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Transcript
1
Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur
Das Feature
Schumanns Violinkonzert
Geschichte einer Uraufführung
Ein Feature von Ulrike Bajohr
Produktion. Dlf 2012
Redaktion: Tina Klopp
Sendung: Freitag, 22.05.2020, 20.05-21.00 Uhr
Regie: Axel Scheibchen
Es sprachen: Renate Fuhrmann, Anja Lais, Frank Meyer, Matthias Lühn, Rainer Delventhal
und Wolfgang Rüter
Ton und Technik: Michael Morawietz und Beate Braun
Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.
„…. Ein Violinkonzert von Schumann – mit welchem Jubel würde es von allen
Kollegen begrüßt worden sein! Und doch durfte gewissenhafte Freundessorge
für den Ruhm des geliebten Tondichters nie einer Publication das Wort reden,
so vielumworben es auch von Verlegern war. Es muß eben leider gesagt
werden, dass es eine gewisse Ermattung, welcher geistige Energie noch etwas
abzuringen sich bemüht, nicht verkennen läßt. Einzelne Stellen (wie könnte es
anders sein) legen wohl von dem tiefen Gemüth des Schaffenden Zeugniß ab;
umso betrübender aber ist der Contrast mit dem Werk als Ganzes.“ 1
Der Geiger Joseph Joachim an seinen Biografen,
5. August 1898
02a (Tagung der Reichskulturkammer, Rede Goebbels)
….Voll Verehrung blicken wir nun alle in dieser Stunde auf Sie, mein Führer! Dsie
kennen die Kuisnt und Sie lieben die Kunst, Sie weisen Ihr Ric htung und Ziel als ihr
begnadetster Sinngeber. Das danken wir Ihnen alle! Halten Sie auch in Zukunft Ihre
schirmende Hand über deutsche Kunst und deutsche Art, und Leistung und Tat
sollen dann Antwort und Gelöbnis des deutschen Künstlers darauf sein. 2
Beifall
Deutscher Rundfunk… Übertragung der… Reichskulturkammer und der … Kraft
durch Freude … übertragen wir jetzt das Violinkonzert von Robert Schumann in
Welturaufführung. Solist ist Professor Georg Kulenkampff… Wir begrüßen nunmehr
auch die Hörer der Rundfunkgesellschaften Italiens, Österreichs, Jugoslawiens,
Schweiz, Ägypten, Australien… Teneriffa…3
Ansage:
Schumanns Violinkonzert. Geschichte einer Uraufführung
Ein Feature von Ulrike Bajohr
1 ebd., S. 317
2 Mitschnitt der Tagung der Reichskulturkammer vom 27.11. 1937, Deutsches Rundfunkarchiv
3 Mitschnitt der Tagung der Reichskulturkammer vom 27.11. 1937, Deutsches Rundfunkarchiv
3
Musik: Beginn 1. Satz, Fassung Wallin
Sprecher 1:
Erster Satz: Im kräftigen, nicht zu schnellem Tempo.
Solist: Ulf Wallin, 2011
01a Struck
blättert, liest vor: Schumanns eigene Handschrift, sehr sauber geschrieben: Konzert
für Violine mit Begleitung des Orchesters, Düsseldorf, vom 21. September bis 3.
Oktober 1853, und hat am Schluss auch (blättern)…
auf kursiv 01a:
Sprecher 4:
21. September 1853: Stück für Violine angefangen
24./25. September: Fleißig.
1. October: Das Concert für Violine beendigt.
3. October: Das Concert fertig instrumentiert.
Robert Schumann, Haushaltbuch4
01af Struck, ab 24“
… mit seinem Namenszug Düsseldorf, 31. Oktober 1853 revidiert, also er hat es
schon einmal durchgeguckt, wenn er es mal veröffentlichen will, ist es schon
durchgearbeitet.
(Musik weg)
Sprecher 3:
Joseph Goebbels, Tagebuch, 21. September 1937
„Ein neues Violinkonzert von Robert Schumann entdeckt. Das führen wir auf
der Tagung der R(eichs)-K(ultur)-K(ammer) auf. Das Ministerium hat die
4 zitiert nach: Michael Struck: Die umstrittenen späten Instrumentalwerke Schumanns. In: Hamburger Beiträge
zur Musikwissenschaft 29. Verlag der Musikalienhandlung Karl Dieter Wagner Hamburg 1984; S. 293
4
Führung, die Kammer die Durchführung. Nur so geht es. Und statt der
Tonkünstlerfeste das Volk an die Musik heranbringen.“ 5
(Musik weiter)
Sprecherin 2:
Clara Schumann, Tagebuch, 7. Oktober 1853
„Robert hat ein höchst interessantes Violinconcert beendet, er spielte es mir
ein wenig vor, doch wage ich mich nicht eher darüber näher auszusprechen,
als bis ich es erst einmal ganz gehört. Das Adagio und der letzte Satz waren
mir gleich ganz klar, nicht so ganz der erste.“ 6
04 O-Ton Struck
Er fängt so an, wie es in der Klassik war – oder auch im Barock mit den
Orchesterritornellen, die am Anfang standen – und lässt Geige und Orchester
zunächst wie Blöcke gegeneinanderstehen, wie Blöcke, die wenig miteinander zu
tun haben– sieht man schon daran, dass das Orchester mit seinem dunklen,
mächtigen, fast barockisierenden, für Schumann untypischen d-moll-Thema
daherkommt und dann zwar auch das lyrische Seitenthema intoniert, das ein
bisschen an Schumanns Träumerei erinnert – und dann aber die Geige, wenn sie
einsteigt, sich relativ schnell von diesem Thema ablöst, dass sie erst ein bisschen
paraphrasiert und sehr schnell zu dem lyrischen Thema hin eilt.
Sprecherin 1:
Im Jahre 1853 ist Robert Schumann 43 Jahre alt und Musikdirektor in
Düsseldorf. Ein schwieriger Musikdirektor. Er schätzt die Ehre und braucht das
Salär, nicht aber die administrativen Aufgaben, die Repräsentation und schon
gar nicht die störrischen, nicht selten minderbegabten Musiker. Er will
komponieren, mit seiner Frau Clara auf Konzertreisen gehen. Und er leidet
unter Lärm - unter den schrillen Klängen in seinem Kopf, unter Claras
Klavierübungen und dem Gezänk der sieben Kinder. Immer wieder ist die
5 Die Tagebücher von Joseph Goebbels.Hg. Elke Fröhlich, K.Sauer München 2000
Band 4: März bis November 1937, S.321 6 ebd.
5
Familie deswegen umgezogen. Die Wohnung in der Bilker Straße, Haus Nr.
1032, ist endlich groß genug – sie wird seine letzte sein. Hier schreibt er sein
Violinkonzert.
O4a 0-Ton Struck
Wenn das Orchester allein spielt, dann schweigt die Geige naturgemäß, wenn aber
die Geige was zu sagen hat, dann ist das Orchester so stark untergeordnet , wie man
das vielleicht von klassischen Konzerten kennt, vielleicht von Virtuosenkonzerten –
Paganini – wie es aber Schumanns Standard nicht ist. Das kann man als Defizit
ansehen, sofort, man kann nach 5 Minuten sagen: das Werk ist aber langweilig, man
kann aber auch fragen: was passiert jetzt damit. Bleibt das so oder ändert sich das?
Sprecher 1
„Den späten Schumann kennen wir aus dem merkwürdig spröden
Violinkonzert, den Violinsonaten, die den Ernst des Brahmsstiles und die
Brucknersche Klangfülle vorausahnen.“
Wolfgang Boetticher, Musikwissenschaftler, 19427
04b (Struck)
Und in Schumanns Violinkonzert sieht man, dass in der Durchführung das erste Mal
Orchester und Sologeige anfangen, einen zarten Dialog zu führen, dann wird ein
neues Thema eingeführt, das die Geige und einige Solobläser und die ersten
Violinen sich in die Hand geben, da kommt etwas von Konzertieren auf, nicht im
Sinne eines Wetteiferns, sondern eines zarten lyrischen Dialogs, und der Dialog wird
am Ende der Durchführung, wenn die Musik fast stehenzubleiben scheint, in Frage
gestellt und in der Reprise erstmals wieder durch die blockhafte Konfrontation
ersetzt. Das heißt, Geige und Orchester haben versucht, sich ein bisschen
anzunähern, aber das ist keine nachhaltige konzertante Annäherung geworden.
Sprecherin 1:
Gleich drei Wochen nach der Fertigstellung, am 27. Oktober 1853, lässt der
Musikdirektor sein neues Werk auf das Programm des Abonnentenkonzertes
des Düsseldorfer Musikvereins drucken. Doch das Konzertkomitee will
7 Wolfgang Boetticher: Robert Schumann in seinen Schriften und Briefen. Bernhard Hahnefeld Verlag Berlin,
1942, S. IX
6
unbedingt noch einmal Beethovens Violinkonzert , gespielt von Joseph
Joachim hören, der mit seinem damals noch ziemlich unbekannten Werk kurz
zuvor beim Niederrheinischen Musikfest Furore gemacht hat. Und so wird nicht
Schumanns Violinkonzert, sondern die kürzere Violin-Phantasie uraufgeführt.
Joachim mag froh gewesen sein über die Programmänderung. Er hat
Schwierigkeiten mit Schumanns d-moll Konzert, wie sich drei Monate später
zeigt.
Sprecher 4:
Um 10 1/2 zur Probe im Theaterconcertsaal (Hannover)…. Joachim etwas
ermüdet.
Robert Schumann, Reisetagebuch XII, 30. Januar 18548
Sprecher 2:
Könnte ich Ihnen doch Ihr Dmol Concert vorspielen; ich habe es jetzt besser
inne als damals in Hannover, wo ich es in der Probe Ihrer so unwürdig spielen
musste, zu meinem großen Verdruß, weil ich den Arm beim Dirigiren so sehr
ermüdet hatte. Jetzt klingt der ¾-Takt viel stattlicher!...
Joseph Joachim an Robert Schumann, 17. November 18549
O3 –O Ton Struck
..letztlich ist das total spannend, wie er dieses Violinkonzert über drei Sätze hin weg
entwickelt. Man könnte nämlich sagen, dass er in diesem Violinkonzert, dem einzigen
Werk, das er als Konzert komponiert hat, die Geschichte der Violinkonzerte
durchkomponiert.
Sprecher 1:
Wagners Genius entzündete sich an Oper und Drama, Schumann lebte in
kleinen Formen. Die Romantik des einen lebte nicht ohne die des anderen.
8 zitiert nach: Michael Struck: Die umstrittenen späten Instrumentalwerke Schumanns. In: Hamburger Beiträge
zur Musikwissenschaft 29. Verlag der Musikalienhandlung Karl Dieter Wagner Hamburg 1984, S. 301 9 zitiert nach: Robert Schumann in Endenich (1854-1856), Krankenakten, Briefzeugnisse und zeitgenössische
Berichte,Schumann-Forschungen Bd. 11, hrsg. von Bernhard R. Appel, Schott, Mainz 2006, S. 171
7
Beide wehrten gemeinsam Mendelssohns Melodienseligkeit ab und wurden
von dessen kraftloser Zartheit enttäuscht. 10
Wolfgang Boetticher, 1942
03a neu O-Ton Struck
Man weiß, dass Schumann Mendelssohn sehr geschätzt hat . Sie waren einerseits
Konkurrenten, aber andrerseits hat Schumann Mendelssohn in seiner Zeitschrift
hymnisch herausgehoben, andrerseits hat Mendelssohn sich für Schumann kollegial
eingesetzt, so dass man letztlich eher von einer Koexistenz als von einer Konkurrenz
sprechen kann. Andrerseits war Schumann um 1850 aber auch umstritten, weil er
das Konzept, das z.B. Wagner mit seinem Musikdrama oder Franz Liszt mit seiner
Programmmusik beschritten hat, nicht mitmachte. Und in der Nazizeit ist eine
Polarität inszeniert worden, die den tatsächlichen Gegenheiten nicht entsprach.
Sprecherin 2:
Clara Schumann, Tagebuch, 10. Februar (1854)
In der Nacht …bekam Robert eine so heftige Gehörsaffektion…daß er kein
Auge schloss. Er hörte immer ein und denselben Ton und dazu zuweilen noch
ein anderes Intervall….11
Sprecher 4:
Noch schlimmer, aber auch wunderbar!
Sprecherin 2:
… Mein armer Robert leidet schrecklich! Alles Geräusch klingt ihm wie Musik..
Sprecher 4:
Wunderbare Leiden!12
10
Wolfgang Boetticher: Robert Schumann in seinen Schriften und Briefen. Bernhard Hahnefeld Verlag Berlin,
1942, S.IX 11
zitiert nach: Robert Schumann in Endenich (1854-1856), Krankenakten, Briefzeugnisse und zeitgenössische
Berichte,Schumann-Forschungen Bd. 11, hrsg. von Bernhard R. Appel, Schott, Mainz 2006, S. 44 12
ebd.
8
Sprecherin 2:
… Er äußerte mehrmals, wenn das nicht aufhöre, müsse es seinen Geist
zerstören.13
Sprecher 2:
…aus Düßeldorf sind die allerschlimmsten Nachrichten eingegangen.
Schumann… gepeinigt von allerlei Zuflüsterungen von Geistern, die ihn bald
sphärische Musik, bald gräßliche Klänge vernehmen ließen, hatte sich… von
der Rheinbrücke in den Fluß gestürzt, aus dem ihn Schiffer erretteten. Sein
Leben ist erhalten, der Geist aber zerrüttet. …
Joseph Joachim, 4. März 185414
Sprecherin 2:
Am selben Tag Claras Mutter an ihre Kinder Woldemar und Cäcilie:
Vor einer Stunde ist Robert nach einer Anstalt bei Bonn fortgebracht…, für jetzt
…ist die Sache noch sehr schlimm.. wir müssen die Klara zu erhalten
suchen!15
(hoch: Ende 1. Satz,
Sprecher 1:
Zweiter Satz: Langsam
Beginn 2. Satz )
Solist: Gidon Kremer 1994
05 O -Ton Struck
Im 2. Satz geht Schumann einen anderen Weg, indem die Geige zwar fast
unausgesetzt am Geschehen beteiligt ist, aber sich doch mit dem Orchester in der
Melodieführung abwechselt, oder wenn die Geige singt, das Orchester wesentliche
kontrapunktisch-romantische Stimmen dagegensetzt. Es ist kein Dialog, aber doch
13
ebd., S. 46 14
ebd., S. 60f 15
ebd., S. 60
9
ein sehr inniges Ineinander der Linien, es ist keine blockhafte Trennung mehr, die
beiden versuchen, so dicht wie möglich zusammenzukommen.
Sprecher 3:
Joseph Goebbels, Tagebuch, 27. Oktober 1937
Jahrestagung R.(eichs)K.(ultur)K.(ammer) nun im Großen fertig. Das neue
Schumann-Konzert wird auf alle Weltsender übertragen. Ein Ereignis.16
Sprecherin 2:
Briefe die Menge kamen mir von allen Seiten!... diese Briefe, die alle Wunden
wieder neu bluten machten! … eine solche Teilnahme, wie sein Unglück findet,
kann wohl kaum einem Manne mehr gezollt werden. … wüßte er das, er müßte
wahrhaftig von seiner Schwermut geheilt werden. Der Gedanke erschüttert
mich immer so sehr, dass dieser Mann, der solch eine Verehrung genießt, an
Schwermut erkranken konnte und sich einbilden, er sei kein guter Mensch!
Clara Schumann, Tagebuch, 7. März 1854 17
(Musik weg)
Sprecher 2:
Robert Schumann befindet sich in der Privatheilanstalt Endenich bei Bonn, und
wir erhalten die tröstliche Nachricht, dass nach dem Ausspruch der Aerzte
keine Symptome zu irgendeiner Hoffnungslosigkeit seiner Heilung vorhanden
sind. Das ausdrückliche Verlangen der Aerzte hat der tiefgebeugten edlen
Gattin versagt, die Pflegerin des Kranken zu sein. Frau Clara Schumann ist
daher in Düsseldorf geblieben.
Aus der von Schumann mit gegründeten Zeitschrift „Signale für die
Musikalische Welt“, 23. März 1854 18
16
Die Tagebücher von Joseph Goebbels.Hg. Elke Fröhlich, K.Sauer München 2000, Band 4: März bis
November 1937, S.376 17
ebd., S. 64 18
ebd., S. 81
10
Sprecherin 2:
Geehrtester Herr, leider war der letzte Bericht recht betrübend, und daß mein
theurer Mann durchaus weder mir schreibt noch nach einer Zeile von mir
verlangt, ist mir ganz unbegreiflich. Recht dringend bitte ich Sie, mir…
mitzutheilen, ob er meiner wirklich gar nicht erwähnt und gar kein Verlangen
nach Einem seiner Freunde ausspricht?...
Clara Schumann Anfang Juli 1854 an Schumanns Arzt, Dr. Eberhard Peters19
Sprecherin 1:
Die ersten Monate in Endenich fragt Robert Schumann nicht nach seiner
Familie, nicht nach seiner Frau, die am 11. Juni 1854 das achte Kind, Felix, zur
Welt bringt. Er fragt nach Notenpapier, um aufzuschreiben, was er nachts in
seinem Kopfe hört, er begehrt auszugehen und ein Konzert zu besuchen, er
argwöhnt, dass man ihn vergiften wolle. Mal beschimpft er seinen Pfleger, mal
sinkt er lethargisch in sich zusammen. Er macht es den Ärzten, die ihn nach
neuesten Erkenntnissen der Psychiatrie behandeln und der Nachwelt
akribische Krankenberichte hinterlassen, nicht leicht.
Sprecherin 2
Welch ein Glück hat mir der gütige Gott geschickt. Das erste Liebeszeichen
(einige Blumen) wieder seit fünf Monaten von ihm, meinem Robert! Clara
Schumann, Tagebuch, 21. Juli 185420
Sprecherin 1
Auf Schumanns fixe Idee, Düsseldorf – also seine Familie - sei
untergegangen, reagieren die Ärzte mit der Erlaubnis an Clara, ihm zu
schreiben – und endlich kommt eine Korrespondenz in Gang.
(Musik weiter)
Sprecher 4
… Wie freute ich mich, geliebte Clara, Deine Schriftzüge zu erkennen…21
19
ebd., S. 117 20
ebd., S 120
11
Sprecherin 2
… Das war die liebe Hand, ach, und der herrliche Mensch in jedem Wort… 22
Sprecher 4
… welche Freudenbotschaften hast Du mir wieder gesandt…23
Sprecherin 1
Robert spricht liebevoll von Claras Klavierspiel, äußert die Absicht, wieder zu
komponieren und trägt ihr auf, Brahms und Joachim zu grüßen. Ein Brief von
Joachim im November 1854 weckt Schumanns Erinnerung an sein
Violinkonzert, ein letztes Mal:
Sprecher 2:
Lieber, verehrter Meister! … Soll ich Ihnen erzählen wie oft ich Ihrer gedacht
habe, wie oft ich von Ihnen musicirt habe, mit Ihrer verehrten Clara, mit
Johannes, mit meinen Kollegen vom Sonntags-Quartett? Das denken Sie sich
gewiß selbst; Sie müssen ja fühlen, was Sie, was Ihre Töne Ihren Freunden
sind! Könnte ich Ihnen doch Ihr Dmol Concert vorspielen; ich habe es jetzt
besser inne als damals in Hannover… 24
Sprecher 4
Endenich, den 25. November 1854
Theurer Freund, Wie freudig habe ich Ihre Hand erkannt - und freudig auch die,
die den Brief einschloß. O könnt` ich mit Clara zu Ihnen, wie im letzten Januar!
... Sie versorgte mich oft mit neuerschienenen Kompositionen von mir, …dann
zu meiner Freude meine gesammelten Schriften, von denen den ersten Band
21
ebd., S. 136 22
ebd., S. 139 (Tagebucheintragung, die Briefe Clara Schumanns aus dieser Zeit sind verschollen) 23
ebd., S. 141 24
ebd., S. 171
12
corrigirt und mich an selige vergangene Zeiten erinnern. O könnt ich mein D-
moll Koncert von Ihnen hören, von dem meine Clara mit so großen Entzücken
geschrieben! ... Gedenken Sie immer Ihres verehrenden und treuen R.
Schumann. 25
(Musik weg)
Sprecherin 2
Clara Schumann, Tagebuch, Juli 1856
… - ich mußte hin und reiste Sonntag den 27…mit Johannes. … (Robert)
lächelte mich an und schlang mit großer Anstrengung, … ,seinen Arm um
mich… Um alle Schätze gäbe ich diese Umarmung nicht wieder hin… Mein
Robert, so mußten wir uns wiedersehen, wie mühsam mußte ich mir deine
geliebten Züge hervorsuchen; welch ein Schmerzensanblick!...Vor 2 ½ Jahren
von mir gerissen, ohne Abschied….und nun still zu seinen Füßen lag ich,
wagte kaum zu atmen, und nur dann und wann ein Blick, zwar umnebelt, aber
doch so unbeschreiblich mild, wurde mir… 26
Sprecher 2
Dienstag mittag, (29. Juli 1856). … wir hätten freier atmen sollen, daß er erlöst,
und wir konnten `s nicht glauben. (Brahms an Julius Otto Grimm)27
Sprecher 1
„Jedes Land beansprucht für sich einen bestimmten nationalen Kunststil. Wir
empfinden als „deutsch“ das faustische Suchen, die Willenskraft, den Kampf
gegen eine seelenlose Form.
Das alles vereinigt Schumann, seine Gedanken sind in jenes Helldunkel
getaucht, das seit Rembrandt 28 immer den germanischen Künstler belebt hat.
Gerade da ist uns Schumann mehr als Mendelssohn, dessen Gefühle kitschig,
dessen Formen glatt erscheinen müssen. Die Glut ist bis in Schumanns letzte
25
ebd., S. 173f 26
ebd., S. 393 27
ebd., S. 395 28
vgl. „Der Rembrandt-Deutsche“, Julius Langbehn
13
Werke hinein zu spüren, die Besessenheit des Genies sprengte alle Fesseln
der Form.“29
Wolfgang Boetticher, Schumann-Forscher. Noch 1999 hielt er Vorlesungen an
der Universität Göttingen, wo er lange Jahre Dekan der Philosophischen
Fakultät gewesen war.
05b Struck
Natürlich ist Schumann nicht nur der Meister der kleinen Form und des innigen
Liedes, er ist auch der Sinfoniker und hat auch Seiten wie Kämpferisches –
Heldisches würde ich gar nicht sagen – aber Kämpferisches artikuliert. Die
Bandbreite bei ihm ist so groß, dass man ihn nicht reduzieren kann. Schumann hat
es vielleicht den Nazis leicht gemacht, ihn als deutschen Komponisten zu
bezeichnen, weil er in manchen Werken darauf geachtet hat, deutsche
Tempoangaben zu machen. Man muss sich aber die Konventionen seiner Zeit
vergegenwärtigen. Er ist aber kein national orientierter Komponist gewesen, der
engstirnig gedacht hat.
Sprecher 2
Schweigend gehen wir über die letzte Lebensepoche des gefeierten
Komponisten und Künstlers hinweg, denn das Gefühl tiefer Wehmut muß uns
erfassen, wenn wir die Stärke männlicher Kraft allmählich schwinden, einen