No. 57 | Winter 2014/2015 Neue Solaranlage Die FABRIK hat trotz Gegen- wind aus Berlin eine weitere Solaranlage in Betrieb genommen Mogelpackungen Das geplante neue Kleinanleger- schutzgesetz ist nicht die einzige gesetzgeberische Mogelpackung FABRIK RU ND BRIEF Visionen Auf dem Weg in die Zukunft hilft ein Rückblick auf die großen Ideen der letzten 36 Jahre
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FABRIK RUND BRIEF - fabrik- · PDF fileInhalt Eigenverantwortlichkeit, Solidarität, Engagement, Selbsthilfe – das sind Begriffe, die in der FABRIK hochgehalten werden. Gemeinsam
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No. 57 | Winter 2014/2015
Neue Solaranlage
Die FABRIK hat trotz Gegen-wind aus Berlin eine weitere Solaranlage in Betrieb genommen
Mogelpackungen
Das geplante neue Kleinanleger-schutzgesetz ist nicht die einzige gesetzgeberische Mogelpackung
FABRIK RUND BRIEF
Visionen
Auf dem Weg in die Zukunft hilft ein Rückblick auf die großen Ideen der letzten 36 Jahre
Impressum
Herausgeber
FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V.Habsburgerstraße 979104 FreiburgTel. +49 (0)761.50365-30eMail: [email protected]: www.fabrik-freiburg.de
Redaktion
Regina Leonhart, Ute Lingg, Karola Mohr, Hans Schmid, Martin Wiedemann, Jule Wottke
Eigenverantwortlichkeit, Solidarität, Engagement, Selbsthilfe – das sind Begriffe, die in der FABRIK hochgehalten werden. Gemeinsam handeln, sich zusammen schließen, sich selbst helfen, das war und ist zentrales Moment unseres Tuns. Nicht nur im Widerstand gegen politische und gesellschaftliche Entwicklungen, sondern gerade im Engagement für bessere Lebensbedingungen für alle haben sich in der FABRIK wie in der ganzen Gesellschaft viele Menschen zusammengefunden und setzen sich gemeinsam und solidarisch dafür ein.
Ein Staat, der sich aus immer mehr Bereichen der Daseinsvorsorge für seine Bürgerinnen und Bürger zurückzieht, müsste eigentlich froh sein über solche Initiativen. Ob in Kindergärten, Schulen, in der Bildung, im Gesund heitswesen, in der Altersvorsorge, in der Kultur, im Wohnungs-bau, bei Erneuerbaren Energien und in vielen weiteren Feldern, überall sind Eigeninitiativen entstanden, die leisten, was die öffentliche Hand nicht mehr leisten kann oder will. Der überwiegende Teil dieser Initiati-ven finanziert sich auf solidarökonomische Weise. Wer bürgerschaftliche Projekte mit einem Darlehen unterstützen will, schielt nicht nach Profit, sondern handelt bewusst und solidarisch.
Es wäre eigentlich zu erwarten, d ass der Staat diese zahlreichen Formen solidarischer Selbsthilfe honoriert und nach Kräften fördert. Für ehren-amtliches Engagement wird in der Tat gerne auf Schultern geklopft, wer-den Auszeichnungen verliehen und Reden gehalten. Aber das passiert nur solange, wie die Interessen der großen Wirtschaft nicht gefährdet werden. Konzernen und Banken ist bürgerschaftliches Engagement suspekt und unwillkommen: dezentrale und demokratische Strukturen taugen nichts fürs Geschäft, sie schaden ihm.
Das ist zumindest einer der Gründe, warum so viele neue gesetzliche Regelungen, egal ob sie die Energiewende, den Verbraucherschutz, den Freihandel oder das Gesundheitswesen betreffen, solidarökonomische, bürgerschaftliche Projekte und Initiativen torpedieren. Erschwerend hinzu kommt, dass die Regierung die neuen Gesetze wie Waschmittel oder Tütensuppen verkauft: versprochen wird schönfärberisch das Allgemein-wohl, während nur im Kleingedruckten steht, wer davon profitiert.
In diesem Rundbrief geht es leider gleich bei mehreren Themen darum, dem aktuellen staatlichen Gegenwind standzuhalten. Aber es wird hoffent-lich auch deutlich: viele halten dagegen.
In diesem Sinne wünschen wir eine unverzagte Lektüre
die Rundbrief-Redaktion
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015
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03 | Editorial
04 | NachrichtenBirnbaum | AMICA im Libanon | Schreibwett-bewerb | Jahresspende | Vorstand | Neu im Team | AG Bau + Visionen | Silvester | Stiftung 100 | Öffnungszeiten
08 | Kulturelle Bildung vernetzt denkenEin Gespräch über die geplante Erweiterung des Kindertheaterangebots
15 | Zeichen setzen in Zeiten der SonnensteuerDie FABRIK hat eine weitere Photovoltaikanlage
17 | Energie-Baustelle DachEnergie produzieren und Energie sparen
18 | Jetzt erst recht!Attac Freiburg, die Finanzmärkte und das Finanzamt
20 | Care RevolutionAuch Freiburg hat jetzt ein lokales Netzwerk
21 | Private Leidenschaften im FokusZum zweiten Mal veranstaltet: der FABRIK-Tag
24 | Freiburger Kleinkunstpreis für Studierende Ein Wettbewerb mit überzeugendem Nachwuchs
26 | Vision 2020Ein Rückblick auf die großen Ideen der letzten 36 Jahre
33 | Orte mit Charme und Geschichte Das 16. freiburg-grenzenlos-festival lädt wieder an ungewöhnliche Orte
36 | Archaisch, quicklebendig, ungewöhnlich Eine Hommage an das Figurentheater für Erwachsene
38 | Freiburg vibriertEine Kolumne von Torsten Sträter
39 | Adressen & Kontakte
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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Nachrichten
AMICA im LibanonDagmar Ihlau und Sylvia Rombach haben die Situation der syrischen Flüchtlinge erlebt
Im Grenzgebiet des Libanon – hinter den Bergen liegt Syrien
Die Arbeit von AMICA war in den letzten Monaten geprägt von der immer
dramatischer werdenden Lage in Syrien und, daraus resultierend, im
Libanon. Treffen in Syrien sind im Augenblick nicht möglich und müssen
deshalb in anderen Ländern stattfinden. Dagmar Ihlau und Sylvia Rombach
sind gerade von einem Treffen mit der Partnerorganisation im Libanon und
deren Sozialarbeiterinnen-Team zurückgekehrt.
In den Libanon haben sich derzeit rund 1,3 Millionen Menschen aus
Syrien geflüchtet, darunter sehr viele Frauen und Kinder. Die Lage in dem
kleinen Land ist ernst und angespannt. Die Partnerorganisation von AMICA
bietet im Rahmen eines gemeinsamen Projekts psychosoziale Beratung und
Rechtshilfe an - mit Erfolg, denn viele Syrerinnen wollen das neue Wissen
über Frauenrechte und gegen Gewalt bereits weitertragen.
Diese Arbeit ist für die beratenden Frauen sehr belastend, kommen
sie doch in Berührung mit sehr vielen tragischen Einzelschicksalen und
Geschichten. Grundlegende zivilisatorische Rahmenbedingungen sind für
die Flüchtlinge momentan nicht ausreichend gewährleistet. Viele Syrerin-
nen klagen über Belästigungen und Übergriffe. Oft werden sie zu sexuel-
len Gefälligkeiten genötigt. Unzureichende Wohnbedingungen, fehlende
Elektrizität, zu wenig sauberes Wasser, fehlende Schulen und Gesundheits-
fürsorge – es mangelt an allem. Besonders betroffen davon sind viele Mütter
mit kleinen Kindern, vor allem, seit Anfang Dezember die UN aus Geld-
gründen ihr Hilfsprogramm einstellen musste.
In Freiburg sind viele Projekte und Initiativen ent-standen, für die Menschen gerungen und sich stark gemacht haben: im Bereich Kultur, Soziales und nicht zuletzt im Bereich Wohnen.
Darauf aufbauend entsteht wieder etwas Neues: Ein Zwei-Generationen Gemeinschaftshaus für etwa 20 Menschen, die sich entschlossen haben, gemeinsam durch solidarisches Mit- und Füreinander älter und auch alt zu werden. Vorgesehen ist, das Projekt unter dem Dach des Mietshäusersyndikats zu verwirklichen.
Wir sind schon jetzt ein ziemlich bunter Haufen von Frauen und Männern, die sich regelmäßig treffen, auch in den Räumen der FABRIK.
Unser Ziel ist es, ein Haus zu planen und zu rea-lisieren in dem ein selbst bestimmtes Leben möglich ist, unabhängig von der Höhe des Einkommens, bzw. der Rente. Gleichzeitig wollen wir dafür sorgen, dass niemand mehr ausziehen muss, weil körperliche oder geistige Schwächen oder ein „alleine nicht mehr wirt-schaften können“ dazu zwingen. Altern bedeutet Ver-änderungen, die wir gemeinsam meistern wollen.
Bis zur Realisierung dieses neuen Wohnprojektes liegt noch ein schönes Stück Arbeit vor uns. Diese vor uns stehenden Aufgaben wollen wir gemeinsam an-gehen und zum Erfolg werden lassen.
Gern wollen wir uns an dieser Stelle für das Bereit-halten der Räumlichkeiten und der Infrastruktur der FABRIK herzlich bedanken.
Birnbaum FreiburgEin neues Projekt stellt sich kurz vor
Projekt Birnbaum: Gruppenbild mit 14 Aktivist/innen
www.amica-ev.org
Spendenkonto: Volksbank Freiburg
IBAN DE15 6809 0000 0002 1001 00 BIC GENODE61FR
➔
Flyer zum Wettbewerb
rasthaus-freiburg.org➔ 5
Nachrichten FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015
Kein Mensch ist illegalDie FABRIK unterstützt das „mini-Rasthaus“
... und tschüss... lautete das Motto des diesjährigen Schreibwettbewerbs
Darum bietet das „mini-Rasthaus“ Flüchtlingen eiste Hilfe
Das Projekt „rasthaus“ ist ein öffentlich sichtbarer und eben durch diese Öffentlichkeit geschützter Raum, in dem jede und jeder praktische Unterstützungsarbeit und politischen Einsatz für eine offene Migrationspo-litik leisten kann. Es ist Anlauf- und Informationsstelle für alle, die der Migrationspolitik in Deutschland und Europa etwas entgegensetzen wollen.
Das „mini-rasthaus“ bietet Menschen einen Zufluchtsort, an dem nicht nach Papieren gefragt wird, sondern Grundrechte und Gastfreundschaft gewahrt werden. Die Ehrenamtlichen leisten schnelle, praktische und kostenlose Unterstützung und bieten Flüchtlingen und MigrantInnen mit oder ohne le-galem Status, Zugang zu Bildung, Schulsystem und medizinischer Versorgung. Darüber hinaus treten sie in Kontakt mit der Stadtverwaltung und den Behörden und setzen sich für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen ein.
„mini-rasthaus“ übrigens deshalb, weil das ei-gentliche Ziel ist, ein großes Haus zu erwerben: das „rasthaus“. Ein Haus, in dem es viele Räume mit verschiedenen Aktivitäten von und für Flüchtlinge, MigrantInnen und auch Unterbringungsmöglichkeiten geben wird.
Mit ihrer Jahresspende in Höhe von 2.00 Euro will die FABRIK diese wertvolle Arbeit anerkennen und unterstützen.
Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren waren wieder angefragt, Kurzge-
schichten, Gedichte, Theaterstücke, Romanauszüge oder was ihnen sonst
noch einfällt, aufzuschreiben und einzusenden.
Zum zweiten Mal im Sommer, zum ersten Mal als Matinee und das an
dem Ort, an dem das Vorderhaus sonst nur im August mit der Lesereihe
„unter sternen“ zu Gast ist. Die diesjährige Preisverleihung des Schreibwett-
bewerbs fand am Sonntag, den 20 Juli um 12.00 Uhr im josfritzcafé statt.
Durch das Programm führte der Autor und Kabarettist Jess Jochimsen.
Die Jury, die aus Vertretern des Literaturbüros und des Vorderhauses
sowie aus Preisträgerinnen der vergangenen Jahre bestand, hatte aus
68 Einsendungen die zehn besten Stories ausgewählt. So wurden die ersten
zehn Plätze von acht Mädchen und zwei Jungen belegt. Siegerin wurde Ruth
Tuschewski (15 Jahre) aus Königsfeld Erdmannsweiler mit Ihrer Geschichte
„Zeit zu gehen“. Platz zwei erhielt die 16-jährige Helena Köster mit ihrem
Gedicht „Madrugada“ und Platz drei belegte der ebenfalls 16-jährige Anton
Mihajlenko mit seinem Text „Cassiopeia“. Der jüngste Teilnehmer, Fabrice
Schumacher (14 Jahre), kam mit seiner Kurzgeschichte „Als der rote Um-
schlag kam ...“ auf Platz acht und hatte mit seinen beiden Nachfolgerinnen
auf Platz neun zweifellos die längste Anreise. Alle drei reisten mit Lehrerin
und Fangemeinde aus Luxemburg an.
Mittlerweile ist der Schreibwettbewerb zu einer festen Institution in Frei-
burg und der Region geworden, die auf der bewährt guten Zusammenarbeit
zwischen den Kooperationspartnern Literaturbüro Freiburg, Vorderhaus –
Kultur in der FABRIK, SWR Studio Freiburg und Kulturamt der Stadt Freiburg
Die FABRIK hat einen seit vielen Jahren bewährten Vorstand, der seine Arbeit gerne und gut macht. Deshalb wird er auch auf der Jahresmitglieder-versammlung immer wieder in seinem Amt bestätigt.
So auch dieses Jahr. Auf der Mitgliederversammlung im Juli be-kundete außerdem Regina Leonhart aus dem Kulturbüro Interesse an der Vorstandsarbeit und wurde neu dazu gewählt.
Der aktuelle Vorstand setzt sich damit folgendermaßen zu: Sebastian Hintzen, Druckerei schwarz auf weiss, Ulrike Tauss, Papyrus Medientechnik, Ally Dolle, Fahrradwerkstatt, Peter Rist, BAGAGE, Regina Leonhart und Dieter Pfeiffer, Kulturbüro, Lena Oser, ehemals Erzieherin in der FABRIK-Kita, und Andreas Förde-rer, Motorradclub Weingarten.
Neu im TeamKarola Mohr verstärkt das Haus- und Kulturbüro
AG Bau + VisionenDas Vorderhaus soll wachsen
Alljährliche WahlWeiter im Amt: der Vorstand des FABRIK- Vereins
Derzeit zu acht: der FABRIK-Vorstand Herzlich willkommen in der FABRIK: Karola Mohr Rund 350 qm Nutzfläche würde die neuen andert-halb Stockwerke des Vorderhauses bringen
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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Nachrichten
Es ist kein Zufall, dass eine der ältesten
ehrenamtlichen Arbeitsgruppen in der
FABRIK das Bauen auf dem Gelände mit
den Visionen seiner NutzerInnen verbindet.
Denn dann, wenn es nicht mehr nur um
das Instandhalten geht, sondern um die Er-
weiterung der FABRIK, zeigt sich, was allen
wichtig ist und was allen am Herzen liegt.
Eine mögliche Aufstockung des Vor-
derhaus-Gebäudes um anderthalb Etagen
– über dem 1. OG, das sich AMICA, friga und
Kinderhausinitiative teilen, gäbe es dann
ein 2. und ein 3. Obergeschoss – wäre
architektonisch sehr reizvoll und machbar:
eine entsprechende Bauvoranfrage der
FABRIK wurde im April positiv beschieden.
Sinnvoll wird ein solches Bauprojekt
aber erst dann, wenn die künftigen Nutzer
das Gesamtkonzept der FABRIK ergänzen
und stärken. So wie es etwa das Litera-
turhaus Freiburg oder pro familia getan
hätten, wenn ihre Pläne nicht an äußeren
Gründen gescheitert wären. Die AG Bau +
Visionen wird sich folglich nächstes Jahr
darum bemühen, für die gewünschte Auf-
stockung eine Nutzung zu finden, die für
die FABRIK gleichzeitig inhaltlich passend
und bereichernd, wie finanziell kosten-
deckend ist. Und vielleicht gibt kommt ja
noch zusammen, was zusammen gehört …
Silvester-Show Das Special von Thomas Reis im Vorderhaus
100 hilfreiche Hocker Bei der Stiftung 100 gibt es Weihnachtsgeschenke, die helfen
Anders als sonstÖffnungszeiten am Jahresende / am Jahresanfang
Thomas Reis lässt es krachen und zündet seine Lieblingspointen exklusiv im Vorderhaus
Schlicht und schön: der Stiftungshocker Offen oder nicht offen – manchmal gut zu wissen ...
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Nachrichten FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015
Nach jahrelanger Silvesterabstinenz bietet die Vorderhaus-Kultur erstmals wieder eine Silvestershow, um ganz genau zu sein sind es sogar zwei. Eine um 17.00 und eine um 20.00 Uhr, und zwar, wer hätte es geahnt, am 31.12.
Der Kabarettist Thomas Reis, Wahl-Kölner und Zwangs-Kirchzartener und dem Freiburger Publikum von zahlrei-chen furiosen Veranstaltungen auf der Vorderhausbühne bestens bekannt, hat sich der Silvesterplanung zahlreicher Ka-barettfans angenommen. Er präsentiert, dem Anlass entsprechend, eine Silvester-Show mit dem Titel „Kracher, Knaller, Kabarett – Das Beste“.
Also muss man gar nicht mehr über-legen, kein Glotzkoma, kein Fondue und auch kein Bleigießen zum Jahreswechsel mehr. Jetzt wird geschmunzelt, gegrübelt und gelacht, bis die Stunde schlägt. Ein Kabarettabend voll satirischer Böller, po-litisch, saftig, menschlich, komisch, philo-sophisch, vielleicht alphabetisch, aber mit Gewissheit stets unkorrekt.
Und nach der Show kann man sich immer noch den Silvesterhimmel vom Lorettoberg aus ansehen, ohne sich vor-her die Füße platt gestanden oder sich was abgefroren zu haben.
Die Stiftung 100 unterstützt Menschen in
Nepal, Bangladesh, Senegal und Nicaragua,
die sich in Eigeninitiative eine Existenz-
grundlage erarbeiten wollen, leistet also
im besten Sinne Hilfe zur Selbsthilfe.
Gefördert werden Projekte, die primär
auf die menschlichen Grundbedürfnisse
ausgerichtet sind wie Nahrung, Bildung,
Wohnung und Gesundheit.
Aktuell soll die Aktion „100 Hocker –
für 100 € – für die Stiftung 100“ Geld für
das Chhimeki-Projekt in Nepal bringen.
Professionell gefertigte Design-Hocker
werden zum günstigen Stückpreis von
100 € angeboten. Die Stiftung übernimmt
die Materialkosten von ca. 30 € und die
ausführenden Schreiner arbeiten umsonst,
so dass der Erlös von 70 € ungekürzt ans
Chhimeki-Projekt geht.
Neben den Hockern hat die Stiftung
100 auch Weine der Weingüter Rinklin und
Wassmer „im Programm“: auch hier fließt
ein ordentlicher Teil des Verkaufspreises
als Spende in die Projekte der Stiftung.
Weitere Infos und Bestellungen:
Zwischen Weihnachten und Dreikönig haben die meisten Betriebe und Einrichtungen in der FABRIK andere Arbeits- und Öffnungszeiten als üblich. Bitte vor allem beachten:Vorderhaus-GaststätteMo 22.12.2014 ab 18:00 geschlossenMi 24.12.2014 geschlossenDo 25.12.2014 geschlossenFr 26.12.2014 bis Di 06.01.2015: = kein Mittagstisch, d.h. geöffnet ist werktags ab 17:30, samstags ab 12:00 und sonn-/feiertags ab 10:00Mi 31.12.2014 nur bis 23:00 geöffnet!Do 01.01.2015 geschlossenFahrradwerkstattgeschlossen vom Mo 22.12. 2014 bis Di 06.01.2015Keramikwerkstattgeschlossen vom 19.12.2014 bis 06.01.2015frigaNotdienst am 24., 29. und 30.12.2014keine Beratungen am 01. und 06.01.2015Wochenmarktentfällt an den Samstagen 27.12.2014 und 03.01.2015, d.h. erster regulärer Markt im Neuen Jahr am 10.01.2015
www.stiftung100.de
Telefon: 0171-3096138
samstags: Wochenmarkt der
FABRIK (ca. 14-tägig)
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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Kinderkultur
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FABRIK: Ihr gehört mit den Kindern aus der Kita Rie-
selfeld zu den regelmäßigen Gästen unserer Kinder-
theateraufführungen im Vorderhaus. Das ist jedes
Mal eine weite Reise, die ihr trotzdem immer wieder
auf Euch nehmt.
Claudia Frey: Ja, das stimmt. Aber sie ist uns sehr wichtig. Unser Ziel ist es, dass jedes Kind in seiner Kindergartenzeit wenigstens ein Theater-stück gemeinsam mit den anderen außerhalb un-seren Räumen im Rieselfeld gesehen hat.
Warum ist Euch Theater so wichtig?
Sonja Rau: Wir sind überzeugt davon, dass Kin-der Theater brauchen, um in ihrer Entwicklung weiterzukommen. Sie brauchen das Rollenspiel, das Sich-Hineindenken in eine Figur und die Möglich-keiten, einen anderen Blick auf die Welt zu bekom-men, die sich damit verbinden. Jedes Kind, das ein Theaterstück gesehen hat, nimmt etwas anderes daraus für sich mit in den Alltag und überträgt es
Kulturelle Bildung vernetzt denkenEin Gespräch mit Claudia Frey, Leiterin der KiTa Rieselfeld, und Sonja Rau, Erzieherin, über das im letzten Rundbrief vorgestellte Konzept zur Erweiterung unseres Kindertheaterangebotes
Das Kindertheaterangebot in der FABRIK, die Gigs für Kids, mit
Vorstellungen am Wochenende werden seit vielen Jahren sehr gut
besucht. Immer wieder erhalten wir Nachfragen, warum wir unsere
Kindertheaterstücke nicht unter der Woche für Kindertagesstätten
und Grundschulen anbieten.
Das soll nun im kommenden Jahr in Form eines regelmäßigen
Veranstaltungsangebots für Kinder im Alter von drei bis zehn
Jahren realisiert werden. Als neuer Schwerpunkt sollen diese Auf-
führungen theaterpädagogisch begleitet werden. Wir planen die
Etablierung eines vielfältigen pädagogischen Begleitangebots, das
sich thematisch an den Inszenierungen orientiert und sich sowohl
an die Kinder als auch an die Erziehenden richtet.
Ein wichtiges Ziel des Projekts ist, eine nachhaltige Koopera-
tion mit Kindertageseinrichtungen und Grundschulen aufzubauen,
die den Bedürfnissen der Einrichtungen möglichst punktgenau
gerecht wird. Darüber unterhielt sich Ute Lingg, Verantwortliche
für das Kinderkulturangebot im Vorderhaus, mit Claudia Frey und
Sonja Rau. Im Gespräch wird deutlich, wie wichtig solche Angebote
für Kinder, aber auch für die begleitenden Erwachsenen sind.
Vor Ort im Gespräch, von links nach rechts: Ute Lingg, Sonja Rau und Claudia Frey
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Kinderkultur FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015
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auf den kleinen Ausschnitt seines Lebens. Wir können das immer wieder beobachten: Für die Kinder, die so etwas erleben, gehen da ganz neue Fenster auf. Viele beginnen dann plötzlich, auch von sich aus Theater zu spielen.
Claudia: Um ihnen das zu ermögli-chen, haben wir in unserer Kita eine eigene kleine Bühne mit echtem Theatervorhang. Denn auch das darf man nicht vergessen: Im Rollenspiel lernen Kinder, sich auszu-drücken – mit ihrem Körper, mit Gesten und Verkleidungen. Dadurch können auch diejenigen Sprachbarrieren überwinden, die zunächst vielleicht noch kaum Deutsch können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die
Identifikation, die Theater ermöglicht.
Claudia: Deshalb ist es uns wichtig, mit Schauspiel-Profis zusammenzuarbei-ten, weil sich Kinder nur in der sinnlichen Erfahrung eines Theaterstücks einen Be-griff davon machen können, was das ei-gentlich ist: Schauspiel. Sie beginnen sich zu fragen, wie sie dahin kommen könnten, auf die Bühne, als Schauspielerin oder Schauspieler, und zwar unabhängig da-von, ob sie in einem bildungsbürgerlichen Haushalt aufgewachsen sind, oder viel-leicht die einzigen in ihrer Familie sind, die je ein Theaterstück gesehen haben. Durch Theater lernen Kinder die Möglichkeiten kennen, die ihnen offen stehen. Das zu gewährleisten ist uns sehr wichtig. Denn man darf nicht vergessen: Es gibt noch eine andere Wirklichkeit als die der Mittel- und Oberschicht.
Wie behaltet Ihr die von Euch beschriebene
Wirklichkeit im Blick? Wie geht Ihr damit
um?
Claudia: Kindertheater, als gemeinsa-mes Erlebnis in der Kita oder der Grund-schule ermöglicht kulturelle Teilhabe, niederschwellig und von Anfang an. Wir wollen, dass bei einem Ausflug jedes Kind mit dabei sein kann – und zwar unabhän-gig davon, ob seine Eltern das bezahlen können oder nicht. Natürlich gibt es För-dermittel, auf die man dafür zurückgrei-fen kann. Und es gibt das Bildungs- und Teilhabe-Paket, das allerdings nicht viele
in Anspruch nehmen, weil es ihnen un-angenehm ist, die Gutscheine einzulösen. Wir finden aber, Eltern sollen sich nicht fragen müssen, ob sie sich das leisten kön-nen, sondern sagen dürfen: Ja, ich möchte, dass mein Kind das erlebt. Wenn wir den Gedanken der kulturellen Teilhabe wirk-lich ernst nehmen, müssen wir die Voraus-setzungen dafür schaffen. Das gilt für uns als Erziehende, aber auch für die Kom-mune, die dafür Mittel zur Verfügung stel-len sollte.
Doch ein Theaterbesuch steht nicht für sich
allein. Oft braucht es begleitende Ange-
bote, damit das Erfahrene nachhaltig wir-
ken kann. Könnt Ihr das selbst leisten oder
wärt Ihr dankbar, wenn es so etwas wie ein
theaterpädagogisches Angebot zu jedem
Stück gäbe?
Sonja: Das kommt immer auf das ein-zelne Stück an. Kürzlich waren wir mit un-seren Schulanfängern bei einer Aufführung des „Sams“ im Vorderhaus. Nach der Vor-bereitung mit den Kindern und dem Stück haben wir das Erlebnis im Anschluss dann noch zwei Wochen nachbereitet, bis hin zu einem Schattenfigurentheater, das die Kin-der dann selbst aufgeführt haben. Voraus-
Faszination Figur –nach einer Aufführung von „Pinocchio“ derCompanie Voland
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FABRIK-Rundbrief |Winter 2014/2015 Kinderkultur
setzung dafür ist allerdings, dass die Erzie-henden das Stück, das sie mit den Kindern erleben, sehr gut kennen. Dann lässt sich etwas Schönes draus entwickeln. Anders ist das bei Stücken, die wir selbst erst auf der Bühne kennenlernen oder die kom-plexe Themen verhandeln wie Trauer oder Tod. Da ist es dann oft sehr schwierig, das auf die Erfahrungswelt der Kinder herun-terzubrechen. In solchen Fällen wäre eine professionelle Begleitung der Erziehenden bei der Vorbereitung sicher hilfreich. Und mehr noch ein darüber hinaus gehendes pädagogisches Angebot für die Kinder.
Wie sollte dieses Angebot aussehen?
Sonja: Es wäre toll, wenn man mit den Kindern nach einem Stück in die Kera-mikwerkstatt gehen könnte, wo sie ihre Theatererfahrungen in Ton ausdrücken können oder mit dem eigenen Körper im Raum des „Friedlichen Drachen“. Das würde das Theatererlebnis in einen grö-ßeren Zusammenhang stellen, einen Rah-men, in dem alle Sinne angesprochen wer-den. Die Kinder würden dann sehen, dass es neben der Bühne weitergeht, dass es eine Werkstatt gibt, einen Bewegungsraum, und dass diese alle unter einem Dach zu finden sind und miteinander zu tun haben, weil sie die Möglichkeit bieten, das gerade gesehene Theaterstück selbst noch einmal ganz intensiv nachzuerleben.
Claudia: Als Leiterin unserer Kita ist es mir zudem wichtig, dass sich die Erzie-henden weiter qualifizieren. Wir schöpfen alle aus dem, was wir gelernt haben. Doch irgendwann erreichen wir natürlich auch Grenzen. Deshalb setzen wir sehr stark auf die Begegnung und Zusammenarbeit mit Menschen, die in ganz anderen Bereichen arbeiten. Für uns ist das auch eine Frage der Nachhaltigkeit. Bei jedem Projekt, das wir mit Kooperationspartnern realisie-ren, lernen wir als Fachkräfte dazu. Wir bekommen neue Anstöße, aus denen wir wiederum neue Ideen entwickeln können. Dabei entsteht ein Esprit, der vieles mög-lich macht, was vorher unmöglich schien. Klar ist aber auch, dass dieser Prozess des gemeinsamen Lernens einen klar definier-ten Rahmen braucht.
Warum ist ein definiertes Rahmen programm
so wichtig?
Claudia: Weil es eben darum geht, dass die Erziehenden mit ihren Kitagruppen nicht nur ins Theater gehen, um dort ein Stück zu konsumieren, sondern um ein kreatives Erleben und Nachgestalten zu ermöglichen. Denn nur so bleibt es auch als Erfahrenes im Kopf der Kinder, an das sie anknüpfen können.
Sonja: Ich fände es toll, wenn die Kin-der darüber hinaus auch die Möglichkeit hätten, dem Vorderhaus etwas von ihren
Eine Welt entsteht aus Ton ...
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Kinderkultur FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015
Erfahrungen zurückzugeben, die sie dort bei ihrem Theaterbesuch gemacht ha-ben. Denkbar wäre, dass sie vor anderen Kindern auf der Vorderhaus-Bühne ihre eigene Version des Stücks spielen, das sie gesehen haben. Oder eine Ausstellung mit Skulpturen und Bildern, die in Folge eines Theaterbesuchs entstanden sind.
Ist es denn wichtig, Theater in einem thea-
tralen Umfeld, in einem „richtigen“ Theater
zu erleben. Theateraufführungen könntet
Ihr doch auch in der Kita haben. Angebote
gibt es genug.
Claudia: Der gemeinsame Besuch ei-nes Theaterstücks ist ein Erlebnis, das weit über das eigentliche Stück hinausgeht. Na-türlich ist das Theater der Anlass, aber wir wollen den Kindern auch ermöglichen, aus der Einrichtung raus zu kommen, denn unsere Kita ist keine Insel. Es geht uns darum, dass sie das Leben außerhalb der „Schutzzone Kita“ entdecken können, und der Radius über den eigenen Stadtteil hinaus erweitert wird. Sie sollen wissen: Ich gehöre in diese Stadt und diese Stadt gehört auch mir – und deshalb darf ich hier auch Ansprüche anmelden. Unter an-derem ist das ein Grund, weshalb wir mit den Kindern ausgerechnet in die FABRIK fahren, um dort Theater zu erleben. In der FABRIK wird die Überzeugung gelebt, dass Veränderungen möglich sind, wenn
man sich organisiert. Die Stadt gehört al-len. Es geht also nicht nur um kulturelle, sondern auch um gesellschaftliche Teil-habe.
Sonja: Auf ihrer Reise vom Rieselfeld quer durch die Stadt bis zum Vorderhaus lernen die Kinder eine Kultur des Zusam-menlebens kennen, die wir mit ihnen ganz bewusst zelebrieren. Das gemeinsame Ves-per, die Straßenbahnfahrt, das Picknick im Park, dann die Ankunft, der Moment, in dem das Licht im Saal erlischt und das das Stück beginnt – das alles gehört zu diesem Erlebnis dazu wie auch die Rück-kehr ins Rieselfeld, die Nachbereitung in den Tagen danach. Das ist das Tolle: Jeder Theaterbesuch ermöglicht den Kindern die Eroberung von Lebensraum.
Unter Erziehenden gibt es da unterschied-
liche Auffassungen. Nicht alle sind begei-
stert von dem Aufwand, den ein Ausflug
mit zwölf Kindern durch die halbe Stadt
bedeutet.
Claudia: Wir können da nur aus unse-rer eigenen Erfahrung sprechen, und die sind durchgehend positiv. Kinder, denen man die Möglichkeit gibt, auf solchen Aus-flügen Räume zu erobern und zu gestalten und so am sozialen und kulturellen Leben teilzuhaben, sind von diesem Erlebnis oft völlig absorbiert und sprechen noch Tage später darüber.
Einige sehen sich schlicht überfordert und
sagen, es gebe genug andere Probleme,
die Priorität hätten. Theater sei da eher ein
zweitrangiges Anliegen. Wie seht Ihr das?
Sonja: Gerade für Kinder, die in soge-nannten schwierigen Verhältnissen leben, also ohne stabiles Beziehungsnetz und mit wenig Freiraum zur persönlichen Entfal-tung sind solche Erlebnisse wichtig. Wir erleben immer wieder, was ein Theaterbe-such bei diesen Kindern an emotionaler, sozialer und sprachlicher Kompetenz her-auskitzeln kann!
Welche Anreize bräuchte es denn, damit
möglichst viele Kinder von solchen Erfah-
rungen profitieren können?
Sonja: Für die Erziehenden wäre das sicher eine theaterpädagogische Beglei-tung, die ihnen nicht nur die Inhalte der Stücke und kreative Konzepte der Nach-bereitung vermittelt, sondern auch ein Be-wusstsein dafür, dass sich der Aufwand in Grenzen hält angesichts der unglaublichen positiven Auswirkungen, die solche Thea-terausflüge auf die Kinder haben.
Impuls zum Selbst kreativ werden. Das Erlebte wirkt nach.
Kerstin Andreae stellte daraufhin die berechtigte Frage, ob denn KleinanlegerInnen über-
haupt mehr Schutz benötigten und ob der Gesetzesentwurf diesen Schutz auch bringe.
Aus der GLS Bank wurde berichtet, dass AnlegerInnen aus ihrem Kundenkreis sich sehr
wohl darüber bewusst seien, dass eine achtprozentige Rendite nicht mit einer risikolosen
Geldanlage zu erzielen ist. Ihre Erfahrung ist, dass Menschen Mündigkeit entwickeln und
Verantwortung übernehmen, wenn sie als mündig und verantwortungsbereit angesprochen
werden. Dies leistet aus ihrer Sicht der Gesetzentwurf nicht. Außerdem hatte Prokon ja ei-
nen solchen Verkaufsprospekt aufgelegt – mit dem Segen der BaFin. Diese prüft Prospekte
jedoch ausschließlich nach formalen und nicht nach inhaltlichen Kriterien. Weder die zu
erwartenden Einnahmen, noch die angesetzten Kosten werden auf ihre Plausibilität hin
überprüft. Stattdessen gilt es Formalien einzuhalten. Heraus kommt ein 60 bis 100seitiges
Papier, das ohne fachkompetente Anleitung nicht verständlich ist und das insofern auch
kaum ein Anleger jemals durchliest.
Aktivisten in Projekten sprechen gar von Verbraucherbevormundung statt Verbraucher-
schutz, denn die Menschen, die ihr Geld eben nicht in einem dubiosen Fonds sondern in
Projekten der Solidarökonomie vor Ort anlegen, möchten dies weiter tun können. Dies wird
nicht möglich sein, wenn eben diesen Projekten die Finanzierungsgrundlage entzogen wird.
Oft decken solidarische Projekte vor Ort Leistungen ab, die staatliche Einrichtungen so gar
nicht mehr liefern (können): Sei es bezahlbarer Wohnraum, Kultur, Erneuerbare Energien
oder Wohnen im Alter.
Ganz wichtig ist in den Projekten der Solidarökonomie die Transparenz gegenüber den
KreditgeberInnen. Diese können sich durchaus vor Ort informieren, Projekte besuchen und
ganz konkret sehen, was mit ihrem Geld passiert. Dies ist für die Mehrzahl der AnlegerInnen
durchaus relevanter als die erzielbare Rendite. Eine sehr große Transparenz und Mitbe-
stimmung ist für den Bereich der Genossenschaften zu betonen. In Mitgliederversammlun-
gen bestimmen die GenossInnen über neue Vorhaben, Vorstand und Aufsichtsrat werden
demokratisch gewählt und der Genossenschaftsverband prüft auch jährlich die Bilanzen.
Genossenschaftsanteile selbst sind nicht von den Regelungen betroffen, doch finanzieren
viele Genossenschaften konkrete Projekte auch über Nachrangdarlehen.
Wie denn nun die Abgrenzung von schützenswerter Solidarökonomie zu regelungs-
bedürftigem „grauen Kapitalmarkt“ aussehen solle, wollte Gernot Erler wissen. Denn
es sei zwar nicht im Sinne der Regierung, Bürgerengagement abzuwürgen – die Inter-
essen der KleinanlegerInnen sollten jedoch auch nicht unter den Tisch fallen. Eine
Grenz ziehung anhand eines jährlichen Anlagebetrages ist hier natürlich immer willkür-
lich und auch nicht unbedingt zielführend. So hat ein Wohnprojekt, das Gebäude kauft
oder baut, sicherlich einen höheren Kapitalbedarf als eine Energiegenossenschaft, die
ein Blockheizkraftwerk plant. Ein Vorschlag seitens der Projektaktiven war eine Orientie-
rung an der versprochenen Rendite, die bei maximal vier Prozent über dem Basiszins-
satz liegen könne. Auch sollten Projekte, in die AnlegerInnen vorrangig aus persönlichem
und nicht aus wirtschaftlichem Interesse investierten, von der Regelung ausgenommen
sein ...
Eine grundlegende Erfahrung der Aktiven in Projekten der Solidarökonomie ist, dass Men-
schen Vertrauen und Verantwortung entwickeln, wenn sie als mündig angesprochen werden.
Aus Gesprächen mit Aufsichtsbehörden und Verbraucherschutz verdichtet sich jedoch der
Eindruck, dass Vertrauen und Verantwortung kollektiviert und durch Regulatorik ersetzt
werden sollen.
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Neue Photovoltaikanlage FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015
Das neue Erneuerbare Energien Gesetz ist ein ziemlicher
Schuss vor den Bug: Seit August gilt in Deutschland die
„Sonnensteuer“ – was natürlich nur ihr inoffizieller Name
ist.
Offiziell heißt die neue Abgabe „EEG-Umlage auf Ei-
genverbrauch“. Das heißt: Wer Strom mit einer Photo-
voltaikanlage erzeugt und diesen teilweise oder ganz vor
Ort selbst nutzt, muss für diesen Strom seit August 40
Prozent der jeweils gültigen EEG-Umlage bezahlen (nur
Anlagen kleiner 10 Kilowatt sind befreit). Man verteuert
also Solarstrom um mit den daraus erzielten Einnahmen
wiederum Solarstrom zu fördern – eine bemerkenswerte
Logik.
Zeichen setzenin Zeiten
der SonnensteuerDie FABRIK installiert 58 Kilowatt Photovoltaik,
dem Gegenwind aus Berlin zum Trotz
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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Neue Photovoltaikanlage
Aber was hilft alle Kritik, das Gesetz ist nun in Kraft und so muss
man damit leben. In der Mitgliederversammlung der FABRIK war
man sich unterdessen einig: „Wir wollen, dass die Energiewende
weiter voran geht“ - und deshalb wurde die schon länger geplante
Photovoltaikanlage trotz des neuen Gesetzes noch gebaut. Sie lei-
stet 58 Kilowatt und soll im Jahr 52.000 Kilowattstunden sauberen
Strom erzeugen. Anfang November ging sie in Betrieb.
Im Prinzip ist das eine ideale Sache: Die meisten Betriebe auf
dem FABRIK-Gelände brauchen vor allem tagsüber Strom. Zu Zeiten
also, in denen — mal mehr, mal weniger – die Sonne scheint. Und seit
der Strom vom eigenen Dach aufgrund des rasanten Fortschritts
in der Photovoltaik längst billiger ist als der Strom aus dem Netz,
lohnt es sich, ihn direkt vor Ort zu verbrauchen. Die Planer schätzen
daher, dass fortan 80 Prozent des Stroms aus der neuen Anlage
direkt auf dem Gelände genutzt werden und damit das öffentliche
Netz nicht belasten.
Aber dafür wird eben nun die Abgabe fällig, rund 1.000 Euro
Sonnensteuer im Jahr. Und zwar schlicht dafür, dass das Dach nicht
mehr ungenutzt bleibt, sondern klimafreundlich Strom für die Un-
ternehmen darunter erzeugt.
Rechnet sich die Anlage durch die Umlage nun nicht mehr? Das
hängt davon ab, wie man die Wirtschaftlichkeit definiert. Die FABRIK
geht davon aus, dass sie nach etwa 13 Jahren die Investitionskosten
in Höhe von 87.000 Euro wieder eingespielt haben wird. Ohne die
Sonnensteuer wäre dieser Zeitpunkt allerdings zwei Jahre früher
erreicht worden. Das ist zwar bitter, aber man hat sich entschlossen,
sich nicht bremsen zu lassen. Zumal die FABRIK als soziokulturelles
Zentrum die Aufgabe der Kultur auch gerade darin sieht, gesell-
schaftliche Debatten anzustoßen. Sie ist davon überzeugt, dass
einer kulturellen Einrichtung eine ökologische Vorreiterrolle gut
ansteht.
Und so wurde die Energiebilanz der FABRIK-Betriebe durch die
neue Solarstromanlage weiter verbessert. Den rund 300.000 Kilo-
wattstunden, die im Jahr von den Unternehmen verbraucht werden,
steht nun eine Eigenerzeugung von immerhin rund 135.000 Kilo-
wattstunden entgegen – davon stammen rund 65.000 bis 70.000
aus dem bestehenden Blockheizkraftwerk, der Rest aus der bisheri-
gen und der neuen Photovoltaikanlage.
Der Wermutstropfen: Die Solarmodule kamen aus China. Gerne
hätte die FABRIK ihr Dach mit Ware geschmückt, deren Zellen und
Module aus regionaler Produktion stammen, doch die hat man nicht
bekommen. Aber immerhin sind auch die eingesetzten Module nach
den Qualitätsstandards der ISO 9001 und den Umweltstandards
nach ISO 14001 gefertigt, sowie nach den Standards für Arbeits-
schutzmanagement nach OHSAS 18001. Die Wechselrichter hinge-
gen, vier an der Zahl, sind immerhin ein deutsches Produkt.
Jetzt hoffen alle Beteiligten in der FABRIK, dass das Beispiel
an der Habsburgerstraße Schule macht – auf Firmendächern, auf
öffentlichen Gebäuden, auf Privathäusern. Die neue Photovoltaik-
anlage soll auch ein Zeichen sein, dass sich die FABRIK die Ener-
giewende nicht kaputt machen lässt; man macht weiter, auch wenn
Berlin den Umweltaktivisten, die dezentral und nicht großindustriell
denken, gerade nicht wohlgesonnen ist.
Bernward Janzingist Journalist und freier Autor aus Freiburg. Von ihm stammt u.a. das Buch „Solare Zeiten“, erschienen im Picea-Verlag.
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Dachsanierung FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015
Die Installation der neuen Photovoltaikanlage auf dem Dach des FABRIK-Hauptgebäudes machte nur den kleineren Teil der dreimonatigen Großbaustelle aus. Aufwändiger und mit kleinen Überraschungen gestaltete sich die Sanierung des Dachs an sich. Unabhängig vom Bau einer PV-Anlage war schon lange klar: irgendwann würde man das Dach sanieren und anständig däm-men müssen. Die alten, ererbten Welleternitplatten waren nur solange noch tolerierbar, wie sich niemand an ihnen zu schaf-fen machte. Und mit der geplanten Installation einer PV-Anlage musste man dies. Naheliegend war also: Dachsanierung und PV-Installation auf einen Schlag!Und damit auch auf einen Schlag Kosten von rund 220.000 €, von denen 133.000 € auf die Dachsanierung (Gerüst, Entsorgung, Dachstuhlertüchtigung, Wärmedämmung und neue Eindeckung) entfielen und 87.000 € auf die PV-Anlage.
Erfreulich war nicht nur, dass der Kostenrahmen weitgehend eingehalten werden konnte, sondern auch, dass das Land Baden-Württemberg aus seinem Förderprogramm Klimaschutz-Plus die Wärmedämmung mit einem Betrag von 20.010 € bezuschusste. Immerhin bleiben der Umwelt dadurch künftig jährlich 11,6 Tonnen CO2 erspart (das Land rechnet mit einer Lebensdauer von 30 Jahren und folglich 348 Tonnen CO2). Und der FABRIK jährlich 42.000 kWh an Heizenergie.Die Stromproduktion durch die neue PV-Anlage wird noch wesentlich mehr CO2 vermeiden, nämlich voraussichtlich 38,5 Tonnen im Jahr. Zusammen ergeben sich so stattliche 50 Tonnen!
Zu so vielen positiven Aussichten haben viele beigetragen, denen an dieser Stelle ein großer Dank gebührt:
• alsZuschussgeberdasMinisteriumfürUmwelt,Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
• dieDarlehensgeberInnenderFABRIKund nicht zuletzt:• dieBeschäftigtenunddieBesucherundBesucherinnender
FABRIK, welche so manche Beeinträchtigung durch die Baustelle und so manchen Engpass im Vorderhof geduldig ertragen haben.
Energie-Baustelle DachDank der Baumaßnahme auf dem Dach des Hauptgebäudes wird die FABRIK künftig einerseits noch mehr Energie produzieren und andererseits viel Energie sparen.
➔ 50 Tonnen CO2:
Diese jährlich durch Dämmung und neue PV-Anlage ver-
miedene Menge an Kohlendioxid entspricht dem, was ein
durchschnittlicher PKW ausstößt, wenn er 340.000 km,
Die globalisierten Finanzmärkte können, wie seit 2008 täglich zu erleben ist, die gesamte Welt erschüttern, ganze Länder in den Abgrund reißen und in der Folge Sozialsysteme bis zur Unkenntlichkeit zusammenschrumpfen. Eine unregulierbare Komplexität wird uns vorgegaukelt, mit der Konsequenz, dass das Feld neoliberal geprägten ÖkonomInnen überlassen wird. Ökologie, Solidarität und Gemeinwohl gelten als störende Fremdkörper. Attac hat es sich zur Aufgabe gemacht, über diese Entwicklungen aufzuklären und Alternativen zu entwickeln.
Als Handlungsfeld knöpfte sich Attac-Freiburg die Macher der Finanzkrise vor, sprich die Banken. Welche Bankentypen gibt es, wie unterscheiden sich die Geschäfts-politiken, welche sind in die Spekulation mit Nahrungsmitteln involviert - kurz gesagt, die Frage „Was macht mein Geld bei meiner Bank?“ bearbeitete Attac- Freiburg in zahlreichen Vorträgen, Aktionen und nicht zuletzt in der „Bankwechselgala“ im Vor-derhaus. Durchaus mit Erfolg: So stiegen die Sparkasse und weitere Institute aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln aus, dem ganzen Treiben sollen mit einer europä-ischen Richtlinie, der MifiD einige Grenzen gesetzt werden.
Falle Freihandel
Seit gut einem Jahr beschäftigt sich Attac-Freiburg mit diversen Handelspakten (TTIP/ CETA/ TISA etc.), die fälschlicherweise unter dem Slogan „Freihandel“ fir-mieren. Denn befreiend sind diese Verträge in erster Linie für Großkonzerne, deren Wunschliste immer umfangreicher wird, je weiter dereguliert wird. Der weitestge-hende Vorstoß versteckt sich im TTIP, dem geplanten Abkommen zwischen der EU und den USA. Es beinhaltet die Etablierung eines politischen und rechtlichen Systems jenseits der Staaten und damit jenseits aller demokratischen Gestaltungsmöglich-keiten. So möchte die EU-Kommission Konzernen dies- und jenseits des Atlantiks
Jetzt erst recht! Attac-Freiburg, die Finanzmärkte und das Finanzamt
Welthandel, globalisierte Finanzmärkte und die Auseinander-
entwicklung von Arm und Reich waren die prägenden Themen von
Attac-Freiburg in den vergangenen 13 Jahren.
In einer Mischung aus Selbst studium, Bildungsarbeit
und Aktionen in der Öffentlichkeit vermochte es Attac-Freiburg
immer wieder, diese abstrakten Themen in
attraktiven Formaten aufzubereiten und einer breiten Öffentlichkeit
zukünftig ermöglichen, jegliche gesetzgeberische Aktivitäten zu bewerten, noch bevor Parlamente das Gesetzesvorhaben je zu Gesicht bekommen haben. Dies firmiert euphemistisch unter dem Begriff der „regulatorischen Kooperation“. Staaten, die dennoch missliebige Gesetze verabschieden und dadurch die erwarte-ten Profite eines Konzerns beeinträchtigen, sollen vor privaten Schiedsstellen auf Schadensersatz verklagt werden können. Was früher als unternehmerisches Risiko galt, firmiert heute unter dem Begriff der „Marktkonformen Demokratie“, den Angela Merkel jüngst prägte.
Attac-Freiburg erläuterte das geplante Abkommen und dessen mögliche Auswirkungen in Vorträgen sowie mit der „Kul.tour stoppt TTIP“, einer politisch-künstlerischen Veranstaltung, bei der die Auswirkungen der Freihandelsideologie auf den Kulturbereich aufgefächert wurden. Im Herbst ging es auf die Straße, um Un-terschriften gegen die Abkommen zu sammeln. In Kooperation mit zahlreichen Buchläden, die ihre Schaufenster mit Plakaten verhüllten, identifizierte Attac-Freiburg die Buchpreisbindung als „Handelshemmnis“, das es zu bewahren gilt.
Unter dem Motto „Ich bin ein Handelshemmnis“ werden in den kommenden Monaten weitere demokratisch erstrittene Errungenschaften in den Mittelpunkt gerückt, die in der neolibe-ralen Ideologie als Handelshemmnis diffamiert werden. So gelten den Handelsdogmatikern das öffentliche Beschaffungswesen, die öffentliche Daseinsvorsorge, die Fördergelder im Kulturbereich sowie der Bildungsbereich als Handelshemmnisse, die es zu schlei-fen, zu privatisieren und zu deregulieren gilt.
Attac - zu politisch?
Doch damit nicht genug. Im Frühjahr erkannte das Finanz-amt Frankfurt die Gemeinnützigkeit des Attac-Trägervereins ab. Attac greife mit seinen Aktivitäten in das politische Geschehen ein. Politisches Engagement sei nicht gemeinnützig und ausschließlich den politischen Parteien vorbehalten. Just die Forderungen nach der Regulierung der Finanzmärkte und der Einführung einer Fi-nanztransaktionssteuer bewertet das Finanzamt als nicht mit dem Gemeinnützigkeitsrecht vereinbar.
Eine detaillierte Auflistung aller 3000 von Attac jährlich or-ganisierten Bildungsveranstaltungen perlt an den Damen und Herren im Finanzamt ebenso ab wie die Tatsache, dass Bildungs-arbeit in politisch aktuellen Themenfeldern nicht am Vortragsende aufhören kann. Die Grenze zwischen Bildungsarbeit und politi-schem Engagement ist fließend. Das Finanzamt Frankfurt hat sie falsch gezogen.
Attac hat Widerspruch gegen den Bescheid des Finanzamtes eingelegt. Sollte dieser Widerspruch abschlägig beschieden wer-den, wird Attac dies vor dem Finanzgericht anfechten. Die Dauer eines solchen Verfahrens liegt bei 2-3 Jahren.
Jetzt erst recht!
Attac lässt sich durch die bürokratischen Hürden nicht mund-tot machen. Unter dem Motto „Jetzt erst recht“ ruft Attac alle SpenderInnen, Mitglieder und Sympathisierenden auf, uns weiter-hin zu unterstützen. Besten Dank an dieser Stelle an die FABRIK für die jahrelange unkomplizierte und wohlwollende Beherber-gung von Attac-Freiburg.
Um Bildungsarbeit weiterhin mit dringend notwendiger po-litischer Intervention verbinden zu können, braucht Attac auch in Zukunft neue Mitglieder, SpenderInnen und MitstreiterInnen.
Die mühsam errungenen Fortschritte bei der Regulierung der Finanzmärkte drohen unter dem massiven Aufgebot von tausen-den Lobbyisten unter die Räder zu kommen. Mit TTIP, CETA und all den anderen Handelspakten sehen wir uns mit einer Eta-blierung von globalisiertem Konzernrecht jenseits demokratischer Einflussmöglichkeiten konfrontiert, die es abzuwehren gilt.
Jetzt erst recht! Verstärken wir unsere Bemühungen für eine so-lidarische und ökologische Variante des Globalisierungsprozesses.
➔
➔
➔ ➔
Attac-Freiburg:
Treffen jeden 1., 3. und 4. Dienstag im Monat,
um 19:30 Uhr im Café der FABRIK
(1. Dienstag: AG Wasser und Umwelt, 4. Dienstag:
Offener Themenabend)
Attac Campus Gruppe trifft sich montags um 20 Uhr
im Studierendenhaus, Belfortstr. 24
MitstreiterInnen sind herzlich willkommen.
Kontoverbindung Attac:
Konto-Nr.: 800100800
GLS Gemeinschaftsbank BLZ 43060967
IBAN: DE57 43060967 0800100800
BIC: GENODEM 1 GLS - Stichwort: Attac-Freiburg
Unterschriften gegen die Abkommen:
auch online unter: www.attac.de/ebi
Weiterführende Links:
www.attac-netzwerk.de/freiburg
www.attac.de
www.ich-bin-ein-handelshemmnis.de
Astrid Schaffertkümmert sich um die Konzeption und Durchführung von Projekten und öffentlichkeitswirksamen Aktionen mit KünstlerInnen und Prominenten
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FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Care Revolution
Unter Care Revolution verstehen wir ein politisches Konzept, das
die grundlegende Bedeutung der sorgenden und pflegenden Tätig-
keiten, Care-Arbeit, für alle Menschen hervorhebt. Es knüpft an die
Erkenntnisse feministischer Ökonomie an, wonach diese typische
Frauenarbeit, unbezahlt in Familien oder schlecht bezahlt in sozialen
Dienstleistungsberufen, weitgehend unsichtbar bleibt. So sind viele
Menschen, vor allem Frauen mit Sorgeverpflichtungen für Kinder
oder Pflegebedürftige, gezwungen, diese Tätigkeiten ohne gesell-
schaftliche Unterstützung oft am Rande der vollständigen Über-
beanspruchung neben der eigenen Berufstätigkeit auszuführen.
Gleichzeitig reduziert der Staat Aufwendungen in der Daseinsvor-
sorge, verschlechtert die Bedingungen von Care-Beschäftigten und
verlagert diese Aufgaben zurück in die Familien.
Mit der Care Revolution plädieren wir für einen grundlegenden
Perspektivenwechsel. Dabei geht es um nicht weniger als die For-
derung, dass nicht Profitmaximierung, sondern die Verwirklichung
menschlicher Lebensinteressen im Zentrum politischen Handelns
stehen sollte. Das bedeutet, zunächst muss jeder Mensch individuell
das Recht haben, sich ohne Existenzsorgen um sich und andere,
FreundInnen, Angehörige, NachbarInnen kümmern zu können. Auch
muss jede Person selbstbestimmt entscheiden können, wer sie ver-
sorgt und ihr behilflich ist. Dafür benötigt jedes Individuum ausrei-
chend finanzielle und zeitliche Ressourcen. Mit einer solchen Ziel-
richtung lässt sich beispielsweise anknüpfen an Reformvorhaben wie
Arbeitszeitverkürzung mit Personal- und Lohnausgleich und auch an
Auseinandersetzungen um das Bedingungslose Grundeinkommen.
Darüber hinaus gibt es aber auch viele Aufgaben, die wir auch
heute schon kollektiv, in Gemeinschaft regeln. Und diese Aufgaben
werden in einer an Care orientierten Gesellschaft noch weiter zu-
„Care Revolution“ auch in Freiburg In Freiburg gründet sich gegenwärtig ein lokales Netzwerk Care Revolution, das sich circa alle zwei Monate in der FABRIK trifft. Matthias Neumann, Veronika Steidl und Gabriele Winker stellen ihr Projekt vor.
nehmen. Für uns haben diese grundlegenden kollektiven Formen
der Daseinsvorsorge im Zentrum einer Care-Ökonomie zu stehen.
Deswegen ist der Ausbau von Care-Dienstleistungen in der Bildung
und Erziehung, in der Gesundheit und Pflege wichtig. Und selbst-
verständlich müssen gleichzeitig die Arbeitsbedingungen und die
Verdienstmöglichkeiten der Care-Beschäftigten deutlich verbessert
werden.
Solche Ziele sind allerdings nur über Umverteilung von oben
nach unten realisierbar. Dazu bedarf es einer starken Care-Bewe-
gung. Ausgangspunkt für Widersetzungspraxen und die Gestaltung
eines selbstbestimmten Lebens sind kollektive Selbstreflexionspro-
zesse, die an alltäglichen Erfahrungen anknüpfen. Verbindend ist die
radikale Erkenntnis, dass menschliche Lebensinteressen nur durch
gemeinschaftliches Handeln und Solidarität und gegen Kapitalinter-
essen zu verwirklichen sind.
Bei der 1. Mai-Demonstration des DGB liefen bereits einige Aktivi-
stInnen mit, die mit Transparenten den „Tag der unsichtbaren Arbeit“
begingen. Damit wurde auf einer Gewerkschaftsdemonstration zum
ersten Mal sichtbar, dass Lohnarbeitende und unbezahlt Sorgearbei-
tende unter der Prägung dieser Arbeiten durch die kapitalistische
Produktionsweise leiden – und sich wehren. (Diese Aktion war noch
spontan von Teilnehmenden an der Aktionskonferenz Care Revo-
lution im März und im AK Care der Unabhängigen Frauen Freiburg
organisiert worden).
Im Juli 2014 trafen sich dann ca. 15 Leute, um über die Gründung
eines lokalen Netzwerks zu beraten, das unter anderem öffentlich-
keitswirksame Aktivitäten, Veranstaltungen oder eine Dokumenta-
tion der Notlagen Sorgearbeitender in der Stadt durchführen könnte.
Bei diesem ersten Treffen waren Leute dabei, die über private Sorge-
arbeit im Haushalt, als Lohnarbeitende in der Pflege, der Sozialarbeit
oder im Krankenhaus mit dem Thema zu tun haben. Das politische
Spektrum ist mit in DGB-Gewerkschaften oder in der FAU Organi-
sierten, VertreterInnen der Initiative Pflege am Boden, vielfältiger
feministischer Initiativen, des Arbeitskreises kritische Soziale Arbeit
oder auch ATTAC sehr breit. Die Atmosphäre war bei diesem ersten
Treffen neugierig, freundlich und konstruktiv. Alle waren sich einig,
dass wir weitermachen und ein Netzwerk Care Revolution Freiburg
nicht nur auf dem Papier gründen, sondern mit Leben füllen wollen.
Eine kontinuierliche Arbeitsweise und Arbeitsplanung muss sich
erst noch herausbilden; das Netzwerk ist schließlich noch ganz frisch,
im Gründungsprozess. Der Zeitpunkt könnte also für Interessierte
nicht besser sein, um einzusteigen. Das nächste Treffen findet am 13.
Januar 2015 im 1. Stock in der FABRIK statt. Wir laden Euch herzlich
ein! Weitere Informationen erhaltet Ihr unter der Mailadresse:
Grenzenlos sind nicht nur die Genres und Themen des gleichnamigen Festivals, die Macher haben sich auch immer bemüht, beim Entdecken von unbekannten und ungewöhnlichen Spielstätten grenzenlose Neugier an den Tag zu legen. Vier dieser Spielorte des Festivals 2016 wollen wir vorstellen, denn das 16. freiburg-grenzenlos- festival wird auch dabei seinem programmatischen Titel gerecht.
Zwischen Dreisam und Schwarzwaldstraße, in einem kleinen Innenhof, versteckt hinter
Tschäppäts Notenladen und einigen Garagen liegt das „Alte Klavierdepot“ des Pianohaus
Lepthien. Man kann kaum glau-
ben, was sich hinter dessen
betagter Holztüre verbirgt.
Unter der liebevollen Leitung
der Schauspielerin und Mu-
sikerin Petra Gack ist ein Ort
entstanden, der einem Aben-
teuer gleicht. Der Charme des
alten Lagerraums für Klaviere
ist erhalten geblieben, hinzu
gekommen sind, neben einer
kleinen Bühne und Stühlen für
das Publikum, ausgefallene Accessoires, Möbel, Bilder und alte Lampen, die dem Raum einen
Hauch von Dachbodenmuseum verleihen. Alle Gegenstände sind so sorgfältig ausgesucht und
arrangiert, dass man sich augenblicklich wohl fühlen muss. Zwischen rauen Wänden und alten
Balken wechseln sich kuschelige Sitzecken mit der Theaterbestuhlung ab, immer umgeben von
den Werkzeugen der Klavierbauer. Die alte Werkbank ist ebenso in die Räumlichkeiten integriert,
wie eine wunderschöne Jugendstil-Küche.
Heiner Sanwald, ehemaliger Inhaber des Pianohaus Lepthien und engagierter Förderer Frei-
burger Kultur hat Petra Gack das ehemalige Klavierdepot als Ort für Veranstaltungen über lassen,
zur freien Nutzung, mit der einzigen Auflage, keine baulichen Veränderungen vorzunehmen.
Orte mit Charme und GeschichteVon schrägen Schwarzwald-Hommagen, von Weinkellern, Schlössern und Dichterabenden
Altes Klavierdepot – Kleinod hinter alten Holztüren
Eine Hommage an das Figurentheater für Erwachsene von Marion Klötzer
Charakterdarsteller mit zerknautschten Schwamm-gesichtern, der Geliebte als riesiger Kühlschrank-
magnet, ein Ensemble klappriger Glücksritter aus ver-beulten Töpfen, Milchkannen, Trichtern und Backfor-men – nichts, was es im Figurentheater nicht gäbe ... Statt gewohnter 1:1 - Illusion mit Menschen, für Men-schen, eröffnet sich hier eine kreative Spielwiese mit schier unbegrenzten Darstellungsformen und Erzähl-strategien, handgebastelt und vor den Augen der Zu-schauer zum Leben erweckt. Die Magie fantastischer „Als- Ob“ - und „Was- Wäre- Wenn“ - Welten, die an der Schnittstelle zwischen Schauspiel und Objektkunst das Kopfkino wundersam zum Laufen bringen kön-nen. Ein Frei-Raum, der manchmal in einen Schuh-karton passt und dessen Begrenzungen doch immer wieder neu und überraschend erkundet werden.
Man merkt: Ich bin Figurentheaterfan. Als kul-turfernes Landkind gab´s zwischen Kühen, Bach und Wiesen zwar nicht allzu viel Anschauungsmaterial; le-diglich in den Weihnachtsferien alberten mein Bruder und ich uns mit einem Koffer voller Handpuppen in
Kasperletheater-Rausch, wobei wir am Ende unserer Mini-Geschichten meistens mit bizarren Verkleidun-gen oder sprechenden Socken und Zahnbürsten hin-ter der ausgesägten Guckkastenbühne kauerten ... – Stopp, genau das ist er: Dieser archaische, quick-lebendige Spielmoment, der dem Figurentheater seit Jahrtausenden seine Faszination beschert: Hier werden eigenständige Welten mit Wesen bevölkert, die ganz an-ders und doch Projektionsflächen sind. Ein schnöder Socken kann melancholischer Herz-Schmerz-Verfüh-rer sein, eine Zahnbürste die Heldin intergalak tischer Abenteuer ... Verfremdung und Reduktion – zwei wich-tige Gestaltungselemente. Ob vor allem Letzteres trotz gigantischer Animationsfilme in 3D, trotz Clips und Games in unserer Bilderkultur noch funktioniert? Als schlichtes Kasperletheater sicher nur noch für die ganz Kleinen – für die anderen braucht es Erzählsog, unge-wöhnliche Perspektiven und die Lust zum Staunen.
Denn wie die Zauberkunst funktioniert Figuren-theater gerade in seiner Unmittelbarkeit: im Fernsehen wär´s fürs verwöhnte Auge ziemlich öde, auf einer
Schlafes Bruder vom Theatrium Dresden, Figurentheatertage 2013
Bühne aber ist es aufregend. Wer in den letzten Jahren bei den Figuren-theatertagen einige der exzellenten Produktionen für Erwachsene gesehen hat, erlebte skurrile, bewegende und poetische Stoffe in ganz unterschied-lichen Techniken und Ästhetiken: Mit einer Schar Schrottfiguren, rasanten Rollenwechseln und viel Slapstick inszenierte das Theater Fiesemadände „Die Ritter der Kokosnuss“ frei nach Monty Python als aberwitziges Roadmovie. Das Theater Dresden zeigte „Schlafes Bruder“ nach dem Bestseller von Robert Schneider als eindringliches Ein-Mann-Stück mit rund zwanzig schauerlich- expressiven Tischfiguren in einer Art mittel-alterlichem Triptychon. Das Züricher Theater nordART spielte „Rosen für Herrn Grimm“, eine berührende Geschichte über das Altwerden und die Macht der Fantasie mit einer lebensgroßen Klappmaulpuppe. Ent-deckungen machen, hingehen!
Marion Klötzer ist freischaffende Journalistin und Kinderbuchautorin und lebt in Freiburg
Die Geierwally, ein monumentales Figurentheater von den Exen aus Berlin, Figurentheater Tage 2014
unten:
Das Theater Zitadelle mit der schräg-skurrilen, höchst unterhaltsamen Inszenierung „Die Berliner Stadtmusikanten“, Figurentheater Tage 2015
➔
FABRIK-Rundbrief | Winter 2014/2015 Kolumne
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Torsten Sträter weiß es aus eigener Erfahrung
Schön hier. Angenehm vintage. Ein Bächlein windet sich durch den Ort. Aber Freiburg muss man sich verdienen, speziell wenn man Bühnenmensch
ist. Für uns Wortschaffende mit/ohne Klavier/Gitarre/Buch/iPad/Schweinehand-puppe/Jonglagezeugs ist diese Stadt eine epische Herausforderung. Aufgebaut wie ein gutes Computerspiel. LEVEL 1: Die Freiburger Kulturbörse. Wenn man nur mal so hin geht – ein großer Spaß mit Künstlern, Agenten, ferngesteuerten Elefanten und Typen, die mit ihren Schädeln in Goldfischgläsern stecken. Fragen Sie nicht nach. Wenn man dort allerdings einen zum Karrierebeginn verordneten Gig vor Veranstaltern hat, muss das nicht gut werden. Kann aber.So ein Kurzauftritt ist gelegentlich wie eine Hirn-OP: kostet Geld, ist oft mittags und tut mitunter weh. Zudem lauschen einem (mit Glück!) alle anwesenden Veranstalter, also eben jene, die einzeln zum Knutschen, als Publikum aber eine massive Wand der Irritation sind. Ist wie mit Lollies. Einer ist lecker. 400 können dich töten. Sollte man trotzdem machen.Die Börse ist im Prinzip eine Mischung aus Stalingrad und Phantasialand. Die Messehalle ist zudem schön weit weg.Die Taxipreise vom Bahnhof zur Messe rechtfertigen alternativ die Anschaffung eines guten Gebrauchtwagens am Ort. Volltanken. Fahren. Stehenlassen. Ist Billiger. LEVEL 2: Du hast nun ein richtiges Gastspiel. But First: die Anreise. Mit dem Zug ist Freiburg leger zu erreichen. Aber bald stellt man fest, dass es Dinge gibt, die nicht so gut zusammen passen. Noch nie. Schaschlik/Nutella. Frolic/Godzilla. Kopfsteinpflaster/Rollkoffer.Wer mit dem Rollkoffer durch die Stadt muss, braucht gar nicht erst vernünf-tig zu packen. Rüttel-Chaos hoch 12. Ein Drama, grad wenn man wie ich stets vier Flaschen Pils mit sich führt. Das schäumt dann wie Sau! Der Ort selbst ist natürlich eine Wonne, aber was nützt die beste Grafik, wenn der Level ruckelt?Kinderkram natürlich.Denn dann bist du da.Das Freiburger Vorderhaus. Da isses.Der leichteste Level kommt zum Schluss. Eine Künstlerwohnung von der Größe Neuschwansteins, Techniker, die so kom-petent und entschlossen sind, als wäre das hier ein MISSION IMPOSSIBLE-Film ... Und die Freiburger. Ein Publikum wie eine Blumenwiese, dufte nämlich.Geht doch.Ich glaub, das Spiel fang ich nachher direkt von vorn an.
Torsten Sträter ist zu Gast im Vorderhaus am:
29. und 30. Dezember 2014, 20.30 UhrJahresendlese – mit Jess Jochimsen, Alexander Paeffgen und Tokunbo
Das 16. freiburg-grenzenlos-festival bietet 22 mal Spaß mit Tiefgang, Unterhaltung mit Niveau. An 13 Festivaltagen gibt’s ein packendes Programm. Von einer schrägen Schwarzwald-Hommage auf Freiburgs Hausberg bis zum Politkabarett im Vorderhaus. Von einer Bestseller-Autorin im Bergkeller bis zu den charmanten Luna-tics im Funkhaus. Und das ganze wie immer scharf, schräg und manchmal auch schrill!
Karten und Infos unter freiburg-grenzenlos-festival.de