Beilage von Thomas Lenz zu geographie heute 257 geograohie 'heute Bildungsstandards Bildungs-/Lehrpläne Kompetenzen Lernziele Ein Wegweiser durch das Begriffsdickicht der aktuellen Bildungsdiskussion Thomas Lenz
Beilage von Thomas Lenz zu geographie heute 257
geograohie'heute
Bildungsstandards
Bildungs-/Lehrpläne
Kompetenzen
Lernziele
Ein Wegweiser durch das Begriffsdickicht
der aktuellen Bildungsdiskussion
Thomas Lenz
Bildungsstandards - Bildungs-/Lehrpläne - Kompetenzen - Lernziele
Beilage zu geographie heute 257
Autor: Thomas Lenz
Redaktion: Margret Liefner-Thiem
Gestaltung: Katharina Haupt, Friedrich Medien-Gestaltung
Zeichnungen: Judith Mörschbach, Friedrich Medien-Gestaltung
Druck: Wittmann & Wäsch, Hannover
Impressum
Erhard Friedrich Verlag GmbH 11m Brande 17 I 30926 Seelze I www.friedrichonline.de
Thomas Lenz
Bildungsstandards - Bildungs-/Lehrpläne Kompetenzen - LernzieleEin Wegweiser durch das Begriffsdickicht
Bildungsstandards, Kompetenzen, Output-Orientierung - diese Begriffe kennzeich
nen die aktuelle Bildungsdiskussion. Wie aber steht es um vorhandene Bildungs
bzw. Lehrpläne und wie verhalten sich die Bildungsstandards zu ihnen? Wie passen
die Kompetenzbereiche der Bildungsstandards zu den LernteIdern eines erweiterten
Lernbegriffs? Und überhaupt: Was ist der Unterschied zwischen Kompetenzen und
Lernzielen? Der Beitrag schlägt eine Schneise durch das Begriffsdickicht und gibt
konkrete Hinweise zum täglichen Umgang mit den Konzepten.
Zum Unterschied von Bildungsstandardsund Bildungs- bzw. Lehrplänen
Als Folge der internationalen Vergleichsstudien und des ersten PISA-Schocks im Jahr
2000/2001 legte die Kultusministerkonferenz (KMK) den Schwerpunkt auf die Entwicklung
und Einführung von nationalen Bildungsstandards und erarbeitete ein entsprechendes
Rahmenkonzept (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister 2005). "Bil
dungsstandards legen Kompetenzen fest, die Schülerinnen und Schüler am Ende eines
bestimmten Ausbildungsabschnitts besitzen sollen" (DGfG 2007, S. 1). Sie richten ihr Au
genmerk demnach auf die Ergebnisse von längerfristig aufgebauten Lehr- und Lernpro
zessen und betrachten insbesondere die Output-Seite. Die in den Bildungsstandards im
Fach Geographie formulierten Kompetenzen und Standards (5. Kasten 1, S. 2), die das
Ergebnis eines langen und intensiven Diskussionsprozesses sind, beschreiben anzustre
bende Lernergebnisse bis zum Erwerb des Mittleren Schulabschlusses (vgl. DGfG 2007,
S. 8). Sie stellen damit quasi eine Verpflichtung auf eine einheitlichere Ausrichtung des
Fachs Geographie in den verschiedenen Bundesländern dar.
Bildungsstandards sind wichtige Instrumente der Bildungsplanung, indem sie eine ver
bindliche Ausgangsbasis für die Erstellung von Bildungs- bzw. Lehrplänen darstellen. Im
Kompetenzbegriff der Bildungsstandards werden die Zielebenen im Hinblick auf die Output
Steuerung modelliert und die Kompetenzen beziehen sich daher konsequenterweise nicht
auf konkrete Inhalte. Heutige Bildungspläne übernehmen nicht selten dieses Konzept und
formulieren daher nur Standards, die sich an formal gefassten Kompetenzen und der Out-
Beilage zu geographie heute 257
Die Bildungsstandards im Fach Geographie für den Mittleren Schulabschluss (DGfG
2007, im Internet unter: http://www1.ku-eichstaett.de/hp ~ Dokumente ~ Bildungs
standards) stellen einen Meilenstein in der bildungspolitischen Entwicklung des Fachs
Geographie dar. Sie berücksichtigen neben der so genannten Klime-Expertise (BMBF
2003) auch die vorhandenen geographischen Dokumente (Internationale Charta, Cur
riculum 2000+, Grundlehrplan Geographie). Da das Fach Geographie ein Brücken
fach zwischen natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Denkweisen ist hat dies
Konsequenzen für seine Kompetenzstruktur. Ebenso wie die rein naturwissenschaft
lichen Fächer umfassen die Bildungsstandards die Kompetenzbereiche Fachwissen
(F), Erkenntnisgewinnung/Methoden (M), Kommunikation (K) und Beurteilung/Be
wertung (B). Parallel zu den Geisteswissenschaften weist die Geographie darüber
hinaus Handlung (H) als einen eigenen Kompetenzbereich aus, was sich mit dem
Leitziel der raumbezogenen Handlungskompetenz begründen lässt. Ein AlleinsteI
lungsmerkmal des Fachs Geographie bildet der Kompetenzbereich Räumliche Orien
tierung (0), der die Bedeutung der Orientierungsfähigkeit ausdrücklich hervorhebt
(vgl. DGfG 2007, S. 8). Für diese sechs Kompetenzbereiche wurden Regelstandards
- nicht Mindeststandards - formuliert, die von den Schülerinnen und Schülern mit
Erreichen des Mittleren Bildungsabschlusses zu erwerben sind. Detaillierte (Hinter
grund)informationen zu den Bildungsstandards sind erschienen in: Hemmer, I. und
M. Hemmer (2007): Nationale Bildungsstandards im Fach Geographie. In: geogra
phie heute, H. 255/256, S. 2-9.
Kompetenzbereiche des Fachs Geographie 1•. Kompetenzen und Inhalte in der Praxis unverbunden nebeneinander stehen,
•. dieses Feld nahezu gänzlich den Schulbüchern als heimlichem Lehrplan überlassen
wird, die dies auch in sehr unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlichen Anfor
derungen umsetzen .
•. eine Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Schulen, auch im Hinblick auf eine evtl.
Evaluation, nicht gegeben ist.
Lehrpläne werden also nicht von Bildungsstandards ersetzt (vgl. auch Sekretariat der Kul
tusministerkonferenz 2005, S. 17f.; Hemmer/Hemmer 2007, S. 6) und die begrüßenswerte
"Stärkung der Individualität der Schulen" (Czapek 2007, S. 10) darf nicht dazu führen, dass
jedes Kollegium seinen eigenen Lehrplan entwickeln muss. Vielmehr haben Lehrpläne
nach wie vor die wichtige Funktion, den Weg zur Erreichung von Standards und Kompetenzen zu beschreiben, inhaltlich zu strukturieren und zeitlich zu steuern. Sie müssen die
(Bildungs)Standards auf die einzelnen Schuljahre herunter brechen und verdeutlichen, mit
welchen Themen bzw. Inhalten, an hand welcher Raumbeispiele, mit welchen Methoden
usw. diese erreicht werden können (vgl. Abb. 1). Ergänzend zu den Bildungsstandards
müssen daher Fachlehrpläne erarbeitet werden, "die Lernziele und Lerninhalte systema
tisch und in ihrer zeitlichen Abfolge beschreiben" (DGfG 2007, S. 2) und damit stärker die
Input-Seite in den Blick nehmen.
Werden Lehrpläne auf ein unentbehrliches Minimum an zentralen, verbindlichen Inhalten,
Themen, Lehr- und Lernformen sowie erwarteten Kompetenzen ausgerichtet, spricht man
von einem Kerncurriculum (vgl. Ringel 2005, S. 25). Ohne Lehrpläne als solide und verläss-
Bildungsstandards-
Ende GS
optional:Bildungsstandards
Ende KI. 6
optional:Bildungsstandards
Ende KI. 8
Bildungsstandards-
Ende S I
Abb. 1: Elemente eines Bi/dungsplans
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6
Themen, Raumb
4
put-Seite ausrichten. Wenn sie auf dieser Stufe stehen bleiben, geben sie den Lehrerinnen
und Lehrern jedoch nicht mehr die notwendige Basis für ihren Unterricht. Ein Bildungsplan,
der in der Weiterführung der Bildungsstandards nur Kompetenzen und Standards auf der
Makroebene ausweist, verschiebt die Inhaltsproblematik auf die Mesoebene (Schule) und
die Mikroebene (Unterricht) (vgl. Strobel-Eisele/Wacker 2007). Die Handhabung solcher all
gemein gehaltener Bildungspläne wird für Kolleginnen und Kollegen erschwert, weil konkrete
Hinweise bzw. Beispiele fehlen, die Wege zum Erreichen der Kompetenzen und Standards
aufzeigen. Nimmt ein Bildungsplan diese Aufgaben nicht wahr, so besteht die Gefahr, dass
•. die Auswahl der Inhalte und Raumbeispiele mehr oder weniger zufällig erfolgt und eine
Fachsystematik damit nicht mehr gewährleistet ist,
•. durch eine subjektive Auswahl von Raumbeispielen der Aufbau eines Raumkontinuums
nicht sichergestellt ist,
2 Beilage zu geographie heute 257 Beilage zu geographie heute 257 3
liehe Basis mit fachinhaltlicher Konkretisierung könnte sich der wichtige Weg der "Kompe
tenzorientierung als operatives Lehr-Dilemma" (Strobel-Eisele/Wacker 2008) erweisen .
Zur Passung von Kompetenzbereichen und erweitertem Lernbegriff
Seit gut 10 Jahren hat der erweiterte Lernbegriff mit den vier Lernbereichen inhaltlich
fachliches Lernen (Fachkompetenz) , methodisch-strategisches Lernen (Methodenkom
petenz), sozial-kommunikatives Lernen und affektives Lernen (Sozialkompetenz und per
sonale Kompetenzen) Eingang in die Bildungsdiskussion gefunden (vgl. Klippert 2002,
S. 31; Lenz 2006, S. 225). Der erweiterte Lernbegriff hat wesentlich dazu beigetragen,neben der Fachlichkeit andere Lernfelder in das Blickfeld zu rücken. Die neu formulierten
Bildungsstandards erfordern es, die Passung der sechs Kompetenzbereiche und der vier
Lernbereiche zu prüfen.
Meyer (2007, S. 40) hat eine Veranschaulichung der Kompetenzbereiche der Bildungs
standards zur Diskussion gestellt, welche die unterschiedlichen Qualitäten der Kompe
tenzbereiche zum Ausdruck bringen soll. Die auf den ersten Blick scheinbar nahe liegende
Zuordnung der Kompetenzbereiche Fachwissen, Räumliche Orientierung und Erkenntnis
gewinnung/Methoden zum Lernfeld Fach- und Methodenkompetenz sowie der Kompetenz
bereiche Kommunikation und Beurteilung/Bewertung zum Lernfeld soziale und personale
Kompetenzen ist letztlich jedoch nicht stimmig. Dies wird einerseits schon in der Beschrei
bung der Kompetenzbereiche deutlich, wo es heißt: "Die Kompetenzbereiche sind nicht
überschneidungsfrei. Die angestrebte geographische Gesamtkompetenz ergibt sich ... nicht
aus der Addition, sondern aus der Verflechtung der einzelnen Kompetenzbereiche" (DGfG
2007, S. 9). Andererseits wird dies auch bei einer näheren Betrachtung der Teilkompetenzen
und/oder der Einzelstandards deutlich. Hierzu verschiedene erläuternde Beispiele:
•• Im Kompetenzbereich Räumliche Orientierung sind einige Teilkompetenzen eher kognitiv
ausgerichtet (01,02,05), andere dagegen eher methodisch (03, 04). Ganz allgemein
betrachtet handelt es sich bei der räumlichen Orientierung auch um eine zentrale per
sonale Kompetenz.
•• Im Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung/Methoden werden methodische Aspekte
nie isoliert, sondern i. d. R. immer im Zusammenhang mit und anhand von fachlichenInhalten betrachtet.
•• Der Kompetenzbereich Kommunikation zielt zweifelsohne sehr stark auf soziale (K2, S5
und S6), aber ebenso auf personale Kompetenzen. Da in der Kommunikation zugleich
die korrekte Verwendung der Fachsprache von Bedeutung ist, spielen auch kognitive
Anteile und damit die Fachkompetenz (K1, S2) eine entscheidende Rolle. Unter dem
Aspekt der Zuhörerorientierung sind letztlich auch methodische Vermittlungskompeten
zen wie Motivation und Anschaulichkeit (K1, S4) anzustreben.
•• Im Kompetenzbereich Beurteilung/Bewertung kann die personale Kompetenz nur im
Zusammenhang mit fachlicher und methodischer Kompetenz erreicht werden.
•• Auch wenn Handlungskompetenz letztlich ein Ausdruck von personaler Kompetenz ist,
so kann diese nicht ohne Fach- und Methodenkompetenz wahrgenommen werden und
hat zudem immer eine soziale Komponente.
Die Beispiele machen deutlich, dass eine Zuordnung der Kompetenzfelder der Bildungs
standards zu den Dimensionen des erweiterten Lernbegriffs diese Überschneidungen be
rücksichtigen muss. Abbildung 2 (S. 6) veranschaulicht die Interdependenzen und Über
schneidungen in grafischer Form, indem sie
•• den sechs Kompetenzbereichen der Bildungsstandards die verschiedenen, jeweils da
mit verbundenen Dimensionen des erweiterten Lernbegriffs zuordnet (ohne damit einen
Anspruch auf eine genaue quantitative Gewichtung erfüllen zu wollen);
•• deutlich macht, dass zur Verwirklichung der Leitziele des Geographieunterrichts, also der
"Einsicht in die Zusammenhänge zwischen natürlichen Gegebenheiten und gesellschaft
lichen Aktivitäten in verschiedenen Räumen der Erde und eine(r) darauf aufbauende(n)
raumbezogene(n) Handlungskompetenz" (DGfG 2007, S. 5) alle sechs Kompetenzbe
reiche beitragen.
Zur Bedeutung und Klassifikation von Lernzielen
Kompetenzen im Sinne der Output-Orientierung der Bildungsstandards sind Fähigkeiten
und Fertigkeiten, die Schülerinnen und Schüler am Ende eines zu definierenden Ausbil
dungsabschnitts beherrschen sollen. Sie beschreiben also ein in verschiedenen Kompe
tenzbereichen anzustrebendes Endverhalten zur Bewältigung bestimmter Anforderungssi
tuationen. In den Bildungsstandards Geographie werden die einzelnen Kompetenzen (F1
... H4) durch so genannte Regelstandards (S1 ...) konkretisiert. Da sich Kompetenzen auf
einen längeren Zeitraum beziehen, eignen sie sich i. d. R. jedoch nicht für die Zielformu
lierung in Einzelstunden.
Lernziele dagegen beschreiben Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen, die ein Schü
ler nach einem systematischen und zielgerichteten Lernvorgang, z. B. am Ende einer Un
terrichtsstunde, erworben haben soll (vgl. Böhn 1999, S. 96). Das Konzept der Lernziele
geht auf die Diskussion der 1970er Jahre zurück, als die dezidierte Formulierung von Zielen
ein wichtiges Instrumentarium zur Legitimation von Inhalten darstellte und deshalb auch
die Input-Orientierung betonte. In der Praxis werden verschiedene Klassifikationsschemata
unterschieden, wobei die Systematisierung von Lernzielen sowohl in horizontaler als auch
in vertikaler Weise (siehe nachfolgende Kapitel) erfolgen kann.
Die Gegenüberstellung der beiden Begriffe macht deutlich, dass sich Kompetenzen und
Lernziele nicht gegenseitig ausschließen, andererseits aber auch nicht synonym verwen-
4 Beilage zu geographie heute 257 Beilage zu geographie heute 257 5
Abb. 2: Zusammenhang zwischen den Leitzielen des Geographieunterrichts, den Kompetenz
bereichen der Bildungsstandards und den Dimensionen des erweiterten Lernbegriffs
Dimensionen des erweiterten Lern beg riffsLeitziele des
Geographieunterrichts
Kompetenzbereiche des
Faches
Geographiegemäß denBildungs-standards
Fachkompetenz
Methodenkompetenz
Soziale Kompetenz
Personale Kompetenz
•~
~l.\
det werden können. Vielmehr ist es notwendig, die in den Bildungsstandards formulierten
Standards und Kompetenzen auf den konkreten Unterricht herunter zu brechen (vgl. Ka
pitel 1) und für die einzelne Stunde bzw. die Unterrichtssequenz anhand von Lernzielenzu konkretisieren.
Klassifikation nach der Formalstruktur
Nach der klassischen Definition der 1970er und 1980er Jahre besteht ein Lernziel aus Ope
ratoren, die den Grad des angestrebten Verhaltens mit einem Inhalt verknüpfen (vgl. Böhn
1999, S. 96). "Die Operationalisierung von Lernzielen strebt die eindeutige und damit der
Überprüfung zugängliche Beschreibung zielgerichteter sinnvoller Handlungseinheiten des
Schülers für seinen Lernprozess im Unterricht an" (Rinschede 2003, S. 149). Operationa
lisierte Lernziele haben daher folgende Teile:
1. Nennung des Inhalts (Was soll gelernt werden?),
2. Beschreibung des Endverhaltens mit eindeutigen Begriffen (Operatoren),
3. Angabe von Bedingungen und Mitteln, derer sich der Schüler bedienen soll,
4. Aufstellen eines Beurteilungsmaßstabs/Bewertungsmaßstabs für die Qualität des Verhaltens.
Beispiel: Die Schüler sollen die Pendlerströme in Ballungsräumen anhand einer the
matischen Karte beschreiben und mindestens je zwei Ursachen sowie Auswirkungennennen können.
Diese strenge Lernzieloperationalisierung wird so heute nicht mehr durchgehalten und wur
de aus verschiedensten Gründen (vgl. Rinschede 2003, S. 150) kritisch betrachtet.
Klassifikation nach Lernbereichen
Bei der Klassifikation nach Lernbereichen (horizontale Klassifikation) unterscheidet man
üblicherweise kognitive, instrumentale, affektive, soziale und ggf. auch psychomotorische
Lernziele (vgl. Haubrich 2006, S. 18f.; Rinschede 2003, S. 145ff.):
~ kognitive Lernziele sind auf Wissen, Erkenntnisse und intellektuelle Fähigkeiten gerichtet
(z. B.... können Stadt-Umland-Beziehungen erklären),
~ instrumentale Fähigkeiten zielen auf die Bewältigung von Lernprozessen und betrachten
u. a. den Umgang mit geographischen Medien und die Beherrschung geographischer
Methoden (z. B.... können eine thematische Karte im Hinblick auf Pendlerströme de
codieren und versprachlichen) ,
~ affektive Lernziele beziehen sich neben der emotionalen Seite auch auf Einstellungen
und Werthaltungen (z. B.... können die Bedeutung des öffentlichen Personennahver
kehrs zur Reduzierung der Verkehrsbelastung in Ballungsräumen erkennen),
~ soziale Lernziele betrachten den sozialen Verhaltensbereich, d. h. die zwischenmensch
lichen Verhaltensweisen (z. B.... können in der Gruppe eine Stellungnahme zur Pend
lerproblematik erarbeiten und gemeinsam präsentieren).
6 Beilage zu geographie heute 257 Beilage zu geographie heute 257 7
Eine strikte Trennung der einzelnen Lernbereiche ist in der Praxis nicht immer einzuhalten, da
z. B. instrumentelle Lernziele immer an konkreten Fachinhalten (kognitiven Lernzielen) erlernt
werden, genauso wie sich kognitive und affektive Lernziele stets gegenseitig bedingen.Die weit verbreitete Bloomsche Lernzieltaxonomie aus dem Jahr 1972 unterscheidet für
den kognitiven Lernbereich Lernziele nach dem Grad der Komplexität. Dies sind z. B. dieDimensionen "kennen", "verstehen", "anwenden", "analysieren" und "bewerten". Anderson
(2003) hat diese Verarbeitungsdimensionen (einfach - komplex) mit verschiedenen Wis
sensdimensionen (Faktenwissen, Konzeptwissen, Prozesswissen, metakognitives Wissen)
gekreuzt und eine Taxonomie-Matrix entwickelt.Auch für die anderen Lernbereiche gibt es hierarchische Ordnungsschemata. Für den instrumentellen Bereich unterscheidet man den Grad der Sicherheit und Qualität des Verhaltens
(z. B. können, sicher beherrschen), für den affektiven Bereich den Grad der Verinnerlichung
(aufmerksam sein, reagieren, engagieren).
Klassifikation nach dem Abstraktionsgrad
Bei der Klassifikation nach dem Abstraktionsgrad (vertikale Klassifikation) unterscheidet
man operational zwischen regulativen Zielen, Richtzielen, Grobzielen sowie Feinzielen/Teilzielen .
•• Regulative Ziele werden dem Bereich der Verhaltensdisposition zugeordnet und kön
nen als grundlegendes Unterrichtsprinzip verstanden werden (z. B. "die Schüler sind
zu einer umweltgerechten Gestaltung der Teilnahme am Verkehr bereit").
•• Richtziele sind weniger stark festgelegt und beschreiben die Ziele einer Unterrichtseinheit
(z. B. "die Schüler kennen die Ursachen der Verkehrsproblematik in Ballungsräumen").
•• Grobziele sind stärker festgelegt und beschreiben die Ziele einer Unterrichtsstunde (z. B.
"die Schüler kennen die Ursachen und Auswirkungen der Pendlerströme im Verdich
tungsraum Mittlerer Neckar") .•• Feinzieleoder Teilzielesind die niedrigste Stufe der Hierarchie und beschreiben meist einen
Teilaspekt im Verlauf einer Unterrichtsstunde (z. B. "die Schüler erkennen die Trennung
von Wohnung und Arbeitsplatz als eine Ursache von Pendlerströmen"; "die Schüler werteneine thematische Karte zum Pendleraufkommen in der Region Mittlerer Neckar aus") .
In der Praxis wurde meist auf die Formulierung von regulativen Zielen sowie Richtzielen
verzichtet. Ausgehend von einem Grobziel werden die Feinziele sehr häufig nach den ver
schiedenen Lernbereichen (s.o.) oder den Kompetenzformen des erweiterten Lernbegriffs
(s. u.) unterschieden .
Klassifikation nach den Kompetenzformen des erweiterten Lernbegriffs
Spätestens seit Harmut von Hentig dem baden-württembergischen Bildungsplan (2004,
S. 12) die vier Kompetenzbereiche des erweiterten Lernbegriffs (vgl. Klippert 2002, S. 31)
zu Grunde gelegt hat, werden in der Praxis Lernziele auch nach den vier Lernbereichen
kategorisiert: fachliche Ziele, methodische Ziele, soziale Ziele, personale Ziele. Diese vier
Zieldimensionen greifen im Grundsatz die traditionelle Klassifikation nach Lernbereichen
auf, ordnen diese den neuen Begrifflichkeiten des erweiterten Lernbegriffs zu und erweitern
sie um bisher weniger bzw. nicht ins Blickfeld genommene Aspekte. Selbstverständlich
lassen sich auch hier Überschneidungen nicht vermeiden.
Klassifikation von Lernzielen
nach den Kompetenzbereichen der Bildungsstandards
Letztendlich gibt es für jede der oben genannten Taxonomien eine stichhaltige Begrün
dung. Bei aller Unterschiedlichkeit haben jedoch alle Klassifikationen ein gemeinsames
Ziel, nämlich die analytische Betrachtung von Lernzielen, damit alle wichtigen Zielbereiche
bei der Planung von Unterricht berücksichtigt werden. Die zusammenfassenden Planungsmatrix (Abb. 3, S. 10)
•• ordnet daher Lernziele in den Gesamtkontext der verschiedenen Begrifflichkeiten ein,
•• verdeutlicht die Verzahnung von Input- und Output-Orientierung,
•• stellt ein praktikables Instrument zur Planung von Unterricht auf der Basis von Bildungs-standards und Kompetenzen zur Diskussion.
Da in den Bildungsstandards nur Regelstandards formuliert sind, wird es auf der Output
Seite jedoch notwendig sein, unterschiedliche Niveaustufen in den Blick zu nehmen. Im
Hinblick auf die Frage der Zielerreichung wären konsequenterweise sogar Mindeststandards wünschenswert .
Geht man von dieser Planungsmatrix aus, so ist es letztlich konsequent, die Kategorisie
rung von Lernzielen künftig an den Kompetenzbereichen der Bildungsstandards auszurich
ten. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass sich die sechs Kompetenzbereiche keiner der
bekannten und vertrauten Lernzielkategorisierungen (s. Kapitel 3) eins zu eins zuordnen
lassen, sondern in der Tat in den neuen Kategorien gedacht werden muss. Aus Gründender Praktikabilität
•• werden nur für die Kompetenzbereiche Lernziele formuliert, die auch tatsächlich ange
strebt werden. Eine künstliche Lernzielflut und die Formulierung von Pseudolernzielen
sollte vermieden werden. D. h. wenn in einer konkreten Stunde keine Ziele im Kompe
tenzbereich "Beurteilung/Bewertung" angestrebt werden, so bleibt diese Kategorie unberücksichtigt,
•• wird auf eine detaillierte Zuordnung von Einzelstandards (z. B. F1 bis F19, 01 bis 05
- vgl. DGfG S. 1Off.)zu einzelnen Lernzielen verzichtet,
•• werden dort, wo eine überschneidungsfreie und eindeutige Zuordnung von Lernzielen
nicht möglich bzw. sinnvoll ist, diese dem stärker tangierten Kompetenzbereich zugeordnet.
8 Beilage zu geographie heute 257 Beilage zu geographie heute 257 9
---.------.--------------------------------------Da die Bildungsstandards Geographie so genannte überfachliche Ziele des erweiterten
Lernbegriffs (z. B. in der Gruppe kooperieren, Kritikfähigkeit entwickeln, Konfliktlösungs
strategien erwerben), die i. d. R. im Zusammenhang mit fachlichen Lehr- und Lernpro
zessen erworben werden, nicht explizit in den Blick nehmen, ist es notwendig, diese ggf.
separat auszuweisen.In den Kästen 2 und 3 (s. S. 11 u. 12) wird am Beispiel von zwei Beiträgen der Ausgabe
"Landschaften im Wandel" (257/2008) die Kategorisierung von Lernzielen nach den Kom
petenzbereichen der Bildungsstandards, wie sie die Zeitschrift geographie heute ab 2008
vornehmen wird, exemplarisch verdeutlicht. Mit dieser Neuorientierung bei der Klassifika
tion von Lernzielen möchte geographie heute die Übertragung der Bildungsstandards auf
die Unterrichtswirklichkeit nachhaltig unterstützen.
Reuschenbach: Gebirgslandschaften (geographie heute H. 257, S. 18-25) 2
Kompetenzbereiche und ZieleDie Schülerinnen und Schüler
Fachwissen
~ kennen die durch den Gletscherschwund entstandenen Veränderungen im Hoch
gebirge,
~ verstehen, welche Bedeutung ein Gletscher im Hochgebirge hat und können dar
aus Konsequenzen des Gletscherschwundes ableiten,
~ kennen die Komplexität der beteiligten Faktoren und können Auswirkungen des
Gletscherschwundes benennen, kategorisieren und miteinander in Bezug setzen.
Räumliche Orientierung
~ können wichtige Gletscher grobtopographisch im Alpenraum verorten,
~ können Auswirkungen des Gletscherschwundes an einer Karte lokalisieren.
Leitzieie des
Geographieunterrichts!
Input-Seite
Output-Seite
Konsequenzen
Elemente eines
Bildungsplans
Erken ntnisgewi nnung/Methoden
~ können Skizzen, Bilder und Grafiken interpretieren sowie Begriffe einem Diagrammzuordnen.
Kommunikation
~ können sich in einen begründeten Meinungsaustausch mit ihren Mitschülern be
geben.
Handlung
~ haben einen empathischen Bezug zum Lebensraum Hochgebirge erworben, der
sie dazu befähigt, ein Interesse für die Komplexität der Veränderungen im Hoch
gebirge zu entwickeln.
Beurteilung/Bewertung
~ sind sich bewusst, dass Prognosen für die Landschaftsentwicklung unsicher sind.
ZusammenfassungUnterricht
Niveaustufen
Lernziele
I Leh'pl." I
~
Aufgabenbeispiele
Bildungsstandards
Kompetenzbereiche
Abb. 3: Zusammenhänge zwischen den Begriffen der aktuellen Bildungsdiskussion
Die Output-Orientierung ist in der gegenwärtigen Bildungsdiskussion ein zentrales Moment.
Dennoch darf auch dabei die Inputorientierung im Interesse der einzelnen Fächer nicht ver
nachlässigt werden. Die Konkretisierung der Bildungsstandards kann daher nicht auf die
Meso- oder Mikroebene, d. h. die einzelne Schule oder den Unterricht, verlagert werden.
10 Beilage zu geographie heute 257 Beilage zu geographie heute 257 11
Hieber/Lenz: Hafenlandschaften (geographie heute H. 257, S. 8-17) 3
Kompetenzbereiche und Ziele
Die Schülerinnen und Schüler
Fachwissen
••• kennen die Gliederung eines Hafens und verschiedene Formen des Güterum-
schlags,
••• können die Zunahme des Containerverkehrs begründen,
••• erkennen Häfen als Knotenpunkte in einem globalen Warenverkehr,
••• sind sich der Bedeutung der Überseehäfen für die exportorientierten Nationen
Europas bewusst.
Räumliche Orientierung
••• können die Lage Rotterdams in ein grobtopographisches Raster einordnen,
••• können topographische Lagebeziehungen verbalisieren und visualisieren.
Erkenntnisgewi n nu ng/Methoden
••• können Informationen aus Bildern, einem Hafenplan, Informationstexten und Sche
mazeichnungen entnehmen,
••• können mit den zur Verfügung gestellten Materialien eine Kurzpräsentation erstel
len und hierbei die Medien zielgerichtet einsetzen.
Kommunikation
••• können ihre Ergebnisse den Mitschülern präsentieren.
Überfachliche Ziele
••• können in Gruppen arbeiten und gestellte Aufgaben gemeinsam lösen.
Vielmehr ist es notwendig, dass Bildungsstandards und allgemeine Bildungspläne durch
konkrete Lehrpläne ergänzt werden, die eine wichtige Zwischenstufe zum "schulinternen
Arbeitsplan" (Czapek 2007, S. 10) darstellen.
Kompetenzen machen die Formulierung von Lernzielen nicht überflüssig. Im Gegenteil:
Wenn Unterricht die Erreichung bestimmter Kompetenzen zum Ziel hat, müssen sich die
Unterrichtsinhalte an diesem Ziel messen lassen. Erst die Formulierung von Lernzielen für
eine konkrete Unterrichtsstunde - auf der Basis der Standards und Kompetenzen - garan
tiert die Verknüpfung zwischen Output- und Inputorientierung und damit die Fokussierung
auf die Bildungsstandards im Fach Geographie für den Mittleren Schulabschluss.
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Verband Deutscher Schulgeographen eV (Hrsg.) (2004): Grundlehrplan Geographie. Ein Vorschlag.Bretten (siehe auch: http://www.erdkunde.com).
Autor
Thomas Lenz ist Seminarschulrat und Bereichsleiter für Geographie und Gemeinschaftskundeam Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Realschulen) Schwäbisch GmÜnd.Dipl. Päd. Thomas Lenz, Dreifaltigkeitsstr. 32, 73550 Waldstetten, [email protected]
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