Stand von Wissenschaft, Forschung und Technik zu siedlungshygienischen As- pekten der Abfallentsorgung und -verwertung (Hrsg.: Th. Eikmann, R. und R. Hofmann). Schriftenreihe Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN, Band 30, 1999, 245-320. Erfassung von luftgetragenen kultivierbaren Mikro- organismen aus Kompostierungsanlagen - Emission und Immission - R. Hofmann, E.-M. Beck, R. Böhm, G. Danneberg, S. Gerbl-Rieger, E. Göttlich, A. Koch, M. Kühner, V. Kummer, K. Liebl, W. Martens, T. Missel, A. Neef, U. Palmgren, R. Rabe, B. Schilling, F. Tilkes, P. Wieser Zusammenfassung Mit dem vorliegenden Statuspapier werden ein aktuelles Bild und eine Bewertung der derzeit verfügbaren Verfahren und Konzepte zur Sammlung und zum Nachweis von luftgetragenen kultivierbaren Mikroorganismen direkt an Emissionsquellen in Kompostierungsanlagen und in deren Umgebungsbereich gegeben. Betrachtet werden die am häufigsten eingesetzten ”klassischen” Verfahren, mit denen über den Zwischenschritt der Kultivierung vermehrungs- fähige Mikroorganismen in der Luft nachgewiesen werden können. Es werden die theoreti- schen und praktischen Anforderungen an die Verfahren erörtert, und es werden Ergebnisse und Erfahrungen aus neueren Untersuchungen vorgestellt. Determination of airborne culturable microorganisms from composting plants - point source and dispersed emissions - Summary The statement presented here gives an overview and assessment of the procedures and concepts currently used for the collection and determination of airborne, culturable microor- ganisms at sources of emission within composting plants and in their near vicinity. The paper focuses on ”classical” methods, which involve cultivation as an intermediate step for the de- termination of viable, airborne microorganisms. The theoretical and practical requirements on such methods are discussed. Results and experiences from recent investigations are de- scribed. 1
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Erfassung und Diagnose von luftgetragenen …€¦ · Stand von Wissenschaft, Forschung und Technik zu siedlungshygienischen As-pekten der Abfallentsorgung und -verwertung (Hrsg.:
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Stand von Wissenschaft, Forschung und Technik zu siedlungshygienischen As-
pekten der Abfallentsorgung und -verwertung (Hrsg.: Th. Eikmann, R. und R.
Hofmann). Schriftenreihe Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN,
Band 30, 1999, 245-320.
Erfassung von luftgetragenen kultivierbaren Mikro-
organismen aus Kompostierungsanlagen - Emission und Immission -
R. Hofmann, E.-M. Beck, R. Böhm, G. Danneberg, S. Gerbl-Rieger, E. Göttlich, A. Koch,
M. Kühner, V. Kummer, K. Liebl, W. Martens, T. Missel, A. Neef, U. Palmgren, R. Rabe,
B. Schilling, F. Tilkes, P. Wieser
Zusammenfassung Mit dem vorliegenden Statuspapier werden ein aktuelles Bild und eine Bewertung der derzeit
verfügbaren Verfahren und Konzepte zur Sammlung und zum Nachweis von luftgetragenen
kultivierbaren Mikroorganismen direkt an Emissionsquellen in Kompostierungsanlagen und in
deren Umgebungsbereich gegeben. Betrachtet werden die am häufigsten eingesetzten
”klassischen” Verfahren, mit denen über den Zwischenschritt der Kultivierung vermehrungs-
fähige Mikroorganismen in der Luft nachgewiesen werden können. Es werden die theoreti-
schen und praktischen Anforderungen an die Verfahren erörtert, und es werden Ergebnisse
und Erfahrungen aus neueren Untersuchungen vorgestellt.
Determination of airborne culturable microorganisms from composting plants
- point source and dispersed emissions - Summary The statement presented here gives an overview and assessment of the procedures and
concepts currently used for the collection and determination of airborne, culturable microor-
ganisms at sources of emission within composting plants and in their near vicinity. The paper
focuses on ”classical” methods, which involve cultivation as an intermediate step for the de-
termination of viable, airborne microorganisms. The theoretical and practical requirements on
such methods are discussed. Results and experiences from recent investigations are de-
scribed.
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1 Einleitung
Durch Bioaerosole, zu denen luftgetragene Mikroorganismen sowie deren Bestandteile, Ab-
bau- und Stoffwechselprodukte gehören, können Belästigungen, gesundheitliche Beeinträch-
tigungen und Erkrankungen ausgelöst werden. Im wesentlichen werden bisher Schimmelpil-
ze und Bakterien, darunter thermophile Aktinomyzeten, als Komponenten der Emissionen
aus Kompostierungsanlagen berücksichtigt.
Es gibt bis heute keine Bewertungsmaßstäbe für die Wirkung von Bioaerosolen auf den
Menschen, mit denen Emissionen aus Abfallbehandlungsanlagen beurteilt werden können.
So sind gesundheitsrelevante Wirkungen der Inhalation von Bioaerosolen derzeit nur an-
satzweise bekannt. Tatsache ist jedoch, daß es immer wieder zu Beschwerden durch An-
wohner von vorhandenen und geplanten Kompostierungsanlagen kommt. Weiter stehen ne-
ben dem Zusammenhang zwischen Geruchsbelästigungen und mikrobiellen Emissionen
bzw. Immissionen zunehmend auch Fragen nach allergenen, toxigenen und infektiösen Risi-
ken durch Bioaerosole im Mittelpunkt der Diskussion. Daher besteht Bedarf, diese mikrobiel-
len Emissionen und Immissionen mittels geeigneter Meßverfahren gezielt zu erfassen und zu
bewerten.
Bisher vorliegende Untersuchungen zeigen eine beträchtliche Variabilität der jeweils ermittel-
ten Konzentrationswerte an luftgetragenen Mikroorganismen. Dies hängt u.a. damit zusam-
men, daß verschiedene Meßstrategien und -methoden angewandt werden. Außerdem wer-
den die Meßergebnisse in sehr starkem Maße von äußeren Bedingungen beeinflußt. Hierzu
zählen insbesondere die Betriebsweise und die Art von Emissionsquellen in einer Anlage,
sowie bei Außenluftmessungen die meteorologischen Bedingungen und die topographischen
Verhältnisse in der Umgebung einer Anlage.
Für die Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Meßergebnisse ist es erforderlich, daß die
Meßbedingungen möglichst weitgehend standardisiert werden. Die Erfassung von Bioaero-
solen erfolgt i.d.R. mit aktiven Probenahmesystemen (Luftkeimsammler) und anschließender
Aufarbeitung und Auswertung der Proben im Labor. Die in Deutschland gebräuchlichen Me-
thoden beruhen fast ausschließlich auf dem Nachweis kultivierbarer Mikroorganismen. Dies
bedeutet für die Praxis, daß die Meßergebnisse abhängig sind von dem zu bestimmenden
mikrobiologischen Parameter und in hohem Maße von den dazugehörenden Einflußfaktoren
wie beispielsweise dem Kulturmedium, der Kultivierungstemperatur, der Kultivierungsdauer
usw. Dies muß bei der Ergebnisinterpretation berücksichtigt werden.
2
Mit dem vorliegenden Statuspapier soll ein Überblick über den aktuellen Stand der verfügba-
ren Methoden zur Erfassung mikrobieller Luftverunreinigungen aus Kompostierungsanlagen
gegeben werden.
2 Verfahren zur Probenahme, Aufarbeitung und zum Nachweis von luftgetragenen Mikroorganismen
2.1 Vorbemerkung Der Einfluß eines Bioaerosol-Emittenten auf seine Umgebung unterliegt starken zeitlichen
und räumlichen Schwankungen. Wichtig für die Meßplanung sind Kenntnisse über die lokal-
klimatischen Standortgegebenheiten und über die meteorologische Ausbreitungssituation.
So wird die Ausbreitung z.B. entscheidend von der Topographie des Standortes und der
Standortumgebung bestimmt. Die genannten Randbedingungen sind bei der Festlegung von
Zeit, Dauer und Anzahl der Probenahmen, Lage und Auswahl der Probenahmeorte etc. so
weit wie möglich zu berücksichtigen.
Die Bestimmung der Konzentration luftgetragener Mikroorganismen (über die Anzahl kolo-
niebildender Einheiten, KBE, pro Kubikmeter Luft) beginnt in der Regel mit der Abscheidung
der im Luftvolumen suspendierten Aerosolpartikel. Dabei wird während der Expositionszeit
des Luftkeimsammlers ein bekanntes Luftvolumen über das Einlaßsystem angesaugt und
dem Partikelabscheidesystem zur Trennung zwischen Trägergas und Partikelphase zuge-
führt. Die Partikelabscheidung erfolgt i.d.R. auf definierten Oberflächen oder in Flüssigkeiten
durch physikalische Prozesse. Das Produkt aus Erfassungsgrad des Einlaßsystems und
Abscheidegrad des Abscheidesystems bestimmt damit die von der Partikelgröße abhängige
physikalische Sammeleffizienz des Luftkeimsammlers.
Während die Fähigkeit von Mikroorganismen, in oder auf einem Nährmedium zu wachsen
und Kolonien zu bilden, keinen Einfluß auf die physikalische Sammeleffizienz hat, ist der
Umkehrschluß, der Abscheideprozeß habe keinen Einfluß auf die Fähigkeit zur Koloniebil-
dung, ohne genaue Überprüfung nicht gestattet. So können beispielsweise bei vielen Orga-
nismengruppen mechanische Einwirkungen beim Aufprall der Zellen auf ein Abscheidemedi-
um das Aufbrechen von Zellaggregaten bewirken, was wiederum die Ergebnisse der nach-
geschalteten mikrobiologischen Nachweisverfahren beeinflußt. Auch die Bildung von neuen
Aggregaten ist bei hohen Bioaerosolkonzentrationen möglich. Zudem können chemische
Wechselwirkungen mit Trägergaskomponenten bzw. Austrocknung bereits abgeschiedener
3
Mikroorganismen durch die fortlaufend angesaugte Luft sowie chemische und physikalische
Vorgänge in Abscheideflüssigkeiten das Meßgut verändern. Somit ist es bei der Beurteilung
von Luftkeimsammlern zweckmäßig, zwischen physikalischen und biologischen Sammeleffi-
zienzen zu unterscheiden. Die biologische Sammeleffizienz ein und desselben Sammlers
kann für verschiedene Mikroorganismenarten sehr unterschiedlich sein. In ihren physikali-
schen Funktionsprinzipien verstandene, in der Luftstaubmessung übliche Partikelsammel-
systeme [1, 2] erweisen sich bei der Konzentrationsbestimmung von luftgetragenen Mikroor-
ganismen oft als problematisch und werfen die Frage nach geeigneten Prüfaerosolen mit
vergleichbaren Eigenschaften wie natürlich vorkommende Bioaerosole auf. Künstlich erzeug-
te Bioaerosole können in der Regel nicht die komplexen Verhältnisse natürlich vorkommen-
der Bioaerosole widerspiegeln. Zur Verdeutlichung dieser Aussage zeigt Abbildung 1 raster-
elektronenmikroskopische Aufnahmen von Keimaggregaten und Bioaerosolpartikeln mit teil-
weise sehr heterogener Zusammensetzung, wie sie in der unmittelbaren Umgebung eines
Kompostwerkes vergleichsweise häufig auftreten. Bei Keimaggregaten üben äußere Zellen
gegebenenfalls Schutzfunktionen aus, die die Überlebenschancen innerer Zellen erhöhen.
Selbst die Einzelkomponenten komplexer Bioaerosolpartikel können, wie man sieht, erhebli-
che unterschiede in Größe, Form und Dichte und damit in den aerodynamischen Eigenschaf-
ten aufweisen, die in Einzellfällen zu Meßfehlern führen.
4
Abb 1: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von luftgetragenen Keimagglomeraten und komplex zusammengesetzten Bioaerosolen aus einer Kompostierungs-Anlage (Aufnah-me Dr. G. Alber) 2.2 Luftkeimsammler und physikalische Grundlagen der Luft-
keimmessung Das Einlaßsystem stellt die unmittelbare Verbindung zwischen dem Untersuchungsgegens-
tand, dem Bioaerosol, und dem Luftkeimsammler dar, seine technische Auslegung ist von
zentraler Bedeutung für die Richtigkeit der Meßergebnisse. So kann beispielsweise über die
Gestaltung des Einlaßsystems erreicht werden, daß ”Riesenpartikel” wie Flüssigkeitstropfen
und Grobstaub von der Probenahme ausgeschlossen werden, oder daß nur solche Partikel-
größenklassen erfaßt werden, denen eine besondere Bedeutung zukommt. Typische Bei-
spiele sind die Beschränkung auf die einatembare Partikelfraktion, durch die Verwendung
von Einlaßsystemen mit definierten ”cut-off”-Durchmessern (z.B. PM 10 Kopf) [3, 4].
5
Bei der Auslegung von Einlaßsystemen für die windrichtungsunabhängige Erfassung von
luftgetragenen Mikroorganismen werden vertikale und rotationssymmetrische Ausführungen
mit horizontaler Ausrichtung des nachgeschalteten Partikelabscheiders bevorzugt. Hierbei
wirkt es sich nachteilig aus, daß die Probenluft bei horizontaler Anströmung (Windfeld) in das
Einlaßsystem hinein umgelenkt werden muß. Es können Entmischungen von Partikelfraktio-
nen sowie Ablagerungen an Bauteilen des Einlaßsystems und auch des Abscheidesystems
(Wandeffekte) auftreten, was zu Verfälschungen der Meßergebnisse führt. Es ist grundsätz-
lich dafür Sorge zu tragen, daß bei der Probenahme das erfaßte Luftvolumen hinreichend
genau und repräsentativ bestimmt wird. Verfälschungen der Partikelkonzentration, die durch
Veränderungen des Bewegungszustandes der Partikel beim Ansaugen der Luft entstehen,
müssen so weit wie möglich vermieden werden. Es muß außerdem darauf hingewiesen wer-
den, daß Messungen in der Außenluft eine isokinetische Probenahme i.d.R. nicht ermögli-
chen (Turbulenzgrad der Luft, Windstille).
Bezeichnet Ee den Erfassungsgrad des Einlaßsystems, Ea den Abscheidegrad des Partike-
labscheidesystems und Eb die biologische Sammeleffizienz, so gilt für die Sammeleffizienz
des Gesamtsystems Eg, d.h. für das Verhältnis der ermittelten zur ”wahren” Bioaerosolkon-
zentration:
Eg = Ee * Ea * Eb (1)
Eventuelle Partikelverluste zwischen Einlaß- und Abscheidesystem können dabei durch ei-
nen Transmissionsfaktor berücksichtigt werden.
Bei der kritischen Beurteilung von Luftkeimsammlern ist es zweckmäßig, die im Grunde un-
abhängigen Größen Ee, Ea und Eb getrennt zu betrachten. Luftkeimsammler mit relativ guter
Abscheidung müssen z.B. nicht zwangsläufig vergleichbar gute Eigenschaften in Bezug auf
das Einlaßsystem besitzen. Bei Verbesserung vorhandener und Entwicklung neuer Geräte
ist eine Optimierung aller drei Faktoren anzustreben. Die Größen Ee und Ea, die zusammen
die physikalische Sammeleffizienz bestimmen, können in Anlehnung an die allgemeine Ae-
rosolmeßtechnik mit Hilfe von Standardaerosolen bekannter Größe, Dichte und Form (z.B.
Polystyrol-Latex) hinreichend genau gemessen werden. Entsprechende Daten liegen für
zahlreiche Bioaerosolsammler vor. Ergebnisse von Modellrechnungen der Einlaßcharakte-
ristik gängiger Luftkeimsammler (z.B. Andersen-Impaktor, AGI 30 Impinger) wurden in jüngs-
ter Zeit von Grinshpun et al. [5] publiziert. Abb. 2 zeigt ein Ergebnis von Modellrechnungen,
die derzeit im Fachgebiet Lebensmittelverfahrenstechnik der Universität Hohenheim (Prof.
Dr. V. Kottke) durchgeführt werden.
6
Abb 2: Bahnen von 20 µm großen kugelförmigen Partikeln bei senkrechter Absaugung aus einem horizontalen Windfeld (Windgeschwindigkeit: 1 ms -1) durch ein vertikales Rohr mit Normdüse (Durchmesser: 34 mm, Geschwindigkeit im Rohr: 2 ms -1) Über ein senkrecht nach oben gerichtetes, mit einer Normdüse abgeschlossenes Einlaß-
system (Rohrinnendurchmesser: 34 mm, Strömungsgeschwindigkeit im Ansaugrohr: 2 ms-1,
Volumenstrom: 1,67*10-3 m3s-1) werden aus einem horizontalen Windfeld kugelförmige, 20
µm große Partikel der Dichte 1000 kg m-3 angesaugt. Dargestellt sind Bahnen dieser Teil-
chen im Längsschnitt durch das Ansaugrohr. Man beachte die inhomogene Partikelverteilung
im Ansaugrohr mit gegebenenfalls nachteiligen Auswirkungen auf ein Abscheidesystem
(Schwebstofffilter).
Abb. 3 zeigt den Einfluß der Partikelgröße auf den Erfassungsgrad des Einlaßsystems bei
zwei unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten. Bei 10 ms-1 gelangen nur noch ca. 10% der
7
20 µm-Partikel in das Einlaßsystem, bei 1 ms-1 Windgeschwindigkeit werden ca. 100% er-
faßt.
+
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
1,00E-06 1,00E-05 1,00E-04
Partikeldurchmesser dp [m]
Ee
uWind=10m/suWind=1m/s
Abb 3: Abhängigkeit des Erfassungsgrads Ee des Einlaßsystems (Abb. 2) von der Partikel-größe dp für zwei Windgeschwindigkeiten (1 ms-1 bzw. 10 ms-1) Im Gegensatz zur physikalischen ist die Überprüfung der biologischen Sammeleffizienz nur
mit Einschränkungen und abhängig von der Keimart, dem physiologischen Zustand der
nachzuweisenden Mikroorganismen, dem gewählten Abscheide- und dem mikrobiologischen
bzw. molekularbiologischen Nachweisverfahren möglich. Übersichtsartikel [6, 7] geben hier-
zu unter Benutzung umfangreicher Literatur den neueren Stand des Wissens wieder. Ein
mehrfach erfolgreich eingesetztes Testsystem für Luftkeimsammler wurde u.a. von Thomp-
son et al. [8] vorgeschlagen.
Die vorstehend genannten Literaturdaten machen erneut deutlich, daß Luftkeimsammler
entsprechend ihrem Prinzip, ihrer Zweckbestimmung und ihrer Bauart jeweils Vor- und
Nachteile bzw. Stärken und Schwächen besitzen, die sie in der Verwendung für einige aero-
biologische Fragestellungen als geeignet, für andere hingegen als ungeeignet erscheinen
lassen. Dennoch wurden in der Vergangenheit unterschiedlich geeignete Sammler häufig in
vergleichbaren Fragestellungen verwendet, mit dem Resultat, daß publizierte Daten für Kon-
zentrationen an luftgetragenen Mikroorganismen an vergleichbaren Standorten und unter
vergleichbaren Bedingungen zum Teil um mehr als zwei Zehnerpotenzen differieren [9, 10,
11]. Eine Reihe von Untersuchungen wurden unter paralleler Verwendung mehrerer ver-
schiedener Luftkeimsammler durchgeführt [7, 12], zum Teil, um mit diesen Versuchsanstel-
8
lungen eine gemeinsame Bezugsbasis zum Datenvergleich zu ermöglichen. Aber auch die
Ergebnisse dieser Studien sind unter dem Aspekt des Sammlervergleichs uneinheitlich und
zum Teil widersprüchlich. Das mag daran liegen, daß nicht nur die Unterschiede der Sam-
melprinzipien und die jeweiligen Bauartbesonderheiten der verwendeten Sammler sondern
auch die anderen Rahmenbedingungen solcher Vergleichsuntersuchungen wie Meßparame-
ter, Meßstandort, Meßstrategie, Probenaufbereitung etc. die jeweiligen Ergebnisse erheblich
beeinflussen können (s.u.). In vielen Fällen wurden wichtige solcher potentiell meßwert-
beeinflussenden Rahmenbedingungen in der Versuchsbeschreibung nicht mit angegeben,
so daß eine vergleichende Bewertung oft nur unter Vorbehalten oder überhaupt nicht erfol-
gen kann [13].
2.2.1 Partikelsammlung
Zur Sammlung luftgetragener Mikroorganismen wurde eine Vielzahl von verschiedenen Ge-
räten entwickelt und beschrieben [14, 15, 16, 17]. Die dabei zur Partikelabscheidung führen-
den Kräfte hängen in unterschiedlicher Weise von den Partikeleigenschaften (Größe, Dichte,
Form, elektrische Ladung und Oberflächenbeschaffenheit) ab, aber auch vom Strömungsfeld
des Trägergases. Man unterscheidet die gängigen Abscheideprinzipien
- Abscheidung der Partikel in rotierenden Strömungsfeldern (Zyklon)
- Filtration
Die charakteristische Relaxationszeit τ beschreibt ganz allgemein die Anpassung eines luft-
getragenen Partikels an veränderte Strömungsbedingungen des Trägergases. Für ein kugel-
förmiges Partikel vom Durchmesser dp, der Dichte ρp im Trägergas der Viskosität η gilt:
τρ
η= p p cd c2
18 (2)
cc bezeichnet die Cunningham-Millikan Korrektur, die erst im Größenbereich submikroskopi-
scher Partikel (dp< 1 µm) nennenswert von 1 abweicht.
Beispielhafte Werte für τ sind in Tabelle 1 [18] zusammengestellt. Es wird deutlich, daß mit
zunehmender Partikelgröße der korrespondierende τ-Wert erheblich ansteigt.
9
Tab. 1: τ-Werte für kugelförmige Partikel der Dichte ρp = 1000 kg m-3 in Luft der Temperatur 20° C
dp (µm) 0,05 0,1 0,5 1,0 5,0 10,0 50,0
τ (s) 4*10-8 9,2*10-8 1*10-6 3,6*10-6 7,9*10-5 3,1*10-4 7,7*10-3
Mit Gleichung (2) erhält man für (t >> τ) die Sedimentationsgeschwindigkeit vs:
vs = g τ (3)
(g: Erdbeschleunigung)
Die ”Stopping Distance” sp, d.h. die Länge des ”Bremsweges”, den ein Partikel der Anfangs-
geschwindigkeit vp in ruhender Luft benötigt, bis es quasi zur Ruhe kommt, ist durch die Be-
ziehung:
sp = vp τ (4)
gegeben. Dividiert man sp durch eine das Strömungsfeld charakterisierende Länge L, so er-
hält man die dimensionslose Stokes-Zahl (Stk), die das Verhalten von gasgetragenen Parti-
keln im Strömungsfeld beschreibt:
Stkd c v
Lp p c p=
ρ
η
2
18 (5)
Als charakteristische Längen L werden bei Impingern und Impaktoren der Düsendurchmes-
ser bzw. die Breite der Schlitzdüse, bei Zyklonen der Krümmungsradius des Strömungsfel-
des gewählt.
2.2.2 Sedimentation (trockene Deposition) Bei der trockenen Deposition handelt es sich um ein passives Sammelverfahren. Der Nach-
weis luftgetragener Mikroorganismen durch das Aufstellen von offenen Agarplatten, die für
eine definierte Zeit gegenüber der Luft exponiert werden, ist eine seit langem bekannte Me-
thode. Auf derartig exponierte Nährböden sedimentieren Keime und/oder keimtragende Par-
tikel. Bei einer Bebrütung können die sedimentierten Partikel dann als Kolonien nachgewie-
sen werden. Die Methode ist z.B. für die Routineüberwachung in Reinräumen eingeführt [19].
Der Vorteil dieser passiven Methode liegt vor allem im geringen Aufwand. Es ist keinerlei
Gerät dafür erforderlich. Der notwendige Bedarf, sowohl an Material wie auch an Arbeits-
kraft, ist sehr gering. Die Durchführung ist denkbar einfach, da lediglich der Deckel der Petri-
10
schale für eine definierte Zeit geöffnet werden muß. Die Abscheidung ist sehr schonend, da
die Keime bei der Abscheidung mit vergleichsweise geringer Geschwindigkeit direkt auf den
Nährboden mit optimalen Wachstumsbedingungen gelangen und während der Abscheidung
die Keime keinem extremen Streß wie hoher Beschleunigung oder Austrocknung ausgesetzt
sind (geringer Sammelstreß). Da nach der eigentlichen Probenahme keine weitere Aufarbei-
tung nötig ist, gibt es auch hier keine potentiell zusätzlichen (s.u.) Fehlerquellen. Die beauf-
schlagten Agarplatten können direkt bebrütet und ausgezählt werden.
Bei der trockenen Deposition werden luftgetragene Partikel durch turbulente Diffusion an die
unmittelbar oberhalb der exponierten Agarplatte ausgebildete Grenzschicht transportiert, die
dann von submikroskopisch kleinen Partikeln durch molekulare Diffusion und von größeren
Partikeln vornehmlich durch Sedimentation, aber auch, wenn die ”stopping-distance” (siehe
Gl. (4)) größer als die Dicke der Grenzschicht ist, durch Impaktion durchdrungen wird. Da der
Diffusionskoeffizient (D = cckT / 3πηdp; k = Boltzmannkonstante; T = absolute Temperatur)
mit wachsender Partikelgröße im Quadrat abnimmt und die Sedimentationsgeschwindigkeit
(siehe Gl. (3)) mit zunehmender Partikelgröße zunimmt, wird im Größenbereich zwischen ca.
0,1 µm < dp < 1 µm ein Minimum der Depositionsgeschwindigkeit erwartet. Die im Zusam-
menhang mit der trockenen Deposition in der Literatur genannte ”Interception” beschreibt die
Abscheidung von Partikeln durch direkte Berührung eines Strömungshindernisses, wenn die
Partikelbahn zu nahe an diesem vorbei führt.
Einfache Modellvorstellungen [20] gehen davon aus, daß für die Zahl der pro Zeit- und Flä-
cheneinheit auf der Agaroberfläche eintreffenden Partikel (Partikelflußdichte der Keimsorte i:
Ji) die einfache Beziehung gilt:
Ji = vdi ci (6)
In Gleichung (6) bedeuten: der Modellparameter vdi die Depositionsgeschwindigkeit der
Keimsorte i; ci die Konzentration der Keimsorte i im Luftvolumen direkt oberhalb der A-
garplatte. Nur bei Kenntnis der von Partikelgröße, Partikelform, Partikeldichte und der Mikro-
turbulenz über der Agarplatte abhängigen Depositionsgeschwindigkeit können aus der Parti-
kelflußdichte Rückschlüsse auf die Konzentration gezogen werden. Im Gegensatz zu Versu-
chen mit definierten Aerosolen (Aerosolkammer, Windtunnel) ist dies unter Praxisbedingun-
gen nicht realisierbar, so daß die Methode keine auf ein definiertes Luftvolumen bezogene
quantitative Aussage ermöglicht. Weiterhin wird die trockene Deposition häufig als wenig
verläßlich angesehen, wenngleich für Schimmelpilze gute Korrelationen zwischen den Er-
gebnissen mit ”Sedimentationsplatten” und den Resultaten mit einem Andersen-Sammler
beschrieben wurden [21, 22]. Da größere Teilchen schneller sedimentieren als kleinere,
11
kommt es bei Einsatz von ”Sedimentationsplatten” zu einer Überrepräsentation von größeren
Partikeln. Somit sollte diese Methode nach der heute in der Literatur vorherrschenden Mei-
nung [23, 24] allenfalls für grob orientierende Vergleichsuntersuchungen und für rein qualita-
tive Fragestellungen herangezogen werden.
Ungeachtet der genannten Einschränkungen stellt die trockene Deposition einen wirksamen
Ausscheidungsmechanismus (Partikelsenke) für luftgetragene Bioaerosole dar.
2.2.3 Impaktion In Impaktoren werden Aerosolpartikel in einem senkrecht auf die Abscheideplatte gerichteten
Düsenstrahl beschleunigt. Unmittelbar oberhalb der Abscheideplatte wird der beschleunigte
Luftstrom im Sammler zur starken Richtungsänderung gezwungen, dem nur die aerodyna-
misch kleinen Partikel folgen können, ”größere Partikel” können aufgrund ihrer Massenträg-
heit den stark gekrümmten Stromlinien der dort ausgebildeten Staupunktströmung jedoch
nicht mehr folgen. Sie treffen, wenn ihre ”stopping distance” größer ist als der Abstand zur
Prallplatte, auf deren Oberfläche auf.
Führt der Aufprall des Partikels auf die Abscheideoberfläche zur Vernichtung der kinetischen
Restenergie (unelastischer Stoß) und werden dabei entsprechende Haftkräfte wirksam, so
kommt es zur Partikelabscheidung. Quasielastisch mit der Oberfläche zusammenstoßende
Partikel mit relativ großer kinetischer Restenergie führen zu Partikelverlusten (”bounce -off”)
und Fehlabscheidungen, die bei falsch ausgelegten Impaktoren erhebliche Fehlerquellen
darstellen.
Innerhalb der Vielzahl bekannter Luftkeimsammler fällt der größte Anteil eindeutig auf die
Impaktoren. Eine Reihe von ihnen sind in Detail bei LACEY und VENETTE [25] beschrieben.
Die Impaktion kann z.B. auf oberflächenbehandelten Objektträgern erfolgen, die anschlie-
ßend, lichtmikroskopisch ausgewertet, Informationen über die Totalmenge der abgeschiede-
nen Mikroorganismen liefern. Bei den meisten Impaktoren, die zum Nachweis des Anteils
kultivierbarer Mikroorganismen verwendet werden, besteht die Abscheideoberfläche aus
einem mikrobiologischen Nähragar, auf den die keimtragenden Partikel abgeschieden wer-
den. Durch Auszählung der gewachsenen Kolonien nach Bebrütung der Schalen erfolgt un-
ter Einberechnung des beprobten Luftvolumens die Bildung des Meßwertes. Dieser gibt die
Anzahl der nachgewiesenen keimfähigen Partikeln wieder (direkte Methode).
12
Abb 4: Abscheidegrad Ea eines idealen (Stufenfunktion) und realen (sigmoide Abscheidecha-rakteristik) Impaktors als Funktion von Stk . Bei einem Abscheidegrad von 0,5 (50%) erhält man für Stk0 5, einen Wert von ca. 4,5.
Abb. 4 zeigt die Abhängigkeit des Abscheidegrades Ea einer Impaktorstufe von Stk , wenn
in Gleichung (5) als charakteristische Länge (L) der Düsendurchmesser gewählt wird. Anstel-
le einer Stufenfunktion (idealer Impaktor) erhält man in der Regel eine sigmoide Trenncha-
rakteristik (z.B. [26]), die bei Ea = 0,5 einen 50 % cut-off-Wert Stk o,5 definiert, der in Abb. 4
bei etwa 0,45 liegt. Aus Stk o,5 kann nach Gleichung (5) der 50 % cut-off Durchmesser dp0,5
näherungsweise berechnet werden. Partikel dieser Größe werden demnach, wenn man
”bounce-off” und Fehlabscheidungen außer Betracht läßt, zu 50 % in der betrachteten Im-
paktorstufe abgeschieden und zu 50 % durchgelassen. Einen Wert für die Partikelgeschwin-
digkeit vp erhält man, wenn man den Volumenstrom Q durch die Düsenfläche FD teilt. Ge-
nauere Betrachtungen der Abscheideeigenschaften von Impaktoren zeigen, daß Stk o,5 in
bestimmten Grenzen relativ unabhängig von der Düsenströmung ist. Die Abhängigkeit von
Stk o,5 vom Verhältnis S/L (S: Abstand zwischen Abscheidefläche und Düse, L: Düsen-
durchmesser) ist für Werte zwischen 0,13 und 5 experimentell nachgewiesen z.B. [1]. Letzte-
res ist insbesondere zu berücksichtigen, wenn bei Luftkeimsammlern die Partikelabschei-
13
dung direkt auf Agaroberflächen erfolgt und beim Einfüllen des Agars unterschiedliche Pegel
eingestellt werden.
Wird bei gleichem Durchsatz der Düsendurchmesser eines Impaktors verkleinert, so erhöht
sich die Strömungsgeschwindigkeit des Aerosols und dies bedeutet einen kleineren cut-off-
Durchmesser dp0,5. Damit besteht die Möglichkeit zum Bau von mehrstufigen Kaskadenim-
paktoren, die Informationen über die Partikelgrößenverteilung des Bioaerosols liefern. Unter
dem Aspekt potentieller Lungengängigkeit des Bioaerosols sind solche Informationen von
großer Bedeutung. Zur Auslegung von Rund- und Schlitzdüsenimpaktoren wurden z.B. von
MARPLE und WILLEKE [27] Nomogramme berechnet und veröffentlicht.
Für den praktischen Gebrauch von Impaktoren ist anzumerken: Wurde ein Impaktor mit
Standardpartikeln (ρp, dp, cc) unter Standardbedingungen (η, vp) geeicht, so kann unter Be-
nutzung von Gleichung (5) für anderes Partikelmaterial (ρ’p, d’p, c’c) und andere Betriebsbe-
dingungen (η’, v’p) ein transformierter aerodynamischer Partikeldurchmeseer d’p berechnet
werden. Es gilt:
d dv cv cp p
p p c
p p c
,,
, , ,=ρ η
ρ η (7)
Wegen fehlender Kenntnisse der für die Abscheidung relevanten Partikeleigenschaften hat
man sich bei der aerodynamischen Größenbestimmung von Bioaerosolen auf Äquivalent-
durchmesser zu beschränken, die sich auf das zur Eichung des Impaktors benutzte Stan-
dardpartikelmaterial, z.B. Polystyrol-Latex beziehen. So versteht man z.B. unter dem aero-
dynamischen Äquivalentdurchmesser eines Bioaerosol-Partikels den Durchmesser einer
Kugel (Dichte 1000 kg/m³) mit gleicher Sedimentationsgeschwindigkeit.
Besondere Vorteile von Impaktoren, die mit Nähragarplatten oder -streifen arbeiten, liegen in
ihrer meist relativ einfachen Handhabbarkeit und Bedienungsfreundlichkeit. Einige dieser
Geräte können unabhängig vom Stromnetz betrieben werden und erlauben Probenahmen an
nahezu allen Standorten. Da die Abscheidung der Partikeln auf feuchten Oberflächen erfolgt,
ist abgesehen vom Aufprall selbst eine Schädigung der abgeschiedenen Mikroorganismen
durch Austrocknung (Sammelstreß) bei fortgesetzter Sammlung gering, so daß auch die
Sammlung empfindlicher, vegetativer Bakterien möglich ist.
Erst bei länger andauernden Probenahmezeiten kommt es durch den permanenten Luft-
strom zu einer Abtrocknung der Agaroberfläche, die den Abscheidegrad der Bioaerosole
vermindert (”bounce -off”- bzw. "rebounce"-Effekt). Impaktoren eignen sich demnach nicht für
Langzeitmessungen, auch wenn Zusätze zu den verwendeten Nähragar (z.B. Glycerin) be-
schrieben sind bzw. rotierende Agarschalen in Schlitzsammlern eingesetzt werden, die die-
14
sen Austrocknungseffekten entgegenwirken sollen. Bei längeren Probenahmen kommt es
zudem, in Abhängigkeit von der Konzentration der Bioaerosole in der beprobten Luft leicht zu
Überbelegungen der Agaroberfläche, die auch mit Hilfe der Statistik (Wahrscheinlichkeit der
Mehrfachbelegung) nicht mehr korrigiert werden können.
Im Gegensatz zu Impinger- und Filterproben kann bei einer Impaktorprobe, bei der direkt auf
Nähragar abgeschieden wird, je nach Art des gewählten Agars nur ein einziger Meßparame-
ter erhoben werden. Auch können Mikroorganismen, die in luftgetragenem Zustand zum
großen Teil solitär bzw. in der Größenklasse kleiner Partikel vorliegen (z.B. Aktinomyceten-
oder Schimmelpilzsporen), die unterste, die Gesamtabscheidung limitierende Impaktorstufe
(bei einstufigen Geräten das Gesamtsystem) passieren und fehlen damit bei der Analyse.
Im Folgenden werden einige Geräte, die nach dem Impaktionsprinzip arbeiten, vorgestellt:
Sechs-stufiger Andersen-Kaskaden-Impaktor
Dieser Sammler ist, neben dem AGI 30, das bisher weltweit am häufigsten verwendete Gerät
zum Nachweis luftgetragener Mikroorganismen, wurde 1963 auf einem internationalen Aero-
biologen-Symposium, neben dem AGI 30, als Referenzsammler für Luftkeimmessungen vor-
geschlagen [28].
Im sechsstufigen Andersen-Kaskaden-Impaktor sind sechs Petrischalen mit Nähragar über-
einander angeordnet. Oberhalb jeder Schale befindet sich eine Siebplatte mit jeweils 400
Lochdüsen, durch welche die angesaugte Luft strömt, nacheinander alle Stufen passierend.
Der Düsendurchmesser nimmt von Impaktorstufe zu Impaktorstufe (d.h. von oben nach un-
ten) ab, dementsprechend steigt, bei gleichem Luftdurchsatz, die Strömungsgeschwindigkeit
der Trägerluft von Impaktorstufe zu Impaktorstufe, d.h. auf der oberen Stufe werden z.B.
Partikel mit einem Latexäquivalentdurchmesser > 7,0µm, auf der 6. Impaktorstufe Partikel
mit Latexäquivalentdurchmessern zwischen 0,65 und 1,1µm abgeschieden. Dieser Sammler
erlaubt eine Beurteilung des Bioaerosols hinsichtlich seiner Zusammensetzung bezüglich der
Partikelgrößen (siehe Tab. 1).
Tabelle 1: Partikelabscheidung des sechsstufigen Andersen-Kaskadenimpaktors
15
Stufe Düsendurch-messer (mm)
Trägerluft-geschwindigkeit (m/s)
Latexäquivalent-durchmesser der abgeschiedenen Partikel (µm)
+ = gut bzw. ja 1) = Erheblicher Aufwand erforderlich 0 = mittel 2) = Bei Pilzsporen keine vollständige Abscheidung, bei Bakterien ungenügende Abscheidung -... = schlecht bzw. nein 2a) = Bei Bakterien möglicherweise keine vollständige Abscheidung 3) = Bei Abscheidung auf Filtern vor allem für Sporen gute Effizienz, für vegetative Zellen nur mit Kurzzeitsammlung 4) = Bei Lochplatten-Impaktoren wegen des Austrocknungsrisikos nur Kurzzeitsammlung möglich 5) = Bei niedrigen Luftkeimkonzentrationen und kurzen Sammelzeiten Anreicherung der Mikroorganismen durch
Membranfiltrationsverfahren 6) = Konzentration oberhalb 103 KBE/m3 nur mit sehr kurzen Sammelzeiten meßbar 7) = Mit einem Satz Düsen und Anschlußstück (Eigenbau) möglich 8) = Bei Feuchtigkeitsüberladung Abschwemmung u.a. Fehler möglich 9) = Gelatinefilter nicht verwendbar k.A. keine Angaben
37
2.3 Zusammenhang zwischen luftgetragenen Stäuben und Bioaerosol-
konzentrationen
Verschiedentlich wurde untersucht, ob die Möglichkeit besteht, aus der gemessenen Luft-
staubkonzentration (oder einzelnen Staub-Fraktionen) Rückschlüsse auf die Konzentration-
luftgetragener kultivierbarer Mikroorganismen ziehen zu können.Die Bestimmung der Staub-
konzentration als rein physikalisches Meßproblem ist gegenüber den Nachweisverfahren für
Mikroorganismen weit weniger aufwendig und bietet zudem die Möglichkeit einer kontinuier-
lichen Probenahme (on-line). In den meisten Fällen ergab sich kein Hinweis auf das Vorlie-
gen einer positiven Korrelation zwischen Staubgehalt und Konzentrationen an luftgetragenen
Mikroorganismen. In Anbetracht der Tatsache, daß Stäube und Bioaerosole aus unterschied-
lichen, von einander unabhängigen stammen können, ist ein solcher, allgemeiner Zusam-
menhang prinzipiell auch nicht zu vermuten.
An einzelnen Standorten, unter der Voraussetzung einer einigermaßen homogenen Bioaero-
sol-Emission einzelner Quellen, bei ansonsten gleichen Rahmenbedingungen, könnten sol-
che nachweisbaren Zusammenhänge bei Emissionen jedoch durchaus existieren. So findet
MISSEL [50] in einer neueren Untersuchung, bei Kenntnis und nach Bestimmung der Bioae-
rosolkonzentrationen der von der Quelle emittierten Stäube, deutliche, zumindest über einen
Zeitraum von mehreren Stunden geltende, lineare Abhängigkeiten zwischen den Konzentra-
tionen von streulicht-photometrisch nachgewiesenen Staubpartikeln einer bestimmten Parti-
kelgrößenklasse und parallel nachgewiesenen luftgetragenen Schimmelpilzsporen. Mit dem
Verfahren der ”Korrelierten Partikelzählung”, d.h. der räumlichen und zeitlichen Koppelung
von Staubpartikel- und Bioaerosolmessungen, konnten die Verläufe der Schimmelpilzsporen-
Konzentrationen aus gemessenen Staubpartikelkonzentrationen, verglichen zum Mikroor-
ganismen-Meßverfahren nach TRBA 430 (Indirekte Technik [47] berechnet werden. Dabei
war Voraussetzung, daß die Abweichungen der nachgewiesenen Bioaerosolkonzentrationen
mindestens im Bereich von etwa einer halben Zehnerpotenz lagen. Aus diesem Grund wurde
das Verfahren bisher ausschließlich in unmittelbarer Nähe zu Emissionsquellen, wie z.B. in
Sortierkabinen von Kompostwerken oder in der näheren Umgebung von Umsetzgeräten oder
Schredder-Maschinen auf Kompostierplätzen, eingesetzt. Inwieweit sich dieses Verfahren im
Rahmen der Beurteilung von kompostwerk-bedingten Immissionen als geeignet erweist, muß
noch untersucht werden.
2.4 Einflussfaktoren der Probenaufarbeitung und der Kultivierung
38
Die bislang behandelten methodischen Aspekte der Erfassung luftgetragener Mikroorganis-
men beziehen sich vor allem auf den Vorgang der physikalischen Abscheidung. Für den
nachfolgenden kulturellen Nachweis der gesammelten Mikroorganismen ist allerdings, neben
der physikalischen, die biologische Sammeleffizienz von gleichrangiger Bedeutung. Diese
ist, auch für einen einzelnen Sammler, keine für das gesamte Bioaerosol gleichartige Gerä-
tekonstante, sondern sie hängt wesentlich von der Art bzw. der Tenazität der gesammelten
Mikroorganismen ab. Neben allgemein probenbedingten Faktoren wie Feuchtigkeits-
/Partikelgehalt (Schutzfunktion für anhaftende Organismen) und dem Alter der Aerosole sind
vor allem die unterschiedlichen Empfindlichkeiten verschiedener Mikrooganismen gegenüber
meßgutverändernden Einflüssen des Sammelvorgangs selbst (Sammelstreß) für die resultie-
renden Ergebnisse von entscheidender Bedeutung.
So ist die biologische Sammeleffizienz für austrocknungsresistente Sporen grundsätzlich
höher als die für vegetative Zellen. Bei den Sporen kann zwischen bakteriellen Endo- (v.a.
Gattung Bacillus) und Exosporen (v.a. bei Actinomyceten) sowie den Konidien von Schim-
melpilzen unterschieden werden. Auch bei vegetativen Zellen gibt es Differenzen hinsichtlich
der Überlebensfähigkeit in Luft und der Anfälligkeit gegenüber Sammelstreß. So sind Gram-
positive Bakterien und Schimmelpilze aufgrund ihrer Zellwand-Strukturen deutlich resistenter
als Gram-negative Bakterien und Hefen. Hierin ist auch der wesentliche Grund zu suchen,
weshalb die beiden letzteren Gruppen durch Filtrations- und Impaktionsverfahren nicht quan-
titativ nachgewiesen werden können, ohne dabei einen erheblichen (aber unbekannt großen)
Meßwertfehler in Kauf nehmen zu müssen..
Im Idealfall sollten durch ein Nachweisverfahren alle vom Sammelsystem (unter Maßgabe
der erreichbaren physikalischen Sammeleffizienz) erfaßten und abgeschiedenen vermeh-
rungsfähigen Mikroorganismen (Zellen und Sporen) quantitativ nachgewiesen werden kön-
nen. Dieser Idealzustand ist allerdings bei den derzeit eingesetzten mikrobiologischen
Nachweisverfahren bei weitem nicht erreicht. Durch die Anwendung eines Anzuchtschrittes
können prinzipiell lediglich vermehrungsfähige Organismen nachgewiesen werden. Das be-
deutet, daß sowohl einige Überdauerungsstadien als auch inaktive, subletal geschädigte,
und tote Formen von Mikroorganismen nicht erfaßt werden. Hierzu kommt, daß die Kultivie-
rung stets eine gewisse Selektivität besitzt. Diese begünstigt einzelne Organismengruppen,
anderen wird hingegen kein Wachstum ermöglicht. Selbst bei Verwendung von nicht selekti-
ven, nährstoffreichen Medien wird deshalb nie ein absolut zutreffendes Bild der tatsächlichen
Konzentrationsverhältnisse im beprobten Aerosol erhalten, auch wenn Bezeichnungen für
39
einzelne Meßparameter wie "Gesamtkeime", "Gesamtpilze", "Gesamtbakterien" etc. fälschli-
cherweise einen solchen Eindruck erwecken. Mit die wichtigste Einschränkung der in der
standardisierten Anwendung befindlichen Verfahren (z.B. TRBA-Vorschriften im Arbeits-
schutz) ist dabei die grundsätzliche Beschränkung auf die kultivierbare Fraktion der Aeroso-
le. Nachteilhaft ist diese methodische Limitation auf vermehrungsfähige Formen vor allem
deswegen, weil die genannten Stadien ebensogut z.B. ein allergenes, toxisches und damit u.
U. ein gesundheitliches Risikopotential besitzen können und deshalb deren Erfassung
grundsätzlich anzustreben ist.
Dies ist z.B möglich mit mikroskopischen Verfahren, bei denen die gesammelten Mikroorga-
nismen nach in situ Anfärbung unmittelbar ausgezählt werden können. Die einfachsten Ver-
fahrenzur direkten Zählung auf dem Filter verwenden"Universal"-Färbemethoden der Mikro-
organismen, was den Vorteil hat, daß auch solche Mikroorganismen, die an Staubpartikeln
anhaften, sicher von diesen unterschieden werden können. Zählverfahren nach Anfärbung
haben eine hohe Genauigkeit (prEN 13098). Darüber hinaus existieren leistungsfähige mole-
kularbiologische und immunologische Methoden zum Nachweis von Mikroorganismen und
anderen Bioaerosol-Komponenten wie z.B. Mycotoxinen, die in Zukunft eine Verbesserung
der Nachweismöglichkeiten auch für luftgetragene Organismen als realistisch erscheinen
lassen. Solche Methoden und ihr spezifisches Potential für den Aerosolnachweis werden
ausführlich im Statuspapier "Neuere Methoden zum Nachweis und zur Identifizierung luftge-
Im Schrifttum findet sich eine Reihe von Studienbeschreibungen die einen Sammlervergleich
zum Gegenstand hatten, mit dem Ziel, die Eignung bzw. Nicht-Eignung bestimmter Samm-
ler/Sammelprinzipien zum Nachweis einzelner lufthygienischer Parameter vergleichend zu
41
überprüfen. Die Ergebnisse und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen sind keineswegs
einheitlich. Das mag zum Teil daran liegen, daß unterschiedliche Probenahmeverfahren un-
terschiedliche, nachgeschaltete Probenbehandlungs- und aufarbeitungstechniken benötigen,
so daß sich in den resultierenden Ergebnissen sammlerbedingte Einflußfaktoren (Einlaß-
system, Sammelstreß, s.o.) und probenaufarbeitungsbedingte Unterschiede gegenseitig (sy-
nergistisch oder antagonistisch) überlagern. Vergleichsstudien (im Sinne von Ringversu-
chen) zur Validierung von Probenbehandlungs- und aufarbeitungsverfahren, auch zum Auf-
zeigen von laborbedingten Meßwertschwankungen unter Anwendung derselben Methode,
fehlen bisher fast vollständig, so daß bisher nur ungenaue Angaben zur Meßwertqualität
(Wiederholbarkeit und Genauigkeit) lufthygienischer Meßverfahren möglich sind.
Eine Aussage allerdings läßt sich anhand der vorhandenenr Daten sicher treffen: nach heu-
tigem Wissensstand gibt es kein Luftkeimsammelprinzip, geschweigedenn ein konkretes
Gerät, das für alle Anwendungen und Aufgabenstellungen gleichermaßen die optimale Wahl
darstellt. Im einen Fall mag ein Gerät, je nach Meßparameter und Begleitumständen, ausge-
zeichnet geeignet sein, im anderen Fall verdienen seine Meßresultate der ausgiebigen Rela-
tivierung, und ein anderer Sammler wäre wahrscheinlich besser geeignet gewesen, den
"wahren" Meßwert näher zu treffen.
In der Regel erfolgt die Beurteilung eines Messverfahrens durch den Vergleich mit einem
Standard-Verfahren, für das Laborvergleichstestergebnisse (Ringversuche) vorliegen. Bei
dem Standard-Verfahren kann es sich auch um ein offizielles Verfahren oder Verfahren nati-
onaler / internationaler Normenorganisationen handeln, das nicht vollständig validiert werden
muß.
Für den Bereich der Aerobiologie existiert ein solches Referenz-Meßverfahren derzeit nicht.
Zwar wurden 1963 auf einem internationalen Aerobiologen-Symposium der sechs-stufige
Anderson-Kaskaden-Impaktor und der AGI 30 als Referenzsammler für Luftkeimmessungen
vorgeschlagen [28], aber dieser Vorschlag hat sich keineswegs international überall durch-
gesetzt. Und auch in den Studien, die unter (Mit-)Verwendung dieser Sammler durchgeführt
wurden, kamen sie zum großen Teil in unterschiedlicher Verwendung zum Einsatz. So wurde
z.B der AGI 30 mal mit 50 ml, mal mit 60 ml Sammelflüssigkeit betrieben, die Sammelzeiten
waren sehr unterschiedlich, und insbesondere bei der Zusammensetzung und den Zusätzen
zur Sammelflüssigkeit gab es zahlreiche Variationen. Die Größenordnung möglicher Einflüs-
se dieser Variationen auf die jeweiligen Meßresultate wurden i.d.R nicht systematisch unter-
sucht, so daß sich auch die mit dem AGI 30 gewonnenen Daten verschiedener Untersucher
nur mit Vorsicht untereinander vergleichen lassen.
42
Damit ist festzuhalten, daß eine Validierung von Luftkeimsammelgeräten und -verfahren, in
Anlehnung an die Ermittlung der Unsicherheit eines Messverfahrens unter Feldbedingungen
nach DIN ISO 13752 derzeit nicht möglich ist, denn diese setzt ebenfalls ein Referenzverfah-
ren voraus [52]. Auch eine Kalibrierung eines vollständigen Meßverfahrens mit einem Prüf-
aerosol [53], das die komplexe Matrix der Außenluft hinreichend repräsentiert, ist nach dem
Stand der Wissenschaft gegenwärtig nicht möglich.
Da es am Bezugsstandard fehlt, stoßen auch die Hersteller bzw. Vertreiber von Luftkeim-
sammelgeräten hierbei an ihre Grenzen. Eine vollständige Validierung eines Verfahrens, das
mit einem der derzeitig auf dem deutschen Markt erhältlichen Luftkeimsammelgerät durchge-
führt werden kann, gibt es gegenwärtig nicht. In der Regel wird die physikalische Abschei-
deeffizienz der Sammler für luftgetragene Partikel bestimmt, wobei Prüfaerosole mit definier-
ten Partikelgrößen (i.d.R. Latex) verwendet werden. Die Prüfung der biologischen Abschei-
deeffizienz erfolgt häufig unter Verwendung von Bacillus globigii - Sporen, die gegenüber
Sammelstreß-Einflüssen wenig empfindlich sind und somit auch keine weitergehenden Aus-
sagen bezüglich der biologischen Sammeleffizienz für vegetative Zellen ermöglichen.
Allen Validierungsansätzen gemeinsam ist der Mangel, daß sie unter Verwendung artifizieller
Bioaerosole in Aerosolkammern oder Windtunnelsystemen durchgeführt wurden. Damit sind
sie der Vorhaltung ausgesetzt, daß die so gewonnenen Daten und Erkenntnisse nicht unbe-
dingt auf die komplexen Sachverhalte natürlicher Bioaerosole in ihrer ganzen Vielfalt über-
tragen werden können. Andererseits sind solche unter artifiziell definierten Bedingungen
durchgeführten Versuche unerläßlich, da sich das natürliche Bioaerosol der genauen Erfas-
sung und Charakterisierung seiner Zusammensetzung vor einer Sammlung entzieht und
somit der Einfluß des verwendeten Sammlers auf die Ermittlung der "wahren" Meßgröße
nicht greifbar ist.
In Anbetracht all dieser Gegebenheiten liegt derzeit bei der Durchführung von Bioaerosol-
Messungen im out door - Bereich die Verantwortung für die Auswahl des Sammlers und der
anzuwendenden Proben-Behandlungsmethodik (incl. Validierung) bei dem mit der Messung
beauftragten Labor. Da kein Referenzmessverfahren vorliegt, können Angaben des Labors
zur relativen Richtigkeit eines Verfahrens nicht gegeben werden. Dies trifft auch für die ge-
stellten Anforderungen an die Verfahrenskenngrößen zu, die sich an dem Bewertungsmaß-
stab und an der Höhe der zu erwartenden Konzentration an Mikroorganismen in der Luft
orientieren müssten. Der Zeitaufwand einer solchen Validierung für das ausführende Labor
liegt außerdem, wenn er sich an den Kriterien der DIN ISO 13752 [52] orientieren soll, der-
zeit in praktisch nicht mehr vertretbaren Grenzen.
43
Unter Berücksichtigung all dieser Sachverhalte ist die Frage zu stellen, welche Anforderun-
gen realistischerweise an solche Intern-Validierungen gestellt werden bzw. in welch einem
Genauigkeitsrahmen sich Meßwerte von Bioaerosolen nach dem Stand der Technik derzeit
überhaupt bewegen können.
Im Folgenden soll diese Fragestellung mit besonderer Blickrichtung auf die Luft-
Filtrationstechniken näher betrachtet werden, da sich die einzigen, derzeit vorhandenen,
Standardvorschriften, die TRBA's 405 und 430 (aus dem Arbeitsschutzbereich), auf diese
Sammel- und Nachweisverfahren beziehen.
Hierbei muß zunächst berücksichtigt werden, daß die Genauigkeit mikrobiologischer Metho-
den im allgemeinen wesentlich geringer ist als z.B. bei Methoden der analytischen Chemie.
So trägt allein schon die im mikrobiologischen Arbeitsbereich übliche Anlegung einer Ver-
dünnungsreihe, mit anschließender Ausplattierung von Probenaliquots und Auszählung der
resultierenden KBE zur Meßwertrelativierung bei. Wird z.B. eine Agar-Platte ausgewertet,
auf der 10 Kolonien wachsen, so führt bereits eine einzige Kolonie mehr oder weniger zu
einem resultierenden Meßwert-Unterschied von (>) 10 % (die TRBA 430 setzt, im 'indirekten'
Verfahren, ein ultimatives unteres Limit von 5 KBE für die mögliche Plattenauswertung, was
einer Einzel-Kolonie immerhin eine Meßwert-Relevanz von 20 % zukommen läßt). Diesem
Problem mit statistischen Verfahren, durch Meßwert-Wiederholungen, zu begegnen, sind in
der Praxis aus pekuniären und verfahrenstechnischen Gründen Grenzen gesetzt (die TRBA
430 schreibt immerhin drei Wiederholungen und Mittelwertbildung vor), denn die Gesamt-
menge des zur Verfügung stehenden Probenmaterials limitiert stark die theoretische Menge
möglicher Wiederholungen (insbesondere, wenn aus der gleichen Probe mehrere Meßpara-
meter bzw. Mikroorganismenarten/-gruppen in parallel bestimmt werden sollen), es sei denn,
das Material wird stärker ausverdünnt, was wiederum zu einer Herabsetzung der Nachweis-
Sensitivität führt. Diese Problematik gilt nicht nur speziell für die mikrobiologische Untersu-
chung von Bioaerosol-Proben, sondern im Prinzip für alle Bereiche und Fragestellungen, in
denen mikrobiologische Verfahren eingesetzt werden. Es gibt gegenwärtig kaum ein Verfah-
ren, für das eine vollständige Validierung nachgewiesen werden kann. Auch neuere Normen
aus anderen Bereichen mikrobiologischer Untersuchungstechniken weisen keine vollständi-
ge Validierung auf.
In Anbetracht dieser Tatsache erscheint es deshalb als wenig sinnvoll, für mikrobiologische
Bioaerosol-Analysen auf die z.B. bei der Validierung chemischer Analyseverfahren üblichen
Parameter, die Wiederhol- und Vergleichspräzision, zu verweisen oder deren (nicht mögli-
44
che) Einhaltung zu fordern. Vielmehr sind für ein konkretes Verfahren die bekannten bzw.
veröffentlichten Vergleichswerte heranzuziehen.
Für die Verwendung von Filtrations-Sammlern im out door - Bereich und die anschließende
Bestimmung von mikrobiellen Sporen-Summenparametern (ausdrücklich nur diese!!!) zeich-
net sich, nach den vorliegenden Erfahrungen [54, 55], folgendes ab: bei zeitgleicher Probe-
nahme mit mehreren gleichen Filtrationssammlern am gleichen Umwelt-Standort (und an-
schließend gleicher Probenaufarbeitung) streuen die resultierenden Meßwerte, je nach
Standort- und Probenahmebedingungen, im Bereich von Faktor drei bis fünf. An Standorten
mit geringeren lokalen und zeitlichen Schwankungen der Bioaerosol-Konzentrationen (wie
z.B. im indoor-Bereich) lassen sich Meßwert-Wiederholungen im Faktor-Drei-Bereich erzie-
len, an Standorten mit ungünstigeren Bedingungen (z.B. häufig wechselnde Windgeschwin-
digkeit und -richtung) liegt die beobachtete (auch wenn für einen "gesicherten" Nachweis
dieses Sachverhaltes noch erheblicher Forschungsbedarf besteht) Schwankungsrate eher
im Bereich von Faktor fünf. Das impliziert (da eine bis zum fünffachen registrierte Meßwert-
Diskrepanz eigentlich nichts aussagt), daß eine Meßwerterhöhung, die ev. auf Emissionen
einer bestimmten Quelle (z.B. ein Kompostwerk) zurückschließen lassen könnte, erst ab
einem Meßwert-Unterschied von (wenigstens) einer Zehnerpotenz angenommen werden
kann. Hinsichtlich der Einzeldaten-Vergleichbarkeit verschiedener Studien muß, bedingt
durch zusätzliche Einflüsse individueller Laborpraktiken, derzeit generell der Faktor zehn als
unterste Grenze zum Konstatieren unterschiedlicher Konzentrationen angenommen werden.
Dieser Sachverhalt wird durch die Ergebnisse zweier Untersuchungen zur Meßwert-
Wiederholbarkeit mit Filtrationssammlern aus dem indoor-Bereich bestätigt.
Unter Verwendung des PGP-GSP-Systems (s.o.) fand, im Stile eines Ringversuches zum
Nachweis luftgetragener Schimmelpilzsporen nach der Methodenvorschrift der TRBA 430
[47] eine Untersuchung statt [56], an dem acht Laboratorien beteiligt waren. Alle benötigten
Meßgeräte wurden vom Organisator kalibriert und, ebenso wie alle benötigten Materialien,
den Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Die parallelen Probenahmen erfolgten an einem
Außenluftstandort (Hintergrundwert) und in der Störstoffkabine eines Kompostwerkes in je-
weils drei Wiederholungen (insofern nicht gleichartig beaufschlagt, sondern im Ergebnis be-
einflußt von lokalen Schwankungen und Kontentrationunterschieden der Bioaerosole, die für
die gewählten Standorte als eher gering angenommen werden dürfen).
Im Ergebnis dieses (eingeschränkten) Ringversuches zeigte sich, daß die von den verschie-
denen Teilnehmern ermittelten Konzentrationen an luftgetragenen Schimmelpilzsporen im
Bereich eines Faktors von drei (bei einer Wiederholung 3,7) voneinander abwichen. Insge-
45
samt erwies sich die Vorgehensweise bzw. Verfahrensvorschrift, unter Berücksichtigung der
generellen Schwankungsbreite von mikrobiologischen Wiederholungswerten, als gut geeig-
net, reproduzierbare Meßresultate zur Besimmung der Menge an kultivierbaren, luftgetrage-
nen Schimmelpilzsporen zu erzielen.
Ein weiterer "Ringversuch" [57], der der Erprobung einer neuen Arbeitsvorschrift zum Nach-
weis luftgetragener thermophiler Actinomyceten mit Filtrationssammlern (verwendet wurden
MD8 und PGP-GSP-System) diente, verfolgte vom Aufbau her einen anderen Ansatz. Er
sollte möglichst praxisnahe Verhältnisse zur Datenvergleichbarkeit überprüfen, d. h. jeder
Teilnehmer stellte die Medien selbst her und führte die Beprobung mit den eigenen Meßge-
räten und Ausrüstungsgegenständen selbst durch, wobei auch in diesem Ansatz die Probe-
nahme der Einzelproben exakt zeitgleich, unter Nebeneinander-Plazierung der Sammler
erfolgte. Die Probenahme wurde in der Intensivrottehalle eines Kompostwerkes durchge-
führt, in der, bedingt durch den Betrieb der lüftungstechnischen Einrichtungen und ungleich-
mäßige Tätigkeit des automatischen Kompost-Umsetzers, mit erheblichen Schwankungen
der lokalen und zeitlichen Standort-Bioaerosol-Konzentrationen gerechnet werden konnte.
Parallel zur Bestimmung der Aktinomyzeten wurde, als interne Kontrolle und um eine Ver-
gleichbarkeit der hier gewonnenen Aussagen mit dem oben genannten Ringversuch
”Schimmelpilze” zu ermöglichen, eine Bestimmung der Gesamt-Schimmelpilzsporen-
Konzentration nach TRBA 430 durchgeführt.
Die in diesem Versuch erhaltenen Meßergebnisse für Schimmelpilzsporen schwankten, im
Vergleich zum oben geschilderten Versuchsansatz, deutlich stärker. In vier Fällen schwankte
das Verhältnis zwischen Maximum und Minimum der von den einzelnen Laboratorien nach-
gewiesenen KBE in einer Größenordnung von 10, in den drei übrigen Fällen sogar deutlich
höher. Für thermophile Aktinomyceten (Bebrütungstemperatur 50 °C) wurde eine höhere
Streuung der Meßergebnisse verzeichnet. Das Verhältnis zwischen Maximum und Minimum
lag in einer Messung in einer Größenordnung von 10 (genau 13,8), in drei weiteren Fällen in
einer Größenordnung von 30 und in den letzten drei Fällen bei über 60 (Spitzenwert über
111). Entsprechend wurde hier auch eine Standardabweichung verzeichnet, die stets größer
war als der zugehörige Mittelwert aller Probenahmen.
Da in dieser Versuchsanstellung davon ausgegangen werden mußte, daß nicht nur laborbe-
dingte Unterschiede, sondern auch - und in vermutlich deutlich höherem Ausmaß - lokale
Schwankungen der Aerosolkonzentrationen am Meßstandort den Grund für diese Differen-
zen beinhalteten, wurde in einem zweiten Ansatz versucht, herauszufinden, ob die gefunde-
ne Streuung der Resultate im Bereich der Probenahme oder der Laboraufarbeitung zu su-
46
chen war. Dazu wurden, anhand einer zweiten Probenahme, mehrere Luftproben-Filter vom
gleichen Standortes (Intensivrottehalle) gemeinsam suspendiert und aliquotiert. Diese Ali-
quots wurden unter Beachtung strenger zeitlicher Parallelität nach Postversand getrennt von
den beteiligten Laboren aufgearbeitet und ausgewertet.
Die Ergebnisse zeigten sowohl für Schimmelpilzsporen (entsprechend TRBA 430) wie auch
für Aktinomyceten bei Bebrütungstemperaturen 30 °C und 50 °C eine Streubreite im Maxi-
mum-Minimum-Verhältnis zwischen Faktor drei und vier. Diese laborbedingte Streuung ent-
sprach damit auch der im ersten Ringversuch für die Bestimmung von Schimmelpilzen [56]
ermittelten Größenordnung, und damit auch der allgemeinen Streubreite kultureller, mikro-
biologischer Nachweisverfahren (s.o.).
Unterzieht man, die geschilderten Sachverhalte berücksichtigend, die im Schrifttum genann-
ten Werte über gemessene Luftkeim-Konzentrationen einer kritischen Würdigung, so läßt
sich feststellen, daß diese vielfach in einer zahlenmäßigen Genauigkeit angegeben werden,
die eine Meßwert-Genauigtheit vorspiegeln, die mit der derzeitigen Realität (kultur-
basierender) lufthygienischer Meßverfahren unvereinbar sind.
I.d.R. erfolgt die Meßwert-Angabe in Form eines Faktors a (zum Teil versehen mit mehreren
Kommastellen), multipliziert auf die Zehnerpotenzstufe, angegeben in 10 zur log-Basis b
(a,aaa x 10b KBE/m³). Einige Untersucher bevorzugen als Basiseinheit den Faktor 1000, die
Meßwert-Angabe erfolgt z.B. als aaa,aa x 10³ KBE/m³, wieder andere nennen, insbesondere
im Bereich von niedrigen Luftkeim-Konzentrationen, eine exakte (ausgerechnete) Zahl: aaa-
aa. Wieder andere geben nur noch einen errechneten Quotienten der Abweichung zwischen
Referenz-(Hintergrund-) Meßwert und dem eigentlichen Meßwert an (aaa x Hintergrundwert).
Abgesehen davon, daß solche unterschiedlichen Meßwert-Angaben wenig zur Datenver-
gleichbarkeit beizutragen vermögen - auch hierin macht sich das Problem fehlender Stan-
dards bzw. Konventionen bemerkbar - , eine Reihe von diesen Meßwert-Angaben beruhen in
ihrer scheinbaren Genauigkeit auf reinen Rechenoperationen, ohne daß dem Aspekt, an
welcher Kommastelle der Meßwertangabe sich der der Methodik anhaftende Meßwertfehler
(allerspätestens) bemerkbar machen muß.
In Anbetracht der derzeit vorliegenden Erfahrungen muß konstatiert werden, daß ein auf
kulturellen Nachweistechniken basierender Bioaerosol-Meßwert allerhöchstens in Form ei-
nes Faktors (ohne Kommastellen), multipliziert zum Exponent der Basis 10, angegeben wer-
den sollte (a x 10b, in vielen Fällen wird - unerkannt - bereits dieser Exponent "b" den wirkli-
chen, systematischen Fehler der Methode beinhalten). Andernfalls besteht die Gefahr, daß
Personen, die nicht "vom Fach" sind, in Anbetracht von vielen, vorhandenen Nachkomma-
47
Stellen die Genauigkeit eines solchen Meßwertes überinterpretieren (und mglw. Grenzwerte
diskutieren, in der fälschlichen Annahme, sie hätten eine Methodik zur Verfügung, die eine
meßtechnisch exakte Überprüfung und Einhaltung dieser Werte erlauben würde).
2.6 Topographische und meterologische Einflußfaktoren auf die atmo-
sphärische Ausbreitung von Bioaerosolen aus Kompostieranlagen
Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, spielen neben Typ und Aktivitätsstatus der
Kompostieranlagen die lokalklimatischen/orographischen Randbedingungen, die durch den
Standort der Anlage im Gelände festgelegt sind, bei den Messungen eine große Rolle. Daher
sollen nachfolgend einige meteorologische/orographische Kriterien, die die Ausbreitung von
Mikroorganismen ins Umfeld von Kompostierungsanlagen beeinflussen können, konkret an-
gesprochen werden. Prinzipiell lassen sich bei der Bearbeitung der oben genannten Prob-
lemstellung drei Situationen unterscheiden:
• Standort: Freies, ebenes Gelände
• Standort: Gegliedertes Gelände
a) Lage in einer allseits durch Geländehindernisse und/oder Bauwerke
umschlossenen Senke (Kessel)
b) Lage in Talzügen und/oder Hanglage
Standort: Freies, ebenes Gelände:
Die Ausbreitung und Verteilung von Luftbeimengungen wird im wesentlichen durch anlagen-
bedingte Einflüsse und durch die bodennahe Windverteilung bestimmt. Geländespezifische
Einflußfaktoren spielen an solchen Standorten eine eher untergeordnete Rolle. Eine Beein-
flussung der Ausbreitung durch Bewuchs oder Bebauung sollte allerdings auch an diesen
Standorten nicht vernachlässigt werden.
Die Planung eines Messprogramms zur Erfassung von Mikroorganismen im Einwirkungsbe-
reich des Emittenten (z. B. ”Luv/Lee-Untersuchung”) wird sich ganz wesentlich auf die
Kenntnisse der standortspezifischen Windrichtungs- und Windgeschwindigkeitsverteilung
stützen. Wird dieser Parameter gemessen, so sollte die Erfassung in einer Höhe von 10 m
über Grund über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr erfolgen. Entsprechende Daten
48
können aber, als Diagramme der langjährigen Verteilung von Windrichtung und Windstärke,
vom Deutschen Wetterdienst auch für Orte, die zwischen den Wetterstationen liegen, bezo-
gen werden.
Standort: Gegliedertes Gelände:
a) Lage in einer allseits durch Geländehindernisse und/oder Bauwerke
umschlossenen Senke (Kessel)
Die Ausbreitung und Verteilung von Luftbeimengungen wird, wie im ebenen Gelände, we-
sentlich von der bodennahen Windverteilung bestimmt. Bei der Planung von Messungen sind
wesentliche Unterschiede zwischen Tages- und Nachtzeiten zu berücksichtigen. Während
bei Messungen zu Tageszeiten der Bewuchs und die Bebauung des Geländes als wesentli-
che Einflußfaktoren genannt werden müssen, spielen in den Nachtzeiten die lokalklimati-
schen Verhältnisse eine zunehmend wichtige Rolle. In Kessellagen ist nach Sonnenunter-
gang, und hier besonders in ‘Strahlungsnächten’, davon auszugehen, daß sich die von den
Hängen abfließende Kaltluft langsam in den Senken des Kessels sammelt (Bildung von Kalt-
luftseen). Bodennahe Emissionen reichern sich zunächst unterhalb der sich ausbildenden
Bodeninversion stark an, ehe es möglicherweise zu einem ‘Überlauf der Kaltluftseen’ kom-
men kann. Dabei ist es nicht auszuschließen, daß eine Verfrachtung der Emissionsströme
auch über die begrenzenden Geländehindernisse hinaus stattfindet. Außerdem kann es zu
Veränderungen der meteorologischen Bedingungen kommen, die für eine weitere Ausbrei-
tung von Luftbeimengungen verantwortlich sind. Mit geeigneten Tracer- oder Rauchversu-
chen können bereits im Vorgriff von geplanten Untersuchungen mit vergleichsweise gerin-
gem Aufwand wichtige Hinweise auf die zu erwartende Ausbreitungssituation gewonnen
werden.
b) Lage in Talzügen und/oder Hanglage
In Talzügen und Hanglagen ist davon auszugehen, daß die Geländetopographie einen we-
sentlichen Einfluß auf das bodennahe Windfeld und somit auch auf die bodennahe Ausbrei-
tung einer Emission ausübt. Unter solchen Bedingungen wird die bodennahe, lokale Wind-
richtung sehr stark an den Geländeverlauf angepaßt, auch wenn eigentlich eine andere
Hauptwindrichtung vorliegt. Bei Anlagen in der Ebene und in Hangnähe, deren Abluft über
Schornsteine abgeführt wird, ist bei Windrichtungen, die zu einer Verfrachtung der Emissi-
49
onsströme in Richtung Hang führen, damit zu rechnen, daß bestimmte Hangbereiche massiv
mit den Emissionen der Anlage beaufschlagt werden.
Eine besondere Situation stellt die Ausbreitung im Zusammenhang mit thermischen Lokal-
windsystemen dar, die in sogenannten Strahlungsnächten entstehen. Im Verlaufe entspre-
chender Witterungslagen bilden sich am Boden Kaltluftströme aus, die sich ähnlich einer
zähen Flüssigkeit hangabwärts bewegen und dem Verlauf eines Talzuges folgen. Bodenna-
he Luftschadstoffemissionen wie z. B. Gerüche oder Mikroorganismen werden in solchen
Kaltluftströmen unter nur geringer Verdünnung, dem Geländegefälle folgend, teilweise über
Entfernungen von mehreren Kilometern transportiert und können daher auch noch in großen
Entfernungen von der Quelle zu Belästigungen oder sonstigen Auswirkungen führen.
Das oben beschriebene Ausbreitungsverhalten gilt für bodennahe Emissionen. Bei Anlagen,
die ihre Emissionen über Schornsteine abführen, kann es durchaus vorkommen, daß diese
in Luftschichten gelangen, die eine von der bodennahen Luft entkoppelte Ausbreitungssitua-
tion aufweisen. Hierdurch können sowohl die Ausbreitungsrichtung als auch die Verdün-
nungseffekte im Vergleich zu bodennahen Emissionen variieren. Besonders deutlich kann
dieser Effekt in den oben beschriebenen Strahlungsnächten auftreten.
Wie die obige kurze Beschreibung einzelner Ausbreitungssituationen zeigt, sind pauschale
bzw. allgemeingültige Aussagen hinsichtlich der Ausbreitung von Mikroorganismen oder von
Gerüchen im Einwirkungsbereich von Kompostierungsanlagen unabhängig von der Stand-
ortsituation und den meteorologischen Verhältnissen kaum möglich. Die Frage, welche Kon-
zentrationen in welchen Entfernungen zur Anlage auftreten, kann nur standortspezifisch und
in Abhängigkeit von der meteorologischen Situation hinreichend genau beantwortet werden.
3 Erfahrungen aus bisherigen Arbeiten
Verglichen mit der Zahl an Untersuchungen im Arbeitsschutz gibt es nur wenige Studien und
nur entsprechend geringe Meßerfahrungen zur Immission und Emission aus Anlagen zur
biologischen Abfallbehandlung. Die meisten Studien zu dieser Thematik wurden für Kompos-
tierungsanlagen im Rahmen von Forschungsvorhaben durchgeführt. Diese Einzelstudien
hatten zumeist das Ziel, Entfernungsabstände zu ermitteln, bei denen keine Beeinflussung
der mikrobiologischen Qualität der Außenluft mehr festgestellt werden konnte. Sehr wenige
Studien befaßten sich bislang gezielt mit der Entwicklung von geeigneten Meßstrategien und
Meßvorschriften.
50
Prinzipiell muß berücksichtigt werden, daß bei allen Studien zur Immission und Emission, die
auf diskontinuierlichen Probenahmen beruhen, nur Momentaufnahmen aufgezeigt werden
können. Dies gilt auch für fast alle bisher durchgeführten Studien zur Immission von Bioae-
rosolen aus Kompostierungsanlagen. Der hohe zeitliche Untersuchungsaufaufwand, beson-
ders aber das Fehlen von Verfahren fürkontinuierliche Messungen mit hoher zeitlicher Auflö-
sung, schränken sowohl die Datenbasis als auch ihre Aussagekraft ein.
Von den in Tabelle 2 zusammengestellten Sammelgeräten wurden in Studien zu mikrobiellen
Emissionen und Immissionen aus Kompostwerken häufig Sammler aus der Gruppe der Im-
paktoren eingesetzt. So wurde in einigen Studien der RCS Sammler [58, 59, 60], SAS-
Geräte [59, 61, 62], der sechsstufige Andersen-Kaskadenimpaktor [63] und Schlitzsammler
[64] eingesetzt.
In Deutschland wurden in jüngster Zeit i.d.R. Filtrationssammler verwendet, bei denen die mit
Mikroorganismen beaufschlagten Filter entweder direkt auf Nährmedien aufgelegt werden
(direktes Verfahren) oder die gesammelten Partikel zur mikrobiologischen Analyse zuerst in
Suspension gebracht werden (indirektes Verfahren, in Anlehnung an TRBA 430, [47]. So
wurde vor allem das MD8 - Gerät der Fa. Sartorius zum Nachweis kultivierbarer Mikroorga-
nismen in der Luft eingesetzt [65, 66, 67].
Vergleiche mit anderen Probenahmegeräten, z.B. Impaktoren oder Impingern, stehen für den
Außenluftbereich bisher noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, jedoch liegt einer
der Vorteile der Verwendung von Filtrationssammlern in der Vergleichbarkeit mit einem
Standardverfahren, das für den Bereich des Arbeitsschutzes schon vorliegt (TRBA 430) [47].
In diesem Zusammenhang wurden, wie erwähnt, auch schon erste Ringversuche durchge-
führt [56,57]. Ein weiterer Vorteil der Filtrations-Sammler besteht in der hohen Sammeleffi-
zienz namentlich bei der Bestimmung luftgetragener Sporen von Schimmelpilzen und in den
Einsatzmöglichkeiten über einen weiten Konzentrationsbereich (KBE/m³), durch die Aus-
wahlmöglichkeit zwischen direktem und indirektem Verfahren. Hinsichtlich der biologischen
Sammeleffizienz beim Nachweis luftgetragener vegetativer Bakterienzellen und Hefen lassen
sie jedoch einen hohen Meßwertfehler erwarten. Je nach Fragestellung und den nachzuwei-
senden Organismenparametern können deshalb auch andere Sammelverfahren sinnvoll
sein. So erlaubt die Anwendung von Mehrstufenimpaktoren eine Fraktionierung der Probe
nach Partikelgrößen, und es können zum Beispiel mit Impingern höhere Ausbeuten für Bak-
terien erreicht werden, wie arbeitsplatzbezogene Messungen zeigten [59, 68, 69, 70, 71, 72].
Bei den für Bioaerosol-Emissions- und Immissionsmessungen/-prognosen in Deutschland
gegenwärtig zur Anwendung kommenden Meßstrategien gibt es derzeit zum Teil erhebliche
51
Unterschiede, die neben der Sammlerwahl auch die Auswahl der Probenahmestandorte, die
Anzahl der Probenwiederholungen, die untersuchte Emissionssituation (worst case - Szena-
rio versus Durchschnittsbedingungen) und anderes mehr betreffen. Neben den Ansätzen,
kompostwerksbedingte Immissionen meßtechnisch zu erfassen, gibt es auch den Ansatz,
nach Bestimmung der Emissions-Quellstärke unter Anwendung der VDI-Richtlinie 2782 die
resultierenden Immissionen zu berechnen. Eine zusammenfassende Übersicht über die un-
terschiedlichen Strategien gibt Tabelle 3.
52
Tabelle 3: Übersicht über verschiedene, in Deutschland beschriebene Meßstrategien zur Erfassung von Bioaerosol-Immissionen aus Kompostwerken [nach 12, 65, 66, 67]. Meßstrategie I II III IV
1. Merkmale
1.1 Messung in Hauptwindrichtung
- zeitgleich x - x -
- zu verschiedenen Zeiten am selben Tag
x (3) x (3) x (5) -
- Meßtage mind. 3 8 - -
- Probenahmeorte im Winkel 30° >9 30, 70,100
m S (bis 500)
nach Gelände >9 50, 100, 200, 500
m S
nach Gelände >4 100 - 4000m
-
1.2 Hintergrundmessung
- zeitgleich x - x -
- zu verschiedenen Zeiten
- x x x (12)
- am selben Tag x x x x (8)
- Probenahmeorte 500 m Luv 100, 200 m Luv 300, 800 m Luv 2000 x 2000 m, A
1.3 Sammeltechnik
- Filtration x x x -
- Impaktion - (x) *1 - x
- Impingement - (x) *2 - x
- direkte Methode x (1 min) (x) *1 x x
- indirekte Methode x (6 min) x x x
- Bakteriologie GBZ, T.A.- GBZ, T.A., S GBZ, T.A., S GBZ, T.A. S
- Mykologie GSPZ, A.F., S GSPZ, A.F., S GSPZ, A.F., S GSPZ, A.F. S
1.4 Besonderes Vorgehen
- Bestimmung der Quellstärke
- - - x
- Anwendung eines Rechenmodells
- - - VDI-Richtlinie 2782
- Worst case Anlagen- betrieb
- - x -
- Worst case Wetterla- ge
- - x -
- Normalbetrieb x x x
Fortsetzung Tabelle 3:
53
Messstrategie I II III IV
2. Vorteile Zeitgleiche Erfas-sung einer Istsitua-tion unter Durschschnittsbe-dingungen
Erweiterter Über-blick über die ge-messenen Bioae-rosole
Zeitgleiche Er-fassung einer Istsituation mit zu erwartenden Spitzenwerten
Nur Bestimmung der Grundbelastung, der Quellstärke und der Partikel-größenverteilung
Begrenzter Gerä-te- und Personaleinsatz
Qualitative Aussa-gen über die Aero-sol-Zusammenset-zung(Partikelgrößen) möglich
Wenn die ge-messenen Werte gering sind, sind alle Betriebssitu-ationen (worst case) in der Aus-sage mit abge-deckt
Generelle Aussagen über die zu erwar-tende Durchschnitts-Immission ohne Einzelmessungen möglich
Wegen vglw. ge-ringem Aufwand viele Wiederho-lungen möglich
3. Nachteile Erheblicher Auf-wand an Gerät-schaften und Per-sonal
Verschiedene Luftkeimsammel-geräte müssen vorhanden sein
Erheblicher und kurzfristig abruf-barer Aufwand an Gerätschaften und Personal
Keine Aussage über den Einzelfall
Für ein repräsentatives Gesamtbild vieleWiederholungen
notwendig
Für sichere Aus-sagen sind meh-rere Wiederho-lungen notwen-dig
Keine Aussage über Partikelgrö-ßen
Keine Aussage über Partikelgrö-ßen
Keine Aussage über Extremsitua-tionen möglich
Keine Aussage über Extremsitua-tionen möglich
Keine Aussage zur Normalbelas-tung
*1 Der Einsatz des Andersen-Sammlers ist zur Partikelgrößenbestimmung notwendig
*2 zur Erfassung bakterieller Parameter sinnvoll
GBZ Gesamt-Bakterienzahl (aerob mesophil)
T.A. Thermophile Actinomyceten (-sporen)
GSPZ Gesamt-Schimmelpilzsporenzahl
A.F. Aspergillus fumigatus
S zusätzliche Meßpunkte und mikrobiologische Parameter nach Bedarf
A weitere Verfahren zur Bestimmung der Hintergrundkonzentrationen beschrieben
(n) bei verschiedenen Zeiten: die Anzahl der Wiederholungen am selben Tag
54
Hinsichtlich der in aktuellen Studien bestimmten Meßparameter zeichnen sich deutliche Ge-
meinsamkeiten ab. So wurden i.d.R. die Konzentrationswerte an mesophilen Bakterien und
Schimmelpilzsporen, an thermotoleranten Schimmelpilzen, darunter Aspergillus fumigatus,
und thermophilen Aktinomyzeten bestimmt. Von diesen zeichnen sich thermotolerante
Schimmelpilze, namentlich A. fumigatus, und die Gruppe der thermophilen Aktinomyzeten
als geeignete Indikatoren für Emissionen aus Kompostierungsanlagen ab.
Diese Mikroorganismengruppen erreichen in der unbelasteten Außenluft üblicherweise nur
geringe Konzentrationswerte [48, 65, 72, 60] und kommen andererseits in Kompostierungs-
anlagen, selektiv begünstigt durch den thermophilen Rotteprozeß, gehäuft vor. Weit unspe-
zifischer im Hinblick auf Emissionen von Kompostierungsanlagen wird von einigen Autoren
der Nachweis von mesophilen Schimmelpilzen und Bakterien beurteilt [13, 48, 67]. Nach den
Ergebnissen von GERBL-RIEGER et al. [65] hingegen sind auch die mesophilen Bakterien
(Anzucht bei 37°C) ein sensitiver und geeigneter Parameter zur Erfassung von Anlage-
neinfluß in der Umgebung.
Im folgenden soll versucht werden, die Erfahrungen aus verschiedenen Studien, was die ver-
wendeten Meßstrategien, die Sammel- und Nachweisverfahren und die erzielten Ergebnisse
betrifft, zu vergleichen. Der Schwerpunkt der Erörterung liegt dabei auf dem Vergleich von
Studien der vergangenen zwei bis drei Jahre in Deutschland. Darüberhinaus sei hier auf frü-
here ausführliche Literaturstudien zum Fragenkomplex mikrobieller Emissionen und Immissi-
onen aus Abfallwirtschaftsanlagen verwiesen [9, 10, 48, 73].
Hierbei muß zwischen Immissions- und Emissionsmessungen unterschieden werden.
Immissionsmessungen
Hinsichtlich der räumlichen und zeitlichen Auflösung der Immissionsprobenahmen unter-
scheiden sich die Studien beträchtlich. Die Angaben zu den Entfernungen der ausgewählten
Probenahmestandorte in ihrer Entfernung zur Emissionsquelle reichen von unmittelbarer
Anlagennähe bis zu wenigen Kilometern. Zum Teil wurden zeitgleiche, zum Teil aufeinander-
folgende Probenahmen durchgeführt. Auch wurden, je nach Fragestellung, prinzipiell unter-
schiedliche Konzepte zur Probenahmesituation (Durchschnitt - worst case Szenario, s.u.) ge-
wählt (s. Tab. 4).
Herausgegriffen sei zunächst eine amerikanische Studie [60]. Diese, angefertigt von einem
Expertengremium aus Arbeitsmedizinern und Vertretern anderer Fachrichtungen, sollte unter
Einbeziehung der gesamten, zum status quo vorhandenen, internationalen wissenschaftli-
55
chen Datenlage die Fragestellung beantworten, ob durch die Ausbreitung von Bioaerosolen
aus Kompostierungsanlagen mögliche gesundheitliche Risiken für Anwohner gegeben seien.
Hierfür wurden im Laufe eines Jahres an einer Kompostierungsanlage monatliche Messun-
gen an drei ausgewählten Standorten durchgeführt, zum einen in Lee zur Anlage im Bereich
des errechneten Immissionsmaximums, zum anderen in Luv sowie in der Anlage selbst.
Gemessen wurde mit dem RCS-Sammler. Bestimmt wurden die Konzentrationswerte an
Bakterien, mesophilen und thermotoleranten Pilzen, darunter A. fumigatus. Damit ließ sich
feststellen, daß die Bioaerosolausbreitung in solchem Grade von den meteorologischen Be-
dingungen, den Betriebszuständen, der Betriebsgröße und der Topographie des Untersu-
chungsgebietes anhängig ist, daß verallgemeinernde Schlußfolgerungen aus den Meßer-
gebnissen an einer Anlage hinsichtlich der Immissionssituation nicht gezogen werden kön-
nen.
In jüngster Zeit wurden in Deutschland im wesentlichen zwei unterschiedliche Meßstrategien
erprobt. Beiden Meßstrategien gemeinsam war, daß in Lee zur Anlage, in Abhängigkeit von
der zum Meßzeitpunkt herrschenden Windrichtung, an mehreren Probenahmeorten Mes-
sungen durchgeführt wurden. Die Probenahmeorte waren dabei in unterschiedlicher Entfer-
nung zur Anlage angeordnet, innerhalb derernoch meßbare Konzentrationserhöhungen
durch die aus der Anlage emittierten Bioaerosole erwartet wurden. Zur Ermittlung der ”Nor-
malwerte” erfolgten Vergleichsmessungen in Luv zu den Anlagen. Auch die jeweils bestimm-
ten Meßparameter waren in weiten Teilen gleich (s. o.), und für beide Untersuchungen wurde
das Filtrationsprinzip (MD 8) verwendet, die Probenaufarbeitung und -auswertung erfolgt in
Anlehnung an die TRBA 430 [47].
Um, ähnlich wie in den geschilderten Ansätzen der amerikanischen Studie, ein Bild der mitt-
leren Immissionssituationen im Umfeld der Anlagen zu gewinnen, wurde in der bisher um-
fassendsten Studie in Deutschland die Immissionssituation von drei Kompostierungsanlagen
(geschlossener (eingehauster) und offener Anlagenbau) untersucht [65]. Dazu wurden die
Anlagen innerhalb eines Jahreszyklus von jeweils acht Meßkampagnen (Meßtage) je Anlage
bei normalen Betriebsbedingungen und verschiedenen Witterungslagen (unterschiedliche
Windrichtung und Ausbreitungsbedingungen) an bis zu neun Probenahmestellen beprobt.
Eingesetzt wurden MD 8-Filtrationssammler. Die Immissionsprobenahmeorte lagen leeseitig
in Abständen zwischen 50 und 500 Meter zur Anlage. Weiterhin wurden auch zwei Probe-
nahmestellen in Luv der Anlagen mit einbezogen sowie Probenahmestellen in den Anlagen
selbst.
56
In der Untersuchung wurde von vorneherein auf eine Gleichzeitigkeit bei der Durchführung
der Probenahmen verzichtet. Dabei wurde von der Überlegung ausgegangen, daß bei einer
Windgeschwindigkeit von z. B. 1 m/sec luftgetragene Partikel zum Überwinden einer Distanz
von 500 m 500 sec (8 1/3 Minuten) benötigen. Insofern müßte, wenn eine zeitgleiche Mes-
sung unter dem Aspekt erfolgt, eine Partikel-Ausverdünnung infolge zunehmender Distanz
zur Aerosolquelle zu untersuchen, dieser Aspekt der Zeitversetzung für jeden einzelnen
Meßpunkt berücksichtigt werden (wenn tatsächlich "dasselbe" Aerosol beprobt werden soll),
was sich unter den tatsächlichen Gegebenheiten von out door -Messungen nicht realisieren
läßt. Der Wind im Freiland weht zudem kaum mit konstanter Geschwindigkeit in eine Rich-
tung.
Ermittelt (berechnet) wurden anhand der Ergebnisse sowohl die Jahresdurchschnitts- als
auch Spitzenwerte der Immissionen. Dazu bedurfte es, um gesicherte Aussagen zu erhalten,
einer großen Anzahl von Meßwiederholungen je Meßstandort. Anhand beider Auswertungen
ließ sich eine entfernungsabhängige Abnahme der Immissionen von thermotoleranten
Schimmelpilzen, A. fumigatus und thermophilen Aktinomyzeten in Lee nachweisen. In der
Betrachtung der Durchschnittswerte in 50 bis 500 Meter Abstand zu einer "geschlossenen"
(Intensivrotte eingehaust) Anlage konnte schon im Abstand von 200 Meter teilweise kein
Anlageneinfluß mehr feststellt werden, jedoch wurden Spitzenwerte gemessen, die um eine
Zehnerpotenz oder mehr über den (errechneten) Jahresmittelwerten lagen. Für eine offene
Anlage konnte der Einfluß der werksseitigen Emission noch im Abstand von 500 Meter
nachgewiesen werden, wenn freisetzungsrelevante Tätigkeiten (Shreddern etc.) stattfanden
[65].
Betrachtet man die im Ergebnis ermittelten Werte in 100 m Lee und 100 m Luv zu den Anla-
gen, so zeigten sich bei den unterschiedlichen erfaßten Parametern zum Teil deutliche Un-
terschiede. Die an diesen beiden Meßpunkten für den Parameter Gesamt-Schimmelpilz-
Sporenzahl (GSPZ) mit vier unterschiedlichen Kulturbedingungen ermittelten Mittelwerte aus
allen Probenahmen waren in 100 m Abstand von der Anlage in Luv wie in Lee nahezu gleich.
Die Meßwerte für thermophile wie auch mesophile Aktinomyzeten hingegen wiesen zwi-
schen Luv und Lee im Mittel mindestens eine Differenz von einer Zehnerpotenz auf. Auch
bei Bakterien mit einer Kultivierungstemperatur von 37 °C wurden in 100 m Abstand zwi-
schen den Mittelwerten für Luv und Lee-Messung mehr als eine Zehnerpotenz Unterschied
festgestellt.
Die in Luv ermittelten Mittelwerte für alle Meßparameter lagen, sowohl in 100 m als auch in
200 m Abstand zur Quelle, in den meisten Fällen in den Größenordnungen, wie sie im
57
Dr.Db
Ist für mich o.k. G. Danneberg, 21.4.99
an
Finde, daß der Satz so leichter verständlich ist. Hr. Danneberg, bitte kontrollieren ob Sinn noch korrekt wiedergegeben. A. Neef 18/4/99
Schrifttum für unbelastete Umgebungsluft als "Normal"-Konzentrationen beschrieben sind.
Es wurden jedoch auch in Luv zu den Anlagen zum Teil Spitzenwerte gemessen, die über
diesen Bereich hinausragten. So resultierten für die GSPZ zum Teil Luv-(Hintergrund-)-
Konzentrationswerte von 5 x 104 KBE/m3, parallel dazu 3 x 10³ KBE/m³ für thermophile Ak-
tinomyceten. Es ist wenig wahrscheinlich, daß der aktuelle Anlageneinfluß in Luv für die Hö-
he dieser Meßwerte verantwortlich war, Diese Werte sind eher als Indiz zu betrachten, daß
auch unter "Normalbedingungen" in der Außenluft, z.B. bedingt durch andere Umwelt-
Emissionsquellen oder aktuelle Besonderheiten der Witterungsbedingungen (z.B. Aufwirbe-
lung von rottenden Materialien durch den Wind) mitunter Spitzenkonzentrationen an luftge-
tragenen Mikroorganismen nachgewiesen werden können, die über die Durchschnittswerte
hinausreichen. Ähnliche Befunde wurden schon von anderer Seite berichtet [13,48].
In einer weiteren, aktuellen Studie [67] wurde die Ausbreitung von (u.a.) thermotoleranten
Schimmelpilzsporen, darunter A. fumigatus, und von Bakterien im Vergleich zwischen einer
eingehausten und einer teileingehausten Kompostierungsanlage untersucht. Die Probenah-
men fanden, pro Anlage, an jeweils fünf unterschiedlichen Meßtagen statt. Im Gegensatz zur
vorgenannten Untersuchung wurden alle Probenahmen, an bis zu 10 ImmissionsProbenah-
meorten sowie in Luv der Anlagen, zeitgleich durchgeführt, wodurch kurzfristig ein großer
technischer und personeller Einsatz realisiert werden mußte. Zusätzlich wurden Emissions-
messungen an den Biofiltern der Anlagen (s.u.) durchgeführt.
Auch die Probenahmen in dieser Studie erfolgten unter Verwendung des MD 8 (Filtrations-
sammler). Es wurden Immissions-Messpunkte beprobt, die in Entfernungen von ca. 20 bis zu
500 Metern von der Anlage angeordnet waren.
Die Ergebnisse dieser Studie ließen deutliche Unterschiede zwischen den beiden Anlagen
erkennen. So konnten bei der eingehausten Anlage, leeseitig in 200 Meter Entfernung, nur
Meßwerte registriert werden, die im Bereich von "normalen" Hintergrundkonzentration lagen,
Im Fall der teileingehausten Anlage wurden jedoch noch in einer Entfernung von 500 Metern
Einzelmeßwerte festgestellt, die maximal um eine Zehnerpotenz über der zeitgleich gemes-
senen, lokalen Hintergrundkonzentration lagen.
Eine andere in jüngerer Zeit in Deutschland erprobte Strategie war im Gegensatz zu den
vorgenannten Studien von vorneherein nicht auf die Ermittlung eines durchschnittlichen Sta-
tus, sondern auf die Untersuchung möglicher Immissions-Spitzenwerte, auf ein mögliches
worst case Szenario der Immissionssituation, abgestellt .
In dieser Vorgehensweise wurden drei Kompostierungsanlagen intensiv untersucht [66]. Ei-
nes der Hauptziele der Untersuchungen bestand in der Erfassung möglicher Maximalwerte
58
an ausgewählten Immissionsmeßpunkten. Eine Erfassung der maximalen Belastungswerte
war allerdings nur möglich, wenn, unter Berücksichtigung entsprechender Expertisen, die
Probenahmeparameter bezüglich Ort und Zeitpunkt sehr sorgfältig ausgewählt wurden. Es
mußten insbesondere die lokalen meteorologischen Bedingungen genau beachtet werden.
Die Messungen in dieser Studie erfolgten unter Bedingungen, die eine möglichst unverdünn-
te Ausbreitung von Emissionen aus der Anlage erwarten ließen (windschwache, austausch-
arme Wetterlagen, mit z.B. Kaltluftabflüsse bzw. niederschlagsfreie Wetterlagen mit konstan-
ter Windrichtung, geringer Windgeschwidigkeit und eingeschränktem Vertikalaustausch). Für
die Untersuchung bedeutete dies, daß die Probenahmen manchmal zu unüblichen Zeiten
durchgeführt werden mußten, also auch außerhalb der üblichen Anlagen-Betriebszeiten in
den Abend- und Nachtstunden. Gleichzeitig zu den Messungen mußten die Anlagen so be-
trieben werden, daß auch emissionsseitig Maximalwerte der Freisetzung von Mikroorganis-
men in die Luft zu erwarten waren. Dies bedeutete, daß während den Probenahmen intensi-
ve Arbeitsaktivitäten in den Anlagen stattfanden (z.B. Umsetzvorgänge des Kompostmateri-
als).
Die Probenahme erfolgte zeitgleich an sechs ausgewählten Meßstellen pro Anlage, unter
Berücksichtigung der standortspezifischen Topographie und der lokalklimatischen Verhält-
nisse. Die Erfassung der luftgetragenen Mikroorganismen wurde mit Hilfe von MD8-
Filtrationssammlern durchgeführt, und es wurden gleichzeitig alle relevanten meteorologi-
schen Parameter gemessen. Diese Vorgehensweise bedingte einen hohen personellen und
technischen Aufwand, um kurzfristig auf die aktuellen meterologischen Situationen reagieren
zu können und erforderte eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Vier bzw. fünf der sechs
Probenahmepunkte befanden sich in unterschiedlichen Entfernungen (Abstände von 100 m
bis 3,4 km) in Lee zur Anlage. Der oder die (2 Punkte) Referenzpunkte zur Ermittlung der
Hintergrundkonzentration befanden sich luvseitig zur Anlage. Bei der Auswahl der leeseiti-
gen Probenahmepunkte wurden vorliegende Geruchsbeschwerden von Anwohnern soweit
wie möglich berücksichtigt.
Auch die Ergebnisse dieser Studie bestätigten, daß thermophilen Organismengruppen (z.B.
Actinomyceten und Schimmelpilze) bei der Beurteilung des Emissionsgeschehens aus Kom-
postierungsanlagen eine Indikatorfunktion zugeordnet werden kann. Auf Grund der unter-
schiedlichen ortsspezifischen Verhältnisse an den drei Standorten war ein direkter Vergleich
der erzielten Ergebnisse untereinander zwar nur eingeschränkt möglich, trotzdem wurde für
alle drei Anlagen eine Tendenz in Richtung einer Abnahme der Immissionskonzentrationen
mit zunehmender Entfernung von der Anlage festgestellt. An einem Kompostwerk wurde in
100 m Abstand, bei einem zweiten in Abständen von 200 bis 320 m Anlageneinfluß, insbe-
59
sondere erhöhte Konzentrationen thermophiler Mikroorganismen festgestellt. An einer dritten
Anlage war ein Anlageneinfluß bei Entfernungen von 500 m und in Einzelfällen auch bis über
1000 m zwar erkennbar (an den Probenahmeorten wurden teilweise erhöhte Konzentratio-
nen verschiedener Mikroorganismengruppen wie z.B. von thermophilen Aktinomyzeten fest-
gestellt), die Erhöhung gegenüber den Hintergrundkonzentrationen konnte aber nur selten
als signifikant bezeichnet werden. Die Meßwerte lagen oft in einer Größenordnung von etwa
103 KBE m3 und bewegten sich damit in einem Bereich, in dem die Meßgenauigkeit auf-
grund geringer Koloniezahlen nur unzureichend war. Bezüglich des topographischen Um-
felds der Anlagen zeigte sich, daß bei einer der untersuchten Anlagen in bebautem Gebiet
die Konzentrationen in 500 m bereits wieder ähnlich hoch waren wie die Hintergrundwerte,
während insbesondere über Freiflächen und in Tallagen eine Verfrachtung auch über weitere
Entfernungen möglich ist. Außerdem wurden teilweise innerhalb relativ kurzer Zeiträume von
ungefähr 1 h – abhängig von den Luftströmungsverhältnissen - beträchtliche Schwankungen
der Immissionskonzentrationen ermittelt.
In der vergleichenden Betrachtung dieser und anderer Studien lassen sich einerseits Ge-
meinsamkeiten, andererseits auch Unterschiede erkennen. So erwiesen sich übereinstim-
mend die Parameter Gram-negative Bakterien und mesophile Bakterien nur im Einzelfall
geeigneter Indikator. Hinsichtlich der Abstände, für die keine gegenüber ”Normalwerten” er-
höhten Konzentrationen an Sporen des Schimmelpilzes A. fumigatus konstatiert werden,
variieren die Angaben von 90 Metern bis über 1 Kilometer [64 bis 66, 74 bis 79].
Dies zeigt, daß sich verallgemeinernde Aussagen hinsichtlich Immissionen von Kompostie-
rungsanlagen anhand der derzeitigen Datenlage nicht treffen lassen, da übereinstimmend
alle Studien zu dem Ergebnis kommen, daß jeweils eine Einzelfallbewertung erforderlich ist,
die die konkreten topographischen Gegebenheiten, die meteorologischen Rahmenbedingun-
gen und die Anlagenkonzepte der jeweiligen Anlagen berücksichtigt. Darüberhinaus kann
gesagt werden, daß einheitliche Meßstrategien auch bei den in jüngerer Vergangenheit in
Deutschland durchgeführten Studien nicht gegeben sind. Hierbei könnten durchaus unter-
schiedliche Ansätze formuliert werden, da z. B. Jahresmittelwerte wie auch worst-case-
Betrachtungen jeweils eine qualitativ andere Aussage ermöglichen.
Vergleicht man unter diesem Aspekt die drei hier vorgestellten deutschen Studien, so be-
steht hinsichtlich der Ergebnisse die wichtigste Gemeinsamkeit darin, daß in allen Fällen ein
klares Konzentrationssprofil in Abhängigkeit von der Entfernung bei wichtigen Parametern
(Indikatorgruppen) erkennbar wurde. Die Meßwerte auf der Lee-Seite der Anlagen waren in
hohem Maße entfernungsabhängig.
60
Bei einem Abstand von bis zu 200 m zur Anlage wurden in allen drei Studien [65, 66, 67]
deutlich erhöhte Meßwerte festgestellt. Ein geringerer, aber noch vorhandendener Anlage-
neinfluß konnte fallweise in einem Abstand von 500 m beobachtet werden. Bei diesem Ab-
stand gab es, ebenso wie bereits bei den 200 m Werten, wichtige Unterschiede hinsichtlich
der Höhe der Meßwerte in Abhängigkeit davon, ob offene oder geschlossene (eingehauste
Anlagen) Kompostierungsanlagen untersucht wurden. Während bei den offenen Anlagen fast
überall ein Anlageneinfluß festgestellt werden konnte, war dies bei geschlossenen Anlagen
häufig nicht der Fall. Die in 500 m Entfernung von der Anlage festgestellten Konzentrations-
werte waren außerdem in starkem Maße abhängig von den meteorologischen Rahmenbe-
dingungen und der lokalen Topographie.
Bei Entfernungen oberhalb von 500 m konnte ein Anlageneinfluß nur noch festgestellt wer-
den, wenn optimale Ausbreitungsbedingungen (worst case) vorherrschten. Über die Häufig-
keit solcher Ausbreitungssituationen gibt es keine Erkenntnisse. Als besonderes Problem bei
diesen Entfernungen muß außerdem die mit größer werdendem Abstand zunehmende
Wahrscheinlichkeit einer Beeinflussung der Meßwerte durch andere Emissionsquellen ge-
nannt werden. Hier besteht die Notwendigkeit einer eindeutigen Quellen-Identifikation.
Emissionsmessungen
Unter einer Emissionsmessung ist die Ermittlung des/der Emissionsstromes/ -fracht an der
Emissionsquelle, also am Übertritt des Abgases/der Abluft in die Atmosphäre, zu verstehen.
Dazu wird üblicherweise die Konzentration an Mikroorganismen im Abluftstrom und der zu-
gehörige Volumenstrom gemessen, aus beiden Werten wird die Mikroorganismenfracht
(KBE pro Zeiteinheit) errechnet.
Bei der Durchführung von Emissionsmessungen hat die Art der zu untersuchenden Quelle
entscheidenden Einfluß auf die Meßstrategie und Probenahme. Man unterscheidet Punkt-