Schriftliche Arb an der Wirtsch der Eb Europa i Die Europäisie Eingereicht von: Celia Ei Prüfer: Prof. D Dr. Ma Abgabe: 15. Apr beit zur Erlangung des Akademischen G Magister Artium hafts- und Sozialwissenschaftlichen Fak berhard-Karls-Universität Tübingen im parlamentarischen Allta erung der Grünen im Deutschen Bunde isele Dr. Gabriele Abels artin Große Hüttmann ril 2011 Grades kultät ag estag
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Europa im parlamentarischen Alltag - polis.uni-tuebingen.de · Dr. Martin Große Hüttmann Abgabe: 15. April Magister Artium - und Sozialwissenschaftlichen Fakultät -Karls-Universität
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Schriftliche Arbeit zur Erlangung des Akademischen Grades
an der Wirtschafts
der Eberhard
Europa im parlamentarischen Alltag
Die Europäisierung der Grün
Eingereicht von: Celia Eisele
Prüfer: Prof. Dr. Gabriele Abels
Dr. Martin Große Hüttmann
Abgabe: 15. April
Schriftliche Arbeit zur Erlangung des Akademischen Grades
Magister Artium
an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät
der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Europa im parlamentarischen Alltag
Die Europäisierung der Grünen im Deutschen Bundestag
Celia Eisele
Prof. Dr. Gabriele Abels
Dr. Martin Große Hüttmann
April 2011
Schriftliche Arbeit zur Erlangung des Akademischen Grades
und Sozialwissenschaftlichen Fakultät
Europa im parlamentarischen Alltag
im Deutschen Bundestag
Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich diese Arbeit selbstständig und nur mit den angegebenen Hilfsmitteln
angefertigt habe und dass ich alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Wer-
ken oder dem Internet entnommen sind, durch Angabe der Quellen als Entlehnung kenntlich
gemacht habe. Mir ist bewusst, dass Plagiate als Täuschungsversuch gewertet werden und im
Wiederholungsfall zum Verlust der Prüfungsberechtigung führen können.
Töller 2004). Dabei wird dem Bundestag oft ein relativ geringes europapolitisches Engagement be-
1 Einleitung
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scheinigt (vgl. Brosius-Linke 2009, Saalfeld 2003, Töller 2004). So hat er nicht nur verhältnismäßig
lang gezögert, sein Verhältnis zur Bundesregierung in der Europapolitik und seine Mitsprache- und
Kontrollrechte grundgesetzlich zu regeln, er nutzt diese institutionellen Möglichkeiten auch recht
zurückhaltend. Mit wenigen Ausnahmen gehen die Europäisierungsstudien allerdings nur auf den
Bundestag als Gesamtes ein. Daneben liegen erste Arbeiten über das europapolitische Engagement
einzelner Abgeordneter vor (vgl. Auel 2006b). Dieses erfolgt zu einem beachtlichen Teil abseits der
öffentlich sichtbaren Mitwirkungsinstrumente. So unterhalten Parlamentarier vielfältige Kontakte zu
Personen der EU-Ebene, um sich zu informieren, und Mitglieder der Mehrheitsfraktionen nutzen
informelle Mitsprachewege im direkten Gespräch mit Regierungsmitgliedern. Der Grund für diese als
„strategisch“ oder „informell“ bezeichnete Europäisierung liegt in den strukturellen Gegebenheiten
des parlamentarischen Regierungssystems: Formale Mitspracheinstrumente wie Stellungnahmen
gegenüber der Bundesregierung bedürfen der Zustimmung einer Mehrheit des Bundestages. Diese
hat allerdings im Normalfall keinerlei Interesse daran, die von ihr gestützte Regierung öffentlich zu
kritisieren. Sie sieht daher in der Regel von der Nutzung formaler Instrumente ab und zieht ihr infor-
melle Mitsprachemöglichkeiten vor.
Auels (2006b) Befunde machen deutlich, dass mit einer Betrachtung des Bundestages als
Institution nur ein Aspekt seiner Europäisierung erfasst werden kann. Über den Umgang mit der eu-
ropäischen Integration und Europapolitik im parlamentarischen Alltag lässt sich mit den Erkenntnis-
sen über die institutionelle Europäisierung allein noch recht wenig sagen. Denn das tägliche Gesche-
hen im Parlament ist weniger von einem Gegenüber von Exekutive und Legislative geprägt als von
einem Dualismus aus Mehrheit und Opposition. Beide setzen sich in der Tradition der Koalitionsre-
gierungen jeweils aus zwei oder mehr Fraktionen zusammen, die wiederum für ihre Mitglieder die
wesentliche Handlungsorientierung bieten. Entscheidend für das europapolitische Engagement und
die Wahrnehmung der europapolitischen Mitwirkungs- und Kontrollrechte des Bundestages, die das
Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil angemahnt hat, ist also, wie gut sich die Fraktio-
nen des Bundestages auf die Integration eingestellt haben. Einrichtungen wie das Verbindungsbüro
in Brüssel sind an sich kein Garant für eine effektive parlamentarische Mitwirkung und Kontrolle.
Wenn die vorhandenen institutionellen Möglichkeiten des Bundestages Wirkung erfahren sollen,
müssen die einzelnen Fraktionen organisatorisch und personell auf die Befassung mit Europapolitik
und Unionsvorlagen vorbereitet sein. Inwiefern dies in der Praxis bislang erfolgt ist, wird in dieser
explorativen Studie am Beispiel der grünen Bundestagsfraktion erstmals untersucht.
Für die Studie wird ein theoretischer Ansatz erarbeitet, aus dem sich Hypothesen über die
Europäisierung einer Bundestagsfraktion ableiten lassen. Zunächst wird argumentiert, dass die exis-
tierenden Theorieansätze in der Europäisierungsliteratur auf Fraktionen nicht bruchlos übertragbar
sind, da diese anders als Policys oder nationale Regierungen keinen direkten Auswirkungen der EU
1 Einleitung
7
ausgesetzt sind. Sie erfahren daher keinen unmittelbaren Anpassungsdruck im Sinne des in der Euro-
päisierungsforschung weithin bekannten „goodness-of-fit“-Ansatzes von Börzel und Risse (2003).
Anstatt von direktem Anpassungsdruck geht die vorliegende Arbeit von einem indirekt wirkenden
Europäisierungsmechanismus aus, der an der Handlungsumwelt der Fraktionen ansetzt. Verändert
sich diese in einem Maße, das die Handlungsfähigkeit der Fraktionen potenziell gefährdet, so passen
sie sich in ihrer Eigenschaft als konservative, auf Systemerhaltung angelegte Organisationen daran an
(vgl. Lodge 2006: 72). Als institutionell eingebettete Akteure sind die Fraktionen in ihrem Handeln
prinzipiell an den Funktionen des Bundestags orientiert: Repräsentation, Gesetzgebung und Kontrol-
le. Durch die europäische Integration, so die Argumentation in dieser Arbeit, verändert sich das Um-
feld, innerhalb dessen die Fraktionen nach diesen Zielen handeln. Dadurch werden Anpassungsleis-
tungen erforderlich – nur so kann die Handlungsfähigkeit aufrechterhalten werden. Denn da sich
viele Gesetzesvorlagen für den nationalen Raum aus der EU-Arena ergeben, müssen die Fraktionen
EU-Vorlagen verarbeiten, wenn sie die Agenda des Bundestages weiter mit gestalten wollen. Dies
bezieht sich auf nahezu alle Politikbereiche. Zudem hat die Bundesregierung durch die Einbindung in
die europäische Gesetzgebung einen Informationsvorsprung gegenüber den Fraktionen und daher
tendenziell die Möglichkeit, sich der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen. Auswirkungen dieses
indirekten Europäisierungsmechanismus sind in mehreren Dimensionen zu erwarten. Untersucht
wird erstens, inwiefern die grüne Bundestagsfraktion fachliche Expertise im Bereich der Europapoli-
tik, etwa durch die Schaffung neuer Referentenstellen, entwickelt hat. Zweitens wird nach der Etab-
lierung und Nutzung spezifisch europapolitischer Informationskanäle nationaler, transnationaler und
europäischer Ausprägung gefragt. Von Interesse ist drittens, welche Routinen und Zuständigkeiten
zur fraktionsinternen Koordinierung der Europapolitik ausgebildet wurden. Als vierte Dimension wird
ferner die Nutzung direkter Kontakte zur EU-Ebene für Versuche einer direkten Einflussnahme auf
europäische Gesetzgebungsvorhaben untersucht.
Gegenstand der Fallstudie ist mit der grünen Bundestagsfraktion der parlamentarische Arm
einer Partei, in deren politischem Programm die europäische Integration eine zentrale Rolle spielt,
was sich auch in einem im nationalen Vergleich relativ stark auf Europa bezogenen Europawahlkampf
niedergeschlagen hat (vgl. Niedermayer 2005, Volmer 2009: 424f). Zudem war in den vergangenen
Jahren ein auffälliger personeller Austausch zwischen Bundestagsfraktion und Europagruppe zu be-
obachten. Diese Charakteristika lassen deutliche Ergebnisse in den theoretisch abgeleiteten Europäi-
sierungsbereichen erwarten, während die grundsätzliche Vergleichbarkeit mit anderen Fraktionen
gewährleistet ist – seit Beginn ihrer parlamentarischen Repräsentation haben sich die Grünen in or-
ganisatorisch-struktureller Hinsicht an die anderen Fraktionen angeglichen. Zur Beantwortung der
aufgeworfenen Forschungsfrage wurden zehn Interviews mit Mitgliedern der Grünenfraktion ge-
führt, die teilweise der politischen, teilweise der Arbeitsebene angehören.
1 Einleitung
8
Der Erkenntnisgewinn der Studie erstreckt sich auf mehrere Bereiche. Mit der empirischen
Untersuchung wird erstmals gezeigt, was Europäisierung bezogen auf eine Bundestagsfraktion kon-
kret bedeutet. Die Studie trägt damit zu einem umfassenderen Verständnis der Europäisierung des
Bundestages bei. Sie liefert zugleich einen Beitrag zur aktuellen Erforschung des entstehenden Mehr-
ebenenparlamentarismus und des damit verbundenen Wandels parlamentarischer Systeme. Darüber
hinaus wird ein neuer theoretischer Ansatz zur Anwendung auf Bundestagsfraktionen entwickelt.
Dieser kann zum einen für weitere Analysen der anderen Bundestagsfraktionen genutzt werden und
ermöglicht vergleichende Studien. Zum anderen ist er grundsätzlich auch auf andere Mitgliedsstaa-
ten übertragbar. Mit der Entwicklung des Theorieansatzes werden also die nationalen Parlaments-
fraktionen für die Europäisierungsforschung erschlossen und das Forschungsfeld dadurch theoretisch
weiterentwickelt. Die Arbeit ermöglicht es auf diese Weise, der Forderung zahlreicher Forscher nach
einer stärkeren Berücksichtigung von Handlung und Akteuren bei der Untersuchung des Europäisie-
rungsstandes nationaler Parlamente sowie deren theoretischer Konzeptualisierung Rechnung zu tra-
gen (vgl. Auel 2006b, Holzhacker 2007: 151, Raunio 2009: 318, Töller 2004: 50). Vom wissenschaftli-
chen Gewinn der Studie abgesehen liefert sie auch Anhaltspunkte für politische Praktiker, die an
einer Verbesserung der Europafähigkeit einzelner Fraktionen oder ganzer Parlamente interessiert
sind.
Zur Einführung in das Thema wird in Kapitel 2 zunächst der Begriff der Europäisierung defi-
niert. Es folgt ein Überblick über verschiedene Theorieansätze, bevor der Forschungsstand im Bereich
der nationalen Parlamente der EU knapp erläutert wird. Im zweiten Teil des Kapitels wird der hier
angewandte Europäisierungsansatz erarbeitet und es werden Hypothesen für die Fallstudie abgelei-
tet. In Kapitel 3 folgt nach einem kurzen Abschnitt über die Methodik der empirischen Arbeit die
Fallbeschreibung. Anhand einer Literaturanalyse wird zunächst die Europäisierung des Bundestages
vorgestellt und anschließend die Struktur der grünen Bundestagsfraktion. Beides dient als Grundlage
der empirischen Untersuchung im Hauptteil des Kapitels. Hier werden die Ergebnisse der Interviews
in neun Abschnitten präsentiert, die in Form kurzer Porträts die europapolitischen Zuständigkeiten
und Aktivitäten der befragten Fraktionsmitglieder wiedergeben. Im anschließenden Kapitel werden
diese Ergebnisse entlang der vier untersuchten Europäisierungsdimensionen analysiert und das Aus-
maß der Europäisierung in den unterschiedlichen Bereichen ermittelt. Das vierte Kapitel enthält zu-
dem eine Diskussion des eingangs konstruierten theoretischen Ansatzes auf der Grundlage der ge-
wonnenen Erkenntnisse. Die Arbeit schließt in Kapitel 5 mit dem Fazit und einem Ausblick auf An-
knüpfungsmöglichkeiten, die die Studie bietet.
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
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2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
Seit Beginn der europäischen Integration in den 1950er Jahren haben die Mitgliedsländer der Euro-
päischen Union die Zuständigkeit für immer mehr Politikbereiche teilweise oder vollständig an die
Staatengemeinschaft übertragen. Der Transfer und die Teilung von Entscheidungskompetenzen so-
wie der Aufbau supranationaler Institutionen haben zu einer wechselseitigen Durchdringung der
nationalstaatlichen und europäischen Politikprozesse geführt. Akteure unterschiedlicher Ebenen sind
an komplexen Entscheidungsprozessen unterschiedlich stark beteiligt. Nationale Akteure gestalten
durch ihre Beschlüsse das europäische politische System, während dessen Herausbildung zugleich
Anpassungsleistungen der nationalen politischen Akteure, Strukturen, Politikinhalte und Handlungs-
weisen nach sich zieht. Diesen Anpassungen gilt das Erkenntnisinteresse der Europäisierungsfor-
schung. Ihre Ergebnisse liefern einen Beitrag zur Untersuchung des Wandels parlamentarischer Sys-
teme im europäischen Kontext, der unter dem Stichwort „Mehrebenenparlamentarismus“ analysiert
und diskutiert wird (vgl. Maurer 2001). Sie berührt somit Fragen, die sowohl demokratietheoretisch
als auch für die politische Praxis relevant sind. Ein zentrales Interesse gilt dem Beitrag, den die Par-
lamente der verschiedenen Ebenen für die demokratische Legitimation des Gesamtsystems leisten
können. Im Folgenden wird mit einer Begriffsbestimmung, einer kurzen Vorstellung der Forschungs-
gegenstände sowie einer Diskussion gängiger Theorieansätze (Kapitel 2.1.1 und 2.1.2) in das Theorie-
feld der Europäisierung eingeführt. Kapitel 2.1.3 gibt einen Überblick über den Stand der Forschung
hinsichtlich der nationalen Parlamente der EU-Staaten. Zusammengenommen legen diese Abschnitte
die Basis für die Erarbeitung eines speziell auf Bundestagsfraktionen zugeschnittenen theoretischen
Europäisierungsansatzes in Kapitel 2.2.
2.1 Europäisierung: Gegenstände und Theorieansätze
Das Forschungsfeld der Europäisierung hat seit Mitte der 1990er Jahre einen Boom erfahren (vgl. Axt
et al. 2007, Auel 2006a, Vink/Graziano 2007). Zahlreiche Wissenschaftler aus der Integrationsfor-
schung, ferner auch aus der Systemanalyse, der vergleichenden Politikwissenschaft und den Interna-
tionalen Beziehungen, haben sich der Erforschung der Auswirkungen der EU auf ihre Mitgliedsstaa-
ten2 zugewandt. Hinter dem gemeinsamen Forschungsinteresse verbirgt sich im Einzelnen eine Viel-
zahl unterschiedlicher Erkenntnisinteressen und Fragestellungen.3
2 Thematisiert wird von einigen auch der Einfluss der EU auf Beitrittskandidaten als „Beitrittseuropäisierung“
(vgl. Axt et al. 2007). 3 Gegenstand der folgenden Ausführung ist ausschließlich die politologische Europäisierungsforschung. Der
Begriff wird daneben auch in anderen Forschungsdisziplinen verwandt. So sammelt und unterscheidet Fea-
therstone (2003) vier, Olsen (2002) gar fünf in der Literatur verschiedener Forschungsdisziplinen verwandte
Begriffe. Bezeichnet werden damit so unterschiedliche Phänomene wie der Export kultureller Muster und Go-
vernanceformen, Bevölkerungsbewegungen oder die Veränderung territorialer Grenzen.
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
10
2.1.1 Begriffsbestimmung und Untersuchungsgegenstände
Das große politikwissenschaftliche Interesse an Rückwirkungen der europäischen Integration auf die
Mitgliedsstaaten speist sich aus unterschiedlichen Quellen (vgl. Lodge 2006). Zum einen ist es zeitlich
begründet. Da sich das politische System der EU immer weiter ausdifferenzierte und immer mehr
Politikfelder umschloss, lag zu einem gewissen Zeitpunkt die Frage nahe, wie sich die europäischen
Politikprozesse auf der nationalen Ebene auswirken. Solche Auswirkungen waren zudem auch für
Laien immer deutlicher spürbar – etwa in Form des Schengenraums, des Binnenmarktes oder der
gemeinsamen Währung – und auch die nationalen Parlamente begannen, sich mit dem Themenfeld
zu befassen. Insofern ist Europäisierung „kein Thema, das nur im Elfenbeinturm der Wissenschaft
heiß diskutiert wird“ (Auel 2006a: 314). Auch aus einer demokratietheoretischen Perspektive ist die
Beschäftigung damit relevant, stellt sich doch zum einen die Frage, inwiefern die Mitgliedschaft eines
Staates in der Union die demokratische Qualität der nationalen Herrschaft berührt, zum anderen,
inwiefern das supranationale System selbst als demokratisch gelten kann und welchen Beitrag die
politischen Organe der Mitgliedsstaaten dazu leisten können.
Mit der starken Expansion der Europäisierungsforschung ist ein gewisses begriffliches Durch-
einander entstanden (vgl. Auel 2006a, Axt et al. 2007, Ladrech 2002: 391ff). Daher ist eine Definition
dessen, was mit Europäisierung genau gemeint ist, unumgänglich. Zwar hat sich in der Politikwissen-
schaft mittlerweile ein weitgehend geteiltes Verständnis herausgebildet, nach dem die „top-down“-
Perspektive der Europäisierungsforschung, die sich für die Folgen der europäischen Integration für
die politischen Institutionen, Politiken und politischen Entscheidungsprozesse der Mitgliedsstaaten
interessiert, von der „bottom-up“-Perspektive der Integrationsforschung abzugrenzen ist (Abb. 1, vgl.
Lodge 2006).4 Europäisierung ist demnach ein „Prozess der Veränderung der Logik nationalen politi-
schen Handelns“ (Auel 2006a: 298). Nicht alle Autoren unterscheiden aber begrifflich so klar zwi-
schen dem Integrationsprozess und seinen Auswirkungen. So definieren Börzel und Risse Europäisie-
rung als „a process of institution-building at the European level in order to explore how this Europea-
nization process impacts upon the member states” (Börzel/Risse 2003: 59, Herv. C. E.). Für eine klare
Unterscheidung von Integration und Europäisierung taugt diese Begriffsbestimmung nicht.5
Eine komplexe Definition liefert Radaelli (2003). Europäisierung versteht er als „process of (a)
construction, (b) diffusion, and (c) institutionalization of formal and informal rules procedures, policy
paradigms, styles, „ways of doing things”, and shared beliefs and norms which are first defined and
4 Obwohl sich die Europäisierungsforschung auch intensiv mit der Umsetzung europäischer Politiken in den
Mitgliedsstaaten befasst, ist sie nicht mit der Implementationsforschung gleichzusetzen. Europäisierungseffek-
te können, müssen aber nicht durch Implementierung entstehen. Selbst bei mangelnder Implementierung
können Europäisierungseffekte auftreten (vgl. Knill 2010). 5 So kritisiert auch Radaelli: „[I]f Europeanisation has to have a precise meaning, it has to be different and more
selective than the notions of EU policy formation and European integration.” (Radaelli 2003: 29) Börzel und
Risse (2003) setzen zudem Europäisierung als unabhängige Variable, während sie in vielen gängigen Konzepten
– und auch in diese Arbeit – abhängige Variable ist (vgl. Holzhacker 2007: 343f).
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
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consolidated in the making of EU public policy and politics and then incorporated in the logic of do-
mestic discourse, identities, political structures, and public policies” (Radaelli 2003: 30). Die Wir-
kungskette kommt hier klar zum Ausdruck. Etwas problematisch erscheint aber die Beschränkung auf
ein europäisches Modell, das in das nationale politische System übertragen wird – indirekte Auswir-
kungen der EU sind so außen vor. Einbezogen werden sie dagegen in die ebenfalls weit verbreitete
Definition von Ladrech (2002). Europäisierung ist demnach „an incremental process re-orienting the
direction and shape of politics to the degree that EC political and economic dynamics become part of
the organizational logic of national politics and policy-making” (Ladrech 1994: 69, zitiert nach La-
drech 2002: 392). Mit „organizational logic” meint Ladrech den „adaptive process of organizations to
a changed or changing environment”. Diese Definition bietet eine passende Grundlage für die vorlie-
gende Studie. Sie unterscheidet Europäisierung klar von anderen politologischen Phänomenen und
ist dabei breit genug, um verschiedene Kausalmechanismen zu erfassen.
Abbildung 1: Integrations- und Europäisierungsprozess. Quelle: eigene Darstellung (nach Börzel
2003: 3, Radaelli 2004)
Generell umfasst die EU-Wirkungsforschung Entwicklungen in allen Politik-Dimensionen:
Polity, Policy und Politics (Abb. 1). Zahlreiche Studien über die Veränderung von Politikfeldern in Mit-
gliedsstaaten haben gezeigt, dass ein und dieselbe EU-Policy in verschiedenen Ländern unterschiedli-
che Effekte hervorrufen kann (vgl. Héritier 2001, Teil IV in Graziano/Vink 2007). Viel Aufmerksamkeit
erfahren auch Institutionen der EU-Staaten. Sowohl Fallstudien als auch vergleichende Untersuchun-
gen befassen sich mit den nationalen Regierungen und Parlamenten sowie mit regionalen Gebiets-
körperschaften – etwa mit den Folgen der Integration für den deutschen Föderalismus (vgl. Große
Hüttmann/Knodt 2000) –, ferner mit europäischen Auswirkungen auf die nationalen Rechtssysteme
und auf Governanceformen (vgl. Teil III in Graziano/Vink 2007). Auch hier lassen sich zwar gemein-
same Reaktionsmuster über verschiedene Staaten hinweg feststellen, jedoch kann von Konvergenz
keine Rede sein. Pfadabhängige und inkrementelle Entwicklungen sind die Regel, der konkrete Ver-
lauf der Europäisierung ist institutionenabhängig (vgl. Börzel 2000, Olsen 2002). Auch Gegenstände
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
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der Politics-Dimension sind in der Europäisierungsforschung vertreten, wenn auch bislang weniger
prominent als die beiden erstgenannten Dimensionen. Untersucht werden Prozesse, Strategien und
organisatorische Veränderungen in politischen Parteien der Mitgliedsstaaten sowie in Interessen-
gruppen (vgl. Ladrech 2010).
2.1.2 Theorien der Europäisierung
Die große Bandbreite an Untersuchungsgegenständen spiegelt sich auch in der Vielfalt an theoreti-
schen Ansätzen wider, über die im Folgenden ein kurzer Überblick geschaffen werden soll. Die Euro-
päisierungstheorie gibt es ebenso wenig wie oder gar noch weniger als die Integrationstheorie. Auch
handelt es sich nicht um eine neue Großtheorie (Auel 2006a: 313, Olsen 2002: 23, Radaelli 2004).
Vielmehr existieren verschiedene Ansätze mit begrenzter Reichweite nebeneinander, in denen sich
Bausteine aus etablierten politologischen Theorien und bekannte Analysewerkzeuge finden. Das
gesamte Forschungsgebiet befindet sich in einem dynamischen Prozess der Fortentwicklung, Erpro-
bung, Korrektur und wechselseitigen Befruchtung.
Bereits in der Integrationsforschung wurden – teils implizit – Rückwirkungen der europäi-
schen Integration auf die Mitgliedsstaaten thematisiert. Obgleich primär auf die Erfassung des Cha-
rakters des entstehenden europäischen Gebildes ausgerichtet, lassen sich aus den beiden großen
Strängen der Integrationstheorie Rückschlüsse über Auswirkungen auf die Nationalstaaten ableiten
(vgl. Börzel 2003, Bulmer/Lequesne 2005, Hix/Goetz 2000, Vink/Graziano 2007). So ist aus Sicht des
Intergouvernementalismus zu erwarten, dass durch die Integration die Exekutiven innerhalb der Na-
tionalstaaten gestärkt werden. Da ein Teil der politischen Entscheidungen auf der EU-Ebene getrof-
fen wird und damit der nationalen Diskussion entzogen werden kann, wird die Regierung gegenüber
dem Parlament begünstigt. Neofunktionalistische und supranationalistische Theorien dagegen halten
gesellschaftliche Akteure und supranationale Organisationen für die Triebkräfte der Integration. Ge-
sellschaftliche Akteure, deren Interessen im Integrationsprozess Wirkung entfalten, werden folglich
innerhalb der nationalen Arena gestärkt. Eine mögliche Folge ist daneben die Umorientierung dieser
Akteure hin zu einem neuen, supranationalen politischen Zentrum und die Umgehung der nationalen
Regierung („by-passing“) durch direkte Interaktionen mit diesem.
Obwohl bereits die Integrationstheorien Ansätze für ein theoretisches Gerüst von Europäisie-
rungsansätzen bereitstellen, ist ein beträchtlicher Anteil der Europäisierungsstudien nicht explizit
theoriegeleitet (vgl. Goetz/Meyer-Sahling 2008: 10). Implizit oder explizit geht jedoch ein Großteil
der Studien von neoinstitutionalistischen Grundannahmen aus.6 Demnach spielt für die Ausprägung
der Europäisierung gemäß dem Leitgedanken „institutions matter“ das jeweilige Institutionengefüge
eines Staates eine zentrale Rolle (vgl. Axt et al. 2007, Featherstone 2003, Goetz/Meyer-Sahling 2008,
6 Haverland (2007: 64) bezeichnet die meisten Studien daher mittlerweile als zumindest „theoretisch infor-
miert“.
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
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Vink/Graziano 2007). Nach neoinstitutionalistischem Verständnis sind darunter nicht nur formale
Strukturen, sondern auch kognitiv-normative Elemente zu verstehen: Institutionen sind „Muster der
Interdependenzbewältigung“ (Schimank 2007: 162). Europäisierungseffekte können in diesem Sinne
sowohl das Ergebnis rationaler Handlungen als auch von Sozialisationsprozessen sein, also in den
Begriffen Marchs und Olsens (1989) sowohl einer Logik der Konsequentialität als auch einer Logik der
2.1.2.1 Exkurs: Nähe und Differenzen zu Multilevel Governance
Die genannten Theorieansätze nehmen aus methodologischen Gründen durchweg eine strikte analy-
tische Trennung zwischen dem Integrationsprozess („bottom up“) und dem Anpassungsprozess auf
der nationalen Ebene („top down“) vor (vgl. Auel 2006a: 310ff, Börzel 2003, Lodge 2006). Es gibt
indes auch Bemühungen, die wechselseitige Beeinflussung beider Ebenen – ein typisches „Henne-Ei-
Problem“ – anders anzugehen. So versucht Börzel (2003) beide Einflussrichtungen in einem Ansatz zu
vereinen, indem sie die nationalen Regierungen sowohl als „shapers“ als auch als „takers“ der EU
konzipiert. Als aktive Gestalter der EU sind nationale Regierungen demnach bemüht, Anpassungskos-
ten möglichst gering zu halten. Vor allem Staaten mit einem hohen Regulierungsniveau versuchen
daher, eigene Politiken in die EU zu exportieren und diese nach ihren Präferenzen zu formen, also als
„shaper“ aktiv zu werden. Wenn es ihnen gelingt, ihre Politik als europäischen Standard zu etablie-
ren, bleiben ihre Anpassungskosten niedrig. Die Kapazitäten zum „shaping“ sind institutionell be-
dingt. Dasselbe gilt auch für die Fähigkeit, als „taker“ europäische Politiken umzusetzen und die eige-
nen Strukturen an die europäischen Vorgaben anzupassen. Bestrebungen, mit der Berücksichtigung
beider Einflussrichtungen ein Gesamtbild der Interdependenz von EU und Mitgliedsstaaten zu ge-
winnen, rücken die Europäisierungsforschung in die Nähe des Multilevel-Governance-Ansatzes
(MLG), der von einer gemeinsamen, interdependenten Entwicklung des europäischen politischen
Systems und der nationalen politischen Systeme und somit von ähnlichen Grundannahmen ausgeht
(vgl. Kohler-Koch 2005). Während Europäisierungsstudien gemeinhin die Einflussrichtung von „oben“
nach „unten“ in den Mittelpunkt stellen, nehmen MLG-Vertreter das EU-System als Ganzes in den
Blick, das die politischen Akteure und Institutionen der Mitgliedsstaaten einschließt (vgl. Piattoni
2010: 99ff). Das Erkenntnisinteresse der beiden Forschungsrichtungen ist also nicht deckungsgleich,
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
16
wohl aber im Großen und Ganzen miteinander kompatibel. Während definitorisch klar zwischen bei-
den Anliegen getrennt werden kann, sind die Übergänge zwischen beiden in der empirischen For-
schung fließend. So ist die Untersuchung der Mobilisierung subnationaler politischer Akteure, wie sie
etwa Piattoni (2010) in ihrer aktuellen Monographie in Form von Sekundäranalysen vornimmt, prin-
zipiell auch unter dem Begriff der Europäisierung denkbar. Als MLG-Studie zielt sie allerdings schluss-
endlich auf eine Beschreibung des EU-Gesamtsystems und nicht auf die Anpassung nationaler Syste-
me.8
2.1.2.2 Neuere Kritik und Probleme der Europäisierungsforschung
In den vergangenen Jahren haben mehrere Autoren Bestandsaufnahmen der Europäisierungsfor-
schung gemacht und Zwischenbilanzen gezogen. Konstatiert wurde häufig, dass es noch kaum gesi-
chertes Wissen über die Mechanismen der Europäisierung gibt (vgl. Auel 2005, Radaelli 2004, Raunio
2009, Vink/Graziano 2007). Einige Forscher werfen ihren Kollegen vor, politischen Wandel in Natio-
nalstaaten vorschnell als Auswirkung der EU-Mitgliedschaft zu deklarieren, ohne alternative Gründe
eingehend zu prüfen: „[T]he pitfall in Europeanisation literature has often been the habit to attribute
change too easily to Europe and to neglect alternative explanatory variables.“ (Raunio 2009: 328)
Radaelli (2004) sowie Radaelli und Pasquier (2007) schlagen daher vor, europäische Impulse nur als
eine von mehreren möglichen Ursachen, darunter Globalisierung oder auch binnenstaatliche Fakto-
ren, für Anpassungsreaktionen zu konzipieren. Durch Techniken wie „process tracing“ oder kontra-
faktisches Denken9 soll die genaue Ursache ermittelt werden. Radaelli und Pasquier (2007) führen
dafür ein Forschungsdesign ein, das nicht a priori von Einflüssen der EU als unabhängige Variable
ausgeht, sondern Akteure, Ressourcen und Diskurse auf der nationalen Ebene zum Ausgang nimmt –
und ebendort auch endet. So soll verhindert werden, dass die Wirkung der EU auf nationale politi-
sche Systeme überschätzt wird. Die Autoren wählen für diesen Ansatz die etwas unglückliche Be-
zeichnung „bottom up approach“, der leicht zu Verwechslungen mit Integrationstheorien führen
8 Insofern kehrt Piattoni letztlich zu einer ontologischen Fragestellung zurück, obwohl das ursprünglich „post-
ontologische“ Anliegen vieler MLG-Vertreter, die die Frage nach dem Wesen der EU beiseiteschoben, um sich
ihrer tatsächlichen Funktionsweise und den täglichen Entscheidungsprozessen zu widmen, anderes vermuten
lässt (vgl. Piattoni 2010: 20ff). Diese Rückkehr wird in Piattonis Einschätzung der theoretischen, empirischen
und normativen Reichweite des MLG-Ansatzes deutlich: „MLG is one of the new narratives that tries to
conceptualize the possibility of a world in which nation-states are no longer sovereign.” (Piattoni 2010: 183) 9 Mit „process tracing“ ist ein deduktives Vorgehen gemeint, bei dem im ersten Schritt Implikationen aus einer
Theorie abgeleitet werden (Haverland 2007: 62f). Es wird also zunächst gefolgert, welche Indikatoren wie und
wann auftreten sollten, wenn davon auszugehen ist, dass die Theorie richtig ist. Anschließend werden diese
Erwartungen mit den empirischen Beobachtungen aus der Fallstudie verglichen. Kontrafaktisches Denken ist
eine Methode, mit der kontrolliert werden kann, ob ein Prozess tatsächlich von einem anderen beeinflusst ist
(Radaelli 2004: 9). Dazu stellt sich der Forscher die Frage, was passiert wäre, wenn die angenommene Ursache
der Beobachtung nicht existent gewesen wäre. Bezogen auf eine Europäisierungsstudie könnte die Frage etwa
lauten: Hätte die BRD beschlossen, ihre CO2-Emissionen bis 2020 um 40 % zu senken, wenn der Europäische
Rat die Energiestrategie im Jahr 2007 nicht verabschiedet hätte? Damit diese Methode nicht in wilde Spekula-
tion ausartet, müssen allerdings einige Regeln beachtet werden (vgl. Haverland 2007: 63).
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
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kann. Radaelli und Pasquier wollen mit ihrem Vorgehen die Akteursqualität der Staaten beziehungs-
weise ihrer politischen Akteure unterstreichen, die ihrer Meinung nach in der Europäisierungslitera-
tur allzu oft als passive Objekte dargestellt werden, obwohl sie durchaus auch aktiv von neuen Op-
portunitätsstrukturen Gebrauch machen (vgl. Jacquot/Woll 2003). Die Autoren betonen denn auch,
dass Europäisierung in ihrem Modell als Explanandum zu behandeln sei und nicht als Explanans. Sie
grenzen sich so vom „goodness-of-fit“-Ansatz ab, in dem Europäisierung als Explanans gesetzt ist,
womit empirisch nicht ausreichend belegte Aussagen über die Wirkung der EU bereits im Konzept
angelegt seien. Insgesamt mahnen Radaelli und Pasquier (2007) wie auch Lodge (2006) und Haver-
land (2007) mehr begriffliche und konzeptionelle Klarheit und Eindeutigkeit an.
Bezogen auf das gesamte Forschungsfeld beklagt Knill (2009) ein „over-stretching“ des Kon-
zepts. Abhilfe ist möglich, indem Phänomene, die mit enger gefassten Konzepten erfasst werden
können wie etwa horizontale Politiktransfers, nicht unter dem Titel „Europäisierung“ thematisiert
werden. Zudem sei noch immer unklar, unter welchen Bedingungen welche Variablen und Mecha-
nismen relevant sind. Erkenntnisinteresse und zugrundeliegende Annahmen sollten daher stets ge-
nau benannt, die Hypothesen gut begründet werden. Dies gilt generell für alle Schritte der Operatio-
nalisierung eines Europäisierungskonzeptes. Unabdingbar ist also Klarheit über die unabhängige und
die abhängige Variable.
Ist man sich der Gefahren eines unklaren Europäisierungsbegriffs und des „concept-
stretching“ bewusst, kann die Vielfalt des Forschungsgebiets durchaus als Vorteil betrachtet werden.
Europäisierungsansätze liefern keine einfachen Erklärungen, sondern müssen dem jeweiligen Unter-
suchungsgegenstand angepasst werden (vgl. Axt et al. 2007: 146). Radaelli (2004: 16) betrachtet Eu-
ropäisierung als Konzept daher nicht als „Lösung”, sondern als ein herausforderndes, aufregendes
„Problem“. Eine der größten methodologischen Herausforderung sieht er darin, handelnde Akteure
in die Erklärungen plausibel einzubinden (vgl. Radaelli 2004: 15).
2.1.3 Die nationalen Parlamente in der EU: Theorie und Forschungsstand
Die Parlamentsfraktionen der Mitgliedsstaaten wurden von der Europäisierungsforschung bislang
nicht thematisiert. Die Parlamente als Gesamtinstitutionen dagegen gehören zu den am intensivsten
untersuchten Gegenständen der Disziplin. Der folgende Überblick fasst die zentralen Fragestellungen
und Erkenntnisse zusammen, da die Parlamente das primäre Handlungsfeld der Fraktionen bilden.
2.1.3.1 Die Bedeutung der nationalen Parlamente für das politische System der EU
Während die Regierungen der Mitgliedsstaaten über den Rat und seine Arbeitsgruppen zentrale Ent-
scheider auf der EU-Ebene sind, haben die nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten keine Vertre-
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
18
tung in den EU-Organen und somit auf der europäischen Ebene kein Mitspracherecht10,11. Dennoch
erfüllen sie wichtige Aufgaben für das politische System der EU (vgl. Maurer 2001). Als „letztes Glied“
in der Kette des Politikprozesses der EU verwandeln sie europäische Rechtsakte in gültiges nationales
Recht. Sie ratifizieren Verträge und legitimieren so die „großen“ Integrationsschritte. Zur Legitimati-
on trägt auch ihre Öffentlichkeitsfunktion bei (vgl. Benz/Broschek 2010): Durch Debatten über euro-
päische Vorhaben und Entscheidungen stellen sie im nationalen Raum Öffentlichkeit her – wenn
auch beschränkt, da EU-Politik in nationalen Wahlkämpfen kaum eine Rolle spielt – und ergänzen so
die Öffentlichkeitsfunktion des Europäischen Parlaments (EP), das angesichts eines schwach ausge-
prägten europäischen „Demos“ diese Funktion nur unzureichend erfüllen kann. Eine wesentliche
Aufgabe jedes mitgliedsstaatlichen Parlaments ist außerdem die Kontrolle der eigenen Regierung, die
in EU-Angelegenheiten ebenso wie in rein nationalen Angelegenheiten dem Parlament verantwort-
lich ist.
Diese parlamentarische Kontrolle, die ex ante oder ex post geschehen kann (vgl.
Benz/Broschek 2010), ist nicht nur für die nationalen politischen Systeme von Bedeutung, sondern
auch für das politische Mehrebenensystem der EU. Die hervorgehobene Stellung des Rates und die
lange Zeit nachgeordnete Position des EP haben in akademischen wie in politischen Kreisen eine
Diskussion über die demokratische Legitimation der EU entfacht. Unter dem Schlagwort des „demo-
kratischen Defizits“ wird es seit den 1990er Jahren unter unterschiedlichen theoretischen Standpunk-
ten diskutiert (vgl. Benz/Broschek 2010, Follesdal/Hix 2005, Janowski 2005, Raunio 2009). Während
einige Autoren wie etwa Moravcsik (2002) und Majone (2000) aufgrund der Klassifizierung der EU als
intergouvernementales Kooperationssystem beziehungsweise der Dominanz regulatorischer Politi-
ken mit Pareto-effizienten Outcomes die Existenz eines solchen Defizits verneinen, setzen sich ande-
re mit den Chancen einer Überwindung dieser Defizite auseinander (etwa Abels 2009, Scharpf 2009,
Winter 2004). Die Beschäftigung mit nationalen Parlamenten in der EU wird häufig mit einem, wie
auch immer ausgeprägten, Legitimationsproblem der EU begründet (vgl. Maurer 2001: 49). Ver-
schärft wurde das Problem durch die Ausweitung des qualifizierten Mehrheitsentscheides (vgl. Han-
sen/Scholl 2002: 3). Dadurch sei, so Maurer (2001), ein doppeltes demokratisches Defizit entstanden
(vgl. Weßels 2003). Während dessen eine Seite durch die Ausweitung der Kompetenzen des EP besei-
tigt oder zumindest reduziert wird, bezieht sich die andere Seite auf die Rolle der nationalen Parla-
mente.
10
Dies war nicht immer so: Bis zur Einführung der Direktwahl des EP bestand es aus Delegierten der nationalen
Parlamente. Es hatte zu dieser Zeit allerdings nur geringe Mitspracherechte (vgl. Sturm/Pehle 2005: 59ff). 11
Die COSAC, die Konferenz der Ausschüsse für Gemeinschafts- und Europa-Angelegenheiten der Parlamente
der Europäischen Union, ist seit dem Vertrag von Amsterdam zwar offiziell als Vertretung der nationalen Par-
lamente anerkannt, sie kann den rechtsetzenden EU-Organen allerdings lediglich Vorschläge machen oder ihre
Position darlegen, was jeweils ohne Rechtswirkung ist. Sie fungiert hauptsächlich als Diskussionsforum der
nationalen Parlamente, was im Einzelfall zu Lernprozessen im Sinne einer „best practice“ führen kann (vgl.
Raunio 2009: 323).
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
19
Über die wissenschaftliche Debatte hinaus hat die Frage der demokratischen Legitimation
der EU politische Brisanz gewonnen – nicht zuletzt, da sie von integrationsskeptischen bis integrati-
onsfeindlichen Parteien in Europawahlen teils auf populistische Weise thematisiert wird. Dieses
Problembewusstsein hat sich seit Beginn der 1990er Jahre auch in den Verträgen niedergeschlagen
(vgl. Maurer 2001: 52ff). Erstmals werden die Parlamente der Mitgliedsstaaten im Vertrag von
Maastricht12 genannt. Darin werden die Regierungen in Protokoll Nr. 13 aufgefordert, ihren Parla-
menten die Vorschläge der Kommission rechtzeitig – das heißt lange genug vor der Beschlussfassung
im Rat – zukommen zu lassen, damit sie diese überprüfen können. Weitergehende und erstmals
rechtlich bindende Bestimmungen enthält Protokoll Nr. 9 des Vertrags von Amsterdam13. Demnach
muss jede nationale Regierung ihrem Parlament sechs Wochen vor der Befassung des Rates Unterla-
gen zu Gesetzesvorhaben der Kommission sowie Grün- und Weißbücher zuleiten.14 Auch der Konvent
zum Verfassungsvertrag, in dem zahlreiche nationale Parlamentarier vertreten waren, beschäftigte
sich mit der Frage einer stärkeren Einbindung der mitgliedsstaatlichen Parlamente. Die Erklärung von
Laeken zur Zukunft der Europäischen Union15 enthält dazu verschiedene Optionen, darunter die Ein-
richtung eines neuen EU-Organs, das die Parlamente repräsentiert (vgl. Maurer 2002). Verwirklicht
wurde letztlich ihre Einbeziehung in die Subsidiaritätsprüfung. Nach den Regelungen im Vertrag von
Lissabon16, in dem die nationalen Parlamente erstmals im eigentlichen Vertragstext erwähnt werden,
kann ein Drittel der nationalen Parlamente eine Subsidiaritätsrüge aussprechen und so die Kommis-
sion zu einer Überprüfung der Subsidiarität der Vorlage zwingen. Weiterhin können nationale Parla-
mente beim Europäischen Gerichtshof Klage einreichen, wenn sie einen konkreten Verstoß sehen
(Beichelt 2009: 258f, Benz/Broschek 2010: 6f). Darüber hinaus erhalten sie mit dem Lissabon-Vertrag
ein Vetorecht im vereinfachten Vertragsänderungsverfahren. Jedes einzelne Parlament kann sein
Veto einlegen, wenn der Europäische Rat beschließt, künftig in einem Politikbereich mit qualifizierter
Mehrheit zu entscheiden oder das ordentliche Gesetzgebungsverfahren anstelle eines besonderen
Verfahrens anzuwenden.
Die zunehmende Thematisierung der nationalen Parlamente als „Wächter der Subsidiarität“
zeigt, dass ihnen in Bezug auf das Mehrebenensystem der EU eine Funktion in der Sicherstellung der
demokratischen Legitimation zugeschrieben wird. In diesem Sinne kann von einer dualen Legitimati-
on der EU gesprochen werden (Benz 2004: 875), die in einem System des „Mehrebenenparlamenta-
12
Amtsblatt der Europäischen Union Nr. C 191 vom 29.07.1992. 13
Amtsblatt der Europäischen Union Nr. C 340 vom 10.11.1997. 14
Seit 2006 leitet die Kommission gemäß der sogenannten „Barroso-Initiative“ den nationalen Parlamenten
ihre Vorschläge und Konsultationspapiere direkt zu. Die Parlamente sind aufgefordert, Stellung zu den Vorha-
ben zu beziehen, was sie bislang in sehr unterschiedlichem Ausmaß tun (Euractiv 2009). Über die elektronische
Plattform IPEX können sie zudem ständig auf alle zugeleiteten Dokumente zugreifen. 15
Anlage I zu den Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Laeken am 14.-15.12.2001,
tauschbeziehungen lässt sich hier kaum sprechen, wenn auch die Kontakte zwischen MdB und MdEP
dichter geworden sind. Systematisch sind dagegen die Bemühungen der Fraktion, die Herstellung von
Kontakten zwischen MdB und MdEP sowie ihren Mitarbeitern durch die Vermittlung von Ansprech-
partnern und die Organisation von Reisen nach Brüssel zu fördern. Die theoretisch abgeleitete Erwar-
tung, dass eine Europäisierung auch hinsichtlich der Informationsquellen der Fraktion stattgefunden
hat, ist somit grundsätzlich bestätigt – wenngleich noch Ausbaupotenzial vorhanden ist. Für eine
abschließende Bewertung ist es zu diesem Zeitpunkt zu früh, scheint es doch noch laufende Entwick-
lungen zu geben. Dass Informationskanäle in der nationalen und in der transnationalen Dimension
bislang kaum existieren und derzeit auch nicht systematisch aufgebaut werden, ist teilweise mit der
51
Die Situation wäre vermutlich anders, darauf wies auch eine Fraktionsmitarbeiterin hin, wenn andere natio-
nale Parlamente für ihr Brüsseler Büro dasselbe Modell wie der Bundestag gewählt hatten und somit auch die
Fraktionen vertreten wären.
4 Analyse und Hypothesenprüfung
80
Größe der Partei und dem geringen Umfang der Regierungsbeteiligung in Deutschland und in den EU-
Staaten zu erklären.
4.3 Fraktionsinterne Koordinierung der EU-Politik
Koordination ist in einer arbeitsteiligen Organisation wie einer Bundestagsfraktion notwendig, da
verschiedene Mitglieder unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen, die Fraktion nach außen hin aller-
dings kohärent auftreten muss. Informationen müssen rechtzeitig an die richtige Stelle gelangen. In
der Europapolitik besteht spezifischer Koordinationsbedarf, da europäische Inputs in nahezu allen
Politikbereichen zu finden sind, der Abstimmungsbedarf hier also zahlreiche MdB-Büros und Gremien
umfasst. Gemäß den Europäisierungshypothesen ist zu erwarten, dass die Grünenfraktion Routinen
zur fraktionsinternen Koordinierung ihrer EU-Politik entwickelt hat. Diese dienen dazu, Informatio-
nen aus verschiedenen Informationskanälen zu verteilen, zu verarbeiten sowie Positionen abzustim-
men, letztlich also der Ausübung von Kontrolle und Mitwirkung in der EU-Politik der BRD. Die koordi-
nierenden Tätigkeiten verschiedener Fraktionsmitarbeiter wurden in Einzelabschnitten des Kapi-
tels 3.3 beschrieben. Die folgende Analyse fasst die Koordination der Europapolitik der Fraktion ins-
gesamt zusammen, geleitet von folgenden analytischen Gesichtspunkten: Welche besonderen Ein-
richtungen wurden speziell für die EU-Koordination neu geschaffen? Wird der Tatsache Rechnung
getragen, dass Europapolitik Bestandteil jedes fachpolitischen Gebietes ist – und wie?
Die europapolitische Koordination der Fraktion erfolgt größtenteils relativ dezentral. Das
bedeutet, es wurde und wird versucht, Europapolitik in den jeweils analogen innenpolitischen Fach-
gebieten zu verankern. Zu diesem Zweck wurden koordinierende Zuständigkeiten für Europapolitik
teils Personen des Fraktionspersonals zugeschlagen, die bereits in dem Politikfeld, dem sie zugeord-
net sind, koordinierende Aufgaben haben. Teils liegt die Zuständigkeit bei zentralen Stellen, von de-
nen aus explizit auf die Beschäftigung mit Europapolitik in allen Fachbereichen hingewirkt werden
soll und die bei übergreifenden europapolitischen Themen vermitteln, abstimmen und Monitoring
betreiben (Abb. 5). Zu den dezentralen Stellen gehören die Wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abge-
ordneten, die Wissenschaftlichen Arbeitskreiskoordinatoren und die Fachreferenten der Arbeitskrei-
se. Als zentrale neue Stelle wurde diejenige der Fraktionsreferentin beim Fraktionsvorstand „Europa-
politik – Monitoring und Koordination“ eingerichtet. Daneben obliegen auch der Fraktionsreferentin
für Europapolitik organisatorische und abstimmende Aufgaben in der Europapolitik.
Die Entwicklung der zentralen Koordinationsstellen zeigt, dass die Koordination im EU-
Bereich in zwei Schritten deutlich gestärkt wurde. Dies geschah zunächst durch die Addierung der
Ebene „Europa“ zur Referentenstelle „Koordination Bund – Länder – Kommunen“ beim Fraktionsvor-
stand. Mit dem zweiten Schritt, der Ausgliederung des EU-Bereichs in eine eigene Stelle, wurde die
fraktionsübergreifende Europa-Koordination noch einmal deutlich aufgewertet. Wie Europapolitik
4 Analyse und Hypothesenprüfung
81
innerhalb der Fraktion koordiniert wird, wird im Folgenden anhand der Beschäftigung mit einer EU-
Vorlage erläutert.
EU-Vorlagen werden dem Bundestag von der Bundesregierung zugeleitet. Das Europareferat
PA 1 der Bundestagsverwaltung erarbeitet für alle zugeleiteten Unionsvorlagen Priorisierungsvor-
schläge inklusive eines Vorschlages, welche Vorlage in welchem Ausschuss behandelt werden sollte.
Diese Priorisierungsvorschläge werden innerhalb der Grünenfraktion getrennt nach Ausschüssen von
Fraktionsreferenten geprüft. Bei allen Vorlagen, die aus Sicht des PA 1 dem EUA zugeleitet werden
sollten, ist dies die Europareferentin. Je nach Ergebnis der Prüfung muss der Vorschlag der Verwal-
tung entweder im Gespräch mit den anderen Fraktionen revidiert werden oder er wird unverändert
akzeptiert. Steht eine EU-Vorlage dann auf der Tagesordnung eines Ausschusses, fällt sie wie jede
Vorlage nationalen Ursprungs je nach Thema in den Zuständigkeitsbereich eines Abgeordneten der
Fraktion. Sind andere Ausschüsse mitberatend, was bei Unionsvorlagen wie bei nationalen Gesetz-
entwürfen und Anträgen regelmäßig der Fall ist, so kommt es innerhalb der Fraktion zu inhaltlichen
Abstimmungen zwischen den Büros der beteiligten Abgeordneten. Die Wissenschaftlichen Mitarbei-
ter der Abgeordneten werden dann wie bei innenpolitischen Vorlagen koordinierend tätig. Wenn die
Fraktion einen eigenen Antrag zu einer EU-Vorlage einzubringen plant, sind wie bei rein nationalen
Angelegenheiten Fraktionsreferenten oder Wissenschaftliche Mitarbeiter des betreuenden Abgeord-
neten damit betraut:
„[E]s gibt eigentlich keine besonderen Verfahren. Also das ist wie in anderen Sachen […]. […] [W]enn meh-
rere Ausschüsse oder mindestens zwei zuständig sind, gibt es eben überall diese Abstimmungsverfahren
zwischen den Mitarbeitern.“ (MdB 2)
Eine intensivere Koordinierung wird notwendig, wenn der EUA in sehr großen, viele Sachbe-
reiche übergreifenden Vorlagen federführend ist. Dies war beispielsweise in der Behandlung der
Europa-2020-Strategie der Fall. Die Bedeutung solcher stark übergreifenden Themen erschließt sich
Fachpolitikern in mitberatenden Ausschüssen häufig nicht unmittelbar, weshalb sie sich thematisch
nicht betroffen fühlen. Hier greift die Europareferentin der Fraktion koordinierend ein. Als Europaex-
pertin hat sie die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass große europäische Vorhaben ohne eindeutigen
thematischen Schwerpunkt nicht im parlamentarischen Alltag der Fraktion untergehen, sondern aktiv
begleitet werden. Koordinationsarbeit bedeutet für die Europareferentin insofern oft, zunächst Auf-
klärungs- und Überzeugungsarbeit in den beteiligten Abgeordnetenbüros zu leisten, also die Bedeu-
tung der Vorlage für die verschiedenen Fachbereiche der Fraktion darzulegen und für eine eigene
Initiative zu werben. In der anschließenden inhaltlichen Abstimmung zwischen Fachpolitikern und
Fachreferenten, der Diskussion und dem Beschluss des Antrags in den betroffenen AK laufen die
Fäden bei ihr zusammen. Sie betreut die Vorlage auch im weiteren parlamentarischen Ablauf: Sie
arbeitet nicht nur beteiligten Abgeordneten etwa in Form von Sprechzetteln inhaltlich zu, sondern
hält auch die Tätigkeit der beteiligten AK oder Abgeordnetenbüros im Blick und erinnert gegebenen-
4 Analyse und Hypothesenprüfung
82
falls an notwendige Aktivitäten, kurzum: sie betreibt in einzelnen themen- und AK-übergreifenden
EU-Vorlagen ein umfassendes Monitoring. Da dies von einer Referentenstelle mit genuin fachpoliti-
scher Zuständigkeit aus nur in Einzelfällen möglich ist, und um ein umfassenderes Mainstreaming
europapolitischer Themen in allen Fachbereichen zu erreichen, wurde in jüngster Vergangenheit die
neue Referentenstelle beim GfV geschaffen. Durch die Ansiedlung beim Vorstand erfährt das Moni-
toring, das von hier aus künftig geleistet werden soll, eine besondere Autorität.
Bei manchen AK-übergreifenden Themen tritt als Koordinationsinstanz auch das Obleutetref-
fen in Erscheinung. Als Gremium, in dem alle Ausschuss-Obleute der Fraktion zusammenkommen,
um die Ausschussarbeit der Fraktion abzustimmen, befasst es sich gelegentlich auch mit großen EU-
Vorhaben. Ein Beispiel ist der Lissabon-Vertrag, in dessen Vorfeld etwa zu erwartende Themen, die
auf die Ausschüsse zukommen, bereits vorab zu erörtern versucht wurden.
Ein Nebeneinander von dezentraler und zentraler Koordinierung je nach thematischer
Reichweite prägt auch den Umgang mit EU-bezogenen Informationen (Abb. 5). Je nach inhaltlichem
Bezugsradius gelangen diese an unterschiedliche Schnittstellen in der Fraktion. Die Schnittstelle zwi-
schen dem Fraktionsbüro in der Brüsseler Niederlassung der Bundestagsverwaltung und der Fraktion
in Berlin ist dezentral angesiedelt. Die Informationen und Dokumente aus Brüssel, die ja bereits von
Fraktionsmitarbeitern vor Ort sortiert werden, sollen auf möglichst direktem Wege zu den Abgeord-
neten gelangen, für deren Arbeit sie nützen sollen. Dazu werden sie zumeist direkt an das jeweilige
Büro geschickt, per Kopie zusätzlich an den jeweiligen Wissenschaftlichen AK-Koordinator, der bei
Bedarf noch weitere Abgeordnetenbüros informieren kann. Nur wenn kein geeigneter Empfänger
bekannt ist, ein Thema im Brüsseler Fraktionsbüro aber dennoch für relevant gehalten wird, wird die
Aufgabe der Weiterleitung vollständig an einen Wissenschaftlichen AK-Koordinator übertragen. In
jedem Falle ist dieser in der Lage, bei besonders wichtigen, vielleicht mehrere Politikbereiche betref-
fenden Themen koordinierend einzugreifen. Insofern wurde die Funktion der Wissenschaftlichen
Koordinatoren der AK als überblickswahrende Instanz in ihrem jeweiligen Fachbereich auf die Euro-
papolitik ausgeweitet. Diese Konstruktion der Schnittstellen zwischen Brüsseler „Horchposten“ und
Berliner Fraktion trägt dazu bei, Europapolitik als Querschnittsaufgabe zu verstehen und zu behan-
deln, da EU-bezogene Informationen ohne Umweg über eine koordinierende Stelle direkt an die
fachpolitischen Einheiten gelangen.
4 Analyse und Hypothesenprüfung
83
Abbildung 5: Europapolitischer Informationsfluss und europapolitische Koordination innerhalb der
grünen Bundestagsfraktion. Quelle: eigene Darstellung
Zwischen der Bundestagsverwaltung und der Grünenfraktion existieren je nach Reichweite
des thematischen Bezugs unterschiedliche Schnittstellen (Abb. 5). Die Behandlung der Priorisie-
rungsvorschläge wurde bereits thematisiert. Die Vorschläge beziehen sich jeweils auf einen bestimm-
ten Ausschuss und gehen entsprechend durch die Hände des zuständigen Fraktionsreferenten.
Sachstandsberichte und die wöchentlichen Berichte aus Brüssel des PA 1 werden dezentral in den
einzelnen MdB-Büros je nach thematischem Interesse ausgewertet. Für den Umgang mit den Euro-
papolitischen Vorausschauen des Referats PA 1 hat die Fraktion dagegen ein besonderes Verfahren
entwickelt. Zwar wird es von den Beteiligten als noch nicht fest etabliert betrachtet, doch über mög-
liche veränderliche Details hinweg lässt sich feststellen, dass hier eine zentral gesteuerte Koordinie-
rung stattfindet. Mit ihr soll die Europapolitik in die herkömmliche jährliche Schwerpunktsetzung der
Fraktion eingegliedert werden. Schnittstelle zwischen PA 1 und Fraktion sind in Bezug auf die Euro-
papolitischen Vorausschauen also nicht die fachpolitischen Abgeordnetenbüros oder die AK, sondern
ein Team aus Europafachleuten, dem die Vorstandsreferentin und die Leiterin der Fraktionsnieder-
4 Analyse und Hypothesenprüfung
84
lassung im Brüsseler Verbindungsbüro angehören. Dieses Expertenteam berät zunächst unter sich,
welches die wichtigsten europapolitischen Themen für die Fraktion in den kommenden zwölf Mona-
ten sein könnten. Dazu entwickelt es Vorschläge für parlamentarische Initiativen, die im Laufe des
Jahres sinnvoll erscheinen. Anschließend werden diese Überlegungen in Gesprächsrunden mit den
Wissenschaftlichen Koordinatoren und Fraktionsreferenten jedes Arbeitskreises einzeln beraten. Mit
Blick auf die großen Linien der Gesamtfraktion werden so für jeden AK europapolitische Schwerpunk-
te festgelegt, die gleichrangig mit innenpolitischen Schwerpunkten verfolgt werden sollen. Ein spezi-
elles Verfahren der zentralen Koordinierung soll also dafür sorgen, dass Europapolitik als Quer-
schnittsthema behandelt wird. Die Festlegung von Schwerpunkten soll der Fraktion frühzeitiges par-
lamentarisches Handeln ermöglichen. Indem die Europapolitik dabei mithilfe eines speziellen Verfah-
rens berücksichtigt wird, wird auf ihre Eingliederung in den ganz normalen Arbeitsprozess der Frakti-
on hingewirkt.
Insgesamt bestätigt die Analyse also die theoretische Erwartung, dass die Fraktion Routinen
zur Koordinierung ihrer Europapolitik entwickelt hat. Im Wesentlichen wurde die Europapolitik in die
„ganz normale“, dezentrale Fachpolitik eingegliedert. Spezielle zentrale Monitoringverfahren wurden
für themenübergreifende Angelegenheiten entwickelt, die wiederum die fachpolitische Eingliede-
rung, genauer die Berücksichtigung europapolitischer Vorhaben in der täglichen Fachpolitik, sicher-
stellen sollen. Die Ansiedlung der dafür zuständigen neuen Referentenstelle beim Fraktionsvorstand
hat den Vorteil, dass übergeordnetes Koordinieren und Monitoring von einer außerhalb der thema-
tisch gegliederten Arbeitskreise liegenden Position aus oft effektiver ist. Die Rückendeckung vom
Vorstand verschafft der Monitoringstelle Autorität und zugleich Neutralität gegenüber den Fachpoli-
tikern und Fachreferenten.
„Das hat was zu tun mit… ja, ein Arbeitskreis will sich auch ungern von anderen so reinregieren lassen, […]
aber auch einfach damit, dass es häufig die politische Rückendeckung auch vom Vorstand braucht, um be-
stimmte Konflikte aufzuklären.“ (Ref. Fraktion 1)
Entsprechend dem Ziel, Europapolitik als Querschnittsthema zu verankern – nach der Gleichung „Eu-
ropapolitik = Innenpolitik“ – gibt es auch keine zentrale Schnittstelle für die Bündelung EU-bezogener
Informationen, die die Fraktion bezieht. Diese werden möglichst dezentral übermittelt. Nur dort, wo
ein Übersehen der Europapolitik innerhalb der Fachpolitik droht oder wo die Arbeit verschiedener
Arbeitskreise aufeinander abgestimmt werden muss, sind Koordinierungsstellen zwischengeschaltet.
Überall sonst wurde die koordinierende Tätigkeit dezentraler Stellen in ihrem jeweiligen Fachgebiet
auf die Europapolitik ausgeweitet, so die der Wissenschaftlichen Mitarbeiter in den Abgeordneten-
büros, der Obleute, der AK-Koordinatoren und der Fraktionsreferenten.
Bei der Bewertung der übergreifenden Koordinierungs- und Monitoringverfahren ist zu be-
achten, dass diese sich noch in der Etablierungsphase befinden. Das Verbindungsbüro des Bundesta-
ges in Brüssel und somit manche Serviceleistungen der Verwaltung für die Fraktionen gibt es erst seit
4 Analyse und Hypothesenprüfung
85
wenigen Jahren. Noch jünger ist die Referentenstelle beim Fraktionsvorstand in ihrem jetzigen Zu-
schnitt. Details der genauen Ausgestaltung des Monitorings können sich also durchaus noch ändern.
Aus der gesamten Struktur der Europapolitik-Koordinierung ergibt sich nichtsdestotrotz die klare
Stoßrichtung, dass Europapolitik als Querschnittsaufgabe verstanden wird. Gerade die Organisation
des Kommunikationsflusses zwischen Verbindungsbüroreferenten und Fraktion zeigt dies sehr an-
schaulich. Europapolitik „in Reinform als Querschnittsaufgabe“ zu behandeln (Beichelt 2009: 271)
kann sich also keineswegs nur in der Etablierung der Parlamentarischen Geschäftsführung als zentra-
le Schnittstelle zwischen Verbindungsbüromitarbeitern und Fraktion niederschlagen, wie Beichelt
(2009) mit Blick auf die CDU/CSU-Fraktion schreibt, sondern gerade auch in einem dezentralen Mo-
dell wie dem der Grünen52. Im Vergleich zu einer zentralen Schnittstelle bleibt hier die Autonomie
der einzelnen Fachpolitiker gewahrt, ohne dass es zu zeitlichen Verzögerungen in der Informations-
übermittlung kommt, da keine Zwischeninstanz eingeschaltet wird. Einen gewissen vorbeugenden
Schutz vor Übermittlungspannen bietet die gleichzeitige Information des jeweiligen AK-Koordinators,
der zugleich in die Schwerpunktsetzung der Fraktion eingebunden ist und so das Mainstreaming der
Europapolitik, also ihre Berücksichtigung in allen Fachbereichen, im Blick behalten kann.
4.4 Einflussnahme auf der europäischen Ebene
Gemäß den Hypothesen über die Europäisierung einer Bundestagsfraktion in Kapitel 2.2.3 ist nicht zu
erwarten, dass die Fraktion als Gesamtes, als Organisation, Vorkehrungen getroffen hat, um politi-
schen Einfluss direkt auf der EU-Ebene ausüben zu können. Der Europäisierungsmechanismus greift
hier nicht, da entsprechende Maßnahmen nicht der Handlungslogik der Fraktion als institutionell
geprägte Organisation, nicht der Zielverfolgung im institutionell bedingten Umfeld dienen.
Tatsächlich liefern die Interviews, in denen gezielt nach entsprechenden Aktivitäten und Zu-
ständigkeiten gefragt wurde, keinerlei Hinweise, dass in dieser Hinsicht fraktionsumfassend systema-
tisch vorgegangen wird. Referenten der Fraktion bieten zwar Hilfestellung im Kontakteknüpfen zu
politischen Akteuren der EU-Ebene. Gezielte Lobby-Aktivitäten gegenüber Kommission oder Rat an-
zuregen, zu fördern oder zu unterstützen, gehört dagegen nicht zu ihren Aufgaben. Dies gilt glei-
chermaßen für die Referenten in Berlin und im Verbindungsbüro wie für den Koordinator der Euro-
pagruppe. Es lässt sich also klar feststellen, dass eine Koordination politischer Einflussversuche durch
Bundestagsabgeordnete innerhalb der Fraktion nicht stattfindet.
Dieser Befund bedeutet keineswegs, dass es innerhalb der Fraktion keine Ambitionen gibt,
direkte Kontakte zur Kommission auch dazu zu nutzen, politische Positionen im persönlichen Ge-
52
Beichelts 2009: 271f) Bewertung beruht allein auf der Frage, wie die Bundestagsfraktionen den Kontakt zu
ihren Mitarbeitern in Brüssel organisiert haben. Demnach ist in der Unionsfraktion die Parlamentarische Ge-
schäftsführung die zentrale Schnittstelle, in der SPD-Fraktion der Stellvertretende Fraktionsvorsitz mit themati-
scher Zuständigkeit für Europapolitik, bei FDP wie Linksfraktion ein Stellvertretender Fraktionsvorsitzender
oder AK-Vorsitzender mit außenpolitischer Zuständigkeit.
4 Analyse und Hypothesenprüfung
86
spräch kundzutun. Abgeordnete, die entsprechende Kontakte pflegen, tun dies durchaus. Ein befrag-
tes Fraktionsmitglied sprach offen darüber, von seinen guten Kontakten in die Kommission öfters in
diesem Sinne Gebrauch gemacht zu haben. Seiner Einschätzung nach werde dies auch positiv aufge-
nommen, da der Kommission an einem Austausch mit nationalen Parlamentariern gelegen sei. Von
persönlichen Beziehungen, die sich ein MdB in der Kommission aufbauen kann, hängt hierbei viel ab.
So sagt das MdB über seine guten Erfahrungen mit dem Meinungsaustausch mit Kommissionmitar-
beitern:
„Das gibt es schon häufiger.“ (MdB 2)
In Bezug auf die Nutzung dieser Möglichkeit in der Fraktion insgesamt ist seine Einschätzung dagegen
anders:
„Aber das gibt es nicht regelmäßig und häufig, also das ist unterschiedlich, glaube ich.“ (MdB 2)
In dieselbe Richtung geht auch die Antwort eines anderen MdB, das bis zum Zeitpunkt des Interviews
noch keine entsprechenden Vorstöße unternommen hatte, dies aber für die Zukunft für durchaus
sinnvoll und wahrscheinlich hält:
„[D]a kann es in einem, anderthalb Jahren natürlich schon sein, dass man da auch intensiver mit den
Kommissionsmitarbeitern zusammenarbeitet und versucht, an der einen oder anderen Stelle Einfluss zu
nehmen. Also das wird am Ende so sein […].“ (MdB 1)
Die Bezeichnung gezielter Dialoge mit Kommissionsangehörigen als „Lobbyarbeit“ oder „Lobbying“
wurde von den befragten MdB im Interview fraglos akzeptiert. Deutlich wurde dabei in den sehr un-
terschiedlichen Antworten, dass eine klare Trennung von Gesprächen, die eher zur Information über
Vorhaben der Kommission gesucht werden und Gesprächen, die (auch) der Übermittlung der eigenen
Position – der Lobbyarbeit – dienen, nicht immer möglich ist – zumal ein Gespräch durchaus beiden
Intentionen folgen kann. Für beides gleichermaßen gilt, wie eine Fraktionsmitarbeiterin sagte:
„Sowas kann man aber nicht koordinieren und wird auch nicht koordiniert.“ (Ref. Fraktion 1)
Deutlich wurde in der Untersuchung auch, dass das direkte Gespräch mit Kommissionsmitarbeitern
als zusätzliche Möglichkeit der politischen Wirkung gesehen wird – neben der parlamentarischen
Arbeit im Bundestag. Diese wird klar als vorrangig betrachtet. Im Selbstverständnis der Fraktionsmit-
glieder ist ihr primäres und „angestammtes“ Handlungsfeld der Bundestag, in dem politischen Ein-
fluss und öffentliche Wirkung über die Arbeit in Ausschüssen und Plenum zu erzielen suchen – in rein
innenpolitischen wie in europapolitischen Angelegenheiten gleichermaßen. Die Befunde bestätigen
also die theoretische Annahme und bekräftigen somit das Bild der Bundestagsfraktion als institutio-
nell bedingtem Akteur, wie es in Kapitel 2.2 gezeichnet wurde.
„[D]ie Kontrolle der Regierung, das ist erstmal der Hauptweg. Und dann gibt es natürlich auch noch die
Kollegen im Europäischen Parlament, mit denen man reden kann, also das ist dann sozusagen die europäi-
sche Ebene, die selber auch Einfluss hat. Und natürlich gibt es dann auch die dritte Möglichkeit, dass man
schon frühzeitig die Position, die man hat, hier in Brüssel kundtut […].“ (Ref. Verbindungsbüro Brüssel)
4 Analyse und Hypothesenprüfung
87
Hinweise auf eine Zusammenarbeit bei Kommissionskontakten mit Parlamentariern aus an-
deren Mitgliedsstaaten ergaben sich in den Interviews nicht. Auch das gemeinsame Vorsprechen von
MdB und MdEP in gemeinsamer Sache bei der Kommission ist offenbar nicht üblich. Einige Reaktio-
nen auf die Fragen zu diesem Aspekt zeigen auch, dass die Sensibilität für die Autonomie der grünen
Europagruppe in dieser Hinsicht Vorsicht gebietet. Wenn Bundestagsabgeordnete auf der EU-Ebene
aktiv werden, kann dies auch als Eindringen in den „Hoheitsbereich“ der Europaparlamentarier auf-
gefasst werden. So gaben nicht nur beide befragten MdEP an, keine Kenntnis von entsprechenden
Kooperationen zu haben, einer verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Eigenständigkeit der
Grünen EP-Fraktion gegenüber ihren nationalen Parteien.
Während die bisher behandelten Wege der politischen Einflussnahme auf der EU-Ebene in-
formeller Natur sind, gibt es für nationale Parlamente und Parlamentarier mit den Konsultationen
der Kommission auch eine formale Möglichkeit, sich in den europäischen Rechtsetzungsprozess ein-
zubringen. Die Kommission bietet bei manchen Vorhaben, beispielsweise, wenn sie ein Grün- oder
Weißbuch herausgibt, eine Möglichkeit zur Meinungsäußerung an. Sowohl Parlamente als Ganzes
und einzelne Ausschüsse als auch Fraktionen oder einzelne Abgeordnete können sich daran beteili-
gen. Diese Option wird innerhalb der Grünenfraktion von einzelnen oder von Gruppen von Abgeord-
neten gelegentlich genutzt, und auch die Gesamtfraktion nimmt ab und an auf Betreiben eines ein-
zelnen Mitglieds an solchen Verfahren teil. Die Initiative geht dabei nicht von einer koordinierenden
Stelle aus, sondern vom individuellen MdB. Es hängt also von der Kenntnis des Verfahrens und vom
Engagement Einzelner ab, ob diese Möglichkeit genutzt wird. Angesichts der positiven Einschätzung,
die die befragten Europa-Fachpolitiker von der Teilnahme an Konsultationen der Kommission haben,
ist hier also durchaus noch Potenzial für eine systematischere Nutzung vorhanden.
4.5 Zusammenfassung und Auswertung
Werden die untersuchten Dimensionen der Europäisierung insgesamt betrachtet, so ist festzustellen,
dass Europäisierung in allen erwarteten Bereichen stattgefunden hat. Die Hypothesen wurden durch
die Analyse bestätigt. Der auf der Grundlage einer institutionalistischen Auffassung der Bundestags-
fraktionen konzipierte theoretische Ansatz hat sich als schlüssig erwiesen. In der Grünenfraktion hat
ein starker Ausbau der EU-Expertise in Form eines Stellenausbaus stattgefunden und ein Programm
zur Weiterbildung der Mitarbeiter wird entwickelt. Über die Fraktionsreferenten im Verbindungsbüro
des Bundestages in Brüssel bestehen vielfältige Kontakte zu öffentlichen und privaten politischen
Akteuren, die sowohl der Frühwarnung der Fraktion als auch ihrer von der Bundesregierung unab-
hängigen Information in allen europapolitischen Bereichen dienen. Zwischen der Bundestagsfraktion
und der Europagruppe gibt es ein informelles Kontaktnetz über einzelne Abgeordnete in ihren jewei-
ligen fachpolitischen Gebieten sowie eine strukturelle Schnittstelle über den Koordinator der Euro-
4 Analyse und Hypothesenprüfung
88
pagruppe, die Europareferenten der Bundestagsfraktion und die Wissenschaftlichen Arbeitskreisko-
ordinatoren. Institutionalisierte Arbeitstreffen zwischen beiden Ebenen finden in größeren zeitlichen
Abständen in Form des Europa-Bund-Länder-Treffens statt. Der geringen Vertretungsrate der Partei
in Landesregierungen und Regierungen anderer EU-Staaten entsprechend sind auf Europapolitik be-
zogenen Informationskanäle in diesen Ausprägungen bislang wenig existent. Für die Koordination der
EU-Politik innerhalb der Fraktion wurde ein überwiegend dezentral geprägtes Modell geschaffen, in
dem die koordinierenden Aufgaben von Abgeordnetenbüros, Arbeitskreiskoordinatoren und Frakti-
onsreferenten auf EU-Vorlagen in ihrem jeweiligen Bereich ausgedehnt wurde. Unterstützt wird die
Eingliederung der Europapolitik in die Fachpolitiken durch zentrale Koordinierungsstellen, die sich
schwerpunktmäßig um die Begleitung themenübergreifender Vorlagen kümmern sowie durch ihre
Einbeziehung in das Verfahren der Schwerpunktsetzung für das jeweils kommende Jahr. Für das zent-
rale Monitoring wurde eigens eine Referentenstelle beim Geschäftsführenden Vorstand geschaffen.
Die Teilnahme an Konsultationen der Kommission erfolgt bislang wenig abgestimmt, sondern nach
Ermessen einzelner jeweils fachpolitisch betroffener Abgeordneter – was der Handhabung europäi-
scher Angelegenheiten als fachpolitischer Angelegenheiten entspricht, aber noch Raum für eine Ef-
fektivierung lässt. Einzelne Parlamentarier haben ihren Aktivitätsbereich auf die EU-Ebene ausgewei-
tet, indem sie persönliche Kontakte zur Kommission auch dazu nutzen, ihren Standpunkt außerhalb
des formalen parlamentarischen Verfahrens anzubringen. Wie es die institutionalistische Hypothese
erwarten lässt, findet ein solches Vorgehen jedoch nicht auf breiter Basis der Fraktion und nicht ko-
ordiniert, sondern rein individuell statt.
Die festgestellten Europäisierungsschritte in den Dimensionen Expertise, Informationskanäle
und fraktionsinterne Koordinierung tragen dazu bei, die Handlungsfähigkeit der Fraktion in einer von
der europäischen Integration betroffenen Umwelt, insbesondere gegenüber einer europäisierten
Bundesregierung, aufrechtzuerhalten. Sie zielen darauf, die eigene Binnenorganisation aufrechtzuer-
halten sowie die Aufgaben der Kontrolle, der Gesetzgebung und der Repräsentation weiterhin wahr-
nehmen zu können, was gemäß Hypothese eins ohne entsprechende Maßnahmen gefährdet wäre.
Wie Hypothese zwei es benennt, spielen für die Implementierung von Europäisierungsmaßnahmen
einflussreiche Akteure innerhalb von Fraktion und Partei eine bedeutende Rolle. Die Annahme, dass
aufgrund des personellen Austausches zwischen Europa- und Bundestagsfraktion beziehungsweise
Bundespartei erkennbare Europäisierungsschritte vorgenommen wurden, hat sich als plausibel er-
wiesen. Fraktionsmitglieder mit EU-Erfahrung haben sich für die Etablierung europafähigkeitsför-
dernder Mittel etwa durch die Erarbeitung eines Maßnahmenkatalogs eingesetzt. Neben profilierten
Politikern haben sich auch engagierte Fraktionsangestellte als Beförderer der Europäisierung heraus-
destilliert, deren Wirkmächtigkeit jedoch stark von der Unterstützung aus der politischen Ebene ab-
hängt, was wiederum für die Bedeutung von „norm entrepreneurs“ (Börzel/Risse 2003) spricht.
4 Analyse und Hypothesenprüfung
89
Die Analyse hat auch gezeigt, dass, was bei einer institutionalistischen Betrachtungsweise
nicht überraschen kann, dem Tatendrang europapolitisch sensibler Akteure starke Beharrungskräfte
entgegenstehen können, die sich nicht aus einer inhaltlich anderen Position, sondern aus dem Beste-
hen auf die eigene Autonomie ableiten. Eingriffe in Form eines übergeordneten Monitorings in den
jeweils fachpolitisch definierten Zuständigkeitsbereich eines Arbeitskreises etwa haben dann eine
erhöhte Chance auf Wirksamkeit, wenn sie nicht von einer gleichrangigen, sondern von einer expo-
nierten Stelle aus erfolgen, die ihr nicht nur den Bonus des besseren Überblicks, sondern auch einer
zusätzlichen Autorität verleiht. Anpassungen konservativer Organisationen, als die Fraktionen in die-
ser Arbeit betrachtet wurden (vgl. Kapitel 2.2.1), an ihre veränderte Umwelt erfolgen in der Regel in
kleinstmöglichem Umfang und ohne grundlegende Reformen. So ist es auch zu erklären, weshalb ein
in dieser Arbeit theoretisch als wichtiger Informationskanal der Grünenfraktion – derjenige zu den
grünen MdEP – bislang wenig institutionalisiert ist. Beziehungen zu Mitgliedern anderer Parlamente,
also grundsätzlich auch zu Europaabgeordneten, liegen traditionell im Bereich des persönlichen Er-
messens jedes Fraktionsmitglieds. Eine stärkere Systematisierung in Institutionalisierung in diesem
Bereich würde eine Neudefinition dieser Beziehungspflege als Aufgabe der Fraktion als Ganzes vo-
raussetzen. Dies würde einen gewissen Eingriff in die persönliche Zuständigkeit und Entscheidungs-
freiheit des einzelnen Abgeordneten bedeuten. Eine stärkere Institutionalisierung und zentrale Steu-
erung in diesem Bereich erscheint daher voraussetzungsvoller als beispielsweise die Schaffung neuer
Stellen im Brüsseler Verbindungsbüro oder die Einbeziehung der Europapolitischen Vorausschauen in
die Schwerpunktsetzung der Fraktion, obwohl auch Letztere mit großem Aufwand verbunden ist.
4.5.1 Weitergehende Überlegungen zur Präzisierung des Theorieansatzes
Der erbrachte Nachweis, dass beide Hypothesen ebenso empirisch ergiebig wie theoretisch fundiert
sind, liefert nun die Möglichkeit zur genaueren Betrachtung ihrer Gewichtung. So lag es nicht im Fo-
kus dieser Arbeit, zu klären, welchen Anteil einzelne der als „norm entrepreneurs“ in Frage kommen-
den Akteure an den einzelnen Schritten der Europäisierung haben. Eine detaillierte Aufschlüsselung
des Gewichts beider Hypothesen könnte die Zielsetzung einer eigenen, stärker auf die Theoriediskus-
sion ausgerichteten Arbeit sein. Zum einen können Fallstudien durchgeführt werden, um zu einer
exakteren Einschätzung des Ausmaßes der Wirkung von Normunternehmern zu kommen. Das Ziel
einer solchen Studie wäre es, zu ermitteln, wie sich normunternehmerisches Handeln einzelner Per-
sonen auswirkt. Bei den Grünen könnte sich beispielsweise das jüngst eingerichtete „Zukunftsforum
Europa“ der Bundespartei, an dem Parteimitglieder aus EP, Bundesvorstand, Bundestagsfraktion und
der BAG Europa teilnehmen, als Expertenrunde erweisen, aus der persönliches Engagement und
innovative Ansätze zur Europäisierung von Fraktion und Partei hervorgehen. Zum anderen bietet sich
ein vergleichendes Design an. Mit einer komparativen Studie, die mehrere Bundestagsfraktionen
einbezieht, kann die Bedeutung von Normunternehmern für die Europäisierung aller Bundestagsfrak-
4 Analyse und Hypothesenprüfung
90
tionen ermittelt werden. Das Ergebnis einer derartigen Untersuchung könnte zu einer veränderten
theoretischen Gewichtung der relevanten Variablen führen. Möglicherweise steht am Ende empirisch
und theoretisch motivierter Erwägungen die Erkenntnis, dass „norm entrepreneurs“ als intervenie-
rende Variable auf den Europäisierungsmechanismus „Erhalt der Handlungsfähigkeit“ einwirken. Die
hier erfolgte Untersuchung hat bereits unterstrichen, dass dem ermunternden und fördernden Enga-
gement einzelner Personen in der Fraktion für die Berücksichtigung europäischer Politiken sowie
Informations- und Vernetzungsmöglichkeiten nicht unerhebliche Bedeutung zukommt. Sollte sich
herausstellen, dass Normunternehmer erst dafür sorgen, dass der Europäisierungsmechanismus
greift, so wäre der Kausalzusammenhang etwas anders darstellbar. „Norm entrepreneurs“ wären
dann nicht als parallel verlaufender Europäisierungsmechanismus zu konzipieren, sondern als Ver-
stärkung oder Aktivierungsmechanismus für den Hauptmechanismus „Erhalt der Handlungsfähig-
keit“. Wie schlüssig diese Konzeption die Kausalwirkung bei der Europäisierung von Bundestagsfrak-
tionen einfängt, können letztlich weitere empirische Fallstudien und vergleichende Untersuchungen
zeigen.
Auch in einem weiteren Bereich liefert die vorstehende Analyse Anhaltspunkte für eine Präzi-
sierung des theoretischen Konzepts für die Europäisierung von Fraktionen. Ganz im Sinne einer ex-
plorativen Fallstudie hat sie nicht nur die vier theoretisch abgeleiteten Europäisierungsdimensionen
beleuchtet, sondern auch Hinweise auf eine weitere Dimension geliefert. Die Auseinandersetzung
mit der Koordinierungspraxis der Grünenfraktion im Bereich der Europapolitik hat gezeigt, dass es
durch Anpassungsleistungen an die Folgen der europäischen Integration innerhalb von Parlaments-
fraktionen zu Verschiebungen im Kräfteverhältnis kommen kann. Durch die Etablierung zentraler
Koordinierungsverfahren können vormals sehr eigenständig agierende fachpolitische Bereiche einen
Teil ihrer Handlungsautonomie verlieren. Solange sich koordinierende Tätigkeiten durch europapoli-
tische Referenten oder ähnliche Stellen auf einzelne fachbereichsübergreifende Vorlagen beschrän-
ken, ergibt sich daraus sicherlich kein Autonomieverlust für einzelne Abgeordnetenbüros und Fachre-
ferenten. Ein solcher wird aber wahrscheinlicher, wenn Entscheidungen über parlamentarische Initia-
tiven der Fraktion ganz oder teilweise an Stellen übergehen, die eigens für Monitoring- und Koordi-
nationsaufgaben eingerichtet wurden. Dies dürfte in besonderem Maße gelten, wenn entsprechende
Stellen mit besonderer Autorität beziehungsweise ausdrücklichem Rückhalt der Fraktionsspitze oder
deren explizitem Auftrag ausgestattet sind. Werden beispielsweise europapolitische Agenden für die
Gesamtfraktion zentral ausgearbeitet, zu deren Umsetzung die Abgeordnetenbüros angehalten sind,
so stärkt dies je nach Ansiedlungsort der zentralen Instanz die Kompetenzen etwa des Fraktionsvor-
standes. Ähnliche Effekte sind bei der Schaffung einer zentralen Informationsschnittstelle zwischen
Fraktion und Verbindungsbüro etwa bei der Parlamentarischen Geschäftsführung zu erwarten, so es
eine entsprechende Schnittstelle in einer Fraktion geben sollte. Welches Ausmaß Kräfteverschiebun-
4 Analyse und Hypothesenprüfung
91
gen durch Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb von Parlamentsfraktionen infolge der europäi-
schen Integration haben, wäre für weitere Studien eine durchaus relevante zusätzliche Fragestellung
im Katalog der Europäisierungsdimensionen.
Über die Erkenntnis der Ausprägung der abhängigen Variablen hinaus liefert die Analyse auch
Hinweise darauf, welche Faktoren für deren Ausprägung relevant sind. Diese Informationen könnten
zunächst für ein erweitertes Untersuchungsdesign, das mehrere Fraktionen einbezieht, verwendet
werden. Auf diese Weise kann ihre Bedeutung als Drittvariablen genauer eruiert werden. Stellt sich
heraus, dass sie auf die Auswirkung der unabhängigen Variablen einen entscheidenden Einfluss ha-
ben, dass also eine Interaktion vorliegt (vgl. Diekmann 2005: 602ff), ist der Theorieansatz mit ihnen
weiter zu präzisieren. Als Drittvariable scheint aufgrund der vorstehenden Analyse zum einen die
Größe einer Fraktion relevant. In einer kleinen Fraktion wie der grünen kennen sich die Abgeordne-
ten gegenseitig recht gut, was die dezentrale Abstimmung auch europapolitischer Positionen im di-
rekten Kontakt zwischen den Abgeordnetenbüros erleichtert. Auch die dezentrale Schnittstelle zwi-
schen Fraktionsmitarbeitern im Brüsseler Verbindungsbüro und den MdB-Büros bietet sich in einer
kleinen Fraktion eher an, und in einer kleinen Partei bestehen vermutlich mehr persönliche Bekannt-
schaften zwischen MdB und MdEP, weshalb eine zentrale Koordinierung entsprechender Kontakte
weniger zwingend erscheinen mag. Die Größe einer Fraktion korreliert zudem mit ihren finanziellen
Mitteln: Wächst eine Fraktion von einer Wahlperiode auf die andere, so ist ein Stellenausbau eher
finanzierbar. Der Größenaspekt ist außerdem nicht nur hinsichtlich der betrachteten Fraktion selbst
relevant, sondern offensichtlich spielt auch die Stärke der (Schwester-)Partei außerhalb der Ebene
des Bundes eine Rolle. Ist diese in anderen EU-Staaten relativ unbedeutend, so besteht für Informa-
tionskanäle in dieser Dimension kein großes Potenzial und sie zu etablieren erscheint wenig erstre-
benswert. Ähnliches gilt für Bundesländer. Ist eine Partei auf Bundesebene in der Opposition, in eini-
gen Ländern aber erheblich stärker und Regierungspartei, so können Austauschbeziehungen in diese
Richtung als Grundlage für die Europapolitik besonders ertragreich sein und dementsprechend steigt
die Wahrscheinlichkeit, dass sie bestehen oder angestrebt werden. Neben dem Größenaspekt dürfte
auch die Einstellung zur europäischen Integration in der Programmatik einer Partei und Fraktion als
Drittvariable relevant sein. In einer Fraktion, die eine Vertiefung und Ausdehnung der Integration für
wünschenswert hält, wird Europapolitik vermutlich eher als Querschnittsaufgabe betrachtet, an der
sich alle Fachpolitiker in ihrem jeweiligen fachpolitischen Bereich beteiligen. Dies begünstigt ein de-
zentrales Koordinierungsmodell. Und nicht zuletzt ist zu erwarten, dass die Einstellung zur europäi-
schen Integration einen Einfluss auf die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Europäisierung einer
Fraktion hat, was wohl im Vergleich verschiedener EU-Staaten am deutlichsten werden dürfte, da
alle großen deutschen Parteien generell pro-europäisch eingestellt sind (vgl. Poguntke 2008).
4 Analyse und Hypothesenprüfung
92
4.5.2 Praxisrelevante Schlussfolgerungen
Die vorliegende Arbeit hat nicht das primäre Ziel, Handlungsempfehlungen für Bundestagsfraktionen
zu erarbeiten. Verknüpft man jedoch die Befunde der Analyse mit den Überlegungen zu interagie-
renden Drittvariablen, so sind Rückschlüsse auf einige Möglichkeiten der weiteren Europäisierung
mit dem Ziel der Wahrung der Handlungsfähigkeit der Fraktion naheliegend. Diese sollen im Folgen-
den kurz beleuchtet werden.
Die Dezentralität der Beziehungen zwischen Bundestagsfraktion und EU-Ebene ist wie be-
schrieben nachvollziehbar und hat einerseits durchaus ihre Berechtigung, da sie der Arbeitsteilung
und Spezialisierung in einer Fraktion Rechnung trägt. Informationen kommen am schnellsten an der
richtigen Stelle, nämlich dem einzelnen Abgeordnetenbüro, an, wenn dieses sich selbst um Anfragen
und Kontakte kümmert. Eine intensivere Förderung und Unterstützung dabei, etwa durch die Ar-
beitskreiskoordinatoren, könnte aber hilfreich sein. Ausbaufähig scheinen darüber hinaus insbeson-
dere die institutionalisierten Beziehungen zwischen Bundestagsfraktion und grünen Europaparla-
mentariern, die bislang nur in Form des großen Europa-Bund-Länder-Treffens existieren und somit
einen Großteil der Fachpolitiker nur gelegentlich einbeziehen. Eine systematischere Vernetzung der
Bundestagsfraktion mit den grünen MdEP würde zum einen auch diejenigen Fachpolitiker, die bislang
wenig europapolitisch aktiv sind, in einen regelmäßigen Austausch mit ihren EP-Kollegen bringen.
Zum anderen würde so die Abhängigkeit des Informationsflusses von einzelnen Personen und per-
sönlichen Bekanntschaften verringert und die Zuverlässigkeit und Stetigkeit des Austausches erhöht.
Der Informationsfluss würde auch bei zunehmender Fraktionsgröße, die angesichts der Gewichtsver-
schiebung im Parteiensystem in den vergangenen Jahren als mögliche Entwicklung in Rechnung ge-
stellt werden muss, auf eine stabile Basis gestellt. Eine gangbare Option zur Verstetigung in diesem
Sinne wären regelmäßige Treffen zwischen Arbeitsgruppen oder Arbeitskreisen der Bundestagsfrak-
tion und den grünen EP-Abgeordneten, die sich denselben Themen zuordnen. Aus solchen thema-
tisch strukturierten Zusammenkünften mit übersichtlichem Teilnehmerkreis könnten sich konstante
Arbeitsbeziehungen entwickeln. Den Beteiligten wäre im Optimalfall die Brüsseler und Straßburger
beziehungsweise Berliner Agenda ständig präsent, was die Berücksichtigung bei eigenen parlamenta-
rischen Aktivitäten erleichtern würde. Der zusätzliche Aufwand für die Einrichtung einer solchen,
beispielsweise alle zwei bis drei Monate stattfindenden, Versammlung wäre überschaubar und wür-
de wohl keine zusätzliche Personalstelle erfordern. Vorstellbar ist, dass er durch die Mitarbeiter bei-
der Seiten – auch viele MdEP verfügen über eine Bürokraft im Bundestag –, möglicherweise mit Fe-
derführung des jeweiligen Arbeitskreiskoordinators, abgedeckt werden könnte. Falls der Aufwand
dennoch zu groß erscheint, da die MdEP zusätzliche Reisen nach Berlin unternehmen müssten oder
Terminüberschneidungen im Wege stehen, wären Telefon- oder Videokonferenzen mit demselben
Teilnehmerkreis eine Alternative. Aber selbst ein jährliches thematisch strukturiertes Treffen wäre
4 Analyse und Hypothesenprüfung
93
bereits eine Steigerung der Austauschdichte im Vergleich zur heutigen Situation, wo Fachpolitiker
beider Ebenen auf dem Europa-Bund-Länder-Treffen nur sporadisch zusammenkommen. Fachlich
strukturierte Treffen mit überschaubarer Teilnehmerzahl scheinen in jedem Falle für die Intensivie-
rung des fachpolitischen Austausches sinnvoller als regelmäßige Koordinationstreffen zwischen allen
Abgeordneten der nationalen und der europäischen Ebene der Partei, wie sie in einigen niederländi-
schen Parteien praktiziert werden (Neunreither 2005: 484). Solche Großtreffen stellen zudem einen
enormen zusätzlichen Organisationsaufwand dar. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis separater fachpoliti-
scher Treffen wie hier vorgeschlagen dürfte erheblich günstiger ausfallen. Dies gilt auch im Vergleich
zu halbjährlichen Klausuren der Bundestagsfraktion in Brüssel, wie sie einem Mitarbeiter der Fraktion
als Zukunftsoption vorschweben:
„Und eine Idee, die jetzt noch nicht realisiert ist, aber die ich mir auch immer vorstelle, ist, dass wir als
Fraktion einmal im Rat eine Klausur in Brüssel machen, wo wir vielleicht Dinge mit dem Schwerpunkt Eu-
ropa als Thema aufsetzen und dann auch noch mal da vor Ort interessante Gesprächspartner haben.“ (MA
Fraktions-AK)
Der Organisationsaufwand für solche Klausuren, die auch Kontakte zu europäischen Gesprächspart-
nern umschließen könnten, wäre relativ hoch. Der „Bewusstseinserweiterung“ der MdB für die EU-
Agenda wären sie vermutlich dienlich, doch scheinen fachpolitische Foren der tatsächlichen Zusam-
menarbeit in Vorlagen und Vorhaben noch stärker zuträglich.
Die Fraktion versucht wie beschrieben, ihre Europafähigkeit auch über die Förderung der
Mitarbeiter zu stärken. Die Analyse hat gezeigt, dass die Mitarbeiterebene für die Entwicklung von
Koordinationsverfahren und somit für den Ausbau der Europafähigkeit einer Fraktion und ihrer Partei
sehr bedeutend ist. An der Europasensibilität und an der EU-bezogenen Expertise des Personals an-
zusetzen ist daher sinnvoll und wichtig, soll eine Fraktion in der Europapolitik in hohem Maße hand-
lungsfähig sein. Ein relativ einfacher Schritt, dies auch formal abzusichern, wäre die Verankerung von
EU-Kenntnissen als Standardqualifikation in allen Stellenausschreibungen in vergemeinschafteten
Politikbereichen. Dieses Einstellungskriterium würde von der Aufmerksamkeit des einzelnen Abge-
ordneten unabhängig gemacht. Dadurch würde die Europakompetenz mit hoher Wahrscheinlichkeit
gerade in jenen MdB-Büros gestärkt, in denen sie bislang weniger stark ausgeprägt ist. Schwieriger ist
im Vergleich dazu die Einbeziehung der politischen Ebene in das bestehende Weiterbildungspro-
gramm der Fraktion – anzustreben wäre dies aber allemal. Dies würde allerdings den Einsatz der
Fraktionsspitze voraussetzen, da sich Abgeordnete von Fraktionsangestellten kaum zur Teilnahme an
Fortbildungsangeboten animieren lassen dürften. Zuletzt sei die systematischere Nutzung der Kon-
sultationen auf EU-Ebene als Ausbaupotenzial genannt. Die Teilnahme an dieser Form der Erörterung
eines Vorhabens durch die Kommission gilt unter den Europapolitikern der Fraktion als sinnvoll. Es
scheint also ratsam, einen größeren Kreis an Abgeordneten für diese Option zu sensibilisieren. Neu
eröffnete Konsultationen könnten in das Frühwarnsystem über die Fraktionsmitarbeiter im Verbin-
4 Analyse und Hypothesenprüfung
94
dungsbüro einbezogen werden, um so den jeweils thematisch zuständigen Parlamentarier direkt auf
die Teilnahmemöglichkeit hinzuweisen. Denkbar wäre weiterhin, diese Zuständigkeit zusätzlich der
Vorstandsreferenten-Stelle für Monitoring und Koordination der Europapolitik oder den AK-
Koordinatoren zuzuordnen.
Potenzial für weitere Europäisierungsschritte besteht somit in allen drei Dimensionen, in
denen in der vorstehenden Analyse Veränderungen konstatiert wurden. Eine abschließende Bewer-
tung des Europäisierungsstandes der grünen Bundestagsfraktion indes kann mit dieser Feststellung
nicht verbunden werden. Die Untersuchung hat deutlich gemacht, dass der Prozess der Anpassung
an die europäisierte Umwelt noch im Gange ist. In Brüssel sind die Grünen wie alle Bundestagsfrakti-
onen erst seit wenigen Jahren vertreten. Die damit verbundene politische Koordinierung befindet
sich teils noch in der Erprobungsphase. Die genauen Zuständigkeiten der neuen Monitoringstelle
beim Fraktionsvorstand werden sich, wie so oft bei der Einrichtung eines neuen Postens, erst noch
herausbilden. Die Studie hat somit erstmals untersucht, was Europäisierung in einer Bundestagsfrak-
tion bedeutet und dafür einen analytischen Rahmen erarbeitet – weitere Untersuchungen können
darauf aufbauen.
5 Fazit und Ausblick
95
5 Fazit und Ausblick
Die vorliegende Arbeit hat sich mit der Frage beschäftigt, wie sich die grüne Bundestagsfraktion eu-
ropäisiert. Die Fragestellung hat zum einen mit dem Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom Juni 2009 einen aktuellen Anlass. Dieses enthält die Aufforderung an den Bundestag, seiner
Integrationsverantwortung nachzukommen und nimmt somit auch die Fraktionen europapolitisch in
die Pflicht. Zum anderen stößt die Studie in eine Forschungslücke vor. Während es einen umfangrei-
chen Literaturbestand zur Europäisierung des Bundestages als Institution gibt, waren seine Fraktio-
nen bislang unbeleuchtet. In einigen neueren Publikationen über die Europäisierung nationaler Par-
lamente wird dementsprechend gefordert, die relevanten Akteure stärker zu berücksichtigen. Auch
aus theoretischer Perspektive liegt eine Beschäftigung mit den Bundestagsfraktionen nahe. Demo-
kratietheoretische Erwägungen sprechen für eine genaue Untersuchung der parlamentarischen Mit-
wirkung in der Europapolitik der EU-Mitgliedsstaaten, um deren Beitrag zur demokratischen Legiti-
mation des gesamten Mehrebenensystems auszuloten. Für ein umfassendes Verständnis der Europa-
fähigkeit eines nationalen Parlaments ist die Kenntnis der europapolitischen Aktivitäten ihrer Frakti-
onen unverzichtbar. Auch institutionalistische Grundannahmen, von denen die meisten Europäisie-
rungsstudien implizit oder explizit geleitet sind, sprechen für eine Untersuchung der Fraktionseuro-
päisierung.
Grundgedanken des Neoinstitutionalismus waren auch die theoretische Basis dieser Arbeit.
Von ihren parlamentarischen Funktionen ausgehend wurden die Bundestagsfraktionen als institutio-
nell eingebettete Akteure konzipiert, deren Handeln auf die Ziele Repräsentation, Beteiligung an der
Gesetzgebung und Kontrolle der Bundesregierung sowie Aufrechterhaltung der eigenen Binnenorga-
nisation ausgerichtet sind. Die erwarteten indirekten Reaktionen einer Bundestagsfraktion auf den
Einfluss des Integrationsprozesses auf ihre unmittelbare Umwelt wurden in zwei Hypothesen und
darauf aufbauend vier Europäisierungsdimensionen gefasst. Demnach wirkt eine Fraktion mit strate-
gischen Anpassungsleistungen an eine veränderte Umwelt, die ihr an institutionell gegebenen Zielen
orientiertes Handeln zu beeinträchtigen droht, ihrer Marginalisierung entgegen. Entsprechende An-
passungsleistungen sind dann zu erwarten, wenn „norm entrepreneurs“ deren Notwendigkeit erken-
nen und für sie werben. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung haben diese Hypothesen be-
stätigt. In zehn Telefoninterviews und drei schriftlichen Befragungen wurde eine Reihe von Europäi-
sierungsindikatoren erhoben und anschließend den vier Dimensionen zugeordnet. Die Analyse hat
ergeben, dass die grüne Bundestagsfraktion wie erwartet ihre Ressourcen in der europapolitischen
Expertise deutlich ausgebaut und Routinen zur internen Koordinierung in diesem Politikbereich etab-
liert hat. Zur Gewinnung unabhängiger Informationen hat sie eigene Informationskanäle und Vernet-
zungsinstrumente geschaffen, während es wie erwartet keine fraktionsumfassende Koordinierung
5 Fazit und Ausblick
96
von politischen Vorstößen direkt auf die EU-Ebene gibt. Sowohl die Art der fraktionsinternen euro-
papolitischen Koordinierung als auch die Beschaffenheit der EU-bezogenen Vernetzung folgt dabei im
Großen und Ganzen der dezentral-fachpolitisch gegliederten Grundstruktur der Fraktion. Dies kann
auch als ein Grund herangezogen werden, weshalb es bei der europapolitischen Vernetzung auf Frak-
tionsebene noch Ausbaupotenzial gibt. Neben der detaillierten Beschreibung der Europäisierung
einer Bundestagsfraktion hat die Analyse nicht nur eine Bestätigung beider Hypothesen erbracht,
sondern auch Hinweise für eine Präzisierung des theoretischen Konzepts. Der Erkenntnisgewinn der
Studie liegt im empirischen, im theoretisch-konzeptionellen wie im praktischen Bereich:
Mit der empirischen Erfassung eines umfangreichen Katalogs an Europäisierungsindikatoren
wurde erstmals empirisch untersucht, was Europäisierung für eine Fraktion eines nationalen Parla-
ments konkret bedeutet. Bezogen auf den Deutschen Bundestag liefert die Studie somit einen Bei-
trag zu einem detaillierteren Bild von dessen Europäisierung. Während sich die zahlreichen Untersu-
chungen zur Europäisierung der Parlamente in den EU-Mitgliedsstaaten fast ausnahmslos auf das
Parlament als Institution beziehen, fokussiert die vorliegende Arbeit zum ersten Mal auf deren zent-
rale Handlungseinheiten. Sie berücksichtigt die grundlegende Strukturierung des Bundestages in
Mehrheit und Opposition: Diese Struktur bewirkt, dass es im parlamentarischen Alltag in der Regel
kein einheitlich agierendes Parlament als Gegenspieler der Exekutive gibt, sondern dass das Handeln
der einzelnen Fraktionen unterschiedlichen Interessen folgt. Die Mehrheitsfraktionen stützen die
Regierung – in der europapolitischen Mitwirkung haben sie daher in der Regel kein Interesse an Stel-
lungnahmen nach Art. 23 GG, die sich inhaltlich gegen die Position der Bundesregierung richten. Auel
(2006b) hat auf der Grundlage dieses Gedankens erste Erkenntnisse über die „strategische“ Europäi-
sierung des Bundestages in Form europapolitischer Aktivitäten und Kontakte einzelner Abgeordneter
publiziert. Während diese Erkenntnisse einen ersten Einblick in die vielfältigen Europäisierungspro-
zesse, die „unterhalb“ der gesamtinstitutionellen Ebene ablaufen, ermöglichen, hat die vorliegende
Studie mit der Untersuchung einer Fraktion erstmals aggregierte Daten hervorgebracht und damit
eine Lücke gefüllt. Denn Beschreibungen der Anpassung des gesamten Bundestages an den Integra-
tionsprozess erbringen zwar genaues Wissen über die institutionellen Möglichkeiten, die dem Parla-
ment bei der europapolitischen Mitwirkung offenstehen, und Untersuchungen der individuellen eu-
ropapolitischen Aktivitäten einzelner Abgeordneter ermöglichen Rückschlüsse auf die Anreizstruktur
des europapolitischen Handelns. Analysen aus beiden Perspektiven vermögen jedoch nicht zu sagen,
was die strukturellen Voraussetzungen für die tatsächliche Nutzung der institutionellen Mitwir-
kungsmöglichkeiten des Bundestages sind und über welche tatsächliche europapolitische Hand-
lungsmöglichkeit die Fraktionen als zentrale Akteurseinheiten verfügen. Die Ergebnisse der obigen
Fallstudie erlauben eine erste deutliche Einsicht in diese Fragen. Denn für die Europafähigkeit des
Bundestages ist es mitentscheidend, dass seine Fraktionen über die Voraussetzungen verfügen, EU-
5 Fazit und Ausblick
97
Vorhaben prüfen und eigene Initiativen zu europäischen Politiken entwickeln können. Nur dann kann
der Bundestag als Ganzes seiner vom Bundesverfassungsgericht angemahnten „Integrationsverant-
wortung“ nachkommen.
Für die empirische Untersuchung wurde ein theoretischer Ansatz erarbeitet, der die Reich-
weite der Europäisierungsforschung auch im theoretischen Sinne ergänzt und eine Lücke füllt. Beste-
hende Ansätze sind dafür nicht geeignet. Bislang hat vor allem der „goodness-of-fit“ Ansatz von Bör-
zel und Risse (2003) Bekanntheit erlangt. Seine Anwendungsmöglichkeiten sind aufgrund der restrik-
tiven Annahme eines unmittelbaren Anpassungsdrucks allerdings auf solche Gegenstände begrenzt,
die direkten Auswirkungen der EU ausgesetzt sind. Fraktionen nationaler Parlamente gehören wie
im zweiten Kapitel der Arbeit ausgeführt nicht zu diesem Kreis (vgl. Benz 2005, Ladrech 2010). Mit
dem hier entwickelten Theorieansatz, der auf der Grundlage institutionalistischer Annahmen Reakti-
onen von Fraktionen auf Veränderungen ihrer Umwelt erwartet, wird für diese Akteurskategorie eine
Möglichkeit geboten, Europäisierung theoretisch fundiert zu erfassen und zu untersuchen. Ohne die
Berechtigung und die Tauglichkeit des „goodness-of-fit“-Ansatzes, die er für einen umfangreichen
Bereich der Europäisierungsforschung besitzt, anzufechten, wird ihm eine ergänzende Herange-
hensweise zur Seite gestellt, mit der über die Fraktionen auch die Europäisierungsschritte eines gan-
zen Parlaments aus einer vielversprechenden Perspektive näher untersucht werden können. Bei der
Identifizierung zweier Europäisierungsmechanismen wird dabei auf eine zentrale Forderung von im
Bereich der Europäisierung versierten Wissenschaftlern eingegangen: Die Voraussetzungen für das
Greifen der Mechanismen wurden benannt und die Hypothesen klar begründet. Dies sind die Bedin-
gungen dafür, dass das Feld der Europäisierungsforschung nicht immer weiter fragmentiert, sondern
die einzelnen Ansätze ihren jeweiligen Anwendungsmöglichkeiten klar zugeordnet werden können
und ihre jeweilige Reichweite definierbar ist (vgl. Knill 2009).
Über den Erkenntnisgewinn in der empirischen und in der theoretischen Dimension hinaus
sind die Ergebnisse der Fallstudie auch für die politische Praxis relevant. Sie zeigen nicht nur den
Stand der Europäisierung der untersuchten Bundestagsfraktion auf, sondern ermöglichen damit auch
eine Bewertung und gegebenenfalls Ergänzung durch weitere Maßnahmen. Wenngleich dies nicht
das vorrangige Ziel der Studie war, so wurden die empirischen Untersuchungsergebnisse doch ge-
nutzt, um diesbezüglich einige Vorschläge zu machen. Dies zeigt, dass Europäisierungsstudien der
politischen Praxis wichtige Anknüpfungspunkte an die politologische Forschung bieten. Obschon
politologische Forschung und Politikberatung unterschiedlichen Erkenntnisinteressen folgen und hier
keineswegs einer Vermischung das Wort geredet werden soll, so ist eine Befruchtung der politisch-
organisatorischen Praxis durch aktuelle Forschungsergebnisse doch letztlich auch aus demokratie-
theoretischer Perspektive zu begrüßen, wenn sie zu einer Stärkung der Möglichkeit, die institutionel-
len parlamentarischen Rechte wahrzunehmen, beiträgt.
5 Fazit und Ausblick
98
Neben dem erläuterten Erkenntnisgewinn bieten die Untersuchungsergebnisse ganz im Sinne
einer explorativen Studie auch die Möglichkeit, weitere relevante Forschungsfragen, -gegenstände
oder -projekte herauszudestillieren, die nun abschließend in Form eines Ausblicks angeführt werden.
Für die Einschätzung der Untersuchungsergebnisse spielt die zeitliche Dimension eine Rolle: Bei der
Europäisierung des Bundestages handelt es sich um einen fortlaufenden Prozess, und einige darauf
bezogene Maßnahmen der untersuchten Fraktion sind noch sehr jung, manche Verfahrensimplemen-
tationen noch nicht abgeschlossen. Dies dürfte auch in anderen Bundestagsfraktionen der Fall sein.
Behält man diesen Aspekt im Hinterkopf, so wäre doch zur Einordnung der in der grünen Bundestags-
fraktion festgestellten EU-bezogenen Koordinierungsstrukturen und -verfahren, ihrer Expertise sowie
ihrer Vernetzung in den Gesamtkontext des Deutschen Bundestages im Anschluss an diese Studie ein
Vergleich mit anderen Bundestagsfraktionen interessant. Der hier erarbeitete Forschungsansatz er-
möglicht dies. In einem komparativen Forschungsdesign können für die Untersuchung aller anderen
Fraktionen des Bundestags die hier verwendeten Europäisierungsdimensionen herangezogen wer-
den. Während Kenntnisse über die Europäisierung der anderen Fraktionen auch in einzelnen Fallstu-
dien zu erlangen sind, bietet eine vergleichende Studie darüber hinaus gehende Vorteile. Sie ermög-
licht es zum einen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Europäisierungsstrategien der Frakti-
onen festzustellen. Zum anderen könnten auf diese Weise interagierende Drittvariablen, die auf die
Ausprägung der Europäisierung einen Einfluss haben und die in der Auswertung der hier vorgenom-
menen Untersuchung teilweise bereits identifiziert wurden, genauer herausgearbeitet werden. Von
Interesse ist bei einem Vergleich der Bundestagsfraktionen beispielsweise auch die Frage, ob die
Zugehörigkeit zu Mehrheit oder Opposition eine Rolle für deren Europäisierung spielt. Oppositions-
mitglieder könnten ein stärkeres Interesse an unabhängigen Informationskanälen haben als Koaliti-
onsparteien. Anzunehmen ist darüber hinaus eine gewisse wechselseitige Beeinflussung der Fraktio-
nen. Da davon ausgegangen wird, dass sich die Bundestagsfraktionen aus dem Grund europäisieren,
dass sie ihre Handlungsfähigkeit erhalten wollen, sind Wechselwirkungen etwa in Form von Nachah-
mung denkbar. Ähnlich wie es im Bereich der negativen Integration zu regulativem Wettbewerb zwi-
schen nationalen Akteuren kommen kann (vgl. Knill/Lehmkuhl 1999), ist auch in der Europäisierung
der Fraktionen des Bundestages ein Wettbewerb um die Handlungsfähigkeit und damit die effektivs-
te Europäisierung plausibel vorstellbar. Mit der besten EU-Expertise, den ergiebigsten Informations-
kanälen und den effektivsten Koordinierungsmechanismen ausgerüstet zu sein, ist ein relevanter
Faktor für die parlamentarische Beschäftigung mit Europapolitik im Kontext des Parteienwettbe-
werbs.53 Insofern ist zu mutmaßen, dass Europäisierungsschritte einer Fraktion nicht ohne Wirkung
auf andere Fraktionen sind. In eine vergleichende Studie der Europäisierung mehrerer Fraktionen
wäre zur Eruierung dieses Faktors eine zeitliche Dimension mit einzubeziehen.
53
Immer in Rechnung zu stellen ist freilich die geringe Wahlkampf-Relevanz von EU-Themen (vgl. Kapitel 2.2.2).
5 Fazit und Ausblick
99
Über den nationalen Raum hinaus eröffnet die vorliegende Arbeit auch die Möglichkeit, Frak-
tionen in den Parlamenten anderer EU-Mitgliedsstaaten zu untersuchen. Der Europäisierungsansatz
wurde zwar originär für die Analyse der Bundestagsfraktionen entwickelt. Grundsätzlich ist er aller-
dings auf die Fraktionen anderer nationaler Parlamente innerhalb der EU übertragbar: Alle mitglieds-
staatlichen Parlamente sind insofern in einer vergleichbaren Situation, als die Auswirkungen der EU
auf sie prinzipiell indirekter Natur sind. Das Handeln ihrer Fraktionen orientiert sich an denselben
grundsätzlichen parlamentarischen Funktionen. Infolge der europäischen Integration findet es in
einer Umwelt statt, in der die nationale Regierung als Gegenüber tendenziell einen Informationsvor-
sprung besitzt und in der EU-Vorlagen zunehmend die parlamentarische Agenda bestimmen, wäh-
rend die Möglichkeit zur Bildung neuer, von der Regierung unabhängiger Informationskanäle be-
steht. Zwar verfügen die Fraktionen anderer nationaler Parlamente nicht über eigene Mitarbeiter als
Ansprechpartner in den nationalen Brüsseler Verbindungsbüros, da das deutsche Modell mit seiner
dualen Struktur singulär ist. Gemeinsam ist den mitgliedsstaatlichen Parlamenten jedoch, dass sie
einen EU-Ausschuss gebildet haben. Untersuchungen der europapolitischen Vernetzung, Hervorbrin-
gung von Expertise und internen Koordinierung würden aller Voraussicht nach die institutionelle
Bedingtheit der Europäisierung bestätigen. Schließlich unterscheiden sich die effektiven Mitwir-
kungsmöglichkeiten der nationalen Parlamente im Verhältnis zu ihrer Regierung deutlich voneinan-
der (vgl. Janowski 2005, Maurer/Wessels 2001). In komparativen Studien kann darüber hinaus der
Einfluss einer in Kapitel 4.5.1 bereits angesprochenen möglichen Drittvariable im europäischen Ver-
gleich eruiert werden: die Einstellung einer Partei zur europäischen Integration. Während im Bundes-
tag ausgesprochen integrationsskeptische Parteien nicht vertreten sind, bieten andere Mitgliedsstaa-
ten hier weitere Einsichtsmöglichkeiten. Denkbar ist, dass Fraktionen mit integrationsskeptischem
Hintergrund eine stärker zentral organisierte europapolitische Koordinierung implementiert haben,
um ablehnende Positionen gegenüber der Exekutive wirksamer vertreten zu können.
Solche zentral angelegten Koordinierungsmuster können auf Kosten der fachpolitischen Au-
tonomie innerhalb einer Fraktion gehen. Dieser Zusammenhang wurde in Kapitel 4.5.1 als mögliche
weitere Europäisierungsdimension angesprochen. Ein vergleichbarer Europäisierungseffekt ist etwa
in der europapolitischen Koordinierung der dänischen Regierung festzustellen, deren zentrale Steue-
rung in einem Spannungsverhältnis zur dänischen Verwaltungstradition mit ihren stark eigenständig
arbeitenden Ressorts steht (vgl. von Dosenrode 1998: 57). Inwieweit auch innerhalb von Parlaments-
fraktionen entsprechende Verschiebungen im Kräfteverhältnis als Folge von Europäisierungsmaß-
nahmen auftreten, kann aufbauend auf den hier entwickelten Forschungsansatz sowohl in einem
nationalen als auch in einem internationalen vergleichenden Forschungsdesign untersucht werden.
Mit einem entsprechenden Vergleich würde wie auch mit den übrigen vorgeschlagenen For-
schungsarbeiten ein weiterer interessanter Beitrag zur derzeit hochaktuellen Forschung im Bereich
5 Fazit und Ausblick
100
des Mehrebenenparlamentarismus geleistet. Durch die Eingliederung in das europäische Gesamtsys-
tem erfahren nationalstaatliche parlamentarische Systeme einen Wandel, der sich einerseits an den
institutionellen Strukturen und an Verschiebungen im Kräfteverhältnis verschiedener politischer Ak-
teure messen lässt und andererseits aus demokratietheoretischen Gründen Fragen hinsichtlich der
demokratischen Legitimation des Regierens innerhalb des Mehrebenensystems aufwirft. Bereits die
mit dieser Studie vorgelegten Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass sich dieser Wandel inner-
halb der Bundesrepublik nicht auf den Bundestag als Institution beschränkt, sondern dass auch eine
Fraktion sich an die veränderten Bedingungen ihrer Umwelt anpasst. Insofern schließt diese Arbeit
nicht nur eine Lücke in der weiter wachsenden Europäisierungsliteratur, sondern ergänzt auch das
umfassendere Forschungsthema des entstehenden europäischen Mehrebenenparlamentarismus um
einen relevanten Aspekt.
101
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