GARAGE – Stiefschwester des Einfamilienhauses Eine Gegenüberstellung von Wien und Los Angeles Die approbierte Originalversion dieser Diplom-/Masterarbeit ist an der Hauptbibliothek der Technischen Universität Wien aufgestellt (http://www.ub.tuwien.ac.at). The approved original version of this diploma or master thesis is available at the main library of the Vienna University of Technology (http://www.ub.tuwien.ac.at/englweb/).
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GARAGE – Stiefschwester des EinfamilienhausesEine Gegenüberstellung von Wien und Los Angeles
Die approbierte Originalversion dieser Diplom-/Masterarbeit ist an der Hauptbibliothek der Technischen Universität Wien aufgestellt (http://www.ub.tuwien.ac.at). The approved original version of this diploma or master thesis is available at the main library of the Vienna University of Technology (http://www.ub.tuwien.ac.at/englweb/).
Diplomarbeit
zum Thema
GARAGE –
Stiefschwester des Einfamilienhauses
Eine Gegenüberstellung von Wien und Los Angeles
ausgeführt zum Zwecke der Erlangung des akademischen Grades
einer Diplom-Ingeneurin
unter der Leitung von
Ao. Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Erich Lehner
e 251-1
Institut für Kunstgeschichte,
Bauforschung und Denkmalpflege
eingereicht an der Technischen Universität Wien
Fakultät für Architektur und Raumplanung
von
Lucia Pimminger 0327077
Linke Wienzeile 158/21, 1060 Wien
Wien, im März 2011
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 8
Begriffsbestimmung 10
Was ist eine Garage? 10
Carport 13
Stand der Forschung 14
Die Verbreitung des Automobils 16
Die Entwicklung der Garage 19
Die Umnutzung der Garage in US-amerikanischen TV-Serien 26
Kulturelle Unterschiede und deren Einfluss auf die GebäudetypologieWohnhaus und Garage 30
Was bedeutet „Parken” für eine/n US-Amerikaner/in? 32
Vorder- bzw. Rückseiten von Wohnhäusern und deren Position zur Garage 34
Regionale Unterschiede und deren Einfluss auf die GebäudetypologieWohnhaus und Garage 38
„Wien ist anders” 40
„Home sweet home” 41
Gegenüberstellung Wien – Los Angeles 44
Geographische Merkmale
Nobelviertel: Wohnpark Fontana – Beverly Hills 46
Thematische und funktionale Merkmale
Kellergarage: Die Garage als Fundament des Hauses 56
Gartengarage: Die Garage als Mittelpunkt des Hauses 60
XL-Garage: Viel Parken, wenig Wohnen? 66
Vertikale Staffelung: Im Erdgeschoß parken, im Obergeschoß wohnen 70
Architektonische Merkmale
Straßengarage: Die Garage als Schutzwall 77
Oberhaupt Garage: Die Garage als Kopf des Hauses 86
Snout House: Die vorspringende Garage 94
Snout House am Beispiel Portland, Oregon 96
Snout House auch in Österreich? 100
Ästhetische Merkmale
Angefügte Garage: Das Eselsohr des Wohnhauses 104
Dekorierter Schuppen oder Ente: Die verkleidete Garage 110
Ente – Carloft Berlin 111
Ente – Parken und Wohnen in Vietnam 114
Dekorierter Schuppen – Cybiag 117
Dekorierter Schuppen – Style your Garage 118
Dekorierter Schuppen – Fertiggarage 120
Ein Haus, ein Dach, eine Garage: Die Garage mit dem Wohnhaus vereint 122
Schmuckstück Garage: Die Garage als Kopie des Wohnhauses 130
Conclusio 140
Danke! 143
Literaturverzeichnis 144
„Kein Bedarf an Eigenheimen?
Es wird viel die Geschichte von der jungen Dame und dem Bauunter-
nehmer erzählt, der ihr ein Haus verkaufen wollte. „Ein Eigenheim?”
fragte sie, „wozu brauche ich ein Heim? Ich wurde in einem Kranken-
haus geboren, in einem College erzogen, in einem Auto geküsst und
verheiratet in einer Kirche. Ich verbringe meine Tage im Büro und
meine Abende im Kino, im Theater oder in Vortragssälen. Alles, was
ich brauche, ist eine Garage!””
aus „Die Zeit” publiziert in „Das Haus” 1955, S.10
Abb.7.1 3454 Sitzenberg-Reidling
8
Damals wie heute ist das wohl eine Einzelaussage. Der Traum von den eigenen vier
Wänden, und nicht nur von einer Garage, ist auf der Rangliste der zum Lebensglück
zu erfüllenden Dinge sehr weit oben angeordnet, unmittelbar vor oder nach einem
eigenen großen Auto. Die Garage ist ein Luxus, den man sich nach Eigenheim und
Auto zusätzlich erfüllt, aber bestimmt nicht stattdessen. Viele Menschen verbringen
den Großteil ihrer Zeit außerhalb ihres Hauses oder schlafend zu und dennoch legen
sie besonderen Wert darauf, ein repräsentatives Heim vorzuweisen. Genau aus
diesem Grund sind auch Attribute die sich nach außen spiegeln besonders wichtig,
wie ein gepflegter Vorgarten, ein hübsches Haus, ein großes Auto und eine beein-
druckende Garage.
Die fachspezifisch-architektonische Sichtweise lässt die Garage häufig als unschein-
bare „Stiefschwester” des Einfamilienhauses erscheinen. Dies hatte zur Folge, dass
die Garage als Forschungsgegenstand der Architektur bislang eher vernachlässigt
wurde.
Im Verhältnis zum Wohnhaus ist die Garagengröße in den letzten Jahrzehnten
beträchtlich angestiegen, da die durchschnittliche Familie zwei oder mehrere Autos
besitzt.
Dies hängt mit der zunehmenden Bedeutung des privaten Automobils zusammen.
„Our necessity is of course the car – our own moving cocoon that allows us to travel
almost anywhere at any time. And it is this desire for private transport that has
spawned a monstrous phenomenon that creates crippling smog and traffic gridlock
in crowded cities across the world.
The power of the car and our own desire to own one, cannot be understand.”
Jones 2006, S. 64
Vorwort
9
Private PKWs werden nicht selten mit geradezu liebevoller Hingabe gehegt und
gepflegt. Die Garage könnte hier als Ausdruck der zweiten Hülle des so wichtigen
Privatautos gedeutet werden, besonders wenn man Gestaltung und Ausschmückung
derselben genauer betrachtet.
„[…] die „Einhausung” der Fahrzeuge drückt den sozialen Status des Besonderen
aus, der dem eigenen Fahrzeug vor dem II.WK noch zu Eigen war.”
Hasse 2007, S.27
Gleichzeitig ist jedoch die Garage auch eine Grenze/Schwelle zwischen Innen und
Außen. Die Grenze/Schwelle wird mit dem Auto gleichermaßen überfahren wie zu
Fuß ins Intime des Wohnhauses übergangen. Die Garage ist ein Ort des Übergangs,
genauso gut wie ein Zwischenlager. Das Auto wird vorübergehend geparkt, während
es nicht benutzt wird, und auch andere Dinge, über deren endgültige Bestimmung
noch kein Urteil gefällt wurde (werden diese Dinge weiterhin aufbewahrt oder
warten sie auf die nächste Sperrmüllentsorgung?) werden in der Garage zwischen-
gelagert.1
Daher ist die Position der Garage zum und die Verbindung mit dem Wohnhaus ein
besonderer Schwerpunkt dieser Forschungsarbeit.
Schließlich unterliegt die Garage auch diversen Nutzungs- und Funktionsänderun-
gen, wie dies unter anderem aus diversen US-amerikanischen TV-Serien bekannt
ist. So wird aus der Hülle der privaten Mobilität ein Partyraum für Teenager, ein
Hobbyraum für den Heimwerker, ein quasi verlängertes Football-Stadion mit
Breitbild-TV oder auch nur eine Abstellkammer für altes Gerümpel.
All diese Entwicklungen nehmen in den USA ihren Ausgang, wirken aber zusehends
auch auf die europäischen Gesellschaften und deren Raumprägungen ein.
1 vergl. Hasse 2007, S.59
10
Was ist eine Garage?
Das Wort „Garage” kommt aus dem Französischen und bedeutet soviel wie „Lager-
raum”, „Lagerhaus”; der Wortstamm, vom französischen Wort „gare” (Bahnhof)
übernommen, deutet auch auf „sicheres Verwahren” hin.
Die Baukörperbezeichnung hätte auch englisch sein können – „warage” – aber im
Vergleich zum französischen Wort „garage” fehlt dem englischen Wort der exotische
Beiklang der jungen Automobil-Kultur. Wenn das Wort auch Englisch oder Deutsch
ausgesprochen wird, so klingt es dennoch aufregender als das, was es in der eige-
nen Sprache eben ist: „a warage” oder „ein Lagerraum”.1
„Garage [frz.], Abstellraum für Kraftfahrzeuge. Auftreten als Einzel-, Reihen- und
Stockwerksgaragen (Hochgaragen, Parkhäuser). Unterirdische Anlagen als Tiefgara-
gen, in Kombination mit Touristenhotels als Motel bezeichnet.”
Seemanns Internationales Architektur Lexikon von A bis Z 2004, S.92
„garage (gah razh‘), a building or room for the storage of automobiles.”
Dicitonary of Architecture 1952, S.73
„[…] 1. Einstellraum für Kraftfahrzeuge. 2. Autowerkstatt”
Duden, Das Fremdwörterbuch, Band 5, 7.Auflage, 2002, S.341
„Eine Garage (auch Parkbau) ist eine abschließbare, überdachte und durch feste
Wände (mit Garagentor) umschlossene Abstellmöglichkeit für Fahrzeuge, meist
PKWs. Eine Garage soll vor Diebstahl ebenso schützen wie vor Witterungseinflüssen
und wird oft auch zur Lagerung von Werkzeugen und als Reparaturplatz genutzt.
[…]”
Wikipedia, 22.10.09 (11:40)
Begriffsbestimmung
1 vergl. Jackson 1980, S.104
11
Die Definitionen in fachspezifischen Lexika wie in Sprachlexika sind allgemein gehal-
ten und gehen weder genau auf die Garagentypologie sowie den Baukörper (mit
einer Ausnahme) ein. Der Verweis auf die Großgarage/das Parkhaus ist in vielen
Lexika deutlicher hervorgehoben wie die Definition des Wortes Garage.
Garagen werden wie folgt unterschieden: Einzelgaragen, die Platz für ein einzel-
nes Fahrzeug in einem abschließbaren Raum bieten und Kleingaragen, die ein oder
mehrere Fahrzeuge, meist PKWs, auf maximal 50 m² Nutzfläche aufnehmen kön-
nen. Sie kommen meist in Verbindung mit dem Einfamilienhaus vor. Diese Garagen-
typologie wird in dieser Forschungsarbeit untersucht.
Die folgenden Auszüge aus dem Wiener Garagengesetz und der Niederösterreichi-
schen Bauordnung geben weitere Bestimmungen zur Errichtung von Kleinstgaragen
vor. Die Auszüge wurden dem Forschungsgebiet entsprechend entnommen:
„Wiener Garagengesetz
§ 4 Städtebauliche Vorschriften
(4) Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen sind auf gärtnerisch auszugestal-
tenden Teilen der Liegenschaft grundsätzlich unzulässig. Kleinanlagen mit einer
Bodenfläche bis zu 50 m2 sind in der Bauklasse I und II auf seitlichen Abstands-
flächen, im Vorgarten jedoch dann zulässig, wenn ihre Errichtung auf seitlichen
Abstandsflächen oder auf Teilen der Liegenschaft, die der Bebauung offenstehen,
im Hinblick auf die Geländeverhältnisse oder wegen des vorhandenen Baubestandes
nicht zumutbar ist; Zu- und Abfahrten sind in die in Anspruch genommene Boden-
fläche nicht einzurechnen.
(5) Kleinanlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen gemäß Abs. 4 dürfen nicht
mehr als ein über dem anschließenden Gelände liegendes Geschoss aufweisen.
Die Gebäudehöhe darf nicht mehr als 3,50 m und die Firsthöhe nicht mehr als 4 m
Die Kleingarage ist im Bezug auf das Einfamilienhaus bisher von der Forschung
nicht weiter betrachtet worden. Der Grund darin liegt, dass vernakuläre Architek-
tur, also anonyme traditionelle Architektur, nicht die gleiche Wertschätzung erhält,
wie von Architekten/innen entworfene Bauten. Unter den Architekten/innen sind
Einfamilienhäuser keine prestigeträchtigen Bauten und Garagen lästige Anhängsel,
die gebaut werden müssen, aber nicht weiter erwähnt werden. Deshalb kommt die
Garage in fachspezifischen Publikationen so gut wie gar nicht vor.
Jedes einzelne Einfamilienhaus kann natürlich nicht Erwähnung finden, aber in der
Masse gesehen gibt das Einfamilienhaus mit dazugehöriger Garage unter bestimm-
ten Aspekten ein interessantes Forschungsgebiet ab.
Die Erwähnung der Garage in fachspezifischer Literatur ist nur beiläufig, ober-
flächlich und oftmals überholt, veraltet, wie bereits bei der Definition des Wortes
Garage festgestellt wurde. Unter einer Anzahl von neun ausgewählten deusch- und
englischsprachigen Architekturlexika1 konnten nur drei Erwähnungen2 gefunden
werden. Der Begriff „Gartenhaus” findet in der architekturbezogenen Literatur mehr
Beachtung als die Garage. Die Begriffserklärung beschränkt sich auf eine allge-
meine Kernaussage: „ein Abstellraum für Kraftfahrzeuge”, eine detaillierende Aus-
sage wird nicht oder nur vage vorgenommen. Eine Erwähnung im Oxford Compa-
nion to Architecture reduziert den Begriff Garage auf Autoparks und Großgaragen:
„garages see car parks, multi-storey and garages.”
The Oxford Companion to Architecture 2009, S.348
Wenn die Garage erwähnt wird, dann in Bezug auf das Parken des Autos und den
Platz, der dafür im Straßenraum eingenommen wird. Parkgaragen/Parkhäuser
genießen die ganze Aufmerksamkeit, weshalb sie auch in ihrer Entwicklung und
Ästhetisierung viel weiter vorangeschritten sind als Einzel- bzw. Kleingaragen.3
1 A Short Dictionary of Architecture, Ware/Blatty 1953; Bildwörterbuch der Architektur, Koepf 2005;Dictionary of Architecture and Building Technology, Cowan/Smith 1986; English Architecture, Curl 1977;
Lexikon der Weltarchitektur, Pevsner/Fleming 1992; Knaurs Lexikon der modernen Architektur, Hatje 1963; 2 Seemanns Internationales Architektur Lexikon, Kadatz 2004; Dictionary of Architecture, Saylor 1952; The
Oxford Companion to Architecture, Goode 20093 vergl. Hasse 2007, S20.
15
Fachzeitschriften für zukünftige Bauherren/innen setzen sich eher noch mit dem
Thema Garage auseinander, aber Konstruktion und Materialwahl sind wichtiger
als Positionierung und ein stimmiges Bauwerksgefüge. Garagen sind wichtig, aber
das Wohnhaus ist wichtiger, diese Rangordnung wird die Garage ästhetisch immer
benachteiligen. Die Garage soll so groß und funktionell wie möglich sein, aber der
Quadratmeterpreis der Garage muss deutlich unter dem Quadratmeterpreis des
Wohnraumes liegen.
16
Die Verbreitung des Automobils
Um die Entwicklung der Garage nachvollziehen zu können, bedarf es einer ana-
lytischen Betrachtung der Verbreitung des Automobils im europäischen sowie im
US-amerikanischen Raum.
Die Anfänge des Automobils und die Eroberung des Raumes durch das Automobil
gingen in Europa verglichen mit den USA sehr langsam voran. Die erste „motori-
sierte Kutsche” wurde 1886 von Carl Benz und Gottlieb Daimler gebaut. Die Ver-
breitung des Automobils begann Mitte 1890. Es gab immer wieder Rückschläge und
nicht selten wurden verschlungene Wege zur Zielerreichung eingeschlagen.1
Für die unterschiedlich rasche Verbreitung des Autos im europäischen und im US-
amerikanischen Raum sind ungleiche Rahmenbedingungen verantwortlich.
Von der US-amerikanischen Bevölkerung wurde die Bedeutung des Automobils
als Massenverkehrs- und Produktionsmittel rascher begriffen als von Europäern.
Trotzdem orientierten sich Europäer wie US-Amerikaner an der Oberschicht, das
Auto wurde als vergrößertes Spielzeug betrachtet. In Europa war aber Luxus ein
wesentlicher Faktor in Planung und Produktion und amtliche Hindernisse erschwer-
ten zusätzlich die Verbreitung des Automobils.2
In den USA entdeckte Henry Ford die Vorteile der Massenproduktion für das Auto-
mobil. Der US-amerikanische Kraftfahrzeugmarkt war und ist wesentlich größer als
in Europa, durch Massenproduktion konnte das Modell T von Ford billiger herge-
stellt, verkauft und verbreitet werden. In nur wenigen Jahren wurde das Modell T
15 Mio. Mal gebaut und innerhalb der USA verkauft. Konzeption und Produktions-
weise des Modell T dienten später als Vorbild für den deutschen Volkswagen.2
Die USA besaß Erdöl in Hülle und Fülle, weshalb der Kraftstoffpreis wesentlich güns-
tiger war als in Europa. Zusätzlich hatte Europa ein gutes Eisenbahnnetz, was die
In den USA setzte bereits 1920 die Massenmotorisierung ein. Zeitgleich mit der
Verbreitung des Automobils begann auch das Parken zum Problem zu werden, teils
skurril anmutende Lösungsversuche folgten, wie zum Beispiel in Miami. Dort behalf
sich die Polizei damit, den Fahrersitz aus dem Auto von Falschparkern zu entfernen.
Wenn der Autobesitzer diesen Diebstahl später der Polizei melden wollte, musste er
eine Parkstrafe gegen den Fahrersitz ablösen.1
Nach Einsetzung der Massenmotorisierung in den USA stieg die Bevölkerung in den
Vororten schneller an als in den Stadtzentren. Autos beeinflusste die US-ameri-
kanische Lebensweise sehr stark. „Einkaufzentren” wurden vorerst „Parkzentren”
genannt, da der Umkreis von Einkaufszentren mit Parkflächen gepflastert war.2
Zeitgleich mit der Erfindung des Automobils kam auch die Frage der Unterstellmög-
lichkeit des Automobils auf.3 Die Gebäudetypologie Garage entstand aber auch aus
einem historischen Kontext, der Stallung und Wagenburg. Diese waren bei Schloss-
anlagen im Gesamtkonzept einbezogen. Vermutlich entwickelten sich daraus auch
das Einfamilienhaus und die Garage, eine reduzierte Schlossanlage für die breite
Bevölkerungsschicht. Ein Unterstand musste gefunden werden, da die ersten Autos
„offenen Kutschen” glichen. 1921 waren noch immer 90% der Passagierfahrzeuge
offene Modelle ohne Dach. In der Stadt wurden Mietstallungen umfunktioniert, am
Land Stall oder Wagenschuppen.4
1920 kostete die Unterbringung eines Fahrzeuges in einer Garage mitunter mehr als
die Miete für eine zwei Zimmer-Wohnung.4 Das zeigt deutlich, dass das Automobil
einer wohlhabenden Schicht vorbehalten blieb.
Abb 18.1 Polizist verlädt den abmontierten Fahrersitz eines Falschparkers, Life 1965, Vol.59, No.26, S.60
1 Live 1965, Vol.59, No.26, S.602 vergl. Henley 2007, S.12
3 vergl. Miller 1988, S.104 vergl. Merki 2002, S.44
19
Seit dem 19. Jahrhundert gab es viele Veränderungen, die Behausung war eine
komplizierte Sache geworden, die Architekturszene hatte expandiert, es gab unzäh-
lige neue Formen, sowohl im öffentlichen Leben als auch im privaten. Wohnhäuser
veränderten sich radikal, bestimmte Bereiche wurden entfernt, andere hinzugefügt,
je nach Bedarf.1
Vernakuläre Architektur gibt Einblicke in soziales Verhalten vergangener und gegen-
wärtiger Bevölkerungsgruppen. Anhand von Gebäuden, in denen wir leben, arbeiten
und uns entspannen, lässt sich vieles ablesen. Das Aussehen, traditionelle Baufor-
men und vorhandene Materialien, sowie allgemeine Werte, die sich im Laufe der
Evolution verändert haben, geben Aufschlüsse darüber. die Evolution über unsere
Werte und wie wir uns mit unserer Umgebung abstimmen. Aus dem Wandel verna-
kulärer Architektur im Laufe der Zeit veränderte sich auch der Baukörper Garage.1
„Je mehr ein Kraftwagen vom Luxusbeförderungsmittel eines kleinen begüterten
Kreises zum beruflichen Verkehrsmittel breiter Bevölkerungsschiten sich entwickelt,
desto brennender wird die Frage seiner Unterbringung. Dies gilt in gleicher Weise
für den einzelnen Wagen im Villenvorort wie für die Zahl von Automobilen im Inne-
ren der Stadt. Die noch vielfach anzutreffende behelfsmäßige Unterbringung in Stäl-
len, Remisen, auf dunklen Plätzen oder Höfen, wo sie dem Besitzer am wenigsten
im Wege sind, entspricht nicht mehr der heutigen Anforderung. ... Ja, im Grunde ist
die Lösung der Garagenfrage eigentlich mit einer unerlässigen Voraussetzung der
Verkehrsregelung und damit die zuerst zu erfüllende Forderung.”
Müller 1925 aus Pech 2009, S.1
Die Anfänge der Garage – oder wie es Jackson 1980 in „The Necessity for Ruins and
other Topics” nennt, die Domestizierung der Garage – entwickelte sich im urba-
nen Bereich von Mietställen oder Lagerräumen. Durch die Motorisierung wurden
Mietställe nicht länger benötigt, jedoch ein Unterstand für das Automobil, das wie
bereits erwähnt anfangs ohne Dach gebaut wurde. Der Raum stand zur Verfügung
und durch wenige Veränderungen war eine Garage entstanden.
Die Entwicklung der Garage
1 vergl. Brunskill 2000, S.13
20
Im ruralen Raum legte man Wert auf separate Bauten für Garagen. Sie wurden nie
mit dem Wohnhaus kombiniert und zwar aus sanitären Gründen und wegen Explosi-
onsgefahr, da Benzin in der Garage gelagert wurde. Die Garage war in ihrer Position
isoliert von der Behausung, sie befand sich entweder hinter dem Haus oder hinter
einer Mauer, aber nicht zentral an der Straße.1
Dieser eigenständige Baukörper wurde „motor house” genannt, der Chauffeur
bewohnte den Raum oberhalb der Garage. In den Anfängen der Garage gab es eine
Verbindung zwischen Stall und Garage, diese wurde allerdings bald aufgegeben,
weil Säure, die im Stall vom Kot der Tiere freigesetzt wird, den Lack des Autos zer-
stört. So wurde die Einzelgarage zum autonomen Bautyp.1
1906 in der Bauzeitschrift „House Beautiful”2 wurden die neuesten Garagentrends
publiziert. Dabei handelte es sich um Garagen im Colonial-, Tudor- und Craftmen-
Style. Der Raum in all diesen Garagen war groß, gut belichtet und effizient geplant
mit einer Drehscheibe zum Wenden, einem Autolift und einer Arbeitsgrube für
Reparaturen. Die Arbeitsgrube verschwand wieder aus der Einzelgarage, unter
anderem als der Motor hauptsächlich von oben zugänglich wurde und vermehrt
Reparaturwerkstätten geschaffen wurden. Jedoch wurde zur Pflege des wertvollen
Besitzes, des Automobils, eine separate Waschzone eingeplant.1
Das Garagendesign wurde mit dem Autodesign gleichgesetzt und eine weitere Stil-
richtung die so genannte „Machine Age” Ästhetik entstand.3
Die Garage verlor ihren romantischen Charakter, als Autos auch für die Mittelklasse
leistbar wurden. Das Auto wandelt sich vom Vergnügungsobjekt zum wichtigen
Element für die tägliche Routine und Arbeit. Genau wie das Auto vollzog auch die
Garage einen Wandel vom luxuriösen Solitär zum praktischen Unterstand.3
Die ersten US-Amerikaner, die das Auto für ihre Arbeit nutzten, waren Landärzte
und Farmer. Vorerst wurde das Auto hauptsächlich für Notfälle eingesetzt, aber
schon bald wurde es Teil des Alltags, weshalb aus der Garage auch ein anderer
1 vergl. Jackson 1980, S.1052 Erwähnung in Jackson 1980, S.105
3 vergl. Jackson 1980, S.106
21
Bautypus entstand. Große Garagen mit integrierter Wasch- und Reparaturzone ver-
schwanden und an deren Stelle entstanden kleine versetzbare oder vorfabrizierte
Garagen.1
Zur Zeit des Ersten Weltkriegs waren die Grundstücksgrößen einer durchschnittli-
chen Rasterstadt in etwa 25 x 100 ft, was etwa 7,6 x 30,5 m entspricht. Wegen der
schmalen Grundstücksflächen wurden die meisten Garagen direkt an das Wohnhaus
gebaut. Der Standort der Garage, zurückversetzt an den hinteren Teil der Grund-
stücksgrenze, wurde weiterhin beibehalten. Zwei betonierte Fahrspuren führten
vom Garagentor bis zum Bordstein und durchtrennen den ohnehin kleinen Garten.2
1928 in Radburn, New Jersey wurden die ersten Garagen als Ensemble zur Behau-
sung geplant und trotzdem blieben sie getrennt und versteckt im hinteren Teil des
Grundstückes.2
In den 1930er Jahren in Kalifornien entstand der Trend, die Garage mit dem Haus
im gleichen Design zu gestalten, damals aus Gründen der Materialressourcen, heute
primär aus ästhetischen Gründen.3
Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte sich die Garagenarchitektur radikal.
Die Garage wuchs mit der Behausung zusammen und eine Verbindungstür mit
der Küche oder dem so genannten „mud room” (=Schmutzraum) wurde in die
Garage integriert. Außerdem gewann der Garagenbaukörper wieder an Volumen,
das Bedürfnis nach mehr Platz in der Garage wurde größer. Platz für zwei Autos,
Gefrierschrank, Waschmaschine und Trockner, Heißwasseranschluss, Heimwerker-
bank und Gerümpel wie alte Möbel, Skier, Gartenutensilien und vieles mehr fand
sich in der Garage ein. Einst dem Chauffeur und seinem Automobil vorbehalten,
beanspruchte nun die ganze Familie Platz in der Garage.3
Laut Jackson4 hat die Garage nun, da die Garage für die gesamte Familie optimiert
wurde, ihre Domestizierung vollzogen.
1 vergl. Jackson 1980, S.1062 vergl. Jackson 1980, S.1073 vergl. Jackson 1980, S.1084 vergl. Jackson 1980 in „The Necessity for Ruin and other Topics ”, S.105-111
22
Nicht nur der Platz in der Garage sondern auch außerhalb ist klar definiert. Vor der
Garage muss genügend Platz zum Parken für ein weiteres Auto sein, denn jeden
Sonntag wird das Auto aus der Garage geholt, gewaschen und poliert. Oberhalb
des Garagentors hat bei typischen US-amerikanischen Häuser ein Basketballkorb zu
hängen, was wiederum den Vorplatz der Garage rechtfertigt.
Mindestens zwei Autos waren und sind noch immer notwendig für eine Familie mit
moderatem Einkommen, aus Gründer der Ablehnung und Mangel des öffentlichen
Verkehrs und weil die Wege durch das Wachstum der Vororte immer länger wer-
den. Ein Auto wird benötigt für den Weg in die Arbeit und zurück und eines für den
Haushalt, um die Bedürfnisse der restlichen Familienmitglieder zu erfüllen.1 Dabei
entsteht ein Teufelskreis, durch die häufigen Ausfahrten werden mehr Dinge nach
Hause gebracht, wodurch wiederum Altes in der Garage verstaut werden muss.
Die Zeitschrift „Practical Builder” prophezeite 19682 die Garage für drei Autos. Eine
massive große Garage verspricht ein eindrucksvolleres Haus und die drei Garagen-
tore lassen auf ein hohes Einkommen des Besitzers schließen. Der zusätzliche Raum
in der Garage kann zur Aufbewahrung eines Bootes oder zur Ausübung von Freizei-
taktivitäten genutzt werden. So wirbt die Zeitschrift mit scheinbaren Vorteilen einer
Dreifachgarage, als hätte sie gerade eine riesige Entdeckung gemacht.
Die Entwicklung von Garagen wird allerdings nicht von Zeitschriften und ihren
Ratschlägen bestimmt, Nachfrage und Bedürfnisse der Bewohner bestimmen sie.
Außerdem war die Zeitschrift mit ihren Prophezeiungen einige Jahrzehnte zu spät;
sie waren längst eingetreten.
In der Zwischenzeit hatte sich auch in Europa das Auto etabliert. Mit der anwach-
senden Motorisierung stieg auch der Bedarf an Einstellplätzen bei Geschäfts- und
Wohnhäusern. Daher wurde 1939 in der Reichsgaragenverordnung gefordert3:
1 vergl. Jackson 1980, S.1092 Erwähnung in Jackson 1980, S.110
3 Das Haus 1955, 1.Heft, 7.Jahrg, S.12
23
„Verordnung § 2 Schaffung von Einstellplätzen:
1. Wer Wohnstätten, Betriebs- und Arbeitstätten oder ähnliche bauliche Anlagen
errichtet oder Um- und Erweiterungsbauten ausführt, die den Wert solcher bau-
lichen Anlagen erheblich steigern, hat für die vorhandenen oder zu erwartenden
Kraftfahrzeuge der Bewohner, des Betriebes und der Gefolgschaft Einstellplätze in
geeigneter Größe, Lage und Beschaffenheit samt den notwendigen Zubehöranlagen
auf dem Baugrundstück oder in der Nähe zu schaffen.
[2. …]
3. Durch öffentliche Polizeiverordnung oder Ortssaztung kann für das ganze
Gemeindegebiet oder für Teile bestimmt werden, daß auch bei bestehenden Wohn-
stätten, Betriebs- und Arbeitsstätten oder ähnlichen baulichen Anlagen Einstell-
plätze nach § 1 für die vorhanden Kraftfahrzeuge der Bewohner, des Betriebs und
der Gefolgschaft gefordert werden kann, wenn auf dem Grundstück die benötigte
Fläche in geeigneter Lage und Größe vorhanden ist.
4. Statt des Einstellplatzes oder eines Teiles können entsprechend große Garagen
geschaffen werden.
§ 3 Garagenbaupflicht
Wenn in den Fällen des § 2 Abs. 1 zu befürchten ist, dass durch das Einstellen meh-
rerer Kraftfahrzeuge die Verkehrs- oder Feuersicherheit gefährdet oder das Wohnen
und Arbeiten in den umliegenden Gebäuden durch Lärm oder Gerüche erheblich
gestört wird, kann die Baugenehmigungsbehörde verlangen, daß statt des Ein-
stellplatzes oder eines Teiles davon Garagen geschaffen werden. Dies gilt auch bei
den im § 2 Abs. 1 genannten Um- und Erweiterungsbauten, wenn der erforderliche
Abstellplatz nicht gewonnen werden kann.”
Das Haus 1955, 1.Heft, 7.Jahrg., S.12
24
Der Bedarf an Garagen in Deutschland war bereits 1939 groß, was die Reichs-
tagsgaragenverordnung aufzeigt, und der Bedarf an Garagen blieb auch in den
folgenden Jahrzehnten noch bestehen. Der Kraftfahrzeugbestand in Deutschland
betrug mehr als 4 Millionen und stieg jährlich um weitere 800.000 Fahrzeuge an.
Die Bauzeitschrift „Das Haus” publizierte 1955 einen Artikel, der die Notwendigkeit
einer Garage aufzeigt. Das Fachmagazin analysiert die verschiedenen Unterstell-
möglichkeiten eines Fahrzeugs und die damit verbundenen Kosten und erteilte auch
Tipps zur Planung der eigenen Garage1:
Für je drei Wohnungen musste ein Abstellplatz vorhanden sein. Falls die dafür not-
wendige Fläche nicht gegeben war, musste an die Stadt ein entsprechender Betrag
bezahlt werden, um damit öffentliche Parkmöglichkeiten zu schaffen. Die Unterbrin-
gung eines Fahrzeugs verursachte Kosten.1
Die kostengünstigste Variante zum Schutz des Autos war/ist eine Plane, aber eine
solche schützt lediglich vor leichten Witterungseinflüssen. Das Fahrzeug bleibt wei-
terhin ein Hindernis auf der Straße.1
Die Garage aus Wellblech als nächste Variante ist etwas billiger als die massiv
ausgeführte Garage, aber sie stört häufig das Gesamtbild der Anlage und ist des-
halb nur im hinteren Teil eines Geländes oder bewachsen auf Gartengrundstücken
vertretbar.1
Die einzelstehende massive Garage war/ist die teuerste unter den bereits ange-
führten Garagen. Die Kosten verringern sich um ca. 10 bis 20%, wenn mehrere
Garagen zusammengebaut werden und nur durch Drahtgitter abgeteilt sind.1
Eine einfachere Lösung ist der überdachte Abstellplatz. Er kann zum Beispiel zwi-
schen zwei Gebäuden eingeschoben werden.1
1 vergl. Das Haus 1955, 1.Heft, 7.Jahrg, S.10-13
25
Die Garage soll aber vor allem so positioniert werden, dass keine Bereiche des Hau-
ses oder um das Haus gestört werden, wie etwa der Eingang oder das Blumenbeet,
und die Garagenumgebung muss genügend groß sein, um Platz zum Ein- und Aus-
fahren sowie zum Wenden zu haben. Die Garagendimensionierung sollte so gewählt
sein, dass ein leichtes Ein- und Aussteigen in das Auto möglich ist, und nach US-
amerikanischen Vorbild besser etwas größer, da die Autogröße stetig steigt.1
Die Kellergarage stellt eine besondere Anforderung an eine gute Bauausführung dar.
Die Abfahrt von der Straße zum Garagenkeller muss ohne Gefährdung des Verkehrs
möglich sein und die entsprechende Raumhöhe muss vorhanden sein. Die Wände
und Decken müssen mit besonders dichtem Putz versehen werden, damit keine
Verbrennungsabgase in den Wohnbereich dringen. Es ist nicht ratsam, oberhalb der
Garage Schlafräume anzubringen.1
Die Einfahrt zur Garage darf nicht den Straßenverkehr oder Passanten/Passantinnen
gefährden. Das Eingangstor muss 2,40m Mindestbreite aufweisen und zweiflügelig
verriegelbar sein.1
Die Adaptionen von Gebäuden als Garage ging rasch voran, dabei sind zwei gegen-
sätzliche Richtungen in der baulichen Entwicklung der Garagen spürbar. Einerseits
hat die Einzelgarage den Wandel von der Zweckmäßigkeit und Effizienz zur Ästhetik
noch nicht vollständig durchzogen. Die Gesellschaft ist auf das Auto angewiesen
und das wird auch weiterhin so bleiben. Die baulich-räumlichen Nebenprodukte der
Gesellschaft und ihrer Transportmittel werden zunehmend unbeliebter. Andererseits
ist es damals wie heute wichtig die Grenzen zwischen Auto und Garage möglichst
transparent zu halten. Der Glanz des Automobils sollte auch auf die Garage abfär-
ben, das Garagentor soll verraten, welche Automarke, welches Modell sich dahinter
verbirgt.
1 vergl. Das Haus 1955, 1.Heft, 7.Jahrg, S.10-13
26
Die Umnutzung der Garage in US-amerikanischen TV-Serien
Die Gesellschaft wird geprägt von der Architektur, und Architektur prägt die Gesell-
schaft. Aufgrund dieses Wechselspiels lassen sich viele Umnutzungen und Funkti-
onsänderungen analysieren und ablesen. So auch in US-amerikanischen TV-Serien,
die in Europa ausgestrahlt werden und ihren Einfluss nehmen. Ein Beispiel ist der
Basketballkorb über dem Garagentor. Mittlerweile in Europa häufiger verbreitet als
in den USA, ist er ursprünglich vom US-amerikanischen Massensport übernommen.
Ein ähnliches Phänomen sind Pools auf privaten Grundstücken, im sonnigen Kali-
fornien erklärbar, jedoch im niederschlagsreichen wechselhaften Österreich reiner
Luxus. Vorbilder für diesen Luxus sind US-amerikanische TV-Serien und Filme. Auch
in Bezug auf Garagen werden europäischen Bauherr/innen einige Vorbilder geliefert,
wie etwa in Position und Größe der Garage. Die Einflüsse zeigen sich allerdings auch
in kleinerer Form, etwa in Form einer Verbindungstür von der Garage ins Wohn-
haus, die im Laufe der Zeit von US-amerikanischen Häusern übernommen wurden.
Die Verbindungstür führt zwar in den seltensten Fällen – wie bei US-amerikanischen
Wohnhäusern – in einen Vorraum der Küche, den sogenannten Schmutzraum/
Waschküche, aber oft in Stiegenhäuser oder Vorräume. Dieses spezielle Betreten
von Wohnhäusern über eine eigene Tür wurde ebenfalls von US-amerikanischen
TV-Serien verbreitet.
Das Ankommen als zentrales Thema wird etwa beim Vorspann der beliebten Zei-
chentrickserie „The Simpsons”1 deutlich: Seit 1989 wird der Garage eine tragende
Rolle zugeschrieben. Der Vorspann zeigt die einzelnen Familienmitglieder bei ihren
Alltagsbeschäftigungen, der Vater bei der Arbeit im Kernkraftwerk, die Mutter mit
der jüngsten Tochter beim Einkaufen, der Sohn bei der Strafarbeit in der Schule und
die Tochter bei der Saxophonprobe. Alle Familienmitglieder kehren nach getaner
Arbeit in ihr Vorstadthäuschen zurück, wo sie zeitgleich vor der Garage eintreffen.
Die Autos der Eltern werden in der Garage geparkt und jeder einzelne stürzt über
die Verbindungstür der Garage ins Wohnzimmer, wo sich die gesamte Familie auf
der Couch niederlässt. Diese Sequenz spiegelt den US-amerikanischen Weg des
Ankommens wieder: über die Garage ins Wohnzimmer.
1 vergl. www.thesimpsons.com, 17.12.2010 (11:36)
27
Die Garage ist aber selten das, was sie vorzugeben scheint. Sie ist nicht nur
Abstellplatz für Autos, sondern viel mehr eine Abstellkammer, ein Partyraum für die
heranwachsenden Kinder oder ein Raum zum Ausweichen für Aktivitäten, die im
Wohnhaus keinen Platz finden.
Diese Thematik wird zum Beispiel in der TV-Serie „Malcom in the Middle” widerge-
spiegelt.
Die Serie handelt vom ganz normalen Leben einer siebenköpfigen Familie mit mit-
telmäßigem bis geringem Einkommen in einem fiktiven US-amerikanischen Vorort.
Die Hauptfigur, der mittlere Sohn Malcom, ist hochbegabt und muss sich gegenüber
den anderen Familienmitgliedern oft durchsetzten, um nicht unterzugehen. Genauso
ist es auch das Leben in dem zu kleinem Vorstadthäuschen, jedes einzelne Famili-
enmitglied muss seinen Platz behaupten und verteidigen. Der Platz ist begrenzt, die
drei Söhne teilen sich ein Zimmer, jeder vorhandene Raum wird optimal ausgenutzt
und trotzdem ist das Haus zum Bersten voll.
In den Anfängen der Serie ist die Garage Abstellkammer für längst vergessenes
Gerümpel, des Öfteren wird ein Flohmarkt veranstaltet um die Garage vom bis an
die Decke gestapelten Dingen zu befreien. Die Garage dient auch als Rückzugs-
raum für einzelne Familienmitglieder. Die Räume des Wohnhauses sind begrenzt,
kein eigenes Zimmer für besondere Beschäftigungen, wie die späte Verwirklichung
des Familienvaters als Künstler, steht zur Verfügung. Seinen Traum vom perfek-
ten Gemälde muss er in der Garage verwirklichen. Auch der zweitjüngste Sohn
hat einen Traum, er will Pianist werden, bekommt aber den Klavierunterricht nicht
bezahlt. Er organisiert sich einen Flügel per Internet, lässt ihn in der Garage auf-
stellen, tarnt den Flügel mit herumliegendem Gerümpel und übt täglich heimlich in
der Garage.
Die Garage wird im Verlauf der Serie als Gästehaus ausgebaut und der zweitälteste
Sohn zieht mit seiner Frau ein.
28
In dieser Serie steht die Garage als Projektionsraum für die Verwirklichung von
Träumen und als Ausweichort zur Verfügung, die Garage beherbergt die Vergangen-
heit in Form des alten Gerümpels und die Zukunft als Raum für eine junge Familie.
In vielen anderen populären TV-Serien wird das Leben in einer US-amerikanischen
Vorstadt wiedergegeben und nicht selten spielt darin auch die Garage eine eigene
Rolle, was anhand der TV-Serie „Two and a Half Men” gut verfolgt werden kann.
Der leichtlebige Werbejingle-Komponist Charlie wohnt mit seinem geschiedenen
Bruder Alan und dessen Sohn Jake in einer Strandvilla in Malibu, Los Angeles.
Die Garage wird des Öfteren beifällig erwähnt, wenn eine der normalerweise sehr
lockeren Beziehungen des Komponisten sich selten aber doch mehr vertiefen und
dem im Strandhaus geduldeten Bruder gedroht wird, seinen Garagenstellplatz für
die neue Flamme hergeben zu müssen.
Jedoch bekommt die Garage eine neue Rolle als sich die Beziehung zur Balletttän-
zerin Mia vertieft, die sehr auf Charlies Gesundheit achtet und ihn anregt, täglich
Sport zu betreiben und ausschließlich Obst und Gemüse zu essen. Der normaler-
weise exzessive Trinker und Genussraucher flüchtet sich in seine Garage, wo er auf
einem Klappstuhl sitzend heimlich ein Glas Scotch trinkt und eine Zigarre raucht.
Hier ist die Garage ein Abstellplatz für die vielen Autos des betuchten Jinglekom-
ponisten, ein Raum von Luxus und Komfort, den der Besitzer gegenüber seinen
weniger gut verdienenden Bruder als Druckmittel einsetzen kann, um zu bekommen
was er will, aber die Garage ist auch ein Zufluchtsort in schwierigen Situationen.
Die Garage ist ein meist männlich dominierter Raum, was sich anhand der oben
angeführten TV-Serien nachvollziehen lässt. Es ist ein Rückzugsort, nicht nur für
das beliebte Auto, sondern auch für dessen Besitzer, dem Familienoberhaupt, dem
Mann. Alles was in den Wohnräumen von der Frau/der Familie nicht gerne gesehen
oder geduldet wird, was im Verborgenen stattfinden soll, findet Platz in der Garage.
29
Eine gendergerechte Garagennutzung kommt so gut wie gar nicht vor in US-ame-
rikanischen TV-Serien, was aber keinen eindeutigen Rückschluss auf das wirkliche
Leben gibt.
Eine US-amerikanische TV-Serie bildet allerdings die Ausnahme, die Serie „Gilmore
Girls”. Die allein erziehende Mutter Lorelai wohnt mit ihrer pubertierenden Toch-
ter Rory in einer fiktiven Kleinstadt von Connecticut in einem Vorstadthäuschen
mit freistehender Garage. Die Garage ist ein Art Lagerraum und wird nicht weiter
genutzt. Das Auto parkt immer in der Einfahrt und lediglich alle paar Jahre, wenn
der Schneefall so groß ist um das Auto freischaufeln zu müssen, wird über das
Versäumnis geklagt, die Garage für anderweitige Dinge zu benutzen und nicht zum
Parken des Autos. Als die Freundin der Tochter einen heimlichen Proberaum für
ihre Bandprobe sucht, stellen Mutter und Tochter die Garage zur Verfügung. Ein
Flohmarkt zur Entrümpelung wird veranstaltet und Schlagzeug mit Band-Utensilien
ziehen ein. Die Band ist bald erfolgreich, die Geheimhaltung nicht mehr zwingend
erforderlich und es folgt die Rückanordnung der Garage zur alten Abstellkammer,
bis der Lebensgefährte der Mutter ein unfertiges Boot erbt und einen Unterstand
und Werkstätte für das Wassergefährt sucht. Die Garage wird zum Bootshaus und
Heimwerkerschuppen. Die Beziehung geht im Verlauf der Serie in die Brüche das
Boot zieht wieder aus. Die Mutter erträgt die Leere in der Garage nicht. Die Garage
weist sie täglich auf ihren Verlust hin und so gestaltet sie die Garage mit Hilfe von
Freunden um, in ein rosafarbenes Nähzimmer für sich selbst.
Die geschlechterspezifische Garagennutzung bewirkt nur minimale Unterschiede,
der Heimwerkerraum bleibt Heimwerkerraum, die Funktion ändert sich nicht, ledig-
lich die Ausgestaltung variiert zu klischeehaft-weiblichen, rosafarbenen Wänden.
30
Kulturelle Unterschiede und deren Einfluss auf die GebäudetypologieWohnhaus und Garage
Bei der Betrachtung von Wohnhäusern und ihren Garagen geht es hier nicht um
Wohnhäuser, die von Architekten geplant und nach modernsten Techniken ausge-
führt sind. Die Betrachtung konzentriert sich vielmehr auf vernakuläre Architektur,
um Wohnhäuser, die durch kulturelle Einflüsse und Traditionen von der Gesellschaft
geprägt wurden und sich stetig anpassen und verändern. Domestizierte vernakuläre
Architektur beinhaltet Gebäude für das Wohnen, Essen, Sitzen, Schlafen, Verstauen
von Dingen, etc. Um diese Tätigkeiten ausführen zu können, müssen die optimalen
Voraussetzungen und die optimalen Räume dafür geschaffen werden.
Dabei muss aber auch ein wesentlicher Unterschied zwischen Stadt und Land gezo-
gen werden. Die urbane Bevölkerung steht unter anderen Einflüssen, Bildungsgrad
und Einkommen sind wesentliche Faktoren, die Einfluss nehmen. Die rurale Bevöl-
kerung steht unter einer höheren sozialen Kontrolle. Diese Faktoren wirken sich
unterschiedlich auf den Bauprozess von Wohnhäusern aus.1
Aber auch allgemeine Faktoren wirken sich auf die Gebäudetypologie Wohnhaus
und Garage aus, wie etwa neue Erkenntnisse im Bereich Gesundheit und Sicherheit,
oder Fortschritte in der Technik. Diese Faktoren können im Bezug auf den Garagen-
bau eine ansteigende Zahl der Autobesitzer bewirken, was wiederum zu Platzpro-
blemen nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch auf dem privaten Grundstück
führt. Dabei müssen die aktuellen Wohnformen neu überdacht werden.
Bei der Planung von Wohnungen und Häusern werden für die kleinste Wohnung
bereits ein bis zwei Parkplätze mit eingeplant, bei größeren Häusern mindestens
drei, dafür werden auch größere Grundstücke benötigt, was wiederum zu einer Zer-
siedelung von Städten und Orten führt, die verkehrstechnisch erschlossen werden
müssen. Diese weite Streuung von Wohngebieten macht die Bevölkerung jedoch
weiterhin abhängig vom Auto. Durch das schnelle Anwachsen des Privatverkehrs
entsteht eine visuelle Veränderung des Erscheinungsbildes der Stadt. Die Stadt wird
geprägt durch die Dominanz von Straßen und Parkflächen.2 Ein gutes Beispiel für
diese Stadtentwicklung ist Los Angeles; darauf wird noch genauer eingegangen.
1 vergl. Jackson 1980, S.1052 vergl. Noble/Jenks 1996, S.47-51
31
Die Dominanz von Autos in der Landschaft wird unterstützt durch die oftmalige
Umnutzung der Garage. Ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung, die eine Garage
zur Verfügung haben, benutzen diese, um ihr Auto darin abzustellen, was eine
Umfrage 1991 in England untermauerte1. Zwei Stadtteile von Reading, einer bri-
tischen Stadt in der Grafschaft Berkshire auf halber Strecke zwischen London und
Oxford, wurden untersucht (Lower Earley and Woodley) und Bewohner/innen nach
ihren Gewohnheiten in Bezug auf die Garagennutzung befragt.
Die Umfrage ergab, dass sehr wenige der befragten Leute das Auto nach jeder
Ausfahrt in die Garage stellen, der Großteil nützt die Garage nur im Winter, bei
schlechtem Wetter, oder um das Auto während des Urlaubs sicher zu verwahren.
Die Garage wird benutzt als Abstellraum für Garten- und Haushaltsgeräte, Hand-
werksbedarf, Autozubehör, Sportartikel, Campingausrüstung und Wohnwägen und
vieles mehr. Nicht nur als Abstellraum wird die Garage benutzt, sondern auch als
erweiterter Wohnraum, wie zum Beispiel als Arbeitsraum, zum Halten von Haustie-
ren, als Küche, als Büro oder als Spielraum.1
Drei von fünf befragten Haushalten besitzen zwei oder mehr Autos, eine ausgespro-
chene Minderheit besitzt gar kein Auto.1
Die Benutzung der Garage hängt sehr stark von der Größe ab, Doppelgaragen
werden häufiger benutzt als Einzelgaragen. Die Garage ist nicht nur für das Auto
wichtig, sondern auch zum Verstauen anderer Dinge und wenn dafür in einer klei-
nen Garage kein Platz ist, weicht das Auto, das mit einem eigenen Dach ohnehin
gut gegen Witterungseinflüsse geschützt ist, ins Freie aus.1
Mehr als die Hälfte der Befragten benützt die Straße aber dennoch nicht als Park-
platz, sondern stellt das Auto in die eigene Einfahrt. Das Auto ist auf dem eigenen
Grundstück im Blickfeld der eigenen vier Wände und so scheint es sicherer verwahrt
als auf der Straße.1
1 vergl. Noble/Jenks 1996, S.47-51
32
Die Garagennutzung unterschiedet sich im europäischen Raum nicht wesentlich
vom US-amerikanischen. Die Garage wird sehr häufig als Abstellraum benutzt und
weniger häufig zum Parken des Autos.
Was bedeutet „Parken” für eine/n US-Amerikaner/in?1
Parken beansprucht sehr viel Platz, parken bedeutet ankommen, ein Ziel fast
erreicht haben. Für die US-amerikanische Bevölkerung ist Parken sehr wichtig, sie
nehmen sich den Platz den ihr Auto dafür braucht, egal ob auch genügend Raum
zum Parken zur Verfügung steht. In den USA wird dem Parken in der Regel sehr
wenig Respekt und Affektion entgegengebracht.
„Asphalt too frequently wins over architecture…”
Jakle/Sculle 2004, S.244
Diese Aussage bringt das US-amerikanische Verhalten in Bezug auf Parken sehr
gut auf den Punkt. Parkplätze und Straßen sind oft wichtiger als Gebäude. Der
US-amerikanischen Bevölkerung liegt sehr viel daran, mit dem Auto alles erreichen
zu können, vor der Türe parken zu können, um so wenig Weg wie möglich zu Fuß
zurücklegen zu müssen. Diese Bequemlichkeit steigt, so scheint es, proportio-
nal zum Einkommen. Der typische normalverdienende US-amerikanische Bürger
kann sich ein großes Auto und den dafür nötigen Benzin leisten. Um Bewegung zu
machen wird ein Fitnesscenter angefahren.
Die österreichische Einstellung zum Parken ist in gewisser Weise ähnlich, nur dass
eine klarere Trennung zwischen Stadt und Land gezogen werden muss. Das Stra-
ßennetz ist in Österreich sehr gut ausgebaut, in Städten mit öffentlichen Verkehrs-
mittel und Fahrradwegen genauso wie mit Straßen. In den Ballungszentren gibt
es wenige Parkplätze, die Städte sind langsam gewachsen, die Zentren sind dicht
verbaut und der Platz ist begrenzt.
1 vergl. Jakle/Sculle 2004, S.244-246
33
Weniger gut ausgebaut ist das öffentliche Verkehrsnetz im ländlichen Raum. Grö-
ßere Distanzen müssen zurückgelegt werden, die Intervalle von öffentlichen Ver-
kehrsmitteln sind zu groß, das Netz ist weniger dicht als in Städten und in ruralen
Gebieten gibt es Parkplätze in Hülle und Fülle. Dazu kommt die Unabhängigkeit,
die mit dem eigenen Auto gewährleistet ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln jedoch
deutlich eingeschränkt ist.
US-Amerikaner/innen sind sehr stark mit ihrem Auto verbunden, sie definieren
sich sogar über ihr Auto. Autos geben Auskunft über die Identität einer Person und
Autos stecken Territorien ab. Die Lage des Parkplatzes am Arbeitsplatz (je näher
am Eingang, desto besser) verhilft den/der Beschäftigten zu Ansehen. Das Auto
ist jedoch nicht das einzige Transportmittel, das am Arbeitsplatz das Territorium
absteckt, die so genannte „Bonzenschleuder”, ein separater Lift für höher Bediens-
tete, trägt weiterhin dazu bei.
Autos dienen als Statussymbol genauso wie als Transportmittel. Die US-amerikani-
sche Bevölkerung liebt ihr Auto, sie kümmern sich nicht darum, ob das Parken Platz
in Anspruch nimmt genauso wenig wie es sie kümmert, wie oft sie es für welche
Wegstrecken benützen. Die US-amerikanische Bevölkerung teilt nichts so sehr wie
die Leidenschaft um das Auto. Das Autofahren hat die US-Amerikaner/innen zusam-
men geschweißt.1
Eine Minderheit von US-Amerikaner/innen, meist aus dem liberalen Lager, sieht ein,
dass eine Veränderung notwendig ist. Nicht nur in Bezug auf den großen Platzbe-
darf durch Autos und der immer größer werdende Streuung von Städten, sondern
auch in Bezug auf den Umweltschutz ist es wichtig, eine Veränderung anzustreben.
Ein Großteil der US-amerikanischen Bevölkerung projiziert in ihren Autos Erfolg. Sie
stellt das private Wohl über das der Gesellschaft.1
Auch die österreichische Bevölkerung verknüpft sich sehr stark mit dem Auto, wes-
halb auch in warmen Sommermonaten das Fahrrad keine wirkliche Alternative ist,
denn mit Hilfe des Autos erlangen Autofahrer/innen Ansehen und Respekt.
1 vergl. Jakle/Sculle 2004, S.244-246
34
Das Auto ist Markenzeichen für Wohlstand und Bequemlichkeit.
US-amerikanische Wohnhäuser sind oft visuell dominiert von Garagen und großen
Auffahrten, da der Bedarf an Parkplätzen steigt. Von je einem Parkplatz pro Einfa-
milienhaus/Wohnung auf drei Parkplätze, zwei pro Haushalt und einen für Besucher.
Das zeigt die enge Beziehung der Bevölkerung zum Auto.
Die US-amerikanische Bevölkerung steht aber auch in enger Beziehung zu ihren
Häusern, was nicht überraschend ist, da die Bevölkerung aus einer Nation von
Zugewanderten besteht. Ihre Wohnhäuser werden als Symbole von Sicherheit gese-
hen, sie sind Identität prägend und die Bewohner/innen verwurzeln sich dadurch
besser im fremden Land. Egal welche Hausform, diese Hülle gibt einen reichen
Index von individuellen Werten und kulturellen Ideen wieder.1
Vorder- bzw. Rückseiten von Wohnhäusern und deren Position zur Garage
Für die Betrachtung und Analyse des Wohnhauses, abgesehen davon wie prägend
die Hülle an kulturellen und individuellen Werten ist, muss ein Ausgangspunkt defi-
niert werden.
„Der Raum kann durch die Beziehungssysteme zum Menschen definiert werden.
Die Orientierungsbegriffe, die schon Aristoteles zitierte, das Oben und Unten, Vorn
und Hinten, Rechts und Links sind nur durch die Beziehung zum aufrecht stehen-
den menschlichen Körper brauchbar. Aus diesen Orientierungsparametern bezieht
der menschliche Körper sein Koordinatensystem, das sich in jenem der Architektur
wieder findet.”
Feuerstein 2002, S.6
1 vergl. Howe 2002, S.8
35
Der Körper dient als Ausgangspunkt, um Dinge zu betrachten und sie miteinander
zu vergleichen oder gegenüberzustellen. Der Körper nimmt bewusst oder unbe-
wusst Einfluss im Gestalten von unbelebter Materie aus dem Bedürfnis heraus, mit
unbelebter Materie in Beziehung zu treten. Die Analogie zwischen menschlichem
Körper und Bauwerkskörper wird gezogen, um Bauwerke besser verstehen zu
können, sie besser einordnen, vergleichen, bewerten zu können. Die Kommunika-
tion mit dem Bauwerk wird im Wesentlichen erleichtert, wenn die Fassade einem
menschlichen Gesicht gleicht, wenn Fensteröffnungen als Augen, die Türöffnung als
Mund abgelesen werden können.1
Um nicht nur den Körper als Ausgangspunkt zu definieren, sondern um auch einen
Ausgangspunkt für die Betrachtung der Garage festzulegen, müssen verschiedene
wesentliche Faktoren herangezogen werden.
Wohnhäuser sind gerichtet am Grundstück positioniert, eine Seite ist stark mit
der Straße verbunden und eine Seite mit dem Garten. Sind diese Ausgangspunkte
gegeben, lässt sich weniger präzise definieren, welche der beiden Seiten als Vor-
derseite des Hauses und welche als Rückseite des Hauses betrachtet wird. Ist die
Vorderseite des Hauses die Seite, wo sich der Hauseingang befindet? Oder jene
Seite, die von der Straße aus gesehen wird? Unter Berücksichtigung der Garage
lassen sich gewisse Schemata abzeichnen, die bei der Betrachtung eines Wohnhau-
ses analytisch angewandt werden können. Die Garagenposition gibt Auskunft über
die Seite des Hauses. Im Großteil der zu betrachtenden Beispiele steht die Garage
an der Rückseite des Hauses. Das wurde vermutlich vom ländlichen Bauernhof
übernommen: Stallungen und Wagenschuppen befanden sich dort im hinteren Teil
des Grundstückes im Wirtschaftstrakt, eng gekoppelt mit der Versorgung der Tiere
und mit der Feldarbeit. Auch heute noch werden an der Rückseite des Hauses Wirt-
schaftsräume, Stiegenhäuser und Sanitärräume gebaut. Helle Räume mit großen
Fensteröffnungen werden an der Vorderseite platziert, wie Wohnraum, Essraum und
Büro. In diesen Räumen wird ein Großteil des Tages zugebracht.
1 vergl. Feuerstein 2002, S.8-10
36
Die Vorderseite des Hauses ist die dem Leben zugesandte Seite, introvertiert inner-
halb der Familie zur Gartenseite oder extrovertiert zur Gesellschaft, zum öffentli-
chen Leben zur Straßenseite. Die Vorderseite ist zugleich Schauseite, meist Presti-
geseite, der Öffentlichkeit zugewandte Seite, sehr oft Straßenseite und durch große
Fensteröffnungen, Balkone, Verzierungen an der Fassade, wie Mosaike, Stuck-
schmuck, farblich kontrastierende Elemente, und vieles mehr erkennbar.
Die Rückseite des Hauses ist die intimere Seite. Wirtschaftsräume, Sanitärräume
und das Stiegenhaus sind auf diese Seite ausgerichtet. Die Rückseite wird übli-
cherweise mit kleinen Öffnungen versehen, die Fassade ist reduziert ohne Dekor
ausgeführt und diese Seite ist meist Hof- oder Gartenseite. In vielen Fällen wird die
Rückseite des Wohnhauses von der Garage geprägt.
Vorder- und Rückseiten von Häusern entstehen aber auch, wie bereits oben
erwähnt, aufgrund der Räume, die sich dahinter befinden. Diese Räume unterlagen
und teilweise unterliegen sie auch heute noch einer geschlechtlichen Trennung.
In vielen Gesellschaften gab es eine Unterteilung von öffentlichen und auch privaten
Räumen in männliche und weibliche Bereiche. Anhand der Entwicklung des Land-
hauses lässt sich auch die Entwicklung von genderbezogenen Räumen erklären.
Räume, die für die Repräsentation benutzt wurden waren auf einer Ehrenachse, der
sogenannten „axis of honor” aufgereiht und zogen sich bis in den hintersten Teil des
Wohnhauses. Je weiter der/die Besucher/innen vorgedrungen ist, desto privater und
intimer wurden die Räumlichkeiten.1
An traditionellen Bauernhöfen lässt sich das ebenfalls ablesen. Die Räumlichkeiten
an der Vorderseite waren vormals eher dem Mann zugeordnet, wie etwa die Stube.
Je nach Art der Beziehung zum Gast wurde dieser nur in die Stube vorgelassen,
oder durfte in weitere Räumlichkeiten vordringen. Räume wie Küche, Waschraum
oder Stall waren eher der Frau zugeordnet. Sie sorgte für die Verpflegung der Men-
schen im Haushalt und der Tiere.
1 vergl. Kuhlmann 2003, S.133-134
37
Diese Räumlichkeiten befanden sich im hinteren Teil des Hauses mit der Anbindung
zum Stall. Heute sind die Grenzen zwischen männlichen und weiblichen Räumen
mehr und mehr verschwommen, Frauen sind nicht alleine für den Haushalt zustän-
dig und Männer sind nicht mehr Alleinverdiener, was sich auch auf die Gender-
Beziehung von Räumen auswirkt.
38
Regionale Unterschiede und deren Einfluss auf die Gebäudetypologie Wohnhaus und Garage
Unter dem Einfluss europäischer Kolonialmächte und europäischer Zugewanderter
begann an der Ostküste Nordamerikas die Verstädterung. Über Entwicklungsach-
sen, die erst geschaffen werden mussten, begann die Verstädterung im Westen
zeitversetzt. An der Westküste war der Einfluss der ehemaligen spanischen Kolonial-
macht sehr groß, was sich auf die Struktur und Architektur von Städten auswirkte.1
Es sind keine typischen Merkmale wie Stadtmauern, Burganlagen oder Marktplätze
zu finden, da nordamerikanischen Städten der historische Hintergrund fehlt. Es fehlt
ihnen außerdem an architektonischer und städtebaulicher Vielfalt. US-amerikani-
sche Städte sind auf das Rastersystem, übernommen vom spanischen Kolonialreich,
aufgebaut, und nicht um einen Mittelpunkt wie bei vielen europäischen Städten.
Das Zentrum einer US-amerikanischen Stadt bildet die Stadtverwaltung oder das
Gerichtsgebäude, oftmals von einem Platz umgeben. Im Übrigen besteht eine US-
amerikanische Stadt aus Downtown, Übergangsbereich und Umland.1
Nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkte sich die Suburbanisierung. Die Abwande-
rung in Randgebiete der Städte hatte zur Ursache, dass die Regierung ein Freeway-
System finanzierte, wodurch die Anbindung an Städte schneller und besser wurde.
Außerdem war das Leben für junge Familien in Vorstädten kostengünstiger, da hier
geringere lokale Steuern bezahlt werden mussten. Durch die Wirtschaftskrise und
den Zweiten Weltkrieg wurde der Bau von Wohnungen stark gebremst.1
Europäische Städte werden charakterisiert durch die Präsenz von Geschichte. Sie
sind die Orte, an denen eine moderne Gesellschaft entstanden ist, wo steingewor-
dene Erinnerungen und die Beständigkeit der Bausubstanz auf längst vergangene
Zeiten anspielen. Europäische Städte spiegeln außerdem die Hoffnung auf Emanzi-
pation, durch die Flucht aus der dörflichen Nachbarschaftskontrolle hin zu den Frei-
heiten urbaner Anonymität und Toleranz. Sie zeigen eine urbane Lebensweise auf,
die Gestalt annimmt aufgrund der Durchmischung von Arbeiten und Wohnen, hohen
und niedrigen Bauten. Europäische Städte sind in gewisser Weise geplante Städte;
Generationen von Stadtplanern haben sich über die sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Strukturen Gedanken gemacht und vieles auch umgesetzt.2
Richtung Mödling, weshalb die Grundstückspreise dort in die Höhe steigen.
Dabei ist nicht mit einer Gentrifikation in den Bobo1-Bezirken Wiens – Bezirke die
Andrea Maria Dusl in ihrem Roman „Boboville”, 2008 erschienen, als „Bobograd”
(Leopoldstadt), „Bobopol” (Josefstadt), „Boboville” (Neubau und Mariahilf) und
„Boboais” (Wieden und Margareten) bezeichnet – zu befürchten, sondern innerhalb
des Speckgürtels Wien.2 Die Gentrifikation verdrängt die lang ansässige Bevölke-
rung von ihren Grundstücken und Häusern.
Eine halbe und bis zu einer Stunde Fahrtzeit mit dem Auto (!) wird in Kauf genom-
men, um sein Eigenheim mit Garten in einer Lage, die nicht Stadt und nicht Land
ist, genießen zu können. Der Süden ist so gut wie ausgeschöpft, die nächste Ent-
wicklung führt in den Norden Richtung Klosterneuburg. Junge Familien können sich
das Wohnen im Speckgürtel schon länger nicht mehr leisten, sie siedeln sich am
Rande des Speckgürtels in Niederösterreich an und hoffen, dass sich der Speckgür-
tel weiterhin ausbreitet und sie dann mit ihrem Häuschen irgendwann dazugehören.
„Home, sweet home”
Dies ist der Leitspruch der US-amerikanischen Bevölkerung. Urbane Streuung und
übergroße Einfamilienhäuser sind das Markenzeichen von Los Angeles. Ein Teppich
von ein- bis zweigeschossigen Einfamilienhäusern weitet sich über den gesamten
Stadtraum aus. Die Stadt erstreckt sich niedrig und flächig. Sie ist wirtschaftlich,
politisch und kulturell nach provinziellen Prinzipien organisiert. Das ist auch der
Grund, weshalb das öffentliche Leben in der großen Metropole stagniert, wenn
nicht sogar von einer gesellschaftlichen Isolierung gesprochen werden kann. Der
berühmte Hollywoodregisseur Orson Welles zeichnet ein deutliches Bild, wenn er
feststellt, dass Hollywood das einzige Theaterzentrum ohne Theatercafé ist. Wo
treffen sich die Schauspieler nach den Proben, wo trifft sich das Publikum, um über
das Stück zu diskutieren?3
1 „Bobo” setzt sich aus den Wörtern „bourgeois” und „bohemian” zusammen, wird jedoch überwiegend gegen-teilig gedeutet und wurde von David Brooks, New York Times Kolumnist in seinem Buch „Bobos in Paradise: The New Upper Class and How They Got There” im Jahr 2000 geprägt.2 vergl. http://www.falter.at/print/F2004_26_1.php, 15.01.2011 (15:00)3 vergl. Jacobs 1963, S.56
42
Die Befragung von Menschen, die in Los Angeles wohnen, ergab ähnliche Ansichten
über ihre Stadt. Es wurde von einem „Zerfließen” der Stadt und „Fehlen von gegen-
ständlichen Elementen, die mit Erinnerungen behaftet sind” gesprochen. Dieses
mache die Stadt unruhig und wirke störend. Jungen sowie älteren Einwohnern/
innen hängt der „dazumal-Gedanke” an die Stadt nach. Sie glauben sich erinnern
zu können, dass früher das Stadtleben in Los Angeles anders beschaffen war.1
„Bei den Einwohnern ist eine Bitterkeit oder eine Art von Sehnsucht festzustellen,
die als Bedauern über die vielen Veränderungen ausgelegt werden könnte – oder
aber einfach als Unfähigkeit, sich rasch genug anzupassen, um mit ihnen Schritt zu
halten.”
Lynch 1989, S.59
Durch die weite Streuung von Los Angeles schafft die Stadt mehr offene Räume und
Freiflächen als andere US-amerikanische Großstädte und trotzdem ist die Luftver-
schmutzung sehr hoch. Der schmutzige Dunst wird von örtlichen Gegebenheiten,
wie die Zirkulation der Meeresluft und von der weiten Streuung der Stadt, wodurch
ein gewaltiges Ausmaß an Kraftfahrverkehr aufgewendet werden muss, verursacht.
Weit gezogene Siedlungen und Grünflächen fördern Luftverunreinigung anstatt sie
zu mindern.2
Jacobs geht sogar soweit, von einer Zerstörung großer US-amerikanischer Städte
durch den Kraftfahrverkehr mittels Schnellstraßen, Parkplätze, Tankstellen, Auto-
kinos und vieles mehr zu sprechen. Für den Kraftfahrverkehr werden Gebäude
abgerissen und Straßen erweitert, dabei verliert die Stadt ihren Charakter und jede
Stadt gleicht der anderen. Die Straßenräume ergeben ein unübersichtliches Durch-
einander und für Fußgänger werden Wege weitläufig, kompliziert und zusammen-
hanglos. Aber ohne Autos gäbe es ein ähnliches Chaos in den Städten. Die Wege
werden von Menschen zurückgelegt und gäbe es keine Autos, würde es andere
Hilfsmittel geben, um Wege in kürzester Zeit hinter sich zu bringen.3
pict 1191/1193Prinz Eugen Straße, 2301 Groß-Enzersdorf
1 5 15 20
Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
1 5 15 20
Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
pict 1168Zellergasse, 2301 Groß-Enzersdorf
pict 05901390 Rose Ave., LA
pict 05881366 Rose Ave., LA
pict 1191/1193Prinz Eugen Straße, 2301 Groß-Enzersdorf
1 5 15 20
Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
1 5 15 20
Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
Abb.136.2 Rose Avenue, Los Angeles
pict 1168Zellergasse, 2301 Groß-Enzersdorf
pict 05901390 Rose Ave., LA
pict 05881366 Rose Ave., LA
pict 1191/1193Prinz Eugen Straße, 2301 Groß-Enzersdorf
1 5 15 20
Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
1 5 15 20
Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
Fallbeispiel 37
137Schmuckstück Garage: Die Garage als Kopie des Wohnhauses
Beide Wohnhäuser zeigen mit ihrer Längsseite zur Straße, die Dachflächen beherr-
schen die Fassade des Hauses. Die Garagen zeigen mit dem Giebel zur Straße. Die
Häuser wirken dadurch von der Straße abgewandt, die Garagen stellen sich in den
Mittelpunkt des Geschehens.
Das österreichische Beispiel ist ähnlich der Kinderzeichnung eines Hauses: Tür,
Fenster, Dach – das sind die wichtigsten Elemente, um ein Haus zu definieren. Hier
ist es statt dem Haus die Garage. Die Garage gibt sich zur Straße hin wohnlicher
als das Haus selbst. In der Größe tritt die Garage deutlich hinter das Wohnhaus und
das Garagentor verrät auch hier den eigentlichen Nutzen des Gebäudes.
Das US-amerikanische Beispiel zeigt eine geschlossene Fassade. Drei Giebel öffnen
die Fassade, zwei unbedeutend kleine über den Fenstern des Wohntrakts und der
größte über dem Garagentor. Der Eingang hat keine Akzentuierung durch einen
Giebel bekommen, er liegt im Dunklen mit einem eingeschnittenen Dach statt eines
Giebelaufbaus. Diese Lösung des Dacheinschnitts rückt den Hauseingang noch wei-
ter ab. Der helle, große Giebel der Garage zieht nicht nur in seiner Breite sondern
auch in seiner Höhe die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Der Giebel der Garage
überragt sogar die Wohnhaushöhe.
Bei diesem Beispiel scheint es, als hätte das Wohnhaus die Schmuckelemente der
Garage übernommen und nicht umgekehrt. Die Giebelausformulierung lässt sich in
der Garage deutlicher spüren als im Wohnhaus.
138 Schmuckstück Garage: Die Garage als Kopie des Wohnhauses
Abb.138.2 Rose Avenue, Los Angeles
pict 1168Zellergasse, 2301 Groß-Enzersdorf
pict 05901390 Rose Ave., LA
pict 05881366 Rose Ave., LA
pict 1191/1193Prinz Eugen Straße, 2301 Groß-Enzersdorf
1 5 15 20
Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
1 5 15 20
Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
Abb.138.1 Prinz Eugen Straße, 2301 Groß-Enzersdorf
pict 1168Zellergasse, 2301 Groß-Enzersdorf
pict 05901390 Rose Ave., LA
pict 05881366 Rose Ave., LA
pict 1191/1193Prinz Eugen Straße, 2301 Groß-Enzersdorf
1 5 15 20
Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
1 5 15 20
Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
pict 1168Zellergasse, 2301 Groß-Enzersdorf
pict 05901390 Rose Ave., LA
pict 05881366 Rose Ave., LA
pict 1191/1193Prinz Eugen Straße, 2301 Groß-Enzersdorf
1 5 15 20
Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
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Garage
Haus
Grünfläche
Garageneinfahrt
Hauseingang
Fallbeispiel 38
139Schmuckstück Garage: Die Garage als Kopie des Wohnhauses
An diesen beiden Beispielen stehen die Wohnhäuser sowie die Garagen mit ihren
Giebelseiten zur Straße. Die Schmalseiten der Häuser werden zum Teil von der
Garage verdeckt, die Häuser rücken in den Hintergrund, die Giebelseiten der Gara-
gen werden zur vordergründigen Straßenfassade.
Im österreichischen Beispiel löst sich die Gestaltung der Garage von der des Hauses
ab. Die Garage übernimmt kaum Elemente des Wohnhauses, sie hat sich verselbst-
ständigt. Das Satteldach wird noch vom Haus übernommen, aber die Dachneigung
ist flacher und ein Dachvorsprung schützt die Garageneinfahrt. Die Fassadenfarbe,
das Material des Tores und die Bretterschalung des Giebels sind Elemente, die im
Wohnhaus nicht vorkommen. Hier wird erst gar nicht versucht, das Wohnhaus zu
kopieren. Die Garage ist vielmehr ein eigenes wichtiges Bauwerk, was schon durch
die Ecklage vor dem Haus demonstriert wird. In die Garage kann von beiden Seiten
eingeparkt werden. Die Größe der Garage ist ausreichend für zwei Autos und Lager-
fläche, doch nicht ausreichend für die Benutzer/innen, denn die Vorgartenmauer
wurde an einer Stelle aufgebrochen und ein weiteres Auto ohne Nummertafel parkt
im Vorgarten.
Im US-amerikanischen Beispiel ist die Garage mit einem Dachsprung direkt an
den Giebel des Wohnhauses angebaut. Auch hier bildet die Garage die sichtbare
Straßenfassade. Das erklärt auch das Fenster in der Giebelseite der Garage. Da es
die Schauseite des Hauses ist, wird die Giebelseite mit einem Fenster dekoriert. Die
Garage ist hier ein Spiegelbild des Wohnhauses: die gleiche Dachneigung, die weiße
Umrandung von Traufe und Ortgang sowie um alle Fenster-, Tür- und Toröffnungen
und die grau-blaue Fassadenfarbe, die sich vom Wohnhaus bis zur Garage durch-
zieht.
140
Conclusio
Bis heute fehlt der Garage die nötige architektonische Wertschätzung und der rich-
tige Umgang als Bauaufgabe. Die Garage wird, egal in welcher Art und Ausführung,
als Bauaufgabe nicht richtig wahrgenommen. Die Proportion und die Position zum
Wohnhaus sowie Ausgestaltung des Baukörpers und Materialwahl sind wesentliche
Faktoren zur Gestaltung einer Garage. Werden diese Faktoren nicht ausreichend
aufeinander abgestimmt und ausgelotet, drängt sich die Garage in ihrer Größe in
den Vordergrund des Wohnhauses, wird zum „Knusperhaus” im Gefüge oder wird
zur funktionalen Box, die das Gefüge schwächt anstatt es zu stärken.
Die Analyse von österreichischen und US-amerikanischen Wohnhäusern mit Gara-
gen hat im Gegensatz zur anfänglichen Vermutung ergeben, dass österreichische
Garagen jenen in den USA um nichts nachstehen, was deren Größe betrifft. Die
US-amerikanischen Garagen waren zwar früher die weltweit größten, heute sind
Garagen in Europa prinzipiell nicht kleiner als ihre US-amerikanischen Vorbilder.
Durch die Globalisierung, die weltweite Vernetzung mittels Internet und die nicht
unwesentlichen Einflüsse der Filmindustrie ist auch in Österreich die große Garage
Alltag geworden.
Dabei ist Bauherrn/innen und Architekten/innen sehr wohl bewusst, dass die Größe
der Garage gestalterische Probleme birgt. Viele Firmen haben weltweit Versuche
unternommen, um die Garage mit der Umgebung verschmelzen zu lassen, ähnlich
dem animalischen Vorbild des Chamäleons. Diese Versuche, ob erfolgreich oder
nicht, haben eines gemeinsam, sie maskieren die Garage anstelle grundlegende
Veränderungen im architektonischen Konstrukt vorzunehmen. Das Garagentor wird
mit Fotofolien kaschiert, oder einer falschen Fassade, die sich als Tor öffnen lässt,
aber der Baukörper wird keinem kritischen architektonischen Diskurs ausgesetzt.
Dazu kommt, dass Garagen nicht nur immer größer, sondern auch immer „wohnli-
cher” in ihrem Aussehen werden. Die Funktion der Garage wird getarnt durch Dekor
an der Fassade, Fenster in der Fassade und aufgesetzte Dächer. Auf den ersten
Blick soll nicht erkennbar sein, ob es sich um eine Garage oder ein Gästehaus
141
handelt. Die Übereinstimmung mit dem dazugehörigen Wohnhaus wird bevorzugt
angestrebt.
Trotz Doppel- und Dreifachgaragen parken Autos nach wie vor auf der Straße oder
in Einfahrten und werden auch in Zukunft dort parken. Nur gut sichtbar stellt das
Auto ein Prestigeobjekt dar. Jede/r Autobesitzer/in ist stolz auf sein/ihr Luxusstück
und will das auch nach Außen vermitteln. An dieser Tatsache würde sich wohl auch
nach einer grundlegenden Neugestaltung der Garage nichts ändern. Das Garagen-
design kann nie das Potenzial des Autodesigns ausschöpfen, die Garage hinkt dem
Auto in der Gestaltung um Jahrzehnte hinterher.
Kann es dennoch sein, dass auch Garagen in einen von ökonomischen Realitäten
bestimmten Umdenkprozeß einbezogen werden?
Autos werden wieder kleiner, was selbst in den USA sichtbar ist, alternative Treib-
stoffe und Energiequellen werden für Autos genutzt und öffentlichen Verkehrsmit-
teln wird ein neuer Glanz verliehen. Das Umdenken im Bereich des Automobils hat
bereits begonnen.
Ressourcen, wie Baumaterialien und Bauplätze, die benötigt werden, um ein Haus/
eine Garage zu bauen, werden wohl nicht so schnell zu Ende gehen wie fossile
Energieträger, allerdings steigen die Preise für Baumaterialien kontinuierlich an.
Bauplätze in beliebten Lagen mit guter Anbindung und Materialien von guter Qua-
lität und Gewährleistung werden immer teurer. Die Garage kann bei der Errichtung
eines Wohnhauses ein großes Einsparungspotential darstellen.
Wie bereits festgestellt wurde, werden Garage immer weniger als Unterstand für
Autos genützt und viel mehr als Abstellraum für alles mögliche. Ein Umdenken im
Garagenbau ist daher denkbar.
142
Vielleicht werden auch bei Garagen in einigen Jahren Kombinationslösungen ange-
strebt. So könnte beispielsweise anstatt einer Garage mit vier Wänden und einem
Dach eine überdachte Fläche zentral zum Wohnhaus hergestellt werden – ähnlich
einem Carport – aber gleichzeitig auch als Veranda nutzbar. In den warmen Som-
mermonaten, in denen das Auto einen Witterungsschutz nicht unbedingt notwendig
hat, ist diese Fläche als erweiterter Wohnraum nutzbar. In den Wintermonaten wird
das Auto untergestellt und vor Niederschlägen geschützt. Das Dach könnte begrünt
sein, der Platz könnte mit Steinen gepflastert oder sorgfältig betoniert sein anstelle
des üblichen Asphalts.
Wichtig in der Ausgestaltung ist eine Reduktion auf das Wesentliche.
Dies ist bislang in wohlhabenderen Wohngebieten der Opinion-Leader, zum Beispiel
in Beverly Hills, nicht erkennbar. An Garagen wie Wohnhäusern ist vermehrt Dekor
angebracht, die Garage wird in erster Linie verniedlicht und die Funktion in den
Hintergrund gedrängt.
„Guter Geschmack lässt sich nicht kaufen!” wäre eine verlockende Schlussfolge-
rung. Ob das tatsächlich der Fall ist, lässt sich anhand weniger ausgewählter Bei-
spiele nicht eindeutig feststellen.
Sicher ist, dass die Garage Gestaltungspotential besitzt, das dringend architektoni-sches Fachwissen benötigt.
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Danke!
Raphael, für die Geduld, die Ausflüge ins Wiener Umland und das Lektorieren meiner Diplomarbeit.
Meinen Eltern, für die Unterstützung.
Matthias, der mich mit Gelassenheit durch Los Angeles chauffiert hat.
Ao. Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Erich Lehner, für die hilfreiche und unkomplizierte Betreuung.
polar÷, für die Garagengespräche und die Benutzung ihrer umfangreichen Bibliothek.
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