Noch nicht geboren und schon auf der Flucht Von der Erstaufnahme in den Kreißsaal Andreas Luttkus Klinikum Lippe Frauenklinik + Perinatalzentrum Detmold
Noch nicht geboren und schon auf
der Flucht Von der Erstaufnahme in den Kreißsaal
Andreas Luttkus
Klinikum Lippe Frauenklinik +
Perinatalzentrum Detmold
Montag, den 23. November 2015; 7:30h
Kreißsaal: Eine Kreißende (seit 4 Wochen
in D, Vorsorge und Anlage MuPa)
Präpartale Station: • 24-ä Ig 26 SSW, vorz.
Wehen, i.v. Wehenhemmung (1 Woche in Deutschland)
• Zwei Frauen in der Frühschwangerschaft
• Wochenstation: Eine Entbundene (seit 4 Tagen in D, keinerlei Vorsorge)
Eine Flüchtlingswelle erreicht uns. Nur wenige Aspekte um die Entbindung werde erörtert: Ein wenig Ordnung ins „Chaos“
Themen: -Normale Schwangerenvorsorge -Analyse der Daten der letzten Monate -Bewertungen, Perspektiven
„Wir schaffen das!“
Übliche Vorsorge in D Prävention!
Früh-
grav
NT Fehlbildungs- schall
Biometrie Partus
5.6.
SSW
10 ssw
12+
SSW
20
SSW
30
SSW
40.
SSW
Die Mutterschaftsrichtlinien regeln die Vorsorge mit dem Ziel für Mutter und Kind Risiken zu minimieren. Prospektive Geburtshilfe
280 Tage = 40 Wochen
Nägele Regel
Erster Tag der letzten Regel +7 Tage -3 Monate + 1Jahr viel Zeitaufwand: Anamnese Befunde zusammentragen Anlage des MuPa
„MuPa“ weltweit einzigartig Folgende Kasuistiken: neg.
Röteln: präkonzeptionelle Impfung
Hepatitis B (postnatale Impfung des Kindes)
Lues
HIV
Hepatitis C
Zytomegalie (Igel)
Toxoplasmose
Im Interesse des Kindes wird abgeklärt! Und MuPa ausgehändigt!
Blutgruppenbestimmung: Im Notfall lebensrettend!
Ausstellen des Mutterpasses: alle Vorsorgemaßnahmen! Aber der Verlauf fehlt
Anrufe aus verschiedenen Kliniken in NRW: Befundabfrage
Anamnese (Krankengeschichte): Sehr wichtig! ohne Sprache?
Offene Probleme: Erste Hilfe ist stark überlastet
Flüchtlinge kommen zusätzlich auch nachts
Häufig am Abend (ärztl. Nachtdienstbesetzung)
F-Ambulanz: Sammeltaxi
Transport: RTW, Taxi
Veit-Smellie ca. 1650
Prospektiver Ansatz in der Geburtshilfe!
Für die nun folgenden Daten gilt: Keine Vorsorge bei den Flüchlingen
Erstvorstelllung in der Klinik:
Keinerlei Informationen über SS
Nur mündliche Angaben
Ab Mitte 2015 kommt es vor , daß Niedergelassenen Fachärzte schon Vorsorge-untersuchungen gemacht hatten.
Auswertung der Entbindugen in Lippe: Methode: Über die Controllingabteilung wurden die Fälle identifiziert.
Frauen aus der Erstaufnahme
Januar bis Oktober 2015
(keine Vermerke in Krankenakte)
Ambulante Fälle: sicher nicht alle erfaßt (n=198) wird nicht besprochen
Entbindungen: vollständig (n=41)
Stationäre Fälle? (n=126) incl. Ca 20 Aborte; wird nicht besprochen
Problem: Codierungsqualität
Flüchtlinge, die schon länger im Lande sind wurden nicht erfaßt.
Demographie Alter (Jahre) bei I. Partus Flüchtlinge Median 25
Minimum 15
Maximum 36
25-ä VIIIg, VIIIp
Alter beim ersten Kind Detmolder Klientel
29
Deutschland 31
France 29
Ergebnisse Anämie Hämoglobin (g/dl) bei Partus
Flüchtlinge
Median 10,5
Minimum 7,3
Maximum 13,6
Frauenklinik Detmold, Median
12,2
WHO: Def. Anämie: 11,0
NUR 6 Flüchtlinge lagen darüber!
Eisensubstitution!
Weltweit: Blutung Todesursache Nr. 1
30% der Müttersterblichkeit
Die Geburt ist eine höchst riskante Reise im Leben vor allem wenn man bedenkt, wie kurz die Strecke ist.
Birth is the most dangerous journey during
life, when count per kilometer.
Ergebnisse: Risikofaktoren
Flüchtlinge:
Z. n. Sektio 30% Lippe 10%
Das Kind ist bei der Ruptur in größter Gefahr. Häufig liefert das CTG (Herztonkurve) die ersten Hinweiszeichen für eine Ruptur. Gestörter Gasaustausch führt zu Azidose, Hirnschaden und Tod.
Ergebnisse: Entbindungsmodalitäten
Flüchtlinge
Frauenklinik Detmold
Spontan 58% 61%
Pr. Sektio 19% 13%
Sek. Sektio 16% 12%
VE/Forzeps 6% 14%
Sektiorate 34%! Erklärung?
Ergebnisse: Flüchtlinge: Zustand der Kinder
Geburtsgewicht g
Median 2840
Minimum 600
Maximum 3940
SSW bei Geburt Woche+Tage
Median 38+6
Minimum 24+6
Maximum 41+5
Cave: sechs Fälle Völlig unklar
Frühgeborene
<37+ SSW 22%
<34+SSW 12,9%
Ergebnisse: Flüchtlinge: Gefährdung der Kinder durch Unterversorgung
Geburtsgewicht g
Median 2840
3140g, 38+6SSW
Gewichtsperzentilen bei Geburt
Median 32. Perz.
Minimum <3. Perz.
Maximum 97. Perz.
Cave: sechs Fälle nicht eingeschlossen (19%)
SSW unklar
Hohes Gefährdungspotential Kein IUFT Keine schwere Azidose (pH med. 7,35)
Stillen!
Geburtsregister mit dem Gewicht aller ab 1911 geborenen Kinder in Hertfordshire
Vergleich mit den Todesursachen der in dieser Grafschaft verbliebenen Menschen
Niedriges Geburtsgewicht (< 5 Pfund):
o höheres Risiko für Herzinfarkt (Männer)
o erhöhte statistische Wahrscheinlichkeit für Übergewicht, Bluthochdruck, Schlaganfall und Diabetes mellitus
o Stillen (!!!) senkt das Risiko für einen Hyperinsulinismus.
Barker, DJ, Osmond C. Lancet 1986;1:1077-81
"The Barker Theory"
E. Margaret Burnside Hertfordshire‘s
First Lady Inspector of Midwifes 1877-1963
Ravelli GP et al. N Engl J Med 1976; 295:349-53
Pränatale Prägung: „Holländischer Hungerwinter“ 1944/45
Unterernährung der Schwangeren
1. oder 2. Schwangerschafts-
trimester
3. Schwangerschafts-
trimester
Erhöht Nicht erhöht
Adipositasprävalenz der Kinder im Erwachsenenalter
Metabolisches Imprinting
Unsere Ansprüche Med. Standard 2015
Keine Schlechterstellung
Pränatale Diagnostik und Therapie! (?)
Einfühlsames, empathisches Miteinander
Unsere Ideen
Keine Verlegungen während der Schwangerschaft
Keine Verlegungen kurz vor Partus
Optimale (?) Startbedingungen für Familie und auch für Frühgeborene
Spracherwerb: Conditio sine qua non
Sprache?
Übersetzer:
Verwandte, Freunde, Fremde, Klinikdolmetscher
Ärztl. Team der Frauenklinik (21) Detmold + Lemgo:
• Englisch (20)
• Russisch (4)
• Französisch (5)
• Arabisch (3)
• Kurdisch (1)
• Armenisch (1)
• Polnisch (1)
• Italienisch (1)
• Bayrisch (0)
Aber auch das Telefon!
Sprache bedeutet nicht automatisch Vertrauen, aber ohne Sprache läßt sich kaum Vertrauen aufbauen.
26-ä Iip, 40+SSW: IUGR, p.Doppler Aufnahme abgelehnt nach Vorladung: Sektio. Kind wohlauf
Offenen
Anregungen:
Ärgerlich: nach über zehn Jahren in D immer noch keine Kommunikation möglich!
Sprachkenntnisse als conditio sine qua non!
Schlußfolgerung:
• Die Ansprüche an uns sind hoch. Wir lernen mit minimalen Vorausetzungen zu arbeiten.
• Standards , Leitlinien können oft gar nicht eingehalten werden.
• Verlegungen zu vermeiden heißt: Sicherheit erhöhen und Kosten durch Mehrfachuntersuchungen vermeiden.
• Morbidität deutlich erhöht.
• Das Wissen ist da, es fehlt an der Umsetzung