Erwartungen an die Schulleitung aus Sicht der Schulentwicklungsforschung Martin Bonsen Universität Münster 01.09.2013 Martin Bonsen 2 1. Veränderte (erweiterte) Aufgaben der Schulleitung 2. Empirische Forschung zur Bedeutung von Führung in der Schule 3. Empirische Forschung zur Schulleitung und Unterrichtsentwicklung 4. Lehren zur erfolgreichen Schulleitung aus der turnaround- Forschung 5. „Verteilte Führung“ 6. Fazit
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Erwartungen an die Schulleitung aus Sicht der SchulentwicklungsforschungMartin BonsenUniversität Münster
01.09.2013Martin Bonsen 2
1. Veränderte (erweiterte) Aufgaben der Schulleitung
2. Empirische Forschung zur Bedeutung von Führung in der Schule
3. Empirische Forschung zur Schulleitung und Unterrichtsentwicklung
4. Lehren zur erfolgreichen Schulleitung aus der turnaround-Forschung
5. „Verteilte Führung“
6. Fazit
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„Eine gut funktionierende Schule war bislang diejenige, die als bürokratische Organisationseinheit nach der Vorgabe übergeordneter Kenn- und Grenzwerte klaglos arbeitete. Als Schulleitung bewährte sich vorwiegend, wer ein guter „Befehlsempfänger“ und „-weitergeber“ mit dem Ziel einer reibungslosen Verwaltung von Schule war. Die Rahmenbedingungen der zentral gesteuerten Schule waren klar (d.i. hierarchisch) strukturiert und über den Verordnungsweg „von oben nach unten“ reguliert.“
Das traditionelle Rollen- und Aufgabenverständnis der Schulleitung:
Quelle: Schratz 1998, 95f.
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• Budgetverwaltung
• Personalwirtschaft
• Schulweites Curriculum und Stundenplanentscheidungen
• Schulprogrammerstellung
• Fortbildungsplanung
• Interne Evaluation/Qualitätsentwicklung
• Dienstvorgesetztenfunktion
Teil-Autonomie von Schulen
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„Kompetenzprofil für Schulleiterinnen und Schulleiter(Modellprojekt ‚Selbstständige Schule’ NRW, 2003)
• Sie tragen die besondere Verantwortung für die Entwicklung und Sicherung der Qualität schulischer und unterrichtlicher Arbeit
• Sie entscheiden eigenverantwortlich (jedoch im Rahmen der Beschlussfassungen der Schulkonferenz) über Fragen der Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung
• Sie stellen Personal ein
• Sie sind Dienstvorgesetzte der Lehrerinnen und Lehrer, haben in diesbezüglichen Entscheidungen jedoch die Mitwirkungsrechte der Lehrerräte zu berücksichtigen
• Sie entscheiden über die Bewirtschaftung ihres Schuletats im Rahmen von erweiterten Budgets
• Sie sorgen dafür, dass der Grundsatz der Gleichberechtigung an der von ihnen geleiteten Schule umgesetzt wird.
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• Strategische Führung und Zielentwicklung (Schulprogrammarbeit: die spezifischen Notwendigkeiten der Situation „vor Ort“ mit zentralen Vorgaben, in der Regel einem nationalen Curriculum, in Einklang bringen)
• Nutzung von Daten aus Leistungsvergleichen und Abschlussprüfungen zur Beobachtung der Entwicklung des schulischen „Outputs“
• Entwicklung von Kompetenzen zum Umgang mit Daten, (Interpretation und Ableitung von konkreten Schlussfolgerungen für die pädagogische Arbeit)
Zentrale Aufgaben der Schulleitung international (Pont u.a. 2009)
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• Motivation der Lehrerinnen und Lehrer,
• Leistungsfähigkeit und
• Arbeitsbedingungen beeinflussen.
• Lehrerevaluation,
• Systematisierung von Fortbildung und
• Förderung von Kooperation.
Woran die Schulleitung arbeiten kann, um den Professionalisierungsgrad der Lehrkräfte zu erhöhen (Pont u.a. 2009)
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1. Veränderte (erweiterte) Aufgaben der Schulleitung
2. Empirische Forschung zur Bedeutung von Führung in der Schule
3. Empirische Forschung zur Schulleitung und Unterrichtsentwicklung
4. Lehren zur erfolgreichen Schulleitung aus der turnaround-Forschung
5. „Verteilte Führung“
6. Fazit
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• Leitbildern und Zielen der Schule(Bamburg & Andrews 1990; Duke 1982)
Schulleitung = bedeutsame Einflussgröße neben anderen Schulmerkmalen
…sowie zur Schuleffektivität:
(Quelle: Bonsen 2010)
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• Was machen Schulleitungen an guten Schulen anders als Schulleitungen an weniger guten („verbesserungsbedürftigen“) Schulen?
• 35 zufällig ausgewählte Schulen (GS, GYM, IGS in NRW)
• Identifikation guter bzw. verbesserungsbedürftiger Schulen: umfassende Qualitätserhebung mit Fragebögen für Lehrkräfte, Schüler/innen und Eltern (vgl. Fend 1998)
• Einschätzungen der Schulleitungen durch die Lehrkräfte (Fragebogen)
• Ziel: Unterschiede in der Schulleitung an guten und verbesserungsbedürftigen Schulen abbilden
• Forschung zu „turnaround organisations“ im nicht-schulischen Sektor(z. B. Murphy, 2008, 2009, 2010b)
• 7 Thesen (Bonsen & Frey in Vorb.)
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• Tiefgreifender Wandel nicht bottom-up sondern top-down
• Wechsel der Führungsspitze (Murphy, 2009)
• solide Expertise im Kernbereich der Leistungserbringung (Experten für guten Unterricht)
• auf allen Ebenen der Schulorganisation auf Unterricht fokussieren (und auf Maßnahmen, die den Unterricht direkt beeinflussen)
• externe Anlässe (z.B. Schulinspektion) als Einstieg in Veränderungsarbeit (Harris & Chapmann, 2002)
1. Führung ist zentral
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• Verschärfung der Krise:
• Probleme ignorieren und verneinen (z.B. Datenerhebungsmethoden und Interpretationen anzweifeln)
• Rückzug, Absenken der eigenen Erwartungen
• Sündenböcke suchen
• Fakten falsch interpretieren und schlechte Ergebnisse rechtfertigen (Murphy, 2010b)
• Schulleitungen sollten schnell handeln, Krise offen ansprechen und einen „aggressiven Zeitplan“ vorlegen (ebd.)
2. Nicht aufschieben, zügig handeln!
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3. Konzertieren, bündeln, zentralisieren
• Organisationen „wachsen sich nicht gesund“
• Erfolgreiche Umsteuerungen beginnen mit Konzentration und Einschränkungen (Murphy, 2010a)
• Bündelung von (knappen) Ressourcen, Konzertierung sämtlicher Aktivitäten
• Kurzfristig: Führung nicht dezentralisieren, sondern zentralisieren (Murphy, 2010a, S. 95)
• Mittel- und langfristig: andere in Führungsverantwortung einbeziehen, Lehrerteams etablieren, Führungsfunktionen auf andere Personen übertragen (Harris & Chapman, 2002)
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4. Planvoll und kohärent vorgehen – bloß kein Stückwerk!• Wirksame Umsteuerungsbemühungen erfolgen im auch
Schulkontext nicht stückweise, sondern nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ (Hess & Gift, 2009, S. 3)
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• Transformation der Organisationskultur (individuelle Erwartungen und dysfunktionaler Routinen)
• Lehrkräfte: Motivation und Qualifikation, notwendige Reformmaßnahmen in Handlung umzusetzen (Hess & Gift, 2009)
• Schulleitung: klare Erwartungen und eigene Vision; lebt im Schulalltag das vor, was sie von anderen erwarten (Murphy, 2010b; Harris & Chapman, 2002).
5. Arbeit an der Schulkultur
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• Erfolgreiche Schulleitungen sind problemorientiert undmitarbeiterbezogen. Sie stellen die Bedürfnisse der Organisation nicht über die Bedürfnisse der Mitarbeiter.
• Betonung des Gemeinschaftsgedankens und Intensivierung von Kooperation zwischen Lehrkräften (Harris & Chapmann, 2002).
6. Die Lehrkraft nicht vergessen!
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1. Veränderte (erweiterte) Aufgaben der Schulleitung
2. Empirische Forschung zur Bedeutung von Führung in der Schule
3. Empirische Forschung zur Schulleitung und Unterrichtsentwicklung
4. Lehren zur erfolgreichen Schulleitung aus der turnaround-Forschung
5. „Verteilte Führung“
6. Fazit
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… „Strong Professional Community“:
• Gegenseitige Unterrichtsbesuche
• Reflektierender Dialog
• Unterrichtsbezogene Kooperation
• Begleitung neuer Lehrkräfte in der Schule
• Gemeinsame Verantwortungsübernahme für die Schulentwicklung
• Fokussierung auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler (Bryk 2010)
• Meta-Analyse „Professional Communities and student achievement“: d = .25 (Lomos et al. 2011)
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• Führung in der Organisation ist mehr als die Summe der Einflusskrafteinzelner Akteure
• konzertierte Einflussnahme: Führung durch viele Individuen,die aber konzertiert, d.h. strukturell präformiertund abgestimmt agieren
Distributed Leadership
(Quelle: Gronn 2002; Bonsen 2010)
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1. spontane, aufgabenbezogene Zusammenarbeit
2. gemeinsame Rollenübername durch zwei oder mehrere Personen, die dann nach einem geteilten Verständnis agieren
• Delegation von Führungsaufgaben (erfordert Personalentwicklung):
• Erweiterte Schulleitung
• Steuergruppe
• Fachgruppenarbeit in Professionellen Lerngemeinschaften
• …
Schulleitung bedeutet Arbeit an und mit Strukturen
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1. Veränderte (erweiterte) Aufgaben der Schulleitung
2. Empirische Forschung zur Bedeutung von Führung in der Schule
3. Empirische Forschung zur Schulleitung und Unterrichtsentwicklung
4. Lehren zur erfolgreichen Schulleitung aus der turnaround-Forschung
5. „Verteilte Führung“
6. Fazit
01.09.2013Vorname Name Autor/-in 38
• organisieren
• das Personal entwickeln
• Kooperation anregen und unterstützen
• Innovieren / den status quo herausfordern
• Stückwerk vermeiden / einen Masterplan herausarbeiten (Leitbild, Schulentwicklungsprogramm)
• Zielbezogen führen
• Führung (ver)teilen
Anforderungen an die Schulleitung aus Sicht der Schulentwicklung
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!
Martin BonsenUniversität Münster
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Literatur:
Bonsen, M., Gathen, J., & Pfeiffer, H. (2002). Wie wirkt Schulleitung? Schulleitungshandeln als Faktor für Schulqualität. In H.-G. Rolff, H. G. Holtappels, K. Klemm, H. Pfeiffer & R. Schulz-Zander (Eds.), Jahrbuch der Schulentwicklung, Band 12 (pp. 287-322). Weinheim, München: Juventa.Bonsen, M. (2010). Schulleitungshandeln. In H. Altrichter & K. Maag Merki (Eds.), Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem (pp. 277-294). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.Bonsen, M. (2010). Distributed leadership in der Schule. Erziehung und Unterricht, 160(7-8), 619-627. Bonsen, M., & Frey, K. A. (im Druck). Failing schools und turnaround schools. In R. Arnold & T. Prescher (Eds.), Schulentwicklung systemisch gestalten - Wege zu einem lebendigen und nachhaltigen Lernen in Schule und Unterricht. Köln: Wolter Kluwer.Bruggencate, G. C. t. (2009). Maken schoolleiders het verschil? Onderzoek naar de invloed van schoolleiders op de schoolresultaten. Enschede: PrintPartners Ipskamp B.V.Bryk, A. S. (2010). Organizing Schools for Improvement. Phi Delta Kappan, 91(7), 23-30. Bryk, A. S., Sebring, P. B., Allensworth, E., Luppescu, S., & Easton, J. Q. (2010). Organizing Schools for Improvement: Lessons from Chicago: University of Chicago Press.Gronn, P. (2002). Distributed Leadership. In K. Leithwood, P. Hallinger, K. Seashore-Louis, G. Furman-Brown, P. Gronn, W. Mulford & K. Riley (Eds.), International Handbook of Educational Leadership and Administration. Dordrecht: Kluwer.Harris, A., & Chapman, C. (2002). Effective Leadership in Schools Facing Challenging Circumstances. NCSL: National College for School Leadership.Hess, F. M., & Gift, T. (2009). School Turnarounds: Resisting the Hype, Giving Them Hope. Education Outlook No. 2. Washington, DC: American Enterprise Institute for Public Policy Research.Kendrick, R. (2008). Turning Around America's Worst Schools. The American(April 8). Kowal, J., Hassel, E. A., & Hassel, B. C. (2009). Successful School Turnarounds: Seven Steps for District Leaders. Issue Brief. Washington, DC: Center for Comprehensive School Reform and Improvement.Lomos, C., Hofman, R. H., & Bosker, R. J. (2011). Professional communities and student achievement - a meta-analysis. School Effectiveness and School Improvement, 22(2), 121-148. Murphy, J. (2008). The Place of Leadership in Turnaround Schools: Insights from Organizational Recovery in the Public and Private Sectors. Journal of Educational Administration, 46(1), 74-98. Murphy, J. (2009). Turning Around Failing Schools: Policy Insights from the Corporate, Government, and Nonprofit Sectors. Educational Policy, 23(6), 796-830. Murphy, J. (2010a). Nine Lessons for Turning around Failing Schools. Kappan, 91(8), 93-97. Murphy, J. (2010b). Turning around Failing Organizations: Insights for Educational Leaders. Journal of Educational Change, 11(2), 157-176.MSKJ. (o.J., 02.09.2008). Kompetenzprofil für Schulleiterinnen und Schulleiter im Rahmen des Modellprojekts “Selbstständige Schule.Pont, B., Nusche, D., & Moorman, H. (2008). Improving School Leadership. Volume 1: Policy and Practice. Paris: OECD.Schratz, M. (1998). Neue Rollen und Aufgaben für Schulleitung und Schulaufsicht. In A. Dobart (Ed.), Schulleitung und Schulaufsicht (pp. 93-116). Innsbruck, Wien: StudienVerlag.