1 ______________________________________________________________________________________ Europäisches und deutsches Kartellrecht Das Skriptum begleitet die Ringvorlesung im WS 2014/15 (Stand: 7.10.2014) Wintersemester 2014/2015 Mittwoch, 16 – 18 Uhr HS II (Alte Universität) Prof. Dr. Florian Bien, Maître en Droit (Aix-Marseille III) Lehrstuhl für globales Wirtschaftsrecht, internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Bürgerliches Recht
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Europäisches und deutsches Kartellrecht · die Unternehmen in der Gemeinschaft ansässige Tochterunternehmen, Agenten, Unteragenten oder Zweigniederlassungen eingeschaltet haben,
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Das Skriptum begleitet die Ringvorlesung im WS 2014/15
(Stand: 7.10.2014)
Wintersemester 2014/2015
Mittwoch, 16 – 18 Uhr
HS II (Alte Universität)
Prof. Dr. Florian Bien, Maître en Droit (Aix-Marseille III)
Lehrstuhl für globales Wirtschaftsrecht, internationale
Schiedsgerichtsbarkeit und Bürgerliches Recht
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Inhalt A. Einführung .................................................................................................................................................... 6
I. Die drei Säulen des Kartellrechts ...................................................................................................... 6
B. Anwendungsbereich des Europäischen Kartellrechts ................................................................. 9
I. Räumlicher Anwendungsbereich ...................................................................................................... 9
1. Problem ................................................................................................................................................. 9
I. Überblick ................................................................................................................................................. 47
E. Die Zusammenschlusskontrolle ......................................................................................................... 80
I. Überblick ................................................................................................................................................. 80
II. Zusammenschluss (Art. 3 FKVO) .................................................................................................. 81
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1. „Fusion“ (Verschmelzung), Art. 3 I lit. a FKVO .................................................................... 81
2. Kontrollerwerb, Art. 3 I lit. b FKVO ......................................................................................... 81
III. Gemeinschaftsweite Bedeutung (Art. 1 Abs. 2, Abs. 3 FKVO) .......................................... 82
- ggf. Verteidigung gegen behördliche Untersagungsverfügungen (Verstoß gegen das
Kartell- oder Missbrauchsverbot) vor Gericht.
- Vertretung der Interessen drittbetroffener Unternehmen gegenüber der
Kartellbehörde, ggf. Anfechtung einer Fusionsfreigabe vor Gericht.
2. Zivilverfahren
a) Kartellverbot
- Private Schadensersatzklagen insbesondere von Abnehmern der Kartellanten wegen
überhöhter Kartellpreise.
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- Due Diligence: Prüfung der Kartellrechtskonformität von Verträgen zwischen dem
Zielunternehmen und Dritten im Hinblick auf einen geplanten Unternehmenskauf.
- Geltendmachung (bzw. Verteidigung gegen den Vorwurf) der Nichtigkeit einer
Vereinbarung wegen (angeblichen) Verstoßes gegen das Kartellverbot.
b) Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung
- Verteidigung gegenüber missbräuchlichen Verhaltensweisen von marktbeherr-
schenden Unternehmen, z. B. unberechtigte Lieferverweigerungen oder Verweigerung
des Zugangs zu einer „essential facility“ (Gewährung einer Lizenz zu einem
Schlüsselpatent o. ä.).
c) Fusionskontrolle
- Geltendmachung (bzw. Verteidigung gegen den Vorwurf) der Nichtigkeit einer unter
Verstoß gegen das Vollzugsverbot erfolgten Fusion.
3. Bußgeldverfahren
a) Kartellverbot, Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung,
Fusionskontrolle
- Verteidigung gegen Geldbußen wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot, das
Missbrauchsverbot oder das fusionskontrollrechtliche Vollzugsverbot.
4. Strafverfahren (nationales Recht)
- Verteidigung, z. B. gegen den Vorwurf des Betrugs (§§ 263, 298 StGB).
III. Historische Entwicklung
1. Deutsches Kartellrecht
(Möschel, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1984, Rz. 20ff. = S. 16ff.; K. W. Nörr, Die Leiden des Privatrechts, S. 163 ff.)
- RG, Urt. v. 4.2.1897, RGZ 38, 155 "sächsisches Holzstoffkartell": Einwand der Nichtigkeit des Kartellvertrages zurückgewiesen (dazu u. a. Möschel, 70 Jahre deutsche Kartellpoli-tik, 1972)
- KartellVO 1923: Grundsätzliche Zulässigkeit von Kartellen, allerdings mit einigen Erschwernissen wie Schriftformerfordernis etc., §§ 1 ff.
- NS-Zwangskartellgesetz: neue Kartellverträge (1600) und Zwangskartelle (120) zwischen 1933 und 1936
- 2. GWB-Novelle 1973: Abschaffung der vertikalen Preisbindung bei Markenwaren, §§ 16, 17 a. F.; Einführung einer teils vorbeugenden, teils nachträglichen Fusionskontrolle, §§ 23 ff. a. F.
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- 6. GWB-Novelle 1998: Fusionskontrolle generell als eine präventive unter Anhebung der Umsatzschwelle auf 1 Mrd. DM (jetzt: EUR 500 Mio.); Einfügung des Vergaberechts in §§ 97ff.
- 7. GWB-Novelle 2005: Anpassung des Kartellverfahrensrechts an das EU-Recht; Erleichterung des privaten Schadensersatzes bei Kartellverstößen, §§ 33ff.
- 8. GWB-Novelle (Inkrafttreten: 30.6.2013): Einführung des SIEC-Tests als materielles Untersagungskriterium in der Fusionskontrolle
- Messina-Konferenz der Außenminister der Mitgliedstaaten des EGKS (Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande), 1.-3.6.1955. Resolution: Gründung von EURATOM und des europäischen Binnenmarktes.
- Spaak1-Bericht, der die Verabschiedung der Römischen Verträge (EWGV) vorbereitete.
- 1.1.1958: Inkrafttreten des Vertrags über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag), darin Wettbewerbsregeln, insbesondere Art. 85, 86 (Kartellverbot, Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung), zeitgleich mit Inkrafttreten des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Zum damaligen Zeitpunkt hatte kaum jemand in Europa eine genaue Vorstellung von der Reichweite der vereinbarten Vorschriften. Kein Gründungsstaat der EWG verfügte zur damaligen Zeit über ein Kartellrecht mit vergleichbar weitreichenden Vorschriften.
- EuGH, Urt. v. 6.4.1962, Rs. 13/61, Slg. 1962, 97 = WuW/E EWG/MUV 48 - De Geus/Bosch, entscheidet, dass Art. 85 EWG unmittelbar bindendes Recht ist.
- Inkrafttreten der ersten Kartellverfahrensverordnung VO 17/62.
- 1989: Verabschiedung der ersten EG-Fusionskontrollverordnung. Zuvor Fusionskontrolle nur sehr eingeschränkt auf der Grundlage des Missbrauchsver-bots (EuGH, Urt. v. 21.2.1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215 - Continental Can). Außerdem An-wendung des Kartellverbots (Art. 85 EWGV = Art. 101 AEUV) auf Erwerb einer Kapital-beteiligung an Wettbewerber (EuGH, Urt. v. 17.11.1987, Rs. 142/84 und 156/84, Slg. 1987, 4487 = NJW 1988, 3083 – Philipp Morris).
- 1.5.04: Inkrafttreten der neuen EG-Fusionskontrollverordnung (FKVO) Nr. 139/2004.
- 1.1.03: Inkrafttreten der neuen Kartellverfahrensverordnung 1/2003 (Übergang zum System der Legalausnahme, Entfallen des Freistellungsmonopols der Kommission)
1 Paul Henri Charles Spaak (1899 – 1972), belgischer Politiker und Staatsmann, einer der Gründungsväter der Europäischen Gemeinschaft.
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- seit etwa 2004: More economic approach: Stärkere Berücksichtigung ökonomischer Methoden bei der Beurteilung wettbewerbsrelevanter Verhaltensweisen. Ausrichtung der Wettbewerbspolitik am Effizienzziel („Konsumentenwohlfahrt“).
B. Anwendungsbereich des Europäischen Kartellrechts
I. Räumlicher Anwendungsbereich
(Rehbinder, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EG, 2012, Internationaler Anwendungsbereich,
meter („ölfleckartige Ausdehnung von Kartellvereinbarungen“, Möschel). Neben Preisen
werden die Mengen, außerdem Vertriebsbedingungen bis hin zu den Investitionsvorha-
ben kartelliert.
2. Vertikale Beschränkungen
- Definition: Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen zwischen
Unternehmen, die auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette tätig sind
(insbesondere Lieferanten-Abnehmer-Beziehung).
- Wichtige Formen vertikaler Beschränkungen:
- Preisempfehlungen und Preisobergrenzen für den Weiterverkauf, z. B. an
den Endverbraucher.
- Markenzwang: Verpflichtung oder Anreiz für Abnehmer, praktisch seinen
gesamten Bedarf an einem bestimmten Produkt (z. B. Laufschuhe) aus
einer bestimmten Marke zu decken (häufig kombiniert mit einer
Alleinbezugsverpflichtung, um zu verhindern, dass die Markenwaren
von dritten Händlern bezogen werden).
- Alleinvertriebsvereinbarung: Verpflichtung des Lieferanten, seine Produkte
zum Zwecke des Weiterverkaufs in einem bestimmten Gebiet nur an einen
Vertriebshändler zu verkaufen.
- Selektive Vertriebsvereinbarungen: Verpflichtung des Anbieters, die
Vertragswaren oder -dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar nur an
Händler zu verkaufen, die anhand festgelegter (Qualitäts-)Merkmale wie
z. B. Verkaufsfläche, Präsentation der Ware etc. ausgewählt werden, und
gleichzeitig Verpflichtung der Händler, die betreffenden Waren oder
Dienstleistungen nicht an dritte Händler zu verkaufen, die innerhalb des
vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht
zum Vertrieb zugelassen sind (Definition in Art. 1 Abs. 1 lit. e Vertikal-GVO
(EU) Nr. 330/2010).
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- Franchisevereinbarungen: Vergabe von Lizenzen an gewerblichen
Schutzrechten (insbesondere Markenrechte) und Gewährung
verkaufsstrategischer und technischer Unterstützung gegen Entgelt.
- Alleinbezugsvereinbarung: Verpflichtung des Händlers, ein bestimmtes
Produkt, z. B. Laufschuh der Marke „Fasttrack“ ausschließlich von einem
bestimmten Lieferanten zu beziehen (häufig kombiniert mit einem
Markenzwang).
- Alleinlieferungsvereinbarung: Verpflichtung des Lieferanten, ein
bestimmtes Produkt ausschließlich an einen bestimmten Abnehmer zu
liefern.
- Kopplungsvereinbarungen: Abhängigkeit der Lieferung eines bestimmten
Produkts („Koppelungsprodukt“) von der Abnahme eines weiteren
Produkts („gekoppeltes Produkt“).
- Wettbewerbspolitisch ambivalent, da sie die Absatzstrategie lediglich eines einzigen
Unternehmens betreffen (intra brand competition). Das Unternehmen mag dennoch in
starkem Wettbewerb stehen (inter brand competition).
- Mögliche Rechtfertigungen:
- Hersteller möchte durch Alleinvertriebsvereinbarung oder Mindest-
preisbindung bei komplizierten Produkten eine qualifizierte Beratung und
leistungsfähigen Service sicherstellen,
- das Markenimage pflegen,
- sich überhaupt erst einen Zugang zum Markt schaffen.
- Beispiele für mögliche Gefahren:
- Alleinvertriebsvereinbarungen können Absatzkanälen zulasten aktueller
oder potentieller Konkurrenten verstopfen.
- Kopplungsverträge können zur Folge haben, dass bestehende Marktmacht
im Hinblick auf das Produkt A auf das (gekoppelte) Produkt B übertragen
wird („Hebelwirkung“).
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II. Tatbestandsvoraussetzungen des Kartellverbots
1. Adressaten des Kartellverbots: Unternehmen und
Unternehmensvereinigungen
(Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007, § 4 Rz. 3ff., S. 52ff.)
a) Unternehmen
- Unternehmen i. S. d. Art. 101 und 102 AEUV sind alle „Einheiten, die eine wirt-
schaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig von ihrer Rechtsform, dem Vorliegen oder
Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht, dem Umfang der Tätigkeit oder der Art ihrer
Finanzierung. Voraussetzung für die Unternehmenseigenschaft ist eine selbständige
wirtschaftliche Tätigkeit im weitesten Sinne.“ (Kling/Thomas, a. a. O.).
- Auf die Rechtsfähigkeit der Einheit kommt es nicht an.3
- Positivbeispiele:
- natürliche Personen wie Kaufleute, Handelsvertreter, Sportler,
- juristische Personen des Privatrechts wie GmbH, AG,
- juristische Personen des Öffentlichen Rechts wie Sparkassen,
Versicherungsanstalten,
auch:
- Freiberufler wie Rechtsanwälte oder Patentanwälte,
- Konzerne (Definition in § 18 Abs. 1 S. 1 AktG: "Sind ein herrschendes und
ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung
des herrschenden Unternehmens zusammengefasst, so bilden sie einen
Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen")4,
3 Das ist anders auf der Rechtsfolgenseite. Adressat einer Verfügung einschließlich eines Bußgeldbescheids oder einer Klage kann nur ein rechtsfähiger Unternehmensträger sein. 4 Beachte: An einer Wettbewerbsbeschränkung fehlt es, wenn das Tochterunternehmen ohnehin über keine wirtschaftliche Entscheidungsautonomie verfügt, EuGH, Urt. v. 24.10.1996, Rs. C-73/95 P, Slg. 1996 I-5457 – Viho Europe BV gegen Kommission: „Bilden eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesell-schaften eine wirtschaftliche Einheit, in deren Rahmen die Tochtergesellschaften ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen können, sondern die Anweisungen der sie zu 100 % kontrollie-renden Muttergesellschaft befolgen, so führt der Umstand, dass die Politik dieser letzteren, die haupt-sächlich in einer Aufteilung verschiedener nationaler Märkte auf ihre Tochtergesellschaften besteht, Auswirkungen außerhalb des Bereichs des Konzerns haben kann, die die Wettbewerbsposition Dritter zu
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- der Staat, soweit er am Markt als Nachfrager und Anbieter von Waren oder
beeinträchtigen geeignet sind, nicht zur Anwendbarkeit des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages [= Art. 101 AEUV], selbst wenn man ihn in Verbindung mit den Artikeln 2 und 3 Buchstaben c und g des Vertrages [jetzt Protokollerklärung zum AEUV] liest. Ein solches einseitiges Verhalten könnte jedoch unter Artikel 86 des Vertrages [= Art. 102 AEUV] fallen, wenn dessen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.“
Die bedeutenden europäischen Farbstoffhersteller treffen sich seit Jahren in unregelmäßigen zeitlichen Abständen und mit wechselnder Beteiligung zu einem allgemeinen Austausch von Erfahrungen und Informationen. Eine solche Be-sprechung fand am 18. August 1967 bei der S. AG in Basel statt. Dabei waren die Betroffenen zu 4 bis 7 vertreten. Sie sind am deutschen Markt für Teerfarbstoffe insgesamt zu etwa 80 % beteiligt. Da sie nicht sämtliche Farbstoffprodukte selbst herstellen, ihren Abnehmern jedoch ein möglichst vollständiges Sortiment anbieten wollen, beliefern sie sich auch gegenseitig. Teilgenommen haben an der Tagung in Basel außerdem Vertreter von französischen, englischen und schweizerischen Firmen. Nachdem zunächst verschiedene Punkte allgemeinen Interesses erörtert worden waren, erklärte der Vertreter der schweizerischen Firma G., seine Gesellschaft werde die Preise für Teerfarben zum 16. Oktober 1967 um 8 % erhöhen. Anschließend äußerte der Vertreter der Betroffenen zu 5, daß dieser die Erlös- und Kostenentwicklung im Farbstoffgeschäft schon seit langem Sorge bereite und daß ständig Überlegungen wegen einer Erhöhung der Verkaufspreise angestellt würden. Eine ähnliche Stellungnahme gab der Vertreter der französischen Firma F. ab. In den folgenden Wochen erhöhten die betroffenen Unternehmen durch zeitlich nacheinander liegende Beschlüsse und Ankündigungen ihre Preise für Teerfarbstoffe gleichförmig zum 16. Oktober 1967 um 8 %.
Nicht erfasst wird autonomes Parallelverhalten auf oligopolistischen Märkten bei
transparenten Preisen und homogenen Gütern wie Benzin.
Die Abgrenzung zwischen Vereinbarung und abgestimmter Verhaltensweise kann offen
bleiben, wenn feststeht, dass beide Varianten erfüllt sind. So verfährt die Praxis häufig.
3. Wettbewerbsbeschränkung
„Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung“ werden zusammengefasst unter dem
einheitlichen Tatbestandsmerkmal der „Wettbewerbsbeschränkung“ (= Einschränkung
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der wettbewerblichen Handlungsfreiheit mindestens einer Partei, Kling/Thomas, a.a.O.
§ 4 Rz. 67). Einer weitergehenden Differenzierung bedarf es nicht.
Definition Wettbewerbsbeschränkung durch den EuGH: Entstehung von Wettbewerbs-
bedingungen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder erbrachten Dienstleistungen,
die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht
kommenden Marktes nicht den normalen Bedingungen dieses Marktes entsprechen
- Doppelfunktion des Tatbestandsmerkmals (siehe schon oben):
- Abgrenzung des Anwendungsbereich des EU-Kartellrechts von demjenigen des
mitgliedstaatlichen Kartellrechts
- Tatbestandliche Begrenzung des Anwendungsbereichs der Art. 101, 102 AEUV
auf Fälle, die der Verwirklichung des Binnenmarktziels entgegenstehen.
- weite Auslegung, siehe insbesondere EuGH v. 13. 7. 1966 – Rs. 56/64 und 58/64, Slg.
1966, 321, 389 – Consten und Grundig:
„Denn ein sich auf das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats erstreckendes Kartell hat schon sei-
nem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen.“
Die Kommission hat (für die Gerichte und nationalen Behörden unverbindliche5)
Leitlinien6 aufgestellt, aus denen sich ergibt, wann sie davon ausgeht, dass das Merkmal
der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels erfüllt ist. Sie berücksichtigt
insbesondere drei Elemente zu berücksichtigen:
Der Begriff „Handel zwischen EU-Mitgliedstaaten“: Der Begriff „Handel“ ist nicht
auf den traditionellen grenzüberschreitenden Austausch von Waren und
Dienstleistungen beschränkt. Es geht hier um einen weiter gefassten Begriff, der alle
grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Tätigkeiten einschließlich der Niederlassung
umfasst. Diese Auslegung steht im Einklang mit dem grundlegenden Ziel des
Vertrags, den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital zu
fördern. Das Erfordernis der Beeinträchtigung des Handels „zwischen EU-
Mitgliedstaaten“ setzt voraus, dass Auswirkungen auf grenzüberschreitende
wirtschaftliche Tätigkeiten zwischen mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten vorliegen.
5 Siehe EuGH, Expedia (Fall unten). 6 Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags (2004/C 101/07), ABl.
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Die Formulierung „zu beeinträchtigen geeignet“: Die Formulierung „zu
beeinträchtigen geeignet“ dient dazu, die Art und Weise der erforderlichen
Beeinträchtigung des Handels zwischen EU-Mitgliedstaaten zu beschreiben. Nach
dem vom Gerichtshof entwickelten Beurteilungsmaßstab bedeutet die Formulierung
„zu beeinträchtigen geeignet“, dass sich anhand objektiver rechtlicher oder
tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass
die fragliche Vereinbarung den Warenverkehr zwischen EU-Mitgliedstaaten
unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell beeinflussen kann. In Fällen, in
denen die Vereinbarung geeignet ist, die Wettbewerbsstruktur in der EU zu
beeinträchtigen, ist das EU-Recht anwendbar.
Begriff der „Spürbarkeit“
- Geeignetheit und Spürbarkeit der Handelsbeeinträchtigung.
- siehe außerdem „Bündeltheorie“ (EuGH, Delimitis). Dazu
Beispielsfall Delimitis (EuGH: Entscheidung vom 28.02.1991 - C-234/89
Die Bierbrauerei HB (nachstehend: Brauerei) verlangt von Stergios Delimitis, ehemaliger Pächter einer Gastwirtschaft in Frankfurt am Main (nachstehend: Gastwirt), einen Geldbetrag, den der Gastwirt nach der Kündigung des am 14. 5. 1985 zwischen den Parteien geschlossenen Pachtvertrags der Brauerei angeblich schuldet.
Nach Ziffer 1 dieses Vertrags verpachtet die Brauerei an den Gastwirt eine Gast-stätte. Gemäß Ziffer 6 des Vertrags ist der Gastwirt verpflichtet, seinen Bedarf an Bieren in Faß, Flasche und Dose mit den Produkten und Handelswaren der Brauerei und seinen Bedarf an alkoholfreien Getränken bei den Tochtergesellschaften der Brauerei zu decken. Der Gastwirt darf jedoch Biere und alkoholfreie Getränke von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten beziehen.
Der Gastwirt hat nach Ziffer 6 außerdem jährlich mindestens 132 hl Bier zu beziehen. Im Falle des Minderbezugs hat er Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten.
Der Vertrag wurde von dem Gastwirt am 31. 12. 1986 gekündigt. Die Brauerei war daraufhin der Ansicht, dass der Gastwirt ihr noch 6 032,15 DM (Miete, Pauschalbetrag wegen Nichterfüllung der Mindestbezugsverpflichtung und verschiedene Nebenkosten) schulde. Diesen Betrag verrechnete sie mit der Pachtkaution, die der Gastwirt ihr gestellt hatte.
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Es ist von Folgendem auszugehen7: (1) Der Gastwirt hatte einen durchschnittlichen jährlichen Bierumsatz in Höhe von 135 hl. (2) Die Öffnungsklausel ist so zu verstehen, dass es dem Gastwirt lediglich gestattet ist, selbst Bier in anderen Mitgliedsstaaten zu kaufen, nicht aber Bier, das aus anderen Mitgliedsstaaten stammt, von dritten Unternehmen zu beziehen. (3) 60 Prozent aller deutschen Gaststätten haben vergleichbare Bierlieferungsverträge abgeschlossen. Sie verkaufen auch in etwa 60 Prozent des in Gaststätten konsumierten Biers. (4) Die Brauererei hat in Deutschland einen Marktanteil von ca. 20 Prozent. Das gilt sowohl für den Einzelhandel als auch für den Bereich der Gaststätten. (5) Die Brauerei schließt üblicherweise Bierlieferverträge über einen Zeitraum von sieben Jahren. Üblich sind fünfjährige Laufzeiten.
Die Kommission geht davon aus, dass Vereinbarungen grundsätzlich nicht geeignet sind, den
Handel zwischen EU-Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen („no appreciable affectation of trade", sog. NAAT-Regel), wenn die folgenden Voraussetzungen kumulativ
erfüllt sind:
1. der gemeinsame Marktanteil der Parteien überschreitet auf keinem von der
Vereinbarung betroffenen relevanten Markt innerhalb der EU 5 %, und
2. im Falle horizontaler Vereinbarungen überschreitet der durchschnittliche Jahresumsatz
der beteiligten Unternehmen mit den von der Vereinbarung erfassten Waren in der EU
nicht den Betrag von 40 Mio. EUR.
5. Eingriffsschwelle: de minimis-Regel (Spürbarkeitsgrenze)
- Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal von Art. 101 AEUV (nicht zu verwechseln mit
dem Erfordernis der spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels).
- Konkretisierung durch Kommission (für Gerichte unverbindlich) in der de minimis-
Bekanntmachung vom (ABl. v. 22.1.2001, C 368/13):
- Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern (Horizontalvereinbarungen):
Spürbarkeitsschwelle: Marktanteil aller an der Vereinbarung beteiligten
Unternehmen auf allen von der Vereinbarung betroffenen relevanten
Märkten unter 10 Prozent,
- Vereinbarungen zwischen Nichtwettbewerbern (insbesondere
Vertikalvereinbarungen):
7 In der originalen Vorlagefrage des OLG Frankfurt finden sich hierzu keine Angaben.
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Die Spürbarkeitsschwelle wird nicht überschritten, wenn der Marktanteil
aller an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen auf allen von der
Vereinbarung betroffenen relevanten Märkten unter 15 Prozent.
Erfasst sind Produkte und Dienstleistungen (obwohl vom Wortlaut „Waren“ nicht
erfasst).
(1) Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung
Beispiele9:
- Synergieeffekte aufgrund Zusammenlegung der Geschäftsaktivitäten zweier
Unternehmen, die jeweils einen anderen Teil der Wertschöpfungskette optimiert haben.
- Skalenvorteile, etwa durch gemeinsame Beladung eines einzigen Lkw durch zwei
Unternehmen, die ihn jeweils nur halb beladen könnten.
- Vereinbarung von „just in time"-Lieferung kann beim Abnehmer der Lieferungen
Lagerhaltungskosten senken und gleichzeitig helfen, Produktionskapazitäten besser
auszunutzen.
- Vertriebsvereinbarung führt zu niedrigeren Vertriebskosten oder zur Erbringung einer
wertvollen Dienstleistung.
- Befristete Preisbindung der zweiten Hand erlaubt die Einführung eines neuen
Produkts, das besonderen Beratungsbedarf aufweist.
(2) Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts
Es geht insbesondere um Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen.
Beispiele:
- Vereinbarung über den Technologietransfer versetzt den Lizenznehmer in die Lage,
neue oder verbesserte Produkte herzustellen.
9 Die nachfolgenden Beispiele stammen überwiegend aus den Leitlinien der Kommission zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG.
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- Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit dem Ziel der Entwicklung und, falls
erfolgreich, gemeinsamen Herstellung eines besonders sicheren Reifens mit
verschiedenen Luftkammern.
- Bankenkooperation, die die innereuropäische Zahlung erleichtert und beschleunigt.
b) Unerlässlichkeit der den beteiligten Unternehmen auferlegten Beschränkungen
für die Zielverwirklichung (= 3. Voraussetzung von Art. 101 Abs. 3 AEUV =
§ 2 Abs. 1 GWB)
Es geht um die Frage, ob die Effizienzgewinne nicht auch mit einer weniger wett-
bewerbsbeschränkenden Vereinbarung oder Beschränkung erzielt werden können.
Beispiel:
- Unternehmen können sich nur dann erfolgreich auf Skalenvorteile (s. o.) aufgrund der
wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung berufen, wenn diese nicht auch durch
internes Wachstum und Preiswettbewerb zu erzielen sind.
- Verhinderung einer hold-up-Situation durch entsprechende Vertikalvereinbarung:
wenn eine Partei eine größere nicht rückgängig machbare Investition (sunk investment)
getätigt hat. Beispiel: Ein Lieferant tätigt eine erhebliche kundenspezifische Investition,
um einen Kunden mit einem Betriebsmittel zu beliefern, ist der Lieferant an den Kunden
gebunden. Um zu verhindern, dass der Kunde daraufhin diese Abhängigkeit ausnützt,
um günstigere Bedingungen zu erlangen, kann es erforderlich werden, die Bedingung
aufzuerlegen, die vertragsgegenständlichen Teile nicht von Dritten zu beziehen oder
Mindestmengen der Teile beim Lieferanten zu kaufen.
c) Angemessene Beteiligung der Verbraucher am Gewinn (= 1. Voraussetzung von
Art. 101 Abs. 3 AEUV = § 2 Abs. 1 GWB)
Verbraucher i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV sind nicht nur Verbraucher i. S. d. § 13 BGB,
sondern alle unmittelbaren und mittelbaren Nutzer der Produkte, auf die sich die
Vereinbarung bezieht. Das können neben Endkunden sein: Produzenten, die die Ware
als Vorprodukt benötigen; Großhändler und Einzelhändler.
Gewinn sind alle denkbaren Vorteile der Vereinbarung, nicht nur Preissenkungen i. e. S.,
sondern auch eine größere Auswahl, größere Markttransparenz, höhere
Produktqualität.
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Die Angemessenheit der Vorteile ist zu bejahen, wenn sie die mit der Wettbewerbs-
beschränkung verbundenen Nachteile mindestens zu kompensieren vermögen (neutrale
Nettowirkung der Vereinbarung):
- Führt die Vereinbarung zu höheren Preisen, muss der Ausgleich zum Beispiel in Form
höherer Qualität der Produkte erzielt werden. Die Bewertung (und damit Abwägung)
dieser Form von Effizienz (dynamische Effizienz) ist allerdings sehr schwierig.
- Je länger die zeitliche Verzögerung ist, mit der die Verbraucher Vorteile aus der
Vereinbarung haben, desto größer müssen die entstehenden Effizienzgewinne sein.
- Je umfangreicher die Auswirkungen der Vereinbarungen auf den Wettbewerb sind,
umso unwahrscheinlicher ist die Weitergabe von Effizienzvorteilen, insbesondere durch
marktstarke Unternehmen, und umso wahrscheinlicher werden die Verbraucher
langfristig Nachteile davontragen.
d) Keine Ermöglichung der Ausschaltung des Wettbewerbs für einen wesentlichen
Teil der betreffenden Waren (= 4. Voraussetzung des Art. 101 Abs. 3 AEUV =
§ 2 Abs. 1 GWB).
Diese Voraussetzung ist Ausdruck des Grundsatzes, wonach dem Schutz des
Wettbewerbs bzw. dem Wettbewerbsprozess Vorrang eingeräumt wird vor
potenziellen Effizienzgewinnen, die sich aus wettbewerbsbeschränkenden
Vereinbarungen ergeben könnten. Die Rivalität zwischen Unternehmen ist eine
wesentliche Antriebskraft für die wirtschaftliche Effizienz, einschließlich langfristiger
dynamischer Effizienzsteigerungen in Form von Innovationen und technologischem
Fortschritt.
Je geringer der Wettbewerb vor Abschluss der Vereinbarung, desto geringer braucht
ihre wettbewerbsbeschränkende Wirkung sein, um das Tatbestandsmerkmal
Ausschaltung des Wettbewerbs im Sinne des Art. 101 Abs. 3 AEUV zu erfüllen.
Berücksichtigt werden nicht nur die Marktanteile (wenige Wettbewerber mit hohen
Marktanteilen = geringer Wettbewerbsdruck), sondern auch weitere Faktoren:
Beispiele:
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- Wettbewerber können vor Kapazitätsengpassen stehen oder aufgrund relativ höherer
Produktionskosten Schwierigkeiten haben, durch Erhöhung der Produktion
Wettbewerbsdruck auszuüben.
- Potentielle Wettbewerber könnten unter Umständen bereit sein, in den Markt
einzusteigen. Voraussetzung hierfür ist aber u. a., dass der potentielle Wettbewerber
auch die rechtlichen Voraussetzungen eines Markteinstiegs erfüllt (z. B. die
erforderliche staatliche Lizenz erhält).
3. Verfahren der Freistellung im Einzelfall
a) Grundsatz
Art. 1 Abs. 2 VO 1/2003 und § 2 Abs. 1 GWB: Legalausnahme. Es besteht kein
Freistellungserfordernis mehr, vielmehr gilt Prinzip der „Selbstveranlagung“
(Bechtold). Die von Art. 101 Abs. 3 AEUV = § 2 Abs. 1 GWB erfassten Vereinbarungen
sind automatisch (ipso iure) freigestellt, Art. 1 Abs. 2 VO 1/2003: „sind nicht verboten,
ohne dass dies einer vorherigen Entscheidung bedarf.“
b) Europäische Kommission (VO 1/2003)
Art. 10 VO 1/2003: Positiventscheidung. Möglich ist die (deklaratorisch wirkende)
verbindliche (vgl. Art. 16 VO 1/2003) Feststellung der Nichtanwendbarkeit durch
förmliche Entscheidung im öffentlichen Interesse der Gemeinschaft (u. a.:
Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 3 AEUV liegen vor). Problem: Voraussetzungen
liegen wohl nur bei neuartiger Fragestellung vor, nicht bei bloßem Interesse des
Unternehmens an Rechtssicherheit oder Bußgeldimmunität.
Unverbindliche Beratungsschreiben (guidance letters), sollen Unternehmen ggf.
Orientierung geben, wenn eine (Rechts-)Frage durch Rechtsprechung oder Ent-
scheidungspraxis der Kommission noch nicht geklärt ist. Rechtsgrundlage:
Bekanntmachung „Beratungsschreiben“.
c) Bundeskartellamt und Landeskartellbehörden
§ 32c GWB: „Kleine Positiventscheidung“. Die deutschen Kartellbehörden können
(Ermessen!) förmlich entscheiden, dass aus ihrer Sicht kein Anlass zum Tätigwerden
besteht. Diese Entscheidung bindet allerdings nur die entscheidende Behörde selbst,
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nicht hingegen die Gerichte und die Wettbewerbsbehörden der anderen Mitglieds-
staaten oder gar die Kommission. Faktisch geht die Wirkung allerdings über eine
Selbstbindung der Behörde hinaus.
Daneben besteht ebenfalls die Möglichkeit der informellen Beratung.
4. Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO)
a) Überblick
Zweck: Erleichterung der Selbstveranlagung dadurch, dass die Kommission in den sog.
Gruppenfreistellungsverordnungen bestimmte typische Kategorien („Gruppen“) von
Sachverhalten und Vereinbarungen einer detaillierten Regelung unterzieht.
Rechtsnatur: Verordnungen i.S.v. Art. 288 Abs. 1 AEUV (= Art. 249 Abs. 1 EG a. F.), denen
in den Mitgliedsstaaten unmittelbare und vorrangige Wirkung zukommt (keine
Umsetzung erforderlich wie bei Richtlinien).
Rechtsgrundlage: Art. 103 Abs. 1 AEUV (= Art. 83 Abs. 1 EG a. F.)10: Ermächtigung des
Rates zum Erlass von GVOen, der diese Befugnis an die Kommission übertragen hat.
Wirkung: Konstitutiv (str.), das heißt die GVOen entfalten ihre freistellende Wirkung
auch, wenn die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 im Einzelfall nicht erfüllt sind. In
diesem Fall kommt aber ein Entzug des Vorteils der GVO in Betracht, Art. 29 Abs. 1 VO
1/2003.
Praktische wichtigste GVO: Vertikal-GVO (VO Nr. 330/2010, ABl. Nr. L 102/1 v.
23.4.2010). Sie stellt Vereinbarungen vom Kartellverbot frei, die zwischen Unternehmen
auf verschiedenen Wirtschaftsstufen (z.B. Hersteller – Großhändler) abgeschlossen
wurden.
Weitere GVOen:
- Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung (VO (EU) Nr. 1217/2010, ABl. 2010
Nr. L 335, S. 36)
10 „Die zweckdienlichen Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in den Artikeln 101 und 102 niedergelegten Grundsätze werden vom Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments beschlossen.“
31
- Versicherungen (VO (EG) Nr. 358/2003, ABlEG 2003 Nr. L 53, S. 8)
- Spezialisierungsvereinbarungen (VO (EU) Nr. 1218/2010, ABl. 2010 Nr. L 335, S. 43) - Technologie-Transfer (VO (EG) Nr. 772/2004, ABlEG 2004 Nr. L 123, S. 11)
b) Vertikal-GVO im Besonderen
Anwendungsbereich: Grundsätzlich sämtliche Vereinbarungen im Vertikalverhältnis.
Beispiele: Einkaufs-, Liefer- und Vertriebsverträge, einschließlich Handelsvertreter-,
Vertragshändler und Franchiseverträge („Umbrella“- oder „Schirm“-GVO). Speziellere
GVOen (insbesondere Technologietransfer-GVO) gehen aber vor.
Definition der „vertikalen Vereinbarung“ in Art. 1 Abs. 1 lit. a Vertikal-GVO:
„Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise, die zwischen zwei oder mehr
Unternehmen, von denen jedes für die Zwecke der Vereinbarung oder der abgestimmten
Verhaltensweise auf einer anderen Ebene der Produktions- oder Vertriebskette tätig ist,
geschlossen wird und die die Bedingungen betrifft, zu denen die beteiligten
Unternehmen Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen
dürfen.“
Definition der „vertikalen Beschränkung“ in Art. 1 Abs. 1 lit. b Vertikal-GVO:
„Wettbewerbsbeschränkung in einer vertikalen Vereinbarung, die unter Artikel 101
Absatz 1 AEUV fällt.“, siehe die Beispiele oben.
Freistellungsvoraussetzungen
(1) Doppelte Marktanteilsschwelle (Art. 3 Vertikal-GVO): Weder der Anbieter noch der
Abnehmer dürfen einen Marktanteil von über 30 Prozent haben.
(2) Keine Kernbeschränkungen („schwarze Klauseln“, Art. 4 Vertikal-GVO),
insbesondere:
- Festlegung des Verkaufspreises (Preisbindung der 2. Hand)
- Gebiets- und Kundenbeschränkungen
Rechtsfolge bei Verstoß: Entfallen der Freistellung im Ganzen („Alles-oder-Nichts-
Prinzip“), keine geltungserhaltende Reduktion.
32
(3) Keine Wettbewerbsverbote und weitere Beschränkungen „mittlerer Schwere“
(Baron) („graue Klauseln“, Art. 5 Vertikal-GVO). Rechtsfolge im Fall eines Verstoßes: nur
die betreffende Klausel, nicht die Vereinbarung als Ganzes ist nichtig.
5. Dynamischer Verweis auf europäische GVO in § 2 II GWB
führt zu analoger Anwendung der europäischen GVOen und damit zu „jederzeitigem und
möglichst vollständigem Gleichklang“11 des deutschen mit dem europäischen
a) Schadensersatzprozesse bis Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle
Nicht sonderlich häufig,13 teilweise aber auch außergerichtliche Streitbeilegung.14 Zwei
Probleme:
(1) Schutzgesetzerfordernis in § 823 Abs. 2 BGB (jetzt: § 33 GWB): Als
Voraussetzung für Klagebefugnis wurde von den Instanzgerichten überwiegend die
gezielte oder jedenfalls individualisierte Schädigung durch den Kartellrechtsverstoß
angesehen. Kartellabsprachen wurden regelmäßig nicht darunter subsumiert.15 In
13 Deutschland, im Jahr 2004: 38 Gerichtsentscheidungen, die kartellrechtliche Schadensersatzansprüche (ggf. neben anderen) zum Gegenstand hatten, davon 19 erfolgreich (nach Müko-Lübbig, § 33 Rz. 6). Überblick über die Situation in sämtlichen EG-Mitgliedsstaaten: sog. Ashurst-Bericht (Stand: 2004). 14 Z. B. Vergleich Voestalpine – Deutsche Bahn, Juve-Meldung vom 1.5.2013 (http://www.juve.de/nachrichten/verfahren/2013/05/schienenkartell-gleiss-mandantin-voestalpine-zahlt-deutscher-bahn-millionenentschadigung) 15 Z. B. OLG Karlsruhe, NJW 2004, 2243, 2244 – Vitaminpreise; LG Mannheim, GRUR 2004, 182, 184 - Vitaminpreise.
41
seinem jüngsten Urteil in Sachen ORWI (28.6.2011 - KZR 75/10) hat der BGH dieser
engen Auslegung eine Absage erteilt: „Der Kreis der durch das Kartellverbot des Art.
101 Abs. 1 AEUV geschützten Personen ist […] nicht auf solche Abnehmer be-
schränkt, gegen die sich die Kartellabsprache gezielt richtet.“ (Tz. 16, Hervorhebung
vom Verf.).
(2) Berücksichtigung der Möglichkeit der Schadensabwälzung zu Lasten des Klägers16
b) Schadensersatzprozesse seit Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle
Zementkartell: Anhängige Klage der belgischen Cartel Damage Claims NV vor dem LG
Düsseldorf17
- CDC macht die ihr abgetretenen Forderungen von bislang 29 angeblich
geschädigten Abnehmern geltend.
- Schadensersatzverlangen beläuft sich bislang auf gut 150 Millionen Euro.
- Follow-on-Klage: Im April 2003 hatte das Bundeskartellamt gegen die sechs
größten deutschen Zementhersteller ein Rekordbußgeld in Höhe von ca. 660 Mio.
Euro verhängt.
Weitere aktuelle Verfahren betrafen bzw. betreffen u. a. die Bereiche Transportbeton
(KG, Beschl. v. 1.10.2009 - 2 U 10/03 Kart), Dekorpapier (dazu aktuell EuGH, Urt. v.
14.6.2011, Rs. C-360/09 – Pfleiderer, noch nicht in der amtlichen Slg. veröffentlicht), das
Karbon- und Graphit-Kartell (anhängige Klage der Deutschen Bahn vor einem Londoner
Entwurf eines Leitfadens zur Ermittlung des Schadensumfangs bei
Schadensersatzklagen wegen Verletzung des Artikels 101 oder 102 AEUV
e) Rechtspolitische Diskussion
(1) Überlegenheit der behördlichen Durchsetzung:
(a) Hoheitsgewalt der Behörde erleichtert Ermittlung und Sanktionierung von
Verstößen (insbesondere Sektoruntersuchung, Art. 17 VO 1/2003 bzw. § 32e
GWB und allgemeine Ermittlungsbefugnisse einschließlich Beschlagnahmen und
Hausdurchsuchungen gemäß Art. 18ff. VO 1/2003 bzw. 57ff. GWB).
43
(b) Spezialisierung der Beamten ist kostengünstiger als private Durchsetzung.
Besondere Marktkenntnis privater Dritter kann durch ihre Einbindung in das
Verwaltungsverfahren (Anhörung gemäß Art. 27 Abs. 3 VO 1/2003 bzw.
Beiladung gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB) nutzbar gemacht werden.
(c) Unabhängige Behörde verfolgt keine Privatinteressen. Umgekehrt besteht bei
privater Rechtsdurchsetzung die Gefahr eines missbräuchlichen Einsatzes der
Rechtsschutzinstrumente.
(2) Vorbild USA?
Verschiedene Besonderheiten des US-amerikanischen Zivil(prozess)rechts erleichtern
den privaten Rechtsschutz im Kartellrecht erheblich:
(a) Die pretrial discovery procedure erleichtert es den Klägern, an Beweise zu
gelangen. Der Beklagte ist verpflichtet, bestimmte Geschäftsgeheimnissen vor
Beginn des eigentlichen Gerichtsverfahrens offenzulegen.
(b) Kartellverstöße werden mit treble damages (dreifacher Schadensersatz)
sanktioniert.
(c) Erfolgshonorare für Anwälte (vgl. jetzt § 4a RVG) vermindern das Kostenrisiko für
den Kläger.
(d) Class Actions (opt out-Modell) erlauben die effektive Geltendmachung von Streu-
schäden.
(e) Die Anwendung der American Rule hat zur Folge, dass der zu Unrecht Beklagte
seine (häufig sehr erheblichen) Rechtsverteidigungskosten selbst zu tragen hat.18
Darin liegt ein großer Anreiz für den Beklagten, sich frühzeitig im Vergleichswege
zu einigen.
Man müsste diese Besonderheiten mit all ihren Problemen (Ausforschungsbeweis;
Risiko einer Überkompensation von Schäden; Zwang zur Selbstbezichtigung; Gefähr-
dung der Stellung des RA als unabhängiges Organ der Rechtspflege durch weitreichende
18 Die sog. American Rule wird zwar in Section 4 (a) Clayton Act durch eine spezielle kartellzivilprozessuale Regelung verdrängt. Danach erhält die obsiegende Partei ihre Kosten von der anderen Partei erstattet. Die Kostenerstattungsregelung wirkt jedoch einseitig. Für den beklagten vermeintlichen Kartellanten verbleibt es auch im Fall seines Obsiegens dabei: Er trägt seine Kosten selbst.
44
Zulassung von Erfolgshonoraren; Erpressungspotential von class actions) wohl ebenfalls
ins deutsche Recht übernehmen, wollte man dem privaten Rechtsschutz in Deutschland
zu vergleichbarem Erfolg verhelfen.
(3) Follow on-Klagen
Sie verstärken die Rechtsdurchsetzung nicht (bloße zusätzliche Sanktion), führen
lediglich zu einer Kompensation erlittener Schäden. Sog. Stand alone-Klagen stellen den
Kläger angesichts der Beweisschwierigkeiten vor fast unüberwindbare Hindernisse
(Lösung in den USA: pretrial discovery-Verfahren).
(4) Ersatz von Streuschäden müsste durch – in Deutschland bislang noch wenig
entwickelte (Kapitalanleger-Musterverfahren nach dem KapMuG; Verbandsklagen nach
dem Unterlassungsklagengesetz oder § 33 Abs. 2 GWB, der rechtsfähigen Verbänden
ebenfalls nur einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach Abs. 1, nicht aber
einen Schadenersatzanspruch nach Abs. 3 der Vorschrift gewährt; § 34a Abs. 1 GWB, der
denselben Verbänden einen Anspruch auf Vorteilsabschöpfung einräumt, allerdings
zugunsten des Bundeshaushalt) – Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes durch-
gesetzt werden.
(USA: class actions sowie parens patriae-Klagen. In letzterem Fall verlangt ein
Einzelstaat von den Kartellanten Schadensersatz für die geschädigten Bürger.
Dabei ist er nicht an die normalen Voraussetzungen der class certification
gebunden.)
(4) Gefährdung der Attraktivität von Kronzeugenprogramm
Wenn der Kartellant sicher damit rechnen muss, in anschließendem privaten SE-Prozess
verklagt zu werden und die dort zugesprochene Summe derjenigen des (eingesparten)
Bußgeldverfahrens entspricht oder sie sogar noch übersteigt, so büßt die Selbstanzeige
stark an Attraktivität ein.
(USA: Reduktion des dreifachen auf einfachen SE.)
45
Hinzu kommt nach dem aktuellen Pfleiderer-Urteil des EuGH vom 14.6.2011 das Risiko, dass der
Geschädigte gemäß § 406e StPO19 Einsicht nicht nur in die Verfahrensakten, sondern sogar den
Kronzeugenantrag nehmen kann. Das EuG hat am 15.12.2011 in der Rs. T-437/08 - CDC Hydrogene
Peroxide Cartel Damage Claims (CDC Hydrogene Peroxide) die vorangegangene Entscheidung der
Kommission aufgehoben, die den auf die sog. TransparenzVO gestützten Antrag von CDC auf Einsicht in
das Inhaltsverzeichnis der Kommissionakte im Bleichmittel-Kartellverfahren abgelehnt hatte.
Anders als noch in § 81 b I Ref.-Entw 8. GWB-Novelle vorgesehen, enthält das GWB auch in der Fassung
der 8. GWB-Novelle keine Regelung, die das Recht auf Einsicht in den Kronzeugenantrag ausschließt. Das
wäre wohl auch unionsrechtswidrig gewesen. Der EuGH hat mit Urt. v. 6.6.2013 – C-536/11 – Donau
Chemie zu § 39 Abs. 2 österr. KartG entschieden, dass das öffentliche Interesse am Schutz der
Kronzeugenprogramme nicht pauschal das Interesse der Antragssteller überwiegt, vielmehr eine
Einzelabwägung erforderlich ist: „Nur wenn Gefahr besteht, dass ein bestimmtes Schriftstück konkret das
öffentliche Interesse an der Wirksamkeit des nationalen Kronzeugenprogramms beeinträchtigen könnte,
kann die Nichtweitergabe dieses Schriftstück gerechtfertigt sein.“ (RdNr. 48 des Urteils). Anders dagegen das
AG Bonn in Pfleiderer und OLG Düsseldorf im Fall des Kaffeerösterkartells. Ähnlich wie der EuGH hingegen
schon der High Court of Justice im Fall National Grid.
(5) Passing on-defence:
Sowohl die Anerkennung als auch ihr Ausschluss können zu unbefriedigenden
Ergebnissen führen: Einerseits droht die Gefahr, dass der Schadensersatzanspruch
wirkungslos bleibt, das wettbewerbswidrige Verhalten des Schädigers jedenfalls zivil-
rechtlich nicht sanktioniert wird. Andererseits ist nicht nur eine ungerechtfertigte Berei-
cherung der Marktgegenseite, sondern auch eine mehrfache Inanspruchnahme des Schä-
digers zu befürchten. Denkbar ist nämlich, dass letzterer nicht nur von der unmittel-
baren Marktgegenseite, sondern auch von Unternehmen der nach- bzw. vorgelagerten
Wirtschaftsstufen in Anspruch genommen wird (etwa Abnehmer des Abnehmers). In
der Diskussion finden sich als Lösungsmodelle die Gesamtgläubigerschaft (§§ 426ff.
BGB) und die Drittschadensliquidation. Der BGH weist in seinem jüngsten ORWI-Urteil
(28.6.2011 – KZR 75/10, Tz. 73)) im Wege eines obiter dictums auf die Möglichkeit der
Streitverkündung gemäß § 72 I ZPO hin.
19 § 406e StPO: „(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Fall der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. […] (2) Die Einsicht ist zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. […].“
46
(6) More economic approach
Gesteigerte Unsicherheit bezüglich rechtlicher Beurteilung bestimmter Vereinbarungen und Verhaltens-
weisen; Überforderung der Parteien und des Zivilrichters. Das Problem relativiert sich im Zusammenhang
mit Follow on-Klagen, in denen die Kommission die erforderlichen Erhebungen bereits vorgenommen hat.
Beispielsfall ORWI
(BGH, Urt. v. 28.6.2011, Az. KZR 75/10 – ORWI („Selbstdurchschreibpapier“)
Die Beklagte ist Herstellerin von Selbstdurchschreibepapier (SD-Papier), das sie
über ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft R. GmbH (R.) auch als
Großhändlerin vertreibt. Die Kommission hat im Dezember 2001 gegen zehn
Unternehmen, darunter die Beklagte, wegen eines von Januar 1992 bis September
1995 europaweit durchgeführten Preiskartells für SD-Papier Geldbußen von
insgesamt 313,7 Mio. € verhängt, wovon 33,07 Mio. € auf die Beklagte entfielen
(Entscheidung vom 20. Dezember 2001, COMP/E1/36.212). Die dagegen auch von
der Beklagten gerichtete Klage blieb vor dem Gericht (Urteil vom 26. April 2007, Rs.
T 109/02 u.a., Slg. 2007, II947) und dem Gerichtshof der Europäischen Union (Urteil
vom 3. September 2009, Rs. C 322/07, Slg. 2009, I7191) erfolglosDie Klägerin nimmt
die Beklagte aus abgetretenem Recht der ORWI Formulardruck GmbH & Co. KG
(ORWI) auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch. ORWI befasste sich bis
zu ihrer Insolvenz im Frühjahr 2003 mit dem Druck selbstdurchschreibender
Formulare. Das dafür benötigte SD-Papier bezog sie von R. und drei weiteren
Großhändlern, die ihrerseits sämtlich von am Kartell beteiligten Herstellern
beliefert wurden.
Die Klägerin macht geltend, ORWI habe aufgrund des Kartells im Zeitraum vom 1.
Februar 1994 bis Februar 1996 überhöhte Preise an R. und die anderen
Großhändler zahlen müssen. Denn diese hätten die kartellrechtswidrig vereinbarten
Preiserhöhungen zumindest teilweise auf die nächste Handelsstufe und damit auch
auf ORWI abgewälzt. Als Beteiligte des Kartells sei die Beklagte nach §§ 830, 840
BGB auch insoweit verantwortlich, als ORWI über den Großhandel Ware anderer
kartellbeteiligter Hersteller bezogen habe. Die Klägerin behauptet, ORWI habe
dadurch insgesamt Mehrkosten in Höhe von 223.540,26 € gehabt, die sie nicht an
ihre Kunden habe weitergeben können.
D. Das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen, Art.
102 AEUV und §§ 18 - 20 GWB
(Pries, in Lange/Pries, Einführung in das europäische und deutsche Kartellrecht, 2011, S. 98ff.;
Fuchs/Möschel, in Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV; Eilmannsberger, in MünchKomm, EuWettbR,
Art. 82 EG; Möschel, in Immenga/Mestmäcker, § 19 GWB sowie Art. 82 EG; Bulst, in Langen/Bunte, Art.
102 AEUV; Wagner-von Papp, in Bien, Das deutsche Kartellrecht nach der 8. GWB-Novelle, S. 95ff.)
47
I. Überblick
1. Schutzzweck
Referenzsystem ist der freie Wettbewerb:
a) Angehörige der vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen
Schutz ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit vor der Machtausübung der
marktbeherrschenden Unternehmen (Ausbeutungsmissbrauch).
b) Tatsächliche Angehörige der gleichen Wirtschaftsstufe
Schutz ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit vor Behinderungen im Wettbewerb
(Behinderungsmissbrauch).
c) Potentielle Angehörige der gleichen Wirtschaftsstufe
Schutz vor Zugangsbeschränkungen zum Markt (Behinderungsmissbrauch).
d) Marktbeteiligte auf Drittmärkten
Schutz vor dem missbräuchlichen Einsatz wirtschaftlicher Macht seitens
marktbeherrschender Unternehmen auf Drittmärkten (Behinderungsmissbrauch).
2. Drei Tatbestandsvoraussetzungen
- Marktbeherrschende Stellung („beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen
Markt oder einem wesentlichen Teil desselben“),
- Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung und
- Eignung dieses Missbrauchs, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen.
3. Marktbeherrschung als Zentralbegriff des Kartellrechts
Hat Bedeutung sowohl für Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV bzw. §§ 18 bis 20 GWB)
als auch für Fusionskontrolle (Art. 2 Abs. 2 und 3 FKVO Nr. 139/2004 bzw. § 36 Abs. 1
GWB).
Feststellung in zwei Schritten:
a) Abgrenzung des relevanten Marktes.
Hat Bedeutung auch im Rahmen von Art. 101 AEUV, z. B.
- für Unterscheidung zwischen vertikalen und horizontalen Vereinbarungen
48
Anwendung der Vertikal-GVO
Prüfung der Marktanteilsschwellen in Art. 3 der Vertikal-GVO
Marktanteilsschwellen der de minimis-Bekanntmachung der Kommission
Marktanteilsschwellen gemäß den Leitlinien der Kommission zum Begriff der
Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels20 (sog. NAAT-Regel)
b) Feststellung der beherrschenden Stellung, insbesondere durch Messung des
Monopolgrades (in erster Linie Marktanteil sowie weitere Faktoren, siehe
Katalog in § 18 Abs. 3 GWB).
4. Generalklauselartiger Charakter des Missbrauchsverbots
Art. 102 AEUV sowie § 19 GWB sind Generalklauseln mit nicht abschließendem Katalog
denkbarer missbräuchlicher Verhaltensweisen.
5. Normadressaten
Unternehmen, die alleine oder zusammen mit anderen marktbeherrschend sind
(Einzelmarktbeherrschung bzw. kollektive Marktbeherrschung).
6. Verhältnis zwischen Unions- und mitgliedsstaatlichem
Missbrauchsverbot
Mitgliedstaaten sind befugt, in ihrem Hoheitsgebiet strengere Missbrauchsverbote zu
erlassen (Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO 1/2003, vgl. auch § 22 Abs. 2 S. 2 GWB). Das deutsche
GWB enthält in §§ 19, 20 (insbesondere Abs. 1 und 3) GWB strengere Vorschriften
betreffend einseitige missbräuchliche Verhaltensweisen. Daher sind in der Praxis und
der Klausur Art. 102 AEUV und §§ 19, 20 GWB stets parallel zu prüfen, soweit sich die zu
beurteilende Verhaltensweise in Deutschland auswirkt.
7. Prüfungsschema zu Art. 102 AEUV und §§ 18, 19
GWB(Missbrauchsverbot) im Überblick
a) Tatbestand
(1) Unternehmen (funktionaler Unternehmensbegriff)
(2) Marktbeherrschung (näher erläutert in § 18 Abs. 1 bis 3, 5GWB)
20 Amtsblatt C 101 vom 27.4.2004.
49
(a)
Marktabgrenzung
(b) Beherrschende Stellung (Vermutungstatbestände in § 18 Abs. 4, 6 bis 7 GWB)
(3) Missbrauch, v. a. Regelbeispiele des Art. 102 S. 2 AEUV:
(a) Ausbeutungsmissbrauch (Art. 102 S. 2 lit. a AEUV bzw. § 19 Abs. 2 Nr. 2
GWB): „Ausplünderung“ der Marktgegenseite, insbesondere durch
überhöhte Preise
(b) Einschränkung der Erzeugung und des Absatzes (Art. 102 S. 2 lit. b AEUV,
vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 1: Behinderungsmissbrauch, außerdem § 20 GWB):
- Ausschließlichkeitsbindungen,
- Lieferverweigerung
- essential-facilities-Doktrin (ausdrücklich in § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB
normiert)
(c) Diskriminierung von Handelspartnern (Art. 102 S. 2 lit. c AEUV bzw. § 19
Abs. 2 Nr. 3: Preis- und Konditionenspaltung; außerdem § 20 GWB)
(d)
Koppelungsgeschäfte (Art. 102 S. 2 lit. d
AEUV)
(e) Generalklausel des Art. 102 S. 1 AEUV, z. B.
- Kampfpreismissbrauch
- Strukturmissbrauch
(4) Zwischenstaatlichkeitsklausel (Binnenmarktrelevanz) – relevant nur i.R.v.
Art. 102 AEUV
50
b) Rechtsfolgen
(1) Feststellung eines Missbrauchs und Abstellungsanordnung gem. Art. 7 VO
1/2003, durchsetzbar ggf. mit Zwangsgeld gem. Art. 24 VO 1/2003.
Deutsches Recht: § 32 GWB und 86a GWB.
Beachte außerdem Art. 8 (einstweilige Maßnahmen) und Art. 9
(Verpflichtungszusagen) VO 1/2003.
Deutsches Recht: §§ 32a und 32b GWB
(2) Bußgelder gem. Art. 23 Abs. 2 VO 1/2003.
Deutsches Recht: § 81 GWB.
(3) Zivilrechtlicher Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzanspruch nach
nationalem Recht (§ 33 GWB).
(4) Nichtigkeit des missbräuchlichen Rechtsgeschäfts gem. § 134 BGB21 i. V. m. Art.
102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB möglich. Es ist im Einzelnen zu prüfen, welche
Reichweite die Unwirksamkeit hat. Beispiele:
- Zu missbräuchlich niedrigen (Kampf-)Preisen abgeschlossene Rechts-
geschäfte mit Unternehmen der Marktgegenseite sind nicht unwirksam.
- Bei den Handelspartnern vertraglich aufgezwungenen Ausschließlich-
keitsbindungen und in ähnlich gelagerten Fällen greift häufig bereits § 101
Abs. 2 AEUV ein.
- In Fällen der Preisüberhöhung ist die Vertragsanpassung die gebotene
Rechtsfolge.
II. Abgrenzung des relevanten Marktes
(Kommission, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbs-
rechts der Gemeinschaft, ABl. C 372 vom 3.12.1997, S. 5; Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007, § 5 Rn. 11ff.)
Ziel der Marktabgrenzung: Ermittlung derjenigen Wettbewerbskräfte, denen die
beteiligten Unternehmen ausgesetzt sind.
21 Nach a. A. leitet sich die Nichtigkeitsfolge aus § 138 BGB ab.
51
1. Sachlich relevanter Markt
a) Bedarfsmarktkonzept
In der Praxis durchgesetzt hat sich das sog. Bedarfsmarktkonzept bzw. das Konzept der
funktionellen Austauschbarkeit aus der Sicht der Abnehmer.
Die Preiselastizität bezeichnet die Veränderungen der Nachfrage nach einem
bestimmten Produkt im Fall der Preisänderung. Eine hohe Elastizität der Nachfrage
bedeutet, dass die Nachfrage nach dem Produkt bei Preisanstieg deutlich zurückgeht,
eine geringe Elastizität der Nachfrage ist gegeben, wenn die Nachfrage trotz
Preisanstiegs mehr oder weniger konstant bleibt.
Die Kreuzpreiselastizität gibt Auskunft darüber, wie die Nachfrage nach einem Produkt
auf Änderungen des Preises anderer Produkte reagiert. Je stärker die Marktgegenseite
bei Erhöhung des Preises des einen Produkts auf das andere ausweichen (hohe oder
niedriger Elastizitätsgrad), desto wahrscheinlicher ist es, dass beide Produkte
demselben Markt angehören.
52
c) SSNIP-Test
Hypothetischer Monopolistentest als gedankliche Hilfe zur Bestimmung substituierbarer
Produkte und Dienstleistungen (sog. SSNIP-Test - small but significant nontransitory
increase in price):
Kommission, aaO, Tz. 15: „Die Beurteilung der Substituierbarkeit der Nachfrage erfordert eine
Bestimmung derjenigen Produkte, die von den Abnehmern als austauschbar angesehen werden. Eine
Möglichkeit, diese Bestimmung vorzunehmen, lässt sich als gedankliches Experiment betrachten, bei
dem von einer geringen, nicht vorübergehenden Änderung der relativen Preise (small but significant
nontransitory increase in price) ausgegangen und eine Bewertung der wahrscheinlichen Reaktion
der Kunden vorgenommen wird. Aus verfahrensmäßigen und praktischen Erwägungen steht bei
einer Marktabgrenzung der Preis im Mittelpunkt, genauer gesagt die Nachfragesubstitution
aufgrund kleiner dauerhafter Änderungen bei den relativen Preisen.“
Ausgehend von einer engen Marktabgrenzung wird gefragt, ob die Abnehmer bei einer
kleinen (5–10%), nicht vorübergehenden Erhöhung der Preise durch einen hypotheti-
schen Monopolisten auf Substitute bzw. andere räumliche Märkte in solchem Maße aus-
weichen würde, dass die Preiserhöhung nicht rentabel wäre. Ist dies nicht der Fall, wer-
den so lange weitere Produkte mit in den relevanten Markt einbezogen, bis eine weitere
Preiserhöhung unrentabel würde.
Aus der Entscheidungspraxis sind keine Fusionsfälle finden, in denen die Europäische Kommission den
SSNIP-Test vollständig angewandt hat. In der Entscheidung COMP/M.2187- CVC/Lenzing vom 17.10.2001
hat die Kommission in der Sache nur die Kreuzpreiselastizität gemessen und – wegen des geringen
Elastizitätsgrades – schon an dieser Stelle das als SSNIP-Test bezeichnete Testverfahren abgebrochen.
d) Cellophan fallacy22
Der SSNIP-Test ist gerade auf Märkten, auf denen Marktbeherrscher tätig sind, mit
Vorsicht zu genießen: Liegt der Preis bereits deutlich über dem hypothetischen
Wettbewerbspreis, neigen die Abnehmer bei einer weiteren Preissteigerung dazu zu
wechseln. Das könnte fälschlicherweise als Hinweis auf einen großen Markt hindeuten.
In der Praxis eignet sich der Test daher weniger zur (retrospektiven) Feststellung einer
marktbeherrschenden Stellung im Rahmen von Missbrauchsverfahren gemäß Art. 102
22 Nach dem Urteil des Supreme Court im Fall U.S. v. E. I. Du Pont ( 351 U.S. 377, 76 S.Ct. 994, 100 L.Ed.1264), in dem Du Pont, einziger Anbieter von Zellophan, die Ansicht vertrat, es kämen andere flexible Verpackungsmaterialien wie Aluminiumfolie und Wachspapier als enge Substitute in Betracht. Zellophan stelle daher keinen eigenen relevanten Markt dar. Ausführlich dazu Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2. Aufl., 2011, S. 97ff.
53
AEUV23 als vielmehr für Fusionsverfahren, bei denen prospektiv geklärt werden soll, ob
durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung entsteht.
Bei Kampfpreismissbrauch stellt sich das Problem unter umgekehrten Vorzeichen.
e) Angebotssubstituierbarkeit
Kommission, aaO, Tz. 20: „Der Substituierbarkeit auf der Angebotsseite kann bei der Definition
der Märkte ebenfalls Rechnung getragen werden, wenn sie sich genauso wirksam und
unmittelbar auswirkt wie die Nachfragesubstituierbarkeit. Dies setzt jedoch voraus, dass die
Anbieter in Reaktion auf kleine, dauerhafte Änderungen bei den relativen Preisen in der Lage
sind, ihre Produktion auf die relevanten Erzeugnisse umzustellen und sie kurzfristig auf den
Markt zu bringen, ohne spürbare Zusatzkosten oder Risiken zu gewärtigen. Sind diese Vo-
raussetzungen erfüllt, so üben die zusätzlich auf den Markt gelangenden Produkte auf das
Wettbewerbsgebaren der beteiligten Unternehmen eine disziplinierende Wirkung aus. Dieses
Ergebnis ist hinsichtlich Wirksamkeit und Unmittelbarkeit dem Nachfrage-Substitutionseffekt
gleichwertig.“
Ähnlich BGH, Beschl. v. 16.1.2007, KVR 12/06, WuW/E DE-R 1925 – National Geographic II, mit
Anm. Bien, WuB (Wirtschafts- und Bankrecht) 8/2007, 545 – 546): „Bei der Abgrenzung des
relevanten Marktes sind auch Produkte einzubeziehen, die zwar mit anderen auf dem ins Auge
gefassten Markt angebotenen Produkten nicht funktionell austauschbar sind, die aber die
Grundlage dafür bieten, dass ihr Hersteller bei Vorliegen günstiger Wettbewerbsbedingungen
jederzeit sein Sortiment umstellen und ein Konkurrenzprodukt anbieten könnte. Eine solche
Angebotsumstellungsflexibilität kann jedoch nur angenommen werden, wenn die Umstellung
kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand erfolgen kann.“
Bsp.: Sachlich relevanter Produktmarkt: Lesermarkt der populären Wissensmagazine wie
Geo, PM, National Geographic. Frage: Sind die großen Tages- und Wochenzeitungen in die
Marktabgrenzung einzubeziehen, weil sie theoretisch in der Lage wären, ebenfalls ein
populäres Wissensmagazin zu produzieren? Lautet die Antwort nein (so der BGH in
seinem Beschluss National Geographic II), kommt immer noch eine Berücksichtigung der
potentiellen Wettbewerber (hier: Tageszeitungen) im Rahmen der Feststellung der
Marktbeherrschung in Betracht. Auf diese Weise kommt es letztlich ebenfalls zu einer
günstigeren Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse für die interessierten Unter-
nehmen.
23 Siehe auch BGH, Beschluss vom 4.3.2008, KVR 21/07 - Soda-Club II, WuW/E DE-R 2268: „Der [SSNIP-]Test ist wenig aussagekräftig, wenn - wie häufig bei der Prüfung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung - nicht gewährleistet ist, dass der Ausgangspreis unter Wettbewerbsbedingungen zustande gekommen ist.“ (aus dem zweiten Leitsatz).
54
2. Räumlich relevanter Markt
Kommission, aaO.: „Der räumlich relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unter-
nehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbs-
bedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar
(Landeskartellbehörde Hessen) und Bundeskartellamt, Berliner Wasserbetriebe,
4.6.2012 – B 8-40/10.
f) Diskriminierung von Handelspartnern mit der Folge deren Benachteiligung im
Wettbewerb (lit. c)
Bsp.: BKartA, Beschluss vom 19. Mai 2011 – B 3 – 139/10 - Merck)
Die Merck KGaA stellt pharmazeutische und chemische Produkte her. Sie ist der führende Hersteller von Laborchemikalien in Deutschland mit einem Marktanteil von deutlich über 50 Prozent. Der weltweite Konzernumsatz des Unternehmens liegt bei mehreren Milliarden Euro und ein durchschnittlicher Händler von Laborchemikalien muss Merck-Produkte in seinem Sortiment führen um wettbewerbsfähig zu sein. Der mit Abstand größte Abnehmer von Merck-Produkten ist die europäische VWR International Europe bvba, Zaventem/Belgien, („VWR“), ein Teil der US-amerikanischen VWR-Gruppe, dem weltweit führenden Händler von Laborchemikalien. Die anderen
32 In der Vorlesung nicht behandelt.
61
Abnehmer Mercks sind kleinere Laborchemikalienhändler mit Umsätzen unter 100 Mio. Euro.
Im Jahr 2004 hatte Merck mit VWR einen Alleinbelieferungsvertrag für Laborchemikalien abgeschlossen. Mit Beschluss vom 14. Juli 2009 (B3-64/05) stellte das Bundeskartellamt fest, dass die Alleinbelieferung für bestimmte Gruppen der Laborchemikalien gegen Artikel 81 EGV [jetzt: Art. 101 AEUV] und die parallele deutsche Vorschrift § 1 GWB sowie gegen das Diskriminierungsverbot gemäß § 20 Abs. 1 und 2 GWB verstößt. Merck und VWR wurde untersagt, den Vertrag in der bisherigen Form weiter zu praktizieren. Das Bundeskartellamt hat Merck verpflichtet, nicht nur VWR, sondern den gesamten Laborchemikalienhandel direkt und diskriminierungsfrei mit den betroffenen Laborchemikalien zu beliefern.
Merck führte daraufhin ein neues Rabattsystem für die nicht mehr der Exklusivität unterliegenden Produktgruppen ein. Dieses Rabattsystem sieht einen gestaffelten Rabatt für die Abnehmer Mercks vor, der sich am Gesamtjahresumsatz eines Händlers mit Merck orientiert. Angesichts der stark divergierenden Umsätze, die die verschiedenen Händler mit Merck-Produkten erzielen, führt das Rabattsystem zu einer starken Spreizung der tatsächlich gewährten Rabatte. Der von VWR verlangte Preis liegt deutlich unter demjenigen, den die kleineren Konkurrenten von VWR zu entrichten haben.
Ist eine derartige Rabattstaffelung mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar?
g) Weitere Regelbeispiele in Art. 102 Abs. 2 AEUV im Überblick33
- Erzwingung unangemessener Geschäftsbedingungen (lit. a)
- Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung
zum Schaden der Verbraucher (lit. b)
- Kopplung und Bündelung zum Zwecke der Ausbeutung (lit. d)
2. Nichtpreisbezogener Behinderungsmissbrauch
a) Geschäftsverweigerung und Essential facility – Doktrin insbesondere
- Einsatz der marktbeherrschenden Stellung, um auch auf einem benachbarten Markt
eine dominante Stellung zu erlangen (leveraging). Begehungsweise:
Geschäftsverweigerung.
- Dadurch enthält sie Mitbewerbern einen Input vor, der für den Auftritt auf dem
verbundenen Markt erforderlich ist.
- Praktisch ist hierfür eine „Flaschenhalssituation“ erforderlich:
- bewegliche Güter, insbesondere Rohstoffe, Vor- und Zwischenprodukte, Komponenten)
- unbewegliche Güter, insbesondere Infrastruktureinrichtungen wie Flug- und Seehäfen
einschließlich einzelner Flughafeneinrichtungen wie Rampen für
33 In der Vorlesung nicht behandelt.
62
Bodenabfertigungsdienste34, Betankungsanlagen oder Reservierungssysteme, außerdem
Netzwerke, Produktionseinrichtungen und Übertragungsleitungen
- immaterielle Güter, insbesondere geschütztes und nicht geschütztes Know-how sowie
Informationen, zum Beispiel Schnittstelleninformationen betreffend die Verbindung von
Software-Elementen in einem IT-Netzwerk35.
- Magill-Kriterien: Missbräuchlichkeit ist zu bejahen, wenn
- Rechteinhaber ein selbst nicht angebotenes Erzeugnis, nach dem eine potentielle
Verbrauchernachfrage besteht, verhindert;
- diese Weigerung durch die Tätigkeit der Rechteinhaber auf dem betroffenen Markt nicht
gerechtfertigt ist und
- der Rechteinhaber durch die Weigerung zur Erteilung von Lizenzen sich einen
abgeleiteten Markt vorbehält, in dem er jeden Wettbewerb auf diesem Markt
1254 - "Verbindung von Telefonnetzen"). Kann die Deutsche Telekom erfolgreich
einwenden, dass ihre Wettbewerber etwaige Verluste bei der Grundgebühr leicht durch
Verbindungsentgelte ausgleichen können, die über den Breitbandzugang erzielt
werden?
d) Unzulässige Rabatt- bzw. Prämiensysteme
Im Zusammenhang mit Rabattsystemen zu prüfende Missbrauchstatbestände (MünchKommEUWettbR-Eilmansberger, 2007, Art. 82 Rdn. 467ff.):
- Unangemessene bzw. unbillige Geschäftsbedingungen (Art. 102 Abs. 2 lit. a AEUV), insbesondere wegen deren Intransparenz (vgl. Michelin II),
76
- den Wettbewerb zwischen den Unternehmen der Marktgegenseite verfälschende Diskriminierung (Art. 102 Abs. 2 lit. c AEUV, siehe sogleich unten British Airways),
- Verstoß gegen das Koppelungsverbot, insbesondere, wenn die Gewährung des Rabatts davon abhängig gemacht wird, dass die Marktgegenseite Produkte bezieht, die auf anderen Märkten angeboten werden (Art. 102 Abs. 2 lit. d AEUV, vgl. Hoffmann-LaRoche).
- Behinderung durch Marktabschottung (siehe sogleich unten British Airways) – hier im Fokus der Betrachtung,
Theoretisch ist es möglich, die etwaige marktverschließende Wirkung eines Rabatt-
systems mithilfe eines Kosten-Preis-Vergleichs nachzuweisen. Die besondere Schwie-
rigkeit solcher Kosten-Preis-Vergleiche in Rabattfällen liegt in der Notwendigkeit, die
Kosten des Marktbeherrschers mit dem von ihm verlangten „effektiven Preis“ zu
vergleichen. Es geht darum, den Preis zu bestimmen, den ein Wettbewerber unterbieten
müsste, um einen Kunden des Marktbeherrschers für den Rabattverlust zu entschädigen,
den er erleidet, wenn er einen Teil seiner Nachfrage, die sog. relevante Menge, nicht beim
Marktbeherrscher, sondern bei ihm, dem Wettbewerber, deckt.57 Ist dieser „effektive“
Preis nicht kostendeckend, kann eine Sogwirkung entstehen, mit der eine Verdrängung
von kleineren Wettbewerbern einhergeht. Durchgeführt hat die Kommission solchen
Vergleich zwischen dem effektiven Preis, den der Marktbeherrscher für den bestreitbaren
Teil der Nachfrage verlangt, und seinen Kosten, im Fall INTEL.58
In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle behilft die Praxis sich damit, Rabattsysteme
anhand qualitativer Kriterien zu bewerten. Folgende Kriterien spielen in der
„Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem
wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder
Verstärkung einer beherrschenden Stellung, sind für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu
erklären.“
- Kombination von SLC- und Marktbeherrschungskriterium (Kompromisslösung)
- Das Marktbeherrschungskriterium fungiert zwar nicht mehr als das eigentliche
Untersagungskriterium, es ist aber ein Regelbeispiel für eine erhebliche Behinderung
wirksamen Wettbewerbs und nach wie vor in den meisten Fällen ausschlaggebend.
- Das SIEC-Kriterium erlangt nur dann eigenständige Bedeutung, wenn ein Sonderfall
gegeben ist, in dem sich die Begründung oder die Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung nicht nachweisen lässt, der aber ausnahmsweise
dennoch zu einer Behinderung wirksamen Wettbewerbs führt.
- Durch die 8. GWB Novelle wurde der SIEC-Test ebenfalls in § 36 Abs. 1 GWB
übernommen. Dadurch erfolgte eine weitgehende Angleichung der deutschen
Rechtslage an den Prüfungsmaßstab der FKVO.
- Alternative Konzepte zur Marktabgrenzung bei der bei der Prüfung von Fusionen
differenzierter Produkte: UPP-Ansatz (Upward Pricing Pressure), entwickelt von Joseph
Farrell und Carl Shapiro60: Bestimmung des „Preiserhöhungsdrucks“ im Fall der
60 Näher: Joseph Farrell and Carl Shapiro (2010) “Antitrust Evaluation of Horizontal Mergers: An Economic Alternative to Market Definition,” The B.E. Journal of Theoretical Economics: Vol. 10: Iss. 1 (Policies perspectives), Article 9.
85
hypothetischen Fusion der Anbieter von Produkten A und B unter Berücksichtigung des
Teils der Nachfrage, die im Fall der Preiserhöhung von Produkt A zu Produkt B wechselt
und damit die Preiserhöhung trotz des Nachfragerückgangs bei Produkt A rentabel
macht.
5. Der Babyfood-Fall als Beispiel
FTC v. Heinz, 116 F. Supp. 2d 190 (D.D.C. 2000), rev’d 246 F. 3d 708 (D.C.Cir. 2001)
“Babyfood”:
Heinz, nach Gerber und Beach-Nut drittgrößter Hersteller auf dem Markt für
Babynahrung in den USA, sollte durch Milnot (Mutterunternehmen von Beach-Nut)
erworben werden. Gemeinsam hätten Heinz und Beach-Nut einen Marktanteil von etwa
33% erreicht. Marktführer Gerber vereinnahmte mit einem Marktanteil von etwa 65%
nahezu den ganzen Rest des Marktes. Amerikanische Supermärkte führten in der Regel
nur zwei unterschiedliche Fabrikate von Babynahrung. Die Produkte des Marktführers
Gerber galten dabei allerdings als so genanntes “must stock-item”. Über 90% der
amerikanischen Supermärkte führten diese Produkte. Insbesondere im Hinblick auf den
zweiten Sortimentsplatz lieferten sich Beach-Nut und Heinz daher einen intensiven
Konkurrenzkampf und sorgten somit gleichzeitig für ein niedriges Preisniveau. Darüber
hinaus ging von diesem Preiskampf eine disziplinierende Wirkung auf den Marktführer
Gerber aus. Dieser durfte den Preisabstand nicht allzu groß werden lassen. Nach Ansicht
des FTC wäre bei einem Zusammenschluss von Beach-Nut und Heinz dieser Wettbewerb
um den zweiten Sortimentsplatz jedoch entfallen. Dies hätte in der Folge auch den
Wettbewerbsdruck auf Gerber erheblich verringert. Wäre eine Untersagung der Fusion
auch auf der Grundlage des überkommenen Marktbeherrschungskriteriums möglich?
(Engere Marktabgrenzung, Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung eines
Dritten.)
V. Die 8. GWB Novelle – ausgewählte Änderungen im deutschen Recht
der Fusionskontrolle
(Bardong, Die deutsche Fusionskontrolle nach der 8. GWB-Novelle, NZKart 2013, 303, Körber, Der SIEC-
Test im GWB – Verhältnis zum UNiionsrecht und Auswirkungen auf die Praxis, WuW 2014, 250,
Weitbrecht/Willems, Auf dem Weg nach Europa: Fusionskontrolle nach der 8. GWB-Novelle, ZWeR 2013,
365.)
86
1. Die Einführung des SIEC-Tests
- Die Übernahme des SIEC-Tests stellt die wichtigste Änderung im Bereich der
Fusionskontrolle durch die 8. GWB Novelle dar. § 36 Abs. 1 GWB wurde wie folgt neu
gefasst:
„Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere
von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist
vom Bundeskartellamt zu untersagen.“
- Durch die Übernahme des SIEC-Tests aus der FKVO ist hinsichtlich der Auslegung eine
Orientierung an der europäischen Praxis zu erwarten. Ziel ist es, innerhalb der Union ein
„level playing field“ zu schaffen.
- Eine Vorlagepflicht bzw. –fähigkeit gemäß Art. 267 AEUV bzgl. der Auslegung des § 36
Abs. 1 GWB besteht nicht (str.). Es ist nur eine Angleichung an das europäische
Fusionskontrollrecht beabsichtigt, nicht die vollständige Übernahme 1:1. Insbesondere
wird der Begriff der Marktbeherrschung weiter autonom definiert (§ 18 GWB).
- Ebenfalls besteht keine formelle Bindung an die Entscheidungspraxis der
Unionsgerichte und der Kommission oder deren Leitlinien, Mitteilungen oder
Bekanntmachungen.
- In den neuen SIEC-Test wurde der Marktbeherrschungstest als Regelbeispiel integriert.
Die Entstehung bzw. Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führt in aller
Regel zu einer wesentlichen Behinderung des Wettbewerbs.
- Über das Regelbeispiel der Marktbeherrschung hinausgehend, lassen sich auch
Zusammenschlüsse untersagen, die nicht zu einer Marktbeherrschung, aber dennoch zu
einer wesentlichen Behinderung des Wettbewerbs führen. Daneben können in
Oligopolmärkten Fusionen wegen wettbewerbshindernder koordinierter Wirkungen
untersagt werden.
- Beibehalten wurden die Marktbeherrschungsvermutungen in § 18 Abs. 4 und 6 GWB.
Allerdings wurde die Vermutungsschwelle für Einzelmarktbeherrschung von 33 auf 40
Prozent angehoben. Der europäischen Fusionskontrolle sind solche ausdrücklichen
Marktbeherrschungsvermutungen fremd.
87
2. Sonstige wichtige Neuerungen
- In § 41 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GWB wurde eine Heilungsregelung für Verstöße gegen das
Vollzugsverbot aufgenommen. Danach entfällt die zivilrechtliche Unwirksamkeit der im
Vollzug des Zusammenschlusses vorgenommenen Rechtsgeschäfte „ex tunc“, wenn
der nicht angemeldete Zusammenschluss nach Vollzug angezeigt und das Entflechtungsverfahren
nach Absatz 3 eingestellt wurde, weil die Untersagungsvoraussetzungen nicht vorlagen, oder die
Wettbewerbsbeschränkung infolge einer Auflösungsanordnung nach Absatz 3 Satz 2 in Verbindung
mit Satz 3 beseitigt wurde oder eine Ministererlaubnis nach § 42 erteilt worden ist.
- Hinsichtlich der Möglichkeit von Verpflichtungszusagen in Form von Auflagen und
Bedingungen zur Freigabeentscheidung wurde in § 40 Abs. 3 GWB eine Angleichung an
§ 8 Abs. 2 FKVO vorgenommen.
- In § 40 Abs. 2 S. 4 GWB wurde die Regelung des Art. 10 Abs. 4 FKVO übernommen,
sodass die viermonatige Entscheidungsfrist des BKartA im Hauptprüfverfahren
gehemmt wird, wenn ein zusammenschlussbeteiligtes Unternehmen einem
Auskunftsverlangen nach § 59 GWB nicht rechtzeitig oder nicht vollständig
nachgekommen ist. Allerdings verlangt das GWB ein Vertretenmüssen des
Unternehmens, wohingegen im europäischen Recht angenommen wird, dass die
Zusammenschlussbeteiligten solche Defizite immer zu vertreten haben (Art. 9 Abs. 1 a)
VO 802/2004.
- Aus Art. 7 Abs. 2 FKVO wurde die gesetzliche Befreiung vom Vollzugsverbot für
öffentliche Übernahmeangebote und bestimmte Börsentransaktionen in § 41 Abs. 1 a
GWB übernommen.
- Gemäß § 38 Abs. 5 S. 3 GWB sind nun zwei oder mehr Erwerbsvorgänge, die innerhalb
von zwei Jahren zwischen denselben Personen oder Unternehmen getätigt werden, als
ein einziger Zusammenschluss zu behandeln, wenn dadurch erstmals die
Umsatzschwellen des § 35 erreicht werden. Dies soll einer Umgehung der
Fusionskontrolle durch eine Aufspaltung von Transaktionen entgegenwirken.
- Die Bagatellmarktklausel wurde aus der formellen Fusionskontrolle in die materielle
Fusionskontrolle verschoben (§ 36 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Fusionen auf Bagatellmärkten
sind somit anmeldungspflichtig. Die Freigabe kann aber nicht versagt werden, wenn
wirksamer Wettbewerb nur auf Bagatellmärkten erheblich verhindert wird. In der
88
Vergangenheit bestehende Unsicherheiten über eine Anmeldepflicht werden dadurch
beseitigt, das schwierige Problem der Marktabgrenzung aus der formellen
Fusionskontrolle herausgehalten.
3. Änderungen in der Pressefusionskontrolle
- Zusammenschlüsse zwischen Unternehmen, die ihre Umsätze mit Verlag, Herstellung,
Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften und deren Bestandteilen erzielen, unterlagen
und unterliegen weiterhin strengeren Regeln. Dadurch soll mittelbar ein Schutz der
Pressevielfalt gewährleistet werden. Durch einen Rechenfaktor (Presserechenklausel)
werden die Umsatzschwellen herabgesetzt, deren Erreichung zu Anwendbarkeit der
Fusionskontrolle führt. Durch die 8. GWB Novelle liegt dieser Rechenfaktor gemäß § 38
Abs. 3 GWB jetzt bei 8 (zuvor bei 20). Somit liegt die neue weltweite Umsatzschwelle bei
62,5 Mio. € (zuvor 25 Mio. €), was zu einer geringeren Kontrolldichte führen wird.
- Die Bagatellmarktklausel und die Anschlussklausel (§§ 35 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 2
Nr. 2 GWB) finden seit der 8. GWB Novelle auch Anwendung auf Pressefusionen.
- Eine weitere Neuerung bringt die Privilegierung von Pressefusionen im Sanierungsfall.
Insoweit bestehen Erleichterungen für die Übernahme kleinerer und mittlerer Zeitungs-
und Zeitschriftenverlage (§ 36 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 GWB).