen?
Gesamtenergiebedarf 100% 8400 kJ in g
Eiweißzufuhr 15% 1250 kJ 74 g
Fettzufuhr 30% 2520 kJ 68 g
Kohlenhydratzufuhr 55% 4620 kJ 272 g
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Was sind Kohlenhydrate chemisch
betrachtet?
Kohlen(stoff): C und Hydrat: Wasser (H2O, OH- H+)
16 Löffler et al, Biochemie und Pathobiochemie, 8. Auflage
Als was nehmen wir Kohlenhydrate mit der
Nahrung auf?
• als Milchzucker (Lactose)
• als Rohrzucker (Saccharose) mit pflanzlicher Nahrung
• als Stärke mit pflanzlicher Nahrung
• als Cellulose mit pflanzlicher Nahrung (für uns
unverdaulich)
Das sind entweder Disaccharide oder Polysaccharide und
müssen alle in Monosaccharide gespalten werden
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Was sind Fette chemisch betrachtet?
Glycerol + 3 Fettsäuren bilden ein Triacylglycerin (n kann
verschieden groß sein)
Neutralfette, Speicherfett, Lipide, Membranlipide
Die Spaltung des Fetts, wie auch die Spaltung der Polysacaride
und Proteine mit Wasser, erfordert keine Energie
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Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, 2. Auflage
Was sin Eiweiße chemisch betrachtet?
Sie bestehen aus Aminosäuren, die über Peptidbindungen
miteiander verknüpft sind
19 Nelson, Cox, Lehninger Biochemie, 4. Auflage
Der Weg zur chemischen Energie
Hydrolyse
Spaltung mit Wasser
Abbau zu
aktivierter Essigsäure
(Acetyl-CoA)
Einsammeln von Elektronen
im Citrat-Cyclus
Übertragung der
eingesammelten Elektronen
auf Sauerstoff
liefert ATP, aber nicht so! 20
Glucose: das zentrale Biomolekül
21 Nelson, Cox, Lehninger Biochemie, 4. Auflage
Glucoseverwertung
22
Der Energiegehalt von Molekülen
Prinzip der gekoppelten Reaktion mit ATP
Halbreaktion 1, endergon
Halbreaktion 2, exergon
Gesamtreaktion, exergon
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Voet, Voet, Biochemistry, Third Edition
Der Energiegehalt: sehr viel, viel oder wenig
24 Voet, Voet, Biochemistry, Third Edition
Direkte Bildung von ATP in der Glycolyse
• wenn wir ATP aus ADP und anorganischem Phosphat
machen wollen, brauchen wir Energie in Höhe von
mindestens 30,5 kJ/mol
• in der Glycolyse gibt es zwei Verbindungen, die
energiereicher als die geforderten 30,5 kJ/mol sind
• von diesen kann eine Phosphatgruppe auf ADP übertragen
werden und es entsteht ATP
• Das geht ohne dass Sauerstoff dabei ist (anaerob)
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Was bringt uns die Glykolyse
• Spaltung von Glucose in kleine Fragmente über 10
enzymatische Reaktionen zum Pyruvat - ältester und
universellster Reaktionsweg zur ATP-Gewinnung
• verläuft im Cytoplasma, beteiligte Enzyme liegen frei im
Plasma vor
• verläuft ohne O2, ergibt geringen Energiegewinn (2 ATP)
Gesamtgleichung:
• Glucose + 2 NAD+ + 2 ADP + 2 P 2 Pyruvat + 2 NADH
+ 2 H+ + 2 ATP + 2 H2O
• Unterteilung in 2 Phasen:
Vorbereitungsphase (kostet Energie in Form von 2 ATP)
Energieerzeugung (bringt Energie in Form von 4 ATP)
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Wie geht’s nach der Glycolyse weiter?
27 Nelson, Cox, Lehninger Biochemie, 4. Auflage
Das Einsammeln von Elektronen
• negative Ladung
• wiegen eigentlich nichts (9,1 x 10-28 g)
• hängt in Zellen immer an etwas dran
• in organischen Molekülen ist Wasserstoff der Elektronen-
träger (Hydridion, H-)
• kommen zusammen mit Protonen (H+) vor
• d.h. eigentlich haben wir Wassetstoff (H2)
• In Anwesenheit von Sauerstoff (O2) gibt das eine Explosion
(Knallgasreaktion) und es entsteht Wasser (H2O)
• aber: die Zelle wäre expodiert und damit tot
• so kann es also nicht gehen
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Wie zähmen Lebewesen die
Knallgasreaktion?
• kein freies H2
• nur freies O2
• anstelle von H2 gibt es aber H- und H+
• H- ist aber H+ mit zwei Elektronen (H+ + 2 e-)
• diese Elektronen können dann “fließen” und auf
Sauerstoff übertragen werden (O O2-) ohne dass es eine
Explosion gibt
• zusammen mit Protonen (H+) gibt es dann Wasser (H2O)
(O2- + 2 H+ H2O)
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Wie kommen die Elektronen von der Glucose
zum Sauerstoff?
• wir brauchen ein Molekül, das ein Hydridion mit seinen
beiden Elektronen aufnimmt (einen Elektronenakzeptor)
• das ist Nicotinamidadenindinukleotid (NAD+)
30 Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, 2. Auflage
Aus NAD+ wird NADH
Eingesammelte Elektronen (2) befinden sich nun auf dem NADH
31
Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, 2. Auflage
Flavinadenindinukleotid (FAD), ein weiterer
wichtiger Elektronenakzeptor
32 Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, 2. Auflage
Die Elektronenübertragung am Beispiel des
Flavinadeninmononukleotids (FMN)
33 Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, 2. Auflage
Ortswechsel
Die Glycolyse findet im Cytosol statt
Citronensäure-Cyclus und der
Abbau der Fettsäuren in den
Mitochondrien-Matrix
34 Nelson, Cox, Lehninger Biochemie, 4. Auflage
Die meisten Elektronen werden im
Citronensäure-Cyclus eingesammelt
im Citronensäure-Cyclus
gibt es auch eine direkte
Bildung von ATP
35 Nelson, Cox, Lehninger Biochemie, 4. Auflage
Warum macht Alkohol nicht nur betrunken,
sondern auch dick?
Weil wieder Elektronen eingesammelt werden und
aktivierte Essigsäure entsteht
36 Rassow et al., Duale Reihe Biochemie, 2. Auflage
Energie aus Fetten
geht in die Glycolyse und gibt auch aktivierte Essigsäure 37
Nelson, Cox, Lehninger Biochemie, 4. Auflage
Auch die aktivierte Essigsäure aus dem
Fettabbau fließt in den Citronesäure-Cyclus
im Citronensäure-Cyclus
gibt es auch eine direkte
Bildung von ATP
38 Nelson, Cox, Lehninger Biochemie, 4. Auflage
Vom NADH zum ATP als Träger der
chemischen Energie Peter Mitchell 1961 (1978 Nobelpreis für Chemie)
• NADH reagiert nicht direkt mit Sauerstoff
• zwischen NADH und dem Sauerstoff liegen noch ein paar
Schritte
• FADH2 kann direkt mit Sauerstoff reagieren, darf es aber
nicht!
• FADH2 muss daher vor Sauerstoff geschützt werden
• das geht durch einfaches “Wegpacken”
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NADH und die Atmungskette
40 Nelson, Cox, Lehninger Biochemie, 4. Auflage
Die Bildung von ATP erfolgt durch einen
protonengetriebenen molekularen Motor
41 Nelson, Cox, Lehninger Biochemie, 4. Auflage
Wärmeerzeugung durch Entkoppler der
Atmungskette
42 Nelson, Cox, Lehninger Biochemie, 4. Auflage
Abnehmen leicht gemacht!?
inner mitochondrial
membrane
Hört sich ersmal gut an, aber leider ist das 2,4-Dinitrotoluol giftig!
Typischer Fall von “Operation geglückt, Patient tot.
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Voet, Voet, Biochemistry, Third Edition
Was kommt insgesamt heraus?
• wir produzieren pro Tag etwa 70 kg ATP
• das entspricht einem Wirkungsgrad von 38%
• der Rest geht als Wärme “verloren”
• dabei muss man aber bedenken, dass wir Wärme zum
Erhalt der Betriebstemperatur benötigen
• wir strahlen aber immerhin ~39000 kJ/Tag an Wärme ab
• das ist ein Vielfaches dessen, was wir an Grundumsatz
haben
• d.h., eigentlich sind wir wandelnde Wärmestrahler
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