Geophysische und klimatische Risiken: Geschichtliche Perspektive Spielten unterschiedliche geophysisch-klimatische Gefahrenniveaus eine Rolle für die unterschiedliche ökonomische Entwicklung in Asien und Europa? 11. Dezember 2006 Didier Anthamatten Reto Graf Cengiz Temel
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Geophysische und klimatische Risiken: Geschichtliche Perspektive Spielten unterschiedliche geophysisch-klimatische Gefahrenniveaus eine Rolle für die unterschiedliche.
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Geophysische und klimatische Risiken: Geschichtliche Perspektive
Spielten unterschiedliche geophysisch-klimatische Gefahrenniveaus eine Rolle für die unterschiedliche ökonomische Entwicklung in Asien und Europa?
„Kurz gesagt, Europa scheint Umweltvorteile gehabt zu haben, und wenn diese auch nicht spezifische Reaktionen oder überhaupt Reaktionen garantierten, so mag doch ihr Fehlen in Asien eine Entwicklung dort erschwert haben.“
„Europa überrundete Asien und die übrige Welt allmählich mit der Vielfalt seiner Massnahmen gegen Katastrophenvermeidung oder -bekämpfung.“
Jones, E.L., (1987). „Das Wunder von Europa: Umwelt, Wirtschaft und Geopolitik in der Geschichte Europas und Asiens“
Indikator für unterschiedliche objektive Gefahrenniveaus:
keine signifikanten Bevölkerungsschwankungen auf Grund von geophysischen und klimatischen Katastrophen sichtbar
Bevölkerungsentwicklung in China und Europa (in Mio.)
Quelle: Sieferle, R.P. (2006): Skript „Risiko und Geschichte“, Wintersemester 06/07
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Strategieentwicklung
Jones geht davon aus, dass unterschiedliche Gefahrenniveaus in Asien und Europa zu unterschiedlichen Strategieentwicklungen geführt haben, die schliesslich die unterschiedliche ökonomische Entwicklung erklären.
grosse Mengen von Nachwuchs wenig Investition in einzelnes Exemplar
ein einziger Nachkomme genügt, dass die Gene, die diese Strategie steuern auch in der Zukunftspopulation repräsentiert sind
Patrilineare Grossfamilien bzw. Sippenverbände
Koppelung von Ressourcenverfügung und Familiengrösse ist relativ locker Porftolio-Strategie zur Ruinvermeidung stabile Erwartungen (sehr verlässliche Beziehungen in der Grossfamilie) innerhalb einer stark fluktuierenden Umwelt
Verlust der Autonomie (Versicherungsprämie) malthusianische Krisen Übergang zur Industrialisierung, Individualisierung, Initiative, Rechtsstaat und Markwirtschaft erschwert
K – Strategie
(Europa)
wenig Nachkommen relativ grosse Investitionen (Zeit/Ressourcen) in Humankapital
Kognatische Kern- oder Kleinfamilie
Unabhängigkeit Individualisierung Leistungsprinzip Förderung des Kapitalismus Dualität von Privatsphäre und Öffentlichkeit Nutzen von Personalverband sinkt
gegen Knappheitssituationen sehr sensibel
Nach Jones haben sich aufgrund der unterschiedlichen Gefahrenniveaus in Europa und Asien unterschiedliche demographische Strategien entwickelt
Unterschiedliche Fertilitätsverhalten
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Kritische Würdigung
Grössere Landflächen
zur Ernährung
Grosse Flächen bei
Katastrophen betroffen
Mehr Arbeit zur Reparatur
und Bewirtschaftung benötigt
Grosse Familien
Infantizid in China führt zu Verschiebung der Geschlechterzusammensetzung Minderung der Fertilitätsrate (Annäherung an K-Strategie)
Probleme der r-Strategie nach Pryor
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Landwirtschaftliche Strategie
Europa:
• Regenlandwirtschaft- Geringe Eingriffe in die Agrarlandwirtschaft Felder und
Weiden gegenüber äusseren Schocks sehr elastisch
- Kein grossen Versicherungsprämien
Asien:
• Bewässerungslandwirtschaft - Grosse Flächen werden überflutet und zum Teil über Jahre
unbrauchbar
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Kritische Würdigung I/IV
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Kritische Würdigung II/IV
Fehlende Betrachtung von weiteren Faktoren wie Topographie und evolutionären Prozessen!
Himalaja als Regenfänger
Erosion
Mehr Geschiebe in Flüssen
Veränderung von Flussläufen/höhere Flussläufe
Überschwemmungen
Wasser aus Gebirge und Fluss mit hohem Salz- und Mineralgehalt
Bewässerungslandwirtschaft mit Flusswasser
Unfruchtbare Böden
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Kritische Würdigung III/IV
Jones: Grössere Klimaschwankungen in Asien führten häufiger zu Klimaextremen
Pryor: keine signifikanten Unterschiede von extremen Regenfällen in Europa und Asien
Ratio von extremen Regenmengen:
• Asien: 0.447• Europa: 0.473
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Kritische Würdigung IV/IV
Wahl der Landwirtschatsnutzung suboptimal in Asien?• Bsp: Wasser mit hohem Salzgehalt macht landwirtschaftliche
Flächen unfruchtbar
Wahl des Katastrophenniveaus• Z.B. lieber alle 200 Jahre grosse Überschwemmung (Stabilisation)
oder alle 10 Jahre kleine Überschwemmung?
• Versicherungsprämie in Asien höher
Aber es gibt die Möglichkeit des Infrastrukturbaus und daraus entstehende evolutionäre Entwicklungen
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Kapitalakkumulation
Europa:• Von seinen Umweltbedingungen her, besseren Schutz für
Kapitalgüter als Arbeitskräfte
• klimatische und geophysische Katastrophen weniger
• biologischen und sozialen Katastrophen viel eher betroffen, was aber meistens nur Menschleben kostete und kein Kapital zerstörte (ausser bei Kriegen) Neutronenbomben-Effekt
Asien:• Höheres Ausmass von Katastrophenschäden
• Arbeit und Kapital eher in gleichem Ausmass vernichtet
• Keine qualitative Verbesserung der Kapitalausstattung
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Kritische Würdigung
Landwirtschat
• Bewässerungsanlagen mussten wieder aufgebaut werden
Zeitlicher Vorteil für Europa technologischer Fortschritt
Beispiel der Viehzucht
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Schlussfolgerung
Naturfaktoren (Erdbeben, Klimaextreme) konnten nicht verringert werden, aber sie prämierten den Aufbau von Strategietrajektoren, die schliesslich ein rationaleres Risikokalkül gestatteten
Die Fluktuation der Bevölkerungsgrösse konnte nicht durch volatilere Umweltbedingungen als Indikator für unterschiedliche objektive Gefahrenniveaus erklärt werden
Geophysisch-klimatische Gefahrenniveaus spielten keine signifikante Rolle für die unterschiedliche ökonomische Entwicklung in Asien und Europa