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0 1.EUROPA-UNIVERSITÄT VIADRINA FRANKFURT/ ODER KULTURWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT 03.04.2012 Lehrstuhl für : Angewandte Sprachwissenschaft, Sprach- und Kulturkontakt Lehrstuhlinhaberin: Prof. Dr. Cornelia Müller Seminar: Erhebung, Transkription und Analyse von gesprochener Sprache Wintersemester 2011/2012 Dozentin: Concha Maria Höfler total mega Proll versus aller liebster Lieblingsfilm - der Wandel der Verwendung von Bewertern und Verstärkern mit zunehmendem Alter. Eine vergleichende Studie gesprochener Sprache von Abiturientinnen und Studentinnen.“ Winnie Plha Matrikelnummer: 32047 Studiengang: Kulturwissenschaften Schwerpunkt: Linguistik/ Modul 2 5. Fachsemester
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Forschungsarbeit zur altersspezifischen Variation der Verwendung von Bewertern und Verstärkern.

Mar 24, 2023

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Iryna Solonenko
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Page 1: Forschungsarbeit zur altersspezifischen Variation der Verwendung von Bewertern und Verstärkern.

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1.EUROPA-UNIVERSITÄT VIADRINA FRANKFURT/ ODER KULTURWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT

03.04.2012

Lehrstuhl für : Angewandte Sprachwissenschaft, Sprach- und Kulturkontakt

Lehrstuhlinhaberin: Prof. Dr. Cornelia Müller

Seminar: Erhebung, Transkription und Analyse von gesprochener Sprache

Wintersemester 2011/2012

Dozentin: Concha Maria Höfler

„total mega Proll versus aller liebster Lieblingsfilm -

der Wandel der Verwendung von Bewertern und Verstärkern

mit zunehmendem Alter.

Eine vergleichende Studie gesprochener Sprache von

Abiturientinnen und Studentinnen.“

Winnie Plha

Matrikelnummer: 32047

Studiengang: Kulturwissenschaften

Schwerpunkt: Linguistik/ Modul 2

5. Fachsemester

Page 2: Forschungsarbeit zur altersspezifischen Variation der Verwendung von Bewertern und Verstärkern.

1

Gliederung der Hausarbeit

Verzeichnis verwendeter Elemente der

GAT 2-Trankspriptionskonvention 2

1. Einleitung 3

2. Methodik

2.1 Fragestellungen 3

2.2 Forschungsaufbau 4

2.3 Daten 5

3. Auswertung und Analyse

3.1 Bewerter und Verstärker 5

3.2 Analyse und Auswertung der quantitativen Daten 7

3.3 Themenbezogene Auswertung und Analyse der Daten 9

4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 15

5. Literaturverzeichnis

5.1 Printmedien 17

5.2 Internetrecherchen 17

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Verzeichnis verwendeter Elemente der GAT 2- Konvention

Pausen

(.) Mikropause, geschätzt (bis 0,2 Sekunden)

(-) kurze geschätzte Pause (0,2- 0,5 Sekunden)

Einatmen

°h Einatmen (von circa 0,2- 0,5 Sekunden)

Intonation

- gleich bleibend

. tieffallend

; mittel fallend

, mittel steigend

? hoch steigend

Akzentuierung

akZENT Fokusakzent

akzEnt Nebenakzent

Dehnungen

: Dehnung, Längung (um circa 0,2 – 0,5 Sekunden)

Unverständlichkeiten

(xxx) circa 3 unverständliche Silben

(unverständlich … Sekunden) unverständliche Passage mit Angabe der Dauer

Sonstiges

[ ] Überlappung und Simultansprechen

((lacht)) para- und außersprachliche Handlungen und Ereignisse

= Anschluss im nächsten Event

und_äh Verschleifungen innerhalb von Einheiten

Page 4: Forschungsarbeit zur altersspezifischen Variation der Verwendung von Bewertern und Verstärkern.

3

1. Einleitung

Ausdrücke wie gut, fabelhaft, klasse, schrecklich oder schlimm sind Sprachmittel der

Bewertung. Sie treten im alltäglichen Sprachgebrauch gehäuft auf. Oftmals werden

sie durch verstärkende Elemente wie beispielsweise richtig, ganz oder total ergänzt.

Diese Sprachmittel dienen im Allgemeinen dazu die Haltung des Sprechers zu

bestimmten Sachverhalten, Gegenständen oder Situationen zum Ausdruck zu

bringen. Bewerter und Verstärker werden von Menschen in allen Altersgruppen

verwendet, doch die Quantität des Gebrauchs scheint altersspezifisch zu variieren.

Besonders exzessiv und kreativ werden sie im jugendsprachlichen Kontext benutzt

(Androutsopoulos 1998b: 1). Eine vorangegangene, von mir durchgeführte Erhebung

ließ jedoch tendenziell erkennen, dass bereits im voranschreitenden Jugendalter

Veränderungen in der Häufigkeit des Gebrauchs feststellbar sind. Dazu wurden unter

anderem zwei Gruppen unterschiedlich alter, weiblicher Probandinnen in einem

ungezwungenen Gruppengespräch aufgezeichnet. Die weiblichen Teilnehmerinnen

waren 13 bis 14 beziehungsweise 17 bis 18 Jahre alt und stammten aus einem

vergleichbaren sozialen Umfeld. Die Auswertung der Daten ergab, dass die Quantität

der Verwendung von Bewertern und Verstärkern mit steigendem Alter

vergleichsweise abnahm. Dies könnte sich unter anderem durch sprachliche und

geistige Entwicklungsprozesse erklären lassen, die im Allgemeinen mit steigendem

Alter eine Distanzierung von jugendsprachlichen Sprachmitteln bewirken. Hier spielt,

Henne (2009: 204f) zufolge, besonders die Weiterentwicklung der Ich- Identität eine

bedeutende Rolle. Nun ist es spannend diese Erhebung über den bearbeiteten

Rahmen hinaus zu erweitern und eine ältere Vergleichsgruppe heranzuziehen. So

könnte man feststellen, ob im weiteren Entwicklungsverlauf Veränderungen im

Sprachgebrauch bezüglich der Verwendung von Bewertern und Verstärkern

beobachtbar sind. Darüber hinaus werden Überlegungen angestellt, womit diese

eventuellen Veränderungen im Zusammenhang stehen könnten. Zunächst stehen

jedoch Informationen zur Methodik und Fakten zu den Themen Jugendsprache,

Bewertern und Verstärkern als Grundlage im Vordergrund.

Page 5: Forschungsarbeit zur altersspezifischen Variation der Verwendung von Bewertern und Verstärkern.

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2. Die Methodik

2.1 Fragestellungen

Die gesprochene Sprache scheint einem altersspezifischen Entwicklungsprozess zu

unterliegen. Dies wird unter anderem an der Verwendung bestimmter Worte und

Ausdrucksweisen ersichtlich. Hier spielt nicht nur die Wortwahl, sondern auch die

Quantität der Verwendung spezifischer Worte eine Rolle. Zunächst ist es daher

interessant, den Gebrauch von Bewertern und Verstärkern auf einer quantitativen

Ebene zu betrachten und festzustellen, ob zwischen der älteren und der jüngeren

Gruppe diesbezüglich deutliche Unterschiede bestehen. Doch auch der qualitativen

Ebene soll Beachtung geschenkt werden, denn es ist ebenso spannend sich die Art

der verwendeten Bewerter und Verstärker näher anzuschauen. So wird im zweiten

Teil gefragt, ob es themenbezogene Unterschiede bei der Wahl von Bewertern und

Verstärkern in der älteren Gruppe gibt. Dahingehend wird untersucht, ob die

Sprecher bei jugendlicheren Themen zurück in einen jugendsprachlich gefärbten

Sprechstil verfallen, während sie bei ernsteren, erwachseneren Themen deutlich

andere Bewerter und Verstärker verwenden oder ob es ein konstantes Muster gibt.

Abschließend soll geklärt werden, ob die eventuell gehäufte Verwendung

jugendsprachlicher bewertender und verstärkender Sprachmittel als Indikator für eine

mögliche Verlängerung der Jugendphase herangezogen werden könnte.

Zusammenfassend kann man nun folgende Forschungsfrage ableiten: Wie

unterscheidet sich der Gebrauch von Verstärkern und Bewertern zwischen 25 bis 26

jährigen Studentinnen von dem 17 bis 18 jähriger Abiturientinnen hinsichtlich der

Quantität und der themenspezifischen Wortwahl?

2.2 Der Forschungsaufbau

Wie bereits angeschnitten wird im Folgenden ein Vergleich zwischen zwei Gruppen

unterschiedlich alter Probandinnen mittels einer teilnehmenden Beobachtung

durchgeführt. Beide Gruppen umfassen vier Teilnehmerinnen. Die erste Gruppe (im

Folgenden: Gruppe 1) ist eine Gruppe 17 bis 18 jähriger Abiturientinnen. Die

Aufzeichnung wurde unabhängig schulischer Verpflichtungen oder anderer

beeinflussender Faktoren durchgeführt, um eine möglichst unbefangene Situation

herzustellen und sicher zu gehen, dass die Teilnehmerinnen möglichst natürlich

sprechen. Dem zu Gute kam auch der Fakt, dass sich die Teilnehmerinnen

Page 6: Forschungsarbeit zur altersspezifischen Variation der Verwendung von Bewertern und Verstärkern.

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untereinander kannten. Das erste Kennenlernen und das gegenseitige Ausloten der

Positionen innerhalb der Gruppe fielen damit weg und der Einstieg in das Gespräch

vollzog sich dahingehend unkomplizierter. Auf ähnliche Parameter wurde auch bei

der zweiten Aufzeichnung geachtet. Die Teilnehmerinnen der zweiten Gruppe (im

Folgenden: Gruppe 2) sind Studentinnen zwischen 25 und 26 Jahren. Das Gespräch

fand ebenfalls in gelöster Atmosphäre und die Probandinnen kannten sich bereits

vorher, was ebenfalls zu einer unbefangenen und möglichst natürlichen Situation

verhalf. Hier wurde jedoch bei der Auswahl der Teilnehmerinnen darauf geachtet,

dass sie die Jugendzeit nicht miteinander verbrachten, da sonst die Möglichkeit

bestanden hätte, dass sie aufgrund dessen, kollektiv in einen jugendlichen

Sprachgebrauch verfallen. Ein Einfluss des jeweiligen Themas hätte so nicht mehr

nachgewiesen werden können. Bei der Vergleichbarkeit der Gruppen wurde darüber

hinaus auf andere wichtige Faktoren geachtet. Folgende relevante

soziodemographische Daten wurden am Ende der Aufzeichnung mittels eines

Fragebogens erhoben. Der Bildungsstand der Teilnehmerinnen ist dahingehend

vergleichbar, weil die älteren Studentinnen ebenfalls das Abitur erfolgreich

bestanden haben und weil die jüngeren Abiturientinnen wahrscheinlich die

Studentinnen von morgen sein werden. Im Bezug auf die Zukunftsvorstellungen in

Sachen Bildung kann daher weitestgehend von einer Kongruenz gesprochen

werden. Alle Teilnehmerinnen entstammen stabilen familiären und wirtschaftlichen

beziehungsweise finanziellen Verhältnissen und sind deutsche Muttersprachler. Das

bedeutet, dass alle einer sozusagen ähnlichen gesellschaftlichen Schicht angehören.

Sprachentwicklungsbedingte Besonderheiten beziehungsweise Besonderheiten, die

aus einer divergenten Sozialisation heraus entstehen könnten, können somit

weitestgehend ausgeschlossen werden. Die Erhebungssituation und die sozialen

Hintergründe der Teilnehmerinnen gewährleisten eine Vergleichbarkeit der Gruppen

und damit auch eine Vergleichbarkeit der erhobenen Daten.

2.3 Die Daten

Die erhobenen Daten wurden mit Erlaubnis der Teilnehmerinnen und bei den

jüngsten ebenfalls mit der Erlaubnis der Eltern aufgezeichnet. Im Anschluss wurden

sie mit Hilfe des Transkribtionsprogramms EXMARalda und unter Verwendung der

GAT2- Transkriptionskonvention verschriftlicht. Da es vorerst um eine quantitative

Analyse geht, wurden alle verwendeten Bewerter und Verstärker in den

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6

Aufzeichnungen zahlenmäßig erhoben und der Durchschnitt errechnet, um sie dann

grafisch aufzubereiten. Später wurden durch eine nähere Betrachtung des

Transkripts Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verwendeten Bewerter und

Verstärker in Gruppe 2 aufgedeckt. Bei der Transkription wurden ausschließlich die

sprachlichen Ereignisse erfasst, die für die Auswertung relevant erschienen (siehe

Auflistung der verwendeten Elemente der GAT- Konvention auf Seite 1).

3. Analyse und Auswertung

3.1 Bewerter und Verstärker

Bevor konkret auf die Auswertung und Analyse Bezug genommen wird, folgen, der

Vollständigkeit und Verständlichkeit halber, noch einige allgemeine Informationen zu

den Sprachmitteln der Bewertung und Verstärkung. Bewerter sind meist Adjektive,

daher wird auch häufig von sogenannten Wertadjektiven gesprochen. Sie drücken,

wie bereits zuvor kurz angeschnitten, „die Einstellung des Sprechers zu einem

bestimmten Gegenstand, einer Handlung, [oder] einer Situation aus“

(Androutsopoulos 1998b: 1). Sie können wertnegativ: scheiße, beschissen, ätzend,

doof, fies, nervig, öde, wertpositiv: abgefahren, cool, geil, spitze, stark, klasse oder

ambivalent: abartig, crass, irre, hart sein. Sie können ihren

Bedeutungszusammenhang im Satz allein stehend entfalten. Verstärker sind

hingegen in den meisten Fällen abhängig von anderen Worten. Das können Verben,

Adjektive, aber auch Nomen sein. Ihre Aufgabe liegt darin diese Worte zu verstärken

oder zu intensivieren, daher wird in diesem Zusammenhang meist von einer Art

sprachlicher Intensivierung gesprochen (Androutsopoulos 1998b: 1). Im

jugendsprachlichen Bereich treten hier besonders Wort wie: mega, super, ganz,

richtig, total, ultra oder übelst auf. An Beispielen wie super kann man sehen, dass

Bewerter auch als verstärkende Elemente auftreten können, was zum Beispiel auch

für abartig, brutal, extrem oder fett gilt. Verstärker sind im Weiteren als Gegenpart zu

abschwächenden Formulierungen zu sehen, obwohl die Interpretation gerade bei

Worten, wie ziemlich nicht immer unproblematisch und stets kontextabhängig ist.

Gerade im jugendsprachlichen Gebrauch spielen hyperbolisierende oder

deutlicher gesagt übertreibende Sprachmittel demzufolge eine übergeordnete Rolle.

Dies lässt sich einerseits mit der Bedeutung der sozialen Gruppe verknüpfen, welche

andererseits mit der Entwicklung der Ich- Identität im engen Zusammenhang steht. In

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7

der Jugendphase ist die Peergroup von besonderer Wichtigkeit. Die Peergroup ist

eine „Gruppe von etwa gleichaltrigen Kindern oder Jugendlichen“, wobei „ ‚Peer‘ […]

auch gleich sein bezüglich des Rangs und Status [bedeutet, Anm. d. Autors], folglich

ist das Alter nur ein Kriterium neben dem des Status.“ (Altbauer 2009: 1). Sie wird

durch gemeinsame Interessen, Werte, Anschauungen und Ziele zusammengehalten.

Hierbei helfen unter anderem bestimmte Abzeichen wie Kleidung, Frisur, Gestik und

Verhaltensweisen. Ein essenzielles Gruppenabzeichen, mit stark verbindender

Wirkung, ist jedoch die gemeinsame Sprache innerhalb der Gruppe

(Androutsopoulos 1998a: 21f). Sie dient einerseits zur Abgrenzung von der

Außenwelt und andererseits als Profilierung innerhalb der Gruppe (Henne 2009:

205). Das bedeutet im weitesten Sinn, dass sich der Einzelne durch besonders

kreative Sprechweisen, zum Beispiel durch Wortneuschöpfungen oder Kreation von

Metaphern, innerhalb der Gruppe behaupten und dadurch Anerkennung finden kann.

Die Haltung gegenüber bestimmten Gegenständen oder Sachverhalten ist Teil der

Gruppenidentität. Durch die Projektion eigener Identitätskonflikte auf die Gruppe und

der Identifizierung mit Werten und Personen innerhalb der Gruppe entwickelt sich die

Ich- Identität der einzelnen Gruppenmitglieder (Henne 2009: 204). Aussagen über

sich und seine Umwelt zu machen, gehört in diesem Zusammenhang zur täglichen

Kommunikation. Der Zweck der Hyperbolisierung besteht vorrangig darin, die

Glaubwürdigkeit des Gesagten zu erhöhen (Henne 2009: 150). Hier kommen

spezifische Bewerter und Verstärker ins Spiel. Diese werden besonders im

jugendsprachlichen Gebrauch exzessiv verwendet, kreativ variiert (Androutsopoulos

1998b: 1f) und sind Teil eines Abgrenzungsverhaltens der jugendlichen Gruppe

gegenüber der erwachsenen Umwelt.

Zusammenfassend kann man daher sagen, dass die Gruppe hinsichtlich des

individuellen Entwicklungsprozesses von großer Wichtigkeit ist. Die gemeinsame

Sprache ist ein bedeutendes, verbindendes Element. Unter anderem sind es die

Sprachmittel der Bewertung und Verstärkung, die in diesem Zusammenhang einen

zentralen Platz innerhalb der Gruppe einnehmen. Wie bereits kurz angeschnitten,

werden Bewerter und Verstärker jedoch altersübergreifend verwendet. Tendenziell

zeichnet sich der jugendsprachliche Gebrauch jedoch durch die Art der verwendeten

Ausdrücke und durch das durchschnittlich häufigere Auftreten während des

Sprechens aus (Androutsopoulos 1998b: 1). Erwachsene Sprecher müssten

insgesamt einerseits weniger und andererseits andere Formen von Sprachmitteln

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der Bewertung und Verstärkung verwenden, da der jugendliche Entwicklungsprozess

abgeschlossen sein müsste. Nun ist jedoch fraglich, wann genau das der Fall ist.

Darauf ist weder eine einheitliche Antwort zu finden, noch kann man eine allgemeine

Grenze zwischen Jugend- und Erwachsenenphase ziehen. Grundsätzlich kann man

in Hinblick auf die untersuchten Gruppen jedoch sagen, dass sich die Jugendphase

vermutlich insoweit verlängert hat, dass die Bildungswege länger werden. Dadurch

kann sich einerseits die Abhängigkeit vom Elternhaus verlängern, was zu einer

Verzögerung der vollständigen Selbstständigkeit führen kann. Andererseits

verbleiben viele jedoch auch länger und intensiver in ihrer Peergroup, was unter

anderem im Zusammenhang mit einem längeren Weiterbestehen altersspezifischer

Sprechweisen stehen könnte. Ob und wie sich dies anhand des Gebrauchs von

Bewertern und Verstärkern zeigen lässt, rückt nun in den Fokus der Betrachtung.

3.2 Analyse und Auswertung der quantitativen Daten

Zunächst soll nun die quantitative Auswertung der Daten folgen, indem sie näher

betrachtet, analysiert und ausgewertet werden. Zur besseren Übersichtlichkeit und

Vergleichbarkeit wurde die Anzahl der verwendeten Bewerter und Verstärker in den

Aufzeichnungen auf die Anzahl benutzter Bewerter und Verstärker pro Minute

hinunter gebrochen. Es wurde in beiden Gesprächen nur dort transkribiert, wo

tatsächlich Bewerter und Verstärker auftraten. Graphisch ergibt sich für die Anzahl

der verwendeten Bewerter folgendes Diagramm.

Abb. I Vergleich verwendeter Bewerter pro Minute

Mädchen 17-18 Jahre(Gruppe 1)

Mädchen 25-26 Jahre(Gruppe 2)

1,3

0,76

Bewerter pro Minute

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Der Unterschied zwischen Gruppe 1 und Gruppe 2 ist augenscheinlich. Während in

der jüngeren Gruppe durchschnittlich 1,3 Bewerter pro Minute gebraucht wurden,

waren es in der älteren Gruppe nur 0,76 Bewerter pro Minute. Man könnte daher

sagen, dass es in diesem konkreten Fall zu einer deutlichen Reduktion der

Verwendung in der Gruppe 2 kam. Gruppe 1 hat vergleichsweise fast doppelt so

viele Bewerter verwendet. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der quantitativen Analyse

der benutzten Verstärker. Auch hier gab es einen signifikanten Unterschied in der

Quantität der Verwendung, was das folgende Diagramm verdeutlicht.

Abb. II: Vergleich verwendeter Verstärker pro Minute

Ähnlich wie in Abb. I zeigt sich auch hier ein auffälliger zahlenmäßiger Unterschied.

Während Gruppe 1 durchschnittlich 0,79 Verstärker pro Minute verwendet hat,

erkennt man in Gruppe 2, mit 0,27 Verstärkern pro Minute, eine Reduktion um etwas

mehr als die Hälfte. Quantitativ gesehen kann man nun dementsprechend festhalten,

dass in diesem konkreten Vergleich der Gruppen signifikante Unterschiede in der

zahlenmäßigen Verwendung von Bewertern und Verstärkern auftreten. Gruppe 2 hat

in beiden Vergleichen deutlich weniger Sprachmittel der Bewertung und Verstärkung

verwendet, als die jüngere Gruppe 1. Dies könnte als Indiz für einen fortgeschrittenen

Reifeprozess sein. Weitere Anhaltspunkte soll die qualitative Analyse liefern.

3.3 Themenbezogene Analyse und Auswertung der Daten

Mädchen 17-18 Jahre(Gruppe 1)

Mädchen 25-26 Jahre(Gruppe 2)

0,79

0,27

Verstärker pro Minute

Page 11: Forschungsarbeit zur altersspezifischen Variation der Verwendung von Bewertern und Verstärkern.

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Nach der quantitativen Analyse und Auswertung folgt nun gemäß der

Forschungsfrage, die themenbezogene Analyse der Daten. Konkret bedeutet das,

dass im Weiteren eruiert werden soll, ob es in Gruppe 2 zu einer themenbezogenen

Veränderung der verwendeten Bewerter und Verstärker gekommen ist. Gemäß der

Forschungsfrage liegt der Fokus im Weiteren ausschließlich auf Gruppe 2. Fraglich

ist nun jedoch wie sich Bewerter und Verstärker in eher jugendsprachliche und in

eher allgemein gebräuchliche oder standardsprachliche kategorisieren lassen. Zuerst

muss dahingehend nun erläutert werden, wie sich Jugendsprache und

Standardsprache generell unterscheiden lassen. Eine spezifische Definition für den

Begriff Jugendsprache zu finden ist schwierig, da sie keinesfalls eine homogene

Varietät darstellt, sondern vielmehr ebenso heterogen ist, wie die Gruppen in denen

sie gesprochen wird (Henne 2009: 211). Varietäten sind in diesem Kontext „Teile

einer Standardsprache oder Subsprache, die geografisch, soziologisch,

berufsbezogen oder altersspezifisch usw. abgrenzbar sind […].“ (Homberger 2003:

605). Dittmar und Bahlo definieren Jugendsprache treffend wie folgt:

Anders als dialektale oder soziolektale Varietäten, die langfristig und meist

generationen-übergreifend an landschaftliche Räume oder soziale Schichten

gebunden sind, ist die Jugendsprache (oder der Juventulekt) eine

generationsspezifische Übergangsvarietät, die den biologisch bedingten Aufbruch

der Jugendlichen zum Erwachsenstatus in der Suche nach individueller und

sozialer Identität in der Altersspanne zwischen 10 und 30 sprachlich und

kommunikativ zum Ausdruck bringt. (Bahlo, Dittmar 2008: 1).

Standardsprache hingegen ist eine „Sprachform, die von der Allgemeinheit

einer Sprachgemeinschaft verstanden und /oder verwendet wird.“

(Homberger 2003: 168). Jugendsprache kann als Mittel gesehen werden sich

von der Standardsprache abzugrenzen. Paradox ist, dass die Jugendsprache

die auch die Übergangsphase zwischen Spracherwerb und

Erwachsenensprache markiert, während des Reifeprozesses Mittel der

Abgrenzung ist, jedoch eigentlich der kompetenten Erlernung der

Erwachsenensprache dient (Bahlo, Dittmar 2008: 1). Mit jedem jungen,

experimentierfreudigen Sprecher wird im Wechselschluss auch die

Standardsprache unterschwellig verändert, weil Teile von Jugendsprache in

das Erwachsenenalter hinein übernommen werden (Bahlo, Dittmar 2008: 1).

Page 12: Forschungsarbeit zur altersspezifischen Variation der Verwendung von Bewertern und Verstärkern.

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Eine klare Abgrenzung von Jugendsprache und Erwachsenensprache

beziehungsweise Standardsprache fällt also nicht leicht. Dennoch müssen

zur Auswertung der Daten Kriterien etabliert werden, mit denen zwischen

beidem wenigstens bis zu einem gewissen Maß unterschieden werden kann.

Dies erfolgt erstens an der Häufigkeit der Verwendung und zweitens an der

Art der Wortwahl. Die voran gegangene Erhebung, die ausschließlich

jugendsprachliche Bewerter und Verstärker thematisierte, soll hier wiederum

als ein Orientierungspunkt herangezogen werden. Festzustellen war im

Allgemeinen, dass jugendliche Sprecher zwischen 17 und 18 Jahren

tendenziell mehr Bewerter benutzen, das diese darüber hinaus jedoch auch

häufiger in Verbindung mit Verstärkern stehen. Ersteres wurde bereits in

Punkt 3.2 heraus gestellt. Die Verbindungen zwischen Bewertern und

Verstärkern und deren zahlenmäßiges Auftreten in den Gruppen zeigt das

folgende Diagramm.

Abb. III: Vergleich kombinierter Bewerter und Verstärker

Wiederum kann man deutlich erkennen, dass die jüngeren Sprecher der Gruppe 1

nicht nur häufiger Bewerter und Verstärker realisieren, sondern diese auch häufiger

kombinieren. Typische Formulierungen, die dabei im Gespräch auftauchen, sind

unter anderem: richtig anstrengend, so geil, super gut oder auch besonders

Mädchen 17- 18Jahre (Gruppe 1)

Mädchen 25- 26Jahre (Gruppe 2)

0,58

0,26

Bewerter in Verbindung mit Verstärkern

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anschaulich total mega Proll. Gerade Kombinationen mit so, super, total und mega

sind spezifisch jugendsprachlich (Androutsopoulos 1998b: 3). Die häufigere

Kombination von Bewertung und Verstärkung lässt tendenziell darauf schließen,

dass die untersuchten Jugendlichen der Gruppe 1 wesentlich häufiger und intensiver

sprachlich übertrieben als die Probandinnen in Gruppe 2. Als zweiter

Orientierungspunkt dient ebenfalls die Art der verwendeten Verstärker, aber auch der

verwendeten Bewerter. Wie man hier in jugendsprachliche und nicht-

jugendsprachliche Ausdrücke unterscheidet, lässt sich vorerst mit Hilfe eines

Jugendsprachlexikons lösen. Um nun heraus zu finden, ob es in den Aufzeichnungen

von Gruppe 2 möglicherweise themenabhängige Unterschiede gibt, wurden während

der teilnehmenden Beobachtung durch den Interviewer bestimmte Themengebiete

eingestreut, die entweder als eher jugendlich oder eher erwachsen kategorisiert

wurden. Im Voraus wurden als eher jugendliche Themen zum Beispiel, Musik aus der

Jugendzeit und Filme und Serien, die populär waren, eingestuft. Als erwachsenere

Bereiche kamen hingegen eher aktuelle Themen aus Politik und Wirtschaft und

Ernährung zum Zuge. Es ist nun spannend zu ermitteln, ob sich die Art der Sprache

in Bezug auf wechselnde Themengebiete verändert hat. Dazu werden im Weiteren

zwei beispielhafte Auszüge aus dem angefertigten Transkript herangezogen und

verglichen. Zur besseren Übersichtlichkeit wurden Verstärker jeweils grün und

Bewerter jeweils gelb gekennzeichnet. Zunächst folgt ein Ausschnitt, indem es um

die Bombenanschläge in Oslo durch den Attentäter Anders Breivik und dessen

justizielle Verwahrung geht. Dieses Themengebiet kann eher einem erwachsenen

Rahmen zugeordnet werden.

Beispiel 1:

01 SG: [na so ne so ne] anstalt halt so wenn du halt echt irgendwie ne krasse mh mh

ne krasse krankheit in deinem kopf hast-

02 also (-) wenn du krass bescheuert bist und der kommt halt nicht ins normale (.)

ins normale gefängni=[s sondern in ne geschlossene oder so.]

03 IH: [die frage is ja ob es ne KRANKheit is?]

04 °h also ich[kann mir vorstellen][dass einfach bestimmte krasse

vorstellungen]die einfach von der norm abweichen°h nicht unbedingt ne

krankheit is sondern einfach irgendwie-

05 SG: [naja][kommt darauf an wie man es sieht.]

06 wie so bei schizophrenen oder so die haben ja manch=[mal ne psychose-]

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13

07 IH: [ich glaub das is er halt ni=][ch (.) ja.]

08 SG: [die haben ja manchmal so ne]so ne anwandlungen dass sie denken so alle

wollen mich umbringen oder [irgendwas und dann]

09 IH: [ich glaub das is er nicht,]

10 ich glaub der hat[einfach nur ne (-) irgendwie][ne krasse (-) ideologie oder so]

11 SG: [bringt der die halt um.]

12 RR: [aber selbst wenn egal worans liegt der hat]weiß ich wieviel MEnschen

aufm[gewissen.]

13 SG: [ja ja-]

14 SG: [das mit dieser INsel das war so-]

15 MO: [((...)) is glaub ich bei der bombe dem anschlag]

16 SG: [o:h krass.]

17 FC: [hm.]

Verwendete Bewerter sind in diesem Fall krass (Zeilen 1, 4, 10, 16), normal (Zeile 2)

und bescheuert (Zeile 2). Krass ist nach Aussage des Jugendsprachlexikons ein

jugendsprachlicher Ausdruck (Ehmann 2008: 84) und im vorliegenden Beispiel

besonders präsent. Schaut man sich die Quantität der Verwendung des Bewerters

krass an, unterstützt dieser exzessive Gebrauch die eher Vermutung eines

jugendsprachlichen Gebrauchs. Darüber hinaus kommt es zu zwei Kombination von

Bewertern und Verstärkern in den Zeilen 1 und 2. Krass wird in diesem Ausschnitt

jedoch gehäuft von der Sprecherin SG benutzt. Eine Art Gruppendynamik ist daher

nicht erkennbar. Dennoch kann man sagen, dass es in Sachen Wortwahl und

Quantität Hinweise für einen jugendsprachlichen Gebrauch gibt, sich diese jedoch

vermehrt auf eine Sprecherin beziehen lassen. Zum Vergleich folgt nun ein

Ausschnitt in dem es um die Erinnerungen an den Film „Free Willy“ geht. Im

Allgemeinen ist das eher als ein jugendsprachliches Thema kategorisiert.

Beispiel 2:

01 SG: der is ja ich hab mir nie gedacht WIE der in dieses bassin kommt aber ich hab

immer gedacht das is nich so°h dann hat mir das irgend jemand gesagt und

ich konnt diesen film nicht mehr gucken °h und das war eigentlich mein aller

liebSter lieblingsfilm.

02 [und ich fand das gAnz schlimm;]

03 RR: [wer hat dir das gesagt dass es]wirklich so gibt (.) dass ä:h orkas?

04 SG: na die müssen die ja einfangen.

05 RR: (.) ja.

06 SG: wie solln das sonst gehen,

07 SG: und dieser hässliche schauspieler da (-) (xxx)

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14

08 FC: n junge?

09 RR: oh gott ich weiß nicht mal wie der aussieht.

10 FC: o:h den fand ich toll glaub ich-

11 ich glaub der hatte so[halb lange schwarze haare;]

[…]

12 SG: [der hatte son bisschen]sone schweinchen also nicht so wirklich also er hatte

son bisschen so=n bisschen runderes gesicht.

13 fand den nich so (-)

14 RR: hot?

15 SG: [hOT.]

16 FC: [ich hätte]jetzt gedacht dass der dunkelhaarig war.

17 IH: °h ho:t.

Verwendete Bewerter sind in diesem Beispiel schlimm (Zeile 2), hässlich (Zeile 7),

toll (Zeile 10), hot (Zeilen 14, 15, 17) und liebster lieblings[…] (Zeile 1), als etwas

ungewöhnliche Bewertung. Schlimm, toll und hässlich werden zwar häufig im

jugendsprachlichen Bereich gebraucht, da sie jedoch relativ allgemeine Bewerter

sind, die vermutlich ebenfalls altersunabhängig verwendet werden, kann man sie

nicht eindeutig dem jugendsprachlichen Inventar zuordnen. Sie sind darüber hinaus

im Jugendsprachlexikon von Ehmann nicht aufzufinden, was die Vermutung

unterstützt. Bei der Kombination gAnz schlimm (Zeile 2), fällt jedoch die besondere

Betonung auf, die ein Indiz für einen Rückfall in einen jugendlichen Sprechton

darstellen kann. Man könnte in diesem Fall von einer intonatorischen Akzentuierung

sprechen, die das Gesagte hier zusätzlich verstärken soll (vgl. Henne 2009: 149).

Interessant sind in diesem Ausschnitt auch die Verwendung von hot (Zeilen 14, 15,

17) und dessen doppelte Wiederholung. Hot ist ein Anglizismus. Anglizismen, wie

cool (Ehmann 2008: 40), chillig (Ehmann 2008: 38), kinky (Ehmann 2008:78) werden

häufig in der Jugendsprache verwendet. Hot wird bei Ehmann zwar nicht explizit

genannt, kann aber meiner Meinung nach dazu gerechnet werden. Darüber hinaus

ist die Kombination aller liebSter lieblingsfilm (Zeile 1) auffällig. Hier handelt es sich

um die Kombination von Verstärker und Bewerter, die man im Gesprächsverlauf eher

selten findet (vgl. hierzu auch Abb. III). Auch hier ist eine deutliche Änderung der

Intonation bemerkbar. Wiederum handelt es sich um eine Akzentuierung, die die

Aussage in ihrer Bedeutung verstärken soll. Zusammenfassend kann man hier

Folgendes festhalten. Einige Elemente können auf jugendsprachlichen Einfluss

hinweisen. Dies gilt jedoch sowohl für die exzessive Verwendung von krass im ersten

Beispiel, als auch für den wiederholten Gebrauch des Anglizismus hot und die

intonatorischen Akzentuierungen aller liebSter Lieblingsfilm und gAnZ schlimm im

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15

zweiten Beispiel. Diese Elemente können als Indizien gesehen werden. In Bezug auf

Quantität, Wortwahl und Variation ist das Beispiel 2 jedoch, meiner Meinung nach,

auffälliger als das Beispiel 1. Auf einen Rückfall in jugendlichen Sprachgebrauch

findet man hier mehr Indizien. Unterstützt wird diese Beobachtung besonders durch

die zweifache intonatorische Akzentuierung in den Zeilen 1 und 2 und in etwas

weniger deutlich auch in Zeile 15. Wiederum gehen die deutlichen Hinweise jedoch

lediglich auf eine Sprecherin zurück. Die eingeschränkte Dauer der Ausschnitte

könnte hier als eine mögliche Erklärung herangezogen werden. Doch auch

insgesamt gesehen, hat die Sprecherin SG den auffälligsten jugendlichen Sprechstil

sowohl in Beispiel 1 als auch in Beispiel 2.

.

4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Hyperbolisierende Ausdrücke in Form von Bewertern und Verstärkern werden in der

alltäglichen Kommunikation altersunabhängig verwendet. Die Erhebung lässt jedoch

erkennen, dass die Quantität der verwendeten Bewerter und Verstärker mit

steigendem Alter abnimmt. So wurden in Gruppe 1, der jüngeren Teilnehmerinnen,

wesentlich mehr Bewerter und Verstärker verwendet als in Gruppe 2, was unter

anderem auf einen jugendsprachlicheren Gebrauch derselben hinweist. Zwar sind

die Teilnehmerinnen bereits zwischen 17 und 18 Jahren alt, dennoch kann man

vermutlich davon ausgehen, dass der Entwicklungs- und Reifeprozess noch nicht

vollständig abgeschlossen ist. Die Verwendung von Jugendsprache und die

Entwicklung einer Ich- Identität stehen, Henne (2009: 204) zufolge in einem

Zusammenhang. Jugendsprache gilt in diesem als verbindendes Gruppenmerkmal

und als Abgrenzungsmechanismus von einer erwachsenen Umwelt. Daher kann man

die Schlussfolgerung ziehen, dass sich mit dem Reifen der Persönlichkeit auch der

Gebrauch jugendlicher Sprechweisen zugunsten einer standardsprachlichen

Umgangssprache verringert. Wenn man sich auf die Definition von Bahlo und Dittmar

beruft, sind die Sprecherinnen der Gruppe 2 ebenfalls noch jugendliche Sprecher.

Die Peergroup verliert vermutlich auch mit steigendem Alter nicht vollständig an

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Einfluss. Beide Gruppen befanden sich während der Aufzeichnungen in ihrer

vertrauten Peergroup. Auch wenn die jüngere Gruppe 1 wesentlich mehr

Jugendsprache in Form von Bewertung und Verstärkung verwendet hat als Gruppe

2, bedeutet das nicht, dass diese in letzterer völlig gefehlt haben. Dennoch kann man

davon ausgehen, dass der Reifeprozess zwischen 17 und 25 voran geschritten ist,

was Auswirkungen auf die Sprechweise hat, auch wenn dieser Prozess noch nicht

endgültig abgeschlossen ist. Das hat die qualitative Analyse vorerst bestätigt.

Die Themenbezogenheit der Sprachwahl in Gruppe 2 lässt sich in Bezug auf

bestimmte Aspekte nachweisen. Im Beispiel 2 treten im Vergleich zu Beispiel 1

durchaus markante Unterschiede auf. Abgesehen von der Wortwahl, sticht hier

besonders die zweifache verstärkende intonatorische Akzentuierung GAnz schlimm

und aller liebSter lieblingsfilm ins Auge. Diese kann ebenso als Indiz für einen

Rückfall in jugendlichen Sprachgebrauch gesehen werden, wie die Verwendung des

Anglizismus hot. Es scheint also in diesem Fall durchaus ein themenbezogener

Unterschied aufzutreten, wenn man im Gegenzug beachtet, dass in Beispiel 1 zwar

Jugendsprache in Form des Wortes krass aufgetaucht ist, ansonsten

jugendsprachliche Bewerter und Verstärker jedoch rar gesät waren.

Aus diesen Erkenntnissen kann man nun zusammenfassend Folgendes

schließen. Die Ergebnisse der quantitative Analyse deuten darauf hin, dass mit

steigendem Alter von exzessiver jugendsprachlicher Bewertung und Verstärkung

eher Abstand genommen wird. Dies könnte unter anderem mit der im

Entwicklungsprozess erworbenen geistigen Reife zusammenhängen. Auch die

Übernahme jugendsprachlicher Elemente in die Umgangssprache kann ein

Erklärungsansatz sein (Bahlo, Dittmar 2008: 1). Qualitativ gesehen, scheint es einen

themenbezogenen Unterschied bei der Sprachwahl zu geben. Inwiefern man von

einem Rückfall in jugendsprachlichen Gebrauch sprechen kann, ist jedoch fraglich,

da eine Abgrenzung zwischen Jugendsprache und Umgangssprache schwer fällt.

Der Umfang der Studie kann dahingehend als Anhaltspunkt für teilweise undeutliche

Ergebnisse gesehen werden. Um gültigere Aussagen machen zu können, müsste

man die Erhebung deutlich vergrößern, indem weitere Vergleichsgruppen heran

gezogen werden sollten. Dennoch kann man von einer Tendenz sprechen, die sich in

diesem konkreten Fall abzeichnet. Diese Tendenz zeigt, dass es bei dem

entsprechenden Themengebiet einen teilweisen Rückfall in jugendsprachliche

Charakteristika gibt. Ein konstantes Muster im Sprachgebrauch bezüglich Bewertern

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und Verstärkern hat sich dahingehend nicht abgezeichnet. Diese Schlussfolgerungen

deuten nun also darauf hin, dass die Quantität des Gebrauchs zwar mit steigendem

Alter abzunehmen scheint, das jedoch unter bestimmten Umständen weiterhin

jugendsprachliche Elemente im Sprachgebrauch älterer Sprecher realisiert werden.

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5. Literaturverzeichnis

5.1 Printmedien

Androutsopoulos, K. Jannis (1998a): Deutsche Jugendsprache. Untersuchungen

zu ihren Strukturen und Funktionen, Peter Lang, 1998.

Ehmann, Hermann (2008): Engeil- Das voll korrekte Lexikon der Jugendsprache,

Verlag C.H. Beck, München.

Henne, Helmut (2009): Jugend und ihre Sprache. Darstellung, Materialien,

Kritik, Walter de Gruyter, Berlin, New York 1986 (überarbeitete Fassung).

Homberger, Dietrich (2003): Sachwörterbuch zur Sprachwissenschaft,

Phillip Reclam jun., Stuttgart.

5.2 Internetrecherchen

Altbauer, Heinrich (Hrsg.) (2009): „Lexikon für Psychologie und Pädagogik –

Peergroup“ http://lexikon.stangl.eu/161/peergroup/ (22.03.2012, 11:30Uhr).

Androutsopoulos, K. Jannis (1998b): „Wie sagt man ‚sehr gut‘ in der

Jugendsprache?“, unveröffentlichtes Manuskript, Tip – Theorie, Information,

Praxis. < http://jannisandroutsopoulos.files.wordpress.com/2010/01/wie-sagt-

man-sehr-gut-in-der-jugendsprache.pdf> (20.02.2012, 15:04 Uhr).

Bahlo, Nils; Dittmar, Norbert (2008): „Jugendsprache“.

http://www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/v/jugendsprache/index.html

(06.03.2012, 17:00 Uhr).