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06.02.2018 www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 76 Gericht BVwG Entscheidungsdatum 06.02.2018 Geschäftszahl W156 2170206-1 Spruch W156 2170206-1/9E IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2017, Zahl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.11.2017 zu Recht erkannt: A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005, § 8 Abs. 1 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 55, 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen. B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: 1. Verfahrensgang 1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 16.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab er zu Protokoll, dass er eines Tages bei einem Freund wegen einer Hausübung über Nacht gewesen sei. Am nächsten Tag, als er nach Haus gekommen sei, habe er die Leiche seines Vaters gesehen. Es sei überall Blut gewesen. Er habe geschriehen. In dieser Zeit sei seine Mutter gekommen. Er habe sie gefragt, wer seinen Vater getötet habe. Sie sagte, dass sie es ihm später erzählen werde. Sie habe ihm etwas Geld gegeben und gesagt, dass er das Haus sofort verlassen muss, weil sein Leben in Gefahr sei. Er habe in eine andere Stadt gehen wollen. Auf dem Weg sei er von den Taliban entführt und in ein Haus gebracht worden. Dort sei er ca. 27 Tage eingesperrt gewesen. Eines Tages in der Nacht habe es ein Gefecht gegeben und für ihn die Möglichkeit zu flüchten. In einen Bazar habe er den Ahmed getroffen. Er habe ihm alles erzählt und ihm das Geld, das er von seiner Mutter bekommen habe, gegeben. Er habe ihn von Afghanistan heraus gebracht. 1.2. Mit Schreiben vom 25.09.2016 brachte der BF vor, erst 14 Jahre alt zu sein. 1.3. Am 02.11.2015 erging von der belangten Behörde der Auftrag zur Altersfeststellung an Dr. Thorsten Schwark. 1.4 Mit Gutachten vom 13.01.2016 wurde ein Mindestalter des BF von 17 Jahren festgestellt. 1.5. Am 10.05.2017 wurde der Beschwerdeführer seitens des BFA nach Befragung zu seinen persönlichen Verhältnissen und seinen Fluchtgründen befragt, wobei er im Wesentlichen vorbrachte, dass er sich vor seiner
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Apr 20, 2023

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06.02.2018

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Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

06.02.2018

Geschäftszahl

W156 2170206-1

Spruch

W156 2170206-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2017, Zahl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.11.2017 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005, § 8 Abs. 1 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 55, 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 16.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Hierbei gab er zu Protokoll, dass er eines Tages bei einem Freund wegen einer Hausübung über Nacht gewesen sei. Am nächsten Tag, als er nach Haus gekommen sei, habe er die Leiche seines Vaters gesehen. Es sei überall Blut gewesen. Er habe geschriehen. In dieser Zeit sei seine Mutter gekommen. Er habe sie gefragt, wer seinen Vater getötet habe. Sie sagte, dass sie es ihm später erzählen werde. Sie habe ihm etwas Geld gegeben und gesagt, dass er das Haus sofort verlassen muss, weil sein Leben in Gefahr sei. Er habe in eine andere Stadt gehen wollen. Auf dem Weg sei er von den Taliban entführt und in ein Haus gebracht worden. Dort sei er ca. 27 Tage eingesperrt gewesen. Eines Tages in der Nacht habe es ein Gefecht gegeben und für ihn die Möglichkeit zu flüchten. In einen Bazar habe er den Ahmed getroffen. Er habe ihm alles erzählt und ihm das Geld, das er von seiner Mutter bekommen habe, gegeben. Er habe ihn von Afghanistan heraus gebracht.

1.2. Mit Schreiben vom 25.09.2016 brachte der BF vor, erst 14 Jahre alt zu sein.

1.3. Am 02.11.2015 erging von der belangten Behörde der Auftrag zur Altersfeststellung an Dr. Thorsten Schwark.

1.4 Mit Gutachten vom 13.01.2016 wurde ein Mindestalter des BF von 17 Jahren festgestellt.

1.5. Am 10.05.2017 wurde der Beschwerdeführer seitens des BFA nach Befragung zu seinen persönlichen Verhältnissen und seinen Fluchtgründen befragt, wobei er im Wesentlichen vorbrachte, dass er sich vor seiner

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Ausreise aus Afghanistan zuletzt regelmäßig in XXXX in der Provinz XXXX, in der Region XXXX im Dorf XXXX aufgehalten habe. Er habe sein ganzes Leben dort verbracht und sei vor sechs Jahren nur eine Woche in Pakistan gewesen. Nach seiner Rückkehr aus Pakistan habe er nicht mehr in XXXX sondern in der Ortschaft XXXX gelebt. In der Ortschaft XXXX habe er mit seinen nichtleiblichen Eltern und zwei Schwestern in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.

Als Gründe für die Ausreise gab der BF an, dass er bei einem Schulfreund wegen Hausaufgaben über Nacht gewesen sei. Am nächsten Tag bei seiner Heimkehr habe er gesehen, dass das Haus voller Blut gewesen sei. Seine Mutter habe ihm Geld gegeben und ihm gesagt, er solle von hier flüchten. Eine Erklärung für die Vorfälle habe sie ihm nicht gegeben.

Auf Rat seiner Mutter sei er in die Region XXXX flüchten soll, wo sich die Geschäfte befinden und habe dort ein oder zwei Stunden gewartet, bis seine Mutter gemeinsam mit seinen beiden Schwestern nachgekommen sei. Sie habe ein Fahrzeug organisierte, um an einen anderen Ort zu gehen. In diesem Fahrzeug hatten 7 oder 8 Personen Platz gehabt. Er habe nicht gewusst, wohin sie fahren.

Unterwegs, in einer Region namens XXXX, hätten die Taliban das Fahrzeug angehalten und sie festgenommen und alle, die in diesem Fahrzeug waren, mitgenommen. Sie wären mit verbundenen Augen in einen Keller gebracht worden. Er wisse nicht wohin. Sie seien etwa 1 1/2 Monate dort gewesen. Die Taliban hätten sie dort misshandelt und mit dem Tod bedroht wegen der Religion und der Volksgruppenzugehörigkeit. Bei einem Angriff, er wisse nicht, wer diesen Angriff gestartet habe, seien die zwei Wachmänner am von dort weggegangen.

Es wären insgesamt 40 Personen in diesem Keller gewesen und jeder sei in eine andere Richtung geflüchtet. Seine Mutter habe ihm Geld, das sie in einem Tuch bei sich gehabt hätte, gegeben. Und ihm gesagt, dass er von hier flüchten müsse. Er habe nicht ohne sie und den beiden Schwester flüchten wollen, aber sie habe gesagt, sie sei alt und könne mit seinen beiden Schwestern nicht flüchten.

Er sei zu Fuß durch eine Wüste gelaufen und sei dann in einer Region angekommen, wo es einen Bazar gegeben habe. Er sei sehr erschöpft gewesen und habe Hunger gehabt. Ein Mann sei gekommen, er glaube, er habe Ahmad geheißen, dem er von seinen Problemen erzählt habe. Durch diesen Mann sei er bis nach Europa gekommen.

Er sei von den Taliban misshandelt worden und man habe ihm seine Nase gebrochen.

Wo der Bazar gewesen sei, wisse er nicht.

Zur Entführung durch die Taliban gefragt, gab der BF an, dass sie sie in ihrem Sammeltaxi mit Raketen und Gewehren angehalten haben. Sie seien mit zwei Autos unterwegs gewesen, ähnlich wie ein Toyota. Der Fahrer und der Beifahrer seien von zwei Taliban mitgenommen worden. Ein Talib habe am Steuer gesessen, der andere richtet seine Waffe gegen die Beiden gerichtet. Sie seien zu diesem Keller gebracht worden und hätten eine Augenbinde bekommen. Es seien ca. 5 Personen gewesen und hätten auch mehrere Taliban bei den Autos gestanden.

Der Keller sei ca. 2 Mal so groß wie das Einvernahmezimmer gewesen.

Die Taliban hätten Paschtu gesprochen und er verstehe Paschtu nicht. Er habe nur Hazara und Schiiten verstanden. Die Fahrt zum Keller hätte etwa 2 Stunden gedauert. Die zwei Wachmänner hätten auf Paschtu gesagt, dass sie untereinander nicht sprechen sollen. Sie hätten mit dem Zeigefinger auf den Mund gedeutet, dass sie nicht reden sollen.

In den 40 Tagen hätte er kein einziges Wort gesprochen, bei einer kleinen Tätigkeit, hätten sie sie misshandelt, deshalb müssten sie ruhig sein. Aus Angst habe niemand gesprochen, da sie sehr grausam seien.

Warum er von den Taliban festgehalten worden sei, wisse er nicht. Von Youtube habe er die Nachrichten gehört und wisse jetzt, dass in dieser Region die Taliban die Hazara anhalten. Warum man sie festgehalten hätte, wisse er nicht. Er kenne den Grund nicht.

Aus XXXX habe er flüchten müssen, weil er, als er 5 oder 6 Jahre alt war, seine leiblichen Eltern verloren habe. Das Oberhaupt der Familie seien seine Brüder geworden. Der eine Bruder sei um 2 Jahre älter als ich.

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Nachgefragt gab er an:

Er sei bei seinem Freund gewesen und am nächsten Tag, als er nachhause gekommen sei, sei das ganze Haus voller Blut gewesen. Diese Leute seien hinter ihm her gewesen, sie eine Feindschaft hätten. Diese Feindschaft bestehe schon seit langem. Das sei der Grund dafür, dass er XXXX verlassen musste, sie wären hinter ihm her. Er kenne diese Leute aber nicht und wisse auch über die Feindschaft nichts. Diese Feindschaft bestünde schon seit langem, da er aber damals zu jung gewesen sei, sei er nicht darin verwickelt gewesen.

Mit den Behörden seines Heimatlandes habe er niemals Schwierigkeiten oder Probleme gehabt, er habe keiner einer politischen Partei angehört und gegen ihn sei nie ein Gerichtsverfahren anhängig gewesen. Auch sei er nie in Haft oder festgenommen worden

1.3. Das Bundesamt wies mit angefochtenem Bescheid vom 10.08.2017 den Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

1.4. Gegen den Bescheid des Bundesamtes brachte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein.

1.5. Am 14.11.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei der sich im Wesentlichen Folgendes ereignete:

"R: Haben Sie vor der Polizei im Rahmen der Erstbefragung und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Wahrheit gesagt?

BF: Da ich nicht sicher war, ob ich mich damals im Bundesgebiet aufgehalten habe oder nicht und ich wusste nicht, ob es sich um Österreich gehandelt hat, habe ich halb-halb die Wahrheit gesagt, bei der Erstbefragung durch die Polizei. Aber in der Einvernahme vor dem BFA habe ich die Wahrheit gesagt.

R: Was war bei der Einvernahme vor der Polizei gelogen?

BF: Ich habe gesagt, dass ich damals keine Verwandten, darunter auch mein Bruder, nicht in Österreich gehabt habe, das war gelogen. Zweitens, habe ich auch gesagt, dass ich ca. 27 Tage bei den Taliban als Gefangener war, obwohl ich ca. eineinhalb Monate dort gefangen war.

R: Warum haben Sie da gelogen?

BF: Ich war nicht sicher, ob es hier Österreich war oder nicht, überall hat die Polizei diese Fragen gestellt.

R: Warum haben Sie gelogen?

BF: Erstens war ich nicht sicher, wie ich zuvor gesagt habe, ob ich in Österreich war oder nicht. Zweitens war ich nicht sicher, ob mein Bruder damals gelebt hat oder nicht, weil ich keinen Kontakt hatte.

R: Haben Sie den Dolmetsch dort gut verstanden?

BF: Der D bei der Erstbefragung hat einen unbewussten Auftritt gehabt. Er hat von sich einen Eindruck gegeben, dass er nicht seine Tätigkeit bewusst war. Mit dem D bei der Einvernahme vor dem BFA habe ich keine Verständnisprobleme gehabt. Ich habe ihn verstanden. Ich habe es deswegen jetzt erwähnt, weil der D mich damals wohl nicht gut verstanden hat.

R: Wurden Ihnen die Niederschriften, die die Polizei im Rahmen der Erstbefragung und das BFA mit Ihnen aufgenommen haben, rückübersetzt?

BF: Beide Protokolle wurden mir nicht ausgehändigt. Das Protokoll von der Erstbefragung habe ich erst einen Tag vor der Einvernahme beim BFA erhalten. Ich habe nicht genug Zeit gehabt den Inhalt des EB-Protokolls zu lesen. Das Protokoll vom BFA habe ich ausgehändigt bekommen.

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R: Ist die Niederschrift vom BFA rückübersetzt worden?

BF: Es wurde rückübersetzt.

R: Haben Sie Identitätsdokumente aus Afghanistan von Ihnen?

BF: Nein, habe ich nicht. Ich bin von dort geflüchtet, ich konnte nichts mitnehmen.

R: Haben Sie welche gehabt?

BF: Nein, habe ich nicht gehabt.

R: Sagen Sie bitte Ihren Namen, wo Sie geboren sind und wer Ihre leibliche Familie ist.

BF: Meine leibliche Mutter heißt XXXX. Mein leiblicher Vater heißt XXXX XXXX. Geboren bin ich in der Provinz XXXX, Jaghori. Und ich heiße XXXX XXXX.

R: Gibt es noch jemand aus dieser leiblichen Familie?

BF: Ich habe zwei leibliche Brüder. Davon ist einer längst verstorben, ich meine damit getötet worden, er war zwei Jahre älter als ich. Er hat geheißen XXXX. Mein zweiter Bruder, der auch älter ist als ich, hält sich derzeit in Österreich auf. Er heißt XXXX XXXX. Ich habe keine leibliche Schwester.

R: Gibt es Onkel und Tanten?

BF: Ich habe gehört, dass ich einen Onkel väterlicherseits habe, mit dem wir keinen Kontakt haben und dass er sich in Australien mit seiner Familie aufhält und er sich schon lange dort aufhält. Ich habe auch einen Onkel mütterlicherseits, der in Österreich lebt.

R: Sonst noch leibliche Familie?

BF: Nein, ich habe keine Tanten, weder väterlicher- noch mütterlicherseits.

R: Was ist mit Ihren leiblichen Eltern passiert?

BF: Ich war sehr jung damals. Mein Bruder hat mir gesagt, dass mein Vater unter Krebs gelitten hat und an Krebs gestorben ist. Eine Woche ca. danach ist dann meine Mutter gestorben und zwar wegen eines Schlaganfalls.

R: Wo haben Sie mit Ihren leiblichen Eltern gelebt?

BF: In XXXX, XXXX, Jaghori, XXXX, Afghanistan.

R: Was ist nach dem Tod Ihrer leiblichen Eltern passiert?

BF: Danach hat dieser ältere Bruder, XXXX, uns erzogen und für uns gesorgt, ca. zwei Jahre lang. Ich kann mich erinnern, ich war acht Jahre alt und er hat die Aufgaben der Eltern übernommen. Danach hat man unser Haus in XXXX überfallen und meinen älteren Bruder, XXXX, mitgenommen. Ich war jung, man hat mich verschont und nicht mitgenommen. Ich weiß auch nicht, wieso mein Bruder mitgenommen wurde. Möglicherweise wegen des Besitz der Grundstücke, weil mein Vater damals Grundstücke hatte, davon hat mir mein Bruder erzählt. Und dass er mit jemand darüber gestritten hat.

R: Wie sind Sie dann zu Ihren Zieheltern gekommen?

BF: Mein Bruder wurde, wie gesagt, mitgenommen. Dann haben wir nichts von ihm gehört. Meine Schwägerin hat sich dann um uns gekümmert. Ich habe gesagt, die Frau meines Onkels mütterlicherseits, der in Österreich lebt.

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R: Das heißt, Ihre Zieheltern sind Ihr Onkel mütterlicherseits und seine Frau gewesen?

BF: Damals hat man auch meinen Onkel mütterlicherseits mitgenommen. Damals nur seine Frau hat sich um uns gekümmert.

R: Mit wem sind Sie dann gemeinsam aufgewachsen und wie lange waren Sie dort?

BF an D: Ich sag es Ihnen stückweise und langsam. Ich bin gerade dabei Ihnen alles zu beschreiben und Sie können es weitersagen.

BF: Die Polizei hat eines Tages den Leichnam meines zwei Jahre älteren Bruders gefunden und die Frau meines Onkels mütterlicherseits, der hier lebt heißt XXXX, wurde verständigt. Im Anschluss daran, mussten wir nach Pakistan flüchten, da ich und die Frau von XXXX sehr verängstigt waren, einerseits hatten sie meinen Bruder damals mitgenommen und später haben sie den anderen getötet. Dann waren wir ca. eine Woche in Pakistan. Ein bisschen Geld hatte ich selbst und den Rest habe ich der Frau von XXXXgenommen. Ich wollte in die Stadt gehen und mir etwas kaufen. In der Stadt wurde ich von der Polizei aufgegriffen, in Pakistan, weil ich mich von der Optik her von den pakistanischen Leuten unterschieden habe, sie sind ziemlich dunkel. Die Polizei hat mich dann nach meinen aufenthaltsrechtlichen Karten gefragt, ob ich damals welche gehabt habe, oder nicht. Ich habe ihnen gesagt, dass ich nichts habe. Ich und mein Bruder waren mit der Frau von XXXX ca. ein Jahr zusammen. Sie selbst hatte keine Kinder.

R: Was ist wichtig an der Geschichte in Pakistan?

BF: Pakistan hat veranlasst, dass ich mit den anderen Eltern zusammen lebe.

R: Wer ist das jetzt?

BF: Von den späteren Eltern, war der Vater der Freund meines Vaters, er kannte meinen Vater. Er hat auch XXXX geheißen, seinen Familiennamen kannte ich nicht.

R: Sind das jetzt die Zieheltern, von denen wir im Verfahren reden werden?

BF: Ja. Jemand hat die Frau von XXXX darüber informiert, dass mein anderer Bruder in Österreich sei. Wer sie informiert hat, weiß ich nicht. Damals habe ich selber nur einmal mit meinem Bruder, der jetzt in Österreich ist, telefonisch gesprochen. Weiteren Kontakt hatte ich nicht mit ihm, deswegen war ich nicht sicher, ob er damals nach meinem Eintreffen hier, auch hier war oder nicht.

R: Wie hat jetzt die pakistanische Polizei Sie zu den späteren Zieheltern gebracht?

BF: Ich wurde nach Afghanistan in die Provinz XXXX abgeschoben. Ich war dort sehr verzweifelt, bis ich dort die Hazara-Leute gefunden habe, die ein Restaurant geführt haben. Diese Person hat mich dann gefragt, warum ich so verzweifelt sei und ich habe meine Geschichte erzählt. Dann hat er Fragen bezüglich meines Heimatdorfes und meiner Eltern gestellt, ich habe es der Person erzählt. Im Zuge dessen hat sich herausgestellt, dass er meinen Vater kannte. So bin ich mit ihm in Kontakt gekommen.

R: Wer hat jetzt Ihren Vater gekannt? Ist Ihr Ziehvater und die Person im Restaurant dieselbe Person?

BF: Ja, ich meine, den Ziehvater habe ich in einem Restaurant in XXXX gesehen.

R: Sie haben erzählt: "Ich wurde nach Afghanistan in die Provinz XXXX abgeschoben. Ich war dort sehr verzweifelt, bis ich dort die Hazara-Leute gefunden habe, die ein Restaurant geführt haben. Diese Person hat mich dann gefragt, warum ich so verzweifelt sei und ich habe meine Geschichte erzählt. Dann hat er Fragen bezüglich meines Heimatdorfes und meiner Eltern gestellt, ich habe es der Person erzählt. Im Zuge dessen hat sich herausgestellt, dass er meinen Vater kannte. So bin ich mit ihm in Kontakt gekommen."

BF: Ja so stimmt das.

R: Wer ist wer? Ist der Besitzer des Restaurants Ihr Ziehvater?

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BF: Alles ist richtig, außer der Besitzer des Gasthauses. Mein Ziehvater war nicht der Besitzer, er war Gast. Meine leiblichen Eltern habe ich vorher erwähnt, ich war sehr jung. Ich habe in diesem Restaurant meinen späteren Ziehvater getroffen und es hat sich herausgestellt, dass er meinen leiblichen Vater kannte.

R: Wo haben Sie dann mit Ihren Zieheltern gelebt?

BF: Er hat mich dann mitgenommen, in die Gegend namens XXXX, Jaghori, XXXX. Dort habe ich mit ihnen gelebt.

R: Mit wem haben Sie dort gelebt?

BF: Mit meiner Ziehmutter, Ziehvater und den zwei Töchtern von ihnen. Insgesamt waren wir fünf.

R: Welchen Beruf hatte Ihr Ziehvater?

BF: Er hat ein Lebensmittelgeschäft gehabt. In der Stadt genannt nach XXXX, im Bazar.

R: Hat er sonst noch etwas gearbeitet?

BF: Ab und zu war er in der Landwirtschaft tätig.

R: Haben Sie mitgeholfen?

BF: Überwiegend habe ich mich ums lernen und die Hausaufgaben der Schule gekümmert. Ab und zu habe ich ihm, nur in der Landwirtschaft, geholfen.

R: Was haben Sie da gemacht?

BF: z.B. habe ich Obst gesammelt und das dann nach Hause gebracht, ab und zu habe ich auch gewässert. Er hat nicht nur Obst, sondern auch Getreide, Weizen, Karotten angebaut.

R: Erzählen Sie mir warum Sie Afghanistan verlassen haben, so anschaulich wie möglich.

BF: Eine Nacht war ich bei meinem Klassenkameraden, wegen der Hausaufgaben. Ich wollte diese mit ihm zusammen machen. Am nächsten Tag, als ich zuhause war, habe ich bemerkt, dass die Wand zuhause voller Blut war. Sie hatten meinen Ziehvater getötet. Daraufhin, als ich zuhause war, ist plötzlich meine Ziehmutter zu mir gekommen, hat mir einen kleinen Betrag Geld ausgehändigt und gesagt, "dein Leben ist hier in Gefahr, verschwinde aus diesem Ort so schnell wie möglich". Sie sagte, dass ich in Bazar von XXXX gehen müsse und dass sie sich später an mich anschließen wolle. Genau diesen Zeitpunkt bezeichne ich als sehr bittere Zeit in meinem Leben. Ich bin dann zum Bazar XXXX gegangen. Später ist meine Ziehmutter mit den zwei Töchtern gekommen und sie haben mir gesagt, dass diese Leute, die meinen Ziehvater getötet haben, eigentlich nach mir gesucht haben. Ich denke, dass es sich dabei um die Feinde meines Vater gehandelt hat, mit denen er damals, als er (leiblicher Vater) am Leben war, über die Grundstücke gestritten hat. Ich, meine Ziehmutter und ihre zwei Töchter haben ein Sammeltaxi genommen und wollten in eine sichere Gegend fahren und diesen Ort so schnell wie möglich verlassen. Wir haben ein Sammeltaxi der Marke Town-Ace genommen. Wir waren unterwegs, als die Taliban dieses Sammeltaxi in der Gegend XXXX angehalten haben. Wir waren ca. sieben bis acht Personen in diesem Sammeltaxi. Die Taliban haben uns aussteigen lassen, uns die Hände am Rücken verbunden und ihre Waffen auf uns gerichtet. Es gab noch ein paar andere, die ziemlich weit gestanden sind und den Ort gesichert haben, damit niemand flieht. Wir waren sehr verängstigt, weil die Taliban in der Mehrzahl sind in XXXX und brutale Anschläge verüben. Uns haben sie die Augen verbunden und wieder ins Auto einsteigen lassen. Ca. zwei Stunden waren wir mit dem Auto unterwegs. Danach waren wir plötzlich in einem Keller. Es gab auch noch andere Leute in diesem Keller, die sie davor aufgegriffen und festgenommen hatten. Auf dieser Route von XXXX, wo wir von den Taliban aufgegriffen wurden, wurden damals viele andere Leute von den Taliban aufgegriffen und festgenommen, viele auch getötet.

R: Diese Leute wurden aufgegriffen, als Sie transportiert wurden, oder ist das eine generelle Aussage?

BF: Wir waren alle im Auto als die Taliban uns aufgegriffen haben. Das ist die einzige Route, dass aus Jaghori und XXXX hinaus führt.

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R: Sind an diesem Tag noch andere Leute zu Ihnen ins Auto gebracht und mit Ihnen in den Keller gebracht worden?

BF: Nein, wir waren alleine. Es gab in diesem Keller sowohl Männer als auch Frauen, aber voneinander getrennt. Die Taliban haben Paschtu gesprochen. Ich kann kein Paschtu. Es gab zwei Wachen der Taliban. Man konnte nicht laut sprechen und sich denen widersetzten. Sie haben auch gefoltert. Ich wurde auch von den Taliban mit dem Fuß gegen die Nase getreten, sie haben mir die Nase gebrochen. Wir waren ca. ein bis eineinhalb Monate dort. Wir wussten auch nicht, warum sie uns aufgegriffen und festgenommen haben, aber wir waren die Gefangenen von ihnen. Ab und zu sind fünf bis sechs Taliban gekommen und haben gewalttätig gesprochen. Sie haben auf Paschtu gesprochen, ich weiß nicht was sie wirklich gemeint haben.

R: Haben die Taliban zu den Gefangenen gesprochen?

BF: Alle wurden von ihnen angesprochen und bedroht. Sie haben alle durchsucht.

R: Haben Sie auch Gegenstände abgenommen?

BF fragt nach: Welche Gegenstände?

BF: Ich habe nicht gesehen, dass sie den Gefangenen etwas weggenommen haben. Aber sie waren auf der Suche nach irgendwelchen Dokumenten, die die Zusammenarbeit der Gefangenen mit dem Staat beweisen könnten.

R: Woher wissen Sie das?

BF: Weil sie einen Studenten auch als Gefangenen hatten, sie haben ihn so viel geschlagen, bis er geblutet hat. Sie können auch selber recherchieren und nachforschen, warum die Taliban so aktiv sind und solche Sachen machen. Eines Tages wurde dieser Ort, wo wir uns als Gefangene aufgehalten haben, von den Sicherheitsleuten des Staates, denke ich, angegriffen. Kurz nach dem Angriff haben die Wachen ihren Posten verlassen und die Türe offen gelassen. Das war der Zeitpunkt in dem ich fliehen konnte. Meine Ziehmutter hat mir gesagt, "du musst so schnell wie möglich das Land verlassen und zu deinem Bruder in Österreich gehen". Sie kannte auch meinen leiblichen Vater und wusste von seinen Problemen. Dann bin ich geflüchtet. Ich war durch die Hügel und Wüste unterwegs. Kurz vor der Flucht hat mir meine Ziehmutter Geld, eingewickelt in einem Tuch, gegeben. Zwei Tage war ich, ohne Essen und Wasser, unterwegs. Bis ich einen Bazar erreicht habe und dort habe ich mir Essen in einem Restaurant besorgt. Ich war dort, mir ist es nicht gut gegangen, ich habe gegessen. Zwei Tage lang war ich dort. Später habe ich gefragt, habe ich eine Person namens Ahmad getroffen. Mir ist es sehr schlecht gegangen. Er hat mir gesagt, "was machst du hier? Geh weg von hier." Er war selbst ein Schlepper. Dann haben sie mich nach Geld gefragt, ob ich welches habe oder nicht. Ich habe das Geld meiner Ziehmutter hergezeigt. Sie haben mir das Geld weggenommen und ein bisschen zurückgegeben.

R: Wer ist "sie"?

BF: Ahmad, der Schlepper. Sie haben mir dann gesagt, dass ich mich auf die Reise vorbereiten solle, mir Kleidung kaufen solle und noch weiter in diesem Restaurant bleiben solle. Sie haben gesagt, "wir kommen morgen und holen dich von hier ab". Am nächsten Tag war ich für die Reise bereit. Sie sind mit einem Auto der Marke Toyota gekommen, haben mich in dieses Auto einsteigen lassen. Wir haben dann die Reise begonnen. Das Auto war sehr, sehr schnell unterwegs. Das Auto war lange Zeit unterwegs. Es war eine sehr lange Reise. Unterwegs musste ich in mehrere Autos einsteigen und aussteigen. Ich wurde verschiedenen Leuten übergeben. Unterwegs gab es Flüsse, Berge.

R: Wie lange war das Auto unterwegs?

BF: Von morgens bis abends war dieses Auto unterwegs. Das erste Auto.

R: Woher wissen Sie, dass Ihr Ziehvater damals getötet worden ist?

BF: Wie ich Ihnen gesagt habe, die Wand war voller Blut. Dann hat meine Ziehmutter gesagt, ich muss flüchten.

R: Hat sie Ihnen damals auch gesagt, dass Ihr Ziehvater getötet wurde, oder haben Sie seine Leiche gesehen?

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BF: Ich war zuhause. Die Wand war voller Blut. Sie sind in der Nacht gekommen, haben möglicherweise die Leiche mitgenommen.

R wiederholt die Frage.

BF: Ja, die Ziehmutter hat es mir gesagt.

R: Wann hat sie es gesagt?

BF: Nicht zuhause, dort hat sie mir gesagt, dass ich plötzlich verschwinden müsse. Im Bazar XXXX hat sie mir dann alles erzählt.

R: Wer war aller in dem Sammeltaxi?

BF: Sie meinen das Taxi vom Bazar XXXX? Es waren auch noch andere Leute in diesem Sammeltaxi, wir kannten diese Leute nicht, sie waren Hazara. Überwiegend Leute aus unserer Gegend sind Hazara.

R: Wie hat die Gegend ausgesehen, wo Sie aufgehalten wurden?

BF: Es war eine Wüste mit kleinen Steinen und auch kleinen Hügeln.

R: Wo war das ungefähr?

BF: Ich weiß es nicht genau. Aber es war sicher innerhalb von XXXX.

R: Wohin wollte Ihre Ziehmutter mit Ihnen fahren?

BF: Das weiß ich nicht. Wir wollten in irgendeine andere Stadt fahren. Ich habe nicht gefragt. Sie hat gesagt Richtung Norden, sie hat keine Stadt genannt.

R: Wie lange haben Sie von zuhause zum Bazar gebraucht?

BF: Zwei Stunden zu Fuß.

R: Können Sie den Keller, wo Sie gefangen gehalten worden sind, beschreiben und Ihre Eindrücke schildern?

D: Der BF versteht die Übersetzung des deutschen Wortes "Eindruck" nicht und hat nachgefragt.

BF: Es war sehr dunkel. Es war ein Keller. Es gab keinen Strom. Die Taliban haben immer Taschenlampen bei sich gehabt. Für uns gab es eine Lavalampe.

R: Eine Lavalampe oder eine Petroleumlampe?

BF: Mit Öl, sie hatte eine Flamme.

R: An was erinnern Sie sich noch?

BF: Wenn Sie Fragen haben, beantworte ich sie Ihnen.

R: Ich möchte, dass Sie mir Ihre Erinnerungen an den Keller schildern.

BF: Ich habe auch was zu erzählen, wenn die Fragen zu Ende sind. Wenn es Gottes Wille ist. (Anm.: verwendet das Wort Inschallah). Was war die Frage?

R wiederholt die Frage: Welche Erinnerungen haben Sie noch an den Keller?

BF: Der Keller war ca. so groß wie dieser Saal vielleicht auch kleiner, ich weiß es nicht genau. Der Keller war aus Lehm, sehr einfach gebaut.

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R: Sind Sie in diesen eineinhalb Monaten auch einmal aus dem Keller hinausgekommen?

BF: Nein. Nur wenn wir auf das WC mussten, wurden wir begleitet und wieder zurück in den Keller gebracht. Es gab einen bestimmten Platz, den sie verrichtet hatten, als Toilette.

R: Sie haben gesagt, die Männer und Frauen waren getrennt. Wo waren die Frauen?

BF: Im gleichen Keller, aber voneinander getrennt.

R: Wo sind die Wachen gestanden?

BF: Vor der Türe.

R: Wie hat die Türe ausgesehen?

BF: Aus altem Holz.

R: Ist Ihre Ziehmutter auch durchsucht worden?

BF: Nein, die Frauen haben sie nicht durchsucht, weil die Taliban abergläubisch sind, sie berühren die Frauen nicht. Sie wurden im Zuge ihres Hijabs bedroht.

R: Wie viele Männer und wie viele Frauen waren es ungefähr?

BF: Genau weiß ich es nicht. Wir waren 40 Personen, die Männer waren in der Mehrzahl.

R: Waren die Wachen immer dieselben Personen?

BF: Nein, sie wurden ausgetauscht. Sie hatten dort auch einen Posten, dort gab es auch noch andere Taliban.

R: Woher wissen Sie, dass es Taliban waren?

BF: Weil sie Turbane anhatten, die Gesichter waren verdeckt, beim Aufgriff, sie haben Waffen gehabt und nicht so gekleidet wie die Polizei, ohne Uniform. Die Leute werden aufgegriffen und gefangen genommen, von den Taliban und nicht von der Polizei, die Taliban machen so etwas.

R: Warum sind Sie von den Taliban geschlagen und misshandelt worden?

BF: Ohne Grund haben sie die Leute geschlagen, mich auch, weil die Taliban hassen die Leute, die nicht die Waffe heben und nicht mit ihnen zusammenarbeiten.

R: Wie oft und wo sind Sie misshandelt worden?

BF: Sie sind gekommen und haben uns einfach geschlagen. Ab und zu waren sie ohne Grund genervt. Denen hat es nicht gefallen, dass man zur Schule geht oder Student ist.

R wiederholt die Frage.

BF: Sie haben mich an der Nase geschlagen. Meine Nase wurde gebrochen.

R: Sonst keine Misshandlung?

BF: Am gleichen Tag wurde ich nicht nur an der Nase geschlagen, sondern am gesamten Körper. Ich wurde auch an anderen Tagen misshandelt. z.B. haben sie uns Essen gebracht und dann wollten sie irgendwas sagen, z.B. das Essen jemand anderen zu geben, wir haben die Taliban nicht gut verstanden, das hat die Taliban genervt, daraufhin haben sie uns dann geschlagen.

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R: Woher wissen Sie, dass die Taliban die Leute nach Dokumenten durchsucht haben, nach denen sie wissen könnten, dass die Leute mit der Regierung zusammenarbeiten?

BF: Ich habe diese Informationen damals nicht gehabt, aber später habe ich gelesen und Videos auf YouTube angeschaut, dass die Taliban die Leute die mit den Amerikanern und der Regierung zusammenarbeiten töten. Durch das Internet habe ich später diese Informationen gehabt. Seitdem ich in Österreich bin, ca. zweieinhalb Jahre, habe ich die Leute kennengelernt, die das gleiche Schicksal hatten wie ich, diese Leute haben mir auch erzählt, warum die Taliban die Leute durchsuchen.

R: Sie haben aber nicht mit der Regierung zusammengearbeitet, warum sollten die Taliban, wenn sie wissen, dass Sie nicht mit der Regierung zusammenarbeiten, 40 Tage gefangen halten und nicht sofort töten?

BF: Ich weiß es nicht. Es gibt aber auch viele andere Sachen. Es geht um Religion, Sprache, Stamm. All das spielt eine Rolle.

R: Was haben die anderen Mitgefangenen gesagt, warum sie alle festgehalten werden?

BF: Ich weiß es nicht. Außerdem haben die Taliban mit dem Finger auf ihren Mund gedeutet und damit gezeigt, dass wir still sein sollen.

R: Sie haben in dieser Zeit nicht einmal mit jemand geflüstert?

BF: Nein. Sie haben uns Essen gebracht und gesagt "da nimm". Nur einzelne Wörter. Sonst durften wir nicht sprechen. Sie haben ständig ihre Augen auf uns gerichtet gehabt, wir konnten nicht einander ins Ohr flüstern.

R: Woher wissen Sie, dass die eine Person, die von den Taliban so misshandelt wurde, ein Student war?

BF: Weil dieser Student Bücher in der Tasche hatte. Außerdem hat er sich nicht angepasst angezogen. Er hat eine Studentenuniform angehabt, was nicht für die Leute dort üblich ist, besonders wenn man auf dieser gefährlichen Route unterwegs ist.

R: War dieser Student mit Ihnen im Taxi?

BF: Nein, er war schon im Keller.

R: Wie hat die Uniform ausgesehen?

BF: Er hat ein Hemd angehabt und auch ein schwarzes Sakko.

R: Die Taliban haben ihm die Bücher nicht weggenommen?

BF: Die Taliban haben ihm die Bücher weggenommen. Nicht nur die Bücher, die Taliban haben den Leuten auch die Handys, Computer und Speicherkarten weggenommen. Sogar wenn man eine Flasche Mineralwasser bei sich hat, könnte das auch Probleme schaffen.

R: Woher wissen Sie, dass er Bücher gehabt hatte, wenn er schon im Keller war und die Taliban am Anfang alles weggenommen haben?

BF: Die wurden einen Tag oder vielleicht auch länger, vor uns aufgegriffen und festgenommen. Nachdem wir mit ihnen im Keller waren, haben die Taliban uns durchsucht.

R: Haben Sie auch gesehen, wie den Personen die Gegenstände weggenommen wurden?

BF: Ja Ich habe gesehen, wie sie durchsucht wurden. Ich habe nichts bei mir gehabt. Sie haben aber den Gefangenen das Geld nicht weggenommen. Sie haben aber Fragen gestellt, woher man das Geld hatte und wie man es verdient hat.

R: Sie haben gesagt, es hat dann einen Angriff gegeben, bitte schildern Sie dies so genau wie möglich.

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BF: Wir waren bei denen als Gefangene. Wir wussten nicht was passiert. Wir haben nur unseren Gott gebeten, uns aus dieser Gefangenschaft zu befreien. Wir haben nur Schüsse, Bombenexplosionen und solche Sachen gehört. Daher habe ich gesagt, dass es sich dabei um einen Angriff gehandelt hat. Wer diesen Angriff verübt hat weiß ich nicht genau. Aber ich denke, es könnte seitens der Regierung gewesen sein. Die zwei Wachen waren sehr verzweifelt und verängstigt, sie haben ihren Posten verlassen und sich von uns entfernt. Das war die Möglichkeit, dass wir die Flucht ergreifen konnten.

R: Wie lange hat es gedauert bis Sie den Raum verlassen hatten?

BF: Von diesem Raum bis zum Bazar hat es zwei Tage gedauert.

R: Wie lange hat der Angriff gedauert?

BF: Durch diesen Angriff wurde uns allen die Flucht ermöglicht. Aber ich weiß nicht genau wie lange dieser Angriff gedauert haben könnte. Kurz vor der Flucht bin ich zu meiner Ziehmutter gegangen, sie hat mir gesagt, dass ich nach Österreich flüchten müsse, zu meinem Bruder. Woher sie die Information hatte, dass er hier in Österreich ist, weiß ich selber nicht. Es wurde nach der Dauer des Angriffes gefragt, ich weiß es nicht. Als ich mit meiner Ziehmutter gesprochen habe, habe ich ihr gesagt, dass ich nicht in der Lage gewesen sei alleine zu flüchten. Sie sagte aber, dass sie das auch nicht könnte, in ihrem damaligen Alter, mit zwei kleinen Töchtern. Sie sagte, dass ich mich selber darum kümmern müsse. Daher habe ich, ohne sie, flüchten müssen.

R: Wie viel hat die Flucht gekostet?

BF: Das ganze Geld, das mir meine Ziehmutter gegeben hatte, habe ich damals dem Schlepper übergeben, davon habe ich einen kleinen Betrag zurückbekommen. Ich habe es aber nicht gezählt, wie viel er mir zurückgegeben hat. Den Rest hat er behalten. Insgesamt war das ca. 350.000 afghanische Rupis, die mir meine Ziehmutter gegeben hat.

R: Wie hat die Umgebung des Kellers ausgesehen, als Sie geflüchtet sind?

BF: Es war in der Wüste, es gab kleine und große Steine in der Wüste. Es gab überall Staub.

R wiederholt die Frage: Wie hat das Haus ausgesehen und die direkte Umgebung?

BF: Es gab keine Bäume. Ich habe es nicht genau angeschaut. Es waren aber Wände rundherum.

R: Können Sie es aufzeichnen? (BF fertigt eine Skizze an, diese wird als Beilage A zur Niederschrift genommen)

BF an D: Das sage ich Ihnen zuerst.

BF: Es gab vier Wände. Im hinteren Bereich innerhalb der vier Wände, gab es Zimmer und zwar dreistöckig. Ich habe aber nicht genau geschaut, ob es dreistöckig war, oder mehr oder weniger, schaute aber wie dreistöckig aus. Unten gab es einen Keller. Davor war nichts, ein freier Bereich. Stellen Sie sich vor, diese vier Wände (Anm.: Verhandlungssaal). Im vorderen Bereich gibt es ein mehrstöckiges Haus, die hintere Hälfte ist Hof, aber alles von Mauern umgeben.

R: Wie tief ist es in den Keller hinuntergegangen?

BF: Ich weiß es nicht. Es gab aber Stiegen.

R: Hatte der Keller Fenster oder Lichtöffnungen gehabt?

BF: Der Keller hat schon Löcher gehabt. Aber sie haben diese Löcher wieder zugemauert, deswegen war es dort drinnen auch sehr dunkel.

R: In welche Richtung ist die Kellertür aufgegangen?

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F: Die Türe haben wir nach innen in den Keller gezogen. Es war eine Türe aus Holz, zweiflügelig. Die beiden Flügel wurden mit einer Kette geschlossen.

R: Als Sie aus dem Keller geflohen sind, was haben Sie da alles gesehen?

BF: Wir haben den Hof gesehen, dann haben wir den Hof verlassen, da gab es auch andere alte, lehmgebaute Häuser.

R: Wo haben Sie Ihre Ziehmutter wieder getroffen?

BF: Zuletzt habe ich sie im Keller gesehen.

R: Wenn Sie nach Afghanistan zurück müssen, was befürchten Sie, dass dann passiert?

BF: Erstens habe ich Angst vor unseren Feinden, die meinen Ziehvater und meinen Bruder getötet haben. Zweitens, gibt es keine Sicherheit in Afghanistan. Drittens, ich habe niemanden dort in Afghanistan. Viertens, ich habe meinen Bruder jetzt hier in Österreich, der es irgendwie geschaffen hat diese Feinde loszuwerden.

R: Wie viel Kontakt haben Sie zu Ihrem Bruder?

BF: Ich habe immer mit meinem Bruder Kontakt, z.B. in den Schulferien, die ganzen zwei Monate, war ich bei meinem Bruder zuhause. Aber ich habe meinen Betreuer zuerst um Erlaubnis gefragt.

R: Haben Sie Ihren Bruder gefragt, woher Ihre Ziehmutter wusste, dass er in Österreich ist?

BF: Sie waren in der gleichen Gegend, XXXX und XXXX sind nicht fern voneinander. Ich war damals sehr jung, solche Informationen wurden nicht mit mir geteilt.

R: Ich habe auch gefragt, ob Sie Ihren Bruder gefragt haben, woher Ihre Ziehmutter wusste, dass er in Österreich ist.

BF: Ich habe meinen Bruder nicht gefragt, aber meine Ziehmutter wusste so viel, dass sich mein Bruder in Österreich aufgehalten habe. In Europa, nicht Österreich.

R: Sie sind untersucht worden, wegen Ihres Alters, in Graz. Haben Sie dort bei Ihren Angaben immer die Wahrheit gesagt?

BF: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt.

R: Sie haben dort gesagt, dass Sie nie misshandelt worden sind.

BF: Was meinen Sie mit der Misshandlung?

R: Es steht drinnen, dass Sie angegeben haben, nie misshandelt und gefoltert worden zu sein.

BF: Sie haben mich jetzt vorhin über Graz gefragt. Ich kann mich nicht erinnern, ob mich jemand dort in Graz nach irgendetwas gefragt hat, ich habe es vergessen.

R: Was machen Sie derzeit in Österreich. Beschreiben Sie Ihr Leben in Österreich.

BF: Das ist okay. Österreicher sind nett zu uns. Aber wir sind hier wie Bürger zweiten Grades. Warum? Weil wir hier nicht arbeiten dürfen. Die Sprache ist auch sehr schwierig. Ich gehe zur Schule und bemühe mich, die Sprache zu lernen. Seitdem ich mich in Österreich befinde habe ich viele Aktivitäten gehabt, z.B. habe ich viel Sport betrieben, ich habe versucht, die Sprache zu lernen, ich habe einen sehr weiten Weg, alleine wegen dem Sport zurückgelegt. Damit meine ich, ich betreibe Parcours. Ich fahre von XXXX nach Wien, um dort meinen Kurs zu machen. Der Trainer hat Alex geheißen. Auf Facebook hat er auch eine Homepage.

R: Sind Sie in einem Verein tätig?

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BF: Ich gehe nur in einen Fitnessclub. Ich habe mit jemanden gesprochen, der in Bälde einen Sportverein gründen wird und ich würde demnächst mit ihm in diesen Sportverein ehrenamtlich arbeiten, aber selber in der Lage sein, hier gratis Billard zu spielen, was auch immer dieser Sportverein in Zukunft anbieten würde. Es handelt sich bei dieser Person um einen Österreicher, der diesen Verein in XXXX gründen würde.

R: Machen Sie sonst etwas ehrenamtlich?

BF: Derzeit nicht. Darüber habe ich aber mit meinem Betreuer gesprochen, dass ich mich ehrenamtlich betätigen möchte.

R: Was möchten Sie machen?

BF: Helfen.

R: Was genau?

BF: z.B. im Altenheim. Diese Leute haben Probleme beim Essen und beim sich fortbewegen. Ich habe solche Tätigkeiten auch in Traiskirchen gemacht. Damals wurde ein Zelt aufgestellt, darin haben wir gegessen, dort haben auch Asylwerber gewohnt. Wir haben aufgeräumt und dort geholfen.

R: Was hindert Sie daran jetzt schon im Altenheim zu helfen?

BF: Der Rat meines Betreuers. Er hat mir gesagt, dass ich jetzt nicht sehr gut Deutsch sprechen kann und ich viele Hausaufgaben habe, ich solle mich zunächst um diese Sachen kümmern.

R: Sie wollten noch etwas erzählen, haben Sie zuvor gesagt.

BF: In Afghanistan gibt es keine Sicherheit. Vor kurzem wurden 500 Leute in Afghanistan getötet. Es gibt aber auch noch Diebesbanden, die immer wieder die Leute überfallen, töten und die Leute belästigen. In Österreich herrscht Gesetz und Ordnung. Ich habe dort Feinde gehabt. Ich habe Ihnen mittlerweile alles erzählt, deshalb musste ich nach Österreich flüchten. In Österreich, bei einem kleinen schlimmen Vorfall, wird das ganze Land schockiert und davon wird das ganze Jahr berichtet. Das ganze Land kümmert sich um das Problem. In Afghanistan werden tagtäglich hunderte Menschen in Anschlägen, darunter auch Selbstmordattentaten getötet. Niemand kümmert sich um das, es wird nur davon in den Nachrichten berichtet. Außerdem sind fast alle Afghanen bewaffnet und jeder kann den anderen töten. Von vielen Sachen erfährt man dort auch nichts. Sie sind selber eine Österreicherin, warum suchen Sie nicht um Asyl irgendwo an? Warum kommen die Leute nicht aus meinen Nachbarländern? Damals war ich sehr jung. Ich war nicht sehr großer Gefahr seitens unserer Feinde ausgesetzt, aber möglicherweise, würde ich jetzt einer großen Gefahr ausgesetzt sein, wenn ich mich dort befinde.

R: Wer sind die Feinde?

BF: Ich meine damit, diejenigen die meinen Bruder und Ziehvater getötet haben. Ich kenne sie persönlich nicht. Die waren möglicherweise die Feinde meines leiblichen Vaters, mit denen mein Vater damals über die Grundstücke gestritten hat.

R: Hat Ihnen Ihr Bruder etwas darüber erzählt, oder haben Sie ihn gefragt?

BF: Ja, ich habe ihn gefragt, er sagte, die Feinde unseres leiblichen Vaters haben unseren Bruder und meinen Ziehvater getötet. Wenn diese Feinde mich damals zuhause gesehen und gefunden hätten, hätten sie mich nicht verschont, sondern getötet. Aber ich war nicht zuhause. Im Alter von acht bis zehn Jahren ca. habe ich vom Beruf als Pilot geträumt. Ich konnte aber diesen Traum nicht verwirklichen, wenn ich dort geblieben wäre. In Jaghori gibt es keine Universität, wo ich mich in diesem Beruf ausbilden lassen könnte, ich müsste dann nach Kabul fahren, hin und retour. Das ist sehr gefährlich, überall gibt es Taliban. Jaghori ist von den Taliban umgeben.

R: Aber Kabul ist nicht in Talibanhand.

BF: Aber unterwegs sind die Taliban.

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R: Wenn Sie in Kabul studieren möchten, könnten Sie dort leben.

BF: Erstens habe ich keinen Platz in Kabul. Zweitens gibt es auch keine Sicherheit in Kabul. Die meisten Selbstmordattentate werden in der Hauptstadt Kabul verübt. Ich habe Feinde gehabt. Außerdem haben dort viele Leute Waffen. In Kabul werden auch die Leute von ihren Feinden, durch die Waffe erschossen und terrorisiert. Ich habe Angst vor den Feinden meines leiblichen Vaters. Sie haben meinen Bruder und meinen Ziehvater umgebracht. Vor denen habe ich Angst. Ich bin sehr glücklich meinen Onkel mütterlicherseits und meinen Bruder hier in Österreich wiedergefunden zu haben. In Afghanistan habe ich niemanden. Seit ein paar Jahren lebe ich mit Leuten gelebt, die nicht mit mir leiblich verwandt sind. Mir ist es lieber mit meinem Bruder zu leben.

BF verzichtet auf eine Stellungnahme zu den Unterlagen.

R behält sich vor, den entsprechenden Asylbescheid des Bruders beim BFA anzufordern sowie Einsicht zu nehmen in das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes. BFV legt zwei Schulbesuchsbestätigungen des Erzbischöflichen Real- und Aufbaugymnasiums XXXXn vom jeweils 08.09.2017 und 13.11.2017, Jahreszeugnis des Erzbischöflichen Real- und Aufbaugymnasiums XXXXn vom 30.06.2017 sowie ein Schreiben von Fr. Mag. XXXX XXXX vom 13.11.2017 vor (werden in Kopie zum Akt genommen).

R: Warum haben Sie nie die Unterstützung der Sicherheitskräfte oder der Polizei in Anspruch genommen?

BF: Wie? Das ist nicht möglich dort. Sie hätten nach den Beweisen und Dokumente gefragt, ich hätte aber nichts vorlegen können. Der afghanische Staat ist ein schwacher Staat und kann nicht wirklich helfen. Die Feinde meines leiblichen Vaters waren bewaffnet, dies deutet daraufhin, dass sie wichtig waren und möglicherweise auch im Staat drinnen gearbeitet haben. Der Staat kann sich nicht um den armen, mittellosen Menschen kümmern. Diejenigen, die Bekannte beim Staat, z.B. im Parlament, bei den Sicherheitskräften haben, denen wird geholfen. Zum Akt genommen werden:

- Länderinformationsblattes der Staatendokumentation aktualisiert am 25.09.2017

- Gutachten Mag. Mahringer samt Ergänzung (auf die Übergabe in Papierform beider Unterlagen wird durch den BF verzichtet

- Landinfo report Afghanistan betreffend Nachrichtendienst Taliban und Einschüchterungskampan sowie betreffend Organisation und Struktur der Taliban

zur schriftlichen Stellungnahme binnen 14 Tagen

- Stellungnahme der RF in der Verhandlung

"Im angefochtenen Bescheid wird festgehalten, dass die Taliban nicht vernetzt seien. Das ist tatsachenwidrig es wiederspricht der Berichtslage die aussagt, dass die Taliban landesweit über ein gut funktionierendes Netzwerk verfügen, wie auch über die operationellen Möglichkeiten Personen landesweit ausfindig zu machen und zu verfolgen und in allen Landesteilen Anschläge durchzuführen.

Angemerkt wird, dass Hazara schon rein von ihrem äußeren Erscheinungsbild zu erkennen sind. Diese Anmerkung bezieht sich auf die Fragestellung ob die Verfolger wissen konnten, wen sie angehalten haben. Zum Schulbesuch in Afghanistan: Dieser ist in Afghanistan sicherlich nicht einheitlich definiert, hinzukommt, die in Afghanistan üblich Unsicherheit mangels entsprechender Beurkundung."

1.6. Eine schriftliche Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischen Bekenntnisses.

Am 16.09.2015 stellte der Beschwerdeführer im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

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Er stammt aus der Provinz XXXX, Jaghori, Region XXXX, Dorf XXXX. Zuletzt lebte er in der Provinz XXXX, Jaghori, Region XXXX, Dorf XXXX. Bevor der Beschwerdeführer nach Österreich reiste, hielt er sich im Afghanistan auf.

Seine leiblichen Eltern sind verstorben, ebenso sein ältester Bruder. In Afghanistan leben keine Verwandten. Der BF besuchte sechs Jahre die Schule und beherrscht Darin in Wort und Schrift. Er ist gesund und arbeitsfähig. Er hat Erfahrung in landwirtschaftlichen Hilfsarbeiten. Er wird finanziell von seinem in Österreich lebenden Bruder unterstützt.

Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung konnte nicht festgestellt werden.

Der BF wandte sich nicht an die Sicherheitskräfte des Staates.

Eine Rückkehr in die Heimatprovinz ist nicht zumutbar.

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt KABUL zur Verfügung.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan in seinem Recht auf das Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Der BF hat in Österreich einen Bruder und einen Onkel.

Der Antrag auf internationalen Schutz des Bruders des BF wurde mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Zl. W110 1412124-2/10E, gemäß § 3 Asyl G 2005 als unbegründet zurückgewiesen und das Fluchtvorbringen der - auch der Flucht des BF zugrundeliegenden - Feindschaft nach Einholung eines Sachverständigengutachtens als unglaubwürdig erachtet.

Der BF ist nicht erwerbstätig. Er betreibt Sport, ist nicht in einem Verein oder arbeitet ehrenamtlich, hat österreichische Schulfreunde, aber keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte.

Er hat Deutschkurse absolviert und besucht derzeit als außerordentlicher Schüler die Übergangsklasse des Erzbischöflichen Gymnasiums in XXXXn.

Zu Afghanistan:

KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

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Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, XXXX, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

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"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz

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Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von XXXX und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

Quellen:

- BBC (18.9.2017): US sends 3,000 more troops to Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-us-canada-41314428, Zugriff 20.9.2017

- BBC (2.8.2017): Herat mosque blast: IS says it was behind Afghanistan attack, http://www.bbc.com/news/world-asia-40802572, Zugriff 21.9.2017

- INSO - International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

- INSO - The International NGO Safety Organisation (2017):

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

- NYT - The New York Times (16.9.2017): U.S. Expands Kabul Security Zone, Digging In for Next Decade, https://www.nytimes.com/2017/09/16/world/asia/kabul-green-zone-afghanistan.html?mcubz=3, Zugriff 20.9.2017

- NYT - The New York Times (25.8.2017): ISIS Claims Deadly Attack on Shiite Mosque in Afghanistan,

https://www.nytimes.com/2017/08/25/world/asia/mosque-kabul-attack.html?mcubz=3, Zugriff 21.9.2017

- Reuters (13.8.2017): Senior Islamic State commanders killed in Afghanistan air strike: U.S. military, https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-airstrike/senior-islamic-state-commanders-killed-in-afghanistan-air-strike-u-s-military-idUSKCN1AT06J, Zugriff 19.9.2017

- Reuters (6.8.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-security/kabul-green-zone-tightened-after-attacks-in-afghan-capital-idUSKBN1AM0K7, Zugriff 20.9.2017

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- SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2017): QUARTERLY REPORT TO THE UNITED STATES

CONGRESS,

https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf, Zugriff 19.9.2017

- SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (20.6.2017): Afghan national army: dod may have spent up to $28 million more than needed to procure camouflage uniforms that may be inappropriate for the Afghan environment, https://www.sigar.mil/pdf/special%20projects/SIGAR-17-48-SP.pdf, Zugriff 20.9.2017

- The Guardian (3.8.2017): The war America can't win: how the Taliban are regaining control in Afghanistan, https://www.theguardian.com/world/2017/aug/03/afghanistan-war-helmand-taliban-us-womens-rights-peace, Zugriff 19.9.2017

- Tolonews (17.6.2017): Daesh Media Leader Killed In Nangarhar Air Strike,

http://www.tolonews.com/afghanistan/daesh-media-leader-killed-nangarhar-air-strike, Zugriff 19.9.2017

- UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan (7.2017): Protection of Civilians in Armed Conflict; Midyear Report 2017,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_midyear_report_2017_july_2017.pdf, Zugriff 20.9.2017

- UN GASC - General Assembly Security Council (21.9.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of September 15th 2017, https://unama.unmissions.org/report-secretary-general-situation-afghanistan-and-its-implications-international-peace-and-7, Zugriff 21.9.2017

- WT - The Washington Times (8.5.2017): Pentagon confirms Abdul Hasib, head of ISIS in Afghanistan, killed by U.S., Afghan special forces,

http://www.washingtontimes.com/news/2017/may/8/abdul-hasib-head-isis-afghanistan-killed-us-afghan/, Zugriff 19.9.2017

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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- BBC News (4.2.2017): Afghan warlord Hekmatyar sanctions dropped by UN, http://www.bbc.com/news/world-asia-38867280, Zugriff 9.2.2017

- CRS - Congressional Research Service (12.1.2017): Afghanistan:

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 24.1.2017

- CRS - U.S. Congressional Research Service (12.1.2015):

Afghanistan: Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 20.10.2015

- Die Zeit (22.9.2016): Kabul schließt Friedensabkommen mit berüchtigtem Milizenführer Hekmatjar, http://www.zeit.de/news/2016-09/22/afghanistan-kabul-schliesst-friedensabkommen-mit-beruechtigtem-milizenfuehrer-hekmatjar-22113008, Zugriff 5.10.2016

- DW - Deutsche Welle (29.9.2016): Friedensabkommen in Afghanistan unterzeichnet,

http://www.dw.com/de/friedensabkommen-in-afghanistan-unterzeichnet/a-35923949, Zugriff 5.10.2016

- IDEA - The International Institute for Democracy and Electoral Assistance (o.D.): Afghanistan: An Electoral Management Body Evolves,

http://www.oldsite.idea.int/publications/emd/upload/EMD_CS_Afghanistan.pdf, Zugriff 13.2.2017

- Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 11.9.2014

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (8.7.2014): Afghanischer Wahlsieger Ashraf Ghani,

http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/technokrat-populist-choleriker-1.18339044, Zugriff 31.10.2014

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (22.1.2015): Leerlauf in Kabul Afghanistans endlose Regierungsbildung, http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/afghanistans-endlose-regierungsbildung-1.18466841, Zugriff 2.11.2015

- NYT - The New York Times (29.9.2016): Afghan President, Insurgent Warlord Sign Peace Agreement,

http://www.nytimes.com/aponline/2016/09/29/world/asia/ap-as-afghanistan-peace-agreement.html?_r=0; Zugriff 5.10.2016

- Pajhwok (19.1.2017): Wolesi Jirga, district council elections next year,

http://www.pajhwok.com/en/2017/01/19/wolesi-jirga-district-council-elections-next-year, Zugriff 24.1.2017

- Staatendokumentation des BFA (7.2016): Dossier der Staatendokumentation, AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur,

http://www.bfa.gv.at/files/berichte/AFGH_Stammes_und%20Clanstruktur_Onlineversion_2016_07.pdf, Zugriff 23.1.2017

- Staatendokumentation des BFA (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond,

http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 24.1.2017

- The Express Tribune (30.9.2016): Afghanistan's Hizb-e-Islami declares ceasefire after peace deal, http://tribune.com.pk/story/1191258/afghanistans-hizb-e-islami-declares-ceasefire-peace-deal/, Zugriff 5.10.2016

- Tolonews (19.1.2017): Hizb-e-Islami Slams Taliban As An Ignorant, Fanatic Group,

http://www.tolonews.com/afghanistan/hizb-e-islami-slams-taliban-ignorant-fanatic-group, Zugriff 31.1.2017

- USIP - United States Institute of Peace (3.2015): Political Parties in Afghanistan,

http://www.usip.org/sites/default/files/SR362-Political-Parties-in-Afghanistan.pdf, Zugriff 2.11.2015

Sicherheitslage

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Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, XXXX, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

1.12.2015 - 15.2.2016

16.2.2016 - 19.5.2016

20.5.2016 - 15.8.2016

16.8.2016 - 17.11.2016

1.12.2015 - 17.11.2016

sicherheitsrelevante Vorfälle

4.014 6.122 5.996 6.261 22.393

Bewaffnete Zusammenstöße

2.248 3.918 3.753 4.069 13.988

Vorfälle mit IED¿s 770 1.065 1.037 1.126 3.998

gezielte Tötungen 154 163 268 183 768

Selbstmordattentate 20 15 17 19 71

(UN GASC 13.12.2016; UN GASC

7.9.2016; UNGASC10.6.2016; UN GASC 7.3.2016; Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA )

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016,

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mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von XXXX und die Grenzregion der beiden Provinzen (XXXX und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den

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Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz XXXX (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Siehe Kapitel 2 - Politische Lage - Friedens- und Versöhnungsprozesse

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

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Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, XXXX und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei

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zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

...

Quellen:

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- BBC News (22.5.2016): Taliban leader Mullah Akhtar Mansour killed, Afghans confirm, http://www.bbc.com/news/world-asia-36352559, Zugriff 26.1.2017

- http://www.bbc.com/news/world-asia-35169478, Zugriff 12.1.2016

- BBC (29.6.2015): Taliban ambush in Herat province 'kills 11 soldiers', http://www.bbc.com/news/world-asia-33308094, Zugriff 12.1.2016

- BBC (2.9.2014): Afghan militant fighters 'may join Islamic State', http://www.bbc.com/news/world-asia-29009125, Zugriff 27.10.2014

- CRS - Congressional Research Service (26.5.2016): Taliban Leadership Succession, https://fas.org/sgp/crs/row/IN10495.pdf, Zugriff 30.1.2017

- CRS (12.1.2017): Afghanistan: Post Taliban Governance, Security, and U.S. Policy https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 30.1.2017

- DS - The Daily Signal (6.1.2016): It Would Be a Mistake to Not Hold Steady in Afghanistan,

http://dailysignal.com/2016/01/06/it-would-be-a-mistake-to-not-hold-steady-in-afghanistan/, Zugriff 13.1.2016

- DW - Deutsche Welle (25.5.2016): Taliban names Mansour's deputy Haibatullah Akhundzada as new leader, http://www.dw.com/en/taliban-names-mansours-deputy-haibatullah-akhundzada-as-new-leader/a-19281225, Zugriff 1.3.2017

- DW - Deutsche Welle (17.10.2014): Capture of senior leaders to 'further weaken' Haqqani network, http://www.dw.de/capture-of-senior-leaders-to-further-weaken-haqqani-network/a-18001448, Zugriff 27.10.2014

- Die Zeit (22.9.2016): Kabul schließt Friedensabkommen mit berüchtigtem Milizenführer Hekmatjar, http://www.zeit.de/news/2016-09/22/afghanistan-kabul-schliesst-friedensabkommen-mit-beruechtigtem-milizenfuehrer-hekmatjar-22113008, Zugriff 5.10.2016

- DW - Deutsche Welle (29.9.2016): Friedensabkommen in Afghanistan unterzeichnet,

http://www.dw.com/de/friedensabkommen-in-afghanistan-unterzeichnet/a-35923949, Zugriff 5.10.2016

- FP-Foreign Policy (2.11.2015): Massive Al-Qaeda Camp Destroyed in Afghanistan; PML-N Wins Local Polls; Secular Publisher Killed in Bangladesh; Indian RBI Chief Calls for Tolerance, http://foreignpolicy.com/2015/11/02/massive-al-qaeda-camp-destroyed-in-afghanistan-pml-n-wins-local-polls-secular-publisher-killed-in-bangladesh-indian-rbi-chief-calls-for-tolerance/, Zugriff 31.1.2017

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- Khaama Press (16.10.2014): Top Haqqani Network leaders arrested by Afghan intelligence,

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- Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA (14.11.2014):

Sicherheitslage, per E-Mail.

- Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan (17.2.2017):

Übermittlung per E-Mail. Unterlagen liegen bei der Staatendokumentation auf.

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- MEI - Middle Eastern Institute (5.2016): The Islamic State in Afghanistan Examining its Threat to Stability, http://www.mei.edu/sites/default/files/publications/PF12_McNallyAmiral_ISISAfghan_web.pdf, Zugriff 31.1.2017

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- NYT - The new York Times (17.10.2014): 2 Haqqani Militant Leaders Are Captured, Afghan Officials Say, http://www.nytimes.com/2014/10/17/world/asia/haqqani-leaders-arrested-afghanistan-khost.html?_r=0, Zugriff 27.10.2014

- Pajhwok (1.7.2015): Special unit established to wipe out Daesh:

NDS,

http://www.pajhwok.com/en/2015/07/01/special-unit-established-wipe-out-daesh-nds, Zugriff 12.1.2016

- Pajhwok (26.5.2015): MoI confirms Daesh presence in parts of country,

http://www.pajhwok.com/en/2015/05/26/moi-confirms-daesh-presence-parts-country, Zugriff 12.1.2016

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https://www.theguardian.com/world/2015/apr/11/afghanistan-bodies-aid-workers-save-the-children, Zugriff 23.2.2017

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- UN GASC - United Nation General Assembly Security Council (7.3.2016): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2016/218, Zugriff 4.4.2016

- UN GASC - General Assembly Security Council (10.6.2016): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/n1616020.pdf, Zugriff 29.6.2016

- UN GASC - General Assembly Security Council (7.9.2016): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security,

http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2016/768, Zugriff 15.9.2016

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- WP - The Washington Post (27.12.2015). A year of Taliban gains shows that 'we haven't delivered,' top Afghan official says, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/a-year-of-taliban-gains-shows-that-we-havent-delivered-top-afghan-official-says/2015/12/27/172213e8-9cfb-11e5-9ad2-568d814bbf3b_story.html, Zugriff 13.1.2016

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen XXXX, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

Distrikt Kabul

Gewalt gegen Einzelpersonen 21

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe 18

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen 50

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften 31

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt 28

Andere Vorfälle 3

Insgesamt 151

(EASO 11.2016)

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Sicherheitslage in den Provinzen

Provinz Kabul

Gewalt gegen Einzelpersonen 5

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe 89

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen 30

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften 36

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt 1

Andere Vorfälle 0

Insgesamt 161

(EASO 11.2016)

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische

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Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

Quellen:

- Afghanistan Spirit (18.7.2016): 45 Taliban Commanders Killed In Four Months: MoI,

http://afghanspirit.com/45-taliban-commanders-killed-in-four-months-moi/, Zugriff 9.2.2017

- Bakhtar News (29.6.2017): Clearing Operation Begins In Several Districts of Kabul,

http://www.bakhtarnews.com.af/eng/security/item/23489-clearing-operation-begins-in-several-districts-of-kabul.html, Zugriff 2.2.2017

- BBC News (10.1.2017): Afghanistan bombings: Dozens killed across the country, http://www.bbc.com/news/world-asia-38567241, Zugriff 30.1.2017

- CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (2016):

Afghanistan - Estimated Population 2016/2017, https://data.humdata.org/dataset/estimated-population-of-afghanistan-2016-2017, Zugriff 22.2.2017

- DW - Deutsche Welle (10.1.2017): Multiple casualties reported after explosions in Afghanistan, http://www.dw.com/en/multiple-casualties-reported-after-explosions-in-afghanistan/a-37077325, Zugriff 30.1.2017

- EASO - European Asylum Support Office (11.2016): EASO Country of Origin Information Report Afghanistan Security Situation, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1479191564_2016-11-09-easo-afghanistan-security-situation.pdf, Zugriff 30.1.2017

- IBT - International Business Times (1.7.2016): Taliban Outguns Afghan, US Troops in Strategic, Opium-Rich Helmand Province, http://www.ibtimes.com/taliban-outguns-afghan-us-troops-strategic-opium-rich-helmand-province-2254921, Zugriff 11.1.2016

- Kabul Tribune (8.2.2017): Taliban leader killed with his fighters in Kabul operation,

http://www.kabultribune.com/index.php/2017/02/08/taliban-leader-killed-with-his-fighters-in-kabul-operation/, Zugriff 8.2.2017

- Khaama Press (13.1.2017): Serious threats exist in Kabul, US Embassy warn

citizens,http://www.khaama.com/serious-threats-exist-in-kabul-us-embassy-warn-citizens-02664, Zugriff 30.1.2017

- Khaama Press (10.1.2017): 43 militants killed in 17 provinces in past 24 hours, MoI claims,

http://www.khaama.com/43-militants-killed-in-17-provinces-in-past-24-hours-moi-claims-02645, Zugriff 9.2.2017

- Khaama Press (2.1.2017): Explosion near a mosque in Herat city leaves 6 wounded,

http://www.khaama.com/explosion-near-a-mosque-in-herat-city-leaves-6-wounded-02601, Zugriff 16.2.2017

- Pajhwok (o.D.z): Kabul province background profile, http://www.elections.pajhwok.com/en/content/kabul-province-background-profile, Zugriff 23.10.2014

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- Tolonews (4.1.2017a): Afghan Forces Battle Insurgents On Multiple Fronts: MoD,

http://www.tolonews.com/afghanistan/afghan-forces-battle-insurgents-multiple-fronts-mod, Zugriff 3.2.2017

- UNAMA - United Nations Mission in Afghanistan (6.2.2017):

Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_annual_report_2016_feb2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

- UN OCHA - United Nation Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.8.2015): Afghanistan: Population Estimate for 2015,

https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/afg_mm_population_aug2015_a3.pdf, Zugriff 2.2.2017

- VOA - Voice of America (5.1.2017): Afghan Forces Vow No Break in Fighting During Winter,

http://www.voanews.com/a/afghanistan-winter-fighting-taliban-islamic-state-us-troops/3664876.html, Zugriff 30.1.207

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).

Gewalt gegen Einzelpersonen 30

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe 81

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen 26

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften 70

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt 18

Andere Vorfälle 1

Insgesamt 226

Im Zeitraum 1.1. -

31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vgl. auch: Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).

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Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

High-profile Angriff:

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).

Quellen:

- CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (2016):

Afghanistan - Estimated Population 2016/2017, https://data.humdata.org/dataset/estimated-population-of-fghanistan-2016-2017, Zugriff 22.2.2017

- EASO - European Asylum Support Office (11.2016): EASO Country of Origin Information Report Afghanistan Security Situation, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1479191564_2016-11-09-easo-afghanistan-security-situation.pdf, Zugriff 30.1.2017

- Die Zeit (20.11.2016): Anschlag auf Deutsches Konsulat vor Monaten in Pakistan geplant,

http://www.zeit.de/politik/2016-11/anschlag-deutsches-konsulat-afghanistan, Zugriff 6.2.2017

- Die Zeit (10.11.2016): Taliban greifen deutsches Konsulat in Afghanistan an,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-11/taliban-verueben-anschlag-auf-deutsches-konsulat-in-masar-i-scharif, Zugriff 6.2.2017

- Kabul Tribune (5.1.2017): Clearing Operation Begins In Balkh, http://www.kabultribune.com/index.php/2017/01/05/clearing-operation-begins-in-balkh/, Zugriff 6.2.2017

- Khaama Press (17.1.2017): Taliban's explosives factory discovered in Balkh province,

http://www.khaama.com/talibans-explosives-factory-discovered-in-balkh-province-02691, Zugriff 6.2.2017

- Khaama Press (14.12.2016): Taliban suffer heavy casualties in an airstrike in Balkh province of Afghanistan, http://www.khaama.com/taliban-suffer-heavy-casualties-in-an-airstrike-in-balkh-province-of-afghanistan-02473

- Khaama Press (30.3.2016): Policemen and Taliban militants suffer casualties in Balkh clash,

http://www.khaama.com/policemen-and-taliban-militants-suffer-casualties-in-balkh-clash-0485, Zugriff 6.2.2017

- Khaama Press (7.3.2016): Operations led by Ata Mohammad Noor launched in Balkh ahead of Nowruz celebrations, http://www.khaama.com/operations-led-by-ata-mohammad-noor-launched-in-balkh-ahead-of-nowruz-celebrations-0266, Zugriff 6.2.2017

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- Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA (14.11.2014):

Sicherheitslage, per Mail.

- Lobe Log Foreign Policy (14.9.2016): There Is No Military Path to Victory in Afghanistan,

https://lobelog.com/there-is-no-military-path-to-victory-in-afghanistan/, Zugriff 22.2.2017

- Pajhwok (o.D.y): Background Profile of Balkh, http://www.elections.pajhwok.com/en/content/background-profile-balkh, Zugriff 23.10.2014

- RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Free Liberty (9.2015):

Afghanistan's New Northern Flash Points, http://www.rferl.org/fullinfographics/infographics/27013992.html?nocache=0, Zugriff 5.1.2016

- Tolonews (18.4.2016): 12 Taliban Insurgents Killed in Balkh Clashes,

http://www.tolonews.com/afghanistan/12-taliban-insurgents-killed-balkh-clashes, Zugriff 6.2.2017

- Tolonews (26.5.2016): 45 Insurgents Killed in Balkh Clashes:

Officials,

http://www.tolonews.com/afghanistan/45-insurgents-killed-balkh-clashes-officials, Zugriff 6.2.2017

- UN OCHA - United Nation Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.8.2015): Afghanistan: Population Estimate for 2015,

https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/afg_mm_population_aug2015_a3.pdf, Zugriff 2.2.2017

- Xinhua (11.11.2016): 4 Afghans killed, 33 others injured in attack on German consulate: Afghan police, http://news.xinhuanet.com/english/2016-11/11/c_135822803.htm, Zugriff 6.2.2017

- Xinhua (1.10.2016): News Analysis: China's investment in Afghanistan helps stabilize peace, revive economy: Afghan economist, http://news.xinhuanet.com/english/2016-10/01/c_135727265.htm, Zugriff 7.2.2017

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.8.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.1.2017).

Gewalt gegen Einzelpersonen 95

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe 197

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen 41

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften 144

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt 15

Andere Vorfälle 4

Insgesamt 496

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

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Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: RFE/RL 6.10.2016; Press TV 30.7.2016; IWPR 14.6.2014). Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AAN 11.1.2017).

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 17.10.2016).

Quellen:

- AISS - Afghanisches Institut für strategische Studien (17.10.2016): "Herat Security Dialogue-V" International Conference, http://www.aiss.af/herat-security-dialogue-v-international-conference/, Zugriff 16.2.2017

- CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (2016):

Afghanistan - Estimated Population 2016/2017, https://data.humdata.org/dataset/estimated-population-of-afghanistan-2016-2017, Zugriff 22.2.2017

- EASO - European Asylum Support Office (11.2016): EASO Country of Origin Information Report Afghanistan Security Situation, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1479191564_2016-11-09-easo-afghanistan-security-situation.pdf, Zugriff 30.1.2017

- Khaama Press (2.1.2017): Explosion near a mosque in Herat city leaves 6 wounded,

http://www.khaama.com/explosion-near-a-mosque-in-herat-city-leaves-6-wounded-02601, Zugriff 16.2.2017

- Khaama Press (18.1.2017): 8 key Taliban leaders among 37 killed in join operations: MoD,

http://www.khaama.com/8-key-taliban-leaders-among-37-killed-in-join-operations-mod-02695, Zugriff 17.2.2017

- Khaama Press (15.1.2017): Taliban suffered heavy casualties during operations in 4 provinces: MoI, http://www.khaama.com/taliban-suffered-heavy-casualties-during-operations-in-4-provinces-moi-02673, Zugriff 9.2.2017

- ICT - International Institute for Counter-Terrorism (7.2.2017):

Monthly Summary of Events January 2017, http://www.ict.org.il/Article/1934/monthly-summary-of-events-january-2017, Zugriff 17.2.2017

- IWPR - Insitute for war and Peace Reproting (14.6.2016):

Afghanistan's Women-Only Parks, https://iwpr.net/global-voices/afghanistans-women-only-parks, Zugriff 17.2.2017

- Pajhwok (21.1.2017): Wounded souls of deported Afghan children, http://www.pajhwok.com/en/2017/01/21/wounded-souls-deported-afghan-children, Zugriff 17.2.2017

- Pajhwok (30.11.2016): Number of female drivers doubles in Herat, http://www.pajhwok.com/en/2016/11/30/number-female-drivers-doubles-herat, Zugriff 16.2.2017

- Pajhwok (21.11.2016): 15 militants killed, 7 injured in security operations: MoD,

http://www.pajhwok.com/en/2016/11/25/15-militants-killed-7-injured-security-operations-mod, Zugriff 9.2.2017

- Pajhwok (o.D.q): Background profile of Herat Province, http://www.elections.pajhwok.com/en/content/background-profile-herat-province, Zugriff 17.10.2014

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- Press TV (30.7.2016): One killed, 5 injured as blast hits Afghanistan's Heart,

http://www.presstv.ir/Detail/2016/07/30/477600/Afghanistan-Herat-Taliban, Zugriff 17.2.2017

- RFE/RL - Radio Free Europe Radio Liberty (6.10.2016): America's War In Afghanistan: 15 Years, Three Stories, http://www.rferl.org/a/afghanistan-americas-war-15-years-3-stories/28036277.html, Zugriff 17.2.2017

UN OCHA - United Nation Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.8.2015): Afghanistan: Population Estimate for 2015, https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/afg_mm_population_aug2015_a3.pdf, Zugriff 2.2.2017

XXXX

XXXX ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. XXXX liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-XXXX. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktika und Logar im Osten liegen; Zabul grenzt gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist sie die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.249.376 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 2016).

XXXX ist in folgende Distrikte unterteilt: XXXX, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, XXXX, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und XXXX City (Vertrauliche Quelle 15.9.2015). XXXX wird aufgrund ihrer strategischen Position, als Schlüsselprovinz gewertet - die Provinz verbindet durch die Autobahn, die Hauptstadt Kabul mit den bevölkerungsreichen südlichen und westlichen Provinzen (HoA 15.3.2016).

Gewalt gegen Einzelpersonen 39

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe 952

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen 140

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften 155

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt 4

Andere Vorfälle 2

Insgesamt 1.292

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz XXXX 1.292 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in XXXX festgehalten; gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig (USDOD 12.2016). Im Dezember 2016 verlautbarte der CEO Afghanistans den baldigen Beginn militärischer Spezialoperationen in den Provinzen XXXX und Zabul, um Sympathisanten des Islamischen Staates und Talibanaufständische zu vertreiben (Khaama Press 23.1.2017).

XXXX zählt zu den volatilen Provinzen in Südostafghanistan, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Operationen durchführen (Khaama Press 15.10.2016; Khaama Press 8.7.2016; vgl. auch: Truthdig 23.1.2017). Die Bevölkerung der Provinz kooperiere bereits mit den Sicherheitskräften. Ein Mitglied des Provinzrates verlautbarte, dass sich die Sicherheitslage verbessern könnte, wenn die Polizei mit notwendiger Ausrüstung versorgt werden würde (Pajhwok 8.1.2017). Im Gegensatz zum Jahr 2015 registrierte die UNAMA 2016 keine Entführungsfälle der Hazara-Bevölkerung in XXXX. In vormals betroffenen Gegenden wurden Checkpoints der afghanischen Sicherheitskräfte errichtet; dies wird als Abschreckung gewertet (UNMA 6.2.2017).

In der Provinz werden regelmäßig Militäroperationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 15.1.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 8.1.2017; Tolonews 26.12.2016; Pajhwok 21.11.2016; Afghanistan Times 25.8.2016; Afghanistan Times 21.8.2016), auch in Form von Luftangriffen (Pajhwok 18.6.2017; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 8.6.2016). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (Sputnik News 30.11.2016). Unter anderem wurden

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Taliban Kommandanten getötet (Khaama Press 9.1.2017; Sputnik News 26.12.2016; Khaama Press 17.10.2016; Afghanistan Spirit 18.7.2016; Pajhwok 18.6.2016; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 7.6.2016).

Im Februar 2017 bestätigte der afghanische Geheimdienst (NDS) den Tod eines hochrangigen al-Qaida Führers: Qari Saifullah Akhtar, war vom NDS in einer Razzia im Jänner 2017 getötet worden. Berichten zufolge, war Qari Saifullah Akhtar jahrzehntelang am Aufstand beteiligt; ihm werden direkte Verbindung zu Osama bin Laden und dem pakistanischen Geheimdienst nachgesagt (LWJ 19.2.2017; vgl. auch:

ATN News 19.2.2017).

Quellen:

- Afghanistan Spirit (18.7.2016): 45 Taliban Commanders Killed In Four Months: MoI,

http://afghanspirit.com/45-taliban-commanders-killed-in-four-months-moi/, Zugriff 9.2.2017

- Afghanistan Times (25.8.2016): 22 Insurgents Killed, 21 Wounded During Military Operations,

http://afghanistantimes.af/22-insurgents-killed-21-wounded-during-military-operations/, Zugriff 9.2.2017

- Afghanistan Times (21.8.2016): Over 50 insurgents killed in military operations,

http://afghanistantimes.af/over-50-insurgents-killed-in-military-operations/, Zugriff 9.2.2017

- Afghanistan Times (3.8.2016): 24 insurgents killed, 35 injured in XXXX air strike,

- ATN News (19.2.2017): NDS Confirms Top Al-Qaeda Leader Killed in XXXX,

http://ariananews.af/nds-confirms-top-al-qaeda-leader-killed-in-XXXX/, Zugriff 20.2.2017

- BS - Business Standard (9.7.2016): 10 militants killed in Afghanistan during military operations, http://www.business-standard.com/article/international/10-militants-killed-in-afghanistan-during-military-operations-114013100059_1.html, Zugriff 3.2.2017

- CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (2016):

Afghanistan - Estimated Population 2016/2017, https://data.humdata.org/dataset/estimated-population-of-afghanistan-2016-2017, Zugriff 22.2.2017

- EASO - European Asylum Support Office (11.2016): EASO Country of Origin Information Report Afghanistan Security Situation, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1479191564_2016-11-09-easo-afghanistan-security-situation.pdf, Zugriff 30.1.2017

- HoA - Heart of Asia (15.3.2016): Concerns about XXXX's security, and the responsibility of government, http://www.heartofasia.af/index.php/editorial/item/885-concerns-about-XXXX-s-security-and-the-responsibility-of-government, Zugriff 9.2.2017

- Khaama Press (23.1.2017): Afghan air force bomb ISIS hideout in Zabul, 21 killed,

http://www.khaama.com/afghan-air-force-bomb-isis-hideout-in-zabul-21-killed-02729, Zugriff 22.2.2017

- Khaama Press (15.1.2017): Taliban suffered heavy casualties during operations in 4 provinces: MoI, http://www.khaama.com/taliban-suffered-heavy-casualties-during-operations-in-4-provinces-moi-02673, Zugriff 9.2.2017

- Khaama Press (10.1.2017): 43 militants killed in 17 provinces in past 24 hours, MoI claims,

http://www.khaama.com/43-militants-killed-in-17-provinces-in-past-24-hours-moi-claims-02645, Zugriff 9.2.2017

- Khaama Press (9.1.2017): 10 militants join peace process in Kunduz city,

http://www.khaama.com/10-militants-join-peace-process-in-kunduz-city-02641, Zugriff 9.2.2017

- Khaama Press (17.10.2016): Airstrike kill Haqqani and Al-Qaeda terrorist network members in Afghanistan, http://www.khaama.com/airstrike-kill-haqqani-and-al-qaeda-terrorist-network-members-in-afghanistan-02096, Zugriff 9.2.2017

- Khaama Press (15.10.2016): Afghan forces release 50 prisoners from Taliban jail in XXXX,

http://www.khaama.com/afghan-forces-release-50-prisoners-from-taliban-jail-in-XXXX-02079, Zugriff 9.2.2017

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- Khaama Press (8.6.2016): 7 terrorists killed in an airstrike in XXXX province, MoD says,

http://www.khaama.com/7-terrorists-killed-in-an-airstrike-in-XXXX-province-mod-says-01206, Zugriff 9.2.2017

- Khaama Press (7.6.2016): MoD: 14 terrorists killed in an airstrike in XXXX province,

http://www.khaama.com/mod-14-terrorists-killed-in-an-airstrike-in-XXXX-province-01184, Zugriff 9.2.2017

- LWJ - The Long War Journal (19.2.2017): Afghan intelligence confirms top al Qaeda leader killed in raid, http://www.longwarjournal.org/archives/2017/02/afghan-intelligence-confirms-top-al-qaeda-leader-killed-in-raid.php, Zugriff 20.2.2017

- Pajhwok (8.1.2017): People to help improve XXXX security:

Amarkhel,

http://www3.pajhwok.com/en/2017/01/08/people-help-improve-XXXX-security-amarkhel, Zugriff 9.2.2017

- Pajhwok (21.11.2016): 15 militants killed, 7 injured in security operations: MoD,

http://www.pajhwok.com/en/2016/11/25/15-militants-killed-7-injured-security-operations-mod, Zugriff 9.2.2017

- Pajhwok (18.6.2016): Taliban's shadow governor for XXXX killed in airstrike,

http://www.pajhwok.com/en/2016/06/18/taliban%E2%80%99s-shadow-governor-XXXX-killed-airstrike, Zugriff 9.2.2017

- Pajhwok (o.D.a): Background Profile of XXXX, http://www.elections.pajhwok.com/en/content/background-profile-XXXX, Zugriff 10.10.2014

- Sputnik News (26.12.2016): Afghanistan Police Kill Top Taliban Commander in XXXX Province,

https://sputniknews.com/asia/201612261049003311-afghanistan-police-XXXX-taliban/, Zugriff 9.2.2017

- Sputnik News (30.11.2016): Afghan Security Forces Kill 16 Taliban Fighters in XXXX,

https://sputniknews.com/middleeast/201611301048019569-afghanistan-taliban-fight-XXXX/, Zugriff 9.2.2017

- Tolonews (8.1.2017): 77 Insurgents Killed, Wounded In Operations in 16 Provinces,

http://www.tolonews.com/afghanistan/77-insurgents-killed-wounded-operations-16-provinces, Zugriff 6.2.2017

- Tolonews (26.12.2016): Top Taliban Commander Among Six Killed In XXXX,

http://www.tolonews.com/afghanistan/top-taliban-commander-among-six-killed-XXXX,Zugriff 9.2.2017

- Truthdig (23.1.2017): Given Away as a Child Bride, Afghan Woman Describes 24 Years of Abuse,

http://www.truthdig.com/report/item/given_away_to_settle_family_dispute_child_bride_describes_abuse_20170123, Zugriff 9.2.2017

- UNAMA - United Nations Mission in Afghanistan (6.2.2017):

Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_annual_report_2016_feb2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

- UN OCHA - United Nation Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.8.2015): Afghanistan: Population Estimate for 2015,

https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/afg_mm_population_aug2015_a3.pdf, Zugriff 2.2.2017

- USDOD - Department of Defense (12.2016): Enhancing Security and Stability in Afghanistan,

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- Vertrauliche Quelle - eine internationale Organisation, die in Afghanistan ansässig ist (15.9.2015): Informationen zu den Provinzen Afghanistans. Per Mail, liegt bei der Staatendokumentation des BFA auf

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Erreichbarkeit

Im Jahr 2001 existierten in Afghanistan weniger als 80 km (50 Meilen) asphaltierter Straßen (TCSM 2.2.2015). Trotz Herausforderungen und Problemen wurden inzwischen mehr als 24.000 km Straße im Land asphaltiert. Zu den asphaltierten Straßen zählen

3.600 km regionaler Autobahnen, die "Ring Road", Provinzstraßen und nationale Autobahnen (Pajhwok 4.3.2016). Schätzungen zufolge, wurden im Ballungsraum Kabul alleine 925 km Straßen asphaltiert, mit der Aussicht auf zusätzliche Erweiterungen (TCSM 2.2.2015).

Unprofessionelles Fahrverhalten und beschädigte Straßen werden als die Hauptursache für Unfälle in Afghanistan gesehen, welche Dutzende Menschenleben jährlich fordern (Khaama Press 23.1.2016; vgl. auch:

Kabul Times 17.2.2017); ebenso sind schlecht asphaltierte Straßen Grund für Unfälle (Kabul Times 17.2.2017).

Ring Road

Straßen wie der "Highway 1" auch bekannt als "Ring Road", die den Kern des Landes umkreist, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (Huffington Post 9.10.2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, XXXX City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. auch: The Guardian 22.10.2014). Sie verbindet aber auch 16 der 34 Provinzen Afghanistans miteinander. Die Gesamtlänge des Highway One ist 3.360 km (PRI 18.10.2013). Rund 14 Millionen Menschen leben um diesen Highway One (The Guardian 22.10.2014).

Autobahnabschnitt Kabul - XXXX

Highway One liegt im Süden von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt XXXX (Reuters 13.10.2015; vgl. auch: Al-Jazeera 14.10.2015). Der XXXX - Kabul Teil der afghanischen Ring Road zieht sich vom östlichen und südöstlichen Teil XXXXs über die Provinz Zabul nach XXXX (ISW o.D.). Dieser Teil der Autobahn ist praktisch flach, mit einigen Abschnitten im Hochland in der Nähe von XXXX (Global Security o.D.a.) Ein Fahrer der Kabul-XXXX Strecke, aber auch Passagiere, gaben an, dass die Straße von XXXX bis in die Gegend von Jaldalak in Zabul in gutem Zustand ist (Pajhwok 18.3.2015).

Autobahnabschnitt XXXX-Herat

Von XXXX verläuft die afghanische Ring Road weiter in den Westen nach Gereshk in Helmand und Delaram in Nimroz (ISW o.D.). Ein Teil verbindet aber auch die Provinzhauptstadt Lashkar Gah in Helmand mit der angrenzenden Provinz XXXX (Xinhua 1.11.2015; UPI 1.11.2015; vgl. auch: Khaama Press 23.1.2016).

Autobahnabschnitt Herat - Kabul

Es gibt eine große kreisförmige Autobahn, die Herat mit XXXX, Mazar-e Sharif und Kabul verbindet (Herat City o.D.; vgl. auch: PRI 18.10.2013).

Straßennetz

Salang Tunnel/Salang Korridor

Der Salang Tunnel ist dringend renovierungsbedürftig. Er gilt als Vorzeigeobjekt des Kalten Krieges, welches im Jahr 1964 durch die Sowjets eröffnet wurde (WSJ 2.10.2014). Im September 2016 wurde ein Zuschuss in der Höhe von mehr als US$ 31 Millionen gewährt, um den Salang Korridor zu renovieren (Khaama 24.9.2016).

Der Tunnel selbst ist 2,6 km lang, mit 21 Lawinengalerien und weiteren 83 km enger, kurviger und zweispuriger Straße durch den Hindu Kush Pass (USAID 14.12.2015). Mehr als 6.000 Fahrzeuge fahren täglich durch den Salang Tunnel, eine Straße, die ursprünglich für 1.000 Fahrzeuge konzipiert war (WSJ 2.10.2014). Im Rahmen von USAID sollen diverse Projekte zur Instandhaltung der Straßenverbesserungen fortgeführt werden (USAID 14.12.2015).

Die Wichtigkeit des Salang Tunnels wird auch durch den Aspekt unterstrichen, dass fast 100% der Waren aus dem Norden durch diesen Tunnel nach Kabul gelangen. Ebenso wird der Tunnel von den Afghanen als physische Verbindungen zwischen dem Norden und Süden gesehen, aber auch als Symbol der Einheit zwischen den Stämmen, die im Norden angesiedelt sind und den paschtunischen im Süden (USAID 5.2014).

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Bamyan Verbindung

Im Norden von Kabul hat eine Straße durch den Ghorband Distrikt ihren Ausgangspunkt. An vielen Orten ist die Straße in einem schlechten Zustand mit Schlaglöchern. In der Vergangenheit gab es einige Talibanangriffe, aber auch Überfälle durch Diebe und Kidnapper (Der Spiegel 30.9.2014).

Eine weitere Möglichkeit um nach Bamyan zu gelangen ist die Straße, die in Maidan Shahr, 30 km südwestlich von Kabul, beginnt. Mit Stand September 2014 ist das neue Projekt noch in Bearbeitung. Ziel des Projektes ist es eine Schnellstraße zu errichten. Sobald diese Straße fertig gestellt ist, soll die Strecke Kabul-Bamyan in drei Stunden Autofahrt absolviert werden können (Der Spiegel 30.9.2014).

Autobahnabschnitt Gardez - Khost (NH08)

Die Gardez-Khost Autobahn ist eine 101,2 km lange Straße (USAID 7.11.2016; vgl. auch: Pajhwok 15.12.2015), die neun Meter breit ist. Diese verbindet die Provinzhauptstadt der Provinz Paktia, Gardez, mit Khost City, der Provinzhauptstadt von Khost (Pajhwok 15.12.2015). Sie verbindet aber auch Ostafghanistan mit der Ghulam Khan Autobahn in Pakistan, die auch als G-K Highway bezeichnet wird (USAID 30.4.2015; vgl. auch: Pajhwok 15.12.2015). Die sogenannte G-K Straße geht durch Afghanistans schwierigste, entfernteste und von Gewalt geprägte Gegenden Afghanistans. Im Rahmen von USAID wurden einige Projekte initiiert: Das Hauptziel dieser Projekte ist, wirtschaftliche und sicherheitsrelevante Vorteile für die Bevölkerung der Provinzen Paktia und Khost sicherzustellen. Sobald die Arbeiten an der Straße fertiggestellt sind, soll es bis zu 7.000 Fahrzeugen täglich möglich sein, diese Straße zu befahren (USAID 7.11.2016).

Mitte Dezember 2015 wurde die sanierte Gardez-Khost Autobahn eröffnet. Unterschiedliche Firmen waren an dieser Sanierung beteiligt, unter anderem auch ein afghanisches Unternehmen. Ebenso wurden 410 kleine Brücken und 25 km Schutzwände auf dieser Autobahn errichtet (Pajhwok 15.12.2015; vgl. auch: USAID 7.11.2016).

Autobahnabschnitt Jalalabad - Peshawar/Torkham-Autobahn

Die Torkham-Autobahn ist eine der vielbefahrensten Straßen Afghanistans. Täglich benutzen mehr als 2 Millionen Menschen, aber auch tausende Transportwägen, Lastwägen sowie private und kommerzielle Fahrzeuge die 75 km lange Autobahn, die voller Schlaglöcher ist, von Jalalabad nach Peshawar (Afghanistan Today 2.12.2014).

Grand Trunk Road

Die Grand Trunk Road, auch bekannt als G.T. Road, ist die älteste, längste und bekannteste Autobahn des indischen Subkontinentes. Diese ist etwa 2.414 km lang (1.500 Meilen) (Global Security o.D.; vgl. auch: NYT 3.7.2014), beginnt in Kabul und endet in Kalkutta (Global Security o.D.).

Weitere Abschnitte

Ausgeführt durch eine chinesische Firma, wurde der Startschuss zur Weiterführung des Projektes "Dare-e-Sof and Yakawlang Road" gegeben. In der ersten bereits fertigstellten Phase, wurde Mazar-e Sharif mit dem Distrikt Yakawlang in der Provinz Bamyan durch eine Straße verbunden. Der zweite Teil dieses Projektes, eine Straße mit 178 km, die durch mehr als 37 Dörfer gehen soll, wird den Distrikt Dare-e-Sof in der Provinz Samangan mit dem Distrikt Yakawlang verbinden; angedacht ist eine dritte Phase - dabei sollen die Provinzen Bamyan und XXXX durch eine 550 km lange Straße verbunden werden (Xinhua 9.1.2017).

Autobahnabschnitt Pakistan-Afghanistan /Pak-Afghan

Die Straße wird als Wirtschaftsroute zwischen Pakistan, Afghanistan, Usbekistan, Tadschikistan und südasiatische Länder verwendet. Die sogenannte Pak-Afghan Autobahn ist bekannt für herrliche Ausblicke und den Khyber Pass (The Express Tribune 7.3.2016).

Khyber Pass

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Der Khyber Pass bildet eine 32 km lange Strecke zwischen den Safed Koh Bergen (einem Teil des größeren Hindu Kush) zwischen Afghanistan und Pakistan (National Geographic o.D.; vgl. auch: Encyclopedia of the Modern Middle East and North Africa 2004). Der Khyber Pass beginnt etwa 16 km (10 Meilen) außerhalb der pakistanischen Stadt Peshawar und endet an der afghanischen Grenze bei Torkham (Encyclopedia of the Modern Middle East and North Africa 2004).

Flugverbindungen

Laut dem World Factbook existieren in Afghanistan 23 Flughäfen mit asphaltierten Landebahnen und 29 Flughäfen, die nicht über asphaltierte Landebahnen verfügen (The World Factbook 25.2.2016).

Beispiele für internationale Flughäfen in Afghanistan

Internationaler Flughafen Kabul

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (NYT 4.1.2016; vgl. auch: Hamid Karzai Airport 2015). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (Hamid Karzai Airport 2015).

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh eröffnet (Pajhwok 9.6.2013).

Internationaler Flughafen XXXX

Der internationale Flughafen XXXX hat 37 Stellplätze für insgesamt 250 Flugzeuge. Laut einem offiziellen Vertreter des Flughafens ist sowohl die externe als auch interne Sicherheit des Flughafens zufriedenstellend und der Flughafen sicherer als andere Flughäfen im Land. Der Flughafen ist Ziel nationaler, sowie auch internationaler Flüge z.B. aus Indien, Iran, Dubai und anderen Abflugsorten. Hinkünftig sollen auch Flüge der Turkish Airline den Flughafen XXXX anfliegen, nachdem auch die Türkei ein Konsulat in dieser Provinz eröffnet hat. Ferner hat die in Bahrain ansässige Firma DHL Express damit begonnen Frachtflüge zum Flughafen XXXX durchzuführen. Ein Teil des Flughafens steht den internationalen Streitkräften zur Verfügung. Eine separate Militärbasis für einen Teil des afghanischen Heeres ist ebenso dort, wie andere Gebäude für Firmen (Pajhwok 3.6.2015).

Internationaler Flughafen Herat

Im Jahr 2012 wurde der neue Terminal des internationalen Flughafens von Herat eröffnet (Pajhwok 13.2.2012; vgl. auch: DW 10.4.2013).

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- The World Factbook (25.2.2016): South Asia: Afghansitan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 7.3.2016

- Uncharted Backpacker (3.2016): Afghanistan Travel Guide, http://www.unchartedbackpacker.com/afghanistan-travel-guide/, Zugriff 24.3.2016

- UNHCR (o.D.): KHANJAR KHIL, PARWAN, http://www.unhcr.af/UploadDocs/DocumentLibrary/OPS_ALO_Appendix_I___Khanjar_Khil_site_profile_635277273367151718.pdf, Zugriff 24.3.2016

- USAID - United States Agency International Development (7.11.2016): Gardez-Khost National Highway (NH08), https://www.usaid.gov/news-information/fact-sheets/gardez-khost-national-highway-nh08, Zugriff 14.3.2016

Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9.2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).

Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).

Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9.2016).

Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein - dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015).

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Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- Staatendokumentation des BFA (7.2016): AfPak Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur

http://www.bfa.gv.at/files/berichte/AFGH_Stammes_und%20Clanstruktur_Onlineversion_2016_07.pdf, Zugriff 30.11.2016

- CIA - Central Intelligence Agency (21.11.2016): The World Factbook

- Afghanistan,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 29.11.2016

- CRS - Congressional Research Service (8.11.2016): Afghanistan:

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 30.11.2016

- FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (21.11.2016): IS bezichtigt sich Anschlags in Kabul,

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/asien/gewalt-in-afghanistan-is-bezichtigt-sich-anschlags-in-kabul-14537621.html, Zugriff 22.11.2016

- FH - Freedom House (28.4.2015): Freedom of the Press 2015 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/311145/449187_de.html, Zugriff 21.10.2015

- Khaama Press (22.11.2016): US reaffirm strong support to Afghanistan after deadly Kabul attack, http://www.khaama.com/us-reaffirm-strong-support-to-afghanistan-after-deadly-kabul-attack-02335, Zugriff 22.11.2016

- SO - Spiegel Online (21.11.2016): Explosion in Kabul - viele Tote und Verletzte,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/afghanistan-explosion-in-kabul-mindestens-acht-tote-a-1122270.html, Zugriff 22.11.2016

- Tolonews (22.11.2016): Daesh Claims Responsibility For Kabul Mosque Bombing,

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/28471-daesh-claims-responsibility-for-kabul-mosque-bombing, Zugriff 22.12.2016

- USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2016 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/328423/469202_de.html, , Zugriff 29.11.2016

- USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper , Zugriff 17.1.2017

- Vertrauliche Quelle - eine internationale Organisation, die in Afghanistan ansässig ist (29.9.2015): Informationen zu der Sicherheitslage in Afghanistan. Interview, liegt bei der Staatendokumentation auf

Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

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(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, XXXX, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9.2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

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Quellen:

- Brookings - The Brookings Institution (31.10.2016): Afghanistan Index,

https://www.brookings.edu/wp-content/uploads/2016/07/21csi_20161031_afghanistan_index.pdf, Zugriff 23.1.2017

- CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan:

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 23.1.2017

- GIZ (1.2017): Afghanistan - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/afghanistan/gesellschaft/, Zugriff 23.1.2017

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/334684/476436_de.html, Zugriff 24.1.2017)

- NYT - The New York Times (21.11.2015): Afghan Kidnappers Prey on Hazaras,

https://www.nytimes.com/2015/11/22/world/asia/kidnappings-escalate-in-afghanistan.html?_r=0, Zugriff 24.1.2017

- RFE/RL - Radio Free Europe Radio Liberty (25.2.2016): Mass Abduction Of Hazaras In Afghanistan Raises Fears Of Islamic State, http://www.rferl.org/a/afghanistan-hazaras-mass-abduction-islamic-state/26869255.html, Zugriff 24.1.2017

- Staatendokumentation des BFA (7.2016): Dossier der Staatendokumentation, AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur,

http://www.bfa.gv.at/files/berichte/AFGH_Stammes_und%20Clanstruktur_Onlineversion_2016_07.pdf, Zugriff 23.1.2017

- UNAMA - United Nations Mission in Afghanistan (6.2.2017):

Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2016,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_annual_report_2016_feb2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

- USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 17.1.2017

- World Hazara Council (10.11.2015): The killing and kidnapping of Hazaras since January 2015,

http://www.worldhazaracouncil.org/wp-content/uploads/2015/11/HazaraTargetKilling20151.pdf, Zugriff 24.1.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, die Regierung schränke die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 13.4.2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Die Taliban verhängen nächtliche Ausgangssperren in jenen Regionen, in denen sie die Kontrolle haben - Großteiles im Südosten (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

- Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 29.12.2016

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- USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper , Zugriff 17.1.2017

Meldewesen

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan (DIS 5.2012; vgl. auch: DW 9.10.2004).

Quellen:

- DIS - Danish Immigration Service (5.2012): Afghanistan Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/3FD55632-770B-48B6-935C-827E83C18AD8/0/FFMrapportenAFGHANISTAN2012Final.pdf, Zugriff 29.11.2016

- DW - Deutsche Welle (9.10.2004): Boykott-Aufruf überschattet Wahl in Afghanistan,

http://www.dw.com/de/boykott-aufruf-%C3%BCberschattet-wahl-in-afghanistan/a-1354509, Zugriff 29.11.2016

Grundversorgung und Wirtschaft

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11.2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11.2016).

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11.2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der

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Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11.2016).

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11.2016).

Projekte der afghanischen Regierung:

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, XXXX und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (11.2016): Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Afghanistan/Wirtschaft_node.html, Zugriff 18.1.2016

- IWF - International Monetary Fund (9.6.2015): Afghanistan: Reforms to Build Self Reliance and Prosperity, https://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2015/cr15140.pdf, Zugriff 2.11.2015

- IWF - International Monetary Fund (13.4.2014): Islamic republic of Afghanistan,

https://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2016/cr16120.pdf, , Zugriff 18.1.2016

- UNDP - United Nations Development Programm (2016): Human Development Data, http://hdr.undp.org/en/data, Zugriff 17.1.2016

- UN GASC - United Nations General Assembly (1.9.2015): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security : report of the Secretary-General, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/SG%20Reports/SG_Report_September_2015.pdf, Zugriff 14.10.2015

- WB - The Worldbank (2.11.2016): Afghanistan Overview, http://www.worldbank.org/en/country/afghanistan/overview , Zugriff 18.11.2016

- WB - The Worldbank (10.10.2016):Afghanistan Government Inaugurates Citizens' Charter to Target Reform and Accountability, http://www.worldbank.org/en/news/feature/2016/10/10/government-inaugurates-citizens-charter-to-target-reform-and-accountability, Zugriff 19.1.2017

- WB - The World Bank (10.2016): Afghanistan Country Update - Issues 49,

http://documents.worldbank.org/curated/en/933571475754352955/pdf/108759-NEWS-CUOctWEB-PUBLIC-ABSTRACT-SENT.pdf, Zugriff 18.1.2016

- WB - The World Bank (2.5.2016): Afghanistan Systematic Country Diagnostic: An Analysis of a Country's Path toward Development, http://www.worldbank.org/en/news/feature/2016/05/10/afghanistan-systematic-country-diagnostic-an-analysis-of-the-countrys-path-toward-development, Zugriff 18.1.2017

Rückkehr

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem

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Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9.2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

Erhaltungskosten in Kabul

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

Wohnungssituation in Sar-e Pul

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Sar e Pol für zwei Personen belaufen sich auf ca. 180-200 USD pro Monat. Die monatlichen Mietkosten für ein durchschnittliches Haus betragen ca. 70-90 USD und 150-200 USD pro Monat für ein Luxusapartment (IOM 4.8.2016).

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Auszüge aus dem Bankensystem in Afghanistan

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto (IOM 2016).

Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:

Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten (IOM 2016).

Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten (IOM 2016). Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet (IOM 2016; vgl. auch: Western Union Holdings, Inc 2016 und Azizi Bank 2014).

Memorandum of Understanding (MoU)

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Schweden haben seit 2002 mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen (MoU - Memorandum of Understanding) zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u. a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien schieben abgelehnte Asylbewerber/innen afghanischer Herkunft nach Afghanistan ab. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Der afghanische Flüchtlingsminister Balkhi (seit Ende Januar 2015 im Amt) lehnt die Rücknahme von afghanischen Flüchtlingen ab und ignoriert die MoUs, wurde jedoch von Präsident Ghani in seinem Einfluss beschnitten. Ein deutsch-afghanisches Rücknahme-MoU wurde am 2. Oktober 2016 in Kabul unterzeichnet (AA 9.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- Azizi Bank (2014): Western Union Money Transfer Services, http://www.azizibank.com/index.php/live/content/Western-Union, Zugriff am 8.11.2016BFA

- DAWN (13.2.2017): HRW report accuses UNHCR of inaction over ¿forced repatriation- of Afghans, http://www.dawn.com/news/1314348/hrw-report-accuses-unhcr-of-inaction-over-forced-repatriation-of-afghans, Zugriff 15.2.2017

- DAWN (28.1.2017): 700,000 Afghan refugees returned home from Pakistan in 2016: IMF, http://www.dawn.com/news/1311245, Zugriff 15.2.2017

- DAWN (12.1.2017): Rise in Afghans returning home threatens overstretched resources, UN says, http://www.dawn.com/news/1307994/rise-in-afghans-returning-home-threatens-overstretched-resources-un-says, Zugriff 19.1.2017

- Die Zeit (13.2.2017): Schweigt die UN zu Misshandlungen von Flüchtlingen in Pakistan?,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-02/human-rights-watch-pakistan-abschiebung-afghanistan-fluechtlinge, Zugriff 15.2.2017

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- HRW - Human Rights Watch (13.2.2017): Pakistan Coercion, UN Complicity - The Mass Forced Return of Afghan Refugees, https://www.hrw.org/report/2017/02/13/pakistan-coercion-un-complicity/mass-forced-return-afghan-refugees, Zugriff 15.2.2017

- IOM - International Organization for Migration (15.1.2017): Return of undocumented Afghans weekly situation report 8-14 January 2017, https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_return_of_undocumented_afghans_weekly_situation_report_8-14_january_2017.pdf, Zugriff 20.1.2017

- IOM - International Organization for Migration (8.1.2017): Return of undocumented Afghans weekly situation report 1-7 January 2017, https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_return_of_undocumented_afghans_weekly_situation_report_1-7_january_2017.pdf, Zugriff 19.1.2017

- IOM - International Organization for Migration (21.9.2016):

ZC222/21.09.2016,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698612/18098970/Kabul_-_Medizinische_Versorgung%2C_Arbeitsmarkt%2C_Wohnsituation%2C_Bildung%2C_21.09.2016.pdf?nodeid=18364612&vernum=-2, Zugriff 25.1.2016

- IOM - International Organization for Migration (22.8.2016):

ZC170/04.08.2016,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698612/18098970/Sarepol_-_Arbeitsmarkt%2C_Wohnsituation%2C_04.08.2016.pdf?nodeid=18364614&vernum=-2, Zugriff 25.1.2016

- IOM - International Organization for Migration (22.4.2016):

ZC75/22.04.2016/,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698612/18098970/Kabul_-_Arbeitsmarkt_22.04.2016.pdf?nodeid=18153284&vernum=-2, Zugriff 25.1.2017

- IOM - International Organization for Migration (2016):

Länderinformationsblatt Afghanistan 2016, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698612/18363835/Afghanistan_-_Country_Fact_Sheet_2016%2C_deutsch.pdf?nodeid=18447087&vernum=-2, Zugriff 25.1.2017

- Khaama Press (17.1.2017): Refugees poured $7 billion to Afghanistan by returning home in past 1 year, http://www.khaama.com/refugees-poured-7-billion-to-afghanistan-by-returning-home-in-past-1-year-02694, Zugriff 17.1.2017

- Pakistan Observer (2.1.2017): UNHCR concerned over law, order for Afghan refugees repatriation,

http://pakobserver.net/unhcr-concerned-over-law-order-for-afghan-refugees-repatriation/, Zugriff 20.1.2017

- Thomson Reuters Foundation (12.1.2017): Rise in Afghans returning home threatens overstretched resources, U.N. says, http://news.trust.org/item/20170112111806-rfzhx/, Zugriff 19.1.2017

- RFL/RE (28.1.2017): IMF Says Returning Refugees 'Aggravating' Afghan Government's Capacity,

http://www.rferl.org/a/imf-afghanistan-refugees-displaced-person-return/28265160.html, Zugriff 15.2.2017

- UN GASC - General Assembly Security Council (13.12.2016): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security,

http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2016/1049, Zugriff 1912.2016

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (3.2.2017): Tough choices for Afghan refugees returning home after years in exile, http://www.unhcr.org/news/briefing/2017/2/589453557/tough-choices-afghan-refugees-returning-home-years-exile.html, Zugriff 15.2.2017

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (UNHCR) (20.6.2016):

Global Trends: Forced Displacement in 2015, http://www.unhcr.org/576408cd7.pdf, Zugriff 23.1.2017

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (6.2016): Afghanistan - Factsheet,

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http://reporting.unhcr.org/sites/default/files/UNHCR%20Afghanistan%20Factsheet%20-%20JUN16.pdf, Zugriff 1.2.2017

- UN OCHA (12.1.2017): Afghanistan: Returnee Crisis Situation Report No. 5 (as of 12 January 2017),

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afghanistan_returnee_crisis_situation_report_no_5_12jan2017.pdf, Zugriff 19.1.2017

- UN News Centre (15.11.2016): Afghanistan: UN launches nine-month operation to assist returnees with emergency food and cash, http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=55562#.WIDL1MsweUk, Zugriff 20.1.2017

- Western Union Holdings, Inc (2016): Möglichkeiten, Geld zu erhalten, https://www.westernunion.com/at/de/receive-money.html, Zugriff am 25.1.2017

Zum Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne

LANDINFO - 23. August 2017

ZUSAMMENFASSUNG Die Strukturen der Nachrichtendienste der Taliban sind im Laufe der Zeit entstanden und wurden dabei zunehmend ausgefeilter. Trotz der Bemühungen, die nachrichtendienstliche Tätigkeit über die verschiedenen Taliban-Shuras hinweg zu koordinieren und zu synchronisieren, wirkte sich die interne Aufspaltung der Taliban auf deren Funktionsweise aus. Die nachrichtendienstliche Tätigkeit der Taliban ist mittlerweile ziemlich flächendeckend, aber die Qualität der Informationen, die die Taliban-Führung erreichen, ist nicht immer die beste. Es zählt zu den Hauptaufgaben dieser Dienste, die Einschüchterungskampagne der Taliban gegen 'Kollaborateure' der Kabuler Regierung und gegen andere Feinde der Taliban zu ermöglichen. Der Taliban-Führung scheint daran gelegen zu sein, willkürliche Gewaltanwendung möglichst zu vermeiden und sich nach klar definierten Regeln ausschließlich auf Personen zu konzentrieren, die eindeutig Taliban-Gegner sind. Zwar werden die Regeln nicht immer eingehalten, aber die Führung scheint sich redlich darum zu bemühen.

...

IDENTIFIZIERUNG VON ZIELPERSONEN ZUR EINSCHÜCHTERUNG UND TÖTUNG

Insbesondere die Einschüchterung und Identifizierung von Zielpersonen durch die Taliban hängt stark von den Resultaten ihrer nachrichtendienstlichen Tätigkeit ab. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Einschüchterung und Verfolgung nur eine von vielen Aufgaben der Nachrichtendienste sind. Die Taliban-Interviewpartner beschrieben die Aufgaben der Nachrichtendienste wie folgt: Tätigkeit für alle Bereiche der Taliban-Bewegung, Grundlagen für künftige Operationen legen und Gefahren seitens des Feindes abwehren, u.a. durch die Entlarvung feindlicher Informanten. Sie untersuchen auch verdächtige Kollaborateure der Regierung und wählen die Zielpersonen aus der schwarzen Liste aus, die auf die Abschussliste gesetzt werden sollen (dies ist eine Teilmenge der schwarzen Liste, mit denjenigen, die zur Tötung frei gegeben wurden). Eine Ausnahme bildet hier der Nachrichtendienst von Quetta, der nicht zu einer Militär-Kommission gehört und soweit berichtet wurde, keine Zielpersonen auswählt. Außerdem sollen die Dienste ein Auge auf Taliban haben, die sich daneben benehmen, wenn es also zu Übergriffen gegen die Bevölkerung und Korruption kommt. Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach 'fehlverhalten': a) Politische Feinde: die Anführer und wichtigsten Mitglieder der Parteien und Gruppen, die den Taliban feindlich gesinnt sind; dazu gehören beispielsweise a. Prof. Rabbani; b. der starke Mann von Uruzgan, Jan Mohammad: c. Gen. Daud.

b) Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer 'feindlicher' Regierungen - alle Zivilisten, die für die Regierung oder für westliche diplomatische Vertretungen und andere Einrichtungen arbeiten; c) Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges; d) Personen, von denen angenommen wird, dass sie die Taliban für die Regierung ausspionieren oder Informationen über sie liefern; e) Personen, die gegen die Shari'a (entsprechend der Auslegung der Taliban) und die Regeln der Taliban verstoßen; f) Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft; g) Kollaborateure des ausländischen Militärs - praktisch jeder, der den ausländischen Streitkräften in irgendeiner Weise hilft; h) Auftragnehmer der afghanischen Regierung; i) Auftragnehmer anderer Länder, die gegen die Taliban sind; j) Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten; k) Personen jeder Art, die die Taliban in irgendeiner Weise für nützlich oder notwendig für ihre Kriegsführung erachten, die die Zusammenarbeit verweigern. Diese Kategorien von Zielpersonen beinhalten eine Reihe von Gruppen, die sich nur schwer genau quantifizieren lassen, aber es dürften mit aller Wahrscheinlichkeit insgesamt mehr als eine Million Menschen sein (die Sicherheitskräfte sind zirka 400.000 bis 450.000 Mann stark, ferner hat die Regierung über 500.000 zivile Mitarbeiter, dazu kommen noch zehntausende von Auftragnehmern). Anschläge gegen die genannten Personengruppen gibt es seit den Anfängen des Aufstandes (2002). In der Tat war die Ermordung einzelner 'Kollaborateure' 2002-2004, als ihr

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militärisches Potenzial noch schwach war, die wesentliche Aktivität der Taliban. 2005-2007 begannen die Taliban großangelegte militärische Operationen und die gezielten Morde verloren etwas an Bedeutung. Ab 2007 mussten die Taliban vermehrt Einschüchterungstaktiken anwenden, als sie dem vermehrten militärischen Druck durch die ausländischen Streitkräfte (ISAF) ausgesetzt waren. Eine asymmetrische Taktik sollte die Konsolidierung der Kabuler Regierung verzögern bzw. verhindern. Mit dem Abzug eines Großteils der ausländischen Streitkräfte im Laufe des Jahres 2014 verschoben sich die Prioritäten für die Taliban wiederum. 2014, als die ausländischen Kräfte kaum noch an den Kampfhandlungen teilnahmen, zeigten die Unterlagen der UNAMA über die zivilen Opfer von gezielten Ermordungen durch die Taliban einen leichten Rückgang um 3,6%, dies war der erste Rückgang seit Beginn der Erhebungen durch die UNAMA 2008. 2015 schnellte die Zahl dann wieder um 10,4% nach oben, 2016 fiel sie stärker als jemals zuvor, um 27,3% (Tabelle 1 unten). Da die Taliban nach übereinstimmenden Berichten zu diesem Zeitpunkt ihre Operationen ausweiteten und weite Gebiete unter ihre Kontrolle brachten, ist dieser Rückgang sicherlich nicht darauf zurückzuführen, dass sie dazu weniger in der Lage gewesen wären, sondern vielmehr auf einen anderen Fokus und eine Änderung der Strategie: man war weniger daran interessiert, die afghanische Regierung zu unterminieren, als daran, sie direkt zu stürzen. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass viele der 'Kollaborateure', die sich schutzlos fühlten, aus diesen gefährdeten Gebieten flohen und die Taliban somit keine leichten Ziele mehr hatten. Außer den Personen in den oben genannten Kategorien a), d),

e) und k) bieten die Taliban allen Personen, die sich 'fehlverhalten' die Chance, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Personen in den Kategorien a), d), e) und k) haben allein schon durch die Zugehörigkeit zu dieser Kategorie, Verbrechen begangen, im Gegensatz zu einer Tätigkeit als Auftragnehmer. Dies sehen die Taliban nur dann als Verbrechen an, wenn der Auftragnehmer die Warnungen der Taliban in den Wind schlägt. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperation an die Taliban zu binden. Die Personen der Kategorien b), c), f), g), h), i) und j) können einer 'Verurteilung' durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlichen 'feindseligen' Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen. b) Regierungsmitarbeiter und Mitarbeiter westlicher Regierungen: Sie können einer Warnung oder Verurteilung vor Erhalt des letzten Drohbriefes entgehen, wenn sie Abgaben zahlen, Informationen liefern und ihre Kollegen für die Taliban ausspionieren, um deren Aktionen gegen die eigenen Arbeitgeber zu unterstützen oder zur Verbesserung der Organisation der Taliban beizutragen. Bekannte Einzelfälle sind: I. Personal im Bildungswesen: können arbeiten, wenn ihre Bildungsbehörde oder Schule eine Vereinbarung mit den Taliban schließt, die Lehrpläne und Schulbücher ändert, für religiöse Fächer von den Taliban empfohlene Lehrer einstellt und den Taliban die Überwachung der Schule gestattet. II. Personal im Gesundheitswesen: darf arbeiten, wenn es sich bereit erklärt, verletzte Taliban-Mitglieder zu behandeln. c) Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges: wie b) oben, sie haben aber auch die Option, zu den Taliban überzulaufen und Absichtserklärungen mit den Taliban zu unterzeichnen (als gesamte Einheit), in denen eine im gemeinsamen Interesse liegende Gegenleistung angeboten wird. f) Kollaborateure der afghanischen

Regierung: wie b) oben g) Kollaborateure des ausländischen Militärs und im militärischen Zusammenhang stehende Unterstützungsleistungen, einschließlich der Mitarbeiter in den Unterkünften: wie b) oben h)

Auftragnehmer der afghanischen Regierung: wie b) oben i)

Auftragnehmer, die für talibanfeindliche Länder tätig sind: wie b) oben j) Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten: wie b) oben. Die Taliban nennen als ihre wichtigsten Zielpersonen die Offiziere der nationalen Sicherheitsdienste (NDS), Dolmetscher bzw. alle, die für das/mit dem ausländischen Militär und Diplomaten arbeiten. So behaupten die Taliban beispielsweise, dass sie 2015 15 Dolmetscher in Kabul und den umliegenden Vororten getötet hätten und im Jahr 2016 bis Anfang Dezember 23; es bleibt unklar, ob die Taliban ihre Opfer auch zu Recht als Dolmetscher identifiziert haben. Die Taliban bauschen ihre Erfolge sicherlich auf, indem sie unzutreffende Opferzahlen angeben (insbesondere, wenn Bomben eingesetzt werden). Die meisten Angriffe fanden in den Vororten statt (2016 waren es 17). Die Taliban nehmen natürlich auch Ausländer ins Visier, insbesondere, wenn sie irgendwie an der Bekämpfung des Aufstandes beteiligt sind. Überall, wo die Taliban vertreten sind, zielten sie von vorne herein insbesondere auf die Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte ab, die sich weigern, den Dienst zu quittieren. Sie übten Druck auf deren Familien aus, um deren Ausscheiden zu erzwingen und drohten Bestrafung an, wenn ihrer Forderung nicht Folge geleistet würde. In einigen Fällen sind sie sogar soweit gegangen, Verwandte hinzurichten. Zumeist waren diese Sicherheitskräfte und ihre Familien schließlich gezwungen, in sicherere, von der Regierung kontrollierte Gebiete umzusiedeln, obwohl die Taliban ihre Ziele teilweise auch dort heimsuchen. Andere, die es sich leisten können, scheiden aus und im Laufe der Jahre sind hunderte hingerichtet worden. Selbst diejenigen, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden. Allerdings gibt es auch Ausnahmen von diesen allgemeinen Regeln zur Verfolgung von Zielpersonen. Die Mashhad Shura misst den Regierungskollaborateuren nur geringe Priorität zu, stattdessen konzentriert sie sich auf die Kollaborateure mit westlichen Regierungen, mit Daesh und auf Gegenspione sowie auf westliche Staatsangehörige. Die Rasool Shura kooperiert häufig taktisch mit den Sicherheitskräften der afghanischen Regierung und verfolgt die Regierungsmitarbeiter überhaupt nicht. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Jagd nach Eindringlingen von anderen Taliban-Gruppen. Ob aktive Angehörige der Sicherheitskräfte verfolgt werden, hängt auch von taktischen

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Erwägungen ab: die Mashhad Shura tut dies seit 2015 nicht mehr und in bestimmten Gebieten, in die sie erst kürzlich vorgedrungen sind, fahren die Taliban einen sanfteren Kurs, sie wirken auf die Familien ein, ihre Söhne aus den Sicherheitskräften herauszuholen, jedoch ohne Gewaltandrohung. Somit hängt das Maß der tatsächlichen proaktiven Verfolgung von Angehörigen der Sicherheitskräfte durch die Taliban von taktischen Erwägungen ab. Ende 2016 gaben Taliban-Quellen an, dass fast 15.000 Personen auf ihrer nationalen schwarzen Liste stünden. Das lässt vermuten, dass die Taliban keinen Zugang zu den staatlichen Datenbanken über das Sicherheitspersonal oder Regierungsmitarbeiter haben, ansonsten wäre die Zahl wesentlich höher. Dies ist nicht überraschend, denn die Regierung selbst ist kaum in der Lage zuverlässig anzugeben, wer den Sicherheitskräften angehört bzw. für die Regierung arbeitet. Im Anfangsstadium des Krieges war es durchaus üblich, dass die Taliban Polizisten und Soldaten an Straßensperren abfingen, wenn sie im Urlaub waren und ihre Ausweise dabei hatten. Sehr schnell wurde es immer schwieriger, jemanden zu fangen, der dumm genug war, seinen Ausweis mit sich zu führen. Im Grunde genommen steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein 'Übeltäter' ist und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können. Diese Details sind wesentlich, denn nach den Regeln der Taliban, muss ein Kollaborateur gewarnt werden und Gelegenheit erhalten, auf den richtigen Weg zurückzukehren, bevor er auf die schwarze Liste gesetzt wird. Damit die Einschüchterungstaktiken der Taliban funktionieren, hängen sie also davon ab, dass ihre Informanten Angaben zu den potenziellen Zielpersonen liefern. Die Taliban behaupten jedoch, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, dass sie regelmäßig Berichte darüber erhalten, wer neu ins Land einreist. Gezielte Tötungen können relativ einfach gezählt werden und haben eindeutig im Laufe der Jahre als Rache für die 'Nachtangriffe' der ISAF dramatisch zugenommen, sie richteten sich zunehmend gegen Zivilisten (siehe Tabelle 1). Es gibt keine UN-Daten über gezielte Morde vor 2008, es ist jedoch offensichtlich, dass die Taliban solche Morde auch schon 2004, möglicherweise noch früher, verübten, wenngleich in relativ geringem Ausmaß. Schon 2006 berichtete USAID, dass ihre Mitarbeiter seit drei Jahren in der Schusslinie stünden und sie ca. 100 Mitarbeiter verloren hätten. Die Morde an regierungstreuen Geistlichen begannen im Sommer 2005 im Süden.29 In Ermangelung genauer Zahlen für frühere Jahre lässt sich nur schwer abschätzen, was die Zahl von 2008 für die Tendenz der Ermordungen durch die Taliban aussagt, aber die Zahl der zivilen Opfer der Taliban stieg in diesem Jahr insgesamt um über die Hälfte, daher wäre die Vermutung naheliegend, dass auch die Zahl der gezielten Morde deutlich zugenommen hat.

Es ist zu beachten, dass die UNAMA-Zahlen nur die zivilen Opfer gezielter Morde beinhalten, nicht aber Polizisten oder Armeeangehörige, obwohl diese die wichtigste Zielgruppe der Taliban sind. ISAF-Quellen schätzen, dass im Zeitraum März bis September 2011 von den 190 der von ihnen erfassten gezielten Morde, 50 afghanische Sicherheitskräfte betrafen, 32 Regierungsmitarbeiter und die Übrigen Personen, die nicht für die Regierung tätig waren: somit machten Sicherheitskräfte grob ein Viertel aller gezielten Morde aus. Auf dieser Grundlage kann man schätzen, dass die Gesamtzahl der gezielten Morde bis 2015- 16 fast 1.000 pro Jahr betrug. Die Taliban selbst behaupten, dass sie 2015 1.633 Personen bestraft hätten und über 2.000 im Jahr 2016. Diese Zahlen beinhalten Amputationen, körperliche Strafen und Verletzungen. Berücksichtigt man fehlgeschlagene Angriffe und willkürliche Tötungen (aus der Sicht der Taliban sind dies ‚nicht autorisierte Angriffe'), kann man schätzen, dass die Taliban jedes Jahr mindestens 15-20% der Personen auf ihrer schwarzen Liste angreifen.

DIE REGELN DER TALIBAN

Genauso wie Selbstmordattentate und Minen waren auch die gezielten Morde an Zivilisten bei den Taliban umstritten, denn einige waren dagegen, gegen Lehrer, Ärzte, Ingenieure etc. vorzugehen. Obwohl ehemalige Taliban oft wehmütig der mythischen ersten Jahre des Aufstandes gedenken, einer Zeit in der Zurückhaltung und Rechtsstaatlichkeit bei den Taliban herrschte und die endete als die alten Führer einer nach dem anderen getötet oder verhaftet wurden, waren die gezielten Tötungen 2005-2010 im Süden Afghanistans am intensivsten, obwohl die Taliban damals eine wesentlich kleinere Gruppe waren. Die gezielten Tötungen waren in XXXX besonders schlimm als Hunderte von Ältesten umgebracht wurden. Nach einer ersten Welle der Gewalt, kam es nur noch relativ selten zu willkürlichen Tötungen von Spionageverdächtigen und Regierungskollaborateuren, da sich nur wenige Dorfbewohner trauten, den Taliban entgegenzutreten. Viele Älteste hatten Schwierigkeiten, sich an spezielle Gewaltakte ab 2014-16 zu erinnern. In dem Maße, in dem das System der Taliban Gestalt annahm und ihre Verhaltenskodizes ausgefeilter wurden, wurden auch Regeln eingeführt, die vorschrieben, dass die Taliban Kollaborateure mindestens zweimal warnen mussten, bevor sie gegen sie vorgingen. Dieses Verfahren galt wohl ab 2009 oder 2010. Von der Regel ausgenommen sind lediglich "schlimme Kriminelle", wie führende Persönlichkeiten in der Regierung. Daher gilt folgendes Verfahren für das Vorgehen gegen einen bestimmten Kollaborateur: 1. Person identifizieren; 2. Kontaktdaten herausfinden (Adresse oder Telefonnummer); 3. Person mindestens zweimal warnen; 4. verhören und vor Taliban-Gerichte stellen; 5. Person auf die schwarze Liste setzen, wenn sie sich weigert, den Anordnungen der Taliban Folge zu leisten; 6. Günstige Gelegenheit abwarten, um zuzuschlagen. Teil 4 wird ausgesetzt, wenn die Umstände Verhöre oder Inhaftierung nicht zulassen. So können die Taliban zum Beispiel in der Stadt Kabul normalerweise keine Verdächtigen oder Täter festnehmen, daher gibt es die beiden Alternativen, die Verdächtigen zu überwachen, bis sie Kabul verlassen und sie dann festzunehmen (die Taliban behaupten, 2015/16 350 solcher Festnahmen durchgeführt zu haben) oder die

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Mordkommandos zum Einsatz zu bringen, ohne den Umweg über ein Gerichtsverfahren. Die praktische Durchführung von Abschnitt 6 (s.o.) hängt normalerweise von den Fähigkeiten des lokalen Verfolgungsteams ab, dessen Arbeitsauslastung und dem mit der Vollstreckung des 'Urteils' verbundenen Risiko. Eine geschützte Zielperson bzw. eine in einem Gebiet, das von den Behörden stark bewacht wird, könnte zwar für die Taliban wichtig sein, bei ihrer Liquidierung bestünde aber andererseits auch ein hohes Risiko, dass das Mordkommando die Operation nicht überlebt. Eine weniger wichtige Zielperson, die in einem leicht zugänglichen Gebiet mit guten Fluchtmöglichkeiten wohnt, könnte von den Taliban eher liquidiert werden, als eine bedeutendere, die besser geschützt ist. Die Nachrichtendienste der Taliban geben ihre Listen der Verdächtigen an die Militär-Kommission (im Falle der Quetta Shura, an den Schattengouverneur; im Falle der Miran Shah Shura an den Provinzverteter des Haqqani- Netzes) weiter, die dann darüber entscheidet, welche von diesen Personen auf die schwarze Liste gesetzt werden. Jeder nachrichtendienstliche Abteilung in den Provinzen ist ein Team (Istakhbarati Karwan) zugeordnet, das in Absprache mit der Militär-Kommission Kollaborateure verfolgt. In den meisten Provinzen besteht das Team aus 20 Mitgliedern, ist aber an Orten wie Kabul größer. Die meisten Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verfolgung einer Zielperson werden von den Karwan ausgeführt, weitere Gefahr droht ihnen jedoch durch die Kontrollstellen der Taliban und deren Patrouillen in den Dörfern, die jeweils über Auszüge der Liste der Zielpersonen verfügen. Obwohl die politische Führung der Taliban anscheinend großen Wert auf die von ihr eingeführten Regeln legt und will, dass sie eingehalten werden, geben die meisten Taliban zu, dass es immer noch willkürliche Hinrichtungen gibt. Gelegentlich nehmen die Taliban Hinrichtungen aus Wut wegen Luft- und Nachtangriffen auf sie vor. Da er nichts dagegen unternehmen kann, könnte ein Taliban-Kommandant einige der Dorfbewohner zu Sündenböcken machen, insbesondere, wenn man sie sowieso schon in Verdacht hatte, den Taliban gegenüber nicht loyal zu sein. Außerdem leidet die Informationsbeschaffung der Taliban, genau wie die ihrer Gegner - der afghanischen Regierung und der ISAF - unter Falschinformationen, die durch Fehden oder Vendetten motiviert sind. Gelegentlich werden auch Familienangehörige zu Zielpersonen; es scheint, dass die Taliban diese Aktionen eingeschränkt haben, nachdem die Polizei und die Miliz als Vergeltungsmaßnahme die Familienangehörigen der Taliban verfolgten.

Zumindest teilweise hat das Justizsystem der Taliban den Zweck, deutlich zu machen, dass ihre Bewegung einen Schattenstaat darstellt. Es liegt den Taliban daher viel daran, die Kontinuität zwischen der aktuellen Bewegung von Aufständischen und dem Taliban-Emirat von 1996-2001 zu betonen; tatsächlich bezeichnen sich die Taliban selbst immer noch als das Islamische Emirat Afghanistan. Daher gelten alle Urteil, die die Taliban für jegliches Verbrechen einmal gesprochen haben, immer noch weiter, einschließlich derer, die vor dem Fall des Emirates ergingen. Tatsächlich befinden sich, laut den Taliban-Quellen, auf der 15.000 Personen um fassenden schwarzen Liste, immer noch 3.000, die zu Zeiten des Emirats verurteilt wurden (die Gerichtsunterlagen wurden nach Pakistan geschafft, als das Emirat fiel). Es ist naheliegend, dass diejenigen, die den Urteilen der Taliban damals entgingen, sich im Ausland aufhielten, daher wurden recht viele dieser Personen (ca. 200) von den Taliban erst 2002-2016 gefasst. Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban- Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr.

INFORMATIONSFLUSS INNERHALB DER TALIBAN-BEWEGUNG

Ab Dezember 2010 gab es Kooperationsabkommen zwischen den Nachrichtendiensten der verschiedenen Shuras, die einen regelmäßigen Informationsaustausch ermöglichten. Zunächst umfasste das Abkommen den Dienst von Mashhad nicht, als dieser sich 2014 für autonom erklärte, angeblich, weil seine Leitung es ablehnte. Eine interne Quelle des Dienstes behauptete, dass er über Informanten in den Nachrichtendiensten der anderen Shuras verfügte und hoffte, von diesen Informationen zu erhalten, ohne etwas austauschen zu müssen. Die ausgetauschten Informationen betrafen zumeist Bedrohungen der Taliban durch die Regierung und die Überwachung von Personen; weitere Informationen, die man für andere Shuras nicht für relevant hält, werden nicht ausgetauscht. Einige Kader, genannt Mamba, haben die Aufgabe, zwischen den einzelnen Nachrichtendiensten zu koordinieren. Bis Ende 2016 tauschten die Shuras von Quetta, Mashhad und dem Norden Informationen aus; es gab keinen Austausch mit der Rasool Shura. Auch mit den Teams der Miran Shah Shura, die die Fedayeen-Kommission begleiten sollten, gab es nur einen teilweisen Austausch. Die nachrichtendienstlichen Teams, die der Fedayeen-Kommission zugeordnet sind, geben keine operativen Informationen an andere Taliban weiter, weil sie befürchten, dass Informationslecks die Operationen gefährden könnten. Andere Arten von Erkenntnissen werden jedoch weitergegeben. Diese Kommission stellt einen Sonderfall dar, da sie mit der Durchführung von komplexen Angriffen beauftragt ist und die Informationen, die sie sammelt, sind einzig auf diesen Zweck gerichtet.

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Die Nachrichtendienste tauschen die Informationen ad hoc miteinander aus. Wenn man davon ausgeht, dass eine gesuchte Person den Zuständigkeitsbereich eines Dienstes verlassen hat, kann ihre Akte an einen oder mehrere andere Dienste weitergegeben werden. Trotzdem ist es höchst wahrscheinlich, dass die einzelnen Shuras der Taliban ihre Informationen nicht zu 100 Prozent weitergeben. So haben die Shuras oft unterschiedliche Vorstellungen davon, wer einen Feind darstellt. Einige Taliban-Shuras unterhalten Beziehungen mit einigen der angeblichen Feinde der Taliban und haben offensichtlich kein Interesse daran, diese zu verfolgen oder Informationen über sie an andere Taliban weiterzugeben, die solche Beziehungen nicht pflegen. So haben die Nord-Shura und die Mashhad Shura beispielsweise freundschaftliche Beziehungen zu den meisten Führern und Kommandanten von Jamiat-i Islami, einer Partei, die in den 1990er Jahren ein Eckpfeiler der United Front (Nordallianz), der Anti-Taliban-Koalition war. Im Gegensatz dazu sehen die Quetta Shura sowie die Shuras von Miranshah und Peshawar in Jamiat einen ihrer schlimmsten Feinde. Grundsätzlich sind die in Quetta getroffenen Entscheidungen über die Zielpersonen und deren Verfolgung für alle Shuras verbindlich, die die Rahbari Shura in Quetta als ihre Führung anerkennen (Quetta, Miran Shah, Northern, Peshawar). In der Praxis könnte das anders aussehen. Selbst die lokalen Taliban-Gruppen möchten die Namen aller der von ihnen gesuchten Personen vielleicht nicht mit den vorgesetzten Kommandoebenen teilen, z.B. weil bei diesen Personen nach den Regeln der Taliban die Voraussetzungen nicht gegeben sind.

7. SCHLUSS

Im Laufe der Jahre haben die Taliban eine ausgeklügelte Organisation für ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit entwickelt. Die Dienste beschäftigen insgesamt fast 6.000 qualifizierte Mitarbeiter (unter Einschluss der Rasool Shura) und eine Vielzahl von bezahlten und unbezahlten Informanten. Gleichzeitig wirkte sich die zunehmende Zersplitterung der Taliban negativ auf die Entwicklung ihrer nachrichtendienstlichen Tätigkeit aus. Mit Ausnahme der Rasool Shura, haben die anderen Bestandteile der Taliban-Bewegung einen Mechanismus für den Informationsaustausch eingeführt, daher funktioniert das System zur Einschüchterung und Verfolgung von Zielpersonen der Taliban weiterhin landesweit, wenngleich nicht unbedingt immer reibungslos. Das Ausmaß der Einschüchterungen und Verfolgungen von Zielpersonen haben wahrscheinlich ihren Höhepunkt erreicht, es sei denn, die amerikanische Präsenz in Afghanistan würde nochmals erheblich ansteigen. Die Einschüchterungen und die Verfolgung von Zielpersonen hat an strategischer Bedeutung verloren, da die Taliban nunmehr davon überzeugt sind, dass sie eine direkte Konfrontation mit den Streitkräften Kabuls gewinnen können, weswegen sie immer mehr Ressourcen zu ihren halb-regulären, mobilen Kräften kanalisieren. Der allgemeine Eindruck von Afghanistan ist, dass der Einfluss der Regierung zugunsten der Taliban abnimmt, daher sind Einschüchterungstaktiken nicht mehr so relevant. Außerdem hat sich die Regierung aus vielen ländlichen Gebieten zurückgezogen, die jetzt von den Taliban kontrolliert werden. Allerdings bleibt die Beschaffung geheimer Informationen für die Taliban weiterhin wichtig, da sie stärker als bisher in die Städte vordringen wollen. Die Taliban hatten 2015-16 Frontalangriffe auf die Städte versucht, durch das schnelle Eingreifen der US-Luftstreitkräfte wurden sie aber zurückgeschlagen. Schon während des Jahres 2016 haben sich die Taliban auf die weniger auffällige Taktik der Infiltration verlegt, um in die von ihnen anvisierten Städte vorzudringen, ohne Vergeltungsschlägen aus der Luft ausgesetzt zu sein. Des Weiteren bleibt die nachrichtendienstliche Tätigkeit für die Taliban wichtig, weil die verschiedenen Shuras alle mit unterschiedlichen ausländischen Sponsoren verbunden sind, für die die von den Taliban gesammelten Informationen wahrscheinlich äußerst wertvoll sind. Im Laufe des Jahres 2016 kam es wieder vermehrt zu Luft- und Drohnenangriffen gegen Talibananführer; das bekannteste Opfer war Amir Akhtar Mohammad Mansur, obwohl er sicherlich nicht der Einzige war. Dieser Trend wird wohl im zweiten Halbjahr 2017 und noch länger danach weiter zunehmen, wenn sich die Gerüchte über einen 'Mini-Truppenaufbau' der Amerikaner bewahrheiten sollten. Schon 2016 wurden die vom Pentagon und der CIA für Afghanistan bereitgestellten Luftwaffenkapazitäten aufgestockt, obwohl sie noch weit unter den Spitzenwerten von 2012-13 liegen. Diese Entwicklung bedeutet, dass die Gegenspionage aus Sicht der Taliban erneut an Bedeutung gewinnt; die Jagd auf Spione hat nie aufgehört, wird sich aber wohl verstärken und dabei zumindest teilweise den Rückgang der gezielten Morde ausgleichen. Man sollte auch damit rechnen, dass die Taliban sich verstärkt bemühen werden, die afghanischen Sicherheitskräfte zu unterwandern. Teilweise, um Angriffe gegen die Teams von US-Beratern auszuführen, die in beträchtlicher Zahl auf das Schlachtfeld zurückkehren könnten, aber auch, um Anschläge tief in den von der afghanischen Regierung gehaltenen Gebieten durchzuführen. Diese zielen dann auf Führer auf Bezirksebene, um die feindliche Kommandokette zu unterbrechen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus dem diesbezüglich Vorbringen des Beschwerdeführers, von denen er im Lauf des Verfahrens nicht abwich.

Die Feststellung, dass er Erfahrung in landwirtschaftlichen Hilfstätigkeiten hat, ergibt sich aus Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung.

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Dass er von seinem Bruder finanziell unterstützt wird, ergibt sich aus dem Vorbringen des BF in vor dem BFA.

Die allgemeine Lage ergibt sich aus den Beilagen zum Verhandlungsprotokoll, denen nicht entgegen getreten wurde. Es handelt sich zudem um einen Bericht der Staatendokumentation, der eine Vielzahl von verschiedenen Berichten zusammenfasst und daher ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Afghanistan zeigt. Dieses Länderinformationsblatt wird mittels Einbezug relevanter Kurzinformationen der Staatendokumentation auf aktuellem Stand gehalten. Eine Gesamtaktualisierung des Länderinformationsblatt erfolgt entweder in vorgegebenen Intervallen (TOP-Herkunftsstaaten) oder bei gegebenem Bedarf (andere Herkunftsstaaten).

Die Aktualität der verwendeten Quellen wird seitens der Staatendokumentation überprüft. Daher können auch im Länderinformationsblatt verwendete Quellen älteren Datums als inhaltlich aktuell erachtet werden.

Die Vernetzung der Taliban ergibt sich aus dem Bericht der Landinfo "Nachrichtendienst er Taliban und Einschüchterungskampagne". Das norwegische Informationszentrum für Herkunftsländer Landinfo ist eine unabhängige Stelle im Rahmen der norwegischen Einwanderungsbehörden. Landinfo stellt dem norwegischen Direktorat für Einwanderung (Utlendingsdirektoratet - UDI), der Beschwerdekammer Einwanderung (Utlendingsnemnda - UNE) und dem norwegischen Ministerium für Justiz und öffentliche Sicherheit Informationen zu Herkunftsländer zur Verfügung. Die Berichte von Landinfo beruhen auf Auskünften von sorgfältig ausgewählten Quellen. Die Informationen werden nach der allgemeinen Methodologie für die Aufbereitung von Herkunftslandsinformationen und den internen Landinfo- Leitlinien für Quellen- und Informationsanalyse recherchiert und bewertet.

Soweit der Beschwerdeführer ein Vorbringen erstattet, wonach er in seiner Heimat von den Taliban entführt worden wäre, weil er der Volksgruppe der Hazara angehört, und weil er Feinde aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten hätte, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft.

Das erkennende BVwG geht insbesondere aufgrund des sich in der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2017 vom BF persönlich gemachten Eindrucks sowie aufgrund einer Gesamtschau des Akteninhaltes davon aus.

Die Aussage des Asylwerbers stellt im Asylverfahren zweifellos das Kernstück dar. Hierbei ist es nach Ansicht des VwGH Sache des Asylwerbers, entsprechende, seinen Antrag untermauernde Tatsachenbehauptungen aufzustellen und diese glaubhaft zu machen.

In Gesamtschau seines Aussageverhaltens in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vermochte der Beschwerdeführer jedoch bloß eine grobe Rahmengeschichte wiederzugeben und seine Fluchtgeschichte erst auf Nachfragen mit einigen wenigen Details auszugestalten, die für die erkennende Richterin nicht den Eindruck erweckten, die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse seien tatsächlich so vorgefallen. Der Beschwerdeführer stützte seine Angaben weitgehend auf Mutmaßungen und Spekulationen, denen ein hinreichend konkreter asylrelevanter Kern nicht zu entnehmen war, sodass schon aus diesem Grund erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers bestehen.

Weiters ist das Vorbringen des Beschwerdeführers in einigen Elementen so wenig plausibel bzw. widersprüchlich, dass es in seiner Gesamtheit an Glaubhaftigkeit verliert:

Der Beschwerdeführer brachte sowohl im Verfahren vor dem BFA als auch in der mündlichen Verhandlung vor, von den Entführern misshandelt worden zu sein, so sei ihm insbesondere die Nase gebrochen worden(BF in der mündlichen Verhandlung: "Sie haben mich

an der Nase geschlagen. Meine Nase wurde gebrochen. .... Ich wurde

auch an anderen Tagen misshandelt."; BF vor dem BFA:" Sie haben uns bedroht und misshandelt."). In der Befragung anlässlich der ärztlichen Befundung im Rahmen der Altersfeststellung, gab der BF jedoch an, niemals gefoltert worden zu sein und ergab auch der ärztliche Befund anhand der körperlichen Untersuchung keine Verletzungen oder Narben.

Der BF brachte in der mündlichen Verhandlung vor, dass die mutmaßlichen Taliban als Entführer jeden durchsucht hätten und den Personen sämtliche Gegenstände abgenommen hätten und sogar eine Flasche Mineralwasser Probleme bereiten hätte können. Nur das Geld hätten sie ihnen nicht abgenommen, sondern nur gefragt, woher sie es hätten. Es ist nicht glaublich, dass den entführten Personen sämtliche Habe abgenommen wird, so auch einem Studenten die Bücher, aber bei Geld lediglich nachgefragt wird, wie sie es verdient hätten.

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Befragt zum Ort der Anhaltung sowie Angriff und dessen Dauer sind die Schilderungen des BF vage und lassen den Eindruck, dies selbst erlebt zu haben, vermissen. Auf Nachfrage durch die erkennende Richterin nach Details zum Keller, gibt der BF zuerst ausweichende Antworten ("R: An was erinnern Sie sich noch? BF: Wenn Sie Fragen haben, beantworte ich sie Ihnen. R: Ich möchte, dass Sie mir Ihre Erinnerungen an den Keller schildern. BF: Ich habe auch was zu erzählen, wenn die Fragen zu Ende sind. Wenn es Gottes Wille ist. (Anm.: verwendet das Wort Inschallah). Was war die Frage?"), aus denen sich schließen lässt, dass dem BF daran gelegen war, Zeit für eine allfällige Schilderung zu gewinnen. Auch nachgefragt blieben die Antworten vage und wenig detailreich.

Der Beschwerdeführer gab sowohl beim BFA als auch in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll, dass er erst über You tube erfahren habe, dass Taliban Hazara aufgrund ihrer Religion und Volksgruppenzugehörigkeit anhalten würden. Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte er zusätzlich vor, dass er in der Zeit, in der sich in Österreich aufgehalten habe, Leute kennengelernt habe, die das gleiche Schicksal wie er hatten und die Leute hätten ihm erzählt, warum die Taliban Leute durchsuchen. Er habe sich auch später auf You tube Videos angesehen, und habe gelesen, dass Taliban Leute, die mit der Regierung und den Amerikanern zusammenarbeiten töten würden. Dass der BF dieser Personengruppe angehört, brachte er nicht vor.

Der BF brachte in der mündlichen Verhandlung vor, dass er im Alter von acht Jahren mit der Frau seines Onkel mütterlicherseits nach der Entführung seines mittlerweile in Österreich aufhältigen Bruders nach Pakistan geflohen sei, diese sei darüber informiert worden, dass sein Bruder in Österreich sei. Er habe damals aber nur einmal mit ihm telefoniert und keinen weiteren Kontakt mehr gehabt. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan habe ihm nunmehr seine Ziehmutter gesagt, er müsse nach Österreich zu seinem Bruder flüchten. Der BF konnte in der mündlichen Verhandlung aber nicht erklären, woher sie diese Information hatte. Nach gefragt gab er an, er wisse es nicht und neuerlich dazu befragt, gab er ausweichend an, dass sich sein Bruder und seine Ziehmutter in der selben Gegend aufgehalten hätten und korrigierte sich im Anschluss, die Ziehmutter hätte ihm gesagt, sein Bruder halte sich in Europa auf, nicht in Österreich.

Zum Zeitpunkt, als der BF zu seinen Zieheltern gekommen war, hatte der BF aber nach eigenen Angaben keinen Kontakt mehr zum Bruder, der somit nicht wissen konnte, bei wem sich der BF aufgehalten hat.

Der BF gab vor dem BFA an, dass seine Ziehmutter ihm nicht erklärt habe, was passiert sei und warum er flüchten müsse und brachte in der gesamten Vernehmung vor dem BFA keine diesbezüglichen Angaben vor. In der mündlichen Verhandlung brachte er sodann vor, dass seine Ziehmutter ihm gesagt habe, die Feinde, die seinen Ziehvater getötet hätten, hätten auch ihn gesucht und der Angriff hätte ihm gegolten.

Brachte der BF noch in der Ersteinvernahme vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.09.2015 vor, er habe die Leiche seines Ziehvaters gesehen und gefragt, wer ihn getötet habe. Vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er aber an, dass im Haus lediglich Blut gewesen sei und er keine Leiche gesehen habe.

Zudem brachte er vor dem Bundesverwaltungsgericht eindeutig vor, vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gelogen zu haben und gab als Erklärung an, dass er nicht gewusst habe, ob er sich bereits in Österreich aufhalte. Auch dieser Umstand trägt nicht zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit des BF bei.

Eine gezielte, seine Person betreffende Entführung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara konnte damit nicht glaubhaft gemacht werden.

Insgesamt betrachtet kann somit nicht angenommen werden, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers einer konkreten Bedrohungssituation seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara zuzuordnen ist.

Auch der vorgebrachte Fluchtgrund der Feindschaft aufgrund von angeblichen Grundstücksstreitigkeiten vermag keine Asylrelevanz aufzuzeigen.

Der BF vermag keine persönliche Drohung glaubhaft zu machen, sondern basiert dieser Fluchtgrund auf Hören Sagen. Zudem ist auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes. Zl. W110 1412124-2/10E bezüglich des Bruders zu verweisen, dem ebenfalls die Asylrelevanz mangels Glaubwürdigkeit abgesprochen wurde. Der BF vermochte keine weitergehenden Fakten vorzubringen oder zu belegen, die diese Entscheidung widerlegen würden und auf eine persönliche Verfolgung des BF aufgrund von Blutfehde hinweisen würden.

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Zusammenfassend ist zum Vorbringen des BF auszuführen, dass das erkennende Gericht zur Überzeugung gelangte, dass in den Angaben des BF glaubwürdige Anknüpfungspunkte oder Hinweise für eine individuelle Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht erkennbar waren.

Das BVwG gewann vielmehr den Eindruck, dass der BF primär aus wirtschaftlichen bzw. privaten Gründen nach Österreich reiste.

Unter Heranziehung dieses Sachverhaltes und der offensichtlich missbräuchlichen Asylantragstellung im Zusammenhang mit der allgemein gehaltenen, widersprüchlichen und teilweise nicht nachvollziehbaren Begründung des Antrages auf internationalen Schutz ist daher davon auszugehen, dass das Vorbringen des BF nicht den Tatsachen entspricht und lediglich zur Begründung des Asylantrages und unter Umgehung der fremdenrechtlichen sowie niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zur Erreichung - wenn nicht sogar zur absichtlichen Erschleichung - eines Aufenthaltstitels für Österreich nach dem Asylgesetz frei konstruiert wurde.

Dazu ist grundsätzlich in diesem Zusammenhang auszuführen, dass etwaige wirtschaftliche oder private Schwierigkeiten objektiv nicht dazu geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zu begründen. Der bloße Wunsch in Österreich ein besseres Leben aufgrund eines erhofften leichteren Zugangs zum Arbeitsmarkt zu haben, vermag die Gewährung von Asyl jedenfalls nicht zu rechtfertigen.

Zur drohenden Verfolgung des BF bei einer Rückkehr ist anzuführen, dass der BF keine in seiner Person Umstände glaubhaft machen konnte, die ihn einer Verfolgung aussetzen würden. Aus dem oben angeführten geht hervor, dass bereits die Hauptverfolgungsgründe nicht glaubhaft sind.

Soweit eine drohende Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Hazara in der Beschwerde allgemein geltend gemacht wurde, wird auf die rechtliche Ausführungen verwiesen.

Zur persönlichen Situation des BF in Österreich:

Die Feststellungen, dass der BF einen Deutschkurs besucht, ergeben sich aus seinen eigenen Angaben vor dem BVwG anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 14.11.2017 und den im Verfahren vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen, dass der BF weder ehrenamtlich noch in einem Verein tätig ist, ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Der BF lebt weder bei seinem Bruder noch bei seinem Onkel. Ein nennenswertes Familienleben besteht nicht. Der BF gab zwar vor dem Bundesverwaltungsgericht an, er sie froh seinen Bruder wiedergefunden zu haben, brachte aber weiter vor, er habe die letzten Jahre mit fremden Menschen gelebt und niemanden in Afghanistan, daher sei es ihm lieber es sei ihm lieber, mit seinem Bruder zu leben. Dass Anstrengungen unternommen wurden ein dauerhaftes Zusammenleben, wie z.B ein gemeinsamer Wohnsitz, anzustreben, wurde weder vorgebracht, noch ist dies aus dem Akt ersichtlich.

Sonstige intensive Beziehungen wurden von BF nicht vorgebracht.

Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Rückkehr des BF nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen, denen der BF nicht entgegengetreten ist.

Die Heimatprovinz XXXX des BF gehört zu den volatilen Provinzen in Afghanistan. Eine Anreise in die Heimatregion würde gleichsam mit hoher Wahrscheinlichkeit ein verstärktes Risiko für die Unversehrtheit des BF mit sich bringen. Somit kann eine Rückkehr in die Heimatregion derzeit nicht zugemutet werden.

Es ist aber davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sich zumindest vorübergehend in Kabul aufhalten könnte, ohne dort in eine existenzielle Notlage zu geraten. Dazu trägt insbesondere auch bei, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan geboren und aufgewachsen ist und er mit der Landessprache Dari und des afghanischen Traditionen vertraut ist. In diesem Zusammenhang ist auch der Aufenthalt im Ausland nur von untergeordneter Relevanz, weil er nicht dazu geführt hat, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat als "fremd" angesehen werden könnte.

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Entgegen den Ausführungen des BF in seinen Stellungnahmen ist es ihm möglich, nach Kabul zurückzukehren. Er verfügt zwar über kein soziales und familiäres Netzwerk in Kabul, jedoch ist der BF jung, tüchtig, gesund und arbeitsfähig. Er hat in Afghanistan 6 Jahre lang die Schule besucht. Er beherrscht Dari in Wort und Schrift. Er hat in Afghanistan bereits in der Landwirtschaft gearbeitet und damit Berufserfahrung gesammelt.

Kabul ist zudem eine Millionenstadt, deren Einwohner aus allen Teilen Afghanistans kommen. Dort gibt es unter anderem auch Communities von Hazara, daher ist davon auszugehen, dass er als Hazara in Kabul kein Fremder ist.

Die Sicherheitslage in der Stadt Kabul ist nach den zitierten Länderberichten zwar durch diverse Terroranschläge angespannt, es gibt jedoch in Kabul Stadtviertel, in denen es Zivilisten möglich ist, weitestgehend sicher zu leben. Zudem muss dem BF entgegen gehalten werden, dass er trotz seiner zahlreichen Stellungnahmen und Ausführungen nicht mit hinreichender Klarheit dargestellt hat, warum ausgerecht er aufgrund seiner persönlichen Situation in der Relation zu den anderen dort lebenden Menschen in einem dieser Stadteile von Kabul nicht sicher leben könne. Die vom BF behauptete und nicht glaubhaft vorgebrachte Bedrohung durch die Taliban vermag daran nichts zu ändern. Jedoch gibt in der Großstadt Kabul - auch ohne familiäre Unterstützung - die Möglichkeit, mit etwas Mühe sich mit Gelegenheitsarbeiten seinen eigenen Lebensunterhalt zu sichern. Dies deckt sich auch mit den Länderfeststellungen zur Lage der Rückkehrer in Kabul. Im Falle seiner Rückreise kann der BF zudem - wie die belangte Behörde richtig anführt - als Überbrückung Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen, die es ihm ermöglichen wird, sich eine einfache Unterkunft zu suchen. Obwohl der BF in Kabul über kein soziales Netz verfügt, wird es ihm nach den Länderberichten mit der genannten Rückkehrhilfe möglich sein, eine Wohnung zu finden, zumal in Kabul sowie im Umland und auch in anderen Städten eine große Anzahl von Häusern und Wohnungen zur Verfügung stehen. Zudem können Rückkehrer bis zu zwei Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (vgl. LIB Afghanistan, Stand 25.09.2017, S 196).

Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht ersichtlich, dass der BF bei Rückkehr nach Afghanistan, genauer nach Kabul, in seiner Existenz bedroht wäre. Aufgrund des familiären Netzes in Österreich, das ihn auch in Afghanistan unterstützen kann, und seiner Kenntnisse und Fähigkeiten sind die Lebensgrundlage und die Existenz des BF bei Rückkehr bei Inanspruchnahme der angebotenen Rückkehrhilfe auch ohne soziales Netz ausreichend gesichert.

Der BF ist nach seinen eigenen glaubhaften Angaben gesund. Ausgehend von diesen Ermittlungsergebnissen wird keine Feststellung getroffen, dass der BF auch im Falle seiner Rückkehr aufgrund seines Gesundheitszustandes in einen unmittelbaren lebensbedrohlichen Zustand geraten wird bzw. dass keine Gründe gesundheitlicher Natur einer Rückführung des BF in seinen Heimatstaat entgegenstehen. Derartiges hat der BF auch selbst nicht behauptet.

Die Feststellung, dass der BF sicher mit dem Flugzeug nach Kabul reisen kann beruht auf den Länderfeststellungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutzes laut Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:

Die maßgeblichen Bestimmungen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) lauten wie folgt:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

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Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkrieges hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, 94/18/0263; VwGH 01.02.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Die belangte Behörde begründete die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass der BF keine Verfolgung seiner Person oder eine wohlbegründete Furcht vor einer Verfolgung im Sinne der GFK vorgebracht hat. Es konnte daher in diesem Fall schon aus diesem Grund nicht zur Gewährung

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internationalen Schutzes kommen. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde aus folgenden Gründen im Recht:

Der BF führte in seinem Verfahren selbst aus, dass er Afghanistan verlassen hat, weil er dort entführt worden wäre und er von unbekannten Personen wegen angeblicher Grundstücksstreitigkeiten von Blutrache bedroht wäre.

Für eine (realistisch) drohende Verfolgung des BF aus politischen, religiösen oder ethnischen Motiven findet sich im gesamten Verfahren kein substantieller Anhaltspunkt. Es ist dem BF daher nicht gelungen, eine konkrete und gezielte gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention gennannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan und des vom BF vorgebrachten Grundes des Verlassens seines Heimatstaates, dass er angeblich von den Taliban entführt worden sei, kann daher nicht festgestellt werden, dass dem BF insofern im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht. Die von ihm behauptete Entführung durch Taliban gezielt aufgrund seiner Person ist, wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargestellt, nicht glaubhaft.

Auch bei Wahrheitsunterstellung des Vorbringens des BF ist zu berücksichtigen, dass die geltend gemachte Furcht im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht asylrelevant ist, weil ein kausaler Zusammenhang zwischen der behaupteten Entführung, sei es durch die Taliban oder durch eine kriminelle Vereinigung, und damit der Verfolgung und einem der in der GFK taxativ aufgezählten Gründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung) im gegenständlichen Verfahren nicht ersichtlich geworden ist. Der BF selbst brachte vor, dass die angebliche Entführung im Zusammenhang mit der Suche der Taliban nach Personen, die mit der Regierung oder den Amerikaner zusammenarbeiten erfolgte. Die Entführung des BF hat ihren Grund nicht in seiner Abstammung von gerade einer bestimmten Familie oder seiner Volkszugehörigkeit zu den Hazara, was damit keinem der angeführten Konventionsgründe zuzuordnen ist. (Vgl. VwGH 24.02.2004, Zl. 2002/01/0085, VwGH 13.11.2001, Zl. 200/01/0098, u.a.).

Die vom BF behauptete Bedrohung könnte mangels Anknüpfung an einen Konventionsgrund daher selbst in dem Fall, dass diese Angaben wahr wären, nicht zur Zuerkennung des Asylstatus führen, wie dies die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden bereits richtig erkannt hat. Ebenso lassen sich aus den Angaben der BF keine Hinweise darauf entnehmen, dass der Heimatstaat der BF aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründe nicht bereit gewesen wäre, den BF bei der angeblich drohenden, jedoch keinem Konventionsgrund entsprechenden Verfolgung durch eine kriminelle Gruppierung, Schutz zu gewähren. Insbesondere lassen sich aus den Angaben des BF keine Hinweise darauf entnehmen, dass der Heimatstaat des BF aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründe nicht bereit gewesen wäre, dem BF bei der angeblich drohenden, jedoch keinem Konventionsgrund entsprechenden Verfolgung durch eine kriminelle Gruppierung, Schutz zu gewähren. Vielmehr gibt der BF ja selbst an, sich nicht an die Polizei gewandt zu haben.

Es bestehen keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten habe.

Der Beschwerdeführer gab zwar an, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre und schiitischen Bekenntnisses sei, doch ist zwar eine in Afghanistan immer wieder bestehende Diskriminierung der schiitischen Hazara gegeben, die jedoch nicht ein Ausmaß erreicht, dass davon ausgegangen werden könnte, dass bereits jeder der dort lebenden schiitischen Hazara mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu fürchten hätte.

So ist auf die Feststellungen zum bisherigen Erfolg der Hazara, ihre Siedlungsgebiete militärisch gegen die Taliban zu behaupten, zu verweisen. Zudem ergibt sich aus den Feststellungen, dass die Hazara nach dem Sturz der Taliban, zu dem sie im Rahmen der Hezb-e Wahdat als Teil der Nordallianz einen nicht unbedeutenden militärischen Beitrag leisteten, im politischen Machtgefüge und im Militär zu den tragenden Säulen des afghanischen Staates zählen. So haben die Hazara im afghanischen Staat einen stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen stellvertretenden Minister im Staatssicherheits- Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der stellvertretende Armee-Chef ist derzeit ein Angehöriger der Hazara, welcher weitgehende Befehlsbefugnisse hat und derzeit in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan oder Helmand die Operationen gegen die Taliban befehligt. Auch sind ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten Hazara bzw. Schiiten. Hazara stellen auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in ihren Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in XXXX und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie XXXX, Malistan, Jaghatu, Nawur und Teile von XXXX in XXXX werden von den

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Kommandanten der Hezb-e Wahdat behördlich verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazara, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Angesichts dieser umfangreichen Verankerung der Hazara in den politischen und militärischen Machtstrukturen des Staates und der Effektivität der Hazara ihre Siedlungsgebiete militärisch gegen regierungsfeindliche Gruppierungen zu behaupten, kann eine Gruppenverfolgung, die sich gegen die Hazara richten würde, jedenfalls in Siedlungsgebieten der Hazara, trotz woanders noch bestehender gesellschaftlicher Diskriminierung, nicht angenommen werden. (vgl. zu alldem BVwG 02.05.2016, Zl. 2012211-1/32E)

Schwierige Lebensbedingungen vermögen aber keine konkrete Verfolgungsgefahr betreffend die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan aufzuzeigen. Dass aber bereits jeder Hazara, der in Afghanistan wohnt, es halten sich ca. 2,8 Millionen Hazara derzeit in Afghanistan auf, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von asylrelevanter Verfolgung bedroht wäre, ergibt sich aus den Feststellungen nicht.

Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, Zahl U 1500/11-6 u.v.a.).

Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, auf die Rechtsprechung des EGMR in jüngst ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMAK verstoßen würde, unter Bezugnahme auf die Urteile des EGMR jeweils vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande S. D. M. Nr. 8161-07; A. G. R. Nr. 13442-08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25-077/06; S. S., Nr. 39575/06; M. R. A. ua., Nr. 46856-07. (vgl. auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255, 13.09.2016, Ra 2016/01/0096).

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten durch das Bundesamt nicht zu beanstanden.

Entgegen dem Vorbringen des BF in seiner Beschwerde hat sich die belangte Behörde ausführlich und umfassend mit der individuellen Situation des BF auseinandergesetzt. Da der BF weder glaubhaft machen konnte noch auf Grund des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen ist, dass ihm eine asylrelevante Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, war der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG richtigerweise als unbegründet abzuweisen.

3. 2. Zur Abweisung der - zulässigen - Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. (subsidiärer Schutz) des angefochtenen Bescheides:

Die maßgeblichen Bestimmungen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) lauten wie folgt:

Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg. cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg. cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg. cit. zu verbinden.

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Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg. cit.) offen steht.

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann, und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur

Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/006).

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09; s. dazu zuletzt auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

Für den hier in Rede stehenden Herkunftsstaat Afghanistan hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst mehrfach auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. dazu VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, 18.03.2016, Ra 2015/01/0255, 13.09.2016, Ra 2016/01/0096, jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf die seit 2013 bestehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).

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In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren zum Herkunftsstaat Afghanistan ergangenen Rechtsprechung wiederholt und unter Bezugnahme auf die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgesprochen, dass es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61204/09; siehe dazu auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255).

Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht (vgl. hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).

Betreffend die auch im vorliegenden Fall in Rede stehende Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan führte der Verwaltungsgerichtshof - zu einem Sachverhalt, bei dem es an finanzieller Unterstützung durch die Familie mangelte - jüngst ausdrücklich aus, dass nicht von vornherein erkennbar sei, weshalb ein Fremder durch mangelnde tragfähige Beziehungen und mangelnde Ortskenntnisse in afghanischen Großstädten trotz Vertrautheit mit den kulturellen Gegebenheiten und der Sprache in eine Situation ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens komme (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; in diesem Sinne auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).

Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer aus der Provinz XXXX stammt, welche eine der Provinzen mit besonders schlechter Sicherheitslage in Afghanistan ist. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohen würde.

Der Beschwerdeführer kann nach jedoch zufolge den Feststellungen des angefochtenen Bescheids - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den oben angeführten Länderberichten zu Kabul in Zusammenschau mit den persönlichen Lebensumständen des Beschwerdeführers aus folgenden Gründen in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans, konkret in die Hauptstadt Kabul, verwiesen werden:

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte.

Hinsichtlich der in Stadt Kabul bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die Versorgung der afghanischen Bevölkerung ist jedoch zumindest grundlegend gesichert.

Laut den oben auszugsweise wiedergegebenen Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt

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werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann im erwerbsfähigen Alter mit sechsjähriger Schulbildung und Berufserfahrung in der Landwirtschaft, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer hat sein gesamtes Lebens in Afghanistan verbracht, wodurch er auch mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und der Sprache vertraut ist. Zudem gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer von seinem Bruder und Onkel bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanzielle Unterstützung auch aus Österreich erhalten kann. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine räumliche Trennung die Familie des Beschwerdeführers außer Stande setzen sollte, diesen finanziell zu unterstützen. Mit dieser Unterstützung ist dem Beschwerdeführer der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul möglich. Allerdings ist es dem Beschwerdeführer unabhängig davon auch zumutbar, durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zu erwerben, wie ihm dies auch während seines Aufenthalts in Afghanistan möglich war. Außerdem kann der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden; deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er dort mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei ihm seine Berufserfahrung seine gute Schulbildung zu Gute kommt. Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw. existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Kabul in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2

EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in der Stadt Kabul möglich und auch zumutbar ist. Der Beschwerdeführer nicht gegenüber der Behörde detailliert und konkret dargelegt, dass exzeptionellen Umstände vorliegen, die ein reales Risiko einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten; auch die Stellungnahme vom 08.11.2017 hat es nicht unternommen, ein derartiger Vorbringen zu erstatten, sondern - zusammengefasst - lediglich ausgeführt, "mangels individuell begünstigender Umstände und in Anbetracht der gegenwärtigen Lage hinsichtlich einer alternativen Ansiedelung in der Hauptstadt Kabul, es anzunehmen sei, dass der BF ohne eine Rückendeckung durch ein familiäres oder soziales Netzwerk in eine unzumutbare Notlage kommen würde".

3.3. Zur Abweisung der - zulässigen - Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. (Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen) des angefochtenen Bescheides:

Die maßgeblichen Bestimmungen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Erlassung der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) lauten wie folgt:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise folgendermaßen:

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

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§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungs-gesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen.

[...]

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) - (4) [...]

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

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(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) - (13) [...]"

Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten wie folgt:

Abschiebung

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) - (6) [...]

[...]

Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

[...]

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

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(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) - (8) [...]

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(10) - (11) [...]

[...]

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) - (5) [...] § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

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1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) - (6) [...]

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 leg. cit. von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Gemäß § 58 Abs. 2 leg. cit. ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 leg. cit. nur von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist und der BF auch nicht Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 leg. cit. behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

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Ob eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

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- die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

- die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

- den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

- die Bindungen zum Heimatstaat,

- die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

- auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567;

21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99;

23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).

In Ergänzung dazu verleiht weder die EMRK noch ihre Protokolle das Recht auf politisches Asyl (EGMR 30.10.1991, Vilvarajah ua., Zl. 13163/87 ua.; 17.12.1996, Ahmed, Zl. 25964/94; 28.02.2008 [GK] Saadi, Zl. 37201/06).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

Die Ausweisung eines Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben

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dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen beeinträchtigt das Recht auf Privatsphäre eines Asylantragstellers dann in einem Maße, der sie als Eingriff erscheinen lässt, wenn über jemanden eine Ausweisung verhängt werden soll, der lange in einem Land lebt, eine Berufsausbildung absolviert, arbeitet und soziale Bindungen eingeht, ein Privatleben begründet, welches das Recht umfasst, Beziehungen zu anderen Menschen einschließlich solcher beruflicher und geschäftlicher Art zu begründen (Wiederin in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 52 zu Art 8 EMRK).

Nach der jüngsten Rechtsprechung des EGMR (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi

v. the United Kingdom, 21878/06 bzgl. einer ugandischen Staatsangehörigen die 1998 einen Asylantrag im Vereinigten Königreich stellte) ist im Hinblick auf die Frage eines Eingriffes in das Privatleben maßgeblich zwischen niedergelassenen Zuwanderern, denen zumindest einmal ein Aufenthaltstitel erteilt wurde und Personen, die lediglich einen Asylantrag gestellt haben und deren Aufenthalt somit bis zur Entscheidung im Asylverfahren unsicher ist, zu unterscheiden (im Falle der Beschwerdeführerin Nnyanzi wurde die Abschiebung nicht als ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Privatleben angesehen, da von einem grundsätzlichen Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer effektiven Zuwanderungskontrolle ausgegangen wurde).

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) auch in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Bei der vorzunehmenden Interessensabwägung ist zwar nicht ausschlaggebend, ob der Aufenthalt des Fremden zumindest vorübergehend rechtmäßig war (EGMR 16.09.2004, Ghiban / BRD; 07.10.2004, Dragan / BRD; 16.06.2005, Sisojeva u.a. / LV), bei der Abwägung jedoch in Betracht zu ziehen (vgl. VfGH 17.03.2005, G 78/04; EGMR 08.04.2008, Nnyazi / GB). Eine langjährige Integration ist zu relativieren, wenn der Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten, insbesondere etwa die Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169), zurückzuführen ist (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168). Darüber hinaus sind auch noch Faktoren wie etwa Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, sowie der Grad der Integration welcher sich durch Intensität der Bindungen zu Verwandten und Freunden, Selbsterhaltungsfähigkeit, Schulausbildung bzw. Berufsausbildung, Teilnahme am sozialen Leben, Beschäftigung manifestiert, aber auch die Bindungen zum Herkunftsstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (VfGH 29.09.2007, B1150/07 unter Hinweis und Zitierung der EGMR-Judikatur).

Gemäß der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 07.10.2010, B 950/10 sind betreffend der Frage der Integration einer Familie in Österreich insbesondere die Aufenthaltsdauer der Familie in Österreich, ein mehrjährigen Schulbesuch von minderjährigen Kindern, gute Deutschkenntnisse und eine sehr gute gesellschaftliche Integration der gesamten Familie zu berücksichtigen.

Es ist weiters als wesentliches Merkmal zu berücksichtigen, wenn - anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte (vgl. zB VfGH 12.6.2010, U614/10) - die Integration der Beschwerdeführer während eines einzigen Asylverfahrens (dessen Dauer im durch den Verfassungsgerichtshof entschiedenen Fall sieben Jahre betrug), welches nicht durch eine schuldhafte Verzögerung durch den Beschwerdeführer und seine Familie geprägt war, erfolgte.

Bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zur Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes ist immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls im Detail abzustellen. Eine Ausweisung hat daher immer dann zu unterbleiben, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

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Übertragbarkeit der Judikatur

Es gibt aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinen Grund zu der Annahme, dass oben zitierte Judikatur nicht auf § 9 BFA-VG übertragbar wäre, zumal sich die Beurteilungskriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG betreffend das Vorliegen eines Eingriffes in das Privat- und Familienleben mit denjenigen des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 aF decken.

Der Beschwerdeführer führte aus, dass ein Bruder und ein Onkel in Österreich leben. Zu seinem Bruder und seinem Onkel hat der BF in Österreich wieder Kontakt, nachdem er seit seinem achten Lebensjahr in Afghanistan zu diesen keinen hatte. Bei seinem Bruder habe er in den Sommerferien gewohnt, zu seinem Onkel machte der BF keine Angaben. Der BF sagte aus, dass er in Afghanistan niemanden habe und er lange bei Fremden gelebt habe, da sei es ihm lieber bei seinem Bruder zu sein. Versuche, einen gemeinsamen Haushalt zu begründen, sind nicht ersichtlich.

In Anbetracht dieses Vorbringens kann von einer besonderen Beziehungsintensität zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Bruder sowie seinem Onkel nicht ausgegangen werden. Es wurde kein spezielles Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis des Beschwerdeführers zu seinem Bruder oder seinem Onkel vorgebracht, welches eine - im Lichte der Rechtsprechung des EGMR - ausreichende Beziehungsintensität begründen würde und im konkreten Einzelfall auch höher zu bewerten wäre, als die entgegenstehenden öffentlichen Interessen.

Daher ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben des BF eingreifen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60.654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwH).

Der BF hält sich im vorliegenden Fall erst seit seiner Antragstellung im September 2015 und somit nicht einmal zweieinhalb Jahren im Bundesgebiet auf, wo er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren verfügt hat. Der BF ist illegal nach Österreich eingereist und stellte in weiterer Folge seinen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwies. Er hat in Österreich bisher keine auffälligen Integrationsbestrebungen an den Tag gelegt. Er besuchte bisher einen Deutschkurs und die Schule, ist nicht in einem Verein oder ehrenamtlich tätig. Die Dauer des Verfahrens überstieg zudem nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg. 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Butt gegen Norwegen, Appl. 47.017/09, 85 f.).

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der

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aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen vermag (z.B. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Das Interesse des BF an der Aufrechterhaltung privater Kontakte in Österreich ist noch zusätzlich dadurch geschwächt, dass er sich bei seinem Aufenthalt im Bundesgebiet stets seines unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus bewusst sein musste: Er durfte sich hier bisher nur auf Grund seines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der als unbegründet abzuweisen war (vgl. zB VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; vgl. auch EGMR 08.04.2008, Appl. 21.878/06, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß auf Grund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat; in diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg. 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

Schließlich ist festzuhalten, dass es dem BF bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG auch nicht verwehrt ist, wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (so auch VfSlg. 19.086/2010 unter Hinweis auf Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007, 861).

Den privaten Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrages verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall nach den oben dargelegten Erwägungen jedenfalls schwerer als die Interessen des BF am Verbleib in Österreich.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung iSd § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Rechts des BF auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher nicht geboten.

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg. cit. zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 leg. cit. von Amts wegen zu erteilen.

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und dem BF kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Zusammenhang gegeben.

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung gemäß § 46 leg. cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. oder 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Dies entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der vorliegenden Entscheidung verneint.

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Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

Da somit alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

4. Zur Abweisung der - zulässigen - Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides (Frist zur freiwilligen Ausreise:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 leg. cit. zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gemäß § 55 Abs. 2 leg. cit. beträgt diese Frist 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, wenn nicht im Rahmen einer (vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden) Abwägung festgestellt worden ist, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Gemäß § 55 Abs. 3 leg. cit. kann, wenn besondere Umstände überwiegen, die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als den 14 Tagen festgesetzt werden; die besonderen Umstände hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen, zugleich hat er einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

Da derartige besondere Umstände vom BF nicht behauptet und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ist daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2018:W156.2170206.1.00