Malteser Deutschland gGmbH / Fachbereich Ethik / Duisburg, den 09.09.2016 / Ethische Fragestellungen bei Demenz / Seite 0 Ethische Fragestellungen bei Demenz Karin Gollan Fachbereich Ethik Malteser Deutschland gGmbH Dr. Peter-Felix Ruelius Zentralbereich Christliche Unternehmenskultur und Ethik BBT-Gruppe
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Ethische Fragestellungen bei Demenz · Fragestellung und ethisches Dilemma Malteser Deutschland gGmbH / Fachbereich Ethik / Duisburg, den 09.09.2016 / Ethische Fragestellungen bei
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Malteser Deutschland gGmbH / Fachbereich Ethik / Duisburg, den 09.09.2016 / Ethische Fragestellungen bei Demenz / Seite 0
Ethische Fragestellungen bei Demenz Karin Gollan Fachbereich Ethik Malteser Deutschland gGmbH
Dr. Peter-Felix Ruelius Zentralbereich Christliche Unternehmenskultur und Ethik BBT-Gruppe
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Was ist eine Patientenverfügung (PV)?
Eine schriftliche Willensbekundung des Verfügenden über dessen Behandlungswünsche (z.B. Abbruch oder Weiterführung von lebenserhaltenden Maßnahmen) in medizinischen Fragen im Falle seiner Äußerungs- und Einwilligungsunfähigkeit.
Die Ausgangsfrage der Patientenverfügung lautet: „Wie möchte ich behandelt werden, wenn ich mich selber dazu nicht mehr äußern kann?“
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Zustandekommen einer medizinischen Behandlung
Indikation des Arztes
Wille des Patienten
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Patientenverfügung – Blick in die Gesetzgebung
Einwilligungsfähiger Volljähriger Für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit Schriftlich In bestimmte Untersuchungen einwilligen oder untersagen Jederzeit formlos widerrufbar Keine Reichweitenbeschränkung: Geltung der PV unabhängig von Art und
Stadium einer Erkrankung des Betreuten Behandelnder Arzt prüft Indikation. Er und der Betreuer erörtern indizierte
Maßnahmen unter Berücksichtigung des Patientenwillens
Grundlage in § 1901a:
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Patientenverfügung
2. Situationen, in denen diese Verfügung gelten soll
Auszug Malteser Patientenverfügung
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Patientenverfügung und Demenz
Inwiefern kann der Zustand einer Demenz / die Lebensqualität bei Demenz in gesunden Tagen antizipiert werden?
Können Menschen mit Demenz noch eine Patientenverfügung erstellen, bzw. kann bei Menschen mit Demenz noch eine Einwilligungsfähigkeit attestiert werden?
Können Menschen mit Demenz ihre Patientenverfügung widerrufen?
Fragestellungen
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Patientenverfügung und Demenz
Es ist fraglich, ob alle Menschen, die eine Patientenverfügung erstellen, sich tatsächlich mit der Reichweite und den Konsequenzen auseinandersetzen.
Der Wunsch, leben zu wollen, kann sich mit dem Krankheitsempfinden ändern.
Die Vorstellung davon, was ein lebenswertes Leben ausmacht, kann sich mit dem Krankheitsempfinden ändern.
Es besteht ein Risiko, dass der vormals formulierte Wille nicht dem aktuellen Empfinden in der Situation entspricht.
Inwiefern kann der Zustand einer Demenz / die Lebensqualität bei Demenz in gesunden Tagen antizipiert werden?
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Patientenverfügung und Demenz
Der Deutsche Ethikrat spricht von einer „uneingeschränkten Selbstbestimmungsfähigkeit bei voller Entscheidungs- und Einwilligungsfähigkeit im Frühstadium der Demenz“.
(Demenz und Selbstbestimmung. Stellungnahme des Deutschen Ethikrats, 2012)
Können Menschen mit Demenz noch eine Patientenverfügung erstellen, bzw. kann bei Menschen mit Demenz noch eine Einwilligungsfähigkeit attestiert werden?
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Patientenverfügung und Demenz
Kontroverse Debatte darüber, welche Bedeutung dem „natürlichen Willen“ von Menschen mit Demenz bei Behandlungsentscheidungen eingeräumt werden soll.
Definition: Von einem natürlichen Willen spricht man juristisch, wenn eine Person einen Willen in Worten oder auch in körperlichem Abwehrausdruck äußert, aber nicht mehr voll über ihre kognitiven Fähigkeiten verfügt.
Können Menschen mit Demenz ihre Patientenverfügung wiederrufen?
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Patientenverfügung und Demenz
Nur freie und informierte Willensäußerungen entscheidungskompetenter Personen können sinnvoll als autonome Entscheidungen bezeichnet werden
Natürliche Willensäußerungen sind keine autonomen Äußerungen und fallen daher nicht unter das ethische Prinzip des Respekts vor der Autonomie
Nur ein kleiner Teil des nonverbalen Verhaltens sind Willensäußerungen Natürliche Willensäußerungen sind ethisch dann relevant, wenn die
autonomieorientierte Handlung nur gegen Widerstand der betroffenen Person ausgeführt werden kann
Konflikt zwischen natürlichem und vorausgefügtem Willen
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Patientenverfügung und Demenz
Menschen mit Demenz können über eine eingeschränkte Selbstbestimmungs-fähigkeit verfügen. Diese Teilautonomie / imperfekte Selbstbestimmung gilt es zu schützen.
Kann eine Entscheidungsunfähigkeit nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ist wegen der Unumkehrbarkeit des Unterlassens lebenserhaltender Maßnahmen lebensbe-jahenden Bekundungen der Vorrang vor anderslautenden Patientenverfügungen zu geben.
Autonomie nicht als Maß aller Dinge setzen, existenzielle Entscheidungen auch vom Wohlbefinden eines Menschen abhängig machen, unabhängig von seiner kognitiven und intellektuellen Leistungsfähigkeit
Konflikt zwischen natürlichem und vorausgefügtem Willen
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Patientenverfügung und Demenz
5. Verbindlichkeit und Widerruf
Auszug Malteser Patientenverfügung
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Patientenverfügung und Demenz
Beratung bei der Erstellung einer Patientenverfügung Alternative: Vorsorgevollmacht / Betreuungsverfügung Nutzung von Beratungsinstrumenten wie der Ethischen
Fallbesprechung. Ziel: gemeinsame, möglichst einvernehmliche Lösung für alle Betroffenen
Im Konfliktfall Einschaltung des Betreuungsgerichts Autonome Positionierung zum natürlichen Willen in der
Patientenverfügung Möglichkeit der Stellvertreterverfügung
Fazit
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Die Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit hat nicht nur einen zentralen biologischen Zweck, sie erfüllt auch wichtige soziale, religiöse und symbolische Funktionen.
Das gemeinsame Essen von Menschen, das Stillen des Kindes, das Anreichen der Mahlzeit bei kranken oder alten Menschen drückt soziale, familiäre Verbundenheit, Sorge und Zuneigung aus.
Ein Mensch, der unfähig wird, Nahrung zu sich zu nehmen, der diese willentlich oder unwillentlich verweigert, beunruhigt und erschreckt sein Umfeld.
Hintergrund
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Essen und Trinken sind für Menschen mit Demenz oftmals eine der verbliebenen Freuden
Mahlzeiten knüpfen an bekannte Abläufe an und helfen, den Tag zu strukturieren
Da Mahlzeiten meistens in Gemeinschaft aufgenommen werden, werden soziale Kontakte befördert
Menschen mit Demenz sollten solange wie möglich bei der selbständigen Nahrungsaufnahme unterstützt werden
Hintergrund
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Im Verlauf der Erkrankung kommt es dazu, dass die Betroffenen zu wenig Nahrung aufnehmen oder die Nahrungsaufnahme verweigern. Mögliche Gründe hierfür sind: Appetitlosigkeit Aufmerksamkeitsstörung Unruhe / erhöhter Energiebedarf Veränderter Geschmackssinn Zahnprobleme Pflegebedürftigkeit Schluckbeschwerden
Hintergrund
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Vor dem Hintergrund von starkem Gewichtsverlust und Mangelernährung stellt sich die Frage der künstlichen Ernährung: „Verhungern“ und „Verdursten“ oder künstliche Ernährung? Fürsorglichkeit versus Nichtschaden und Respekt vor der Autonomie
Fragestellung und ethisches Dilemma
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Eine Basisbetreuung steht jedem Menschen immer zu! Zur Basisbetreuung gehören:
„Menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung, Körperpflege, Lindern von Schmerzen, Atemnot und Übelkeit sowie Stillen von Hunger und Durst“
(Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung, 2011)
Dies bedeutet aber nicht immer die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr. Die künstliche Ernährung ist keine Basisbetreuung, sondern eine
medizinische Maßnahme.
Fragestellung und ethisches Dilemma
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Als medizinische Maßnahme bedarf die künstliche Ernährung einer Legitimation bezogen auf den jeweiligen Einzelfall: Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts (01.09.2009):
Der vorausverfügte oder mutmaßliche Wille eines Patienten ist maßgeblich unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung. Das gilt auch für die künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz.
Ist sie medizinisch indiziert? Bietet sie dem Patienten mehr Nutzen als Schaden? Entspricht sie dem Patientenwillen?
Fragestellung und ethisches Dilemma
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Zustandekommen einer medizinischen Behandlung
Indikation des Arztes
Wille des Patienten
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Kann die künstliche Ernährung folgende Aspekte positiv beeinflussen? Lebensverlängerung Verhinderung von Aspirationspneumonien Verbesserung des Ernährungszustands Verbesserung der Lebensqualität
Indikation / Nutzen
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Sterberate von Demenz-Patienten mit PEG (Sanders et al. 2009): 1 Monat 54 Prozent 3 Monate 78 Prozent 6 Monate 81 Prozent 1 Jahr 90 Prozent Demenz mit Nahrungsverweigerung = Krankheit im Endstadium
Lebensverlängerung
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Lassen sich mit künstlicher Ernährung nicht sicher vermeiden Eventuell vergrößert sich die Gefahr der Aspiration der Sondenkost
durch Aufstoßen oder Erbrechen
Aspirationspneumonien
Verbesserung des Ernährungszustandes Evtl. kurzfristig leichte Verbesserung, langfristiger Nutzen fraglich
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Kein sicherer Nachweis
Verschlechterung der Lebensqualität häufig durch Fixierung, lokale Komplikationen, fehlende Zuwendung bei der Anreichung von Nahrung
es gibt keine Hinweise dafür, dass eine PEG-Ernährung bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz die Überlebenszeit verlängert, Lebensqualität verbessert, Aspirationspneumonien verhindert und Mangelernährung mindert
Verbesserung der Lebensqualität
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Nicht das Krankheitsbild per se ist entscheidungsrelevant, sondern das
individuelle Nutzen-Schaden-Verhältnis.
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Künstliche Ernährung bei Menschen mit Demenz
Der Nutzen künstlicher Ernährung für Demenzpatienten ist fraglich
Künstliche Ernährung sollte nicht als Routinemaßnahme eingesetzt werden
Es muss ein klares Behandlungsziel geben, das erreicht werden kann
Wird mit einer künstlichen Ernährung begonnen, muss regelmäßig überprüft werden, ob das ursprüngliche Behandlungsziel fortbesteht und weiterhin erreicht werden kann.
Fazit
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Umgang mit Herausforderndem Verhalten
Mit dem Krankheitsverlauf zunehmend können Menschen mit Demenz ihre Bedürfnisse und Probleme nicht mehr adäquat verbal mitteilen.
Diese wachsende Einschränkung der Kommunikation führt dazu, dass die Betroffenen ihre Bedürfnisse mehr und mehr über ihr Verhalten äußern müssen.
Auslöser für solche Verhaltensformen können ein situativer, persönlicher Kontrollverlust, eine neue Umgebung oder Pflegesituation oder physiologische Gründe (Hunger, Durst, Schmerz…) sein
Hintergrund
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Umgang mit Herausforderndem Verhalten
Agitation
Erhebliche Unruhe / Umherwandern
Depressivität
Angst
Aggressivität
Häufige Formen
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Umgang mit Herausforderndem Verhalten
Diese Verhaltensformen haben für denjenigen, der sich verhält, Sinn, sind sinnhafter Ausdruck der menschlichen Psyche
Die Bewertung, ob ein Verhalten als herausfordernd Wahrgenommen wird, liegt bei der Person, die mit dem Menschen mit Demenz interagiert
Oft reagiert die Umwelt mit Unverständnis und Abwehr, weil sie das Verhalten nicht richtig deuten und verstehen kann, was wiederum leicht zur Verstärkung dieser Verhaltensweisen bei Menschen mit Demenz führen kann.
Hintergrund
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Umgang mit Herausforderndem Verhalten
Das auf den ersten Blick nicht situationsgerechte, sozial unangepasste Verhalten wird in der Fachsprache als sogenanntes „Herausforderndes Verhalten“ bezeichnet.
Dieser Begriff will ausdrücken, dass das beschriebene Verhalten an das Umfeld von Menschen mit Demenz Anforderungen im Umgang stellt.
Auch der Begriff „Herausforderndes Verhalten“ ist Anlass ethischer Reflexion, da er bereits eine Einordnung von Verhaltensweisen als herausfordernd vornimmt. Als ein alternativer Begriff wird in der Literatur z.B. „ungewohnte Verhaltensweisen“ vorgeschlagen.
Begriffserklärung
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Umgang mit Herausforderndem Verhalten
Die empfundenen Störfaktoren rücken in den Mittelpunkt der Betrachtung, die vermieden oder beeinflusst werden sollen.
Will man ausschließlich die Störung abstellen, verliert man den Blick auf den Sinngehalt des Verhaltens.
Wenn Menschen daran gehindert werden, Einfluss auf ihre Umgebung auszuüben und sich auszudrücken, erleben sie eine Einengung und Verletzung ihrer Selbstbestimmung.
Dies würde sowohl dem Wohlbefinden des Menschenmit Demenz schaden als auch seine Würde verletzen.
Gefahr von Werteverletzung
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Umgang mit Herausforderndem Verhalten
Mit Verständnis für die Ursache kann herausforderndes Verhalten als situativ sinnvolles Verhalten umgedeutet werden.
Dies erfordert eine intensive Beobachtung und Kenntnis der Biografie, einen flexiblen und kreativen Umgang.
Warum verhält sich die Person so? Was sind ihre Motive? Welche Faktoren tragen zum Verhalten bei?
Perspektivenwechsel
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Umgang mit Herausforderndem Verhalten
Bedürfnisse von Menschen mit Demenz, andern Bewohnern oder Patienten, der Versorgenden oder der Organisation treffen aufeinander. Hieraus können sich widersprüchliche Anforderungen ergeben.
Für solche Konflikte gibt es keine Standardlösungen
Sie benötigen eine systematische Analyse und einen hierarchieflachen, transparenten Diskurs aller Beteiligten
Eine Frage der Gerechtigkeit
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Ethische Fallbesprechung
„Ethische Fallbesprechung auf Station ist der systematische Versuch, im Rahmen eines strukturierten, von einem Moderator geleiteten Gesprächs mit einem multidisziplinären Team innerhalb eines begrenzten Zeitraumes zu der ethisch am besten begründbaren Entscheidung zu gelangen.“
(Steinkamp & Gordijn, 2003)
Definition
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Ethische Fallbesprechung
Ergebnissicherung und Empfehlung
Maßnahmensammlung / -beurteilung
Sammlung der Fakten
Klärung von Anlass und Fragestellung
Durchführung
Fragebogen als Leitfaden zur Moderation
Protokoll- bogen zur Dokumen- tation
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Ethische Fallbesprechung Faktensammlung
Pflegerische Gesichtspunkte Soziale
Gesichtspunkte
Psychische Gesichtspunkte
Medizinische Gesichtspunkte
Kommunikations- fähigkeit Spirituelle
Gesichtspunkte
Biographische Gesichtspunkte
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Ethische Fallbesprechung
Notieren Sie spontan alle Möglichkeiten, die zur Lösung des Problems beitragen könnten, auch solche, die Ihnen zunächst abwegig und kaum umsetzbar erscheinen. Denken Sie auch an die Möglichkeit, externe Dienste oder Personen hinzuzuziehen.
Maßnahmensammlung und Bewertung
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Ethische Fallbesprechung
Sie die einzelnen Maßnahmen nach den folgenden Kriterien und notieren Sie dazugehörende Bewertungssymbole. + Maßnahme erfüllt das Kriterium. – Maßnahme verstößt gegen das Kriterium. ? Es ist unbekannt / unklar / umstritten, ob die Maßnahme das Kriterium erfüllt.
Auto-nomie
Biogr. Integrität
Fürsorglich-keit Nutzen Schaden Nachhaltig-
keit Gerechtig-
keit
Maßnahmensammlung und Bewertung
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Ethische Fallbesprechung
Auswahl der Maßnahme(n)
Benennung der nächsten Schritte
Plan zur Erfolgskontrolle
Ergebnis und Empfehlung
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