Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Förderung selbstregulierten Lernens mit Lerntagebuch und Portfolio Matthias Nückles Institut für Erziehungswissenschaft www.face-freiburg.de www.kebu-freiburg.de Vortrag im Rahmen des Dies Academicus der Universität Leipzig
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Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Förderung selbstregulierten Lernens mit Lerntagebuch und Portfolio
Matthias NücklesInstitut für Erziehungswissenschaft
www.face-freiburg.dewww.kebu-freiburg.de
Vortrag im Rahmen des Dies Academicus der Universität Leipzig
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Studieren in Deutschland im 21. Jhdt.Aktive Lernende? Tiefes Verständnis?Lehramt studieren im 21. Jhdt.:
Stellen die Studierenden Zusammenhänge her?
Überlegen sie sich eigene Beispiele?
Überwachen sie ihr Verständnis?
Selbstreguliertes Lernen an der Hochschule
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§ Universitäres Studium − Traditionell hoher Anteil des Selbststudiums
− Modularisierung macht Selbststudiumsanteileexplizit (oft 80% und mehr des Workloads!)
→ erhebliche Bedeutung für Studienerfolg
§ Selbstreguliertes Lernen bei Studierenden− Oft Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität
− Zunehmende Heterogenität der Lernvoraussetzungen
§ Zahlreiche Möglichkeiten für Lehrende, selbstreguliertes Lernen „nebenbei“ zu fördern! − Zum Beispiel durch Lerntagebücher und Portfolios
??
Welche Anforderungen stellt das selbstregulierte Lernen an die Lernenden?
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1. Vor dem Lernen→ Ziele setzen
→ Vorwissen aktivieren→ sich motivieren
→ Strategieeinsatz planen
2. Während d. Lernens→ Lernstrategien einsetzen
→ Überwachen und regulieren→ Motivation und
Konzentration aufrecht-erhalten
3. Nach dem LernenBewertung des
Lernergebnisses→ Zielerreichung→ Bewältigung
→ Konsequenzen
Zyklisch-interaktives Modell (Zimmerman, 2000)
Zwei wichtige Unterscheidungen in diesem Zusammenhang
1. Kognition und Metakognition− „ich versuche den Stoff zu verstehen und mir zu
merken“ (kognitive Prozesse)
− „ich plane, überwache und bewerte mein Lernen“ (metakognitive Prozesse)
2. Motivation und Volition− „ich erkenne, weshalb und wozu der Lernstoff wichtig ist
und bin bereit, mich anzustrengen“ (Motivation)
− „ich fange rechtzeitig mit dem Lernen an und lasse mich nicht ablenken“ (Volition)
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Zusammenspiel kognitiver und meta-kognitiver Lernstrategien
(1) Die Studierenden sollten zu einem kontinuierlichen Lernen angehalten werden
(2) Verständnis der Studierenden hinsichtlich der Bedeutung und Funktion wichtiger Lernstrategien offenbar unzureichend
− Sie sollten über die lernerfolgssteigernde Funktion tiefenorientierter Lernstrategien informiert…
− …und zu deren Gebrauch angeregt werden
…z.B. mittels Lerntagebuch und Portfolio
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Lerntagebuch und Portfolio
§ Schriftliche Reflektion über den Lernstoff,die eigenen Lernerfahrungen und Lerngewinne− regelmäßig und über längere Zeit− Schreiben erleichtert Nachdenken über Lernstoff
§ Portfolio− Reflektion fokussiert auf Produkte der Lernenden (z.B.
bearbeitete Lernaufgaben)§ Lerntagebuch
− Lernende weitgehend frei, worüber sie reflektieren § Einschränkung der Privatheit
− Einblicke in Lernprozesse− Rückmeldung geben
Theoretische Perspektiven beim Lernen durch Schreiben
Writing-as-Pro-blem-Solving View
Scardamalia & Bereiter (1987)
• Schreiben als zielgerich-tetes Problemlösen
• Dialektik zwischen semantischem und rhetorischem Problem-raum
• Realisierung rhetorischer Ziele wichtig für Lernerfolg
• Die „klassische“ Position
Self-Regulation View
Nückles et al. (2009)• Schreiben als Medium
selbstregulierten Lernens
• Schreiben fördert Lernen, wenn es Prozesse des selbstregulierten Lernens unterstützt
• Kognitive und metakognitive Prompts dafür wichtig
Strong Text View
Britton (1980)• Sprache als Vehikel des
Denkens (Vygotskij) • Implizites Wissen wird
durch Sprache explizit• Freies, expressives
Schreiben fördert Lernerfolg am besten
• Die „romantische“ Position
Diagnostische Zielsetzungen
§ Erfassung der Qualität und Quantität von Lernprozessen
§ erleichtert Diagnose von naiven oder fehlerhaften Vorstellungen
− Diagnose von Fehlkonzepten ist schwierig!(Chi, Siler & Jeong, 2004)
§ ermöglicht formative Diagnostik
Lerntagebuchauszüge aus meiner Vorlesung „Einführung in die Bildungswissenschaft“ (1. Sem.)
§ Erwartungen an die Vorlesung:- Ich erwarte von „Einführung in die
Bildungswissenschaften“, dass diese Vorlesung einen zumindest näherungsweise befriedigen Ersatz für ein Psychologiestudium abbilden kann.
- Es wäre mir wichtig, dass wir besprechen, wie viel Einfluss z.B. ein selbstsicheres Auftreten und die damit verbundene Autorität auf die gelungene Vermittlung von Unterrichtsstoff hat und inwieweit man dieses Auftreten persönlich erlernen oder verbessern kann.
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Instruktionale Zielsetzungen
§ Tiefe Verarbeitung des Lernstoffs
- durch kognitive Lernstrategiend.h. Organisations- und Elaborationsstrategien
§ Bewusstsein für und Kontrolle über den Lernprozess
- durch metakognitive Lernstrategiend.h. Planungs-, Überwachungs- und Bewertungs-strategien
Zyklisch-interaktives Modell selbstregulierten Lernens durch Schreiben
Organisation &Elaboration
Überwachen& Bewerten
Planen von remedialenStrategien
Lernziel erreicht
Förderung kognitiver und metakognitiver Lernstrategien im Lerntagebuch
§ Leitfragen (engl. Prompts)- gegen oberflächliches Lernverhalten und Passivität
(Pressley et al., 1992)
- als „Strategie-Aktivatoren“ (Reigeluth & Stein, 1983)
Organisation: „Wie kann ich den Stoff am besten gliedern?“Elaboration: „Welche Beispiele fallen mir ein, die das Gelernte
illustrieren, bestätigen oder ihm widersprechen?“
Überwachen: „Welche zentralen Inhalte habe ich nicht verstanden?“Remediales „Welche Möglichkeiten habe ich jetzt, um meine Planen: Verständnisschwierigkeiten zu klären?“
Experiment: Schreiben eines LernprotokollsKognitive und metakognitive Aktivitäten (Berthold, Nückles & Renkl, 2007)
KognitivePrompts
Meta-kognitive Prompts
Kognitive & Metakognitive Prompts
KeinePrompts
nichterkennbar
klar erkennbar
Akt
ivitä
tKognitive AktivitätenMetakognitive Aktivitäten
Experiment: Schreiben und Revidieren eines Lernprotokolls (Nückles, Hübner & Renkl, 2009)
Gruppe 1: Keine Prompts (Kontrollgruppe)
Gruppe 2: Kognitive Prompts (Organisation & Elaboration)
Gruppe 3: Metakognitive Prompts (Überwachen & remediales Planen)
Gruppe 4: Kognitive und metakognitive Prompts OHNE Prompts zum remedialen Planen
Gruppe 5: Kognitive und metakognitive Prompts MIT Prompts zum remedialen Planen
1. Vorlesungsvideo2. Schreiben einer ersten Fassung des Lernprotokolls3. Revision des Lernprotokolls mit Vorlesungstext4. Verständnistest
Adaptives Ausblenden der Prompts:Ergebnisse Lernerfolg
F(2, 47) = 3.34, p < .05, η2 = .12
2,5
3
3,5
4
ausgeblendetePrompts
kein Lerntagebuch
hoch
niedrig Testergebnis1. Hälfte des Semesters
TestergebnisEnde des Semesters
permanente Prompts
Fazit adaptives Ausblenden der Prompts
§ Adaptives Ausblenden weitgehend erfolgreich- Kognitive Strategien nahmen zu über das Semester
- Abfall des Lernerfolgs wurde verhindert
- Effekt auf metakognitive Lernstrategien nicht ganz so stark
- Kein Effekt auf Freude am Lerntagebuchschreiben
§ Schlussfolgerungen- Ständig sein Verständnis überwachen ist anstrengend!
- Freude am Lerntagebuchschreiben nimmt langfristig etwas ab
• Sättigungseffekt wahrscheinlich
- Wechsel der Aufgabenform nach einiger Zeit
- Alternierende Aufgabenstellungen (z.B. Lerntagebuch alle 14 Tage)
Ein Portfolio zur Verknüpfung von Theorie und Praxisin der Lehrerausbildung (mit Jörg Wittwer und Christiane Klein)
§ Bildungswiss. Modul im 2-Fächer-Bachelor Lehramt
§ Fokus Vorlesung
- Einführung in Kerntätigkeiten (Core Practices) einer Lehrkraft (McDonald et. al., 2013)
• Erklärungen geben, Fragen stellen, Feedback geben, etc.
§ Fokus Portfolio zum Orientierungspraktikum
- Beobachtungsaufgaben zu Kerntätigkeiten
- Anwenden des erworbenen Wissens auf Praxis (Verstehen)42
Vorlesung Vor-bereitung
Orientierungs-praktikum
Nach-bereitung
19.01.17 43
Beispiel einer Aufgabenbearbeitung
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Detaillierte Analyse der Beobachtungen
Insgesamt Bearbeitung dieser Beobachtungsaufgaben durch die Studierenden auf gutem Niveau!
Reflektionsaufgabe zur Kompetenzentwicklung in Bezug auf eine zentrale Tätigkeit (z.B. Fragenstellen)
Leitfragen§ Welche Vorstellung hatten Sie über die zentrale
Tätigkeit vor Beginn des Studiums?
§ Was haben Sie in der Vorlesung und dem Vorbereitungsworkshop über die zentrale Tätigkeit gelernt?
§ Was haben Sie über die zentrale Tätigkeit im Orientierungspraktikum durch Ihre Beobachtungen gelernt?
§ Was haben Sie über die zentrale Tätigkeit durch Ihr eigenes Unterrichten gelernt?
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Inhaltsanalyse der Texte: Bestimmung von Reflektionsniveaus (vgl. Rahm & Lunkenbein, 2014)
1. Alltagssprachliche Wiedergabe von Beobachtungen,Reproduktion von Wissen, keine Verknüpfung von wissenschaftlichen Begriffen und Beobachtungen erkennbar
2. Für beobachtete Handlungen werden Begründungen gegeben, jedoch unter Rückgriff auf Alltagswissen, d.h. ohne Bezug zu wissenschaftlichen Konzepten
3. Beobachtungen und Erfahrungen werden eher oberflächlich unter Rückgriff auf wissenschaftliche Konzepte beschrieben
4. Beobachtungen und Erfahrungen werden adäquat unter Rückgriff auf wissenschaftliche Konzepte beschrieben und begründet, beobachtete Praxis wird theoretisch durchdrungen
5. Beobachtungen und Erfahrungen können multiperspektivisch beleuchtet werden, Lehrerberuf wird als komplexe Tätigkeit mit mehreren gleichzeitig zu verfolgenden Zielen portraitiert
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Mittlere Häufigkeit von Textsegmenten pro Studierende/r auf den unterschiedlichen Reflektionsniveaus
0
2
4
6
8
10
12
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Bearbeitung der Reflektionsaufgabe durch die Studierenden ausführlich und sorgfältig
• allerdings eher reproduktiv und beschreibend• wenige Episoden auf höheren Reflektionsniveaus→ Studierende noch am Anfang ihrer Kompetenzentwicklung
Zusammenfassung
§ Probleme studentischen Lernverhaltens- Neigung, wichtige Lernaufgaben aufzuschieben, wenn Freiräume
vorhanden
- Neigung zu Wiederholungs- statt tiefenorientierten Lernstrategien
§ Lerntagebuch und Portfolio- „zwingen“ Studierende zu regelmäßiger Auseinandersetzung mit
Lernstoff bzw. Praxisfeld (verteiltes Lernen bzw. Üben)
§ Fokus Lerntagebuch - Anregung von Prozessen der Wissenskonstruktion
- Förderung von tiefem Verständnis und darüber vermittelt von Interesse sowie Argumentieren
Zusammenfassung
§ Fokus Portfolio- Anwendung von erworbenem Wissen- Praxisfeld mit wissenschaftlichen Konzepten verstehen lernen- Professionelle Handlungen wissen. korrekt ausführen lernen
§ Lerntagebuch- einfach zu implementieren und effektiv- wichtig: Over-Prompting und Sättigungseffekten entgegenwirken!
§ Portfolio- curriculare Einbettung und Abstimmung der Lernaufgaben
entscheidend!- ermöglicht wichtige Einblicke in Kompetenzentwicklung der