Geleitwort zur 3. Auflage - bücher.deund die Begeisterung für die Akupunktur über-haupt. Er gab auch den Anstoß zu diesem Buch, stand mir mit Rat und Tat zur Seite. Mit seinem
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Geleitwort zur 3. Auflage
Mein im Vorwort zur 1. Auflage ausgesprochenerWunsch, dass Axel Rubachs Propädeutik der Ohr-akupunktur eine weite Verbreitung und Akzep-tanz erfahren möge, hat sich erfüllt: Sie geht nunin die 3. Auflage, gilt als das beste Lehrbuch desSpezialgebietes und ist auch, ins Englische über-setzt, zu einem Standardwerk im englischenSprachraum geworden.
Schon seit über 50 Jahren hat die Ohraku-punktur in Deutschland Fuß gefasst, seitdem imJanuar 1951 die Deutsche Ärztegesellschaft fürAkupunktur (DÄGfA) den Inaugurator der Auri-culotherapie, Paul Nogier, zu Kursen nach Mün-chen eingeladen und die Methode fest in ihr Aus-bildungsprogramm aufgenommen hatte.
Später kamen die Erfahrungen der Chinesi-schen Schule hinzu, vermittelt durch die beidenDÄGfA-Dozenten Ingrid Wancura und GeorgKönig. Das Nebeneinander der beiden Schulenwirkte sich sehr fruchtbar aus, indem sich beideSysteme als gleichermaßen praktikabel erwiesenhaben und sich gegenseitig ergänzten – mit gro-ßem Gewinn für die Patienten.
Die Ohrakupunktur ist nach wie vor die wirk-samste und in der Therapie am meisten einge-bürgerte Form der westlichen Akupunktur. Diesich als ein komplettes System darstellendenOhrpunkte, haben sich nicht nur neue diagnosti-sche und therapeutische Möglichkeiten erschlos-sen, sondern auch den Blick geöffnet für das Phä-nomen der Mikrosysteme überhaupt – für dasVorhandensein somatotopischer Gesamtreprä-sentationen des Organismus auf eng umschriebe-nen Arealen. Inzwischen liegen genügend wis-
senschaftliche Studien vor, die die Wirksamkeitder Mikrosystem-Akupunktur belegen. Hinzukommen die Erkenntnisse der Physik über kom-plexe, nicht-lineare Systeme, mit dem Phänomender Fraktale und die Einsicht vom holographi-schen Universum (David Bohm): Offensichtlichspielen auch in den Mikrosystemen systemischeWechselbeziehungen zwischen Gesamtheitenund deren Teilen eine Rolle, ebenso wie der As-pekt der Selbstspiegelung.
Wer Ohrakupunktur ausübt, muss mit derAnatomie, der Punkt-Topographie und den spezi-ellen Indikationen vertraut sein. Axel Rubach ge-lingt es, den Leser praxisnah und auf sehr an-schauliche Weise an die Anatomie und Morpho-logie des Ohres, an die Punkte und deren Lokali-sation sowie an die spezifischen Indikationen derMethode heranzuführen. Der einfache Weg hatsich als der beste erwiesen: nämlich keine kom-plizierten, von allen möglichen Therapiehinder-nissen belastete Behandlungstechnik darzustel-len, sondern die klare Punktkonstellation heraus-zuarbeiten und zu vermitteln – die Kenntnis derPunkte und die sich daraus ergebende Sicherheitin ihrem Einsatz.
Die neu überarbeitete Auflage ist um weitereTherapiebeispiele erweitert, das Bildmaterialnochmals optimiert. So wird auch diese 3. Auf-lage vielen Therapeuten eine sehr hilfreiche undnützliche Anleitung sein, sowohl für das Erlernender Methode, als auch als Nachschlagewerk fürden geübten Praktiker.
Das vorliegende Buch wurde aus der Idee gebo-ren, Grundlagenwerk und Lehrbuch über die Sys-tematik der Ohrakupunktur zu schaffen. Vor die-sem Hintergrund möchte ich voller Respekt aufall jene hinweisen, die seit Nogiers genialer Er-kenntnis mit ihren Arbeiten und Veröffentlichun-gen Wegbereiter dieser Methode waren undsind. Sie haben damit auch für dieses Buch dieVoraussetzungen geschaffen. Die zusammenge-fassten Kenntnisse und Erfahrungen aus derLehrtätigkeit vieler Dozenten der Deutschen Ärz-tegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA) habenwesentlich zum bisherigen Erfolg dieses Werkesbeigetragen.
Mit diesem Buch verbinde ich den Dank anmeinen Lehrer und Freund Dr. Jochen Gleditsch.Ihm verdanke ich das Wissen um die Methodeund die Begeisterung für die Akupunktur über-haupt. Er gab auch den Anstoß zu diesem Buch,stand mir mit Rat und Tat zur Seite. Mit seinem
2002 erschienenen Buch Maps Mikroakupunkt-systeme bietet er einen umfassenden und detail-lierten Einblick in die wesentlichen Mikrosyste-me der Akupunktur und fügt das Phänomen dereinzelnen Mikrosysteme wieder zu einem Gan-zen.
Bereits in der 2. Auflage dieses Buches ließenwir uns von dem Ziel leiten, den Lesern den In-halt unseres Buches optimal zu erschließen undmit einem spielerischen Test Sicherheit zu schaf-fen. In dieser Auflage haben wir nun den gesam-ten Text und die Abbildungen überarbeitet sowieeine Vielzahl neuer Therapiebeispiele eingearbei-tet. Wir optimierten das leichte, sukzessive Ein-arbeiten in die Thematik und verbesserten dieMöglichkeit zum permanenten Nachschlagen.
München, Februar 2009 A. RubachH.-J. WeiseC. Schulte-Uebbing
Kalkaneus – 47 (Abb. 3.19)Dieser Punkt ist in neueren chinesischen Ohrkar-tographien nicht mehr dargestellt.Lok. Nach französischer Schule: Im nasokaudalenWinkel der Fossa triangularis unter der Helix-krempe, etwa in Höhe der Sprunggelenkslokali-sation.Ind. Schmerzen im Bereich des Fersenbeins, z. B.infolge von Periostentzündung bzw. Fersensporn.
Hüftgelenk– 50Nach neuen chinesischen Ohrkartographienübereinstimmend mit Hüfte (57) (s. u.).
Ischiaszone – 52 (Abb. 3.19)Lok. Etwa in Höhe der LWS-Projektion im flächi-gen Gebiet des Übergangs von dem Crus antheli-cis inferius hin zur Fossa triangularis.Ind. Lumbalgie, Lumboischialgie, Restbeschwer-den nach Bandscheiben-OP.
Gesäß – 53 (Abb. 3.13)Lok. Etwas dorsal der Ischiaszone auf dem Crusanthelicis inferius, fast zur Ischiaszone gehörend.Ind. Wie Ischiaszone (52).
Shen Men („Tor der Götter“) – 55 (Abb. 3.19)Lok. In der Konkavität der Fossa triangularis;ausgehend von der Gabelung der Crura antheli-cis, „Fossaspitze“, am Unterrand des Crus anthe-licis superius geringfügig nach kranial orientie-ren und dann den Punkt etwas in Richtung derKonkavität suchen.Ind. Shen Men ist einer der bedeutendsten Anal-gesiepunkte auf der Ohrmuschel.
Infolge seiner antiphlogistischen und analgeti-schen/beruhigenden Wirkung ist er besondersbei allen Erkrankungen des Bewegungsapparatesindiziert sowie auch in der Suchttherapie (s.NADA-Konzept).
Adjuvant bei Pruritus-Allergie, Asthma bron-chiale, Schlaflosigkeit.
Hüfte – 57 (Hüftgelenk, vormals – 50)(Abb. 3.19)Lok. Beide Punkte liegen im Areal auf der Gabe-lung der Crura anthelicis, vor der Fossaspitze.Ind. Schmerzen im Bereich von Hüfte bzw. Hüft-gelenk, z. B. bei Koxarthrose.
Becken – 56 (Abb. 3.19)Lok. Auf der Gabelung der beiden Crura antheli-cis nahe dem Areal Hüfte (57).Ind. Schmerzen im Bereich des Beckens und derHüfte.
▶ Dieses Areal ist in den neuesten chinesischenOhrkartographien nicht mehr aufgeführt, jedochmit der französischen Lokalisation Hüfte/Beckenidentisch. ◀
Finger– 62 (Abb. 3.19)Lok. In der Scapha unter der Helixkrempe, amSchnittpunkt des oberen Randes des Crus anthe-licis superius mit der Helixkrempe. Der Daumenfindet sich auf der dorsokranialen Ecke des Crusanthelicis superius nahe oder unter der Helix-krempe.Ind. Schmerzen im Bereich der Finger und desDaumens im Gefolge von Traumata und Entzün-dungen.
Schultergelenk – 64 (Abb. 3.19)Lok. In der Scapha auf Höhe des Schnittpunktesmit einer gedachten, nahezu waagrechten Linie(„Zwerchfellinie“) durch den Nullpunkt (s. Kerbe,Helixwurzel) des Unterrandes der Helixwurzel.Ind. Schultersteife, Schultergelenksdistorsion, Pe-riarthritis humeroscapularis.
Schulter– 65 (Abb. 3.19)Lok. In der Scapha, analog der Muskel- und Bän-derzone auf Höhe der Incisura supratragica.Ind. Wie bei Schultergelenk (64).
Ellenbogen – 66 (Abb. 3.19)Lok. In der Scapha, in Höhe des Schnittpunkteseiner gedachten waagrechten Orientierungsliniedurch die Aufgabelung der beiden Crura antheli-cis.
! CaveNicht am Verlauf des Crus anthelicis inferius orien-tieren, dies kann in vivo schräg verlaufen.
Oberarm (o. Abb.)Das Projektionsareal trägt keine Nummer undleitet sich aus der französischen Topografie ab.
Lok. Zwischen den Maximalpunkten Schulter(65) und Ellenbogen (66), Abb. 3.19.Ind. Adjuvant bei Schmerzen im Schulter-/Ellen-bogengelenk, Schulter-Arm-Syndrom, Oberarm-beschwerden.
Handwurzel (Handgelenk) – 67 (Abb. 3.19)Lok. In der Scapha, schräg oberhalb der Aufgabe-lung (Crura anthelicis)Ind. Handgelenk-/Handwurzeldistorsion bzw.-kontusion, Tendinitiden.
Weitere Punkte auf Scapha, Fossatriangularis und den Crura anthelicis
Auf dem Gebiet von Scapha, Fossa triangularisund dem der Crura anthelicis finden sich fernerAreale und Punkte, die nicht dem Bewegungsap-parat zuzuordnen sind (Abb. 3.20).
Unterarm (o. Abb.)Dieses Areal leitet sich ähnlich wie Oberarm ausder französischen topografischen Darstellung ab.
Lok. In der Region zwischen Handgelenk (67)und Ellenbogen (66), Abb. 3.19.Ind. Brachialsyndrom, Tendovaginitis.
Adjuvant bei Schulter-Arm-Syndrom, Epikon-dylitiden.
Vegetativpunkt I – 51 (Vegetativum)(Abb. 3.20)Lok. Auf dem Crus anthelicis inferius im Schnitt-punkt mit der überkragenden Helixkrempe deraufsteigenden Helix, meist etwas verdeckt durchdie Helixkrempe.Ind. Vegetative Störungen, vegetativ ausglei-chend.
Adjuvant bei Koliken, abdominellen Schmer-zen (Cave: Abklärung).
Uterus – 58 (Abb. 3.20)Lok. In der nasokranialen Ecke der Fossa triangu-laris, verborgen unter der Helixkrempe.Ind. Adjuvant bei Dysmenorrhöe, Metrorrhagie,Tokolyse, Impotenz, psychosomatischen Be-schwerden im Bereich des Bewegungsapparates.
Blutdruckregulierender Punkt– 59(Abb. 3.20)Lok. Am Schnittpunkt des Crus anthelicis supe-rius mit dem überkragenden Rand der Helix-krempe etwas in Richtung Fossa.Ind. Adjuvant bei arterieller Hypertonie.
PraxistippGegebenenfalls in Kombination mit Antihyper-toniepunkt (19) bzw. ACTH-Punkt oder Thala-muspunkt (26 a) anwenden.
Dyspnoepunkt– 60 (Abb. 3.20)Lok. Auf einer Ebene mit Uterus (58) kaudal desPunktes Blutdruckregulierender Punkt (59) inder Fossa triangularis.Ind. Adjuvant bei Asthma bronchiale, bei chro-nisch-obstruktiver Bronchitis.
PraxistippGegebenenfalls in Kombination mit Asthma-punkt (31), ACTH-Punkt, Endokrinium (22),Vegetativpunkt (Vegetativum I) (51), Plexusbronchopulmonalis (Cavum conchae inferius)anwenden.
Dieses Areal ist selten irritiert nachweisbar undwird daher wenig verwendet (fragliche Wirk-samkeit).
Hepatitispunkt– 61 (Abb. 3.20)Lok. Auf gleicher Höhe wie Uterus (58) undDyspnoepunkt (60), jedoch dorsal von letzteremnahe dem Rand zum Crus anthelicis superius.Ind. Adjuvant bei Hepatitis, Cholezystitiden (frag-liche Wirksamkeit).
PraxistippGegebenenfalls kombiniert mit Leber (97) imCavum conchae inferius anwenden.
Urtikariazone – 71 (Abb. 3.20)Lok. Im Gebiet der kranialen Scapha, zwischenTuberculum darwinii und dem Schnittpunkt derdorsalen Kante des Crus anthelicis superius mitder überkragenden Helixkrempe.Ind. Urtikaria (Cave: Quincke-Ödem), Insekten-stich, Pruritus.
3 Systematische Punktlokalisation auf der Ohrmuschel
Sonne – 35 (Abb. 4.1)Dieser Punkt hat sich besonders bei parietalenKopfschmerzen bzw. Migräne außerordentlichbewährt und steht bei diesem Beschwerdekom-plex in der Wahl der Punkte an erster Stelle. Alszentraler Punkt der Sensoriellen Linie liegt er aufder Außenseite in der Basis des Antitragus.
PraxistippAls besonders effektiv zeigt er sich als Initial-punkt bei der Behandlung des akuten Migrä-neanfalls, besonders in Kombination mit demPunkt Polster (29) und Thalamus (26 a).
Dach – 36 (Abb. 4.1)Unterhalb von Polster (29) gelegen, hat dieserPunkt eine relativ enge Indikation; seineschmerzstillende Wirkung bezieht sich auf denparietalen Schädelbereich. Insofern ist er nur alsUnterstützungspunkt bei entsprechenden Ze-phalgien von Bedeutung.
Retrothalamus (Abb. 3.30)Auf der Ohrmuschelrückseite genau gegenüberdem Thalamus (26a) gelegen (Zangengriff), hatdieser Punkt das gleiche Wirkspektrum wie derThalamuspunkt und lässt sich z. B. gut im Wech-sel mit diesem bei Malignomschmerzen und not-wendigen kurzen bzw. täglichen Behandlungsab-ständen einsetzen.
Analgesiepunkt (Abb. 4.1)Der aus Nogiers Schule stammende Analgesie-punkt hat sich bei Indikationen für den Thala-muspunkt (26 a) bewährt. Er liegt am nasalenOhrläppchenrand in Höhe des „Nasenquadran-ten“ geringfügig nasokaudal des Omegahaupt-punktes. Dieser Punkt wird bei schwerenSchmerzzuständen mit dem Punkt Thalamusoder auch mit dem Punkt Retrothalamus kombi-niert (Abb. 3.30).
4.2 Vegetative Rinne(n. Lange)
Diese Projektionszone der sympathischen Ur-sprungskerne bzw. der Nuclei intermediolatera-les [31], am Rand der Scapha unter der Helix-krempe gelegen, wurde von Lange als eine Art„Indikatorzone“ zur segmentalen Eingrenzungvon Erkrankungen bzw. Schmerzsyndromen imSinne der Ohrgeometrie n. Nogier erkannt undals „Vegetative Rinne“ bezeichnet. Unsere prakti-schen Erfahrungen bestätigen, dass sich in dieserZone häufiger auch empfindlichere Punkte als imentsprechenden Ohrrandbereich finden. Aufdiese Weise lässt sich gerade bei Erkrankungendes Bewegungsapparates für den Anfänger rechteindrucksvoll ein therapeutischer Einstieg überdiese Segmenttherapie (vormals Ohrgeometrie)gewinnen. Nogier und Bourdiol definierten dieseRinne als Zone der neurovegetativen Medullar-zentren, ohne zu erkennen, dass sie aufgrundgrößerer Sensibilität als diagnostische Leitpunk-te und dank ihrer besseren Wirksamkeit gegen-über den Ohrrandpunkten (Medulla spinalis) alsvegetative Steuerungspunkte auf das jeweils er-krankte Segment hinweisen. So lässt sich mithil-fe des jeweils gestörten bzw. irritierten Punktesdieser Zone eine modifizierte Segmenttherapieentwickeln. Dazu verbindet man den betreffen-den Punkt über eine gedachte Linie mit demNullpunkt (chinesisch: Zwerchfell, 82). DieseLinie dient als segmentale Behandlungslinie, aufder sich analog der Ohrgeometrie n. Nogier meistweitere irritierte Punkte bis hin zum Ohrrandfinden lassen, die in die Behandlung einbezogenwerden können. Der folgende Leitgedanke giltfür die Verwendung der Zone „Vegetative Rinne“:
▶ Es ist ein einfacher und effektiver segmentalerEinstieg in Diagnostik und Therapie einer Erkran-kung des Bewegungsapparates. ◀
Die von Nogier beschriebene Sensorielle Linieliegt an der Basis des Antitragus im Übergangzum Lobulus. Sie ist in ihrem Verlauf durch diedrei Punkte Polster (29), Sonne (35) und Stirn(33) definiert (Abb. 4.3).
Die ursprünglichen Angaben Nogiers bezogensich auf ein kurzes, längliches, parallel zur Anti-tragusbasis verlaufendes Areal um den Punkt 35herum. Er beschrieb eine Wirksamkeit speziellbei Tinnitus.
Darüber hinaus hat sich der therapeutischeZugang über die Sensorielle Linie besonders beiZephalgien bewährt. Eine besondere Bedeutung,
dem Namen entsprechend, kommt ihr dabei beiZephalgien zu, deren Auslösemechanismendurch eine außergewöhnliche Irritation des Sen-soriums, sei es Auge, Ohr oder Nase, hervorge-rufen werden. Das sind z. B. geruchs- oder ge-räuschinduzierte Migräneformen.
Ferner wird die Sensorielle Linie in Kombina-tion mit der Segmentbehandlung (vormals Ohr-geometrie) bei vertebragenen Kopfschmerzeneingesetzt. Hier liefert sie ein einfaches, zuverläs-siges therapeutisches Grundkonzept als Einstiegin eine individuelle Kopfschmerzbehandlung.
4.4 Schwindellinie
Die sogenannte „Schwindellinie“ (Abb. 4.3) lässtsich auf eine Veröffentlichung aus dem Jahre1981 anlässlich des 12. Weltkongresses derHNO-Ärzte in Budapest zurückführen. Siewurde von den Drs. von Steinburg, HNO-Ärztenaus München, unter dem Titel „Die zentrale ves-tibuläre Dysfunktion – ihre Behandlung mittelsAkupunktur als gezielte Reflextherapie“ vorge-stellt und umfasst auf dieser Schwindellinie an-geordnete Punkte der äußeren Ohrmuschel, dieauf dem Reflexweg die Dysfunktion der vestibu-lären Neuronen normalisieren können. Die Punk-te sind auf zwei nahezu rechtwinklig zueinanderstehenden Linien zu finden. Eine Linie verläuftnahezu horizontal auf der Rückseite des Antitra-gus, unterhalb dessen Grat (Abb. gepünktelteLinie). Die andere Linie kreuzt sie in Höhe derPostantitragalen Furche und ist bis zum Schnitt-punkt mit der Scapha (Jérôme 29 b) identischmit der postantitragalen Linie. Die postantitraga-le Linie verläuft Richtung dorsalen Ohrrand undschneidet ihn im rechten Winkel.
Auf diesen beiden gedachten Linien lassen sichim Krankheitsfall jeweils 3 – 4 irritierte Punktenachweisen, besonders bei vestibulären, also sys-tematischen oder auch gerichteten Schwindelfor-men, häufig aber auch bei Begleitsymptomen wieHWS-Syndrom, Zustand nach Schädel-Hirn-Trau-ma sowie Zustand nach akutem Hörsturz. DerNadelreiz führt an den georteten irritiertenPunkten schnell zum Abklingen der vestibulärenDysfunktion.
Es ist sicher kein Zufall, dass sich dieseSchwindellinien in dem mit Reflexpunkten
4 Besondere Punkte und Behandlungsareale
x
x
x
Nullpunkt (82)
irritiertePunkte
Abb. 4.2 Beispiel einer segmentalen Behandlungs-linie über Vegetative Rinne/Nullpunkt und reaktivenPunkten (Kreuzchen) in der Zone paravertebralerMuskeln und Bänder der Medulla spinalis.
ren Drittel des Sulcus anthelicis auf der Ohrrück-seite gelegen.
Es sei jedoch nochmals darauf hingewiesen,dass mithilfe der angegebenen Reflexarealekeine gezielte, direkte Blutdrucksteigerung oder-senkung erreicht werden kann, wenn ein nor-males Blutdruckverhalten vorliegt; auch ein be-stehender Hochdruck kann nicht weiter gestei-gert werden. Somit besteht keine Gefahr, einehypertensive Krise durch Verwendung nicht in-dizierter Punkte auszulösen; schlechtestenfallskommt es zum Ausbleiben der erwünschten Wir-kung. Allerdings kann es im Verlauf einer wir-kungslosen Behandlung wie bei jedem unbehan-delten Bluthochdruck zur einer Entgleisung desBlutdrucks kommen; es sollte immer therapiebe-gleitend eine einfache Erfolgskontrolle mittelsregelmäßig dokumenteirter Blutdruckmesser-gebnisse durchgeführt werden.
9.4.2 Paroxysmale Tachykardie
Es versteht sich von selbst, dass vor der Aku-punkturbehandlung dieses Beschwerdebildes hö-hergradige Herzrhythmusstörungen durch Lang-zeit-EKG ausgeschlossen werden müssen. Meistsuchen Patienten die Akupunktur, wenn konven-tionelle medizinische Maßnahmen – angefangenvon der Empfehlung, im Anfall einen SchluckWasser zu trinken, bis hin zur Verabreichungvon niedrigdosierten Beta-Blockern – erfolglosgeblieben sind oder von ihnen nicht akzeptiertwerden. Die Behandlung mittels Ohrakupunkturgreift in erster Linie auf die bereits besprochenenvegetativen resp. herzwirksamen Reflexarealezurück.
Im Vordergrund steht der Herzpunkt (100) inKombination mit dem Plexus cardiacus (HöheC 2/C 3 der Concha inferior am Übergang zur Ant-helixwand), außerdem sollte an Vegetativum I(51) und II (34) gedacht werden. Auch das ArealPlexus solaris, nach chinesischer Schule der Ver-zweigungspunkt (83), sollte auf seine Empfind-lichkeit untersucht werden.
Nach chinesischen Vorstellungen tritt das Be-schwerdebild bei Leere (Xu) auf, also beispiels-weise nach einer schweren, schwächenden Er-krankung. Auch im Zusammenhang mit einempsychischen Leiden, wie eine depressive Verstim-
mung bis hin zur Depression, kann sich die Nei-gung zu einer paroxysmalen Tachykardie ausbil-den. Deshalb verwendet die chinesische Schulezur Förderung der Zirkulation von Qi und Blut(Xue) neben dem Herzpunkt (100) auch PunktDünndarm (89) und als beruhigende Komponen-ten die Punkte Polster (29) sowie Vegetativum II(Graue Substanz, 34).
Auch hat es sich bewährt, ggf. die psychotro-pen Areale wie PT 2 (vormals Angst), PT 3 (vor-mals Antidepression) und PT 1 (vormals Antiag-gression) bei entsprechender Irritation in die Be-handlung einzubeziehen. Bevor umfangreicherePunktkombinationen in Betracht gezogen wer-den, ist es den Versuch wert, im Anfall als allei-niges irritiertes Reflexareal den Verzweigungs-punkt oder Punkt der Beklommenheit (ggf. iden-tisch mit dem Bereich Plexus solaris) zu nadeln,um eine Pulsreduktion zu erreichen. Im Gefolgekann dann mit weiteren Kombinationen von z. B.Herz (100) und Plexus cardiacus, aber auch unterEinbeziehung der Zone Plexus solaris weiterbe-handelt werden.
Die Behandlungsabstände liegen bei 2 – 3Tagen und werden nach Stabilisierung auf wö-chentliche Intervalle ausgedehnt. Meist sind5 – 10 Behandlungen ausreichend.
9.5 Magen-Darm-Erkrankungen
9.5.1 Chronisch rezidivierendeGastritis
Zur Behandlung sowohl der akuten als auch derchronisch rezidivierenden Gastritis lassen sich inder primären Punktauswahl identische Reflexzo-nen als irritiert vorfinden. Bei der akuten Gas-tritis können mittels dieser Punkte die Beschwer-den im Rahmen des Spontanverlaufs deutlich ge-lindert bzw. beseitigt werden, sodass eine belas-tende Medikation vermieden werden kann. Diesjedoch nur am Rande, da sich nur selten ein Pati-ent zu Beginn dieses Krankheitsbildes einer Aku-punkturbehandlung unterzieht.
Wesentlich häufiger wird der Arzt mit demBild der chronisch rezidivierenden Gastritis undder Bitte um eine Akupunkturbehandlung als Er-