Christoph Bidlingmaier Pädiatrische Hämostaseologie Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München Es blutet. Und nun ?
Christoph Bidlingmaier Pädiatrische Hämostaseologie Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität Munchen
Es blutet. Und nun ?
Blutgerinnung: Reaktion von 3 Systemen
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
1. Gefäßwand
Vasopathien Vaskulitiden
2. Thrombozyten
Thrombozytopenien Thrombozytopathien
3. Plasmatische Gerinnung
Hämophilie von Willebrand ...
www.wfh.org
Klinische Orientierungshilfe
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
Petechien Thrombozyten, Gefäße
Hauthämatome Häm A/B, vWS, Thrombozyten
Nasenbluten HNO, Allergie, mechanisch, Thrombozyten, vWS, M. Osler
Menorrhagien vWS, Thrombozytopenie/-pathie, FX
gastrointestinal vWS, Häm A/B, erworb. Thrombozytopathie
Hämaturie vWS, Häm A/B, Thrombozyten
Muskelblutungen Häm A/B, FXIII
Gelenkblutungen Häm A/B, schweres vWS, FX
ICH Gefäßunreife, Häm A/B, vWS, Fibrinogen, Thrombozyten
NG Nabelblutungen Mangel an F XIII, Fibrinogen, V, VII, X
OP Nachblutungen direkt: Thrombozytopenie/-pathie, vWS, Chirurg
später: Häm A/B, F XIII, FVII, FXI, Gefäßstumpf
Wundheilung F XIII (auch erworben)
Bidlingmaier C, Olivieri M, Kurnik K. Monatsschrift Kinderheilkunde (2012) 152(5): 538-44
Angeborene Störungen der Thrombozyten
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
angeborene Störungen mit normaler Zahl
z.B. Thrombasthenie Glanzmann
z.B. Storage-Pool-Defekte, Grey-Platelet-Syndrome
angeborene Störungen mit erniedrigter Zahl
z.B. Bernard-Soulier-Syndrom
z.B. Wiskott-Aldrich-Syndrom
z.B. Trisomie 13 und 18
Grey-Platelet-Syndrom
Bernard-Soullier-Syndrom
Wiskott-Aldrich-Syndrom
Erworbene Störungen der Thrombozyten
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
erworbene Störungen mit normaler Zahl
Medikamente: Thrombozytenaggregationshemmer (ASS…),
Antibiotika (Amoxicillin…), Antikonvulsiva (Valproat…),
Dextrane…
erworbene Störungen mit erniedrigter Zahl
immunologisch: ITP, NAITP, Autoimmunerkrankungen,
Medikamente, Massivtransfusionen
infektiologisch: Sepsis
Systemerkrankungen: maligne, Speicherkrankheiten
mikroangiopathisch: HUS, TTP, DIC, AV-Malformationen
andere: Splenomegalie, Hypothermie,
zyanotische Vitien
Störungen der Thrombozyten - Diagnostik
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
(Medikamenten)-Anamnese
Thrombozytenzahl und Morphologie
PFA 100 (Plättchen-Funktions-Analyse, „in vitro-Blutungszeit“)
„klassische“ in vivo – Blutungszeit
Thrombozytenaggregationsteste (Born) / Multiplate
Bestimmung der Thrombozyten-Rezeptoren (z.B. GP IIbIIIa - M.Glanzmann)
Sekretionsteste, Elektronenmikroskopie, Genetik
Diagnostik in spezialisierte Zentren, z.B. unter
www.gth-online.org -> Pädiatrische GTH -> Kompetenznetzwerk
Was ist Hämophilie ?
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
X chromosomal vererbt
Häm A (Faktor VIII): 1 : 10 000
Häm B (Faktor IX): 1 : 40 000
Blutungsneigung altersabhängig:
Sgl./Kleinkinder: Hämatome, Lippenbändchenblutung, Weichteil-, Gelenkblutungen
Kinder: Gelenkblutungen, Muskel- blutungen
Jugendliche: Muskel-, Gelenk-, Nieren- blutungen
Gefährlich: Kopfverletzungen !
CAVE: Überträgerinnen (Schwestern, Mütter, ...) haben oft erniedrigte Faktorspiegel und können eine erhebliche Blutungsneigung zeigen!
Wie bekommen Sie es raus?
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
oft positive Familienanamnese (in ~ 2/3 bekannt)
PTT massiv verlängert, Quick, Fibrinogen und Thrombozyten normal
Faktor VIII bzw. IX stark erniedrigt
genetische Analyse möglich und sinnvoll
Informationen: www.wfh.org
Schwere Hämophilie: < 1% Regelhaft verstärkte Blutungen auch bei minimalen Traumata oder spontan.
Normaler Faktorspiegel: 70 – 120 %
Leichte Hämophilie: 5 – 25% Verstärkte Blutungen bei Trauma oder Operationen
Mittelschwere Hämophilie: > 1 – 5% Deutlich verstärkte Blutungen bei Trauma oder Operationen, verstärkte Blutungen nach inadäquaten Traumata
Was tun am Beispiel der schweren Hämophilie A
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
Bedarfsbehandlung
plasmatischer oder rekombinanter Faktor VIII / IX
50 E / kg KG langsam iv, ggfs. Wiederholung nach 8 – 12 – 24 Std.
besser zu oft als zu selten oder zu spät !
ausreichend hoch dosiert und ausreichend lang !
Dauersubstitution
eher früher, niedrig dosierter Start (1 x 25 E /kg / Woche)
später i.d. Regel 3 x / Woche 20 – 40 E / kg KG
durch Arzt / Eltern oder Patienten selbst
Schwere Blutungen seltener
weniger Blutungen = weniger Behinderung Hauptnebenwirkung: Antikörper gegen Faktor VIII in bis zu 30%
Was ist das von-Willebrand-Syndrom
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
häufigste angeborene Blutungsneigung
Prävalenz 1:100 (laborchemisch)
1:10.000 (klinisch relevant)
Typ 1 / Typ 3: quantitativ Typ 2: qualitativ
Klinisch: primär Schleimhautblutungen (Nasenbluten / Zahnfleischbluten / Monatsblutungen)
Wie diagnostizieren Sie ein vWS?
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
Eigenanamnese
(Blutungszeichen, Vorgeschichte, Medikamente)
(erworbenes vWS ?)
Familienanamnese
PTT meist normal !
Ristocetin Kofaktor + von Willebrand Faktor Antigen
(PFA 100)
Multimerenuntersuchung zur Typisierung
Genetik
Was tun bei von Willebrand Syndrom ?
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
1.Minirin® (DDAVP)
Bei kleineren Blutungen, vWS Typ I, ggfs. Typ IIa
Ausschüttung körpereigener Willebrand Faktor und Faktor VIII
CAVE: Flush, Kopfweh, Übelkeit, Hypervolämie, Hyponatriämie
CAVE: TACHYPHYLAXIE !
Nicht bei Kindern < 4 Jahren
eher nicht bei ZNS Erkrankung
Dosis:
i.v. 0,2 – 0,4 µg/kg in 50 ml NaCl 0.9% über 30 min. Nasal 150-300 µg, = 1 bzw. 2 Hub s.c. 0,3 µg/kg
2. Faktorenkonzentrat (z.B. Haemate®)
Seltene angeborene Gerinnungsstörungen
Faktor Mindestspiegel Halbwertszeit Globalwerte
I (Fibrinogen)
50 mg/dl 96 – 120 h Alles pathologsich
II 20 % 48 – 60 h Quick PTT
V 10 – 15 % 12 – 15 h Quick PTT
VII 10 % 2 – 4 h Quick n -
X 20 % 24 – 48 h Quick PTT
XI 15 – 20 % 60 – 80 h PTT
XIII 2 – 3 % 100 – 120 h Alles normal
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
Häufigkeit: 1 : 500.000 – 1 : > 1.000.000 für schweren Mangel
Seltene angeborene Gerinnungsstörungen
Faktor Mindestspiegel Halbwertszeit Globalwerte
I (Fibrinogen)
50 mg/dl 96 – 120 h Alles pathologsich
II 20 % 48 – 60 h Quick PTT
V 10 – 15 % 12 – 15 h Quick PTT
VII 10 % 2 – 4 h Quick n -
X 20 % 24 – 48 h Quick PTT
XI 15 – 20 % 60 – 80 h PTT
XIII 2 – 3 % 100 – 120 h Alles normal
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
Häufigkeit: 1 : 500.000 – 1 : > 1.000.000 für schweren Mangel
Überlegungen zur Präanalytik
Blutentnahme:
kurz Stauen
kein Stochern
kein stundenlanges Quetschen
kein Schaum
kein Gerinnsel
gefüllte Monovetten sofort mischen
Blutentnahme nur wenn indiziert !
möglichst nicht aus Katheter !
Transport:
möglichst rasch ins Labor aber nicht per Rohrpost !
gefüllte Monovetten nicht in den Kühlschrank
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
Citrat zu Vollblut 1:9 oder gar nicht !
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
1
2
3
4
5
5,5
1 1
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1
X
PTT 48 s PTT 34 s
Andrew et al., Chang et al., Klarmann et al., Monagle et al.
Mit etwa 3-6 Monaten sind die meisten Werte „normal“
Altersabhängige Normwerte!
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
PTT und Quick erfassen einiges Wichtiges
Kitchens, JTH 2005 Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
Das ist gut aber selten !
Aber leider meist Irrelevantes
Kitchens, JTH 2005
> 98%
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
Das ist leider sehr häufig (15% aller aPTTs sind auffällig!)
Und verpassen regelhaft wirklich Relevantes !
Kitchens, JTH 2005 Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
Und das führt zu einer fatalen falschen Sicherheit!
Standardisierte Anamnese
keine Taboos!
Fragebogen rechtzeitig vor OP den Eltern geben
Fragen besprechen
Sehr ähnlich unter www.netzwerk-von-willebrand.de auch in anderen Sprachen.
Leitlinien zur präoperativen Diagnostik
Land Jahr Status Standardisierte
Anamnese
aPTT wenn Anamnese
positiv
aPTT
immer
Quelle
USA
ENT Society
ICSI
Seit 1995
2008 (8th ed.)
Leitl.
Leitl.
JA
JA
JA
JA
NEIN
NEIN
ENTNET
ICSI
UK
NICE
B. Com. Stand. Hem.
2003
2008
Leitl.
Leitl.
JA
JA
JA
JA+ vWD
NEIN
NEIN
Nice.org
BJH
Österreich
Anaesthesie
2007 (1996)
Kons.
JA
JA oder ASA >2
NEIN
Anaesthesist
Deutschland DGAI / DGHNO / GTH / DGKJ
2006
Kons.
JA
JA+ vWD (auch bei Zweifeln)
NEIN
DÄ
Deutschland DGHNO
2011 Leitl.
ADENO-
TOMIE
JA JA+ vWD (auch bei Zweifeln)
NEIN AWMF
017/021
Komp. Haemost.
Saarland / Rheinland
Pfalz
2008
2009
Empf.
Empf.
JA
JA
--
--
JA
JA
SÄ
RPÄ
Fresh Frozen Plasma (FFP)
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
ausgewogen pro- und antikoagulatorische Faktoren
alles drin, auch Faktor V und XI
keine/kaum Gerinnungsaktivierung, feuert Verbrauch kaum an
Cave: Volumenbelastung
Cave: dauert (Auftauen)
Citratbelastung
TRALI
nicht virusinaktiviert
Dosis:
1 ml FFP / kg = Anstieg der Faktoren um 1-2 %
Fibrinogen (Haemocomplettan®)
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
Endstrecke der Gerinnung
darauf kommt‘s an !
sinkt bei Blutung rasch ab
Fibrinogen zumindest > 100 mg/dl halten
mit FFP schwierig (Volumen!)
Heizt Verbrauch evtl an.
Dosis:
20 – 40 mg / kg KG
(gewünschter Anstieg x Plasmavolumen)
Rekombinanter Faktor VIIa (NovoSeven®)
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
in supraphysiologischer Dosierung -> Thrombinburst
hoch stabiles Fibringerinnsel
Vorraussetzung ist:
dass Fibrin da ist !
dass Thrombozyten da sind !
ph > 7.2, Normothermie
Viele off label Beschreibungen (z.B. auch als Lavage bei Lungenblutung)
kaum Zulassungen
Dosis: 90 – 120 (- 270) mg/kg iv (Lavage z.B. 50 mg/kg in 50 ml NaCl)
Tranexamsäure (Cyklokapron®)
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
bei Hyperfibrinolyse (Trauma, Hypothermie, DIC, OPs an Pankreas, Leber, Ovar, Blase, Leber, Lunge, Nebenniere, Geburten)
unspezifisch bei Schleimhautblutungen (auch lokal)
ggfs. Injektionslösung oral geben
ggfs. als Spülung (z.B. Magen), ggfs. intramural (Bronchien)
ggfs. per inhalationem
Cave Thrombosen bei iv-Gabe
Vorsicht bei Hämaturie
Dosis:
3 x 10 – 20 mg/kg per os
1 mg/kg/h i.v. (ggfs. mit Bolus 10 mg/kg)
Faktor XIII (Fibrogammin®)
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
bei langdauernden Schleimhautblutungen an Verbrauch denken
z.B. bei Colitis, Mucositis, ...
bei Wundheilungsstörung (Verbrennungen !)
ggfs. auch bei Massivblutungen zusätzlich zum ganzen Rest
Dosis:
1 E / kg KG erhöht Faktorspiegel um 1 - 2 %
Spezifische Faktoren-Konzentrate
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
am effektivsten bei bekannter Gerinnungstörung
Verfügbar für FI, VII, VIII (+/- VWF), IX, X, XIII
FXI theoretisch verfügbar (Haemoleven, LFB), ggfs FFP
kein FV Konzentrat verfügbar (ggfs. über FFP oder TK)
Dosis
1 E / kg KG erhöht Faktorspiegel um 1 - 2 %
auf Halbwertszeit achten !
Nicht vergessen:
Dr. von Haunersches Kinderspital
Universität München
Nicht den Laborwert
sondern
das klinische Problem behandeln !
Pädiatrische Hämostaseologie München
PD Dr. Karin Kurnik
PD Dr. Christoph Bidlingmaier Dr. Martin Olivieri Dr. Sebastian Hütker
Tel.: 089-5160-2853 / -2811
24h: 0172-9062397
www.kinder-gerinnung.de