ERP-Auswahl bei einem mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger www.ec-net.de Praxisbeispiel Dezember 2007 Sebastian Klüpfel, Till Ruben Erny
ERP-Auswahl bei einem mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
www.ec-net.de
Praxisbeispiel
Dezember 2007
Sebastian Klüpfel, Till Ruben Erny
Sebastian Klüpfel
Till Ruben Erny
Praxis-Beispiel
ERP-Auswahl bei einem mittelständischen
Serien- und Auftragsfertiger
Dezember 2007
Projektträger & Projektbeteiligte II
Projektträger & Projektbeteiligte
Netzwerk Elektronischer Geschäftsverkehr
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unterstützt seit Mitte
1998 insgesamt 25 regionale Kompetenzzentren sowie ein Branchenzentrum
(Handel) für den elektronischen Geschäftsverkehr. Ihre Aufgabe ist es, kleine
und mittlere Unternehmen sowie das Handwerk in ihrer jeweiligen Region
zum Thema Elektronischer Geschäftsverkehr (E-Business)
neutral zu informieren,
konkret zu beraten und Hilfestellung zu geben sowie
durch Schulungen und Seminare das Know-how zu steigern.
Es besteht für diese Zielgruppe aber nicht nur ein Bedarf an allgemeiner In-
formation und Beratung zu diesem Thema. Gerade spezielle Anwendungsbe-
reiche des E-Business erfordern qualifiziertes Wissen über passende Lösun-
gen. Deshalb beraten die Kompetenzzentren im Netzwerk auch in so unter-
schiedlichen Bereichen wie IT-Sicherheit, Funktechnologie (RFID), Kunden-
beziehung (CRM) oder elektronische Beschaffung.
Mainfränkisches Elektronik Commerce Kompetenz-
zentrum (MECK)
Das Mainfränkische Electronic Commerce Kompetenzzentrum MECK setzt
sich seit 1998 das Ziel, Electronic Commerce (eCommerce), die Abwicklung
von Geschäftsprozessen über Netze (z. B. das Internet), eines der schillern-
den Schlagworte aus dem Bereich der IT-Industrie auch den Unternehmen in
der Region Mainfranken und hier speziell den kleinen und mittelständischen
Unternehmen zugänglich zu machen. Hier sollten die Potenziale der digitalen
Geschäftsprozessabwicklung nutzbar gemacht werden, sowie die Sicher-
heitsmängel im Internet, rechtliche Rahmenbedingungen beim Handel über
das Internet und Möglichkeiten von Bezahlsystemen im Netz den Unterneh-
men verdeutlicht werden. Auch die Vermittlung der betriebswirtschaftlichen
III Projektträger & Projektbeteiligte
Potenziale bereits verfügbarer Technologien und Ausblicke in die Zukunft
gehörten zu den Aufgaben des MECK. Dabei stand immer im Vordergrund,
die Geschäftsführer aufzurütteln, den Anschluss an das Internet-Zeitalter
nicht zu verlieren und Vorbehalte gegenüber dem Electronic Commerce ab-
zubauen. Den Anspruch, als neutraler Ansprechpartner für Electronic Com-
merce in der Region Mainfranken bekannt zu sein und als Institution zu ge-
lten, hatte das Kompetenzzentrum von Beginn an.
Seit Mitte 2006 unterstützt das MECK das Begleitprojekt „Zielgerichtete und
bedarfsgenaue IT-Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen
(KMU)“. Ziel dieses Projektes ist, die Wettbewerbsfähigkeit kleinerer mittels-
tändischer Unternehmen durch angepasste IT- und damit einhergehenden
Prozessstrategien langfristig zu sichern, damit diese auch weiterhin von
Großunternehmen als fähige Partner in Wertschöpfungsketten wahrgenom-
men werden. Schwerpunkt ist dabei die Auswahlunterstützung bei der Ein-
führung betrieblicher Software im Unternehmen. Auch die vorliegende Arbeit
leistet hierzu einen Beitrag.
Universität Würzburg
Lehrstuhl für BWL und Wirtschaftsinformatik
Prof. Dr. R. Thome
Ziel des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik von
Prof. Dr. Thome ist die inner- und zwischenbetriebliche Integration der Infor-
mationsverarbeitung. Dazu erarbeitet der Lehrstuhl mit derzeit 15 wissen-
schaftlichen Mitarbeitern in vier zentralen Forschungsgebieten Ansätze und
praktisch verwertbare Lösungen. Die Forschungsschwerpunkte sind:
Die Erstellung und Weiterführung neuer Studienzweig wie z. B. eines berufs-
begleitenden MBA-Studiengangs, der Bereich eGovernment, besonders mit
den Ausprägungen Electronic Data Interchange (EDI) und Enterprise Appli-
cation Integration (EAI), die Themenkomplexe Multi Media und e-Learning
sowie der Bereich der Standardanwendungssoftware für die Bereiche En-
terprise Resource Planning (ERP) und Supply Chain Management (SCM).
Gerade die Auswahl und Einführung geeigneter Softwarelösungen sowie de-
ren betriebswirtschaftlich sinnvoller Einsatz sind Schwerpunkte dieses For-
Projektträger & Projektbeteiligte IV
schungsbereiches. Bei allen Betrachtungen steht der Aspekt „Integration von
Daten und Inhalten" immer im Mittelpunkt der Betrachtungen.
Des Weiteren gehören die Simulation komplexer Systeme und die Verdrän-
gung klassischer Printmedien durch Electronic Publishing über die Vorteile
des Dokumentenmanagements zu Kernbereichen des Lehrstuhls.
Seit dem Jahr 2003 ist der Lehrstuhl durch Prof. Dr. Thome offizieller Berater
der Bayerischen Staatskanzlei zum Thema eGovernment. Hier entstand am
Lehrstuhl eine Kopfstelle zur Koordination von eGovernment-Aktivitäten in
Bayern. Durch eine intensive Kooperation mit der Stadt Würzburg konnte das
Thema eGovernment auch auf regionalem Gebiet vorangebracht werden.
Gerade die Konzeption sog. „Public-Private-Partnerships" steht dabei im Mit-
telpunkt der Betrachtungen.
Inhaltsverzeichnis II
Die Autoren
Dipl.-Kfm. Sebastian Klüpfel
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. R.
Thome am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der
Universität Würzburg, wo er sich hauptsächlich mit
den Themengebieten ERP-Auswahl für den Mittels-
tand, Supply Chain Management, aber auch mit Pro-
zessmanagement beschäftigt. Seit 2006 betreut er
als Projektleiter das Begleitprojekt „ERP für kleine
und mittlere Unternehmen (KMU)" im Netzwerk Elekt-
ronischer Geschäftsverkehr.
Dipl.-Kfm. Till Ruben Erny
studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität
Würzburg und ist seit 2007 Mitarbeiter am Lehrstuhl
von Prof. Thome. Herr Erny war federführend im vor-
liegenden Auswahlprojekt beschäftigt und ist Experte
im Bereich Softwareauswahl für mittelständische Un-
ternehmen.
III Projektträger & Projektbeteiligte
Inhaltsverzeichnis
1 MIT BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHER SOFTWARE ZUM ERFOLG ........................... 5
1.1 BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHE ANWENDUNGSSOFTWARE ............................................... 5
1.2 VORGEHENSWEISE IM PROJEKT ................................................................................. 6
2 PROJEKTMANAGEMENT ALS RAHMEN DER ERP-AUSWAHL ............................... 7
2.1 WESEN VON PROJEKTEN UND PROJEKTMANAGEMENT ................................................ 8
2.1.1 Projektmanagement als Lösungsweg zum Projektziel ....................................... 9
2.1.2 Projektmanagement als komplexes System .................................................... 10
2.2 ZIELE ERKENNEN UND FORMULIEREN ALS ERSTE HÜRDE DES PROJEKTS .................... 11
2.2.1 Von der Vision zum Ziel ................................................................................... 11
2.2.2 Nutzen von Zielsystemen ................................................................................. 12
2.3 PROJEKTORGANISATION .......................................................................................... 13
2.4 PROJEKTLENKUNG .................................................................................................. 17
2.4.1 Regelkreis der Projektlenkung ......................................................................... 17
2.4.2 Projektplanung.................................................................................................. 18
2.5 VORGEHENSMODELLE, METHODEN UND INSTRUMENTE IM PROJEKTMANAGEMENT ...... 22
2.5.1 Vorgehensmodelle ........................................................................................... 22
2.5.2 Werkzeuge, Techniken und EDV-Unterstützung ............................................. 23
2.6 ASPEKTE MENSCHLICHEN VERHALTENS IM PROJEKTMANAGEMENT ............................ 24
2.6.1 Mehr Leistung durch Teamarbeit ..................................................................... 24
2.6.2 Motivation als Steuerung menschlichen Verhaltens ........................................ 25
2.6.3 Widerstände ..................................................................................................... 26
3 ERP-SYSTEME ............................................................................................................. 28
3.1 ERP-SYSTEME UND IHRE HISTORISCHE ENTWICKLUNG ............................................. 28
3.2 MERKMALE VON ERP-SYSTEMEN ............................................................................ 29
3.3 ERWEITERUNGEN ZU ERP-SYSTEMEN ..................................................................... 30
3.4 AKTUELLE ENTWICKLUNGEN .................................................................................... 31
3.5 ERP-MARKT ........................................................................................................... 31
3.6 NUTZEN VON ERP-SYSTEMEN ................................................................................. 32
4 BESONDERHEITEN VON KMU ................................................................................... 33
4.1 QUALITATIVE BESONDERHEITEN VON KMU............................................................... 33
4.2 AUSWIRKUNGEN DER BESONDERHEITEN VON KMU AUF DIE SYSTEMAUSWAHL ........... 34
5 MERKMALE VON SERIEN- UND AUFTRAGSFERTIGUNG ...................................... 36
5.1 KENNZEICHEN DER SERIEN- UND AUFTRAGSFERTIGUNG ........................................... 36
5.2 PROBLEME DER KOMPLEXEN PRODUKTIONSSTRUKTUR ............................................. 37
Inhaltsverzeichnis IV
6 PROZESSORIENTIERUNG BEI DER AUSWAHL ....................................................... 38
6.1 ALLGEMEINER ORGANISATIONSBEGRIFF ................................................................... 38
6.2 FUNKTIONS- VS. PROZESSORIENTIERUNG ................................................................. 40
6.3 PROZESSVERBESSERUNG ........................................................................................ 41
6.3.1 Prozessbegriff ................................................................................................... 42
6.3.2 Management-Paradigmen der Prozessverbesserung ...................................... 42
6.3.3 Ansätze und Vorgehen bei der Prozessverbesserung ..................................... 44
6.3.4 Prozessmodellierung ........................................................................................ 45
6.3.5 Prozessmodellierungstechniken und -werkzeuge ............................................ 46
7 CHANGE MANAGEMENT ............................................................................................ 47
7.1 ORGANISATION ALS SOZIO-TECHNISCHES SYSTEM .................................................... 47
7.2 ABLAUF DES GEPLANTEN WANDELS .......................................................................... 48
8 ALLGEMEINE ANSÄTZE UND VORGEHENSMODELLE DER ERP-AUSWAHL ...... 50
8.1 PRINZIPIELLE ANSÄTZE BEI DER ERP-AUSWAHL ....................................................... 50
8.2 VORGEHENSMODELLE .............................................................................................. 52
8.3 FAZIT ...................................................................................................................... 55
9 PROZESSORIENTIERTES VORGEHENSMODELL FÜR MITTELSTÄNDISCHEN
SERIEN- UND AUFTRAGSFERTIGER ................................................................................. 58
9.1 AUSGANGSSITUATION DES AUSWAHLPROJEKTS ........................................................ 58
9.2 PROJEKTEINRICHTUNG ............................................................................................ 59
9.2.1 Personelle Anforderungen und Projektorganisation ......................................... 60
9.2.2 Ziele des Projekts ............................................................................................. 61
9.3 MARKTÜBERBLICK UND ORIENTIERUNG ..................................................................... 64
9.4 ANFORDERUNGSANALYSE ........................................................................................ 66
9.4.1 Allgemeine Anforderungen an ERP-Systeme .................................................. 66
9.4.2 Vorgehen bei der prozessorientierten Anforderungsanalyse ........................... 68
9.4.2.1 Prozessaufnahme ................................................................................................ 69
9.4.2.2 Prozessverbesserung........................................................................................... 70
9.5 LASTENHEFT ........................................................................................................... 71
9.6 MARKTANALYSE ...................................................................................................... 73
9.7 VORAUSWAHL ......................................................................................................... 73
9.8 ENDAUSWAHL ......................................................................................................... 74
9.9 VERTRAGSVERHANDLUNGEN .................................................................................... 76
9.10 FAZIT UND HANDLUNGSEMPFEHLUNG ....................................................................... 77
10 BEISPIEL LASTENHEFT ERP-PROJEKT ELEKTRO GMBH .................................... 79
QUELLENVERZEICHNIS .................................................................................................... 104
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
5
1 Mit betriebswirtschaftlicher Software zum Erfolg
„Wir haben hier viele Krücken!“ erzählt ein Mitarbeiter der Arbeitsvorberei-
tung der Elektro GmbH bei der Beschreibung des IT-Systems zur Unterstüt-
zung der Produktionsplanung und -steuerung des mittelständischen Elektro-
zubehörherstellers. Krücken sind einfache aber zweckdienliche Hilfsmittel,
um eine Person oder einen Prozess am „Laufen“ zu halten und Stabilität zu
geben. Oft kann schnell und mit relativ wenig Aufwand ein solches Mittel ge-
funden und eingesetzt werden, wodurch ein Unternehmen in der Lage ist,
flexibel auf Probleme oder Veränderungen zu reagieren. Gerade mittelstän-
dische Unternehmen sehen in dieser Flexibilität ihre Chance, sich auf dem
Markt zu behaupten. Eine gute Sache also so eine Krücke!
Die Aussage des selben Mitarbeiters, er verbringe mehr als 50 % seiner Ar-
beitszeit damit, Zahlen aus dem System zu suchen und in Excel-Tabellen
einzutragen, legt jedoch den Verdacht nahe, dass hier „aus der Not eine Tu-
gend gemacht wurde“.
Das bestehende IT-System wurde vor mehr als 20 Jahren individuell für das
Unternehmen entwickelt und seit dem mit vielen Hilfsmitteln an Veränderun-
gen angepasst. Das Resultat: zu viele Krücken nehmen Stabilität und sind
hinderlich beim vorankommen. Und die Umsetzung neuer Ziele und Strate-
gien ist nicht einfach, denn gerade das Treppensteigen ist schwer mit Krü-
cken.
Diese Erkenntnis ist in der Firma im Verlauf einer langen Zeit gereift, doch
nun werden immer mehr Stimmen laut, mit den Krücken zu brechen. Anders
als eine Krücke, die schnell zur Hand ist, ist jedoch die Implementierung ei-
nes neuen Standbeins ein chirurgischer Eingriff, der gut vorbereitet werden
muss, damit das Implantat nicht vom Körper abgestoßen wird. Und man wie-
der Treppen steigen kann.
1.1 Betriebswirtschaftliche Anwendungssoftware
Ein „Enterprise-Ressource-Planning-System“ (ERP-System) ist eine Soft-
ware zur prozessorientierten Unterstützung der Planung der Ressourcen ei-
nes Unternehmens. Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Implementie-
rung und Nutzung eines ERP-Systems ist die Auswahl eines geeigneten Sys-
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
6
tems, welches die Anforderungen eines Unternehmens erfüllt und in der La-
ge ist, die spezifischen Geschäftsprozesse abzubilden und zu unterstützen.
Da die Auswahl ein sehr komplexer Prozess ist, wird er aus verschiedenen
Blickwinkeln betrachtet. So wird das Problem in die wichtigsten Teilprobleme
zerlegt und diese zunächst isoliert analysiert, wobei neben den theoretischen
Grundlagen jeweils auch die praktische Umsetzung berücksichtigt wird. Aus
den erlangten Erkenntnissen der Teilprobleme wird dann die Synthese der
einzelnen Teile in einem ganzheitlichen Vorgehensmodell zusammengefasst.
Vorliegendes Praxisbeispiel erläutert den Auswahlprozess und das zugehöri-
ge Projektmanagement zunächst theoretisch, um dann im Anschluss konkret
die Vorgehensweise aus der Sicht eines mittelständischen Serien- und Auf-
tragsfertigers zu betrachten.
1.2 Vorgehensweise im Projekt
Den Rahmen des ERP-Projekts stellt das Projektmanagement (PM) dar und
ist somit Grundlage für die erfolgreiche Realisierung des Vorhabens. Das ge-
samte Projekt wird somit vom PM begleitet und viele spezielle Vorgehens-
weisen und Methoden sind darin eingebettet. Grundlagen und wesentliche
Elemente des PM für IT-Projekte werden in Kapitel zwei dargestellt.
In Kapitel drei wird beschrieben, was ausgewählt wird, indem Wesen und
Merkmale von ERP-Systemen erläutert und diese in historischen und aktuel-
len Kontext gesetzt werden. Danach wird näher bestimmt wer auswählt, in-
dem in Kapitel vier Besonderheiten von KMU und in Kapitel fünf Merkmale
von Auftrags- und Serienfertiger herausgearbeitet werden.
Die Bedeutung der Prozessorientierung und -verbesserung bei der Auswahl
wird in Kapitel sechs ausgeführt und die Verwirklichung des damit einherge-
henden organisatorischen Wandels im Rahmen des Change Managements
wird in Kapitel sieben aufgezeigt.
Ausgehend von den in Kapitel acht vorgestellten allgemeinen Grundsätzen
und Vorgehensmodellen wird in Kapitel neun unter Verwendung der Erkenn-
tnisse der voran stehenden Kapiteln ein Vorgehensmodell zur ERP-Auswahl
vorgestellt, welches die aktuelle Situation der Elektro GmbH würdigt und ei-
nen Vorschlag zum weiteren Vorgehen bei der Auswahl darstellt.
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
7
2 Projektmanagement als Rahmen der ERP-
Auswahl
Die Wurzeln des modernen Projektmanagements (PM) stammen aus großen
Rüstungsprojekten und den Raumfahrtvorhaben in den 60er Jahren, wobei
es galt, sehr komplexe und interdisziplinäre Aufgaben mit knappen Ressour-
cen und unter hohem Zeitdruck zu lösen. Heute, ein halbes Jahrhundert spä-
ter, ist das Projektmanagement aktueller denn je und Grundlage vielfältigen
wirtschaftlichen Handelns in fast allen Unternehmen.
Der große Erfolg des Projektmanagements in den letzten Jahren hat seine
Ursache nicht zuletzt auch im Wandel der Märkte von Verkäufer- zu Käufer-
märkten, welcher eine große Flexibilität, Kundenorientierung und schnelle
Reaktionen der Unternehmen erfordert um im Wettbewerb bestehen zu kön-
nen und somit neue Organisationsformen und Projektmanagement in den
Unternehmen immer wichtiger werden lässt.
Das Projektmanagement ist somit in der heutigen Zeit ein vielfach bewährtes
Führungsinstrument und findet standardmäßig Anwendung bei einer Vielzahl
von Aufgaben- und Problemtypen. Speziell bei Investitionen und sonstigen
Vorhaben im IT-Bereich handelt es sich typischerweise um Projekte. Bei der
Auswahl und Implementierung neuer betrieblicher Standardsoftware, etwa
eines ERP-Systems, ist die Einrichtung eines Projekts heute die Regel. Da-
bei werden die speziellen Vorgehensweisen und die Methoden zur Auswahl
in ein Projektmanagement eingebettet um das Problem strukturiert zu lösen.
Bei der Bewältigung eines solchen Projekts spielen - neben der eingesetzten
Vorgehensmodelle Methoden und Techniken - vor allem psychologische und
soziologische Faktoren eine wesentliche Rolle. Dazu gehören zum Beispiel
Probleme der Motivation und Kommunikation sowie der Umgang mit Wider-
ständen.
In dieser Arbeit wird dem PM bei der ERP-Auswahl eine große Bedeutung
beigemessen, da zu beobachten ist, dass Projekte sehr häufig scheitern oder
die Ziele nur ungenügend erreicht werden und dass gerade bei ERP-
Projekten viele Fehler auf ein mangelhaftes PM zurückzuführen sind. Im Fol-
genden sollen die Aufgaben modernen Projektmanagements beschrieben
werden und das Vorgehen bei der strukturierten Lösung komplexer Aufgaben
aufgezeigt werden.
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
8
2.1 Wesen von Projekten und Projektmanagement
In der Literatur gibt es unterschiedliche Definitionen mit vielen verschiedenen
Merkmalen von Projekten. Wenn man die Gemeinsamkeiten dieser Definitio-
nen nimmt, so wird der Projektbegriff auf folgende wesentliche Merkmale
verdichtet:
Ein Vorhaben mit eindeutigem Ziel,
begrenztem Einsatz von Ressourcen,
individuellem Charakter durch Neu- und Einzigartigkeit und
einer hohen Komplexität
Diese sehr allgemein gehaltenen Eigenschaften deuten darauf hin, dass es
sehr viele unterschiedliche Formen und Ausprägungen von Projekten gibt,
was auch in der Praxis gut zu beobachten ist. Aus diesen allgemeinen
Haupteigenschaften ergeben sich noch einige weitere Merkmale, die viele
Projekte kennzeichnen wie etwa ein hohes Risiko oder eine entscheidende
Bedeutung für das Unternehmen. Projekte unterscheiden sich teilweise
enorm in der Art der Aufgabe, der Projektdauer und der Anzahl der Beteilig-
ten. Dabei kann der Umfang von Projekten variieren, von einem Beteiligten
und einigen Tagen bis zu über Hundert Beteiligten über mehrere Jahre.
IT-Projekte
IT-Projekte befassen sich mit der Entwicklung, Auswahl, Änderung und dem
Betrieb von Informations- und Kommunikationssystemen und können Ele-
mente aller oben genannten, typischen Projekte beinhalten. Spezielle cha-
rakteristische Eigenschaften und Probleme von IT-Projekten sind:
Hohe Komplexität und organisatorische Änderungen
viele Projektbeteiligte aus verschiedenen Abteilungen,
die Notwendigkeit externen Know-Hows durch Berater,
die Integration vorhandener Softwaresysteme und IT-Infrastruktur,
Änderungen von Zielen und Organisation des Projekts während des
Projektablaufs,
die Schwierigkeit der Abschätzung von Terminen und Kosten im Vor-
aus und
daher insgesamt ein hohes Risiko.
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
9
Abgrenzung von Routinetätigkeiten
Routinetätigkeiten sind Prozesse, die täglich im operativen Geschäftsbetrieb
wiederholt werden und in der Linie, also innerhalb einer Abteilung der Auf-
bauorganisation, durchgeführt werden. Die erforderlichen Tätigkeiten bei Pro-
jekten unterscheiden sich wegen der oben genannten Merkmale von Projek-
ten stark von den Routinetätigkeiten. Die Durchführung von Projekten erfor-
dert daher eine besondere Nutzung der verschiedenen Ressourcen und se-
parate organisatorische Gestaltung.
2.1.1 Projektmanagement als Lösungsweg zum Projektziel
Viel interessanter als die Frage, ob es sich bei einer Aufgabe um ein Projekt
handelt, ist die Frage, wie man damit umgeht, wenn man sie als solches
identifiziert hat. Am Anfang steht immer eine Vision oder ein aufgetretenes
Problem und zum Schluss soll ein bestimmtes Ergebnis erzielt werden. Da-
bei kann es mehrere Wege geben, über die das Ziel mehr oder weniger gut
erreicht wird. Dieser Weg wird geprägt durch das PM und hängt von vielen
verschiedenen Faktoren ab.
Unter managen allgemein versteht
man das Setzen von Zielen und
deren Erreichung unter Einsatz
verschiedener Ressourcen sowie
durch Planung, Organisation, Füh-
rung und Kontrolle. Dies kann
auch auf den Rahmen von Projek-
ten übertragen werden.
Häufig ist im Zusammenhang mit
dem Projektmanagement die Rede
vom „Magischen Dreieck“ oder dem „triple constraint“, vgl. Abb. 2. Dies sind
die drei entscheidenden Rahmenbedingungen, die das Projekt determinie-
ren: Der inhaltliche Umfang, die Zeit und die eingesetzten Ressourcen. Diese
drei Größen stehen in einer ständigen Wechselbeziehung, müssen daher
ausbalanciert werden und sind maßgeblich verantwortlich für die Projektqua-
lität.
Qualität
Zeit
Inhalt
Kosten
Abb. 2: "Triple constraint“ des PM
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
10
2.1.2 Projektmanagement als komplexes System
Die Grundelemente jedes PM sind das Projektziel, die Projektorganisation,
die Lenkung des Projekts sowie die zur Erreichung des Ziels verwendeten
Instrumente. Da Projektarbeit sehr von den Fähigkeiten und dem Teamgeist
der Beteiligten lebt, sind die Unter-
nehmenskultur und die Mitarbeiter
weitere wichtige Faktoren für ein
adäquates Projektmanagement.
Das Projektmanagement ist univer-
sell einsetzbar, da es für jede Art
von Problemen und Aufgaben an-
wendbar ist, auch für mehrere Auf-
gaben gleichzeitig im Rahmen ei-
nes Projektportfolios.
Abb. 3 zeigt die Grundelemente des PM. Je nach Umfang des zu Grunde lie-
genden Projekts ist das PM selbst sehr komplex und besteht aus vielen Sub-
systemen. In der Praxis hat sich daher die Verwendung von phasenorientier-
ten Standardvorgehensmodellen bewährt, da diese das Projekt entsprechend
seiner Aufgaben sinnvoll vorstrukturieren und somit sichergestellt wird, dass
keine wichtigen Aufgaben und Schritte unberücksichtigt bleiben.
Jedes Projektmanagement besteht also aus einem festen, standardisierten
Rahmen mit obligatorischen Elementen wie etwa einer Aufbauorganisation,
Meilensteinen, Projektcontrolling. Daneben gibt es jedoch auch Elemente,
die Raum für eine individuelle Gestaltung des Projekts lassen, wie etwa die
Wahl der beteiligten Mitarbeiter und eingesetzten Methoden und Instrumente
oder die projektspezifische Organisation. Die Anpassung des Projektmana-
gements an die charakteristischen Umstände eines Projekts nennt man „Tai-
loring“ . Die Kunst der Projektgestaltung liegt wohl darin, die obligatorischen
Elemente eines Projektmanagements strikt einzuhalten und gleichzeitig den
für das Projekt und Unternehmen passenden Mix der Elemente zu finden und
diese richtig einzusetzen.
Ziele
Pro
jekt-
org
an
isation
Pro
jekt-
lenku
ng
Instr
um
ente
Mitarbeiter
Unternehmenskultur
Abb. 3: Elemente des Projektmanagements
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
11
2.2 Ziele erkennen und formulieren als erste Hürde des Pro-
jekts
Den Projektzielen kommt, auch wenn sie auf den ersten Blick banal wirken
mögen, eine große Bedeutung zu und sie sind ein fester Bestandteil jedes
Projekts, der häufig vernachlässigt wird. Um das, einem Projekt zu Grunde
liegende, komplexe Problem strukturiert zu lösen, ist das Suchen und Defi-
nieren der Ziele die erste kritische Aufgabe eines Projekts, da hier die Frage
geklärt wird, was erreicht werden soll und somit die Richtung vorgegeben
wird. Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Schritte zur Erreichung
von Zielformulierungen und Zielsystemen genannt und anschließend deren
Nutzen für ein Projektmanagement erläutert.
2.2.1 Von der Vision zum Ziel
Ein Ziel ist ein gedanklich vorweggenommener Soll-Zustand,
der in der Zukunft liegt,
der realistisch sein soll,
dessen Erreichen angestrebt wird,
der bewusst gewählt wurde und
nur erreichbar sind, wenn dazu aktiv Schritte unternommen werden.
Die Zielformulierung kann als ein Prozess angesehen werden, bei dem so-
wohl objektive Fakten als auch subjektive Visionen, Ideen und Interessen
verarbeitet werden. Die subjektiven Aspekte haben eine heterogene Herkunft
und können sowohl unternehmens- als auch bereichs- oder individuenbe-
dingt sein, Beispiele hierfür sind die Unternehmens- und IT-Strategie sowie
Interessen einzelner Mitarbeiter. Gerade diese unterschiedlichen, subjektiven
Faktoren machen es unabdingbar, sich auf Ziele zu einigen und diese zu fi-
xieren, da die unterschiedlichen Erwartungen an ein Projekt die Qualität der
Ergebnisse und somit das Erreichen der Ziele beeinflussen können.
Bei der Bestimmung der Ziele müssen daher schon die wichtigsten Beteilig-
ten des Projekts einbezogen werden, um eine hohe Akzeptanz zu erreichen
und die Zielformulierung muss
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
12
lösungsneutral,
frei von Widersprüchen,
realistisch bzw. erreichbar,
klar und positiv formuliert und
messbar sein.
Aus der Komplexität von Projekten ergibt sich, dass es in der Regel mehrere
Ziele verschiedener Art gibt, etwa Global- und Teilziele, strategische und
operative Ziele oder „Muss“- und „Kann“-Ziele. Diese Projektziele müssen
strukturiert und mit anderen Zielen, etwa Unternehmenszielen oder Zielen
anderer Projekte, in Einklang gebracht werden. Sie bilden dann ein Zielsys-
tem mit einer Zielhierarchie, welches die Rahmenbedingungen eines Projekts
darstellt.
Die Zielhierarchie wird erreicht, indem die einzelnen Ziele vom „Groben“ zum
„Feinen“ strukturiert werden. Dabei müssen prinzipiell mögliche Ziele, die je-
doch nicht verfolgt werden sollen - also außerhalb des Rahmens stehen -
auch explizit genannt werden, damit für diese „Nicht-Ziele“ des Projekts keine
Projektressourcen aufgewendet werden.
Neben den Zielen des inhaltlichen Umfangs, also was erreicht werden soll,
müssen auch noch die Vorgehensziele festgelegt werden, also wie es er-
reicht werden soll. Diese sind die zur Verfügung stehenden Ressourcen so-
wie die Zeit. Am Anfang eines Projekts werden zu diesem Zweck die Meilen-
steine festgelegt und eine grobe Kosten- und Aufwandsschätzung vorge-
nommen. Alle Ziele lassen sich dem in Abschnitt 2.1.2 beschriebenem „Ma-
gischen Dreieck“ des Projektmanagements zuordnen.
Projekte unterliegen aufgrund ihrer Komplexität und den vielen Einflussfakto-
ren einer gewissen Dynamik. Dies kann dazu führen, dass die Projektziele im
Verlauf geändert und angepasst werden müssen.
2.2.2 Nutzen von Zielsystemen
Sind die Ziele eines Projekts formuliert und existiert ein strukturiertes Zielsys-
tem, so sind erfüllen diese eine Reihe wichtiger Funktionen in einem Projekt,
die nachstehend beschrieben werden.
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
13
Erfolgsmessung
Die festgelegten Ziele sind die Ansatzpunkte für eine Erfolgsmessung und
daher Grundlage für das Projektcontrolling. Wenn die Ziele messbar sind,
kann ein Zielerreichungsgrad ermittelt werden. Hierdurch kann der Erfolg von
Projekten oder Teilprojekten beurteilt werden. Werden Abweichungen von
Teilzielen festgestellt, so kann dies spezielle Maßnahmen erfordern, um die
Erreichung weiterer Ziele nicht zu gefährden.
Orientierungsfunktion.
Da die Ziele die Rahmenbedingungen des Projekts darstellen, geben sie eine
Orientierung während des gesamten Projektverlaufs und vermeiden dadurch,
dass man sich mit Tätigkeiten, die außerhalb des definierten Rahmens lie-
gen, beschäftigt. Je detaillierter die Ziele sind, desto besser lassen sie sich
auch zur Auswahl von Projektaktivitäten nutzen. Das hierarchische, struktu-
rierte Zielsystem bietet grobe Anhaltspunkte für die Projektplanung und -
kontrolle.
Motivationsfunktion.
Ziele machen das Projekt transparenter und durch die Einbeziehung vieler
Beteiligter bei der Zielformulierung entsteht eine höhere Akzeptanz bei den
Mitarbeitern. Die führt dazu, dass sich die einzelnen Personen mehr mit dem
Projekt identifizieren und die Motivation steigt.
Legitimationsfunktion
Da im Zielsystem auch übergeordnete Ziele wie etwa Unternehmensziele be-
rücksichtigt werden, ergibt sich dadurch eine Legitimation für das Projekt, da
so Dritten gegenüber die Vorteilhaftigkeit eines Projekts für das Unterneh-
men erklärt werden kann.
2.3 Projektorganisation
Wie in Abschnitt 2.1 festgestellt wurde, handelt es sich bei Projekten um Auf-
gabenstellungen, die von den Routinetätigkeiten eines Unternehmens ver-
schieden sind und dementsprechend auch abweichend von diesen behandelt
werden müssen. Im Gegensatz zur Unternehmensorganisation ist die Pro-
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
14
jektorganisation nur auf eine begrenzte Zeit ausgerichtet und muss beson-
ders schnell und flexibel auf die Umwelt reagieren können.
Die Projektorganisation gilt als „die Summe all jener Regeln und Strukturen,
die eine effiziente Zusammenarbeit aller am Projekt beteiligten Personen
gewährleistet“ und beschreibt „die Definition von Rollen, samt zugehöriger
Kompetenzen und Verantwortungen, die Regelung des Informationsflusses
und die Vereinbarung sonstiger Regeln der Zusammenarbeit“ als deren Auf-
gaben. Eine Projektorganisation ist daher bei jedem Projekt obligatorisch, in
der Ausprägung jedoch teilweise sehr unterschiedlich und muss individuell
auf das jeweilige Projekt abgestimmt werden. Dabei spielen sehr viele Fakto-
ren eine Rolle, wie etwa Komplexität und Umfang des Projekts, seine Bedeu-
tung für das Unternehmen, die Struktur der vorhandenen Unternehmensor-
ganisation oder die Verfügbarkeit von Mitarbeiterressourcen.
Im Rahmen der Ablauforganisation müssen generelle, projektinterne Rege-
lungen für verschiedene Geschäftsvorfälle getroffen werden. Dies sind zum
Großteil administrative Vorschriften, etwa im Rahmen des Projektberichtswe-
sens, oder Vorschriften über den Umgang mit bestimmten Arbeitsobjekten.
Auch der Informationsfluss unter den Projektbeteiligten und der Projektum-
welt muss im Rahmen der Projektorganisation geregelt werden.
Ein Projekt lebt von den verschiedenen Akteuren, die an dem Projekt beteiligt
sind. Im Folgenden werden die allgemeinen Aufgaben und Kompetenzen der
wichtigsten Projektbeteiligten sowie die Anforderungen an diese vorgestellt.
Auftraggeber eines Projekts
Der Auftraggeber entstammt häufig aus dem Vorstand oder der Geschäfts-
führung. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehören die Ernennung des Pro-
jektleiters und die Erteilung des Projektauftrags, wodurch zwischen ihm und
dem Projektleiter ein Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis entsteht. Der
Auftraggeber gibt dabei Ziele und Rahmenbedingungen des Projekts vor,
wodurch er eine wichtige Rolle bei der Weichenstellung des Projekts spielt.
Er ist weiter Vertreter des Unternehmens und als solcher zuständig für die
Vermittlung der allgemeinen Unternehmenskultur und der Unternehmenszie-
le, welche im Projekt berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus beglei-
tet er das Projekt auch während der gesamten Dauer, wobei er strategische
Entscheidungen im Rahmen des Projekts trifft, also solche, die langfristige,
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
15
bedeutsame oder risikobehaftete Auswirkungen auf das Unternehmen ha-
ben. Er überwacht das Projekt bietet - etwa bei Konflikten oder der Vertre-
tung des Vorhabens nach außen - Unterstützung.
Lenkungsausschuss
Dieses Gremium besteht in der Regel aus dem Auftraggeber, Mitgliedern der
Geschäftsführung und Vertretern besonders wichtiger Anspruchsgruppen. Es
hat die Aufgabe, die wesentlichen Entscheidungen zu treffen und somit das
Projekt zu lenken und wichtige Weichen zu stellen. Die Einrichtung eines
Lenkungsausschusses ist dann besonders wichtig, wenn das Projekt von den
obersten Unternehmenszielen geleitet wird und einen strategischen Charak-
ter hat.
Projektleiter
Der Leiter des Projekts, oder auch Projektmanager, hat eine zentrale Rolle
im Projektmanagement und der Projekterfolg hängt stark von seinen Fähig-
keiten ab. Er ist verantwortlich für die Erreichung der im Projektauftrag fest-
gelegten Ziele und die Verwendung der bereitgestellten Ressourcen des Pro-
jekts, wobei er große Freiheiten in der konkreten Ausgestaltung genießt.
Kompetenzen und Weisungsbefugnisse des Projektleiters hängen stark von
der gewählten Organisationsform ab und müssen zu Beginn des Projekts
vom Auftraggeber erteilt werden.
Der Projektleiter ist von Anfang an beteiligt an der Projektdefinition, der Aus-
wahl der passenden Projektmitglieder und der Organisationsform sowie wäh-
rend der gesamten Laufzeit für Planung, Steuerung und Kontrolle aller Aktivi-
täten verantwortlich. Durch seine vielen Aufgaben und Kompetenzen ist er
stets über alle wichtigen Fakten informiert und damit im Schnittpunkt aller
Kommunikationsbeziehungen, sowohl projektintern als auch -extern.
Um den hohen Anforderungen gerecht zu werden, muss der Projektleiter so-
wohl über ein hohes Maß an Führungs-, Methoden- und Fachkompetenz ver-
fügen, als auch, um eine gute Teamarbeit zu fördern und die Mitarbeiter zu
motivieren, ausgeprägte soziale Kompetenzen haben.
Bei IT-Projekten hat man in der Regel die Wahl, einen Projektleiter aus der
EDV-Abteilung zu nehmen oder aus einem Fachbereich. Ersterer wird seine
Schwerpunkte wohl eher auf technische Probleme setzten, der Zweite auf die
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
16
fachlichen. Daher ist darauf zu achten, dass der Projektleiter ein ausgewo-
genes Verhältnis zwischen technischen und fachlichen Gesichtspunkten
schafft und dabei auch Wirtschaftlichkeitsaspekte nicht vernachlässigt.
Projektteam
Der Projektleiter und die Projektmitarbeiter bilden das Projektteam. Die Pro-
jektmitarbeiter bearbeiten unter der Leitung des Projektleiters die Aufgaben
des Projekts, die aufgrund der Komplexität von Projekten sehr vielfältig sein
können und daher Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen des Unterneh-
mens erfordern. Da nicht alle Mitarbeiter in jeder Phase des Projekts benötigt
werden, gibt es neben den permanenten auch temporären Mitarbeitern die
nur für einen begrenzten Zeitraum oder bei einzelnen Aufgaben im Rahmen
des Projekts mitarbeiten.
Hinsichtlich der Zusammensetzung des Teams soll versucht werden, Mitglie-
der mit verschiedenen, sich gut ergänzenden Charaktereigenschaften und
Fähigkeiten zu finden, so dass in der Gruppe von den Ressourcen Wissen,
Erfahrung, soziale und fachliche Kompetenz und Engagement ein ausgewo-
genes Verhältnis vorhanden ist.
Für die Größe des Teams gilt, dass es nur so groß sein soll, dass die Ziele
gerade erreicht werden können, da bei vielen Mitgliedern der Aufwand für
Koordination und Kommunikation ansteigt. In der Praxis kann eine Teamgrö-
ße von drei bis fünf Personen als erstrebenswert und von zehn als gerade
noch handhabbar angesehen werden. Werden zur Erledigung mehr Perso-
nen benötigt, so sollten kleinere und effektivere Unterteams gebildet werden.
Auch an die Projektmitarbeiter werden besondere Ansprüche gestellt, da die
Bearbeitung von Projektaufgaben in der Regel schwerer ist, als die von Rou-
tineaufgaben. Infolgedessen müssen die Mitarbeiter überdurchschnittliche
Leistungen erbringen, sich mit den Projektzielen identifizieren, besonders
teamfähig sein und möglichst viel Erfahrung einbringen.
Sonstige Rollen im Projekt
Neben den oben vorgestellten Rollen kann es in Projekten, je nach gewählter
Organisationsform und sonstigen Umständen des Projekts, auch noch weite-
re Rollen geben. Dies können beispielsweise verschiedene Gremien, wie et-
wa Fach- oder EDV-Ausschüsse sein, die das Projekt begleiten und unters-
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
17
tützen oder auch einzelne einflussreiche Personen, die bestimmte Aufgaben
wahrnehmen, etwa als so genannte „Macht-Promotor“ die Durchsetzung ei-
nes Projekts fördern.
Grundsätzlich können Rollen in Projekten auch von Externen eingenommen
werden. Dabei können sie entweder mit der Durchführung von Aktivitäten be-
treut werden oder beratende Funktion haben. Die Einbindung Externer kann
in allen Phasen eines Projekts erfolgen, wozu als Basis Dienst- oder Werk-
verträge dienen können.
2.4 Projektlenkung
Die Projektlenkung wird auch als funktionelles Projektmanagement bezeich-
net und beinhaltet die
Projektplanung,
Projektkontrolle und
Projektsteuerung.
Im Folgenden wird gezeigt, wie diese drei Bestandteile zusammen einen Re-
gelkreis bilden und es werden die jeweilige Elemente sowie ihre Aufgaben
erläutert.
2.4.1 Regelkreis der Projektlenkung
Aufgabe der Projektplanung ist es, realistische Sollvorgaben für die gesamte
Projektdurchführung zu ermitteln. Diese Vorgaben werden im Rahmen der
Projektüberwachung mit den Ist-Werten verglichen, wodurch Abweichungen
sichtbar gemacht werden können. Im Rahmen der Projektsteuerung werden
diese durch Gegenmaßnahmen korrigiert. Sind die Abweichungen jedoch zu
schwerwiegend, müssen Änderungen in der Projektplanung vorgenommen
werden. Projektplanung, -steuerung und -kontrolle hängen somit voneinander
ab und bilden gemeinsam den Regelkreis der Projektlenkung, vgl. Abb. 4.
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
18
2.4.2 Projektplanung
Projektplanung ist „die systematische Informationsgewinnung über den zu-
künftigen Ablauf des Projekts und die gedankliche Vorwegnahme des not-
wendigen Handelns im Projekt“. Eine Planung ist notwendig für den Projekt-
erfolg, wobei jedoch der Planungsaufwand an die Aufgabenstellung ange-
passt werden muss und das Projekt nicht überorganisiert werden darf, um
einen gewissen Grad an Flexibilität und Raum für Kreativität zu lassen.
Die Projektplanung ist jedoch kein einmaliger Vorgang, sondern ein Prozess,
der das ganze, durch Phasen strukturierte Projekt begleitet. Neben dem gro-
ben Gesamtprojektplan werden jeweils detaillierte Pläne für die nächste Pha-
se erstellt. Nach Beendung einer Phase sind meist breitere und neue Infor-
mationen vorhanden, welche dann im weiteren Ablauf berücksichtigt werden
müssen. Dadurch wird der Projektplan mit der Zeit detaillierter und kann sich
ändern. Der Einsatz von Vorgehensmodellen unterstützt die Projektplanung
und schafft Transparenz, da die Durchführung in vordefinierten Phasen ver-
läuft. Im Folgenden werden die wichtigsten Teilaufgaben der Projektplanung
kurz vorgestellt.
Durchführung
Soll-Werte
Ist-Werte
Ziele
Störung
Änd
eru
n-
gen
Kontrolle
Planung Steuerung
Maß
na
hm
en
Soll-
Wert
e
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eru
n-
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Ist-W
erte
Sy
ste
m
Sy
ste
mu
mw
elt
Abb. 4: Regelkreis der Projektlenkung
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
19
Strukturierung der Aufgaben
Ziel dieses ersten Planungsschrittes ist es, einen Strukturplan zu erstellen,
der eine Übersicht über das Projekt gibt und die einzelnen Teilaufgaben und
deren Zusammenhänge wiedergibt.
Der grobe Strukturplan enthält die Meilensteine, welche den Abschluss einer
Projektphase darstellen und als solche wichtige Schlüsselereignisse des Pro-
jekts markieren. Die Meilensteine bieten Orientierung über den Verlauf des
Projekts und sind Punkte, an denen häufig wichtige Entscheidungen getrof-
fen werden und somit die Weichen für das weitere Vorgehen gestellt werden.
Für die Erstellung eines detaillierten Projektplans werden die Aufgaben so-
weit zerlegt, dass Arbeitspakete gebildet werden, die den vorgesehenen Per-
sonen oder Teams zur Bearbeitung gegeben werden. Für die einzelnen Ar-
beitspakete muss eindeutig festgelegt werden, welche Ausgangsvorausset-
zungen zur Bearbeitung geschaffen werden müssen, welche Ergebnisse er-
reicht werden sollen und wer die Verantwortung dafür trägt.
Im Anschluss werden im Rahmen der Projektablaufplanung die Reihenfolge
der Erledigung der einzelnen Arbeitspakete festgelegt. Hierzu müssen die
Abhängigkeiten der einzelnen Pakete untereinander festgestellt und diese
dann logisch verknüpft werden. Unterstützt wird dieser Vorgang durch den
Einsatz von Listentabellen, Balkendiagrammen oder der Netzplantechnik.
Aufwandsschätzung
Aus der Aufwandsschätzung leitet sich zum einen die Termin- und Kapazi-
tätsplanung ab, zum anderen stellt sie die Grundlage für Investitionsent-
scheidungen im Projekt dar, beispielsweise für die Budgetkalkulation oder die
Wirtschaftlichkeitsanalyse bei einer Softwareauswahl. Die wichtigsten De-
terminanten des Projektaufwands sind die Quantität und Qualität der Ergeb-
nisse sowie die Dauer und Kosten des Projekts. Diese vier Bestandteile hän-
gen voneinander ab, so dass keine Veränderung bei einer Größe vorge-
nommen werden können ohne Auswirkungen auf mindestens eine der ande-
ren.
Im Verlauf eines Projekts kann mehrmals eine Aufwandsschätzung durchge-
führt werden, da die verfügbaren Daten für die Schätzung gegen Ende ge-
nauer werden. Die Probleme bei der Durchführung einer Aufwandsschätzung
bestehen hauptsächlich
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
20
in einer oft ungenauen Zieldefinition,
den schwer quantifizierbaren Einflüsse,
dem hohen Innovationsgrad, sowie
in den Veränderungen von Rahmenbedingungen,
was dazu führt, dass die Ergebnisse der Aufwandsschätzung zu Beginn des
Projekts oft nicht sehr zuverlässig sind.
Terminplanung
Im Rahmen der Terminplanung werden den einzelnen Aktivitäten Anfangs-
und Endtermine zugeordnet, indem zunächst eine Vorwärtsterminierung vom
Starttermin und anschließend eine Rückwärtsterminierung vom Endtermin
durchgeführt wird, auf der Grundlage der Zeiten die bei der Aufwandschät-
zung ermittelt wurden. Durch diese doppelte Terminierung werden Puffer
sichtbar, also Zeitspannen, um die ein Termin verändert werden kann, ohne
den Endtermin zu gefährden. Sind keine Puffer zwischen Aktivitäten vorhan-
den, werden als kritisch bezeichnet. Der kritische Weg ist die Folge von kriti-
schen Vorgängen vom Anfangs- bis zum Endzeitpunkt. Da hier keine zeitli-
chen Spielräume vorhanden sind, können Störungen zu Verzögerungen füh-
ren.
Aus Gründen der Motivation und Orientierung, sowie als Signalfunktion für
besonders wichtige Abschnitte werden bei der Terminplanung die Meilen-
steine hervorgehoben.
Kapazitätsplanung
Bei der Kapazitätsplanung sollen personelle, maschinelle und materielle
Engpässe frühzeitig erkannt werden, um Gegenmaßnahmen einleiten zu
können. Hierbei kommen neben der Verwendung von Balkendiagrammen
und Netzplänen auch Belastungsdiagramme zum Einsatz. Da Termin- und
Kapazitätsplanung sich gegenseitig beeinflussen, müssen sie in einem itera-
tiven Prozess miteinander abgestimmt werden.
Projektkostenplanung und Wirtschaftlichkeitsanalyse
Alle anfallenden Kosten im Rahmen der Erstellung des neuen Systems wer-
den bei der Kostenplanung ermittelt. Die wichtigsten Kosten im Rahmen von
Projekten sind Personalkosten sowie extern bezogene Sachmittel und
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
21
Dienstleistungen. Auch die Kostenplanung wird mehrmals durchgeführt und
angepasst, wobei zunächst grobe Schätzungen später - soweit möglich - ge-
nauere Werte verwendet werden.
Risikoanalyse
Umfangreiche Projekte werden durch vielfältige Risiken geprägt, die organi-
satorisch, technisch, terminlich, personell, kosten- und nutzenorientiert oder
psychologisch bedingt sein können.
Um diesen Risiken zu begegnen, müssen sie zunächst identifiziert und be-
züglich der Eintrittswahrscheinlichkeit und möglichen Auswirkungen bewertet
werden. Ausgehend von den identifizierten Risiken müssen - wenn möglich -
vorbeugende Maßnahmen getroffen werden und Vorgehenspläne erstellt
werden für den Fall des Eintretens. In der Praxis kann das Risikomanage-
ment mit Hilfe einer Risikomatrix durchgeführt werden, in der den jeweiligen
Risiken eine Bewertung, Maßnahmen und Verantwortliche zugeordnet wer-
den.
Projektüberwachung und -steuerung
Die Projektüberwachung sollte im Sinne eines umfassenden Controlling-
Begriffs verstanden werden. Dies erfordert, dass nicht nur ein vergangen-
heitsbezogener Ist-Soll-Vergleich durchgeführt wird, sondern auch zukünftige
Entwicklungen und Risiken Berücksichtigt werden müssen und somit eine
Frühwarnfunktion erfüllt wird. Weiter gehört zu dieser ganzheitlichen Sicht-
weise, dass nicht nur die primären Überwachungsparameter Zeit und Kosten
berücksichtigt werden, sondern auch die Qualität der Ergebnisse und andere
Aspekte wie etwa das Projektumfeld und die psychisch-soziale Situation der
Mitarbeiter. Da diese weichen Faktoren und der Blick in die Zukunft schwer
zu bewerten sind, sind hier die Erfahrung, Intuition sowie intensive informelle
Kontakte des Projektleiters zu den Beteiligten gefragt.
Ziel der Projektsteuerung ist es, die Planung zu realisieren und auf Änderun-
gen zu reagieren, indem die entsprechenden Maßnahmen und Eingriffe vor-
genommen werden. Dies geschieht durch Führungsaufgaben wie etwa die
Anleitung der Mitarbeiter, das Setzen von Anreizen oder die Koordination der
Projektaktivitäten. Die Projektsteuerung begleitet das ganze Projekt und for-
dert ein aktives Handeln der Projektleitung.
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
22
2.5 Vorgehensmodelle, Methoden und Instrumente im Pro-
jektmanagement
Um die komplexen Aufgaben von IT-Projekten bewältigen zu können, ist die
systematisierte Anwendung von Methoden und Vorgehensmodellen sowie
die Hilfe von Werkzeugen unumgänglich. Eine Methode ist ein planmäßiges
und begründetes Verfahren zur Lösung einer Aufgabe oder zur Gewinnung
von Erkenntnissen. Bei komplexen Projekten gibt es keine universelle Me-
thode, die allen Anforderungen gerecht wird, daher kommen, im Rahmen von
Vorgehensmodellen, mehrere Methoden nebeneinander - und auch mitei-
nander kombiniert - zum Einsatz.
Vorgehensmodelle sind daher die Grundlage jeder Projektdurchführung, da
hier die eingesetzten Methoden bestimmt werden und somit den Ausgangs-
punkt der strukturierten Projektdurchführung darstellen. Die wichtigsten Auf-
gaben und Merkmale von Vorgehensmodellen sollen im folgenden Abschnitt
erläutert werden. Die Methoden und Vorgehensmodelle basieren dabei auf
allgemeinen Prinzipien und Denkansätzen, die in diesem Kapitel anschlie-
ßend vorgestellt werden. Um die Methoden praktisch umzusetzen werden,
spezielle Techniken eingesetzt. Unter diese Techniken fallen zahlreiche
Werkzeuge und Instrumente, auf deren Bedeutung kurz eingegangen wird.
2.5.1 Vorgehensmodelle
Die Durchführung eines Projekts läuft in der Regel nach Vorgehensmodellen
ab, welche Voraussetzung für eine ingenieurmäßige, systematische Aufga-
benbewältigung sind und den Weg vom Ist zum Soll strukturieren. Die mögli-
chen Elemente eines Vorgehensmodells sind in Tab. 1 dargestellt.
Tab. 1: Elemente von Vorgehensmodellen
Aspekt Elemente
Planung Phasen, Arbeitsschritte, Tätigkeiten, Aktivitäten
Meilensteine, Entscheidungszeitpunkte
Durchführung Methoden, Techniken, Hilfsmittel, Prinzipien
Rollen, Personen, Teams
Produkte, Ergebnisse, Dokumente
Kontrolle Reviews, Tests, Kontrollen
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
23
Abb. 5 zeigt die wichtigsten Schritte eines allgemeinen Auswahlprojekts. In
Abhängigkeit von vielen Einflüssen, wie etwa Projektart, Umfang und Dring-
lichkeit, muss aus einer Vielzahl speziellerer wissenschaftlicher und prakti-
scher Vorgehensmodellen das ausgesucht werden, dass den Anforderungen
eines konkreten Vorhabens am besten entspricht.
Durch das ausgewählte Vorgehensmodell werden somit Erfahrungen und
„Know-how“ importiert und bereits bewährte Vorgehensschritte können über-
nommen werden. Das Vorgehensmodell bildet somit das Grundgerüst der
Projektdurchführung und es stellt eine Erweiterung des klassischen Phasen-
konzeptes dar.
Im Rahmen des „Tailorings“ werden Anpassungen des allgemeinen Modells
vorgenommen, um ein projektspezifisches Vorgehensmodell zu gestalten.
Hierzu werden die Besonderheiten des Unternehmens, des Projekts und
sonstiger Umwelteinflüsse berücksichtigt.
2.5.2 Werkzeuge, Techniken und EDV-Unterstützung
In Projekten kommen in der Regel mehrere verschiedene - teilweise EDV-
gestützte - Werkzeuge und Techniken zum Einsatz für das Managen eines
Projekts, beispielsweise Balkendiagramme zur Termin- und Ressourcenpla-
nung, Präsentationswerkzeuge, Tabellenkalkulation oder Dokumentenver-
waltung. Darüber hinaus kommen auch noch Werkzeuge und Techniken zum
Einsatz, die je nach Projekt zur Erfüllung der speziellen erforderlichen Aktivi-
täten benötigt werden. In einem ERP-Auswahlprojekt können dies beispiels-
weise Modellierungstools, Werkzeuge zur Auswahlunterstützung oder Tech-
niken zur Aufwandsschätzung oder Kostenanalysen sein.
Grundsätzlich ist der Einsatz vieler und sehr unterschiedlicher Hilfsmittel
denkbar. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass zum Einsatz von Werkzeu-
gen in der Regel neben den Anschaffungskosten vor allem Schulungs- und
Einarbeitungsaufwand entsteht. Die Vorteilhaftigkeit des Einsatzes muss im
Einzelfall geprüft werden. Einige für ERP-Projekte relevante Werkzeuge und
Abb. 5: Phasenmodell
Projekt- anstoß
Hauptstudie Auswahlprozess
Implemen-
tierung
Inbetrieb-
nahme
Projekt-
abschluss
Vorstudie
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
24
Techniken werden noch in den folgenden Kapiteln genannt und kurz skiz-
ziert.
2.6 Aspekte menschlichen Verhaltens im Projektmanage-
ment
Bisher wurden hauptsächlich formal-strukturelle und technologische Aspekte
des PM aufgezeigt, die den organisatorischen Aufbau, die Planung, das
strukturierte Vorgehen sowie die Werkzeuge und Methoden zur Erreichung
der Projektziele fokussiert haben. Da Projekte jedoch von Menschen durch-
geführt werden, ist die psychologisch-soziale Komponente menschlichen
Verhaltens ein wesentlicher Faktor, der für das Scheitern vieler Projekte ver-
antwortlich ist.
Da die informellen Aspekte einen großen Anteil am Gelingen eines Projekts
haben, werden die sozialen und psychischen Einflüsse im Projektmanage-
ment in diesem Kapitel berücksichtigt, indem die Aspekte der Teamarbeit
und Motivation dargestellt werden und der Umgang mit Widerständen im Pro-
jekt geschildert wird.
2.6.1 Mehr Leistung durch Teamarbeit
Ein Team ist eine Gruppe von Menschen, die eine gemeinsame Aufgabe ha-
ben und in der die Handlung des Einzelnen Einfluss auf den Erfolg der gan-
zen Gruppe hat. Die Arbeit in Teams ist eine vielfach bewährte Form der Zu-
sammenarbeit, um komplexe, interdisziplinäre Aufgaben zu meistern. Um ei-
ne hohe Schlagkräftigkeit im Team zu erreichen, kommt es - neben der Aus-
wahl der richtigen Teammitglieder - auch auf die Beziehungen der Teammitg-
lieder untereinander an. Diese sind stark durch Gefühle, Bedürfnisse, Sym-
pathien und Normen geprägt. Daher müssen im Rahmen der Gruppenarbeit
spezielle Regeln und Grundsätze berücksichtigt werden, denen sich auch der
Projekt- oder Gruppenleiter unterordnet. Hierzu zählen etwa
die vollwertige Akzeptanz und Integration aller im Team,
Offenheit im Umgang miteinander und hoher Informationsaustausch,
eine hohe Kooperationsbereitschaft,
Geschlossenheit nach außen und
eine gemeinsame Meinungsbildung.
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
25
Neben der Beachtung dieser Regeln muss auch das Vorgehen der Gruppen-
arbeit geplant werden, indem die Treffen gut vorbereitet werden, eine reali-
sierbare Tagesordnung erstellt wird, eine ungestörte Arbeitsatmosphäre ge-
schaffen wird und die benötigten Werkzeuge bereitgestellt werden.
Durch die Zusammenarbeit verschiedener Individuen kommt es zwangsläufig
auch zu Konflikten, sowohl organisatorischer Natur als auch auf persönlicher
Ebene. Ursachen von persönlichen Konflikten können beispielsweise in der
mangelnden Eignung eines Gruppenmitglieds zur Teamarbeit oder in persön-
lichen Spannungen zwischen Gruppenmitgliedern liegen. Grundsätzlich gilt,
dass versucht werden soll, Konflikten vorzubeugen. Dennoch auftretende
dürfen nicht ignoriert werden und sollten durch Diskussion, konstruktive Ar-
gumentation und Vermittlung Dritter beseitigt werden.
2.6.2 Motivation als Steuerung menschlichen Verhaltens
Das menschliche Verhalten wird von Motiven gesteuert. Motive entstehen in
diesem Zusammenhang
durch verschiedenartige un-
befriedigte Bedürfnisse einer
Person, die in Abb. 7 sind.
Als Motivation bezeichnet
man den Prozess, in dem das
menschliche Verhalten durch
Motive so gesteuert wird,
dass es bestimmte Ziele be-
wusst oder unbewusst zu er-
reichen bemüht ist. Im Rah-
men eines Projekts ist es daher notwendig, die Projektbeteiligten zu motivie-
ren, indem die Ziele des Projekts mit den individuellen Bedürfnissen der Mi-
tarbeiter koordiniert werden.
Gerade in Projekten, die durch komplexe und neuartige Anforderungen ge-
kennzeichnet sind, kommt der Motivation im Projektmanagement eine be-
sondere Bedeutung zu, da durch Motivation auch eine besonders engagierte
Aufgabenerfüllung erreicht werden kann, beispielsweise durch eine größere
geistige und körperliche Anstrengung, mehr Kooperationsbereitschaft, höhe-
re Schnelligkeit oder ein gesteigertes Qualitätsbewusstsein.
Abb. 7: Grundlagen der Motivation
Bedürfnis nach materieller Exis-tenzsicherung
Bedürfnis nach sinnerfülltem
tun
Bed
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is n
ach
Anerk
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nun
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Werts
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Bedürfnis nach Gruppenzuge-
hörigkeit
Perö
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he E
nt-
wic
klu
ngs-
mög
lichke
ite
n
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
26
Während des gesamten Projekts ist es daher Aufgabe des Projektleiters, die
Beteiligten zu motivieren, was voraussetzt, dass er selbst auch in hohem
Maße motiviert ist und damit eine Vorbildfunktion erfüllt.
Um eine hohe Motivation zu erreichen, gibt es zahlreiche Einflussfaktoren,
beispielsweise
die Gestaltung der Projektorganisation,
der Umgang des Projektleiter mit dem Team und den Individuen,
die Identifikation der Mitarbeiter mit den Projektzielen,
die Effizienz der Informationskanäle und
die Transparenz des Projekts.
2.6.3 Widerstände
Da Projekte oft mit Veränderungen einhergehen, die unbequem und arbeits-
intensiv sind, kommt es häufig zu Frustration bei einzelnen oder mehreren
Beteiligten. Diese kann verschiedene Auswirkungen haben, von einer
Gleichgültigkeit gegenüber dem Vorhaben angefangen bis hin zu passivem
oder auch aktivem Widerstand und sogar Sabotage des Projekts. Dies stellt
ein großes Risiko für einen erfolgreichen Abschluss eines Projekts dar.
Widerstände in Projekten können viele Ursachen haben. So können die Be-
troffenen beispielsweise Angst vor dem Neuen in einem Veränderungspro-
zess haben, sehen ihren Status bedroht oder fühlen sich den neuen Aufga-
ben nicht gewachsen. Häufig führt auch eine gewisse „Trägheit“ im men-
schlichen Verhalten dazu, dass an alten Gewohnheiten und Denkmustern
festgehalten wird.
Um Widerständen von Anfang an vorzubeugen, muss schon während der
Planung eine große Transparenz im Hinblick auf Ziel, Durchführung und
Auswirkungen des Projekts geschaffen werden, damit größtmögliche Über-
einstimmung mit den individuellen Bedürfnissen und Motiven der einzelnen
Teammitglieder erzielt werden und diese motiviert sind, ihr Bestes zum Ge-
lingen des Projekts beizutragen.
Während der Projektdurchführung muss die Projektleitung Widerstände ernst
nehmen und versuchen, deren Ursachen zu verstehen und die Kooperati-
onsbereitschaft des Einzelnen oder des Teams durch Lösung der entstande-
nen Probleme wieder herzustellen.
Projektmanagement als Rahmen der ERP-Auswahl
27
Es muss daher dafür gesorgt werden, dass
Änderungen als Chance betrachtet werden und
die positiven Aspekte des Neuen erkannt werden,
eine Vertrauensbasis zu den Betroffenen hergestellt wird,
eine offene Kommunikation herrscht,
Mitarbeiter früh einbezogen werden und deren
individuelle Ängste oder vorbehalte ernst genommen werden.
ERP-Systeme
28
3 ERP-Systeme
Unternehmenssoftware ist heute, im so genannten Informationszeitalter, sehr
weit verbreitet. Man kann davon ausgehen, dass mindestens 80 % der gro-
ßen und mittleren Unternehmen verschiedene Softwaresysteme zur Unters-
tützung der betrieblichen Aufgaben einsetzen. Die eingesetzte Unterneh-
menssoftware bildet zusammen mit den Benutzern das Informationssystem
eines Unternehmens. Dieses sozio-technische System hat ganz allgemein
zum Ziel, Information und Kommunikation bestmöglich und nach wirtschaftli-
chen Kriterien bereitzustellen.
Seit der Einführung elektronischer Datenverarbeitung in den 60er Jahren bis
heute hat sich die Form der eingesetzten Software geändert bzw. weiterent-
wickelt und so prägen heute viele verschiedene Begriffe das Umfeld der Un-
ternehmenssoftware. In diesem Kapitel wird der Begriff ERP-System abge-
grenzt, indem die historische Entwicklung und Merkmale dieser Systeme
kurz beschrieben werden und ein Ausblick über die aktuelle Entwicklung ge-
geben wird. Für die Auswahl einer Software und die damit verbundene
Marktanalyse ist es notwendig zu wissen, was sich hinter den verschiedenen
Begriffen verbirgt, um herauszufinden, was die jeweiligen Systeme leisten
können. Es ist dabei auch zu beachten, dass der Markt für entsprechende
Softwaresysteme teilweise intransparent ist, da die Abgrenzungen zwischen
den Begriffen bei verschiedenen Lösungen verschwommen sind und es teil-
weise schwer zu kontrollieren ist, ob die angebotenen Produkte tatsächlich
den versprochenen Anforderungen entsprechen.
3.1 ERP-Systeme und ihre historische Entwicklung
Den Beginn der informationstechnischen Unterstützung markierten so ge-
nannte „Material Requirements Planning“-Systeme (MRP), welche die Pflege
von Stammdaten und Stücklisten unterstützen sowie eine bedarfs- und ver-
brauchsgesteuerte Materialdisposition realisieren. Diese wurden weiterentwi-
ckelt zu „Manufacturing Resource Planning“-Systemen (MRP II), welche
funktional erweitert sind und eine sukzessive Mengen-, Termin- und Kapazi-
tätsplanung unterstützen. Diese bilden auch die Grundlage von Produktions-
planung und -steuerungssystemen (PPS). Allen diesen Systemen ist ge-
ERP-Systeme
29
meinsam, dass sie hauptsächlich die Produktionsprozesse unterstützten und
daher nur in Industrieunternehmen zum Einsatz kamen.
In den 90er Jahren wurden diese Systeme erweitert, indem weitere Funkti-
onsbereiche eines Unternehmens, beispielsweise Rechnungswesen, Buch-
haltung, Unternehmensplanung oder Personalwirtschaft, integriert wurden.
Somit verloren diese Systeme ihre Branchenspezifität und wurden nicht mehr
ausschließlich in produzierenden Unternehmen verwendet. Es setzte sich der
Name „Enterprise-Resource-Planning“-Systeme (ERP) durch.
3.2 Merkmale von ERP-Systemen
„Enterprise Resource Planning“ bedeutet allgemein, die ökonomische Pla-
nung aller Ressourcen eines Unternehmens. Diese wird durch ein ERP-
System unterstützt, jedoch nicht völlig selbstständig durchgeführt, weshalb
der Mensch immer noch wesentlicher Bestandteil des betrieblichen Planens
und Steuerns ist. Durch die breite Unterstützung verschiedener Unterneh-
mensbereiche rücken funktionsübergreifende Prozesse in den Fokus von
ERP-Systemen.
Trotz der Weiterentwicklungen und umfangreichen Funktionen ist die PPS
auf Basis der sukzessiven MRP II-Planung bis heute der Kern eines ERP-
Systems für Industrieunternehmen und daher nach wie vor ein besonders
entscheidender Bestandteil.
Spricht man von ERP-Systemen ist heute meist ein Standardsoftware-Paket
gemeint. Standard bedeutet dabei, dass sie, im Gegensatz zur Individual-
software, in mehreren Betrieben zum Einsatz kommen kann. Wenige speziel-
le Fälle ausgenommen - sollte eine individuelle Softwareentwicklung vermie-
den werden, da diese in der Regel teurer ist und Individualentwicklungen
schnell veralten. Des Weiteren haben ERP-Systeme überwiegend einen mo-
dularen Aufbau. Dabei unterstützen die einzelnen Module einzelne betriebs-
wirtschaftliche Funktionsbereiche, wodurch auch nur einzelne Module ver-
wendet werden können und somit eine schrittweise Einführung eines neuen
Systems ermöglicht wird. Dabei können die einzelnen Module sowohl von
verschiedenen Anbietern kommen und vernetzt werden, was man als „Best-
of-Breed“ bezeichnet, als auch im System eines einzelnen Anbieters integ-
riert sein. In der Praxis kommt es oft zu Architekturen, bei denen integrierte
ERP-Systeme
30
Systeme eines Anbieters um einzelne Module anderer Anbieter ergänzt wer-
den.
Ein weiteres Merkmal von ERP-Systemen ist die zentrale Datenhaltung in ei-
ner gemeinsamen Datenbank, wodurch eine redundante Datenhaltung und -
erfassung vermieden und allen Modulen der Zugriff auf aktuelle Daten er-
möglicht wird.
Abb. 8: Lebenszyklus eines Informationssystems
Ein ERP-System durchlebt während des Einsatzes in einem Unternehmen
die typischen Stadien von Informationssystemen und beschreibt einen in
Abb. 8 dargestellten Lebenszyklus.
3.3 Erweiterungen zu ERP-Systemen
Mögliche Erweiterungen stellen APS- und MES dar, die in Verbindung mit
ERP-Systemen zum Einsatz kommen und auf deren Daten angewiesen sind.
Ein „Manufacturing Execution System“ (MES) ist das Bindeglied zwischen
dem ERP-System und der Produktion. Es unterstützt und steuert die tatsäch-
liche Umsetzung des Planungsergebnisses, indem aktuelle Daten aus der
Fertigung berücksichtigt werden und eine Feinplanung durchgeführt werden
kann.
„Advanced Planning and Scheduling“-Systeme (APS) ergänzen ERP-
Systeme und versuchen den Problemen, die sich aus der sukzessiven MRP
II-Planung ergeben, unter Einsatz verbesserter Lösungsalgorithmen, Heurist-
iken und Simulation zu begegnen. Dabei verwenden sie als Grundlage die
Daten des ERP-Systems und führen eine simultane Planung aller Restriktio-
nen und verfügbaren Kapazitäten im Hauptspeicher durch. Diese schnelle
Bearbeitung und die verbesserten Ergebnisse ermöglichen eine Planung von
Ressourcen auch über Unternehmensgrenzen hinweg und können so die
Koordination ganzer Lieferketten unterstützen, weshalb sie die Basis für
ERP-Systeme
31
Supply Chain Management-Software darstellen und deshalb teilweise mit
dieser gleichgesetzt wird. Aufgrund der hohen Investitionen in diese Systeme
sind diese fortschrittlichen Planungssysteme nur unter bestimmten Voraus-
setzungen für mittelständische Unternehmen interessant.
3.4 Aktuelle Entwicklungen
Die aktuelle Entwicklung der betrieblichen Standardanwendungssoftware ist
geprägt durch die Möglichkeiten neuer Technologien und veränderten Anfor-
derungen an die Unternehmen durch den Wandel der Märkte. Die Tenden-
zen der Weiterentwicklung sind etwa die verstärkte Integration unterneh-
mensübergreifender Prozesse und eine Konzentration auf Belange von klei-
nen und mittleren Unternehmen (KMU).
Als ERP II-Systeme bezeichnet man eine neue Generation von Systemen,
die den veränderten Geschäftsanforderungen mit Hilfe von neuen Technolo-
gien wie flexiblen, webbasierten Systemarchitekturen und einer unterneh-
mensübergreifenden Integrationsfähigkeit gerecht werden. Diese Systeme
haben große Potentiale, sind aber bisher nur selten im Einsatz und es gibt
relativ wenige Anbieter.
3.5 ERP-Markt
Insgesamt ist der Markt für Unternehmenssoftware sehr intransparent und es
gibt eine große Anzahl verschiedener Lösungen und Anbieter. Der Markt wird
geprägt durch viele Zusammenschlüsse und Übernahmen, wodurch wenige
große Anbieter an Einfluss gewinnen. Es ist jedoch festzustellen, dass die
Zufriedenheit mit ERP-Systemen bei kleinen Anbietern nicht geringer ist als
bei den Marktführern. Gerade für die Zielgruppe KMU schneiden kleine spe-
zialisierte Anbieter und Branchenlösungen teilweise überdurchschnittlich gut
ab. Allein die mangelnde Größe eines Softwareherstellers sollte daher kein
Ausschlusskriterium sein, wenngleich die zukünftige Entwicklung eines klei-
nen Unternehmens beurteilt werden sollte. Ein wichtiger Faktor für die Zu-
friedenheit mit ERP-Systemen ist die Kundenbetreuung durch den Anbieter
und dies sollte entsprechend beachtet werden.
ERP-Systeme
32
3.6 Nutzen von ERP-Systemen
Der Nutzen eines ERP-Systems ist - wie der von IT-Investitionen insgesamt -
schwer überprüfbar, da sowohl Kosten als auch Erträge schwer messbar und
zurechenbar sind. Ein ERP-System ist dann von Nutzen für ein Unterneh-
men, wenn es „im Vergleich zum Vorgängersystem einen höheren Beitrag
zur Erreichung von übergeordneten Unternehmenszielen leistet“. Der indivi-
duelle Nutzen eines Systems für ein Unternehmen wird daher auch beeinf-
lusst von der Tauglichkeit des bestehenden Systems sowie den Zielen des
Unternehmens und ist daher weder für ERP-Systeme allgemein noch für ein
bestimmtes Produkt einfach zu bestimmen. Um den Nutzen eines ERP-
Systems zu untersuchen, können die in Tab. 2 aufgezeigten Nutzenkatego-
rien herangezogen werden.
Tab. 2: Kategorien für die Nutzenbewertung von ERP-Systemen
Nutzenkategorie Beschreibung
Prozesseffizienz Fähigkeit der Verbesserung der Geschäftsprozesse hinsichtlich der
Kriterien Kosten, Qualität, Zeit
Markteffizienz Marktorientierung und Steigerung des Kundennutzen durch das Sys-
tem Systems
Ressourceneffizienz Produktivität und Wirtschaftlichkeit beim Einsatz der Ressourcen
Delegationseffizienz Hilfe bei der Gewinnung, Aufbereitung und Weitergabe von benötig-
ten Informationen
Motivationseffizienz Schafft das System Voraussetzungen für ein unternehmenszielkon-
formes Verhalten der Mitarbeiter
Ausgehend von der hohen Verbreitung von ERP-Lösungen sowie einer gro-
ßen Zufriedenheit der Unternehmen mit diesen kann man davon ausgehen,
dass ERP-Systeme im Allgemeinen zu Nutzensteigerungen in Unternehmen
führen.
ERP-Systeme
33
4 Besonderheiten von KMU
Seit einigen Jahren gibt es den Trend, dass ERP-Systeme immer mehr auch
in KMU eingesetzt werden und es auf dem Markt deutlich mehr Systeme gibt,
die für den Mittelstand grundsätzlich geeignet sind. In diesem Kapitel werden
zunächst kurz die wesentlichen Besonderheiten von KMU herausgearbeitet
und dann die daraus resultierenden speziellen Anforderungen an das Vorge-
hen bei der Auswahl sowie an die Lösung selbst genannt.
4.1 Qualitative Besonderheiten von KMU
Es gibt mehrere Merkmale, welche die Besonderheiten von KMU im Ver-
gleich zu großen Unternehmen darstellen, die wichtigsten werden im Folgen-
den kurz genannt.
Das Unternehmen wird maßgeblich durch die Persönlichkeit des Un-
ternehmers geprägt, der oft Geschäftsführer und Eigentümer ist,
der Unternehmer hat ein Netz persönlicher Kontakte zu Lieferanten,
Kunden und sonstigen Personen im Unternehmensumfeld,
das Unternehmen orientiert sich stark an individuellen Kundenwün-
sche,
die Kontakte zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitern sind relativ
eng und informell,
die Organisation ist wenig formalisiert und es gibt flache Hierarchien.
Aufgrund dieser Merkmale haben KMU Vor- aber auch Nachteile gegenüber
großen Unternehmen. Die wichtigsten positiven Aspekte sind dabei eine ho-
he Flexibilität und Innovationsfähigkeit bei Produkten und Produktionsverfah-
ren sowie die große Anpassungsfähigkeit bei kundenindividuellen Wünschen.
Die größten Nachteile von KMU sind hingegen häufig geringe finanzielle und
personelle Ressourcen.
ERP-Systeme
34
4.2 Auswirkungen der Besonderheiten von KMU auf die
Systemauswahl
Während sich die funktionalen Anforderungen von KMU an ERP-Systeme
nicht stark von denen großer Unternehmen unterscheiden, haben jedoch ihre
begrenzten finanziellen und personellen Mittel einen Einfluss auf die Auswahl
einer ERP-Lösung. Softwaresysteme für KMU müssen folgenden Anforde-
rungen gerecht werden:
Niedrige TCO und schnellen Return on Investment bei ähnlicher Funk-
tionalität,
einfache Bedienung und Handhabbarkeit,
hohe Skalierbarkeit und Flexibilität hinsichtlich des Funktionsumfangs,
um eine sukzessive Einführung zu ermöglichen und
geringe Anforderungen an vorhandene IV-Struktur und hohe Integrati-
onsfähigkeit in diese.
Der Mangel an personeller Kapazität und fachlicher Kompetenz führt oft da-
zu, dass Auswahlprojekte in KMU mehrfach angefangen und nicht beendet
werden, was auch bei der Elektro GmbH der Fall war. Um dies zu vermeiden,
ist ein systematisches Vorgehen und eine Planung der begrenzten Ressour-
cen im Rahmen eines Projektmanagements von großer Bedeutung und dar-
über hinaus der Import von fehlendem Know-how durch eine externe Bera-
tung sinnvoll.
Da KMU sehr flexibel in ihrer Produktion sind und auch spezielle Kunden-
wünsche erfüllen, zeichnen sich die Produktionssysteme durch eine große
Heterogenität aus. Diese stellt besondere Anforderungen an die Produkti-
onsplanung und -steuerung und stellt einen zentralen Aspekt bei der Aus-
wahl eines ERP-Systems dar, da KMU gerade in dieser Flexibilität Wettbe-
werbsvorteile haben.
Hinsichtlich verschiedener allgemeiner Auswahlkriterien, ist festzustellen,
dass KMU im Vergleich zu großen Unternehmen keine großen Abweichun-
gen bei der Gewichtung der einzelnen Kriterien aufweisen und ähnliche Er-
wartungen und Anforderungen an Softwareprodukte haben. Jedoch gibt es,
teilweise deutliche, Unterschiede hinsichtlich der Bewertung der einzelnen
Auswahlkriterien von Unternehmen zu Unternehmen. Besonders wichtige
Besonderheiten von KMU
35
Kriterien sind eine höhere Transparenz und ein besserer Informationsfluss,
die Ausgereiftheit des Systems, die Verkürzung von Bearbeitungszeiten so-
wie die Anpassungsfähigkeit an die Bedürfnisse des Unternehmens.
Merkmale von Serien- und Auftragsfertigung
36
5 Merkmale von Serien- und Auftragsfertigung
Ein Auftrags- und Serienfertiger, wie die Elektro GmbH, ist geprägt durch ei-
ne komplexe Struktur des Produktionssystems und die daraus resultierenden
Anforderungen an die PPS. Tab. 3 zeigt eine Übersicht über die Merkmale
zur Beschreibung eines Produktionssystems. In den nachstehenden Ab-
schnitten werden die Kennzeichen und Probleme der komplexen Produkti-
onsstruktur skizziert.
Tab. 3: Merkmale zur Beschreibung des Produktionssystems
Merkmal Ausprägungen
Auftragsauslösungsart Kundenauftragsorientierte Produkti-
on
Marktorientierte Produktion auf
Lager
Wiederholungsgrad Einzel-/Einmalfertigung Serienfertigung Massenfertigung
Dispositionsart der
Produktionsaufträge
Kundenauftrags-
orientiert
Überwiegend
kundenauftrags-
orientiert
Überwiegend
programm- orien-
tiert
Programm-
orientiert
Produktionstiefe Einstufige Produktion Mehrstufige Produktion
Erzeugnisspektrum
Kunden-
individuelle Pro-
dukte
Standardprodukte
mit kunden-
spezifischen Va-
rianten
Standardprodukte
mit Anbieter-
spezifischen Va-
rianten
Standard-
produkte
5.1 Kennzeichen der Serien- und Auftragsfertigung
Die wichtigsten Kennzeichen eines durch Auftrags- und Serienfertigung ge-
prägten Produktionssystems werden im Folgenden durch die Ausprägungen
der Merkmale Auftragsauslösungsart, Wiederholungsgrad der Produktion
und Dispositionsart beschrieben.
Auftragsauslösungsart
Die Auftragsauslösungsart charakterisiert die Verbindung zwischen Produkti-
on und Markt bzw. Kunde. Es werden hierbei zwei grundsätzliche Ausprä-
gungen unterschieden. Bei der auftragsorientierten Produktion werden die
Produktionsaufträge durch individuelle Kundenaufträge ausgelöst, wohinge-
gen bei der marktorientierten auf Lager produziert wird und die Produktions-
aufträge auf Absatzprognosen basieren.
Merkmale von Serien- und Auftragsfertigung
37
Wiederholungsgrad der Produktion
Der Wiederholungsgrad der Produktion wird determiniert durch die Stückzah-
len, in der die einzelnen Produkte hergestellt werden. Grundvarianten sind
hierbei Einzelfertigung, Serienfertigung und Massenfertigung. Der Wiederho-
lungsgrad hat einen großen Einfluss auf die Stabilität der PPS. Während bei
der Massenfertigung die Strukturen relativ gefestigt sind, kommt es bei der
Einzel- und Serienfertigung laufend zu Veränderungen im Produktionssys-
tem.
Dispositionsart
Die Dispositionsart steht in Zusammenhang mit der Auftragsauslösungsart.
Im Rahmen der Disposition werden die zur Realisierung der Produktionsauf-
träge benötigten Rohmaterialien, Baugruppen und Einzelteile zugeordnet und
verwaltet. Es kommen hierzu sowohl deterministische bzw. programmgebun-
dene, als auch stochastische bzw. verbrauchsgebundene Verfahren zum
Einsatz.
5.2 Probleme der komplexen Produktionsstruktur
Ein Serien- und Auftragsfertiger ist dadurch gekennzeichnet, dass mehrere
der oben genannten Ausprägungen vorhanden sind und deswegen relativ
hohe Anforderungen an die PPS gestellt werden. Bei der Elektro GmbH wird,
bei einer hohen Eigenproduktionstiefe, zum einen anonym auf Lager gefer-
tigt, zum anderen auch auftragsorientiert gearbeitet. Sowohl Lager- als auch
Kundenaufträge können dabei Einzel- sowie Serienaufträge mit sehr unter-
schiedlichen Losgrößen sein. Bei der Disposition kommen bei den Rohmate-
rialien, den Baugruppen und den Einzelteilen stochastische und deterministi-
sche Verfahren zum Einsatz. Darüber hinaus werden unterschiedliche Pro-
duktgruppen mit verschiedenen Organisationsformen der Fertigung herges-
tellt und es gibt neben Standardprodukten auch Standardprodukte mit kun-
denindividuellen Varianten und kundenindividuelle Produkte.
Die Strukturen der Produktion sind also sehr verzweigt und dadurch kompli-
ziert. Neben den hohen funktionalen Anforderungen werden sie durch viele
Unsicherheiten aufgrund stochastischer Einflüsse geprägt und sind insge-
samt durch die vielen Merkmale relativ unstabil. Das PPS-System der Elektro
GmbH muss daher breite Aufgabenstellungen unterstützen und stellt eine he-
rausragende Rolle bei der Auswahl eines neuen ERP-Systems dar.
Prozessorientierung bei der Auswahl
38
6 Prozessorientierung bei der Auswahl
Ein ERP-System hat den Anspruch, alle Geschäftsprozesse zu steuern und
zu kontrollieren, weshalb es ein Instrument zur Unterstützung der Prozesse
darstellt. Die Prozesse eines Unternehmens bilden die Ablauforganisation ei-
nes Unternehmens und diese wiederum steht in gegenseitiger Abhängigkeit
zu der Aufbauorganisation des Unternehmens. Dies ist der Grund, warum ein
ERP-Projekt auch immer zugleich ein Organisationsprojekt ist. Einerseits ist
man gezwungen, durch die Besonderheiten des einzuführenden ERP-
Systems Eingriffe in die Unternehmensorganisation vorzunehmen um eine
Anpassung von Organisation und Unternehmen zu erreichen. Andererseits
bietet es sich auch an, im Rahmen eines ERP-Projekts, bei dem man sich
sowieso mit den Geschäftsprozessen beschäftigt und Eingriffe in die Organi-
sation vornimmt, bewusst Reorganisationsmaßnahmen durchzuführen, um
das Unternehmen an veränderte Umweltbedingungen anzupassen.
Ziel dieses Kapitels ist es, zunächst den Organisationsbegriff zu erläutern
und die Vorteile einer prozessorientierten gegenüber einer funktionsorientier-
ten Organisationsgestaltung herauszustellen. Anschließend wird der Pro-
zessbegriff erläutert und das Vorgehen bei einer prozessorientierten Reorga-
nisation beschrieben.
6.1 Allgemeiner Organisationsbegriff
Organisation kann als „Resultat gewollten menschlichen Gestaltungshan-
delns im Sinne einer länger zeitlich hergestellten Systemstruktur“ verstanden
werden und ist ein betriebsordnendes und -gestaltendes Instrument.
Das Organisationsproblem kann aufgeteilt werden in das Koordinations- so-
wie das Motivationsproblem. Das Koordinationsproblem tritt dann auf, wenn
Akteure nicht wissen, wie sie sich am besten verhalten sollen, weil ihnen In-
formationen oder Erfahrungen fehlen. Das Motivationsproblem tritt dann auf,
wenn die Akteure nicht auf eine bestimmte Weise handeln wollen, da sie kei-
ne Anreize dafür haben. Hierbei geht es um so genannte „weiche Faktoren“,
wie etwa Bedürfnisse, Gewohnheiten und Gefühle einzelner Personen.
Hauptaufgabe der Organisation ist es, eine handlungsfähige und effektive
Einheit zu formen. Dies soll erreicht werden, indem
Prozessorientierung bei der Auswahl
39
eine Unternehmens- bzw. Abteilungsstruktur durch Verteilung und
Koordination der Sachaufgaben erschaffen wird,
Mitarbeiter gesteuert, motiviert und diszipliniert werden,
Hierarchien aufgestellt und Zuständigkeiten auf Mitarbeiter verteilt
werden,
Grenzen von Zuständigkeiten definiert werden und
die Entwicklungs- und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens
gesichert wird.
Prägend für Gestalt und Wesen der Organisation sind die Aufbau- sowie die
Ablauforganisation.
Die Aufbauorganisation regelt die statische Struktur des Unternehmens, also
welche Bereiche und Arbeitsplätze es gibt, welche Mitarbeiter und sonstige
Faktoren an diesen Orten eingesetzt werden und welche Leistungen oder
Teilleistungen erbracht werden. Die Aufbauorganisation ist eine Auswirkung
der Spezialisierung und Arbeitsteilung, wodurch sie eine hierarchische
Anordnung der Instanzen und eine vertikale und funktionale Sichtweise der
Organisation fokussiert [BEAF02, S. 302].
Im Gegensatz zur Aufbauorganisation steht bei der Ablauforganisation die
dynamische Betrachtung der Prozesse zur Bearbeitung einer Aufgabe im
Vordergrund. Die Ablauforganisation legt fest, in welcher sachlichen, zeitli-
chen und räumlichen Reihenfolge die einzelnen Arbeitsschritte eines Ge-
samtprozesses erfolgen sollen. Während bei der Aufbauorganisation die
Struktur der zu erfüllenden Aufgaben im Vordergrund steht, ist bei der Ab-
lauforientierung der Arbeitsprozess im Mittelpunkt. Somit ist die Ablauforga-
nisation geprägt durch eine horizontale Sichtweise entlang der Wertschöp-
fungskette und hat Auswirkungen auf Flexibilität und Innovationsfähigkeit.
Diese beiden Gesichtspunkte hängen jeweils voneinander ab und beeinflus-
sen sich gegenseitig. Es ist daher keiner dieser Aspekte zu vernachlässigen,
aber es kann zu deutlichen Unterschieden der Gewichtung der einzelnen As-
pekte und damit zu großen Unterschieden der verschiedenen Organisations-
formen kommen.
Prozessorientierung bei der Auswahl
40
6.2 Funktions- vs. Prozessorientierung
Bei der Gestaltung und Veränderung der Organisation eines Unternehmens
sind sowohl die Aufbau- als auch die Ablauforganisation betroffen. Hierbei
kommt es stark darauf an, ob man sich eher an den Funktionen oder den
Prozessen bei der Gestaltung orientiert.
Die Funktionsorientierung hat ihren Ursprung in den Ideen Taylors, der im
Wesentlichen eine unbedingte, technische Effizienz sowie eine radikale Ar-
beitsteilung postuliert. Dabei sollen die Aufgaben bis in die kleinsten Arbeits-
schritte zerlegt werden und davon ausgehend jeder einzelne für sich alleine
betrachtet, so effizient wie möglich bearbeitet werden. Die einzelne Funktion
wird hierbei weitestgehend isoliert vom Gesamtprozess betrachtet.
Im Gegensatz hierzu steht die Prozessorientierung, der eine ablauforientier-
te, ganzheitliche Sichtweise zugrunde liegt. Es wird dabei der gesamte Pro-
zess betrachtet, der zur Erfüllung einer Aufgabe führt. Bei einer prozess-
orientierten Vorgehensweise steht also nicht das Streben nach Optimierung
der einzelnen Funktionen, sondern vielmehr die sinnvolle Verknüpfung der
jeweiligen Aktivitäten im Vordergrund. Hierdurch rücken die Schnittstellen
zwischen den einzelnen Aktivitäten in den Fokus der Betrachtung, wodurch
unter anderem auch Medienbrüche vermieden werden. Zusammenfassend
können folgende Eigenschaften der Prozessorientierung genannt werden:
Dynamik und Flussorientierung,
Integration mehrerer Funktionen und ein ganzheitlicher Ansatz,
horizontale Betrachtungsweise,
Eigenverantwortung der Mitarbeiter und flache Hierarchien, sowie
eine hohe Kundenorientierung.
Eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Organisationen spielen die Tran-
saktionskosten. Sie sind ein Teil der Gesamtprozesskosten und fallen bei der
Koordination wirtschaftlicher Aktivitäten in einer arbeitsteiligen Gesellschaft
an. Sie sind Reibungsverluste, die auftreten, wenn die Beteiligten verschie-
dene Interessen verfolgen und die Informationsverteilung zwischen ihnen
asymmetrisch ist. Sie treten gleichermaßen bei Leistungsaustausch inner-
halb von Unternehmen, sowie bei Transaktionen auf Märkten auf. Zu den
Transaktionskosten zählen klassischerweise die in Tab. 4 abgebildeten.
Prozessorientierung bei der Auswahl
41
Tab. 4: Transaktionskosten
Ex ante Ex post
Informationsbeschaffungskosten Abwicklungskosten
Anbahnungskosten Kontrollkosten
Vereinbarungskosten Anpassungskosten
Da bei allen Transaktionen Kosten entstehen, auch bei internen Vorgängen,
spielen sie eine wichtige Rolle für die Struktur und Organisation von Unter-
nehmen. So kann die Transaktionskostentheorie den Übergang von einer
funktionalen zu einer divisionalen Organisationsform erklären und auch Vor-
teile einer Prozessorientierung aufzeigen.
Nicht zuletzt der Wandel der Umweltbedingungen und die daraus resultie-
renden Veränderungen des Käuferverhaltens, der Marktstrukturen und der
Dynamik des Wettbewerbs haben die Fokussierung auf die Geschäftspro-
zesse intensiviert.
Aus den oben genannten Vorteilen der Prozessorientierung ergibt sich zum
einen die zentrale Rolle der Prozessgestaltung bei der Reorganisation eines
Unternehmens und zum anderen die Vorteilhaftigkeit eines integrierten ERP-
System, dass geeignet ist, funktionsübergreifende Geschäftsprozesse abzu-
bilden. Die Auswahl und Einführung eines ERP-Systems sollte sich daher in-
sbesondere an Prozessen orientieren.
6.3 Prozessverbesserung
Unter Prozessverbesserung wird im Folgenden die prozessorientierte Reor-
ganisation durch eine zeitliche, sachliche und soziale Effizienzsteigerung der
Unternehmensprozesse verstanden. Dabei gibt es verschiedene Ansätze zur
Prozessverbesserung, die sich vor allem in der Radikalität der Veränderung
unterscheiden.
Häufig wird auch der Begriff Prozessoptimierung verwendet, der suggeriert,
man könnte in jedem Fall ein Optimum bei der Gestaltung von Prozessen er-
reichen. Da dies jedoch in der Regel nicht der Fall ist, wird dieser Begriff hier
bewusst vermieden.
In den nachstehenden Abschnitten werden die Grundlagen, das Vorgehen
und die Techniken einer Prozessverbesserung beschrieben.
Prozessorientierung bei der Auswahl
42
6.3.1 Prozessbegriff
Ein Prozess kann definiert werden als eine ganzheitlich integrierte Folge von
Tätigkeiten, in der innerhalb eines definierten Zeitraums ein Input in einen
Output transformiert wird. Ein Geschäftsprozess ist ein Prozess, der durch
die obersten Unternehmensziele geprägt ist, einen Kundennutzen erzeugt
und dadurch gekennzeichnet ist, dass er Schnittstellen zu den Marktpartnern
des Unternehmens wie etwa Lieferanten und Kunden aufweist.
Angestoßen wird ein Prozess durch verschiedene Ereignisse wie etwa Ver-
änderungen der Umwelt, das Ende einer vorgelagerten Aktivität oder die be-
wusste Entscheidung einer Person. Diese Ereignisse nennt man „Trigger“.
Abb. 9 zeigt einen Prozess mit seinen Bestandteilen. Jedem Prozess wird ein
Prozessverantwortlicher zugeordnet, da Prozesse oft über mehrere Abteilun-
gen hinweg laufen. Mit der Ernennung eines sogenannten „Process-Owners“
wird ein Verantwortungsbewusstsein für einen Prozess geschaffen, welches
Voraussetzung für eine Prozessverbesserung ist.
Die Abgrenzung von Prozessen erfolgt aus der subjektiven Sicht des Be-
trachters. Grundsätzlich können Prozesse sowohl gegenüber anderen Pro-
zessen aus einem Prozessgeflecht abgegrenzt werden, als auch durch eine
Zerlegung in Teilprozesse. Im ersten Fall spricht man von der horizontalen,
im zweiten Fall von der vertikalen Auflösung.
6.3.2 Management-Paradigmen der Prozessverbesserung
Der Begriff „prozessorientierte Reorganisation“ lässt einen großen Spielraum
und reicht von kleinen organisatorischen Anpassungen bis hin zu einer radi-
kalen Veränderung der Organisationsstruktur. Innerhalb dieses Spielraums
A1 A3 A2 A4
Input
Trigger
Transformation Output
Zeit
Abb. 9: Elemente eines Prozesses
Prozessorientierung bei der Auswahl
43
gibt es verschiedene Management-Paradigmen, also praktische Handlungs-
empfehlungen, die sowohl auf wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch auf
Erfahrungen basieren. Das Business „Process Reengineering“ etwa stellt ei-
ne sehr radikale Handlungsempfehlung dar, da hier eine grundlegende Neu-
organisation und dramatische Veränderungen gefordert werden und der be-
stehende Ist-Zustand weitgehend unberücksichtigt bleibt. Aufgrund des gro-
ßen Ausmaßes der Änderungen findet hier also keine Verbesserung statt,
sondern eine Neugestaltung.
Ein weniger fundamentaler Ansatz ist dagegen die Methode des Kaizen. Hier
wird ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess in vielen kleinen Schritten
verfolgt. Alte Prozesse werden beispielsweise nicht ersetzt, sondern, in der
Regel nach Vorschlägen der Mitarbeiter, verbessert.
Ein weiteres Paradigma stellt das „Continuous System Engineering“ dar.
Auch hier steht ein kontinuierlicher Änderungsprozess im Vordergrund. In ei-
nem inkrementellen Vorgehen werden Organisation und Informationssystem
angepasst, wobei dem Einsatz von Standardsoftware eine große Bedeutung
zukommt, da diese die Unternehmensorganisation mitgestaltet.
Bei der Prozessreorganisation kann also revolutionär oder eher evolutionär
vorgegangen werden. Wie Abb. 10 zeigt, bieten sich bei revolutionären An-
sätzen größere Nutzenpotentiale, die jedoch mit einer höheren organisatori-
schen Veränderung einhergehen und somit mit mehr Aufwand und Risiko
verbunden sind. Deshalb sind bedingungslos radikale Vorgehensweisen in
der Praxis kaum durchsetzbar.
Ausmaß &
Risiko der
organisator.
Änderung
Potentieller
Nutzen
„revolutionär“
„evolutionär“
BPR
Prozess-
verbesserung
Abb. 10: Ansätze der Prozessgestaltung
Prozessorientierung bei der Auswahl
44
6.3.3 Ansätze und Vorgehen bei der Prozessverbesserung
Als Leitgedanke eines Reorganisationsprojekts kommt den Grundsätzen des
„Lean Thinking“ eine große Bedeutung zu. Dieser Ansatz stammt aus dem
Bereich der Produktion, kann jedoch auch auf andere Unternehmensberei-
che übertragen werden. Die Ziele des „Lean Thinking“ sind eine Humanisie-
rung der Arbeit, die Steigerung der Kundenzufriedenheit sowie die konse-
quente Vermeidung von Verschwendung. Die Prinzipien, an denen sich das
„Lean-Thinking“ orientiert, sind in Tab. 5 zu sehen.
Tab. 5: Prinzipien des Lean Thinking
Prinzip Beschreibung
Value Wert einheitlich und aus Sicht der Kunden definieren
Value Stream Den Wertstrom in der Organisation identifizieren
Flow Wertschöpfende Prozesse zum Fließen bringen
Pull Wert vom Endkunden durch das System fließen lassen
Perfection Perfektion durch kontinuierliche Verbesserung anstreben
Die Prozessverbesserungen beruhen in der Regel auf Eingriffen in die zeitlo-
gische Folge der Aktivitäten sowie Veränderungen der horizontalen und ver-
tikalen Auflösung. Einige grundlegende Varianten Lösungsansätze der Pro-
zessverbesserung sind in Tab. 6 zu sehen.
Tab. 6: Lösungsansätze der Prozessverbesserung
Lösungsansatz Beispiele
Aufspalten und Parallelisie-
ren Erhöhung der Arbeitsteilung
Weglassen Überprüfen der Notwendigkeit von Aktivitäten
Beschleunigen/Verkürzen Bereitstellung von Mitteln zur effizienten Aufgabenerledigung;
Vermeidung von Warte- und Liegezeiten
Zusammenfassen Zusammenlegung von Aktivitäten
Verbessern Funktionalität einer Aktivität verbessern
Reihenfolge ändern Früherer Beginn von Aktivitäten
Auslagern Vergabe von Aktivitäten an externe Stellen;
Übernahme von Teilaktivitäten in vorgelagerte Aktivitäten
Einlagern Einbindung externer Aktivitäten in den Prozess
Prozessorientierung bei der Auswahl
45
Die Prozessverbesserung wird als Projekt durchgeführt. Hierzu wird ein Er-
hebungs- und Modellierungsteam (EM-Team) zusammengestellt. Die typi-
schen Aktivitäten des Projektablaufs sind in Tab. 7 zu sehen.
Tab. 7: Projektablauf der Prozessverbesserung
Aktivität Ausführung
1) Zieldefinition und Teamzusammenstellung Unternehmensleitung, Teamleitung
2) Identifikation der Schwachstellen EM-Team, Prozessverantwortliche
3) Erfassung der Grobstruktur der Geschäftsprozesse
durch Interviews und Dokumentenanalyse EM-Team, Prozessverantwortliche
4) Datenerhebung, Befragungen, Workshops EM-Team, Prozessteilnehmer
5) Prozessmodellierung, Analyse der Schwachstellen
und Gestaltung der Soll-Prozesse EM-Team
6) Ergebnispräsentation und Entscheidung Unternehmensleitung, Projektlei-
tung
7) Implementierung Projektleitung,
Prozessteilnehmer, EM-Team
6.3.4 Prozessmodellierung
Wie in dem oben genannten Vorgehensmodell der Prozessverbesserung zu
sehen ist, spielt die Prozessmodellierung, die mit Hilfe verschiedener Techni-
ken und Werkzeuge durchgeführt wird, dabei eine wichtige Rolle.
Die Vorteile der Prozessmodellierung sind:
eine Verbesserung der Qualität verschiedener Aufgaben,
eine hohe Übersichtlichkeit,
das Erkennen von Schwachstellen und
eine umfassende Dokumentation und Transparenz.
Trotz dieser vielen Vorteile wird der Prozessmodellierung in der Praxis in vie-
len Bereichen eine geringe Bedeutung zugemessen und gerade KMU
scheuen sich, Modellierungstechniken anzuwenden. Gründe hierfür liegen
vor allem in der geringen Akzeptanz und in der Regel unbegründeten Vorur-
teilen gegenüber Modellierungswerkzeugen. Diese Vorurteile sind beispiels-
weise eine zu hohe Komplexität oder mangelnde Transparenz beim Einsatz
von Werkzeugen. Wegen dieser Berührungsängste mit der Prozessmodellie-
Prozessorientierung bei der Auswahl
46
rung muss eine große Unterstützung der Geschäftsführung vorhanden sein,
die Werkzeuge Benutzerfreundlich und einfach sein sowie die Mitarbeiter
ausreichend geschult werden.
6.3.5 Prozessmodellierungstechniken und -werkzeuge
Es gibt eine Reihe verschiedener Techniken, die bei der Prozessmodellie-
rung zum Einsatz kommen. Einen groben Überblick über die Prozessland-
schaft eines Unternehmens bieten die verschiedenen Übersichtsdarstellun-
gen. Die Details der Prozessabläufe bleiben dabei unberücksichtigt.
Ablaufdiagramme und ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK) sind Techni-
ken, die bei der Ablaufdarstellung von Prozessen häufig Verwendung finden.
Andere Techniken wie etwa Petrinetze sind zwar leistungsfähiger und unters-
tützen auch eine Prozesssimulation, sie sind jedoch auch komplizierter in der
Anwendung und haben daher eine geringere Akzeptanz und Verbreitung.
Flussdiagramme oder „Flow Charts“ sind eine sehr einfache Möglichkeit ei-
ner Prozessmodellierung. Sie sind einfach zu handhaben und verfügen über
eine lange Tradition, weshalb sie eine große Akzeptanz bei Benutzern ha-
ben. Der Nachteil liegt in der Unübersichtlichkeit komplexer Abläufe, weshalb
sie nur für einfach strukturierte Abläufe tauglich sind.
Bei der Modellierung von Geschäftsprozessen kommen EPK am häufigsten
zum Einsatz, da sie auch der Standard großer Softwareanbieter sind. Sie
sind leistungsfähiger als einfache Flussdiagramme und daher auch geeignet,
komplexere Prozesse übersichtlich abzubilden.
Die Werkzeuge, die am häufigsten eingesetzt werden, sind Visio von Micro-
soft, das ARIS Toolset von IDS Scheer.
Change Management
47
7 Change Management
Da im Rahmen eines ERP-Projekts die im vorherigen Kapitel beschrieben
Eingriffe in die Organisation des Unternehmens vorgenommen werden, ist es
notwendig, ein Change Management (CM) einzuführen. Allgemein versteht
man unter dem Begriff CM „die aktive Handhabung von Wandlungsprozes-
sen“ und es „umschließt alle Aufgaben, Prozesse, Träger und Instrumente
unternehmensbezogener Veränderungen und Entwicklung“ . In diesem weit
gefassten Sinne wurden bereits viele Bestandteile des CM genannt, etwa im
Rahmen des Projektmanagements oder dem Vorgehen bei der Prozessver-
besserung. In diesem Kapitel wird die Organisation als sozio-technisches
System betrachtet und die enorme Bedeutung der informellen Aspekte bei
der Umsetzung eines Wandels berücksichtigt.
In den nachstehenden Abschnitten werden die Grundlagen des CM aufge-
zeigt, indem der Begriff des sozio-technischen Systems erläutert wird, sowie
das Vorgehen eines geplanten Wandels dargestellt wird.
7.1 Organisation als sozio-technisches System
Das Zusammenspiel von Menschen - in bestimmten Strukturen und mit ver-
schiedenen Instrumenten - bildet ein sozio-technisches System bestehend
aus einem formal-strukturellen, einem technologischen und einem sozialen
Subsystem. Die einzelnen Sub-
systeme hängen dabei voneinan-
der ab und müssen aufeinander
abgestimmt werden, da die beste
Methode oder das beste Werk-
zeug nichts wert ist, wenn die
Menschen nicht bereit sind, diese
effektiv einzusetzen. Abb. 11
zeigt das Grundmodell eines so-
zio-technischen Systems.
Die Grundlage für diese Sichtweise kommt aus dem „Human-Relations“-
Ansatz der Organisationsforschung nach dem man eine Organisation auch
Technologie
Methoden
Formelle
Organisation
Informelle
Organisation
Aufgaben
Ziele
Technologisches Subsystem
Soziales Subsystem
Abb. 11: Sozio-technisches System
Change Management
48
als ein soziales System beschreiben kann, in dem Menschen miteinander
interagieren.
Ein Unternehmen hat demnach sowohl eine formale Organisation, die be-
wusst und planvoll hergestellt wird und somit sichtbar ist, als auch eine un-
sichtbare informelle Organisation, welche von psychischen und sozialen As-
pekten der Beteiligten geprägt ist und wo der „Faktor Mensch“ im Mittelpunkt
steht. Diese informellen Aspekte haben eine große Bedeutung bei der ge-
planten Veränderung einer Organisation. In Abb. 12 sind die Aspekte der Or-
ganisation dargestellt.
7.2 Ablauf des geplanten Wandels
In einer Organisation gibt es stets zwei entgegenwirkende Kräfte. Während
die eine Kraft nach Veränderung strebt, kämpft die andere für die Beibehal-
tung des aktuellen Zustands. In der Ausgangssituation, also vor dem Wan-
del, befinden sich die Kräfte in einem Gleichgewicht, sodass die bestehende
Organisation stabil ist und sich nicht verändert. Unter dieser Annahme kön-
nen Veränderungen nur stattfinden, wenn das Gleichgewicht instabil wird, al-
so eine der beiden Kräfte sich verändert. Bei dem geplanten Wandel, also
dem CM, nimmt man Einfluss auf das Verhältnis dieser beiden Kräfte. Hier-
bei hat man prinzipiell zwei Möglichkeiten eine Veränderung herbeizuführen:
man kann die Kräfte, die sich gegen den Wandel richten versuchen zu redu-
zieren oder die Kräfte, die Veränderung anstreben verstärken. Wenn einsei-
tig versucht wird, die Veränderungsbestrebungen zu verstärken, kommt es
Formale Aspekte: - Planung - Produktionsprozesse - Hierarchie - Unternehmenspolitik
Rational, sichtbar
Informale Aspekte: - Machtverteilung - Bedürfnisse, Erwartungen - Beziehungsverhältnisse - Vertrauen - Risikofreude - Unternehmenskultur
Affektiv,
verdeckt
Abb. 12: Eisbergmodell der Organisation
Change Management
49
meist zu gesteigerten. Der Ablauf eines geplanten organisatorischen Verän-
derungsprozesses lässt sich gut anhand des „Unfreezing-Moving-
Refreezing“-Modells beschreiben, dessen Phasen in Tab. 8 kurz beschrieben
wird.
Tab. 8: Phasen geplanten Wandels
Phase des Wandels Beschreibung
Unfreezing
In dieser Phase wird versucht, eine Veränderungsbereitschaft her-
zustellen, indem versucht wird, Widerständen von Änderungsge-
gnern zu begegnen und ein Bewusstsein für einen Veränderungs-
bedarf zu schaffen.
Moving
Dies ist die eigentliche Wandlungsphase. Das Verhalten der Betrof-
fenen muss sich verändern, damit es mit den neuen Strukturen
harmoniert und die angestrebten Prozesse erreicht werden.
Refreezing
Die Veränderungen müssen schließlich gefestigt werden, damit
nicht wieder in alte Verhaltensmuster verfallen wird und ein neues,
stabiles Gleichgewicht geschaffen wird.
Eine herausragende Bedeutung haben im CM die in 2.6 beschriebenen As-
pekte der Motivation und Widerstandsauflösung, die nicht nur für die Projekt-
organisation und das Projektteam gelten, sondern auch auf Gesamtorganisa-
tionsebene des Unternehmens übertragen werden können.
Gerade in der Auswahlphase eines ERP-Projekts spielt das „Unfreezing“ -
nicht nur beim Kernteam, sondern auch bei allen zukünftigen Nutzern - eine
große Rolle. Es sollte daher zu Beginn eines „Change-Projekts“ eine Betrof-
fenheitsanalyse durchgeführt werden. Hierbei werden zunächst die Betroffe-
nen des Wandels identifiziert. Das Ausmaß der Betroffenheit der einzelnen
Personen wird dann untersucht und anschließend festgelegt, welche Maß-
nahmen bei den jeweiligen Betroffenen ergriffen werden müssen. Die wich-
tigsten Mittel, um eine Veränderungsbereitschaft herzustellen, sind eine
transparente und offene Kommunikation, eine frühe Einbeziehung betroffener
Mitarbeiter und eine ausreichende Schulungen.
Allgemeine Ansätze und Vorgehensmodelle der ERP-Auswahl
50
8 Allgemeine Ansätze und Vorgehensmodelle der
ERP-Auswahl
Defizite der eingesetzten Systeme und eine geringe Zufriedenheit der Mitar-
beiter haben häufig ihren Ursprung in einem mangelhaften Auswahlprozess.
Die Auswahl eines ERP-Systems ist daher eine komplexe und schwierige
Aufgabe, welche die Entwicklung und den Unternehmenserfolg längerfristig
beeinflusst. In Abschnitt 2.5.1 wurden bereits die große Bedeutung sowie die
Vorteile von Vorgehensmodellen erläutert und die Grundtypen vorgestellt. In
den folgenden Abschnitten sollen zunächst die möglichen Ansätze bei einer
ERP-Auswahl thematisiert werden, anschließend ein Überblick über ver-
schiedene Vorgehensmodelle gegeben werden und abschließend eine Beur-
teilung dieser erfolgen.
8.1 Prinzipielle Ansätze bei der ERP-Auswahl
Da es bei der Auswahl einer ERP-Lösung viele verschiedene Einflüsse gibt,
sind auch verschiedene grundsätzliche Vorgehensweisen denkbar. In diesem
Abschnitt werden einige wichtige Ansätze kurz vorgestellt.
Prozessorientierte Auswahl
Bei der prozessorientierten Auswahl steht die Unterstützung der Unterneh-
mensprozesse der Software im Fokus und es wird die Lösung gesucht, wel-
che die gewünschten Prozesse am besten abbilden kann. Dieses Vorgehen
hat den Vorteil, dass sehr detaillierte Anforderungen an die Software gestellt
werden und somit die unternehmensspezifischen Eigenheiten und Wettbe-
werbsvorteile berücksichtigt werden. Allerdings ist diese Vorgehensweise
tendenziell aufwändig, da umfangreiche Prozessanalysen und -
verbesserungen durchgeführt werden müssen und oft große Anpassungen
der Software nötig sind.
Funktionsorientierte Auswahl
Hierbei soll eine Lösung gefunden werden, die möglichst alle vom Unter-
nehmen geforderten Funktionen unterstützt. Dies kann geschehen, indem
man einen Funktionskatalog erstellt und die Angaben der Anbieter mit den
Allgemeine Ansätze und Vorgehensmodelle der ERP-Auswahl
51
Unternehmensanforderungen vergleicht. Hierbei besteht die Gefahr, dass die
Software die Unternehmensprozesse nicht ausreichend unterstützt, da sich
die Anforderungen an den Strukturen der Aufbauorganisation orientieren.
Strategieorientierte Auswahl
Die Unternehmensstrategie beschreibt den Weg zur Erreichung der längerf-
ristigen und übergeordneten Unternehmensziele. Strategien in diesem Sinne
könnten zum Beispiel das Erreichen der Kostenführerschaft in einem Markt,
die Verlagerung der Produktion ins Ausland oder die Einrichtung eines neuen
Vertriebskanals sein. Aufgabe der Auswahl ist es, das System zu finden,
welches die Umsetzung der Strategien am besten unterstützt.
Anbieterorientierte Auswahl
Der Anbieter eines ERP-Systems hat in der Regel weit mehr Aufgaben, als
die bloße Bereitstellung der Software. Er ist Partner des gesamten Projekts,
stellt sein Wissen und seine Erfahrungen zur Verfügung und begleitet auch
die Einführung des Systems und die Umsetzung organisatorischer Änderun-
gen. Bei der anbieterorientierten Auswahl werden diese Aspekte verstärkt
berücksichtigt.
Nutzenorientierte Auswahl
Die Frage nach dem Nutzen, den die Einführung eines neuen Systems mit
sich bringt ist natürlich besonders interessant für die Entscheidung zuguns-
ten eines ERP-Systems. Sind der Aufwand und der Nutzen bekannt, so kann
man daraus eine Auswahl ableiten. Das große Problem ist hierbei jedoch,
dass sowohl der finanzielle und zeitliche Aufwand, als auch der Nutzen
schwer einschätzbar sind, da nicht alle Einflussgrößen quantifizierbar und
bekannt sind. Nutzenorientierte Vorgehensweisen sind daher nicht allein für
eine Auswahl geeignet, sondern sind nur als Ergänzung zu anderen Ansät-
zen sinnvoll.
Vorabeingeschränkte Auswahl
Falls aufgrund verschiedener Umstände wie etwa Branchenbesonderheiten
oder einer besonderen Unternehmensstrategie nur wenige Produkte in Frage
kommen, so kann auf eine umfassende Analyse des gesamten Marktes ver-
Allgemeine Ansätze und Vorgehensmodelle der ERP-Auswahl
52
zichtet werden und eine Auswahl aus nur wenigen Alternativen getroffen
werden.
Empfehlungsbasierte Auswahl
Bei diesem Vorgehen erfolgt die Auswahl hauptsächlich aufgrund einer Emp-
fehlung oder persönlichen Beziehung. Dieser Ansatz kommt häufig bei KMU
zum Einsatz, wenn eine Vertrauensbasis zwischen ERP-Anbieter und dem
Geschäftsführer des auswählenden Unternehmens besteht. Trotz des gerin-
gen Aufwands sollte dieser Ansatz jedoch nicht praktiziert werden, da die un-
ternehmensspezifischen Anforderungen unberücksichtigt bleiben und somit
ein hohes Investitionsrisiko besteht.
Alle diese Ansätze fokussieren andere Aspekte bei der Auswahlentscheidung
und haben unterschiedliche Vor- und Nachteile. Bei der Auswahl einer neuen
Unternehmenssoftware sollten daher mehrere Ansätze einbezogen werden
und nicht nur ein Aspekt Berücksichtigung finden.
8.2 Vorgehensmodelle
Bei der ERP-Auswahl sind grundsätzlich verschiedene Vorgehensmodelle
möglich und werden auch praktiziert, von der Auswahl aufgrund einer Emp-
fehlung oder persönlichen Beziehungen bis hin zu komplexen Auswahlpro-
zessen. Gerade in KMU werden häufig sehr minimalistische und daher un-
kalkulierbare Vorgehensweisen gewählt [SONT06]. Da die ERP-Auswahl je-
doch ein Projekt mit den in Abschnitt 2.1 beschriebenen Merkmalen und
Konsequenzen darstellt, werden im Folgenden nur systematische und struk-
turierte Vorgehensweisen berücksichtigt.
Bei den vorgestellten Vorgehensmodellen wird zu erkennen sein, dass ein
ERP-Projekt immer aus drei Teilprojekten besteht:
einem Prozessorganisationsprojekt,
einem Auswahlprojekt und
einem Einführungs- bzw. Implementierungsprojekt.
Diese drei Teile sind sehr eng miteinander verbunden, beeinflussen sich ge-
genseitig und greifen teilweise ineinander. Während Auswahlprojekt und Im-
plementierungsprojekt meist gut abzugrenzen sind und ausschließlich in die-
Allgemeine Ansätze und Vorgehensmodelle der ERP-Auswahl
53
ser Reihenfolge Sinn machen, gelingt dies bei dem Aspekt der Prozessorga-
nisation nicht so leicht. Dies liegt daran, dass das Ausmaß der organisatori-
schen Veränderungen stark variieren kann und das Prozessorganisations-
projekt vor der Systemauswahl liegen kann oder, falls nur kleinere Änderun-
gen der Prozesse vorgenommen werden sollen, dies zeitgleich zur System-
auswahl und -einführung stattfindet. Die in Abschnitt 6.3.3 vorgestellten Vor-
gehensschritte werden also an verschiedenen Stellen in die Vorgehensmo-
delle integriert. Das Ausmaß der Veränderung der Unternehmensprozesse
hat daher einen Einfluss auf das verwendete Vorgehensmodell.
Morschheuser hat Auswahlmodelle von Schinzer, Kremer, Lang und Brenner
sowie Einführungsmodelle von Pietsch, Thome, Barbitsch und Kirchmer ana-
lysiert und leitet daraus das in Abb. 13 dargestellte idealtypische Vorge-
hensmodell zur Auswahl und Einführung einer Standardsoftware ab. Dabei
werden im Rahmen einer Voruntersuchung die Rahmenbedingungen festge-
legt und das Projekt eingerichtet. Die Anforderungen an die gesuchte Soft-
ware werden in einem zweiten Schritt analysiert und festgelegt und anhand
dieser erfolgt die Auswahl. Bei der Einführung geht eine Vorstudie - gefolgt
von einer Anforderungsanalyse - voraus. Bei der Anforderungsanalyse wer-
den die nötigen Anpassungen an Software und Organisation untersucht. Im
Anschluss erfolgen die eigentliche Umsetzung der Einführung und eine Kont-
rolle des Systems.
Häufig scheitern viele ERP-Projekte an einer mangelnden grundlegenden
Reorganisation der Unternehmensprozesse, weshalb der Auswahl und Ein-
führung eine umfassende Prozess- und Strukturreorganisation vorangestellt
werden sollte. Dies ist bei dem in Tab. 9 vorgestellten 3-Phasen-Konzept des
Aachener Forschungsinstituts für Rationalisierung zu sehen. In der ersten
Vorunter- Suchung u. Projektstart
Auswahl
Einführung
Anforderungs- analyse
Software- auswahl
Vorunter- Suchung u. Projektstart
Anforderungs- analyse
Einführung
Projekt-
controlling
Abb. 13: Idealtypische Phasen der Auswahl und Einführung
Allgemeine Ansätze und Vorgehensmodelle der ERP-Auswahl
54
Phase erfolgt hierbei im Rahmen einer Organisationsanalyse eine umfang-
reiche Analyse und Reorganisation der Strukturen und Prozesse. Während
der zweiten Phase wird eine Vorauswahl getroffen, indem zunächst eine
Analyse des Marktes durchgeführt wird und anschließend die Produkte se-
lektiert werden, die den Anforderungen entsprechen. Aus den in Frage kom-
menden Produkten wird in der dritten Phase die Endauswahl getroffen.
Tab. 9: 3PhasenKonzept zur Auswahl
Phase Aktivitäten
1 Organisationsanalyse
1.1 Projekteinrichtung
1.2 Prozess- und Strukturanalyse
1.3 Prozess- und Strukturreorganisation
2 Vorauswahl
2.1 Analyse des Marktangebotes
2.2 Ermittlung und Gewichtung der Anforderungen
2.3 Evaluierung der Anforderungserfüllung
3 Endauswahl
3.1 Erstellung von Testfahrplänen
3.2 Durchführung von Systemtests
3.3 Erarbeitung der Entscheidungsgrundlage
Die der Auswahlphase vorgelagerte Organisationsphase erachtet Gronau als
in der Regel ungünstig, da die Zeit zwischen Konzeption und Realisierung
nicht zu lang sein sollte, und schlägt vor, die Organisationsanalyse während
der Anforderungsanalyse der Auswahlphase und der Implementierungs-
phase durchzuführen. Sein Phasenmodell der Auswahl ist in Abb. 14 darges-
tellt.
Treutlein und Sontow schlagen zur ERP-Auswahl ein Vorgehen in den in
Abb. 15 dargestellten acht Schritten vor [TREUT07, S. 5]. Nach der Projekt-
einrichtung und ersten Marktorientierung erfolgt eine prozessorientierte An-
forderungsanalyse und Lastenhefterstellung. Im Anschluss wird der Markt
genauer analysiert und die Anbieter werden herausgefiltert, welche die An-
forderungen erfüllen.
Abb. 14: Phasenmodell der Auswahl
Ziele Markt- übersicht
Screening End-
auswahl
Entschei-
dung
Anfor- derungen
Allgemeine Ansätze und Vorgehensmodelle der ERP-Auswahl
55
Im Rahmen der Endauswahl wird schließlich ein Anbieter ausgewählt, mit
dem man sich in Vertragsverhandlungen begibt.
8.3 Fazit
Wie auch schon von Morschheuser festgestellt wurde, weisen die verschie-
denen Vorgehensmodelle viele Gemeinsamkeiten auf. Unterschiede beste-
hen in der Gliederung der einzelnen Phasen, deren Gewichtung und der
oben beschriebenen Rolle der Prozessorganisation.
In Abb. 16 wird ein mehrdimensionales Vorgehensmodell für ERP-Projekte
vorgestellt, welches die wesentlichen Aspekte des Vorhabens berücksichtigt
und in einen Kontext stellt. Die verschiedenen Teilprobleme bestimmen die
Inhalte und Aktivitäten des Vorgehens. Daneben müssen zeitliche Ziele und
die gesamten Kosten berücksichtigt werden.
Abb. 15: 8 Schritte der ERP-Auswahl
1. Projekt- einrichtung
3. Prozess- analyse
4.Lastenheft 2. Orientie-rung
5. Markt- recherche
7. Endauswahl 8. Vertrags- verhandlungen
5. Vorauswahl
Allgemeine Ansätze und Vorgehensmodelle der ERP-Auswahl
56
Die Autoren Gronau, Schuh sowie Sontow/Treutlein geben in den oben ge-
nannten Quellen auch an, dass ihre Modelle sich an Praxiserfahrungen
orientieren und sich mehrfach bewährt hätten. Dies lässt den Schluss zu,
dass es mehrere Wege geben kann, die zum Erfolg führen und das Vorge-
hensmodell dem Vorhaben entsprechend ausgewählt und den gegebenen
Umständen angepasst werden müssen. Entscheidend für den Erfolg des
Projekts ist daher das in Abschnitt beschriebene Tailoring, also die Anpas-
sung des Vorgehens an den konkreten Fall, ohne dabei die wichtigen
Schlüsselpunkte unberücksichtigt zu lassen.
Abb. 16: Mehrdimensionales Vorgehensmodell für ERP-Projekte
TCO
Vor- studie
Hauptstudie/ Auswahlprozess
Ein-führ. Inbetrieb- nahme
Entwurf/Auswahl Implement. Betrieb u. Wartung
Projekteinrichtung Ist-Aufnahme und Modellierung des Soll-Zustandes
Ein- führ.
hr-
ung
KVP
Projekteinr.
„Unfreeze“ „Move“ „Refreeze“
Orien tier.
Anf. anal. Laste nheft
Markt analyse
Aus- wahl
Ver- trag
Ziele & Strategien
Entwicklung, Formulierung und Prüfung von Anforderungen; Detaillierung in iterativem Prozess
Anstoß Kick-off Entscheidung Betrieb Abschluss
Evaluatives PM-Modell Abschn. 2.5.1
Teilaspekte
Zeit
Softwarelebenszyklus Abschn. 3.2
Prozessreorganisation Abschn. 6.3.3
Change Management Abschn. 7.2
Anforderungsanalyse Abschn. 9.4
Systemauswahlmodelle Abschn. 8.2
Meilensteine
Allgemeine Ansätze und Vorgehensmodelle der ERP-Auswahl
57
Sontow beschreibt dies wie folgt:
„Für die ERP-Auswahl gibt es keinen Königsweg, der für alle Unter-
nehmen gleichermaßen geeignet ist. Viele Wege können zum Ziel füh-
ren. Der Auswahlvorgang kann unterschiedlich verlaufen, weil einer-
seits das Investitionsrisiko reduziert, andererseits aber nicht zu viel
Aufwand betrieben werden soll. Letzteres soll Firmen allerdings nicht
so weit treiben, dass sie auf ein Lastenheft verzichten“ [SONT06].
Für die Auswahl eines ERP-Systems ist ein Vorgehen im Rahmen eines
passenden Modells unumgänglich und ein in der Praxis gewähltes Vorge-
hensmodell wird sich an mehreren der oben beschriebenen Modelle und An-
sätze orientieren.
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
58
9 Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittels-
tändischen Serien- und Auftragsfertiger
In diesem Kapitel wird aufbauend auf den bisherigen allgemeinen Erkenn-
tnissen, ein individuelles Vorgehensmodell zur ERP-Auswahl für einen mit-
telständischen Auftrags- und Serienfertiger am Beispiel der Elektro GmbH,
die sich gerade mit der Auswahl eines neuen ERP-Systems beschäftigt, ent-
wickelt. Hierbei werden die Situation des Unternehmens, das bisherige Vor-
gehen und die erlangten Erkenntnisse berücksichtigt und kritisch beurteilt.
Darüber hinaus soll die beschriebene Vorgehensweise als Vorschlag für den
weiteren Verlauf des Auswahlprozesses dienen, weshalb auf eine praktische
Umsetzbarkeit des vorgestellten Modells Wert gelegt wird.
Zunächst wird die Ausgangssituation des Unternehmens dargestellt und an-
schließend die einzelnen Phasen des Auswahlprojekts genauer beschrieben.
Zusammenfassend wird eine Übersicht über das Vorgehensmodell gegeben.
9.1 Ausgangssituation des Auswahlprojekts
Die Firma Elektro GmbH hat schon seit längerer Zeit erkannt, dass das alte
System, das vor weit mehr als 20 Jahren individuell entwickelt wurde, den
Anforderungen nicht mehr entspricht. Die Umwelt hat sich geändert, es gibt
mittlerweile Produktionsstandorte in Marokko und Tschechien, mit dem Be-
reich „Sichern“ sind neue Produkte mit neuen Produktionsverfahren hinzuge-
kommen und der Anteil der Auftragsfertigung ist seit der Einführung des Sys-
tems stark angestiegen. Dies sind nur einige beispielhafte Veränderungen,
es könnten noch mehr genannt werden.
Das Projekt ist geprägt von großen Anlaufschwierigkeiten. Es gab schon
mehrere Versuche das Thema anzugehen, die jedoch immer wieder ver-
schoben wurden bzw. mehr oder weniger „im Sande verlaufen“ sind. Gründe
dafür sind wohl vor allem mangelnde personelle Ressourcen, die Angst vor
hohen und unkalkulierbaren Investitionen und mangelndes Know-how im Be-
reich von ERP-Projekten. Wie in Abschnitt 4.2 aufgezeigt wurde, sind diese
Voraussetzungen jedoch typisch für KMU und stellen keine Besonderheit der
Elektro GmbH dar.
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
59
Ein erster Ansatz zur Lösung des Problems bestand darin, das bestehende
selbst entwickelte System zu ergänzen und anzupassen. In diesem Rahmen
wurde das bestehende System mehrfach dokumentiert und analysiert, sowie
Verbesserungsansätze diskutiert. Das Ergebnis dieser Bemühungen sind
mehrere Zusammenfassungen der Funktionen des Systems und Aufstellun-
gen der Defizite und Probleme des Systems. Das ernüchternde Fazit ist im
Vergleich der verschiedenen Problemdarstellungen klar zu erkennen: bei den
wesentlichen Mängeln wurden keine Verbesserungen erreicht, in der Analyse
aus dem Jahr 2006 wurden dieselben Probleme erkannt, die auch zehn Jah-
re zuvor schon identifiziert wurden.
Die Vision der Einführung eines neuen, integrierten ERP-Systems kommt
von einem Mitarbeiter des Führungskreises der Firma, der die Firma jedoch
verlassen hat. Das Thema „ERP-Einführung“ ist seitdem angestoßen, der Ini-
tiator des Projekts jedoch nicht mehr in der Firma. Dem Projekt fehlt daher
eine treibende Kraft im Führungskreis, weshalb der Projektverlauf als sehr
zäh beschrieben werden kann.
Mit der Auswahl einer möglichen ERP-Software wurde schon begonnen, je-
doch in einem sehr informellen Rahmen. Einen Start im Sinne des PM, also
mit Zieldefinition, Projektauftrag und „Kick-off“, gab es jedoch bisher noch
nicht.
Die prinzipielle Möglichkeit, das bestehende System durch verschiedene in-
dividuelle Anpassungen zu verbessern, wird im Folgenden nicht weiter unter-
sucht. Die nächsten Abschnitte beschreiben, wie im Rahmen eines geeigne-
ten Projektmanagements eine Softwareauswahl durchgeführt werden könnte.
Genauere Informationen über die Elektro GmbH sind dem Anhang zu ent-
nehmen.
9.2 Projekteinrichtung
Ausschlaggebend für die Projektwürdigkeit eines Vorhabens sind eine hohe
Komplexität, Interdisziplinarität und Wichtigkeit, ein großer finanzieller Auf-
wand, ein hohes Risiko, sowie ein großer Motivationsbedarf bei den Mitarbei-
tern. Bei der ERP-Auswahl ist daher von einer hohen Projektwürdigkeit aus-
zugehen und das PM wird von vielen Autoren als einer der wichtigsten Er-
folgsfaktoren der ERP-Auswahl bezeichnet. Daher sollten die geringen Res-
sourcen bei KMU nicht als Kontraindikation für eine Projekteinrichtung ange-
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
60
sehen werden, diese aber auch nicht als nebensächlich betrachtet werden.
Denn gerade bei den wenigen zur Verfügung stehenden Ressourcen ist es
wichtig, diese sinnvoll einzusetzen.
Die Anfangsphase von Projekten ist dadurch gekennzeichnet, dass mit relativ
geringem Aufwand verhältnismäßig wichtige und weit reichende Entschei-
dungen getroffen werden. Dies ist auch bei der ERP-Auswahl der Fall, da
hier der Aufwand nicht so umfangreich ist wie bei der Einführung der Soft-
ware, die Entscheidungen jedoch weit reichende Konsequenzen haben. De-
mentsprechend sind auch die Anforderungen an ein Projektmanagement bei
der Auswahl anders als bei der Implementierung.
Die entscheidenden Projektmanagementaufgaben bei der Auswahl liegen bei
der Auswahl der Projektorganisation und den beteiligten Mitarbeitern, der
Erstellung eines Zielsystems, dem Projektauftrag, einer Analyse des Risikos
sowie der Motivation der Mitarbeiter und des Umgangs mit Widerständen.
Eine Bürokratisierung des Projekts durch zu genaue Planung, umfangreiches
Controlling, Formalien und sonstige Regelungen sollte vermieden werden, so
dass ein schneller Ablauf und eine hohe Flexibilität erreicht werden.
In den nächsten Abschnitten wird die Einrichtung des Projekts im Sinne des
Projektmanagements geschildert, indem die nötigen personellen und organi-
satorischen Anforderungen sowie die inhaltlichen, zeitlichen und finanziellen
Rahmenbedingungen des ERP-Auswahlprojekts beschrieben und ein Pro-
jektplan mit den wichtigen Meilensteinen des weiteren Vorgehens dargestellt
werden.
9.2.1 Personelle Anforderungen und Projektorganisation
Für das Projekt wird ein Kernteam in der Größe von wenigen Mitgliedern
ausreichend sein. Die Mitglieder sind den Anforderungen entsprechend aus-
zuwählen. Bei der Elektro GmbH wurden bisher Mitarbeiter aus den Abtei-
lungen Arbeitsvorbereitung, EDV, Einkauf und Vertrieb involviert. Diese Zu-
sammensetzung ist prinzipiell auch sinnvoll, da die Produktionsplanung und -
steuerung als kritischer Faktor der Auswahl angesehen wird und diese Abtei-
lungen besonders berücksichtigt werden sollten. Als problematisch erwies
sich dabei, dass die entsprechenden Mitarbeiter nicht ausdrücklich ernannt
wurden und daher häufig unterschiedliche Mitarbeiter der jeweiligen Abtei-
lungen bei Besprechungen anwesend waren. Um ein persönliches Verant-
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
61
wortungsbewusstsein der Mitarbeiter für das Projekt zu erwecken, ist es da-
her notwendig, das Kernteam ausdrücklich zu ernennen und für die vom Pro-
jekt beanspruchte Zeit von den Linienaufgaben frei zu stellen.
Da die Anforderungen möglichst vieler späterer Benutzer bei der Auswahl
berücksichtigt werden sollen, werden neben dem Kernteam noch weitere
Repräsentanten aus allen betroffenen Abteilungen beteiligt. Diese „Key-user“
werden jedoch nur kurzfristig für das Projekt eingespannt, soweit sie für die
Spezifikation der Anforderungen benötigt werden.
Eine reine Projektorganisation ist bei KMU aufgrund der dünnen Personalde-
cke nur schwer möglich und zumindest in der Auswahlphase auch nicht not-
wendig.
Es erscheint sehr sinnvoll, einen Lenkungsausschuss für das Projekt einzu-
richten, dem auch Repräsentanten der Geschäftsleitung und/oder der Ge-
schäftsführer angehören. Dieser Ausschuss befasst sich mit Entscheidungs-
findungen, der Definition und Priorisierung von Zielen, sowie mit der Überwa-
chung der Ergebnisse. Durch ein solches Gremium wird das Projekt mehr
Unterstützung aus der Geschäftsleitung erhalten und wichtige Entscheidun-
gen können schneller getroffen werden.
Die bestehende selbst entwickelte Unternehmenssoftware ist bei der Elektro
GmbH weit über 20 Jahre in Betrieb und das Know-how bei der Auswahl
komplexer Standardsoftware ist daher im Unternehmen nur sehr gering. Dies
macht eine externe Unterstützung bei der Auswahl notwendig. Dabei müssen
nicht alle Prozessschritte von externen Dienstleistungsanbietern durchgeführt
werden, es sollte jedoch zumindest eine Beratung und Unterstützung bei den
einzelnen Schritten erfolgen. In jedem Fall ist bei der Wahl eines externen
Beraters auf die Neutralität, sowie eine große Erfahrung und Marktkenntnis
zu achten.
9.2.2 Ziele des Projekts
Die enorme Bedeutung der Projektziele wurde in Abschnitt 2.2.2 dargestellt
und diese besitzen auch bei der Einrichtung eines ERP-Projekts eine ele-
mentare Bedeutung. Die Ziele eines solchen Projekts werden oft als gegeben
angesehen. Dies ist jedoch nicht der Fall, sondern viele Zielsetzungen sind
sehr unklar und müssen daher zuerst erarbeitet werden. Zwingend erforder-
lich ist daher die Formulierung inhaltlicher, finanzieller und zeitlicher Ziele.
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
62
Inhalte
Bei den inhaltlichen Zielen können Inkonsistenzen auftreten, die zu Proble-
men führen und daher beseitigt werden müssen. Die Frage, ob das alte Sys-
tem individuell angepasst oder ob eine komplett neue ERP-Lösung gesucht
werden soll stellt beispielsweise einen Zielkonflikt dar. Dieser muss beseitigt
werden, da das „Denken im alten System“ zwar für Änderungen daran not-
wendig ist, auf der Suche nach einer neuen Lösung jedoch im Wege stehen
kann. Dies hat den Grund, dass bei der Suche nach Möglichkeiten der Sys-
temverbesserung ein „Bottom-up-Vorgehen“ Verwendung finden sollte, bei
der Suche nach einem neuen System die Rahmenkriterien aber eher „top-
down“ aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden. Aus dem Zielsystem
werden später die Anforderungen an das System herbeigeführt, weshalb die-
se, zunächst groben, Ziele schon richtungweisend sind. Die Ziele sind daher
auch entscheidend für die wichtige Frage, welches Ausmaß das Reorganisa-
tionsvorhaben haben sollte.
Zeit
Die Festlegung eines zeitlichen Rahmens ist auch sehr wichtig, da sonst die
Gefahr besteht, dass das Auswahlprojekt immer wieder zu Gunsten anderer,
vermeintlich dringenderer Projekte, herausgezögert wird. Die Priorisierung
von Projekten ist zwar letztlich eine strategische Entscheidung der Ge-
schäftsführung, dieser muss jedoch dann auch vor Augen geführt werden,
wenn das Auswahlprojekt stark vom zeitlichen Rahmen abweicht. Wenn es
jedoch keine zeitlichen Ziele gibt, ist dies nicht möglich. Außerdem ist ein
schnelles Vorangehen generell wünschenswert, da sich sowohl der Markt als
auch die Situation der Firma ständig ändert und somit bei einer zeitlichen
Verzögerung verschiedene Phasen und Aktivitäten mehrfach ausgeführt
werden müssten.
Finanzen
Schon bei der Einrichtung des Projekts ist ein Kostenrahmen zumindest grob
abzustecken. Zwar ist eine Abschätzung der Kosten schwer, da der Soft-
waremarkt sehr heterogen ist und es viele unterschiedliche Kostenpositionen
gibt, dennoch ist es sinnvoll, sich von Anfang an die Größenordnung des
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
63
Projekts klar zu machen, um spätere Überraschungen zu vermeiden. Verfei-
nerungen der Kostenbetrachtung erfolgen dann im Verlauf des Projekts.
Über die gesamten Kosten des Projekts herrscht bei der Elektro GmbH Un-
klarheit. Von verschiedenen Messebesuchen und Anbieterpräsentationen
stehen sehr vage und unterschiedliche Zahlen im Raum. Daher sollte eine
systematische Aufwandsschätzung durchgeführt werden. Abb. 17 zeigt eine
mögliche Verteilung der Kosten bei ERP-Projekten und deren relative Anteile
am Gesamtbudget. Allerdings gibt es auch hier große Schwankungen bei
verschiedenen Projekten. Da die Schätzungen der Kosten im Wesentlichen
auf Erfahrungen und Analogien zu ähnlichen Projekten beruhen, ist auch hier
eine externe Beratung hilfreich.
Zieldefinition
Die wichtigsten oben beschriebenen Ziele müssen in jedem Fall schriftlich fi-
xiert werden und sind Bestandteil des Projektauftrags. Eine Zieldefinition soll-
te knapp sein aber trotzdem folgende wesentliche Punkte enthalten:
Eine knappe Beschreibung der Ausgangssituation,
angestrebte organisatorische Verbesserungen,
angestrebte technische Verbesserungen,
Budgetanteil
5%10%
10%
25%
50%
Hardware undInstallation
Anforderungsanalyse
Softwareauswahl
Softwarelizenzen
Einführungskosten
Abb. 17: Budgetanteile eines Softwareprojektes
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
64
angestrebte Verbesserung der Wettbewerbssituation,
terminliche Ziele sowie
das voraussichtliche Budget.
Im Anhang werden einige Ziele, die sich für die Elektro GmbH als wichtig he-
rausgestellt haben, im Rahmen des Pflichtenheftes genannt.
9.3 Marktüberblick und Orientierung
In vielen Vorgehensmodellen wird die erste Marktanalyse erst nach der An-
forderungsspezifikation durchgeführt. Es ist jedoch sinnvoll, sich schon früh-
zeitig einen Überblick über den unübersichtlichen Markt an ERP-Systemen
zu verschaffen. Dies hat den Vorteil, dass man sich vor der Spezifikation der
Ansprüche an die Software an den am Markt angebotenen Systemen hin-
sichtlich der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten orientieren und inspirieren
lassen kann. Deshalb sollte die Beobachtung des Marktes auch während der
Prozess- und Anforderungsanalyse stattfinden. Hierbei muss jedoch beachtet
werden, dass man sich nicht einseitig an einem Anbieter orientiert und somit
schon die spätere Auswahl beeinflusst.
Auch ist zu beachten, dass die Zeit der ERP-Auswahl insgesamt tendenziell
kurz gehalten werden sollte. Um dies zu erreichen sollte mit der Erstellung
eines groben Marktüberblickes schon frühzeitig angefangen werden, zumal
man etwa bei Messebesuchen und Veranstaltungen wie Seminaren oder
Workshops terminlich eingeschränkt ist.
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
65
Tab. 10: Informationsquellen für die Softwareauswahl
Informationsquelle Orientierung Vorauswahl Endauswahl
Softwarekataloge + - -
Fachmessen & Fachliteratur + o -
Informationsplattformen im Internet + o o
Seminare und Workshops + + o
Marktstudien + + o
Softwareberater + + +
Systembeschreibungen der Anbieter O + o
Allgemeine Anbieterpräsentationen - + o
Systematische Produktvergleiche - + o
Softwarepräsentation mit relevanten Daten
und Funktionen
- o +
Referenzkundenbesuche/Testinstallationen - o +
Prototyping - - +
Legende: + : gut geeignet, o : bedingt geeignet, - : nicht geeignet
Einen Überblick über geeignete Informationsquellen für die erste Marktorien-
tierung sind in Tab. 10 zu sehen und es wird deutlich, dass verschiedene In-
formationsquellen über den Markt und verschiedene Lösungen während des
gesamten Auswahlprozesses bis zur Entscheidung für ein System benötigt
werden.
In dieser frühen Phase ist es auch schon sinnvoll mit dem „Unfreezing“ zu
beginnen und zu versuchen Widerständen gegen das Projekt entgegenzu-
wirken und eine Veränderungsbereitschaft herzustellen. Hierbei könnten zum
Beispiel allgemeine Informationsveranstaltungen über ERP-Systeme hilfreich
sein. Grundsätzlich sollte versucht werden, eine Transparenz bezüglich des
Projekts und seinen Zielen herzustellen, wobei darauf geachtet werden soll-
te, dass die Mitarbeiter davon nicht abgeschreckt werden.
Bei der Elektro GmbH wurden zu diesem frühen Zeitpunkt schon allgemeine
Produktpräsentationen von Anbietern durchgeführt. Zum jetzigen Zeitpunkt
liegen noch keine präzisen unternehmensspezifischen Anforderungen vor.
Dennoch ist dieses Vorgehen zur Verschaffung eines Überblicks über die
Möglichkeiten von ERP-Lösungen und sonstigen Informationen geeignet.
Besonderes Interesse wurde dabei bezüglich des Einsatzes von APS-
Systemen erweckt. Sie stellen einen möglichen Ansatz zur Behebung einiger
Schwachstellen und Probleme des Unternehmens dar. Jedoch ist hierbei zu
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
66
Beachten, dass diese fortschrittlichen Planungslösungen ERP-Systeme le-
diglich erweitern und daher auf geeignete Daten dieser angewiesen sind.
9.4 Anforderungsanalyse
Die Auswahl eines Systems erfolgt letztlich auf Grundlage der Anforderungen
an das System. Eine Anforderung ist „eine Aussage über eine zu erfüllende
Eigenschaft oder eine zu erbringende Leistung eines Produkte, eines Pro-
zesses oder der am Prozess beteiligten Personen“.
Die Analyse der Anforderungen ist daher von großer Bedeutung. Denn nur
durch eine konsistente und vollständige Beschreibung der wesentlichen An-
forderungen kann ein passendes System gefunden und somit das Investiti-
onsrisiko verringert werden. Sie ist allerdings auch mit einem großen Auf-
wand verbunden, der vom Ausmaß der Reorganisation der Prozesse und
vom Detaillierungsgrad der Anforderungsspezifikation abhängt. Das Ziel ist
es daher, den Aufwand so gering wie möglich zu halten und dennoch die nö-
tigen Prozessverbesserungen zu berücksichtigen und die wesentlichen An-
forderungen zu formulieren.
Die Anforderungen an ein ERP-System leiten sich vor allem aus den Unter-
nehmensprozessen abhängt, da es ein Werkzeug zur Unterstützung von
Prozessen ist. Trotz einer Fokussierung auf die Prozesse darf eine Beach-
tung der Funktionen und Daten im System nicht vernachlässigt werden, da
Prozesse letztendlich aus Funktionen bestehen und Daten auch einen gro-
ßen Wert für ein Unternehmen darstellen.
In den folgenden Abschnitten wird zunächst ein allgemeiner Überblick über
die Anforderungen an ein ERP-System gegeben und anschließend das Vor-
gehen bei einer prozessorientierten Anforderungsanalyse geschildert.
9.4.1 Allgemeine Anforderungen an ERP-Systeme
Entsprechend der Komplexität eines ERP-Systems sind auch die Ansprüche
an ein solches vielfältig. Nach Inhalten gegliedert, können folgende Typen
von Anforderungen, die in diesem Kapitel kurz beschrieben werden, unter-
schieden werden:
technische Anforderungen,
funktionale Anforderungen,
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
67
nichtfunktionale Anforderungen und
adaptive Anforderungen.
Technische Anforderungen
Bei den technischen Anforderungen steht die Eingliederung der Software in
die bestehende bzw. gewünschte EDV-Landschaft im Vordergrund. Hierbei
müssen sowohl die Kompatibilität mit der Hardware als auch die Schnittstel-
len zu anderer Software und externen, wie etwa Kunden, berücksichtigt wer-
den. Auch der Datensicherheit und dem Datenschutz kommt hierbei eine Be-
deutung zu.
Bei der Elektro GmbH wird hier vorab die Frage zu klären sein, ob zwingend
an der bestehenden AS/400 von IBM festgehalten werden soll und welche
vorhandenen Standardsoftwaremodule beibehalten werden sollen. Eine
Übersicht über die vorhandene Applikationslandschaft ist im Anhang zu fin-
den.
Funktionale Anforderungen
Die gewünschte Unterstützung der Abläufe eines Unternehmens wird durch
die funktionalen bzw. fachlichen Ansprüche ausgedrückt. Es wird also be-
schrieben, was das System leisten können muss.
Die Ableitung dieser Ansprüche orientiert sich hauptsächlich an den Prozes-
sen und wird aufgrund der großen Bedeutung in den nächsten Abschnitten
ausführlicher erklärt.
Nichtfunktionale Anforderungen
Diese Anforderungen zielen auf die Qualität der zu leistenden funktionalen
Anforderungen ab. Im Einzelnen wird dies konkretisiert in der:
Sicherheit,
Zuverlässigkeit,
Verfügbarkeit,
Benutzbarkeit und Ergonomie, sowie dem
Zeitverhalten bzw. der Performance und dem
Verbrauchsverhalten bezüglich verschiedener Ressourcen.
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
68
Adaptive Anforderungen
Da Softwarelösungen dem Unternehmen in der Regel lange zur Verfügung
stehen, ist es wichtig, dass das gewählte System gut an organisatorische
Änderungen anpassbar ist und somit leicht eine strukturelle Analogie zwi-
schen Software und Organisation hergestellt bzw. beibehalten werden kann.
Neben den Anforderungen an das System selbst sind auch Anforderungen
an den Anbieter zu berücksichtigen, der nicht nur Lieferant, sondern auch
längerfristiger Partner sein soll. Hierzu zählen beispielsweise:
eine fachliche Kompetenz,
Erfahrung mit ähnlichen Projekten,
eine räumliche Nähe,
eine hohe Vertrauenswürdigkeit und Reputation.
Diese Punkte sind besonders wichtig bei einer anbieterorientierten ERP-
Auswahl wie sie in Abschnitt 8.1 beschrieben wurde. Aufgrund der geringen
Erfahrung der Elektro GmbH mit ERP-Projekten spielen die Anforderungen
an den Anbieter eine große Rolle.
9.4.2 Vorgehen bei der prozessorientierten Anforderungsanalyse
Das nachstehend geschilderte Vorgehen steht unter der Annahme, dass kei-
ne radikale Prozessreorganisation im Rahmen des ERP-Projekts stattfinden
soll, sondern die Entfernung von Schwachstellen in Abläufen und eine evolu-
tionäre Reorganisation angestrebt wird.
Das Vorgehen richtet sich nach dem in Abschnitt 6.3.3 beschriebenen Vor-
gehen, wobei zunächst im Rahmen einer Prozessaufnahme der Ist-Zustand
dargestellt wird und anschließend eine Modellierung des gewünschten Soll-
Zustands erfolgt. Die Anforderungen werden in den bestehenden Schwach-
stellen und modellierten Ist- und Soll-Prozessen sichtbar und daraus abgelei-
tet.
Die Anforderungsanalyse ist ein iterativer Prozess, der das ganze ERP-
Projekt begleitet und auch darüber hinaus nicht abgeschlossen wird, da sich
Anforderungen auch nach der Implementierung noch ändern und Anpassun-
gen vorgenommen werden müssen. Dies zeigt, dass der hier getriebene
Aufwand nicht nur für die Auswahl und Implementierung der Software betrie-
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
69
ben wird, sondern die erzielten Ergebnisse auch später noch von Nutzen
sind, wegen der in Abschnitt 6.3.4 genannten Dokumentations- und Transpa-
renzfunktion der Prozessmodellierung.
Die Spezifikation der Anforderungen wird im Projektverlauf immer detaillier-
ter. Während für die erste Eingrenzung von möglichen Anbietern noch relativ
grobe Angaben genügen, müssen sie für die weiteren Schritte wie Anbieter-
präsentationen, Endauswahl und Implementierung immer feiner beschrieben
werden.
In vielen Unternehmen gilt die Prozessmodellierung im Rahmen einer ERP-
Auswahl als irrelevant. Aus den in Abschnitt 6.3.4 genannten Gründen sollte
sie jedoch nicht vernachlässigt werden und trotz des damit verbundenen
Aufwands durchgeführt werden.
9.4.2.1 Prozessaufnahme
Das Ziel der Prozessanalyse ist, den Ist-Zustand des Unternehmens zu be-
schreiben. Grundlage hierfür bilden strukturierte Interviews und Befragungen
der prozessbeteiligten Mitarbeiter sowie Workshops und Gruppenarbeit. Bei
der Elektro GmbH hat es sich als notwendig herausgestellt, vor der Prozess-
aufnahme einige zentrale Begriffe zu definieren, da in verschiedenen Abtei-
lungen teilweise unter den Begriffen etwas anderes verstanden wurde oder
gleiche Dinge unterschiedlich bezeichnet wurden. Eine Definition dieser Be-
griffe ist im Anhang zu finden.
Das Vorgehen erfolgt in mehreren Schritten vom Groben zum Detail, d. h.
„Top-down“. Zunächst werden die Aufbaustrukturen des Unternehmens dar-
gestellt und die relevanten Hauptprozesse identifiziert und in den in 6.3.5 er-
wähnten Übersichtsdarstellungen abgebildet. Auch eine Abgrenzung von
Teilbereichen, die nicht relevant sind, ist an dieser Stelle sinnvoll, um den
Aufwand einzugrenzen.
Die identifizierten Hauptprozesse und die daraus abgeleiteten Teilprozesse
werden dann in Ablaufdarstellungen, überführt und genauer beschrieben.
Während für eine erste, grobe Darstellung die Verwendung von Flussdiag-
rammen ausreichend ist, sind für detailliertere Darstellungen EPK angeb-
rachter, siehe ebenfalls 6.3.5.
In dieser frühen Phase können schon große Probleme des Projekts sichtbar
werden. Da die Prozessaufnahme relativ zeitaufwändig ist und neben den Li-
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
70
nientätigkeiten erfolgt, kann es dazu kommen, dass die Beteiligten den Vor-
gang als Belastung oder als unnötig ansehen. Dies führt dazu, dass versucht
wird, die Sache möglichst schnell zu erledigen. Auch werden hier schon Wi-
derstände der Mitarbeiter gegen das ERP-Projekt spürbar. Ebenso die in Ab-
schnitt 6.3.4 genannten Probleme einer geringen Akzeptanz und Verwen-
dung von Modellierungstechniken treten hier auf.
Bei diesen Schwierigkeiten sind besonders die Unterstützung der Geschäfts-
führung und die Persönlichkeit des Projektleiters gefordert. Außerdem spie-
len die in Abschnitt 2.6 genannten Aspekte der Teamarbeit, Motivation und
von Widerständen eine große Rolle. Vor der Prozessaufnahme ist daher eine
Schulung der Betroffenen notwendig und die Ziele des Vorhabens müssen
kommuniziert werden.
Auch bei der Elektro GmbH sind die oben genannten Probleme während der
Prozessaufnahme deutlich zum Vorschein gekommen. Gerade die mangeln-
de Zeit und Motivation der Beteiligten ist verantwortlich für ein zeitlich und
qualitativ unbefriedigendes Vorankommen in dieser Phase. Darüber hinaus
wird eine detaillierte Beschreibung der Prozesse als nicht sehr wichtig ein-
gestuft. Zwar kann man auch aus groben Übersichten Anforderungen ablei-
ten, spätestens bei der Implementierung eines neuen Systems wird jedoch
eine genauere Beschreibung der Prozesse nötig.
Einige Prozesse, die schon grob beschrieben und aufgenommen wurden,
sind im Anhang einzusehen.
9.4.2.2 Prozessverbesserung
In der Phase der Prozessverbesserung wird, ausgehend vom Ist-Zustand,
ein Soll-Zustand auf der Grundlage der in Abschnitt 6.3.3 beschriebenen An-
sätze entwickelt. Hierbei bei wird vorwiegend in Gruppen mit Repräsentanten
aller Prozessbeteiligten gearbeitet. Die Verbesserungen sollen erfolgen um
die zuvor festgelegten Unternehmensziele zu erreichen und orientieren sich
daher an diesen. Bei dem Vorgehen ist zum einen eine gewisse Kreativität
und ein gestalterisches Potential gefragt, zum anderen jedoch auch die
Orientierung an Referenzmodellen hilfreich, um Aufwand zu vermeiden und
betriebswirtschaftliche Konzepte zu importieren. Dabei muss jedoch darauf
geachtet werden, dass die Individualität mit der sich ein Unternehmen von
Wettbewerbern differenziert, nicht zerstört wird. Gerade der Produktionspro-
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
71
zess kann in vielen KMU als individueller Erfolgsfaktor angesehen werden
und sollte nicht standardisiert werden. Dies wird auch bei der Elektro GmbH
als besonders kritisch in Bezug auf die ERP-Auswahl gesehen.
Besonders entscheidend ist hier insgesamt die Frage, wie weit man bei den
Veränderungen gehen möchte. Aus diesem Grund sind hier klare Zielvorga-
ben nötig. Auf jeden Fall sollten Schwachstellen und Probleme dabei an-
gesprochen und behoben werden.
Fachwissen im Bereich betriebswirtschaftliche Konzepte und die Kenntnis
über die Möglichkeiten von ERP-Lösungen sind hier notwendig, weshalb ex-
terne Beratung hilfreich sein kann. Des Weiteren hängt auch hier die Güte
der Ergebnisse von der Motivation der Beteiligten ab.
Bei der Elektro GmbH soll die Veränderung der Prozesse und Organisations-
strukturen sehr gering gehalten werden. Für einige Schwachstellen, wie etwa
die Integration der auswärtigen Produktionsstandorte oder mangelhafte Ver-
fügbarkeit wichtiger Planungsdaten, sollten jedoch auf jeden Fall Lösungen
gesucht werden. Eine weitere große Schwachstelle der bestehenden Soft-
ware ist, dass sie keine Kapazitätsplanung unterstützt sondern, lediglich auf
MRP, vgl. Abschnitt 3.1, basiert. Die Kapazitätsplanung erfolgt durch manuell
angelegte Exceltabellen und beruht größtenteils auf der Erfahrung der Mitar-
beiter der Arbeitsvorbereitung. Hier sind eventuell größere Eingriffe nötig, da
neue Anforderungen an die Betriebsdatenerfassung entstehen und kapazi-
tätsbezogene Stammdaten angelegt und gepflegt werden müssen. Allerdings
stecken hier auch große Verbesserungspotentiale bezüglich des Planungs-
ergebnisses, wodurch verschiedene Kennzahlen wie etwa der Lagerhaltung,
Kapazitätsauslastung oder Durchlaufzeit verbessert werden könnten.
Darüber hinaus muss die Frage gestellt werden, inwieweit man sich für neue
Technologien und Umweltbedingungen öffnen bzw. wappnen möchte. Hierzu
können beispielsweise die Möglichkeit des Supply Chain Managements oder
das eventuelle Engagement im außereuropäischen Raum genannt werden.
Im Anhang werden einige Schwachstellen des Ist-Zustandes bei der Elektro
GmbH aufgeführt.
9.5 Lastenheft
Die Erstellung eines Lastenheftes ist obligatorisch bei der Auswahl eines
ERP-Systems und enthält eine kurze Beschreibung der Ausgangssituation,
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
72
die Ziele und groben Rahmenbedingungen des Projekts sowie die Anforde-
rungen an die Software, die im Rahmen der Prozessanalyse ermittelt wur-
den. Auch Anforderungen an den Anbieter und eventuelle Dienstleistungen
werden dabei berücksichtigt. Es soll einen kurzen, prägnanten Überblick über
das Vorhaben geben und dient als Grundlage für die eigentliche Auswahl des
Systems.
Das Lastenheft muss klar strukturiert sein und sich auf die wesentlichen As-
pekte beschränken, was gerade für KMU wichtig ist. Eine Auflistung von
2000 oder mehr Kriterien würde den Rahmen sprengen, da zum Einen der
Aufwand der Erstellung und Auswertung zu hoch und zum Anderen die Ver-
gleichbarkeit eingeschränkt wäre, wegen der großen Unübersichtlichkeit.
Wichtig ist jedoch, dass die wettbewerbsdifferenzierenden und unterneh-
mensspezifischen Anforderungen berücksichtigt werden.
Bei der Aufstellung der Anforderungen ist es hilfreich, sich an Mustern,
Checklisten oder sonstigen Referenzmodellen zu orientieren. Insbesondere
folgende Kriterien sind bei der Aufstellung des Lastenhefts zu berücksichti-
gen:
Relevanz, Konsistenz,
Verständlichkeit, Korrektheit,
Lösungsneutralität und Realitätsnähe.
Um eine Vergleichbarkeit von Systemen herzustellen und somit die Auswahl
zu erleichtern ist eine Gewichtung der einzelnen Kriterien erforderlich. Diese
sollte zusammen mit der Geschäftsleitung erfolgen und sich an den Unter-
nehmenszielen orientieren. Üblicherweise werden dabei A-, B- und C-
Prioritäten vergeben. A-Prioritäten sind „K.O.“-Kriterien, die auf jeden Fall er-
füllt werden müssen, B-Prioritäten sind wichtige aber nicht zwingende Krite-
rien und C-Prioritäten stellen Anforderungen dar, die lediglich als wün-
schenswert angesehen werden. Im nächsten Auswahlschritt der Marktre-
cherche spielen zunächst nur die A-Prioritäten eine Rolle, bei der Vor- und
Endauswahl dann auch die B-Prioritäten. C-Prioritäten haben auf den Aus-
wahlprozess wenig Einfluss.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Lastenheftes ist, dass es sich entwickelt
und verändert. Daher ist es nicht nur für die Weitergabe an Anbieter gedacht,
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
73
sondern auch schon vorher eine interne Arbeitsgrundlage und dient als
Schablone bei der Analyse von Systemen. Die Entwicklung des Lastenheftes
wird schon während der Prozessanalyse begonnen und es wird mehrfach ak-
tualisiert und modifiziert.
9.6 Marktanalyse
Ziel der Marktanalyse ist es, eine erste grobe Eingrenzung des Marktes vor-
zunehmen, indem eine Gruppe von Anbietern gesucht wird, welche die A-
Prioritäten erfüllen. Diese „K.O.“-Kriterien werden bei der Elektro GmbH zu
einem großen Teil in der Abbildung der wichtigsten Merkmale des Produkti-
onssystems und der Vertriebsstruktur sowie der Integration des Systems in
die bestehende EDV-Landschaft liegen. In der Tab. 10 wurden die möglichen
Informationsquellen zur Erschaffung einer Marktübersicht genannt. In dieser
Phase sind allgemeine und öffentlich verfügbare Informationsquellen in der
Regel ausreichend. Die Beratung durch einen Markt- bzw. Branchenkenner
kann jedoch bei der Marktsondierung viel Aufwand sparen. Auf die Neutralität
eines Beraters sollte dabei jedoch geachtet werden.
Die Einschränkung der in Frage kommenden Anbieter erfolgt vom Groben
zum Feinen. Aus einer Übersicht aller Lösungen werden zunächst die ge-
sichtet, die für die Unternehmensgröße und Branche geeignet sind und die
gewünschten Module abdecken können. In weiteren Schritten werden die
Lösungen selektiert, bei denen keine „K.O.“-Kriterien auftreten. Je weniger
Anbieter ausgewählt werden, desto weniger aufwändig wird die nächste
Auswahlstufe. Allerdings sollten keine Anbieter ohne plausible Gründe aus-
geschlossen werden.
9.7 Vorauswahl
Die Anbieter, die bei der Marktanalyse ausgesiebt wurden, werden nun ge-
nauer unter die Lupe genommen. Im Rahmen der Vorauswahl sollten ca. drei
Anbieter ausgesucht werden, die neben der Erfüllung der „K.O.“-Kriterien den
höchsten Abdeckungsgrad der Anforderungen erreichen und sich im finan-
ziellen Rahmen der Zieldefinition bewegen. In dieser Phase ist ein großer
technischer und fachlicher Sachverstand gefragt. Sie wird vom Kernteam und
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
74
einem eventuellen Berater durchgeführt. Auch Rückfragen an verschiedene
Fachbereiche und die IT-Abteilung sind dabei nötig.
Da die Anforderungen immer spezieller werden, reichen hier allgemeine In-
formationen nicht mehr aus, geeignete Informationsquellen für die Voraus-
wahl sind in Tab. 10 genannt. Von großer Bedeutung sind in dieser Phase
beispielsweise fundierte Marktstudien und Anbieterbefragungen.
Im Rahmen der Befragung wird ein Lastenheft an die ausgewählten Anbieter
verschickt und von diesen bearbeitet. Aussagen von Anbietern sind jedoch
grundsätzlich zu hinterfragen, da diese stark vom Vertriebsinteresse geleitet
sind. Deshalb sollte festgelegt werden, dass die Angaben im Lastenheft Be-
standteil eines möglichen Vertrags werden. Das Lastenheft, das an die An-
bieter geschickt wird, ist zu großen Teilen deckungsgleich mit dem oben ers-
tellten Lastenheft. Allerdings darf der Umfang nicht zu groß sein und es sollte
keine C-Kriterien enthalten, damit es zum einen nicht unübersichtlich wird
und zum anderen - sowohl für die Bearbeitung beim Anbieter als auch für die
interne Auswertung - nicht zu viel Zeit gebraucht wird. Um eine größere Ver-
gleichbarkeit und klarere Aussagen zu erhalten, sollten die Anforderungen in
der Form von Fragen formuliert sein, die nur mit „ja“, „nein“ oder „mit zusätz-
lichem Aufwand realisierbar“ beantwortet werden können.
Neben den Anforderungen enthält es weiter eine kurze Beschreibung des
Unternehmens, der Zielen des Projekts und wichtigen Prozessen. Darüber
hinaus erfragt es ein Profil des Anbieters, mögliche Implementierungsstrate-
gien und -unterstützung sowie erste grobe Kostenangaben für einzelne Leis-
tungen. Auf der Grundlage der angegebenen Kosten erfolgt eine Kosten-
schätzung der verschiedenen Lösungen wie in Abschnitt 0 beschrieben.
Schließlich werden die wesentlichen Ergebnisse der Analyse gegenüberge-
stellt und der Kreis der Teilnehmer der Endauswahl von der Projektleitung
und der Geschäftsführung bestimmt. Neben den Kriterien der Funktionsab-
deckung und der Kosten sollten bei der Elektro GmbH vor allem Fragen der
Implementierung sowie das Anbieterprofil fokussiert werden, da Erfahrungen
aus vergleichbaren Projekten fehlen.
9.8 Endauswahl
Die Endauswahl stellt den letzten Schritt des Auswahlprozesses im engeren
Sinne dar. Ziel ist es nun, Effektivität und Effizienz zu analysieren und da-
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
75
durch fundierte Aussagen über Wirtschaftlichkeit und Nutzen der ERP-
Systeme zu erlangen. Bei der Effektivitätsbetrachtung steht der Grad der Er-
reichung der Ziele und Anforderungen im Vordergrund und die Effizienzbe-
trachtung nimmt hauptsächlich Aufwand und Kosten ins Visier. In dieser
Phase der Auswahl wird der Kontakt zu den Anbietern intensiviert, indem
Anbieterpräsentationen, Referenzkundenbesuche, Testinstallationen und
ähnliches durchgeführt werden.
Im Rahmen von Anbieterbefragungen und Testinstallationen wird den Be-
werbern die Möglichkeit gegeben, ihr Produkt vorzustellen sowie die Unters-
tützung kritischer Prozesse realitätsnah zu demonstrieren und dabei unter-
nehmensspezifische Gegebenheiten zu berücksichtigen. Durch die Tests sol-
len Lösungen zur Anpassung des Systems an die Soll-Prozesse gefunden
werden. Sie sollten dann in einem Pflichtenheft dokumentiert werden. Dafür
ist es erforderlich, dem Anbieter vorab genauere Informationen und Stamm-
daten bereit zu stellen sowie bestimmte Problembereiche zu nennen, auf die
eingegangen werden soll. Bei der Elektro GmbH muss besonders darauf
geachtet werden, inwieweit die bestehenden Stammdaten den Anforderun-
gen der Systeme gerecht werden, da diese teilweise schlecht gepflegt sind
und Arbeitspläne und Stücklisten beispielsweise zum Teil unvollständig oder
nicht aktuell sind.
Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und des Nutzens der verschiedenen
Systeme kommen in der Endphase der Auswahl die in 3.5.2.5 vorgestellten
Verfahren der Wirtschaftlichkeitsanalyse zum Einsatz. Neben der Durchfüh-
rung einer Investitionsrechnung sollte auch eine Nutzwertanalyse erfolgen.
Hierbei werden zunächst die einzelnen Kriterien bezüglich ihrer Bedeutsam-
keit gewichtet. Anschließend werden, je nachdem wie gut die einzelnen Krite-
rien erfüllt sind, Punkte für die einzelnen Systeme verteilt und in einem Nutz-
wert verdichtet.
Bei der Kostenbetrachtung sollte der „Total Cost of Ownership-Ansatz“
(TCO) Verwendung finden. Dieser umfassende Ansatz berücksichtigt die
Tatsache, dass bei der Anschaffung eines ERP-Systems neben den Investi-
tionskosten während des gesamten „Lifecycles“ der Software noch weitere
Kosten anfallen. Neben den Kosten der Hard- und Software sind hier vor al-
lem Einführungs-, Anpassungs- und Wartungskosten zu berücksichtigen um
die Entscheidungsgrundlage zu verbessern. Unterschieden werden direkte
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
76
und indirekte Kosten. Während die direkten Kosten klar erfassbar und zure-
chenbar sind, ist dies bei den indirekten Kosten nicht möglich, weshalb sie
geschätzt werden müssen. Zu den direkten Kosten zählen beispielsweise Li-
zenzkosten der Software, indirekte Kosten sind etwa Opportunitätskosten der
Mitarbeiterfreistellung von den Linientätigkeiten.
Sowohl Nutzwertanalyse als auch der „Total Cost of Ownership“-Ansatz sind
zwar relativ einfach anwendbar, es ist jedoch zu beachten, dass viele subjek-
tive Bewertungen und Schätzungen in diese Verfahren einfließen.
Zuletzt wird eine Bilanz der Argumente erstellt, in der alle Aspekte einander
gegenüber gestellt werden und es sollten noch einmal die wichtigsten Betei-
ligten aus den Fachabteilungen sowie aus der IT-Abteilung und externe Be-
rater angehört werden. Schließlich wird eine Entscheidung durch die Ge-
schäftsleitung getroffen.
9.9 Vertragsverhandlungen
Schon in der Phase der Endauswahl beginnen die Vertragsverhandlungen.
Bevor die Entscheidung gefallen ist, können meist günstigere Konditionen
ausgehandelt werden, die man sich zusichern lassen sollte. Allgemeine Ver-
tragsbedingungen von Anbietern sollten nicht verwendet werden.
Während der Vertragsverhandlungen im engeren Sinn müssen
die zu erbringenden Leistungen,
die Vergütung sowie
die wesentlichen Organisations- und Verhaltensregeln des Projekts
bestimmt und festgehalten werden. Die zu erbringenden Leistungen orientie-
ren sich am Lastenheft und sollten so genau, wie es zu diesem Zeitpunkt
schon möglich ist, beschrieben werden. Um eine haltbare Kostenabschät-
zung zu ermöglichen, ist es in der Regel nötig, eine Feinkonzeption durchzu-
führen und dabei ein Pflichtenheft zu erstellen, welches eine sehr detaillierte
Beschreibung der Leistungen sowie der Maßnahmen zur Umsetzung bein-
haltet. Bei der Vergütung gibt es verschiedene Möglichkeiten, die zu prüfen
sind, etwa Zahlung eines Festpreises oder Preis nach Aufwand. Auch sind
die Zeitpunkte von Teilzahlungen festzulegen. Prinzipiell besteht auch die
Möglichkeit, die Software zu leasen.
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
77
Abschließend sollte ein Projektplan mit Meilensteinen erstellt werden, ver-
antwortliche Personen ernannt werden und verschiedene Situationen wie
beispielsweise Projektabbrüche berücksichtigt werden.
9.10 Fazit und Handlungsempfehlung
Es wurden bisher im Rahmen der ERP-Auswahl schon wichtige Erkenntnisse
erlangt, etwa über Probleme der PPS und anderer Abläufe und einige wichti-
ge Kriterien, die ein neues System erfüllen sollte. Auch ein grober Überblick
über den Markt wurde durch Produktpräsentationen und Messebesuche ge-
schaffen. Insbesondere wurde die Möglichkeit des Einsatzes von Systemen
mit fortschrittlichen Planungsmethoden in Betracht gezogen um die Anforde-
rungen der komplexen Produktionsstrukturen erfüllen zu können. Ein fundier-
tes und systematisches Vorgehen wurde jedoch bisher vernachlässigt. Um
eine geeignete Auswahl treffen zu können und eine angemessene Investiti-
onssicherheit zu erlangen ist dies jedoch zwingend notwendig. Es muss
schon in der Phase der Auswahl ein größerer personeller und finanzieller
Aufwand betrieben werden, um späteren Aufwand und Risiken zu reduzie-
ren. Das weitere Vorgehen sollte sich daher an dem beschriebenen Modell
orientieren und es sollte ein Mindestmaß an Unterstützung durch einen ex-
ternen Partner erfolgen Know-how zu importieren. In Tab. 11 werden die
wichtigsten Erfolgsfaktoren für das weitere Vorgehen zusammengefasst.
Tab. 11: Erfolgsfaktoren beim weiteren Vorgehen
Erfolgsfaktor Beschreibung
Ziele und Unterstüt-
zung der Geschäftslei-
tung
Unterstützung des Vorhabens durch die Geschäftsleitung ist von
großer Bedeutung. Die wichtigsten Unternehmensziele müssen klar
formuliert und kommuniziert werden. Die Einrichtung eines Len-
kungsausschusses ist hierzu hilfreich.
Projektmanagement Schon die Auswahl eines ERP-Systems ist ein komplexes und
aufwändiges Vorhaben. Es ist daher notwendig, ein Projekt einzu-
richten, in dem die wesentlichen Aspekte des PM berücksichtigt
werden ohne zu bürokratisieren. Das PM bildet den Rahmen zur
Umsetzung des Auswahlprozesses und verwendet verschiedene
Verfahren und Werkzeuge zur Zielerreichung Die beteiligten Per-
sonen und Aspekte menschlichen Verhaltens spielen eine wichtige
Rolle.
Prozessorientiertes Vorgehensmodell für mittelständischen Serien- und Auftragsfertiger
78
Externe Beratung Eine externe Beratung kann Know-how und Erfahrung aus ähnli-
chen Projekten einbringen. Sie sollte das Projekt zumindest beglei-
tend unterstützen. Auf Neutralität eines Beraters ist dabei zu acht-
en.
Vorgehensmodelle Das Vorgehen sollte sich an einem geeigneten Vorgehensmodell
orientieren. Es gibt dem Projekt eine grobe Struktur und beinhaltet
Erfahrungen ähnlicher Vorhaben und wissenschaftliche Erkenn-
tnisse. Eine individuelle Anpassung des Modells muss erfolgen
Change Management Das Projekt ist als ein geplanter Wandlungsprozess zu verstehen.
Mitarbeiter müssen dazu motiviert und Widerstände beseitigt wer-
den. Dies wird durch Kommunikation, Transparenz und Schulung
erreicht. Das Ausmaß der Veränderungen muss Bedacht gewählt
werden und sich an den Zielen orientieren.
Prozessorientierung
und -modellierung
Die Geschäftsprozesse stehen im Mittelpunkt der Auswahl. Eine
eingehende Auseinandersetzung mit ihnen ist erforderlich. Aus
dem Ist-Zustand muss unter Berücksichtigung technischer und
fachlicher Kriterien ein Soll-Zustand entwickelt werden. Eine geeig-
nete Modellierungsmethode muss dazu gewählt und Mitarbeiter
geschult werden.
Anforderungsanalyse Die Auswahl findet anhand des Erfüllungsgrads zahlreicher und
verschiedener Anforderungen statt. Neben den Prozessen müssen
auch die darin enthaltenen Funktionen, Schnittstellen und Daten
berücksichtigt werden. Die wesentlichen Anforderungen müssen
systematisch erfasst und gewichtet werden. Dies geschieht in ei-
nem iterativen Prozess vom „Groben zum Detail“.
Beispiel Lastenheft
79
10 Beispiel Lastenheft ERP-Projekt Elektro GmbH
1 Über dieses Lastenheft
Dieses Lastenheft ist zunächst für den internen Entscheidungsprozess ge-
dacht. Beim weiteren Vorgehen müssen die unternehmerischen und strategi-
schen Ziele der Geschäftsführung berücksichtigt werden und dementspre-
chend der Rahmen für die Softwareauswahl genau festgelegt werden.
Danach muss das Lastenheft gemäß der Zielsetzung erweitert, angepasst
und modifiziert werden, bevor es an geeignete Anbieter weitergeleitet werden
kann. Die Liste der angeführten Probleme muss noch um weitere Punkte er-
gänzt werden und die sich daraus ergebenden Anforderungen aufgenommen
werden. Der Fokus des Lastenhefts liegt bei den Anforderungen im Bereich
Vertrieb, Einkauf und Produktionsplanung und -steuerung. Weitere relevante
Bereiche müssen ebenfalls nach Bedarf hinzugefügt bzw. erweitert werden.
2 Einführung in das Projekt
Im folgenden Abschnitt soll die Elektro GmbH kurz vorgestellt und eine Ein-
führung in das ERP-Auswahl Projekt gegeben werden.
2.1 Kurzbeschreibung der Elektro GmbH
Die Elektro GmbH ist ein mittelständisches Unternehmen der Elektrotechnik
mit ca. 800 Mitarbeitern. Der Hauptstandort befindet sich in Müllhausen, wei-
tere Produktionsstandorte sind in Marokko und Tschechien.
Von der Produktentwicklung, über einen eigenen Werkzeug- und Betriebsmit-
telbau und die Einzelteilfertigung in der Kunststoff- und Metallverarbeitung
bis zur Endmontage liegen bei Elektro GmbH alle Schritte der Wertschöp-
fungskette in eigener Hand. Die Eigenfertigungstiefe ist somit sehr groß.
Beispiel Lastenheft
80
Die Produktpalette gliedert sich in die zwei großen Bereiche „Sichern“ und
„Verbinden“. Sichern umfasst eine Vielzahl verschiedener Sicherungen wie
Leitungsschutzschalter, Motorschutzschalter und entsprechendes Zubehör.
Zum Bereich Verbinden gehören verschiedene Steckvorrichtungen, zum
großen Teil für industrielle Anwendungen, Steckdosenkombinationen, sowie
Geräte-Anschlussdosen und ähnliches.
Die Anzahl der verschiedenen Produkte ist sehr groß. Außerdem werden,
neben den Standardprodukten, auch viele kundenindividuelle Varianten rea-
lisiert. Tab.12 gibt einen kurzen Überblick über die Firma.
Tab.12: Rahmendaten der Elektro GmbH
Rahmendaten
Branche: Elektrozubehör; Metall- und Kunststoffverarbeitung
Produktlinien: Sichern: Leitungsschutzschalter, Sicherungsautomaten, Mo-
torschutzschalter und Zubehör
Verbinden: verschiedene Steckvorrichtungen, Steckdosen-
kombinationen, Geräte-Anschlussdosen und ähnliches
Vertriebsstruktur: Vertrieb hauptsächlich an Großkunden und Industrie.
Anzahl der Mitarbeiter: 800
Fertigungstyp Einzelfertiger, Variantenfertiger, Serienfertiger
Auftragsbezug Anonyme Lagerfertigung, Kundenauftragsfertigung
Organisationstyp der Ferti-
gung
Werkstattfertigung
Eigenfertigungstiefe Hoch
Disposition/Beschaffung Auftragsbezogen, programmbezogen
Handelsfunktion Mittel
Anzahl geführter Produkte Ca. 2000
Anzahlz Standaorte 2 Firmenstandorte und eine externe Produktionsstätte
Anzahl Lagerorte 4
2.2 Beschreibung des ERP-Projekts
Der Kern der heutigen EDV-Landschaft ist ein vor über 20 Jahren individuell
entwickeltes PPS-System, erweitert um einige dazu gekaufte Standardsoft-
warelösungen, auf einer AS/400 der Firma IBM.
Beispiel Lastenheft
81
Aufgrund der Veränderungen der Firmenumwelt und -struktur in den letzten
Jahren sieht die Elektro GmbH einen Handlungsbedarf im Bereich des be-
trieblichen Informationssystems, da die Prozesse teilweise schlecht unters-
tützt werden, die Bereitstellung benötigter Informationen mangelhaft ist und
das System insgesamt intransparent ist. Kennzahlen wie etwa Lagerhal-
tungskosten, Lieferbereitschaft, Durchlaufzeit und Termintreue werden als
unbefriedigend eingestuft.
Bei den Betrachtungen zu einer neuen Unternehmenssoftware stehen die
Produktionsplanung und damit eng verbundene Bereiche wie Einkauf und
Vertrieb im Fokus, da diese als kritischer Faktor bei der Systemeinführung
gesehen werden. Zu den Hauptanforderungen an ein neues System gehört
es, die komplexe Produktion abzubilden. Es muss sowohl eine prognoseo-
rientierte Serienproduktion auf Lager als auch die Produktion kundenindivi-
dueller Aufträge unterstütz werden. Außerdem soll eine Planung gegen be-
grenzte Kapazitäten möglich sein und die verschiedenen Produktionsstan-
dorte müssen im System abgebildet werden können. Um diese Anforderun-
gen zu erfüllen, wird eine Lösung mit einer fortschrittlichen Produktionspla-
nung angestrebt.
Aufgrund der momentan hohen Auslastung der Produktion wird ein schlüssi-
ges Konzept zur reibungslosen Einführung einer neuen Lösung eine wichtige
Rolle bei der Entscheidung spielen.
Fraglich ist, ob die neue Software mit der bestehenden AS/400 (Betriebssys-
tem OS/400 und integrierter Datenbank DB2/400) kompatibel sein muss und
vorhandene Ressourcen genutzt werden sollen, oder ob die Auswahl unab-
hängig davon getroffen werden soll.
3 Beschreibung des Ist-Zustands
Im Folgenden werden die, für die Auswahl eines ERP-Systems relevanten,
Merkmale des heutigen Zustandes der Organisation und Prozesse der Elekt-
ro GmbH geschildert. Zunächst werden einige wichtige Begriffe definiert, die
in der Firma gebräuchlich sind um für ein besseres Verständnis zu sorgen.
Beispiel Lastenheft
82
Nach einer kurzen Übersicht über die Aufbauorganisation des Unternehmens
werden einige wichtige Prozesse im Bereich der Produktionsplanung und -
steuerung beschrieben und grafisch modelliert, da sich zum großen Teil aus
ihnen die Anforderungen an die zu beschaffende Software ableiten. Im An-
schluss sollen die wichtigsten Probleme der Organisationsstruktur und der
Prozessabläufe genannt werden, da diese auch wesentlichen Einfluss auf die
Modellierung des Soll-Zustands haben und daher auch relevant für die An-
forderungen sind. Schließlich wird ein grober Überblick über die bestehende
Applikationslandschaft gegeben.
3.1 Definitionen wichtiger Begriffe
Im Folgenden werden wichtige Begriffe, die in der Firma im Umfeld der PPS
häufig verwendet werden, erläutert. Dies hat den Zweck, sowohl Internen, als
auch Dritten gegenüber, eine gemeinsame Sprache zu finden, eine Transpa-
renz herzustellen und somit Missverständnisse zu vermeiden. Auch sollen
die Erklärungen helfen, die Prozessabläufe besser nachvollziehen zu kön-
nen.
Fertigungsplanung (FERR200):
Im Betrieb wird sowohl für die Fertigungsplanung als auch für den wöchent-
lich erscheinenden Ausdruck eines begrenzten Teils der Fertigungsplanung
der Begriff Bandplanung verwendet. Die Bandplanung als Ausdruck ist be-
schränkt sich auf die Produktionsaufträge der nächsten 3-4 Wochen und
enthält nicht alle Aufträge. Es muss deshalb darauf geachtet werden, was im
Einzelnen gemeint ist, um Verwechslungen zu vermeiden.
Die Fertigungsplanung enthält alle von der AS 400 ausgelösten Fertigungs-
und Montageaufträge. Dies entspricht den Aufträgen für alle Arbeitsplätze.
Die Aufträge werden durch Stücklistenauflösung der Primärbedarfe über alle
Produktionsstufen generiert.
Sie Aufträge bekommen automatisch Soll-Termine zugeordnet, die angeben,
wann der Auftrag fertig sein soll.
Solange ein Auftrag nicht eingeplant ist (durch „E“ oder „*“ gekennzeichnet),
entspricht der Ist-Termin dem Soll-Termin.
Beispiel Lastenheft
83
Die Soll-Termine ergeben sich aus der Rückwärtsterminierung ausgehend
vom Bedarf an Fertigartikeln.
Täglich können neue Aufträge in die Bandplanung aufgenommen werden,
daher kann sich die Fertigungsplanung nach jedem Dispositionslauf ändern.
Ist-Termin und Priorität des Auftrags werden manuell eingetragen.
Der Status eines Auftrags wird teils maschinell teils manuell geändert (W, R,
H bzw. F)
Für Montageaufträge und Heimarbeit wird angezeigt, ob die benötigten Mate-
rialien bereitgestellt sind (K, M).
Die Fertigungsplanung wird mit jedem Dispositionslauflauf aktualisiert (täg-
lich).
In der Nacht zum Freitag werden 2 Listen gedruckt, welche einen Teil der
Fertigungsplanung enthalten. Zur besseren Übersichtlichkeit werden jedoch
nicht alle Arbeitsplätze und nicht der gesamte Planungshorizont berücksich-
tigt. Die Listen sind für die AV und für die Meister der Montage/Fertigung
(„Bandplanung“).
Rückstandsliste Fertigartikel (FERQ010):
Diese Liste wird automatisch erstellt.
Hier stehen alle Artikel, deren bestätigter Liefertermin überschritten ist oder
bald überschritten wird. Aufgrund der Dringlichkeit werden die Prioritäten von
der AV verändert. Sie erhalten die Prioritätsstufe 2 (Termin überschritten)
oder T (Terminauftrag).
Sie kommt am Montag (für die laufende Woche) und am Donnerstag (für die
laufende und die nächste Woche).
Die Liste stellt ein Hilfsmittel dar um die Rückstände bei Kundenaufträgen zu
vermeiden oder zu minimieren.
Fehlteilliste (FERR004):
Diese Liste wird automatisch erstellt.
Es werden alle Teile aufgeführt, die fehlen, um einen Fertigungsauftrag fertig
zu stellen.
Die Fehlteilliste stellt die Fertigungsplanung aus einer anderen Sicht dar. So
werden hier für alle Komponenten (Teile, Baugruppen und Material) die je-
Beispiel Lastenheft
84
weiligen Montageaufträge angezeigt, für welche diese benötigt werden. Auch
die jeweiligen Soll-Termine werden angegeben und dadurch eventuelle
Rückstände sichtbar.
Die Liste dient dazu, besonders dringliche Fehlteile zu markieren und nötige
Maßnahmen einzuleiten.
Sie geht zuerst an die AV und nach der Bearbeitung an den Einkauf und teil-
weise an die Fertigungs- und Montageabteilungen.
Dispoliste (FER007):
Diese Liste wird automatisch erstellt.
Hier werden alle Zukaufteile und Materialien sowie die Handelswaren aufge-
führt, die vom Einkauf bestellt werden sollen.
Für die Teile wird automatisch ein Soll-Termin errechnet (Stücklistenauflö-
sung und Rückwärtsterminierung).
Die Liste wird von der AV durchgesehen und alle Teile markiert, deren Start-
termin erreicht ist oder deren Liefertermin in Verzug ist.
Es wird notiert, wann die Teile benötigt werden bzw. die Dringlichkeit wird
vermerkt.
Die bearbeitete Liste geht dann weiter an den Einkauf, wo die Bestellungen
oder Mahnungen durchgeführt werden.
Unterdeckungsliste:
Hier werden alle C-Teile aufgelistet, die einen Mindestbestand haben, der
unterschritten ist. Diese Liste erhält zunächst der Vertrieb. Er legt Bedarf und
Termine fest. Dann geht die bearbeitete Liste an die AV und die entspre-
chenden Aufträge werden erfasst und deren Machbarkeit geprüft.
Meldebestandsliste:
Hier sind wichtige Komponenten und Materialien aufgeführt, die unregelmä-
ßig verbraucht werden und bei denen der Meldebestand unterschritten wur-
de. In der AV wird geprüft, ob und zu welchem Termin eine Bestellung erfor-
derlich ist.
A- Teile:
Beispiel Lastenheft
85
Sind Teile mit hohem und regelmäßigem Verbrauch. Sie werden Prognoseo-
rientiert disponiert (Dispositionsart 1).
B- Teile:
Sind Teile mit geringem und regelmäßigem Verbrauch. Sie werden disponiert
wie A-Teile.
C-Teile:
Der Verbrauch ist gering und unregelmäßig. Sie werden entweder mindest-
bestandsorientiert oder kundenauftragsorientiert disponiert (Dispositionsart 2)
Soll-Termin:
Die Soll-Termine werden, ausgehend von den Terminen der Primärbedarfe,
durch Stücklistenauflösung und Rückwärtsterminierung automatisch errech-
net.
Ist-Termin:
Die Ist-Termine sind die tatsächlichen Fertigungsendtermine, die von der AV
nach der Einplanung in das System eingegeben werden. Der Ist-Termin liegt
vor dem Soll-Termin, wenn Aufträge vorgezogen werden, um freie Kapazitä-
ten zu nutzen, oder nach dem Soll-Termin, wenn nicht genügend Kapazitäten
verfügbar sind, um planmäßig zu beginnen.
Der eingetragene Ist-Termin ist die neue Grundlage für die Berechnung der
Bedarfe der eingehenden Teile. Ein veränderter Ist-Termin verändert auch
den Soll-Termin eingehender Teile, falls der Ist-Termin vor dem Solltermin
liegt. Ist-Termine nach den Soll-Terminen sind nicht Dispo-wirksam.
Auftragsauslösung:
Durch das Entstehen eines Primärbedarfs (Dispositionsart 1 oder 2) werden
von der AS/400 Aufträge automatisch, in Form von Bestellsätzen, ausgelöst.
Starttermin:
Beispiel Lastenheft
86
Der Starttermin (Zeit laut Arbeitsplan x Menge + Vorlaufzeit) liegt vor dem
Solltermin und gibt an, dass ein ausgelöster Auftrag aufgrund seiner indivi-
duellen Durchlaufzeit eingeplant werden muss.
Auftragseinplanung:
Aufträge werden eingeplant, indem sie mit einem „E“ vermerkt werden und
tatsächlich als Aufträge in die Montage bzw. Fertigung gehen.
3.2 Aufbauorganisation der Elektro GmbH
Die Geschäftsführung der Elektro GmbH obliegt dem geschäftsführenden
Gesellschafter. Die nächste Stufe in der Hierarchie der Organisation bilden
die Leiter der Bereiche „Vertrieb“, „Entwicklung“, „Produktion“, „Kaufmänni-
scher Bereich“ und „Personalwesen“. Die vier erstgenannten Bereiche und
der Geschäftsführer bilden den Führungskreis.
Der Bereich Vertrieb besteht aus zehn Abteilungen. Neben den sechs Abtei-
lungen die zuständig für bestimmte, abgegrenzte Kundenkreise sind gibt es
noch die vier Serviceabteilungen. Dies sind „Disposition/Preisstrategie“,
„Marketing“, „Kundenservice“, und „Logistik“.
Zum Bereich Entwicklung gehören die Konstruktionsabteilungen (Sichern
und Verbinden) sowie die Abteilung Qualitätsmanagement.
Der Bereichsleiter Produktion ist verantwortlich für die Kunststoff- und Metall-
verarbeitung und die Montageabteilungen (Sichern und Verbinden), sowie für
die Serviceabteilungen Arbeitsvorbereitung (mit den Gruppen Fertigungspla-
nung und -steuerung und Teilelager), Werkzeugtechnik, Maschinentechnik
und Haustechnik.
Zum Kaufmännischen Bereich zählen die Abteilungen Controlling, Rech-
nungswesen, Einkauf und EDV.
Die Serviceabteilungen erbringen jeweils Leistungen für alle anderen Abtei-
lungen des jeweiligen Bereichs.
Beispiel Lastenheft
87
Zur Anzeige wird der QuickTime™ Dekompressor „Keine“
benötig t.
Bereich
Führungskreis
Serviceabteil ung
Abteilung
Zur Anzeige wird der QuickTime™ Dekompressor „Keine“
benötig t.Geschäftsführung
Montage
Ver binden
Werkzeugtechnik
Maschinentech
nik
Haustechnik
Arbei tsvorbere
itung
Zur Anzeige wird der QuickTime™ Dekompressor „Keine“
benötig t.
Kaufmännischer
Ber eich
Zur Anzeige wird der QuickTime™ Dekompressor „Keine“
benötig t.
Per sonalwesen
Disposition/Preis
strateg ie
Logistik
Marketing
Kundenser vice
Ausland 1
Industrie Inland
Ausland 2
Zur Anzeige wird der QuickTime™ Dekompressor „Keine“
benötig t.
Ver trieb
GH Key- Kunden
1
GH Top-Kunden
Inland
GH Key- Kunden
2
Zur Anzeige wird der QuickTime™ Dekompressor „Keine“
benötig t.
Entwicklung
Konstr uktion
Sicher n
Konstr uktion
Ver binden
Quali tätsmanage
ment
Zur Anzeige wird der QuickTime™ Dekompressor „Keine“
benötig t.
Produktion
Kunststoffverar
beitung
Metallverar
beitung
Montage Sichern
Control ling
Rechnungswesen
Einkauf
EDV
Abb. 18: Organigramm der Elektro GmbH. Die Serviceabteilungen haben Querschnittsfunk-
tionen über die gesamte Abteilung.
Beispiel Lastenheft
88
3.3 Die EDV-Landschaft
Die Applikationslandschaft der Elektro GmbH wird nachstehend kurz skiz-
ziert.
Abb. 19: Applikationslandschaft der Elektro GmbH.
3.4 Prozessaufnahme
In diesem Kapitel wird der Ist-Zustand einiger Prozesse im Bereich der Pro-
duktionsplanung und -steuerung grob dargestellt. Bei den Ablaufdarstellun-
gen werden folgende Elemente verwendet:
Start/
StoppProzess Entscheidung DokumentManuelle
Eingabe
Abb. 20: Legende für Ablaufdarstellungen
Beispiel Lastenheft
89
Übersicht Produktionsprozess
Die Produktionsplanung und -steuerung beginnt mit der Ermittlung der benö-
tigten Fertigartikel (Primärbedarf). Hierbei werden, je nach Teileart und Be-
darfsauslöser, verschiedene Methoden zur Ermittlung verwendet. Verant-
wortlich für die Primärbedarfsermittlung sind der Vertrieb und die AV.
Ausgehend von dem Primärbedarf werden automatisch in der AS/400 Ferti-
gungs- und Montageaufträge generiert. Diese werden von den Mitarbeitern
der AV bearbeitet (Materialwirtschaft, Termin- und Kapazitätsplanung) und es
gehen die entsprechenden Aufträge zur Produktion in die Montage bzw. Me-
tall- und Kunststoffverarbeitung, sowie in die auswärtige Fertigung und zur
Heimarbeit.
Durch Materialabgabescheine an das Teilelager, oder ohne Beleg durch das
Lagerprogramm „Syspo“, wird das benötigte Material in der Produktion be-
reitgestellt.
Der Bedarf an Zukaufteilen und Material für die Produktion wird der Ein-
kaufsabteilung mitgeteilt. Diese kümmert sich um die Auswahl der Lieferan-
ten und die Bestellung. Die bestellten Zukaufteile und Materialien gehen ent-
weder an das Teilelager oder an die Materiallager der Fertigungen.
Das Teilelager versorgt die Montage und die Fertigung mit benötigten Einzel-
teilen und Baugruppen.
Die gefertigten Metall- und Kunststoffteile gehen in der Regel vor der Weiter-
verwendung in der Montage erst in das Teilelager. Ein Großteil der Metalltei-
le wird nach der Fertigung noch extern veredelt. Dies wird von der Metallver-
arbeitung oder der AV gesteuert.
Die in der Montage hergestellten Fertigartikel gelangen nach der Qualitäts-
prüfung durch die QS in das Fertigartikellager und sind dann versandbereit.
Die Artikel bzw. Teile werden im Lager in den „Syspo“-Lagerbestand einge-
bucht, sowie von der AV, aufgrund der zurückkommenden Laufkarten, in den
AV-Bestand gebucht.
Beispiel Lastenheft
90
Einkauf
Einzelteillager
Lieferant
Montage/Bau
gruppen
Produkt aus
lieferfähigFertigartikellager
Metall- und Kun
ststoffverar
beitung
Auswärtige Vere
delung
Lieferung
Bestel- lung
Übersicht Produktions-
prozess AV
Februar 2007
Produktionspla
nung und -
steuerung
AV
Primärbedarfser
mittlung
Vertrieb/AV
Primärbedarf
ausgelöst
Qualitätsprüfung
auf allen Stufen
Mon
tageauf
träge
Ferti
gungsauf
träge
Materialab
gabescheineDispoliste Meldebestandsliste
Fehlteilliste
Abb. 21: Übersicht Produktionsprozess
Primärbedarfsermittlung
Die Primärbedarfsermittlung wird vom Vertrieb und der AV durchgeführt und
erfolgt auf drei verschiedenen Wegen:
Dispositionsart 1:
Der Bedarf für A- und B-Teile erfolgt jeweils für den laufenden Monat und die
sechs folgenden Monate. Die Bedarfe werden durch den Vertrieb festgelegt.
Er orientiert sich dabei an dem Vorjahresverbrauch sowie den erwarteten
Absätzen. Die zukünftigen Bedarfe werden laufend gepflegt bzw. verändert.
Von der AV wird ein Mindestbestand festgelegt. Neue Aufträge werden aus-
gelöst, wenn Lagerbestand – Mindestbestand - Bedarf < 0 ist. dadurch kann
die AV die Auslösung eines Auftrags beeinflussen. Die AV nutzt die Verän-
derung des Mindestbestands, um die Produktion gemäß der vorhandenen
Kapazität zu steuern. Die Losgröße wird von der AV und den Meistern in Ab-
sprache bestimmt.
Dispositionsart 2:
Diese Dispositionsart findet bei den C-Teilen Verwendung hat zwei verschie-
dene Ausprägungen.
Bei C-Teilen mit, vom Vertrieb festgelegtem, Mindestbestand werden ent-
sprechende Hinweise in der Unterdeckungsliste vermerkt, wenn der Min-
destbestand unterschritten ist. Der Vertrieb bestimmt daraufhin Fertigungs-
Beispiel Lastenheft
91
menge und -termin. Die AV prüft die Machbarkeit, erfasst die Aufträge und es
wird ein Bedarfsatz (VS 16) erstellt.
Bei C-Teilen ohne Mindestbestand werden Bedarfe durch Kundenaufträge
ausgelöst. Der Vertrieb nimmt die Kundenaufträge entgegen, die AV erfasst
sie und löst somit Aufträge aus.
Der Bedarf an Handelsware wird vom Vertrieb bestimmt, auch hier erfolgt die
Disposition auf die oben beschriebenen Arten, also entweder prognoseorien-
tiert, durch Unterdeckung oder durch einen Kundenauftrag. Die vom Vertrieb
ermittelten Bedarfe werden an den Einkauf weitergeleitet und der Bestellpro-
zess ausgelöst.
Die Bestellmenge wird vom Einkauf und Vertrieb gemeinsam festgelegt.
Bedarfsermittlung
abgeschlossen
Primär- bedarfser-
mittlung
Vertrieb/AV Februar 2007
Start
BedarfsermittlungTeileart
Bedarfsauslöser
Bedarfsplanung
A+B-Teile für 6+1
Monate
Vertrieb: Bedarfs
festlegung
AV: Mindestbe
standsfestlegung
Bedarfsplanung
aus Unterdeck
ungsliste
Vertrieb: Min
destbestands
festlegung;
Dringlichkeit ver
merken
AV: Aufträge er
fassen und Mach
barkeit prüfen
Bedarfsplanung
aus Kundenauf
trägen
Vertrieb: Auf
tragsannahme
AV: Auftragser
fassung
A+B-Teile Dispoart 1
C-Teile Dispoart 2 Unterdeckung
Kundenauftrag
Abb. 22: Primärbedarfsermittlung
Angebotserstellung
Der Angebotserstellungsprozess beginnt mit der Anfrage eines Kunden be-
züglich bestimmter Produkte. Je nach dem, welche Produkte nachgefragt
werden gibt es Unterschiede in der Ermittlung der Produktionszeiten und -
kosten.
Der einfachste Fall ist der, wenn die Produkte auf Lager sind, Lieferzeiten
und Kosten sind dann schon bekannt.
Beispiel Lastenheft
92
Handelt es sich um ein schon Standardprodukt, muss bei der AV nachgefragt
werden, wie schnell das Produkt gefertigt werden kann. Die AV muss evt.
Nachfragen im Verkauf einholen. Bei Handelswaren werden Termine und
Preise teilweise direkt im Einkauf erfragt.
Handelt es sich bei den Produkten um neue, kundenindividuelle Produkte, so
muss zusätzlich in der TK nachgefragt werden und die Realisierbarkeit über-
prüft werden.
Sind Produktionszeit und -kosten ermittelt, wird der Liefertermin errechnet
und der Preis durch den Vertriebsleiter kalkuliert. Anschließend wird das An-
gebot erstellt und abgegeben.
Kundenan
frage einge
gangen
Angebot er
stellt
Angebotserstel
lung
Nein
Produkt auf
Lager?
Neues Produkt? Anfrage TKJa
Nein
Absprache
Handelsware?
Anfrage AV
Termin/Kosten
Anfrage Einkauf
Termin/Kosten
Nein
Ja
Absprache
Angebotserstellung
Vertrieb Februar 2007
Ja
Preiskalkulation
durch
Vertriebsleiter
Abb. 23: Angebotserstellung
Produktionssteuerung
Die Produktionssteuerung ist ein sich andauernd wiederholender und Verän-
derungen verarbeitender Prozess.
Ist ein Dispositionslauf abgeschlossen, so sind Produktionsaufträge ausge-
löst. Der entscheidende Prozess ist die Terminierung und Reihenfolgenfest-
legung bei der Einplanung der Aufträge, wenn der Starttermin erreicht ist.
Für die Einplanung stehen dem Bearbeiter verschiedene Hilfsmittel zu Verfü-
gung. Dies sind im Wesentlichen manuell erstellte Hilfslisten, die Fehlteilliste
und die Rückstandsliste Fertigartikel.
Beispiel Lastenheft
93
Eingeplante Aufträge gehen in die Produktion. Werden diese vom Meister
freigegeben und realisiert, so wird die Fertigstellung der AV mitgeteilt. Die
Übermittlung fertig gestellter Aufträge geschieht in der Regel jeden Mittwoch.
Der Auftrag wird dann in der AV mit „F“ gekennzeichnet und erscheint nicht
mehr in der nächsten „Bandplanung“. Nicht realisierte Aufträge bleiben be-
stehen und bilden zusammen mit den neu ausgelösten Bestellsätzen den
Auftragspool. Die Reihenfolge und Terminierung kann sich aufgrund ver-
schiedenster Einflüsse immer ändern.
Mit der Möglichkeit, pauschal die Mindestbestände in Abhängigkeit zum
durchschnittlichen Verbrauch zu ändern, kann der Sachbearbeiter die Auf-
tragsauslösung beeinflussen und hat somit ein zusätzliches Werkzeug um
die Kapazitätsauslastung zu steuern.
Produktionssteuerung Sachbearbeiter
AV Februar 2007
Dispolauf
abgeschlossen
Auftragseinpla
nung
Produktion
Neuer Dispolauf
Rückstand
slisteFehlteil liste
Hilfsliste/
Exceltabelle
Mindestbestand
sänderung zur
Steuerung der
Auftragsauslö
sung
Produktions- aufträge
Rückmeldung aus Produktion
Aufnahme neuer
Aufträge
Abb. 24: Produktionssteuerung
Materialdisposition
Dieser Prozess beschreibt die Disposition der, in die Fertigartikel und Bau-
gruppen eingehenden, Einzelteile und Materialien. Dabei gibt es zum einen
Zukaufteile, zum anderen die Teile aus der Kunststoff- und Metallverarbei-
tung. Ausgelöst wird der Prozess jeweils durch die Generierung von Aufträ-
gen bzw. Bestellvorschlägen, aufgrund einer Stücklistenauflösung des Pri-
märbedarfs und Rückwärtsterminierung.
Beispiel Lastenheft
94
Bei den Zukaufteilen und Handelswaren erscheinen die Bestellvorschläge
auf der Dispoliste. Diese wird von der AV bearbeitet, indem die Bestellvor-
schläge, deren Starttermin erreicht oder überschritten ist, markiert werden
und, eventuell von den Sollterminen abweichende, Bestelltermine festgelegt
werden. Die so bearbeitete Dispoliste geht dann an den Einkauf und löst den
Bestellprozess aus.
Bei Teilen aus der Kunststoff- bzw. Metallverarbeitung werden die Ferti-
gungsaufträge auch automatisch generiert.
Ist deren Starttermin erreicht, so bekommen die Aufträge Ist-Termine zu-
geordnet und werden eingeplant. Dieser Prozess verlangt eine simultane
Kapazitäts-, Material- und Terminprüfung des Sachbearbeiters. Hilfsmittel
sind hierbei die Fehlteilliste sowie manuell erstellte Hilfslisten.
Da die Steuerung der Fertigung stark abhängig von der Montagesteuerung
ist, müssen sich diese Bereiche ständig eng abstimmen.
Anschließend gehen die Fertigungsaufträge in die Fertigung.
Die Aufträge werden von der AV bis zur Einlagerung kontinuierlich verfolgt.
Gegebenenfalls kann in den Produktionsprozess eingegriffen werden, um auf
Änderungen zu reagieren.
Ein Großteil der Metallteile bedarf noch einer externen Veredelung. Dies wird
in der Regel direkt von der Metallverarbeitung gesteuert.
Exceltab
elle
Montage-
steuerung
Auftragseinpla
nung
simultane Prü
fung Material, Ka
pazität, Termin
Fertigung
Fertigungs
-aufträge
Fremdveredelung
Material-disposition
AV Februar 2007
Material ist
disponiert
Fehlteil
liste
Fertigungs
planung er
stellt
Abstimmung
Bearbeitung der
Dispoliste;
Markierung wenn R,
H oder Liefertermin
verzug;
Festlegung Bestell
termin
Einkauf
Bearbeitete
Fehlteil liste
Dispoliste
Bezugsteile
und Material
Bearbeitete
Dispoliste
Vorgeschlagene Fertigungsaufträge
Abb. 25: Materialdisposition
Beispiel Lastenheft
95
Auftragseinplanung
Wurde ein Auftrag ausgelöst, so hat dieser einen Starttermin. Der Starttermin
gibt an, dass der Auftrag eingeplant werden muss. Er ergibt sich aus der in-
dividuellen Durchlaufzeit des Auftrags.
Ist der Starttermin eines Auftrags erreicht, so wird der Auftrag vom Sachbe-
arbeiter eingeplant. Hierbei wird der Auftrag simultan bezüglich der Material-
wirtschaft sowie der Termin- und Kapazitätsplanung bearbeitet.
Die Materialverfügbarkeit ist in der Fertigungsplanung mit (*, K, M) gekenn-
zeichnet und wird vom Sachbearbeiter geprüft. Weitere Informationen wer-
den durch Rückfragen an Fertigung, Wareneingang und Lager erlangt.
Die Verfügbarkeit der benötigten Kapazitäten wird geprüft und mit den jewei-
ligen Meistern oder Vorarbeitern abgeglichen. Auch kommen hierzu ver-
schiedene Hilfslisten zum Einsatz, welche die Auslastungen einzelner Ar-
beitsplätze übersichtlich darstellen und dokumentieren.
In Abstimmung mit der Verfügbarkeit von Material und Kapazitäten sowie der
Dringlichkeit beim Vertrieb und der anfallenden Rüstkosten werden die Auf-
träge eingeplant, indem sie ein Einplanungskennzeichen bekommen und ih-
nen einen Ist-Termin sowie eine Priorität zugeordnet werden. Dies ist für die
Schnelligkeit der tatsächlichen Auftragsfertigung entscheidend.
Die Produktionsaufträge, bestehend aus Laufkarte, Materialliste, Materialab-
gabeschein (Beleg für Lager), Lohnschein (inklusive Arbeits- und Qualitäts-
anweisungen) und der Meldung „Fertigungsbeginn“, gehen dann in die Pro-
duktion. Jeden Mittwoch erfragt der Sachbearbeiter der AV beim Meister,
welche Aufträge schon fertig sind oder in dieser Woche noch fertig werden.
Diese Aufträge werden dann im System mit „F“ gekennzeichnet und erschei-
nen nicht mehr im „Auftragspool“. Aufträge, die nicht erledigt werden bleiben
im System, evt. werden Termin und Priorität geändert, und werden mit neuen
Aufträgen abgestimmt. Dann wiederholt sich der Steuerungsprozess mit den
neuen Daten.
Bei dem Auftragseinplanungsprozess ist besonders darauf zu achten, dass
eine ständige Absprache zwischen der Steuerung der Teilefertigung und der
Montage bzw. Vormontage erfolgt, da sich diese Bereiche jeweils beeinflus-
sen und auf Änderungen gegenseitig reagieren müssen.
Beispiel Lastenheft
96
Die Ergebnisqualität des Einplanungsprozesses hängt zu einem großen Teil
von den Sachkenntnissen und dem Erfahrungsschatz des Bearbeiters ab, da
viele Dinge gleichzeitig beachtet werden müssen.
Die Laufkarten der fertigen Aufträge gehen zurück in die AV und werden ge-
bucht. Hierbei kann es auch zu Teilbuchungen kommen, wenn Aufträge oder
Langläufer noch nicht komplett fertig sind. In diesen Fällen kann die Laufkar-
te mehrere Male bis zur Komplettierung umlaufen. Die Teilbuchung erfolgt in
der Regel dann, wenn eine Teilabgabe an das Lager erfolgt.
Bei der auswärtigen Fertigung werden die Laufkarten durch Lieferscheine er-
setzt.
Starttermin eines
Auftrags ist
erreicht
Rückmeldung über nicht
fertiggestellte Aufträge
Kapazitätverfügbarkeitsprü
fung;
Berücksichtigung der
Rüstkosten (Hilfslisten; Ab
sprache mit Meistern)
Berücksichti
gung des Kun
dentermins
Materialverfügbarkeits-
prüfung
(Durch Kennzeichnung in
Fertigungsplanung oder Ab
sprache mit Fertigung/
Einkauf)
Simultane Abstimmung
Simultane Abstimmung
Auftragseinplanung
Sachbearbeiter AV
Februar 2007
Fertigung/
Montage
Terminfestlegung;
Vergabe der Priori
tät
Einbuchung der
fertigen Aufträge
AV und Lager
Laufkarten
Fertigungs-
aufträge/
Laufkarten
Auftrag
eingeplant
Abb. 26: Auftragseinplanung
Bestellauslösung
Auslöser des Bestellprozesses für Materialien und Zukaufteile ist in der Re-
gel die von der AV bearbeitete Dispoliste. Hier werden alle ausgelösten Be-
stellvorschläge aufgeführt und die, deren Starttermin erreicht oder überschrit-
ten ist werden markiert.
Die AV legt den Bestelltermin, je nach dem wann die Komponenten tatsäch-
lich benötigt werden, fest und ergänzt die Liste eventuell um sonstige Infor-
mationen.
Beispiel Lastenheft
97
Der Starttermin ergibt sich aus der Durchlaufzeit und der Lieferzeit. Diese
Zeiten werden von der AV gepflegt.
Zusätzlich gibt es eine Meldebestandsliste für C-Teile mit unregelmäßigem
Verbrauch, die vor drohender Unterdeckung warnt und somit Bestellungen
auslöst.
Jeden Freitag erscheint eine Fehlteilliste. Diese Liste kommt bearbeitet aus
der AV und führt alle fehlenden Teile auf. Sie hat Warn-, Kontroll- und Über-
sichtsfunktion.
Der Vertrieb löst die Bestellung von Handelsware in der Einkaufsabteilung
durch die Eingabe der Bedarfe im System direkt aus.
Hilfs- und Betriebsstoffe werden direkt von den einzelnen Abteilungen be-
stellt. Per E-mail oder Bestellformular wird der Bestellprozess ausgelöst.
Nach ausgelöstem Bestellprozess folgen die Lieferantenauswahl, die Be-
stimmung der Bestellmenge, die Erstellung einer Anfrage und schließlich das
Auslösen einer Bestellung.
Bestellauslösungsprozess
Einkauf Februar 2007
Hilfs- und Be
triebsstoffe
bestellen
verschiedene
Abteilungen
Einzelteile,
Rohstoffe und
Material
bestellt AV
Bedarf aus
gelöst
Bestellformular;
Fehlteil liste,
erscheint Fre
itags, hat
Warn-, Kon
troll- und
Übersichts
funktion
Meldebe
standsliste für
C-Teile mit
unregel
mäßigem
Verbrauch
Von AV über
arbeitete und
markierte
Dispoliste
(Lieferzeiten
werden von
AV
eingeplant)
Bestellprozess
(Lieferantenauswahl,
Bestimmung der
Bestellmenge, An
frage erstellen,
Bestellung auslösen)
Bestellung er
folgt
Komponente ?
Ja
Nein
Abb.9: Bestellauslösung
Beispiel Lastenheft
98
Bestellprozess
Ausgelöst wird der Bestellprozess meist durch die Dispoliste der AV. Bei
neuen Materialien, Mustern und Produktneuentwicklungen löst die TK den
Bestellprozess aus.
Handelt es sich um eine neue Komponente, muss sie erst freigegeben wer-
den. Dazu werden zunächst Lieferanten ausgewählt und Anfragen an sie ge-
stellt. Die eingehenden Angebote und evt. Muster werden vom Einkauf kauf-
männisch und von der TK und QS qualitativ geprüft.
Ist die Ware freigegeben, so kann die Bestellung erfolgen. Hierzu werden
zunächst der Termin und die Menge festgelegt. In der Regel werden die Be-
stellungen dann täglich nachts gefaxt.
Die eingehende Auftragsbestätigung vom Kunden wird mit der Bestellung
abgeglichen, Termin und Menge überprüft, gegebenenfalls auf Abweichun-
gen reagiert.
Anhand der wöchentlich erscheinenden Fehlteilliste werden die Bestellun-
gen kontrolliert und eventuell Terminerinnerungen oder Mahnungen an den
Lieferanten geschickt.
Beispiel Lastenheft
99
Abb. 27: Bestellprozess
Warenein gangskontrolle Lieferung
Mangel
Lieferschein
Rechnung
Bestell prozess
Einkauf
Ja
Nein
Freigabe TK/QS
Standardprodukt?
Kontrolle durch Fehlteilliste
Terminerin nerung/Mah
nung
Auftrags bestätigung
Pflege der Lieferantendaten
Menge und Termin festlegen
Angebot
Bestellung
Anfrage
Lieferant
Prüfung
Elektro GmbH
Ware in Ordnung?
Nein
Ja
Mengen- und Wertmäßige Er
fassung
Bestell prozess beendet
Weitergabe LS und Rechnung an
Buha
Rechnungsprü fung und -freiga
be
Liefer schein
Nein
Ja
Beispiel Lastenheft
100
Nach erfolgter Lieferung der Ware wird sie zunächst im Wareneingang einer
Qualitätskontrolle unterzogen. Ist die Ware in Ordnung, so wird sie in der
Regel eingelagert. Der Wareneingang wird gemeldet und der Lieferschein
geht an den Einkauf. Hier wird die Ware Mengen- und Wertmäßig im System
erfasst.
Wenn die Rechnung eingetroffen ist, wird sie mit dem Lieferschein abgegli-
chen, geprüft und freigegeben. Rechnung und Lieferschein werden dann an
die Buchhaltung weitergegeben.
Vorgehen bei Lieferung mangelhafter Ware
Wird ein Mangel der gelieferten Ware bei der Wareneingangskontrolle fest-
gestellt, so wird diese Ware nicht in das System eingebucht, sondern die Wa-
re wird von der QS geprüft. Danach existieren verschiedene mögliche Vor-
gehensweisen.
Ist die Ware auf keinen Fall zu gebrauchen, wird sie umgehend zurückge-
schickt.
Ansonsten wird eine Mangelrüge an den Lieferanten geschickt. In Absprache
mit Lieferant, QS und Einkauf wird entweder die Ware zurückgesendet und
fehlerfreie Ware nachgeliefert, der Mangel vor Ort behoben und dem Liefe-
rant in Rechnung gestellt oder die Ware erhält eine Sonderfreigabe. Der letz-
te Fall tritt am häufigsten ein, hierbei wird die Ware ausnahmsweise freige-
geben und die mangelhafte Qualität mit einer „Besserungsaufforderung“ dem
Lieferanten angezeigt.
Wird der Mangel erst während der Produktion bemerkt, da ein versteckter
Mangel vorliegt, wird erst die Ware ausgebucht und der Eingang belastet.
Der Einkauf belastet dann den Lieferanten. Der weitere Ablauf ist wie oben
beschrieben.
Beispiel Lastenheft
101
Mangel bei Wareneingang
skontrolle bemerkt
Keine
Einbuchung
der Ware
Mangel bei
Produktion
bemerkt
Prüfung durch
QS
Ausbuchung
der Ware und
Belastung
des EK
Belastung des
Lieferanten
Sofortige
Rücksendung der
Ware
Ware
freigegeben
Lieferung neuer
Ware
Behebung des
Mangels vor Ort
Rücksendung der
Ware nach
Absprache
Mangelrüge
Sonderfreigabe
Rechnung
an
Lieferant
Vorgehen bei Mangelhafter
ware Einkauf
Februar 2007
Mangelhafte
Ware geliefert
Mangel sofort
bemerkt?
Nein
Ja
Entscheidung
QS
Abb. 28: Mangelhafte Ware
Beispiel Lastenheft
102
3.4 Schwachstellen und Verbesserungsansätze
Die nachstehende Tabelle zeigt einige Schwachstellen auf, die bei der Elekt-
ro GmbH existieren und als wichtige Verbesserungsansätze genannt und
diskutiert wurden. Im Rahmen des weiteren Vorgehens müssen diese Punkte
berücksichtigt werden.
Tabelle 13: Schwachstellen und Verbesserungsansätze
Problem Bemerkung
Transparenz & Kennzah-
len
Das System ist insgesamt sehr intransparent. Viele wichtigen
Kennzahlen und Daten sind nicht oder nur aufwändig verfüg-
bar.
Viele Funktionen des Systems sind nur schwer nachvollzieh-
bar. Daher ist man dringend auf die Erfahrung langjähriger Mi-
tarbeiter angewiesen
Losgrößen und Primärbe-
darf
Die Ermittlung der Losgrößen und des Primärbedarfs erfolgt
quasi ohne Unterstützung sowie und basiert auf der Erfahrung
des Bearbeiters.
Stammdatenpflege Die Stammdaten sind zum Teil nicht gepflegt. Stücklisten und
Arbeitspläne sind daher teilweise nicht für Automation geeignet,
da wichtige Informationen fehlen.
Betriebsdatenerfassung Die Erfassung der Betriebsdaten ist nicht automatisiert und wird
nicht unterstützt. Wichtige Daten der Produktion sind daher
nicht immer verfügbar und müssen nachgefragt werden
Planungshorizont Der Planungshorizont der Fertigungsplanung ist mit 7 Monaten
sehr kurz, da Materialien oft mehrere Monate Lieferzeit haben.
Dispoarten Die Aufteilung in A-, B-, C- Teile und die Zuordnung zu den
Dispoarten sollte überdacht werden.
Prioritäten Der Vertrieb kann keine Dringlichkeit oder besondere kunden-
spezifischen Eigenheiten im Auftrag vermerken, z. B. „dieser
Kunde ist wichtig“ oder „dieser Kunde beschwert sich schnell“.
Vorkalkulation Die dargestellte Angebotsermittlung findet so in der Regel nicht
statt. Eine Vorkalkulation existiert nicht.
Komponentenreservierung Spontan eingehende Kundenaufträge benötigen Komponenten,
die für A- und B-Teile benötigt werden, ohne dies. Es kommt
dann dazu, dass „plötzlich“ Komponenten fehlen und Aufträge
in Verzug geraten.
Materialverfügbarkeit Die Abfrage der Materialverfügbarkeit für einzelne Aufträge ist
schwer, da zwar Materialien vorhanden sind aber für evt. ande-
re Aufträge gebraucht werden, siehe oben.
Beispiel Lastenheft
103
Sprünge in der Ferti-
gungsplanung
Am Monatsende kommt es zu großen Sprüngen in der Monats-
planung, weil der Vertrieb bei Lieferengpässen die Stückzahlen
erhöht um Produkte schneller zu bekommen. Dann sind zu ho-
he Aufträge im System, die Plötzlich nicht mehr gebraucht wer-
den. Die Planung des Primärbedarfs muss überdacht werden.
Wareneingang Eingegangene Waren werden teilweise erst 1 Woche später für
die AV im System sichtbar. Bei dringenden Komponenten kann
dies zu Verzögerungen führen.
Kommunikation TK EK Die Kommunikation zwischen EK und TK bei der Einführung
neuer Produkte ist schlecht und wird nicht unterstützt. Der Mus-
terungsprozess orientiert sich nicht an einem definierten Ablauf.
Die gilt auch für die Kommunikation mit anderen Abteilungen.
104
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Dieses Praxisbeispiel wird vom Mainfränkischen Elektronik Commerce Kompetenzzentrum und dem Lehrstuhl für BWL und Wirtschaftsinfor-matik der Universität Würzburg im Rahmen des Begleitprojektes „ERP für kleine und mittlere Unternehmen“ als Teil der BMWi-Förderinitiati-ve „Netzwerk Elektronischer Geschäftsverkehr“ herausgegeben.
www.ec-net.de | www.meck-online.de | www.wiinf.uni-wuerzburg.de
Mittelständische Unternehmen bzw. kleine und mittlere Unternehmen stehen seit geraumer Zeit im Mittelpunkt des öentlichen Interesses. Die Politik, die Unterneh-mensverbände sowie die Gewerkschaften sprechen all zu gern von der besonderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung des Mittelstandes und dessen Rolle als „Rückgrat“ der Wirtschaft. Auch die Branche der Informations- und Kommuni-kationstechnologie (ITK) hat die große Bedeutung dieser Zielgruppe erkannt. Vor allem Kleinbetriebe rücken derzeit vermehrt in den Blickwinkel der Anbieter von betriebswirtschaftlicher Software (ERP).Die Mehrzahl der Software-Hersteller umwirbt aus gutem Grund dieses Marktseg-ment, denn mit seinen ca. zwei Millionen Handwerksbetrieben, Einzelhändlern, Fer-tigungsbetrieben und Dienstleistungsunternehmen sowie öffentlichen Institutionen gilt diese Kundengruppe als Wirtschaftsmotor der ITK-Branche und verspricht mit weiterhin wachsendem Bedarf in Zukunft gute Absatzchancen.Kleinbetriebe, die sich auf die Suche nach einer geeigneten betriebswirtschaftlichen Softwarelösung begeben, stehen vor einer großen Herausforderung. Das Angebot auf dem Business-Software-Markt ist mit nahezu 300 verschiedenen Softwareprodukten immens und nur sehr schwer zu überblicken.Die genaue Kenntnis der eigenen Anforderungen ist eine wichtige Voraussetzung für die Softwareauswahl. Der Einsatz von ERP-Systemen scheitert meist weniger an technischen Problemen als an ungenau denierten Anforderungen. Ohne spezielles Fach- und Hintergrundwissen ist diese Aufgabe sehr schwierig und erfordert einen hohen Zeitbedarf. Hinzu kommt, dass Kleinbetriebe meist nicht über die notwen-digen Mitarbeiterressourcen verfügen, die sich neben ihrem Tagesgeschäft mit der Analyse der Geschäftsprozesse befassen. Vorliegendes Praxisbeispiel erläutert den Auswahlprozess und das zugehörige Pro-jektmanagement zunächst theoretisch, um dann im Anschluss konkret die Vorge-hensweise aus der Sicht eines mittelständischen Serien- und Auftragsfertigers zu betrachten.
Weitere Informationen zu diesen und anderen Themen fi nden sie auch im Internet unter www.ec-net.de