Warum SieIn Stahlgewitternlesen solltenKampf als uerstes
Erlebnis"Stahlgewitter", "Trommelfeuer", "Flammenmeer",
"Leichenfelder", "Eisenhagel", "Feuersturm" - so lauten die immer
wiederkehrenden Elementarbegriffe in Jngers Beschreibung seiner
Erlebnisse in den vordersten Linien der Materialschlachten des
Ersten Weltkriegs. Viele dieser bildhaften Begriffe lehnen sich an
das Vokabular tosender, zerstrerischer Naturgewalten an. Und
genauso wird der Krieg auch von Jnger erfahren: als eine
vernichtende Urkraft. Der Autor hat den Ersten Weltkrieg als junger
Soldat und als Stotruppfhrer mitgemacht und aus seinen
tagebuchartigen Aufzeichnungen diesen berhmten literarischen
Bericht geformt, eines der bedeutendsten Kriegsbcher deutscher
Sprache. Vllig ohne Sentimentalitt oder Betroffenheit wird das
Kriegsgeschehen vor dem Leser ausgebreitet, es erscheint wie ein
einziges groes Abenteuer. Jngers "heroische" Haltung wurde
allerdings vielfach als Kriegsverherrlichung und reaktionrer
Kmpfermystizismus verstanden. Dennoch:In Stahlgewitternist ein sehr
lesenswertes Buch, gerade in Zeiten, in denen Anzug tragende
Kriegstreiber Lgen wie die vom "sauberen Krieg" oder von
"chirurgisch przisen Luftschlgen" verbreiten.ber den
AutorErnstJngerwird am 29. Mrz 1895 in Heidelberg als Sohn eines
promovierten Chemikers geboren. Einer seiner Brder ist der
ebenfalls bekannte Schriftsteller Friedrich Georg Jnger. Seine
Kindheit verbringt Jnger vor allem in Hannover. Noch als Gymnasiast
geht er zur Fremdenlegion nach Nordafrika, wird aber vom Vater
zurckgeholt. Nach dem Notabitur 1914 meldet er sich als
Kriegsfreiwilliger und erhlt im Ersten Weltkrieg hchste militrische
Auszeichnungen als Soldat. Seine Kriegserlebnisse verarbeitet er in
mehreren Werken, darunterIn Stahlgewittern(1920), das ihn sogleich
berhmt macht. Nach dem Krieg dient er bis 1923 in der Reichswehr
und studiert danach Zoologie und Philosophie, bricht seine Studien
aber ab, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Nach anfnglichen
Sympathien hlt er sich von den Nationalsozialisten fern und lehnt
sowohl einen ihm von der NSDAP angebotenen Sitz im Reichstag als
auch die Aufnahme in die Dichterakademie ab. 1939 erscheint seine
ErzhlungAuf den Marmorklippen, in der das Regime eines brutalen
Oberfrsters beschrieben wird. Im gleichen Jahr wird Jnger zur
Wehrmacht eingezogen und leistet als Hauptmann Dienst in
Frankreich, vor allem in Paris. 1944 wird Jnger, der einigen der
Attentter vom 20. Juli nahesteht, wegen kritischer uerungen aus der
Wehrmacht entlassen. Weil er sich weigert, den
Entnazifizierungsbogen der Siegermchte auszufllen, wird er nach dem
Krieg zunchst mit Publikationsverbot belegt. Anfang der 50er Jahre
zieht Jnger nach Wilflingen in Baden-Wrttemberg, wo er bis zu
seinem Lebensende wohnt. Jnger erhlt u. a. den Goethepreis und das
Bundesverdienstkreuz. Er wird in Frankreich sehr geschtzt, der
franzsische Prsident Mitterand besucht ihn sogar in Wilflingen.
Neben seiner Arbeit als Schriftsteller bettigt er sich auch als
angesehener Insektenforscher. Sein tagebuchartiges WerkSiebzig
verwehterscheint in fnf Teilen von 1980 bis 1997. Jnger stirbt kurz
vor seinem 103. Geburtstag am 17. Februar 1998. Erst nach seinem
Tod wird bekannt, dass er 1996 zum Katholizismus konvertierte.
Ernst Jnger, am 29. Mrz 1895 in Heidelberg geboren. 19011912
Schler in Hannover, Schwarzenberg, Braunschweig u. a. 1913 Flucht
in die Fremdenlegion, nach sechs Wochen auf Intervention des Vaters
entlassen 19141918 Kriegsfreiwilliger 1918 Verleihung des Ordens
Pour le Mrite. 19191923 Dienst in der Reichswehr. Verffentlichung
seines Erstlings In Stahlgewittern. Studium in Leipzig, 1927
bersiedlung nach Berlin. Mitarbeit an politischen und literarischen
Zeitschriften. 19361938 Reisen nach Brasilien und Marokko.
Afrikanische Spiele und Das Abenteuerliche Herz. bersiedlung nach
berlingen. 19391941 im Stab des Militrbefehlshabers Frankreich.
1944 Rckkehr Jngers aus Paris nach Kirchhorst. 19461947 Der Friede.
1950 bersiedlung nach Wilflingen. 1965 Abschlu der zehnbndigen
Werke. 19661981 Reisen. Schiller-Gedchtnispreis. 1982 Goethe-Preis
der Stadt Frankfurt/Main.1988 Mit Bundeskanzler Kohl bei den
Feierlichkeiten des 25. Jahrestags des Deutsch-Franzsischen
Vertrags. 1993 Mitterrand und Kohl in Wilflingen. 1998 Ernst Jnger
stirbt in Riedlingen.Zusammenfassung:In Stahlgewittern ist das
erste und bekannteste Buch von Ernst Jnger. Es beschreibt Jngers
Erlebnisse an der deutschen Westfront im Ersten Weltkrieg von
Januar1915bis August1918. Das Buch basiert auf den
Tagebuchaufzeichnungen Jngers, die er unmittelbar nach dem Krieg
verarbeitete.Das Buch beginnt mit der Ankunft in Bazancourt, wo
Jnger seinen ersten Kriegstag erlebte. Jnger beschreibt detailliert
einige grausame Eindrcke des Krieges, wie zum Beispiel durch
Granaten zerfetzte oder verstmmelte Soldaten, aber auch schne
Kriegserlebnisse, wie zum Beispiel die Kameradschaftlichkeit unter
den Soldaten whrend des Grabenbaus. Am 23. April1918erlebt Jnger
das erste grere Gefecht in Prny. Jnger wird durch einen Splitter,
der in seinen linken Oberschenkel schlgt, stark verwundet und kommt
zur Pflege in ein Krankenhaus nach Heidelberg. Einige Wochen spter
meldet sich Jnger als Fahnenjunker und bekommt einen
Ausbildungskurs in Dberitz. Wieder an der Front beschreibt Jnger
das Leben in den Grben. Er geht detailliert auf die verschiedenen
Erlebnisse im Stellungskrieg ein, berichtet ber die Angriffe der
Englnder, die nchtlichen Patroullien in den Grben und auch ber den
Zeitvertreib whrend der Ruhephasen. Nachdem weitere Gefechte
beschrieben werden folgen Berichte ber Weihnachten und Sylvester.
Im weiteren Verlauf gelangt Jnger schlielich an den Cojeul-Bach, wo
sich seine Kompanie die Formen des Stellungs- und Bewegungskrieges
aneignet. Darauf folgt die "Groe Schlacht", in der Jnger und seine
Kompanie mit feindlichen Panzern konfrontiert werden. Am 4.
Juni1918beginnen die britischen Vorste. Zunchst erzhlt Jnger von
seinem Leben in einem Ruhequartier, welches pltzlich von den
Englndern beschossen wird. In den nachfolgenden Gefechten wird
Jnger schwer verletzt, die Englnder haben den Graben fast
eingenommen und Jnger schafft es mit einigen Kameraden in einen
deutschen Verbandsunterstand zu fliehen. Zwei Wochen spter brachte
in ein Lazarettzug zurck nach Deutschland. Das Buch endet mit dem
22. September1918, andem Jnger ein Telegramm erhielt, das ihm
mitteilte, dass ihm der "Pour Le Mrite"-Orden verliehen wurde.Ernst
Jnger. In StahlgewitternIm Krieg werden die Menschen in
lebensgefhrliche Situationen hineingezwungen, und manche sind trotz
aller erlebten Schrecken, Beschwernisse und Schmerzen davon
fasziniert. Berichte ber das subjektive Erleben haben wir nur von
denen, die diese Gefahrensituationen berlebt haben.Der Krieg
zeichnet sich dadurch aus, da die Akteure gleichzeitig Jger und
Gejagter sind. Die hellwache Aufmerksamkeit wird gefordert, eine
Kombination aus wacher (und konzentrierter Aufmerksamkeit (Was
macht der Gegner? Wo lauert die Gefahr? Die Kampfsituation ist von
schnellen Feedbacks und einem hohen Risiko geprgt. Das beschreibt
Ernst Jnger in seinem Buch In Stahlgewittern, aus dem die folgenden
Auszge entnommen sind.Ob ein Zug vorbeirasselte, ein Buch zu Boden
fiel, ein nchtlicher Schrei ertnte immer stockte der Herzschlag fr
einen Augenblick unter dem Gefhl einer groen und unbekannten
Gefahr. Es war ein Zeichen dafr, da man vier Jahre lang im
Schlagschatten des Todes stand. So tief wirkte das Erlebnis in dem
dunklen Land, das hinter dem Bewusstsein liegt, da bei jeder Strung
des Gewhnlichen der Tod als mahnender Pfrtner in die Tore sprang
wie bei jenen Uhren, ber deren Zifferblatt er zu jeder Stunde mit
Sandglas und Hippe erscheint. (S. 10)Unvergesslich sind solche
Augenblicke auf nchtlicher Schleiche. Auge und Ohr sind bis zum
uersten gespannt, das nherkommende Rauschen der fremden Fe im hohen
Gras nimmt eine unheildrohende Strke an. Der Atem geht stoweise;
man mu sich zwingen, sein keuchendes Wehen zu dmpfen. Mit kleinem,
metallischem Knacks springt die Sicherung der Pistole zurck; ein
Ton, der wie ein Messer durch die Nerven geht. Die Zhne knirschen
auf der Zndschnur der Handgranate. Der Zusammenprall wird kurz und
mrderisch sein. Man zittert unter zwei gewaltigen Gefhlen: der
gesteigerten Aufregung des Jgers und der Angst des Wildes.Man ist
eine Welt fr sich, vollgesogen von der dunklen, entsetzlichen
Stimmung, die ber dem wsten Gelnde lastet. (S. 80)brigens war
dieser schwere sliche Hauch nicht lediglich widerwrtig; er rief
darber hinaus, eng mit den stechenden Nebeln des Sprengstoffs
vermischt, eine fast hellseherische Erregung hervor, wie sie nur
die hchste Nhe des Todes zu erzeugen vermag. Ich machte hier, und
whrend des ganzen Krieges eigentlich nur in dieser Schlacht, die
Beobachtung, da es eine Art des Grauens gibt, die fremdartig ist
wie ein unerforschtes Land. So sprte ich in diesen Augenblicken
keine Furcht, sondern eine hohe und fast dmonische Leichtigkeit;
auch berraschende Anwandlungen eines Gelchters, das nicht zu
bezhmen war (S.105)Nun hatte es mich endlich erwischt. Gleichzeitig
mit der Wahrnehmung des Treffers fhlte ich, wie das Geschoss ins
Leben schnitt. Schon an der Strae vor Mory hatte ich die Hand des
Todes gesprt diesmal griff er fester und deutlicher zu. Als ich
schwer auf die Sohle des Grabens schlug, hatte ich die berzeugung,
da es unwiderruflich zu Ende war. Und seltsamerweise gehrt dieser
Augenblick zu den ganz wenigen, von denen ich sagen kann, da sie
wirklich glcklich gewesen sind. In ihm begriff ich, wie durch einen
Blitz erleuchtet, mein Leben in seiner innersten Gestalt. Ich sprte
ein unglubiges Erstaunen darber, da es gerade hier zu Ende sein
sollte, aber dieses Erstaunen war von einer sehr heiteren Art. Dann
hrte ich das Feuer wieder schwcher werden, als snke ich wie ein
Stein tief unter die Oberflche eines brausenden Wassers hinab. Dort
war weder Krieg noch Feindschaft mehr. (Jnger, Ernst, In
Stahlgewittern, Klett-Cotta Stuttgart 1976, S. 317)
Die helle Wachsamkeit ist ein Bedrfnis des Menschen. Das macht
den Krieg bei all seinen Schrecken offenbar fr manche Menschen
reizvoll. Der Nachteil: Man kann diesen Zustand nur unter
Lebensgefahr haben. Die Gefahr als eine Droge, besonders fr solche
Menschen, deren Aufmerksamkeit im Alltag zerfasert und innerlich
instabil ist. Thewleit nennt diesen Charaktertyp in Mnnerphantasien
den Nicht-Zuende-Geborenen, einen innerlich instabilen, nicht
gereiften Mann, der die externe Stabilisierung durch die Gruppe,
durch die Einbindung in eine straffe Struktur bentigt. Dieses
Korsett bieten militrische und paramilitrische Verbnde. Dieser
Bedrfnis einzelner Menschen (Mnner) nach Gefahrensituationen und in
der Einbindung in Mnnerbrderschaften unter straffer Disziplin ist
sicherlich nicht kriegsverursachend, ist jedoch ein frdernder
psychologischer Faktor fr das Zustandekommen von Kriegshandlungen.
Dieser Menschentyp des Nicht-zuende-Geborenen grndete unmittelbar
nach dem ersten Weltkrieg die Freikorps, aus denen dann die
national-sozialistische Bewegung hervorging. Diese Kreise
verherrlichten zwar durchaus den Kampf und den Kampfeswillen,
rechtfertigten jedoch die Notwendigkeit eines Krieges nicht mit der
Lust am Kampf. Dazu bemhten sie hhere Werte, wenn auch auf ethisch
vorkonventioneller Ebene, wie der Sicherheit, Schutz und Ruhm der
Volksgemeinschaft.Unpolitisch und nicht aggressiv ist eine andere
Art lebensgefhrliche Ttigkeit, nmlich das Bergsteigen (z.B.
Reinhold Messmer). Ein Leben auf Messers Scheide. Dort ist es auch
der externe Zwang zu hochgradig konzentrierter Aufmerksamkeit. Die
Gefahr ist hierbei der tdliche Absturz. Whrend in der
Kriegssituation der individuelle Gefahrengrad weitgehend nicht
dosiert werden kann, besteht beim Bergsteigen und anderen
Risikosportarten die Mglichkeit, durch die Wahl des Berges, der
Jahreszeit, die Menge und Qualitt der Ausrstung oder durch die
Zusammensetzung des Teams den Schwierigkeitsgrad in einem weiten
Bereich frei zu whlen.
Das grundlegende Buch zur Urkatastrophe des 20.
JahrhundertsErnst Jngers erste Buchpublikation sein Kriegstagebuch,
das fnf berarbeitungen erfuhr, seinen Ruhm begrndete, zugleich
jedoch Zeitgenossen wie Kritiker polarisierte.Die Erlebnisse Ernst
Jngers vom Januar 1915 bis zum August 1918 an derWestfront spiegeln
sich in den Stahlgewittern wieder: vom Grabenkriegin der Champagne
und der Schlacht bei Cambrai bis hin zu denStotruppunternehmen in
Flandern und zuletzt der Verleihung des OrdensPour le mritenach
seiner Verwundung.
In Stahlgewittern machte ihn zum Helden einer Generation junger
Offiziere, die alles gegeben hatten und am Ende bestenfalls das
Eiserne Kreuz davontrugen. Gide pries es als das schnste
Kriegsbuch, das ich je las. Tatschlich hnelt es keinem anderen Buch
der damaligen Zeit keine Spur von den pastoralen Meditationen eines
Siegfried Sassoon oder Edmund Blunden, kein Anflug von Feigheit wie
bei Hemingway, kein Masochismus wie bei T. E. Lawrence und kein
Mitleid wie bei Remarque.Mit der in Heidelberg entstandenen Edition
lsst sich die Textentwicklung zwischen 1920 und 1978 verfolgenErnst
Jngers Kriegstagebuch In Stahlgewittern liegt jetzt erstmals in
einer historisch-kritischen Ausgabe vor. Sie dokumentiert, welche
Vernderungen der Autor zwischen 1920 und 1978 an diesem Text
vorgenommen hat. Umstellungen, Einfgungen und Streichungen,
beispielsweise vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus, knnen
so differenziert betrachtet und interpretiert werden. Ernst Jnger
hat seinen Frontbericht aus dem Ersten Weltkrieg immer neuen
Textnderungen unterzogen, so dass bis heute insgesamt sieben
Fassungen vorliegen, erklrt der Herausgeber, Prof. Dr. Helmuth
Kiesel vom Germanistischen Seminar der Universitt Heidelberg. Die
zweibndige Ausgabe der Stahlgewitter, so der Wissenschaftler,
schafft die Grundlage dafr, das Buch noch einmal neu zu lesen. Die
1.250 Seiten umfassende Publikation ist vom 21. September 2013 an
im Buchhandel erhltlich.In Stahlgewittern entstand 1920 auf der
Basis eines Kriegstagebuchs, das der gebrtige Heidelberger Ernst
Jnger vom Beginn bis zum Ende seines Kriegseinsatzes von Dezember
1914 bis August 1918 gefhrt hat. Das Buch wurde aufgrund der
Authentizitt und Prgnanz der Kriegsdarstellung rasch berhmt und in
mehrere Sprachen bersetzt. Zugleich wurde dem Autor vorgeworfen,
den Krieg zu sthetisieren und zu verherrlichen. Ernst Jnger zhlt
wegen seiner Schriften ber den Ersten Weltkrieg zu den am meisten
umstrittenen deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts. Das Urteil ber
ihn und die Stahlgewitter ist zum Teil auch davon abhngig, in
welcher Fassung dieses Buch gelesen wird, erklrt der Heidelberger
Germanist.Die neue Edition bietet im Paralleldruck die erste
Textversion von 1920 sowie die letzte Fassung von 1978. Die
Vernderungen der fnf berarbeitungen, die Jnger zwischen 1922 und
1961 vornahm, werden durch unterschiedliche Farben und editorische
Zeichen markiert. Damit hat der Leser die Mglichkeit, die
Textentwicklung zu verfolgen und alle sieben Fassungen bersichtlich
sortiert zu lesen. Zudem werden alle Varianten nach herkmmlicher
Editionspraxis in einem Verzeichnis von rund 300 Seiten
registriert. Der Prozess der historisch, politisch und poetisch
motivierten Modifikationen des Textes, und damit auch der
lebenslangen Auseinandersetzung Jngers mit der basalen Erfahrung
des Ersten Weltkriegs, ist damit also genau nachvollziehbar,
erlutert Helmuth Kiesel. Der Textband wird ergnzt durch einen
Kommentarband, der neben dem Variantenverzeichnis eine ausfhrliche
Darstellung der Textgenese, der Verbreitung und der Rezeption
enthlt.In Stahlgewittern von Ernst Jnger Ein historisch kritischer
DoppelschuberIn Stahlgewittern - Ernst Jnger - Buchmesse-Highlight
2013In Stahlgewittern Ernst Jnger Buchmesse-Highlight 2013Bald
schon schreiben wir das Jahr 2014 und der Ausbuch des Ersten
Weltkriegs liegt dann genau 100 Jahre zurck. Mit ihm begann das
Zeitalter der groen Kriege, die in ihrer Dimension nicht nur Europa
zermalmten. Zeitzeugen leben nicht mehr und so mssen wir uns heute
auf schriftliche berlieferungen verlassen, die von der
Kriegseuphorie und den unmittelbaren Folgen des ersten industriell
gefhrten Zermrbungskrieges berichten. Materialschlachten fanden in
den weit verzweigten Schtzengrben statt. Der einzelne Mensch war
zum Kanonenfutter verkommen.
Wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt, dann sprechen wir im
historischen Sinne nicht mehr von Zeitgeschichte. Der Erste
Weltkrieg ist also endgltig ins Reich der Geschichte gerckt und
doch bewegt er noch heute. Wie konnte man nur fr Kaiser und
Vaterland in einen solchen Krieg ziehen? Und vor allem, wie konnte
man dies nur wenige Jahre spter nun fr Fhrer und Vaterland ebenso
enthusiastisch wiederholen?
Wer dies annhrend verstehen will, der muss lesen. Zum Beispiel
im Kriegstagebuch des groen deutschen Schriftstellers Ernst Jnger,
der seine eigenen Kriegserlebnisse an der franzsischen Front
akribisch festgehalten hat. Jnger war hier der groe Diarist eines
Krieges. Dieses Tagebuch liegt bis heute in unvernderter Fassung
vor sein Roman In Stahlgewittern jedoch, fr den das Tagebuch die
Urmutter der Ideen war, wurde von Ernst Jnger persnlich bis in das
Jahr 1978 immer wieder berarbeitet. Zeichen einer lebenslangen
Auseinandersetzung mit seinen Erinnerungen aus den Jahren 1914 1918
Erinnerungen, die nie verblassten.
In Stahlgewittern - Ernst Jnger - Die ErstausgabeIn
Stahlgewittern Ernst Jnger Die ErstausgabeVom Kriegstagebuch zum
Roman:
In seinem Kriegstagebuch beschreibt Jnger seine Tage in den
Schtzengrben im Frankreich des Ersten Weltkrieges von 1914 bis
1918. Sachlich und nahezu emotionslos. Soldatenalltag und die
Banalitten des Kriegslebens bilden den Rahmen der Beschreibungen.
Auch das Tten selbst gert zur Banalitt. Sein schneller Aufstieg zum
Offizier ist den hohen Verlustraten des Gefechts geschuldet. Der
Krieg tobt vier Jahre lang.
Und Jnger schreibt und schreibt und schreibt. Seine Sichtweise
auf den allgegenwrtigen Tod, auf Verlust und Angst lassen klar
werden, was die jahrelange Zermrbung aus einem jungen Menschen
machen kann. Abstumpfung und Verlust von Ethik und Gefhl knnen
klare Folgen des Kampfes sein eines Kampfes der um des Kampfes
Willen gefochten wird.
Und doch finden wir hier erstaunlicherweise nichts anderes als
den Rohstoff fr Jngers sptere Werke.
Den Extrakt der Erlebnisse bildet das Kriegstagebuch und bereits
zwei Jahre spter kmpft Jnger mit allen Mitteln dafr, dem Sterben
und den unzhligen Toten doch noch einen Sinn zu geben. Ein
verlorener Krieg war unertrglich genug verlorene Schicksale und ein
verlorenes Leben wollte und konnte Jnger nicht riskieren. In
Stahlgewittern (erschienen 1920) kann man dies nachlesen, aufspren
und fhlen. Jngers Blick zurck war mit den frischen Erlebnissen aus
seinen Lebensprotokollen unglaublich geschrft und fr Auenstehende
mehr als greifbar.
In Stahlgewittern - Ernst Jnger - BcherdialogIn Stahlgewittern
Ernst Jnger BcherdialogJngers Kriegstagebuch und sein Roman In
Stahlgewittern zhlen heute zu den groen Werken der
Anti-Kriegsliteratur. Jnger verherrlicht nicht, er schildert.
Schonungslos und auch im Abstand einiger Jahre zum Krieg findet
sich kaum Pathos in seinem Gesamtwerk. Weitgehend unpolitisch
kommen seine Bcher daher und ganz besonders sein Roman knnte auf
jedem Schlachtfeld der Welt angesiedelt sein. Der Mensch im Krieg
die erzeugten Bilder schrecken ab und zeigen die brutale und
unkalkulierbare Gewalt der Schlachten des Schlachtens.
Jnger ist Publizist aber kein Bellizist. Das zeigt sich ganz
besonders daran, dass ihm seine Erlebnisse als Soldat niemals ruhen
lieen. In mehreren Fassungen hat er In Stahlgewittern seit der
Erstausgabe berarbeitet und mit immer neuen Vorworten versehen. Er
hat immer wieder versucht, seinen Roman in die vernderten
sozio-politischen Rahmenbedingungen einzubetten und reagierte auf
alle erdenklichen Einflsse der unterschiedlichen Epochen: den
Nationalsozialismus, den verlorenen Zweiten Weltkrieg, die Deutsche
Teilung, die Friedensbewegung und aufziehenden Pazifismus sowie den
Kalten Krieg.
In Stahlgewittern ist ein in jeder Hinsicht dynamischer Roman,
der in seinen Vernderungen die fast schon verzweifelte Bemhung
Jngers wiedergibt, nicht falsch verstanden werden zu wollen. Jngers
Werk ruft nicht zu den Waffen. Ganz im Gegenteil, egal was ihm
Kritiker oder Machthaber unterstellen wollten. Er lie sich nicht
instrumentalisieren, sondern entfernte nationalistische Zeilen
genau in der Zeit, in der diese Gesinnung am Lautesten um sich
Griff. Jnger kmpfte fr die Botschaft seines Romans: Nie wieder
Krieg!
Von Zeitzeugen und Zeitgeschichte zu GeschichteVon Zeitzeugen
und Zeitgeschichte zu GeschichteZur Methodik der Stahlgewitter
Schuber-Ausgabe
Dieser dynamischen Anpassung Jngers widmet sich die Historisch
kritische Ausgabe in zwei gebundenen Bchern aus dem Hause
Klett-Cotta, herausgegeben von Helmuth Kiesel. So findet man im
ersten Buch die Erstausgabe des Romans aus dem Jahr 1920 auf der
linken Buchseite, der dann die Fassung letzter Hand aus dem Jahr
1978 auf der rechten Buchseite gegenber gestellt wird.
Diese przise Methodik ermglicht schon auf den ersten Blick das
Herausstellen der Unterschiede beider Ausgaben. In
unterschiedlichen Textfarben werden dann sogar die Jahre der
Vernderungen deutlich erkennbar und schnell erschlieen sich dem
Leser die Zusammenhnge mit der Verffentlichung des Romans nach der
Machtergreifung der Nationalsozialisten. Zustzlich sind die
Seitenzahlen von einzelnen Textpassagen angegeben, die im
Kriegstagebuch fast wrtlich auftauchen und so kommen Roman und
Tagebuch in einen intensiven und spannenden Dialog.
Der zweite Band der Prachtausgabe beinhaltet editorische
Hinweise, das Variantenverzeichnis des Romans, Erluterungen und
Karten, Skizzen und Bilder der handschriftlichen Aufzeichnungen
Ernst Jngers, die als Recherche-Grundlage fr den Herausgeber
dienten. Ein derart komplexes Epochengemlde der Vernderung eines
Romans, der auf einem Tagebuch basiert, hatte ich zuvor noch nie in
Hnden. Ein in seiner Komplexitt mehr als beeindruckendes Werk.
in stahlgewittern ernst jnger spacer
Die Lektre dieser ausfhrlichen Ausgabe zeigt ein vllig neues
Bild des bis zu seinem Tod im Jahre 1998 eher abgeklrt wirkenden
Schriftstellers Ernst Jnger. Er war selbst hitziges und kaltbltiges
Opfer des Krieges. Er versank selbst in den tiefen Abgrnden der
hoffnungslosen Kriegswirren und empfand das eigene berleben
lediglich als reinen Zufall. Mit zunehmendem Alter schleichen sich
Landschaftsbeschreibungen und atmosphrische Details in die
Schlussfassung. Eine Vershnung mit dem Krieg ist das nicht eher der
Versuch, dem Stakkato der Waffen einen zumeist persnlichen
Kontrapunkt entgegenzusetzen.
Literatwo hat sich in besonderer Weise mit Ernst Jnger
beschftigt und einen Vergleich zwischen seinem Kriegstagebuch und
den Berichten Deutscher Soldaten, die ber den Afghanistan-Einsatz
geschrieben haben, gezogen. Hier geht es direkt zu unserem
Doublefeature: Eine Jugend im Krieg. Ein Blick auf unsere
unterschiedlichen Perspektiven lohnt sich.
Die Unkalkulierbarkeit des Krieges bringt Ernst Jnger
eindrucksvoll durch die kleine Erweiterung eines Satzes aus dem
Lehrgedicht des Terentianus Maurus auf den Punkt: Bcher haben
Schicksale Kugeln ebenso!
Zuletzt noch zwei wichtige Leseempfehlungen von Literatwo. Diese
Herzensbcher aus unserer mehr als reichhaltigen Bibliothek
beschftigen sich einfhlsam und emotional mit dem groen Thema Liebe
in Zeiten des Krieges und spielen in den Wirren des Ersten
Weltkrieges.
John Boyne mit Das spte Gestndnis des Tristan Sadler und Louisa
Young mit Eins wollt ich dir noch sagen.
Im nchsten Jahr freuen wir uns bereits jetzt schon darauf, euch
Elisabeth Bchles Trilogie zum Ersten Weltkrieg komplett vorstellen
zu drfen. Die Romane Himmel ber fremdem Land und Sturmwolken am
Horizont sind bereits in diesem Jahr erschienen. Wir knnen es kaum
erwarten, bis auch Teil 3 in unserer Villa Einzug gehalten hat!Wer
gerne erleben mchte, wie Ernst Jnger 18 Jahre nach diesem monstrsen
Krieg eine Kreuzfahrt nach Brasilien verarbeitet hat, dem sei
Atlantische Fahrt ans Herz gelegt. Literatwo war mit an Bord und
hat den Schriftsteller von einer ganz anderen Seite erlebt.
Ernst Jnger: In Stahlgewittern
Das Kriegstagebuch vonErnst Jngererschien 1920. Das Werk, die
erste Buchpublikation des Autors, gehrt neben "Das Wldchen 125"
(1925), "Der Kampf als inneres Erlebnis" (1922), "Sturm" (1923),
"Feuer und Blut" (1925) und "Das Abenteuerliche Herz" (1929) zu den
vomErsten Weltkriegberichtenden Schriften Jngers. Doch im Gegensatz
zu dem mehr reflektierenden und systematisch abgefaten Werk "Der
Kampf als inneres Erlebnis" ist "In Stahlgewittern" ein ohne
bergreifende Gedankengnge den Fronterlebnissen des Autors vom
Januar 1915 bis zum August 1918 folgendes Tagebuch, das - obwohl
noch im Krieg umgeschrieben - sehr stark die Unmittelbarkeit und
Einfachheit eines Diariums bewahrt. "In einem Regen von Blumen
waren wir hinausgezogen, in einer trunkenen Stimmung von Rosen und
Blut";, voller "Sehnsucht nach dem Ungewhnlichen, sagt Jnger zu
Beginn des Buchs. Gleich der erste Tag korrigiert seine
romantischen Vorstellungen und zeigt ihm das wahre Bild des Kriegs:
Eine Granate schlgt in ein Dorf; der Kriegsfreiwillige sieht die
ersten Toten und Verwundeten. Nach und nach lernt er den Krieg an
derWestfrontin allen seinen Formen kennen: denGrabenkriegin den
Kreidefeldern derChampagne, dieMaterialschlachtenan derSomme,
denGaskrieg, die groeDoppelschlacht bei Cambrai, die
Stotruppunternehmen in Flandern und die letztegroe Offensivean der
Westfront im Mrz 1918. Den Beschlu seiner Aufzeichnungen bildet die
Schilderung der letzten Schlacht, von der er mit einer schweren
Verwundung zurckkam; im Lazarett in Hannover erreicht ihn - nachdem
er bereits mit dem EK 1 ausgezeichnet worden ist - die Nachricht,
da "Seine Majestt, der Kaiser" ihm den OrdenPour le mriteverliehen
hat.Dieser Schlu ist in mehrfacher Hinsicht charakteristisch fr das
Tagebuch bzw. den Autor: Die gesamte Darstellung ist beraus
ichbezogen, von einer bisweilen landsknechthaften Gleichgltigkeit
gegenber der moralischen Problematik des Ttens und nicht frei von
Eitelkeit; mit einem beinah jungenhaften Stolz auf seine - in der
Tat hervorragende - Tapferkeit stellt Jnger am Ende fest: "In
diesem Kriege, in dem bereits mehr Rume als einzelne Menschen unter
Feuer wurden, hatte ich es immerhin erreicht, da elf von diesen
Geschossen auf mich persnlich abgegeben wurden." Es finden sich in
dem Buch kaum Reflexionen ber politische Hintergrnde, ber Sinn oder
Berechtigung des Kriegs, der wie eine Naturerscheinung hingenommen
wird - worauf auch schon die im Titel enthaltene, den Kampf als
Naturereignis mythisierende Metapher verweist; nur ein einziges Mal
heit es kurz: "Der Krieg warf seine tieferen Rtsel auf." Wichtiger
ist dem Autor die Beobachtung der neuen Kampfformen, der
Materialschlacht und der "planmigen mechanischen Schlacht", sowie
vor allem der menschlichen Reaktionen darauf. Er bemerkt, da die
Soldaten, betubt vom Schlachtendonner und der "turmhohen,
flammenden Feuerwand" der Materialschlacht, nicht mehr "bei klarem
Verstand", die Gehirne oft in "rote Nebel", in "Blutdurst, Wut und
Trunkenheit" getaucht waren und die Schritte der Kmpfer von dem
"bermchtigen Wunsch zu tten" beflgelt wurden. Wie im Krieg
insgesamt etwas Elementares aufsteigt, so scheint dem Verfasser
auch der einzelne beherrscht von einer irrtmlichen Kampfes- und
Zerstrungslust. Das Buch spiegelt manches von der Monotonie wieder,
die der Krieg fr den erfahrenen und abgebrhten Soldaten annimmt:
Der Stil ist einfach, knapp, vllig nchtern und bisweilen von einer
kaum mehr nachvollziehbaren Trockenheit und Gleichgltigkeit des
Tons, trotz der unzhligen schweren Verwundungen und qualvollen
Todeskmpfe, die Jnger um sich herum wahrnahm und von denen er -
weder Zustimmung noch Abscheu uernd - berichtet.Der Text, der fnf
berarbeitungen erfuhr, begrndete den Ruhm Jngers in den zwanziger
Jahren, polarisierte aber zugleich das Urteil der Zeitgenossen wie
der Kritik ber den Autor. WhrendAlfred Andersch, einer der
vehementesten Jnger-Verteidiger nach 1945, den Schriftsteller mit
seinem Frhwerk in die Nhe desSurrealismusrckt und Karl Heinz
Bohrer, in seiner umfangreichen Studie in der Jngerschen "Paradoxie
von archaischer Rckwendung und schrfster Bewutheit des epochalen
Augenblicks" die Kategorie der Pltzlichkeit, des Schocks als
beherrschendes Moment moderner Wahrnehmung gestaltet sieht, weshalb
die Kriegsbcher nicht mehr blo als "literarisch brillante Dokument
eines im brigen prfaschistischen Nationalismus zu lesen seien,
blieb, neben dem allgemeinen Desinteresse an dem Kriegsbuchautor
Jnger nach 1945, der Eindruck elitrer Attitde und Simplifizierung
des Geschehens ("Im Verlauf des Krieges" ist dem Autor "immer
klarer geworden, da aller Erfolg der Tat des einzelnen entspringt,
whrend die Masse der Mitlufer nur Sto- und Feuerkraft darstellt")
bestimmend.Auf der Suche nach der Droge namens Krieg
Welch ein Meisterwerk ist der Mensch! Er dringt tief in die Erde
vor; aber er greift auch nach den Sternen. Er ist der niedrigsten
und grausamsten Taten fhig, die man sich vorstellen kann; aber auch
der heldenhaftesten, liebevollsten und selbstlosesten. Nicht selten
finden sich das Frchterlichste und Beste, wozu der Mensch in der
Lage ist, in einer einzigen Person vereint. Rudolf H zum Beispiel,
der berchtigte Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz, war
wahrscheinlich fr die Ermordung von mehr Menschen Mnnern, Frauen,
Kindern verantwortlich als je ein anderer vor ihm. Gleichwohl
beschreibt ihn seine Tochter Inge-Brigitte H in einem Interview,
das krzlich in der "Washington Post" erschien, als den "nettesten
Menschen der Welt", der oft unter dem, was er tat, sehr gelitten
habe.Krieg ist eine Fortsetzung von PolitikViele der scheulichsten,
aber auch der nobelsten Taten wurden im Krieg begangen. Wie der
groe Militrtheoretiker Carl von Clausewitz sagte, ist er die bloe
Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln (oder sollte es sein),
ein rationales Handeln, das ein rationales Ziel zu erreichen
anstrebt. Das stimmt. Es stimmt aber auch, dass der Krieg ein
Bereich entsetzlicher krperlicher Anstrengung, extremer
Entbehrungen, intensiven Leidens, unkontrollierbarer Angst,
qualvoller Schmerzen und natrlich des Todes in all seinen
grauenhaften Formen ist.Gerade darum wirkt der Krieg wie ein
Vergrerungsglas. Er reit alles ab, was berflssig und unecht ist,
und bringt das Wahre und Wesentliche zum Vorschein. Und natrlich
ist aus diesem Grund der Krieg, seit Homer, stets ein bevorzugtes,
oftdasbevorzugte Thema der unterschiedlichsten Knstler
gewesen.Unter denen, die den Krieg in dieser Weise sahen, ist Ernst
Jnger einer der wichtigsten. 1895 in Heidelberg geboren, war er
eine schwierige, unruhige Persnlichkeit. Mit achtzehn lief er von
zu Hause fort. Er schrieb sich bei der franzsischen Fremdenlegion
ein und ging nach Nordafrika, was sich fr einen Sohn aus
gutbrgerlicher Familie kaum ziemte. Sein Vater setzte seine
Beziehungen ein, lie ihn suchen, und man fand ihn. Kaum war er
wieder daheim, brach der Erste Weltkrieg aus, was ihm ermglichte,
wieder aufzubrechen.Aus den Grben zum Pour le mriteFast vier Jahre
lang kmpfte er in den Schtzengrben, zuerst als Unteroffizier und
dann als Offizier. Er wurde mindestens siebenmal verwundet, erhielt
ziemlich alle Auszeichnungen und war der jngste Soldat, dem man den
Orden Pour le mriteverlieh. Der wurde nach meiner Berechnung in
diesem Konflikt nur an jeden zwanzigtausendsten Soldaten in
deutscher Uniform vergeben.Zweifellos war fr Jnger, genauso wie fr
viele Millionen anderer Mnner im Laufe der Geschichte, der Krieg
die entscheidende Erfahrung im Leben. Nach seiner Heimkehr schrieb
der mittlerweile Fnfundzwanzigjhrige seinen groenRoman"In
Stahlgewittern". In Anbetracht des vergleichsweise niedrigen
Dienstgrades des Autors bei Kriegsende war Jnger Leutnant ist nicht
verwunderlich, dass sein Buch die Politik, die den Konflikt
vermutlich vorantrieb, fast gar nicht thematisiert. Etwas
berraschender ist vielleicht, dass in ihm auch kein besonderer Hass
auf die franzsischen und britischen Feinde geuert wird, die sich
doch tagein, tagaus unablssig und nach Krften bemhten, denAutorund
seine Kameraden zu tten.Selbst Anekdoten ber das Soldatenleben
auerhalb der Kampfeinstze, auch solche ber Beziehungen zu Frauen,
wie man sie in anderen Kriegstagebchern und Erinnerungen so hufig
findet, kommen selten vor. Stattdessen konzentriert sich Jnger auf
das Kmpfen als solches, wobei er in seinen Beschreibungen oft die
kleinsten Details registriert. Immer und immer wieder kam ein
Befehl zum Angriff. Warum oder wozu er erfolgte, war egal. Ganz
gleich, wie gro oder klein er war, jedes Mal strmten Jnger und
seine Kameraden ber das Niemandsland.Kmpfen erscheint als GenussSie
warfen sich zu Boden, um feindlichen Geschossen auszuweichen,
rappelten sich wieder auf, warfen Handgranaten, sprangen in einen
gegnerischen Schtzengraben und rumten ihn im Nahkampf. Die Toten,
die Sterbenden und die Verstmmelten waren berall. Selbst in Jngers
nchterner, sachlicher Schilderung ergeben sie kein schnes Bild.
Gliedmaen sind abgerissen, Eingeweide freigelegt, Leichen werden
erst blau und grn und platzen dann; ein ekelerregender Gestank nach
verwesendem Fleisch und Kot geht von ihnen aus. Und doch verliert
Jnger erstaunlich wenige Worte ber das Leiden, die Angst und die
Schmerzen als solche.Wenn die Schrecken erwhnt werden, dann vor
allem, weil sie unverzichtbarer Hintergrund des eigentlichen
Geschehens sind, das sich auf das zuspitzt, was er den Rausch des
Krieges nennt. Ein Rausch, der sich letztlich nicht von dem
unterscheidet, den Drogen und Alkohol hervorrufen; allerdings ist
er sehr viel strker. Ebenso unverkennbar genoss Jnger auch, was ihm
im Alter von zwanzig Jahren zum Beruf wurde sonst htte er kaum der
herausragende Krieger sein knnen, der er war. Tatschlich ist die
aus jeder Zeile sprechende Behauptung, dass man das Kmpfen so
genieen kann wie, sagen wir, das Blumenstecken, nicht einmal die
schockierendste Botschaft, auf der Jnger nachdrcklich besteht.Aber
alles Schne hat einmal ein Ende. Was knnte besser sein, als ein
Buch zu schreiben, zum einen, um das Erlebte in der eigenen
Erinnerung zu verankern, und zum anderen, um die Jugend zu
unterweisen? 1920 erschien der Text erstmals in einem Privatdruck.
Einige Jahre spter wurde er zu einem ungeheuren Erfolg und in viele
Sprachen bersetzt. Er scheint dazu gefhrt zu haben, dass der Autor,
der nicht wissen konnte, dass er noch fast achtzig Jahre Leben vor
sich hatte, in einen Abgrund starrte; was sollte er jetzt noch tun?
Zumal ihm Prsident Hindenburg bei einem Treffen eiskalt gesagt
hatte, dass seiner Erfahrung nach jene, die ihre Orden in zu frher
Jugend erhalten hatten, es im Leben meist nicht weit brchten.Jnger
nahm die Herausforderung an und verfasste nun ein Buch nach dem
anderen. Manche waren erfolgreich, jedoch nicht annhernd so
erfolgreich wie das erste. Eine kurze Google-Suche ergibt bei den
"Stahlgewittern" etwa 45.000 Treffer; "Auf den Marmorklippen", das
die meisten Kritiker fr sein zweitwichtigstes Werk halten, sind mit
15.000 nur ein Drittel davon.Goebbels lobte das BuchFr Joseph
Goebbels war "In Stahlgewittern" "ein glnzendes, groes Buch.
Grauenerregend in seiner realistischen Gre. Schwung, nationale
Leidenschaft, Elan, das deutsche Kriegsbuch. Einer aus seiner
Generation ergreift das Wort ber das tiefe seelische Ereignis Krieg
und verrichtet Wunder innerer Darstellung."Millionen Leser in
Deutschland und im Ausland mssen seiner Meinung gewesen sein
und/oder lieen sich von ihr anstecken. Sonst htte das Werk niemals
so populr werden knnen. Dennoch brachte Jnger eine berarbeitung
nach der anderen heraus; aus diesem Grunde ist eine letzte,
wissenschaftliche Edition erforderlich und hochwillkommen.Um nur
ein einziges Beispiel anzufhren, entnommen einer Beschreibung der
frhen Kriegstage in der Ausgabe von 1924: "'In Gruppenkolonne
antreten!' Die erhitzte Fantasie (whrend der Zugfahrt an die Front)
beruhigte sich beim Marsche durch den schweren Lehmboden der
Champagne. Tornister, Patronen und Gewehr drckten wie Blei.
'Kurztreten. Aufbleiben dahinten!'"Dieser Abschnitt steht nicht in
der Erstausgabe. In der Rckschau sprte der Autor offenbar, dass er
in der Beschreibung der Freuden des Krieges zu weit gegangen war.
Hat er seinen Text verndert, um nicht als Militarist gesehen zu
werden? Oder wollte er seine Glaubwrdigkeit strken? Oder war er
schlicht lter geworden? 1924 fgte er Vernderungen ein, die das Buch
nationalistischer machten. 1934 schlug er sehr zum rger der Nazis
eine andere Richtung ein; offensichtlich versuchte er nicht, nur
einfach den jeweiligen Machthabern zu gefallen.Jnger nderte mehrere
AusgabenAlles in allem gibt es sieben manche wrden sagen acht
verschiedene Ausgaben. Warum? Eine letztgltige Antwort, wenn es
eine solche berhaupt geben kann, harrt der Person, die eines Tages
die Geduld aufbringt, nicht nur jede einzelne der Korrekturen
durchzusehen, die in die Hunderte gehen, sondern sie auch mit
anderen Quellen zu vergleichen und daraus die richtigen Schlsse zu
ziehen.Die Vernderungen im Text werfen auch Fragen auf, die ber
Jnger und sein Werk hinausgehen. Wenn ein bestimmtes Kunstwerk
wirklich ein Meisterstck ist, warum muss es dann verndert werden
nicht nur einmal, sondern gleich mehrmals? Vermindern die
Vernderungen nicht sogar seinen Wert? Und sind sie nicht der
Beweis, dass zumindest aus der Sicht des Autors das Buch keineswegs
ein Meisterwerk ist?Vielleicht htte Jnger gut daran getan, sich bei
seiner geringfgig jngeren Zeitgenossin, der amerikanischen
Anthropologin Margaret Mead, eine Scheibe abzuschneiden. Sie wurde
1901 geboren und verffentlichte 1928 ihr bekanntestes Buch
"Kindheit und Jugend in Samoa". Das von Freud inspirierte Werk
zeichnete ein idyllisches Bild der Insel und seiner Bewohner.Wie
Jngers "Stahlgewitter" wurde es zu einem Klassiker. Beide Bcher
sind heftig kritisiert worden. Viele behaupteten, die Darstellungen
in ihnen seien irrefhrend, oder sie bezichtigten die Autoren der
Lge, oder beides. Nach den Angriffen auf ihr Buch nderte Mead in
dem halben Jahrhundert, das sie noch zu leben hatte, kein einziges
Wort. Auch weigerte sie sich, Samoa je wieder zu besuchen. Wie die
kritische Edition von "In Stahlgewittern" deutlicher denn je vor
Augen fhrt, war das eine Lehre, die Jnger weder im Guten noch im
Schlechten angenommen hat.Martin van Creveld ist Militrhistoriker
und Autor der Studie "Kriegs-Kultur Die tiefen Wurzeln bewaffneter
Konflikte". Seine Rezension hat Ruth Keen aus dem Englischen
bersetzt.ERNST JNGER: IN STAHLGEWITTERNDer Krieg als literarisches
EreignisHELMUTH KIESELIn der deutschen ffentlichkeit zumal im
Feuilleton hatte das Thema Krieg jahrzehntelang kaum einen Platz.
Autoren wie Ernst Jnger, die sich um eine realistische Darstellung
der Ereignisse bemhten, waren verpnt. Der Germanist Helmuth Kiesel
hat sich ber Jahrzehnte mit Jnger und seinem Werk
auseinandergesetzt. Erst vor wenigen Tagen erschien die von ihm
herausgegebene Historisch-kritische Ausgabe von Jngers
Stahlgewitter. Angesichts der Wiederkehr der Brutalitt des Krieges
in das ffentliche Bewusstsein unserer Gesellschaft und angesichts
des bisherigen Fehlens einer nennenswerten Gegenwartsbelletristik
zu diesem Thema erscheint Jngers Bericht beinahe wie ein Buch der
Stunde.Ernst Jngers autobiographischer KriegsberichtIn
Stahlgewitterngehrt zu jenen deutschen Bchern, die immer fr
Kontroversen sorgten. Das liegt zum einen am Gegenstand, dem Ersten
Weltkrieg, der das historische Bewusstsein der Deutschen als
Verlierer und angebliche Urheber (Paragraph 231 des
Friedensvertrags von Versailles; Fischer-Thesen von 1961 und 1969)
schwer belastet. Man zgert, den Einsatz in diesem Krieg in
irgendeiner Weise positiv oder gar als heldenhaft zu sehen, wie es
die Stahlgewitter verlangen und wie es auf Seiten der Sieger
selbstverstndlich ist. Zum andern liegt es an der
Darstellungsweise: Vielfach hat man Jnger vorgeworfen, er
sthetisiere und glorifiziere den Krieg.
Diese Vorwrfe sind, um es gleich zu sagen, nicht unberechtigt:
Jnger war der Meinung, dass der Krieg ein anthropologisch
verankerter Modus des geschichtlichen Lebens sei. Er hat deswegen
unter dem Eindruck auch der groen europischen Heldendichtung die
Bewhrung im Krieg als etwas Positives gesehen, und er hat in
denStahlgewitternalle ihm verfgbaren schriftstellerischen Mittel
aufgewandt, um ein mglichst eindrucksstarkes Bild des Krieges in
allen seinen Modalitten zu zeichnen. DieStahlgewittergelten
deswegen als ein bellizistisches Buch und werden mitverantwortlich
gemacht fr die Erneuerung des bellizistischen Denkens am Ende der
Weimarer Republik und im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs.
Die rezeptionsgeschichtliche Forschung auch dies sei gleich
gesagt zeigt indessen ein etwas anderes Bild. Erich Maria Remarque,
der Verfasser des Anti-Kriegsromans Im Westen nichts Neues
(1928/29), rhmte dieStahlgewitternicht nur fr ihre eindrucksvolle
Przision, sondern zhlte sie zu den Bchern, die einen
pazifistischeren Einflu ausben als alle anderen. Der Frankfurter
Rechtsanwalt Paul Levi, von 1919 bis 1921 Vorsitzender der KPD,
schrieb in einem seiner letzten Artikel: Den Schrecken des ganzen
Erlebens hat vielleicht keiner so geschildert, kaum ist eine
furchtbarere Anklage gegen den Krieg geschrieben als dieses Buch
eines Mannes, der zum Kriege positiv eingestellt ist. Und der
deutsch-jdische Schriftsteller Hans Sochaczewer, der Ende der
1920er Jahre fr einen eigenen Roman ber die Nachkriegszeit die
Schriften der Nationalisten studierte, schrieb im Juli 1931: Ich
habe gefunden, da die Werke des begabten Nationalsozialisten [was
nicht zutrifft: H. K.] Ernst Jnger am meisten pazifistisch wirken.
Auch fr dieStahlgewittergilt also, was der Grammatiker Terentianus
Maurus einst bemerkte: Pro captu lectoris habent sua fata libelli:
Bcher haben ihre Schicksale je nach Fassungskraft oder
Aufnahmeweise durch die Leser.
Das Urteil ber dieStahlgewitterwird freilich noch durch einen
weiteren Umstand verkompliziert: Jnger hat die Erstfassung von 1920
in den Jahren 1922, 1924, 193134, 1935, 195861 und 1978 sechsmal
berarbeitet, so dass das Werk in insgesamt sieben Fassungen (wie
Jnger zu sagen liebte) vorliegt. Die Differenzen, die durchaus
bemerkenswert sind, resultieren aus unterschiedlichen Motivationen
und liegen auf verschiedenen Ebenen. Immer ging es Jnger darum, den
Stil zu perfektionieren, den Ausdruck zu przisieren und die
Eindruckskraft seines Berichts durch eine zunehmende metaphorische
Aufladung (Wellen des Angriffs, Brandung der Einschlge) zu steigern
(Perfektionierung). 1924 fgte Jnger politische Reflexionen mit
nationalistischer Tendenz ein, um das Buch dem damals von ihm
vertretenen Kurs des neuen und soldatischen Nationalismus anzunhern
(Pragmatisierung). Nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten, von denen Jnger sich distanzierte, entfernte
oder modifizierte er diese Passagen fr die Neuauflagen von 1934 und
1935 (Entpragmatisierung). Bei der berarbeitung von 1958-61
schwchte er die glorifizierenden Momente ab und ersetzte drastische
Vokabeln, die man nun im Wrterbuch des Unmenschen registriert fand,
durch weniger rohe Wrter (Humanisierung). Zum erstenmal ist in der
Fassung von 1961 ausdrcklich auch von Trauer die Rede einige Jahre,
bevor der einstige Jnger-Adept Alexander Mitscherlich mit seinem
Traktat ber die Unfhigkeit zu trauern (1967) den Begriff der Trauer
ins Zentrum der politischen Kultur der Bundesrepublik rckte. Bei
allen berarbeitungen kam es Jnger aber auch darauf an, das
Nebenschlichere oder Ephemere seiner Darstellung zugunsten des
Wesentlichen seiner Kriegserfahrung zurckzudrngen
(Essentialisierung). Vor allem diese Absicht bewog ihn dazu,
dieStahlgewitterimmer wieder zu berarbeiten, wohl wissend, dass es
ihm nicht gelingen wrde, die ungeheure Erfahrung seines fast
vierjhrigen Fronteinsatzes (Januar 1915 bis Ende August/Anfang
September 1918) in eine wirklich angemessene und zufriedenstellende
sprachliche Form zu bringen.
Die historisch-kritische Ausgabe der gedruckten Fassungen bietet
den mehrfach modifizierten Text derStahlgewitterin einer Form, die
es dem Leser ermglicht, die Modifizierungsarbeit unmittelbar zu
verfolgen und die Differenzen sozusagen mit bloem Auge zu erkennen.
Insgesamt zeigt diese Ausgabe dieStahlgewitterals ein work in
progress, aber nicht etwa im Sinne einer freien Entfaltung
knstlerischer Kreativitt, sondern als Dokument einer lebenslangen
Ntigung, die ungeheure Erfahrung des Ersten Weltkriegs immer wieder
neu zu bedenken, und als Ausdruck der Unmglichkeit, diese Erfahrung
als eine definitiv beschriebene und bewltigte ad acta zu
legen.ERSCHIENEN INROTARY MAGAZIN 10/2013
Prof. Dr. Helmuth Kiesel(RC Heidelberg) ist Inhaber
desLehrstuhls fr Neuere deutsche Literaturgeschichte am
Germanistischen Seminarder Universitt Heidelberg. Er ist Verfasser
einer Biographie ber Ernst Jnger (Siedler 2007) sowie Herausgeber
vonJngers Kriegstagebcher 19141918(Klett-Cotta 2010) undder
Historisch-kritischen Ausgabe von Jngers bekanntestem BuchIn
Stahlgewittern (Klett-Cotta 2013).