8 WWW.ENERGIEKULTURRUHR.DE RUHR.2010 – DIE PROJEKTE DER RWE 9 KUNST VERBINDET – DAS RUHR-ATOLL. ART FORGES LINKS – THE RUHR ATOLL. Ein Eisberg. Ein Teehaus. Ein U-Boot. Zwei Windräder. Das ist Kunst? Das ist Kunst – originelle, eindringliche, anfassbare Kunst! Zu erleben in der Zeit von Mai bis Oktober 2010 auf dem Essener Baldeneysee. Auf dem Werdener Teil vorm Stauwehr der RWE schwimmen sie, die vier Kunst-Inseln. Das Ruhr-Atoll ist Ergebnis eines energiegeladenen Pro- jekts, im Rahmen dessen Kurator Norbert Bauer international anerkann- te Künstler, erfahrene Wissenschaftler, Sponsoren, Kunstexperten und die Menschen aus dem Ruhrgebiet in einen kreativen Prozess einbindet. „Kunst ist Energie – Energie ist Bewegung“ lautet die Formel für das Ruhr-Atoll. Konzipiert als Archipel der Künste und Wissenschaften, stammen Entwurf und Planung für fast jede Insel von einem scheinbar ungleichen Paar: Künstler haben sich gemeinsam mit Wissenschaftlern darauf eingelassen, die Themen Kunst und Energie miteinander zu verknüpfen und dabei Ressourcen wie Wasser, Wind, Sonne und Kreativität zu nutzen. Entstanden ist ein aus vier Inseln bestehender „Kunst-Energiepark“. An iceberg, a teahouse, a submarine, two wind turbines: is this art? Yes, it is: original, penetrating, tangible art. Experience it on Essen’s Lake Baldeney from May to October 2010. Four art islands float on the Werden side of the lake, before the RWE weir. The Ruhr Atoll is the fruit of an energy-charged project. In its crea- tive process, curator Norbert Bauer is involving prominent international artists, experienced scientists, sponsors, art experts and the people of the Ruhrgebiet. “Art is energy – energy is movement” is the motto for the Ruhr Atoll. The idea is to create an archipelago of arts and sciences. Thus the design and planning for nearly every island come from an apparently ill- matched twosome. Artists have been working with scientists to link up the subjects of art and energy. In doing so, they have sought to use resources such as water, the wind, the sun and creativity. The result is an ‘art energy park’ consisting of four islands.
An art-project of four islands on an artificial lake was part of the European Capital of Culture RUHR.2010. "Ruhr-Atoll" based on the idea of "Energy and art in motion" by Norbert Bauer was sponsored by RWE AG and documented in a book published by Klartext-Verlag in Essen, Germany. Portrait Norbert Bauer: Holger Krüssmann Essay + reportage: Katrin Osbelt Pictures: Frank Vinken
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8 WWW.ENERGIEKULTURRUHR.DE RUHR.2010 – DIE PROJEKTE DER RWE 9
KUNST vERBINDET – DAS RUHR-ATOLL.ART FORGES LINKS – THE RUHR ATOLL.
Ein Eisberg. Ein Teehaus. Ein U-Boot. Zwei Windräder. Das ist Kunst?
Das ist Kunst – originelle, eindringliche, anfassbare Kunst! Zu erleben in
der Zeit von Mai bis Oktober 2010 auf dem Essener Baldeneysee.
Auf dem Werdener Teil vorm Stauwehr der RWE schwimmen sie, die vier
Kunst-Inseln. Das Ruhr-Atoll ist Ergebnis eines energiegeladenen Pro-
jekts, im Rahmen dessen Kurator Norbert Bauer international anerkann-
te Künstler, erfahrene Wissenschaftler, Sponsoren, Kunstexperten und
die Menschen aus dem Ruhrgebiet in einen kreativen Prozess einbindet.
„Kunst ist Energie – Energie ist Bewegung“ lautet die Formel für das
Ruhr-Atoll. Konzipiert als Archipel der Künste und Wissenschaften,
stammen Entwurf und Planung für fast jede Insel von einem scheinbar
ungleichen Paar: Künstler haben sich gemeinsam mit Wissenschaftlern
darauf eingelassen, die Themen Kunst und Energie miteinander zu
verknüpfen und dabei Ressourcen wie Wasser, Wind, Sonne und
Kreativität zu nutzen. Entstanden ist ein aus vier Inseln bestehender
„Kunst-Energiepark“.
An iceberg, a teahouse, a submarine, two wind turbines: is this art?
Yes, it is: original, penetrating, tangible art. Experience it on Essen’s
Lake Baldeney from May to October 2010.
Four art islands float on the Werden side of the lake, before the RWE
weir. The Ruhr Atoll is the fruit of an energy-charged project. In its crea-
tive process, curator Norbert Bauer is involving prominent international
artists, experienced scientists, sponsors, art experts and the people of
the Ruhrgebiet.
“Art is energy – energy is movement” is the motto for the Ruhr Atoll.
The idea is to create an archipelago of arts and sciences. Thus the
design and planning for nearly every island come from an apparently ill-
matched twosome. Artists have been working with scientists to link up
the subjects of art and energy. In doing so, they have sought to use
resources such as water, the wind, the sun and creativity. The result is
an ‘art energy park’ consisting of four islands.
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Das Ruhr-Atoll auf dem Essener Baldeneysee ist das Leitprojekt
der RWE AG zur Europäischen Kulturhauptstadt Ruhr.2010.
The Ruhr Atoll on Lake Baldeney, Essen, is RWE AG’s lead project
for European Capital of Culture Ruhr.2010.
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EIN PROzESS vOLLER ENERGIE: NORBERT BAUER UND DIE KUNST.AN ENERGY-PACKED PROCESS: NORBERT BAUER AND ART.
Von HOLGER KRÜSSMANN
Sommer 2010, an einem Sonntag: Inseln schwimmen auf dem See, Jog-
ger joggen, Kinder schlecken Eis. Tretboote ziehen ihre Bahn, es gibt
die eine oder andere Schlange vor der Kasse und dem Klo. Viele Men-
schen tragen Kappen, ganz wenige einen Hut − nur einer trägt eine
Mütze: Norbert Bauer. Zwei Damen aus der Reisegruppe recken die Häl-
se. „Ach das ist der Künstler! Schau mal. Sagen Sie, Herr Bauer, das ist
alles von Ihnen hier?“ Ja und nein. Es ist von Kabakov, Kaiser, Kaufmann
und Katase und von C.U. Frank. Und von Norbert Bauer. Ach so? Herr
Bauer ist also Sammler? Nein, ist er nicht. Dann ist er Kulturmanager,
Kurator? − Nein, ist er auch nicht! Was ist er dann? Er ist Künstler!
Bauer sammelt − unermüdlich mit Trüffelschwein-Instinkt. Er rackert mit
persönlichem Einsatz bis in die Kleinigkeiten, mit Reibungsverlusten,
Ecken und Kanten und with a little big help from his friends. Und er
kuratiert − mit großem Wurf und ganz eigener Marke: „Grundstein-
kiste“, „Tuchfühlung“, „Kunststau“ und zur Kulturhauptstadt 2010 das
Atoll auf der Ruhr.
Er tut dies seit vielen Jahren. Als Künstler. Ohne dass er Hammer und
Pinsel, Nadel und Faden, Touchpad und Kamera in die Hand nimmt,
ohne dass Werke von ihm im Handel sind. Es gibt keine „echten Bau-
ers“, die man sich ins Wohnzimmer, auf Verwaltungsdächer oder ins
Foyer der Staatskanzlei stellen könnte. Das macht die Vermarktung für
den Handel nicht eben attraktiv, und auch als dauerhaftes Invest tau-
gen sie nicht; denn „echte Bauers“ sind stets Interventionen und Instal-
lationen auf Zeit. Sie finden ausschließlich im öffentlichen Raum statt,
finanziert durch Sponsoring, Stiftung und Ehrenamt. Mit nur
geringem, meist indirektem Anteil der öffentlichen
Hand − etwa in
Form von Gemeinwesenarbeit und Qualifizierungsprojekten für Lang-
zeitarbeitslose im Rahmen des „Essener Konsens“, der sich mit der
„Essener Arbeit“/EABG aktiv am Bau der Atoll-Insel von Kazuo Katase
beteiligte.
Der Blick auf die Künstlervita Norbert Bauers ist dann besonders auf-
schlussreich, wenn man auf ihre Anfänge zurückgeht. Die liegen nicht
im Bergischen Land, wie es die nach spektakulären Kunstprojekten wie
der „Tuchfühlung 1 + 2“ (1997 und 2000) häufig gebrauchte Konnotati-
on „Langenberger Künstler“ vermuten lässt. Bauers persönliche und
künstlerische Entwicklung fußt hörbar im Ruhrgebiet und zwar da, wo
es „ruhriger“, spröder, herzlicher und sperriger nicht sein kann: in Gel-
senkirchen. Für „jetzt“ sagt er auch heute noch „gezz“, und wenn er
sauer ist oder ein gütliches Angebot macht, beginnt der Satz mit „Pass
ma‘ auf!“ Glückliche Momente hat er beispielsweise dann, wenn er nach
langem Suchen − oder ganz spontan − noch eine altersgekrümmte Sack-
karre findet, um sie der Kabakov-Insel hinzuzufügen. In Bauer begegnet
uns ein Alexis Sorbas des Ruhrgebiets: Mit riesiger Energie schafft er
es, über Monate und Jahre eine Idee voranzutreiben, die allein schon
deshalb fasziniert, weil jemand von ihr mit solch einer Energie und Hin-
gabe überzeugt ist wie Bauer.
Das Ruhr-Atoll mit seinen beinahe zehn Jahren von der ersten Idee bis
zum Kulturhauptstadt-Archipel ist das aktuellste, aber beileibe nicht
einzige 2010 sichtbare Beispiel für die Steherqualitäten Bauers. Die par-
allel zu den Atoll-Inseln auf dem Baldeneysee stattfindende Ausstel-
lung in der Ruhr-Atoll-Halle liefert den Beleg nicht nur in der Präsenta-
tion der Atoll-Modelle, sondern auch in der Installation „Grundstein-
kiste“. Im Jahr 1994 wuchs dieses als Benefizaktion initiierte Werk zu
einer 39 mal vier Meter messenden Wand, bestehend aus 400 Holz-
kisten mit jeweils drei Kalksandsteinen darin. Das Projekt mobilisierte
Künstler wie Günther Uecker, Markus Lüpertz, Elvira Bach oder den Alt-
meister des Informel, Emil Schumacher. Sie gestalteten und stifteten
die Dreierpakete als Grundsteine für ein Kunsthaus in einem stillge-
legten Langenberger Bahnhof. Die Kunsthaus-Initiative als solche wur-
de nicht vollendet, doch es entstand ein bemerkenswertes, in jeder Hin-
sicht museumsreifes Werk über den Tag hinaus.
Das Ensemble wirkt, aus der Ferne betrachtet, wie ein Patchwork-Wand-
teppich oder eine ins Riesenhafte vergrößerte Briefmarkensammlung.
Aus der Nähe gibt es als Momentaufnahme den Status quo der Kunst
der frühen 1990er Jahre wieder − nicht als eine Zusammenschau, son-
dern als ein Werk. Man stelle sich vor: Wie viele Telefonate, Briefe, Rei-
sen braucht es, um 395 Künstler und Künstlerinnen, darunter etliche
„Große Namen“ aus ganz Europa, dazu zu bringen, einen Beitrag für ein
künstlerisches Multiple abzugeben? Als das Patchwork 1994 stand, war
die Resonanz gewaltig: Die Kisten tourten innerhalb eines Jahres über
die Frankfurter Buchmesse, die Art Cologne, die Düsseldorfer Art Multi-
ple, zum Landesmuseum Bonn und zum Goethe-Institut nach Rotter-
dam. Bauer hatte seinen Weg, seine künstlerische Marke gefunden als
jemand, der Themen setzt und als Katalysator fungiert. Er tut dies mit
Sinn und Gespür für die jeweilige historische Lage, die dem Projekt eine
politische und gesellschaftliche Metaebene verleiht und Kunst im
besten beuysschen Sinne als Fahrzeug und Mittel für Nachdenken und
Erkenntnisgewinn nutzt. So thematisierte die Tuchfühlung 1 („Die Haut.
Das Gewand. Das Haus.“) den Niedergang der Tuchmacherstadt Lan-
genberg, die einst die reichste Gemeinde Preußens war. Hunderte von
Künstler-Segeln, in Bauer-Manier zusammengetragen, symbolisierten
Kraft, Chance und frische Brise in einer höchst ästhetischen, sinnlichen
Weise. Die Tuchfühlung 2 („Körperkontur“) ging den Menschen an und
unter die Haut − just zu jener Zeit, als in der Gentechnologie − agra-
risch, pharmakologisch − jener „point of no return“ überschritten wur-
de, aus der Forschung in die weltweite Verwertung zu gehen.
Warum hat nun Bauer in seinem Projekt zum Thema Energie auf dem
langen Weg zur Kulturhauptstadt diesen ausdauernden Atem bewie-
sen? Es war das Moment des „Von-hier-komm-ich-her“, das ihn nicht
unter die Räder kommen ließ. Geprägt hat ihn das Ruhrgebiet der
1970er Jahre, für das Gelsenkirchen „im Revier“ steht wie keine andere
Stadt. Das repräsentiert weder die krawallige Kumpeligkeit im Schi-
manskistil noch das „Bochum-ich-komm-aus-dir“-Pathos. Viel authen-
tischer und ganz still zeigen es zum Beispiel die Haferkamp-Tatorte mit
Hansjörg Felmy, die Wenders-Filme „Alice in den Städten“ und „Im Lauf
der Zeit“, Winkelmanns „Abfahrer“ oder die frühe Reportage von Karl-
heinz Jardner über den Karneval in Oberhausen, den „Mini-Kosmos der
Mega-Narren“, was die Ruhr-Welt jener bis in die Poren durchdrang.
Diese mit 8x4-Deo übertünchte Mixtur aus Kohle, Kohl, Betonstaub und
Pils, vor der eine in den Fünfzigern geborene Generation von „Typen“
Norbert Bauer mit sich in einem U-Boot
Norbert Bauer with himself in a submarine
Die Bauer‘sche Grundsteinkiste
Bauer’s “Grundsteinkiste”
(Ziegen-)Bock und Kurator
(Billy-)goat and curator
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nur Reißaus nehmen wollte. Nach Amsterdam, nach Griechenland und
natürlich nach Berlin. Der Ruhrgebietsmief brachte eine Reihe von
Künstlern, Musikern und Theatermachern hervor, die eine eigene Radi-
kalität entwickelten: Martin Kippenberger, Tom Mega (er drückte mit
Bauer die Berufsschulbank), Christoph Schlingensief, Thomas „Schnulli“
Koppelberg, Rolf Dennemann oder Helge Schneider. In jenen Jahren
ließ sich Bauer − bis dahin Schulabbrecher, gelernter Fotograf, Tramp,
“Art calls for calm and concentration if it is to be developed and lived
beyond the bounds of selfish interests. When this happens, art helps us
to live in a more human way. Art can also help people discover links and
structures in the growing complexities of their lives. It does this
through direct experience, which prompts attentiveness and reflection.
Above all, it deals with content and realities which are taboo, distorted
or seen as meaningless in the commonly accepted outlook of bourgeois
civilizations. Thus art is a foodstuff for society, just as food and drink
sustain the individual. Art is a reminder of the necessities of life: the
need for a broad and continuous learning how to pass on what has
been learned; and the need to stay mentally supple.
People always grasp the importance of art and culture when they get
into situations which prompt the question ‘why?’ Art is made by people
for people, and is recognized as such. This means it is based on the
practice of active sharing and informing. As a human being and artist, I
try to live up to this, and help to keep these varied sources alive for
future generations.”
SÄTzE zUR KUNST FüR SCHNELLLESER.ART EPIGRAMS FOR SKIM READERS.
Der Künstler Andreas M. Kaufmann besucht sein Kunstwerk auf der Werft. Artist Andreas M. Kaufmann surveys his work of art at the shipyard.
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EIN EISBERG UND DAS HEULEN DES POLARWINDES.AN ICEBERG IN A HOWLING POLAR GALE.
Auf dem Baldeneysee schwimmt ein Eisberg. Mächtig ragt er aus dem
Wasser. Ein orangefarbenes Zelt darauf – eingegraben in das ewige Eis –
zeugt von den Aktivitäten der Polarforscher. Nachts ist es beleuchtet.
Der Kölner Künstler Andreas Kaiser hat in Zusammenarbeit mit dem Phy-
siker und Polarforscher Dr. Lars Kindermann den schroffen Riesen zu
Wasser gelassen. Windheulen, Donnergrollen, Regenprasseln und Mee-
resrauschen schallen nachts vom Berg über den See. Die Naturge-
räusche machen auf die Zukunft der Energiegewinnung aufmerksam.
Sie verweisen auf regenerierbare Ressourcen, die sowohl Ziel aktueller
Energieforschung als auch Symbol für die zerstörende Wirkung der Kli-
maverschiebung sind. Während nachts der Forscher in seinem kleinen
Zelt auf einem Berg von gespeicherten Klimadaten nach Erkenntnis
sucht, bricht die Naturgewalt über ihn herein. Tagsüber ist die Scholle
begehbar. Jeweils vier Besucher können für einige Minuten das Innere
des Eisbergs betreten. In die schwimmende Skulptur ist ein Container
eingelassen, der ähnliche Ausmaße wie die PALAOA Messstation (Peren-
nial Acoustic Observatory in the Antarctic Ocean) des Alfred-Wegener-
Instituts (AWI) in der Antarktis hat. Wer durch den Gang in das Innere
des Berges vordringt, erlebt einen kühlen, verdunkelten Raum. Drei
Fenster stellen Fragen um den energetischen Aufwand künstlerischer
Forschung, die visuelle Transkription der Datenströme von PALAOA und
die Poesie der Datenspeicherung in Bremerhaven.
Andreas Kaiser über die Entstehung des Kunstwerks ICEBERG
„Zeitgleich mit der Anfrage von Norbert Bauer habe ich 2005 die Einla-
dung zu einer Ausstellung im Museum für Archäologie in Herne bekom-
men. Dort standen mir 400 Quadratmeter zur Verfügung, um zur paral-
lel stattfindenden ‚Klimaausstellung‘ ein künstlerisches Statement zu
liefern. Dagegen ist die Insel des Ruhr-Atolls fast überschaubar. Ich
habe die Fläche damals mit 25 Gewächshäusern bespielt. Jedes dieser
Glashäuser hatte orientiert an den Klimafaktoren sein eigenes Thema.
In einem schwamm ein kleiner Eisberg. Wenn man weiß, dass inzwi-
schen Hunderte Meter tief ins arktische Eis gebohrt wird, um dort die
Entstehungsgeschichte der letzten zwei Millionen Jahre zu erforschen,
dann schrumpft der Zeitraum des eigenen Lebens und Wirkens auf das
Minimale. Für mich liegt in diesem Phänomen eine große Spannung.
Damals habe ich mich sehr stark mit der Klimaforschung auseinanderge-
setzt und bin auf das AWI gestoßen. Lars Kindermann, Leiter der For-
schungsstation PALAOA in der Antarktis, war mein Wunschpartner für
das Ruhr-Atoll-Projekt, und der Austausch ist unglaublich belebend.
Das Perennial Acoustic Observatory in the Antarctic Ocean horcht durch
das überhängende Schelfeis hindurch in eine Gegend, in der mensch-
liche Geräusche nicht vorkommen. Ein visuell völlig unerforschtes
Gebiet wird so akustisch wahrnehmbar gemacht. Diese Sounds erzeu-
gen in unseren Köpfen ganz eigene Bildwelten, und die Daten werden
in Bilder übersetzt – ein für mich als Künstler besonders faszinierender
Moment. Was wir mit dem Ohr wahrnehmen, wertet das AWI in Wellen
und Diagrammen aus. Meine Installation liefert zunächst auch nur ein
Bild – einen Eisberg mit einem Zelt oben drauf. Aber immer dann, wenn
bei meinen Installationen Sound ins Spiel kommt, erreichen sie eine
Unmittelbarkeit, die von Bildern nicht generiert werden kann. Unser
visuell trainiertes Hirn kann Bilder locker ausblenden, den geheimnis-
vollen Lauten im Inneren des Eisbergs kann man sich nicht entziehen.
Die bildstarke Metapher vom einsamen Forscher oder Künstler im ewi-
gen Eis der Erkenntnis hat aber auch eine gesellschaftliche Komponen-
te. Kann der Einzelne im Rückzug und den Kräften der Natur ausgelie-
fert bestehen? Kann ich mich vor den bohrenden Fragen um die Zukunft
unserer Ressourcen in mein Zelt zurückziehen und darauf warten, dass
es bald besser wird? Können Messergebnisse das Handeln bestimmen,
oder sind es nicht letztlich mediale Ereignisse, die Veränderungen errei-
chen? Der Kontrast zwischen ‚natürlichen Ressourcen‘ wie dem Eisberg
und dem menschlichen Eingriff durch die künstlerische Imitation macht
aber auch auf das kulturelle Verständnis einer westlich-kapitalistischen
Wertegesellschaft aufmerksam, die den Menschen nicht als Teil der ihn
umgebenden Welt definiert. Die Aufgabe der Kunst ist es, Fragen erst
zu stellen und damit an deren Lösung zu arbeiten!“
Dr. Lars Kindermann über seine Forschungsarbeit
„Das Meer unter den mehrere Hundert Meter dicken Schelfeisen der
Antarktis ist einer der unerreichbarsten Orte der Welt. Diese schwim-
menden Eisschilde bilden die Schnittstelle der südlichen Kryosphäre
zum Weltozean. Vor Jahrtausenden gefallener Schnee strömt in ihnen
nordwärts und kehrt als kalbende Eisberge zurück in den globalen Was-
serkreislauf. Diese Grenze ist nicht nur für das Weltklima von entschei-
dender Bedeutung, hier liegt auch eines der biologisch produktivsten
Gebiete der Erde. Die im Sommer 24 Stunden scheinende Sonne ernährt
in einer extrem kurzen Nahrungskette über Algen und den Krill die größ-
ten Vorkommen von Meeressäugern weltweit. Wie reagieren Wale und
Robben auf abbrechende Eismassen? Wie sehen die Wanderrouten aus?
Dies kann mithilfe von unter dem Eis angebrachten Hydrofonen er-
forscht werden. Man stellt sich immer vor, unter Wasser sei es so sam-
tig, schwarz, ruhig. Aber das ist überhaupt nicht so. Die Horchstation
PALAOA zeichnet alle Geräusche im Wasser unter dem Eckström-Schelf-
eis auf und sendet sie per Satellit direkt an die Computer unserer Wis-
senschaftler in Bremerhaven.
Wir tauchen ein in eine fremde, nur durch das Ohr erfahrbare Welt. Die
Gesänge der Robben vermitteln ein Gefühl tobenden Lebens. Von Zeit
zu Zeit werde ich aufgeschreckt durch das Grollen von vorbeitreibenden
Eisbergen. Wenn die Milliarden Tonnen schweren Kolosse am Rand des
Kontinentes kratzen, erzeugt das mit die lautesten natürlichen
Geräusche überhaupt.
Viele fragen sich, welche Aussagekraft diese Daten haben. Mehr als
eine Million Großwale wurden in der Zeit des kommerziellen Walfanges
erlegt, allein etwa 350.000 Blauwale. In der aufblühenden Industriege-
sellschaft war Walöl einer der wichtigsten Rohstoffe, bis er vom Erdöl
verdrängt wurde. Heute leben noch 700, vielleicht auch 7.000 Tiere die-
ser Art. Ihre tiefen Rufe, einst der lauteste von Lebewesen erzeugte
Klang, hören wir in PALAOA aus Hunderten Kilometern Entfernung. Wie
viele gibt es tatsächlich noch? Welchen Einfluss nehmen wir heute auf
Dr. Lars Kindermann im ewigen Eis
Dr. Lars Kindermann in perpetual ice
Andreas Kaiser (l.) und Lars Kindermann warten auf Strom für den Mediencontainer im Innern ihrer Insel.
Andreas Kaiser (left) and Lars Kindermann wait for the electricity to come on for the media container.
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diese Art? Übertönt das Geräusch der sie längst an Zahl und Lautstärke
übertreffenden Containerschiffe und Öltanker ihre Paarungsrufe? Wird
die Art überleben?
PALAOA ist vor allem wegen der Energieversorgung eine Herausforde-
rung. Es gibt an der Eiskante keine Steckdose. Sonne und Wind versor-
gen die Station rund ums Jahr mit Energie. In der monatelangen Polar-
nacht bei bis zu minus 50 Grad Celsius schaltet eine intelligente Steue-
rung Messgeräte bei Windstille zeitweise aus. Wie alle Lebewesen hier
lernt man als Forscher, mit den natürlichen Ressourcen über den Winter
zu kommen. Viele der Klänge, die unsere Hydrofone unter dem Eis auf-
fangen, können wir nicht erklären. Stammen sie vom Eis? Von Lebewe-
sen? Vom Menschen? Gibt es da eine prinzipielle Unterscheidbarkeit?
Kann ein Künstler darauf Antwort geben?“
An iceberg floats on Lake Baldeney, towering majestically above the
water. An orange-coloured tent is pitched on top – dug in to the perma-
nent ice. It is a sign that polar researchers are at work. The berg lights
up at night. Cologne-based artist Andreas Kaiser laboured in tandem
with physicist and polar researcher Dr. Lars Kindermann to bring this
hulking colossus to the water. A howling gale, rumbling thunder, beat-
ing rain and roaring waves echo over the lake from the iceberg at night.
These natural sounds are suggestive of the future of power generation.
They remind hearers of the regenerative energy sources now being
researched. But they also symbolize the destructive impact of climate
change. As the researcher weathers the night in his small tent, trawling
a mound of stored climate data for knowledge, the might of nature
makes its presence felt. By day, the ice floe is accessible on foot.
Four visitors at a time can spend a few minutes exploring the iceberg’s
interior. The floating sculpture incorporates a container of similar
dimensions to PALAOA, the Alfred Wegener Institute’s Perennial Acous-
tic Observatory in the Antarctic Ocean. Those who venture down the
gangway into the iceberg find themselves in a cool, darkened room.
Three windows pose questions about energy input to experimental art,
the visual transcription of data flows from PALAOA, and the poetry of
data storage in Bremerhaven.
Andreas Kaiser about the origin of his piece of art
“Coinciding with Norbert Bauer’s inquiry, in 2005 I received an invita-
tion to exhibit at the Westphalia-Lippe Museum for Archaeology in
Herne. The space at my disposal was 400 square metres, in which I was
to provide an artistic statement, parallel to an exhibition on climate.
The space on the Ruhr Atoll island is cramped in comparison. At the
time, I filled that space with 25 glasshouses. Each greenhouse had its
own subject, oriented towards climate factors. One of them had a small
iceberg floating inside. Since then, they have bored hundreds of metres
into the Arctic ice, to trace the pattern of evolution over the past two
million years. When I realize this, the span of my own life and influence
shrinks to next to nothing. I find this phenomenon really exciting. At
the time, I became deeply involved in climate research and came across
the Alfred Wegener Institute. Lars Kindermann, the head of the PALAOA
research station in the Antarctic, was my partner of choice for the Ruhr
Atoll project. Our exchange of ideas has been incredibly invigorating.
The Perennial Acoustic Observatory in the Antarctic Ocean listens
through the overlaid shelf ice, in a region where human noise does not
occur. Visually, the area is completely unexplored, but sound brings it
within range. Our minds respond to these sounds with unique imagery.
For me, as an artist, the translation of acoustic data into pictures is a
moment of special fascination. The Alfred Wegener Institute uses
waves and diagrams to evaluate what we hear with our ears. In the first
instance, my installation conveys only one image – an iceberg with a
tent pitched on top. But whenever sound plays a role in my installa-
tions, they gain an immediacy which pictures cannot create. Our visual-
ly trained brains can easily fade out images. But there is no evading the
mysterious sounds from within the iceberg.
There is also a social element to the expressive image of the solitary
researcher or artist in the permanent ice of knowledge. Can the retiring
individual, exposed to the forces of nature, survive? Faced with the
insistent questions of the future of our resources, can I withdraw into
my tent and wait for a speedy improvement? Can measured results
prompt action, or are not media events the prime movers of change?
However, the contrast between ‘natural resources,’ such as the iceberg,
and human intervention through artistic imitation, also highlights the
cultural understanding of a western society founded on capitalist val-
ues. Such a society does not define human beings as part of the world
around them. Art’s primary task is to ask questions; then set to work
answering them!”
Dr. Lars Kindermann about his research project
“The shelf ice of the Antarctic is several hundred metres thick. The sea
beneath it is one of the most inaccessible places on earth. These float-
ing plates of ice form the interface between the southern cryosphere
and the world’s ocean. Snow which fell thousands of years ago flows
northwards in this sea, and returns to the global water cycle in the form
of calving icebergs. This frontier area is not only of decisive importance
to the world’s climate. It is also one of the most biologically productive
regions on earth. Shining 24 hours a day in summer, the sun nurtures
the world’s most abundant marine mammal life, in an extremely short
food chain via algae and krill.
How do whales and seals react to ablating ice masses? What is the
impact on migration routes? Hydrophones, installed under the ice, can
explore these questions. The underwater world is often thought of as
soft, dark and quiet. But this is not so at all. The PALAOA listening sta-
tion records all noises in the water under the Ekström shelf ice and
transmits them direct by satellite to our scientists’ computer in Bremer-
haven. We find ourselves immersed in a world perceptible only by ear.
The calls of the seals convey a sense of teeming life. From time to time I
am startled by the rumble of passing icebergs. When the billion-ton
masses shear off the edge of the continent, it generates the loudest
noises possible in the natural world.
Many people question what meaning such data can have. More than a
million great whales were hunted and killed in commercial whaling era;
the figure for blue whales was only around 350,000. In burgeoning
industrial society, whale oil was one of the most important commodi-
ties, until it was superseded by petroleum. Today 700, or possibly even
7000, of these whales survive. At PALAOA we hear their deep calls,
once the loudest sound produced by a living organism, echoing across
distances of hundreds of kilometres. How many of them still exist?
What influence do we still have on this species? Does the rumble of the
container ships and oil tankers, which have long overtaken them in
number and acoustic output, drown their mating calls? Will the species
survive? The greatest challenge facing PALAOA is power supply. There
is no electricity socket on the edge of the ice. Sun and wind are the sta-
tion’s energy sources, all the year round. The polar night lasts for
months, at temperatures as low as –50 °C. In these conditions, an intel-
ligent control temporarily switches measuring instruments off when
there is no wind. Like all living beings here, researchers learn to rely on
the resources of nature to get through the winter. Our hydrophones
under the ice pick up many sounds which we cannot explain. Do they
come from the ice? From living beings? From humans? Are they distin-
guishable in principle? Can an artist answer these questions?
Künstler, Insel-Paten, Wissenschaftler … Artists, island sponsors, scientists … … und kleine Gäste auf der Matinée … and small visitors at the matinée
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„Ich war sehr glücklich, dass mir der ICEBERG als Patenkind zugespro-
chen wurde. Denn auch für meine Tätigkeit im Produktmanagement der
RWE Effizienz GmbH habe ich mich sehr bewusst entschieden. Da wol-
len wir ganz entscheidende Dinge zur Energieversorgung der Zukunft
bewegen, und gerade in Bezug auf dieses Thema muss die Kreativität
noch angeregt werden. Viele Dinge sind dabei nicht neu, und trotzdem
müssen wir sie neu anpacken. Das muss besser gehen, das muss schnel-
ler gehen, das muss anders gehen. Was das konkret heißt, weiß ich in
manchen Bereichen heute noch nicht. Aber die Auseinandersetzung mit
der Kunst ist sicherlich hilfreich, eingefahrene Wege zu verlassen. Ich
möchte an dieser Stelle auch betonen, dass nicht ich allein die Paten-
schaft für den Eisberg übernehmen werde, sondern dass ich mich für
mein ganzes Team beworben habe. Denn das ganze Team soll die
zukünftigen Energie-Effizienz-Produkte mit den Zielen Klimaschutz und
CO2-Einsparung entwickeln, und da kann durch Kreativität nur ein posi-
tiver Anschub erfolgen.
I was very happy to be allocated the Iceberg as my ‘godchild.’ My job in
product management at RWE Effizienz GmbH was also a quite deliber-
ate choice. The division wants to make decisive moves towards the
energy supply of the future. And it’s necessary to deploy greater crea-
tivity on this subject. Many of the issues are not new. Nevertheless, we
have to adopt a new approach. Things must go better, things must go
faster, things must go differently. In many areas, I do not yet
know what this entails in practical terms. But it cer-
tainly helps to engage with art if you need to
depart from the tramlines. At this point I
would emphasize, too, that I won’t be han-
dling the Iceberg sponsorship on my own,
but applied to do so with my whole team.
The whole team will be developing energy
efficiency products in future, with the
aims of developing climate protection
and saving CO2 emissions. Creativity can
only lend positive impetus to this.”
Die Ponton-Träger-Konstruktion (links) und die ICEBERG-Insel-Hülle stehen zur Montage bereit. Ein Kran hievt am Ufer des Baldeneysees das ICEBERG-Skelett auf die
Insel-Basis (Bild unten). Ready for assembly: the pontoon support structure (left) and the shell of the ICEBERG island. A crane on the bank of Lake Baldeney heaves
the ICEBERG framework on to the island base (pictured below).
Claudia Schmies, RWE Effizienz
GmbH, ist ICEBERG-Patin.
Claudia Schmies, RWE Effizienz
GmbH, Product Management Divi-
sion and ICEBERG sponsor
Dr. Max Voß, RWE AG, Bereich
Forschung und Entwicklung –
ICEBERG-Pate
Dr. Max Voss, RWE AG
Research and Development
Division and ICEBERG sponsor
„Zu meinem ‚Patenkind‘, dem ICEBERG, habe ich ein ganz besonderes
Verhältnis. Denn bevor ich meine Stellung bei der RWE AG antrat, habe
ich auch eine Zeit lang beim Alfred-Wegener-Institut gearbeitet und
war selbst im Jahr 2000 in der Antarktis auf der Neumeyer-Station. Lars
Kindermann kannte ich sogar von früher. Der Eisberg als Kunstwerk
symbolisiert das Thema Klimaschutz und in diesem Zusammenhang die
Beobachtungen an den Polkappen. Obwohl der Kunstwerk-Eisberg, weil
er ein künstlicher Eisberg ist, nicht schmilzt, stellt er die Vergänglichkeit
dar. Ich sehe in dem Kunstwerk dadurch eine direkte Verbindung zu
RWE als Energieunternehmen. Klimaschutz gewinnt für uns eine immer
größere Bedeutung. Emissionsreduzierung ist ein ganz wichtiges, aktu-
elles Thema!
I enjoy a special relationship with my ‘godchild,’ the Iceberg. In fact,
before I took up my present post at RWE AG, I spent some time working
with the polar researchers, the Alfred Wegener Institute. In 2000 I was
at the Neumeyer Antarctic station myself, having already met the physi-
cist, Lars Kindermann. The Iceberg, as a work of art, is symbolic of cli-
mate protection and the climate-related observation of the polar ice
caps. Although the art ‘Iceberg’ is an artificial construct and does not
melt, it does stand for impermanence. I therefore see this work of art as
direct linked to RWE as a utility. Climate protection is of growing impor-
tance to us. Cutting emissions is a vital, hot topic!”
46 WWW.ENERGIEKULTURRUHR.DE RUHR.2010 – DIE PROJEKTE DER RWE 47
SPREcHEN SIE WaLIScH?DO yOU SPEaK WHaLE?
PALAOA steht für PerenniAL Acoustic Observatory in the Antarctic Oce-
an. Palaoa ist aber auch das hawaiianische Wort für Wal. Und tatsäch-
lich zeichnen die Forscher auf der Station in der Antarktis mithilfe hoch-
sensibler Unterwassermikrofone die Gesänge dieser Meeresriesen auf.
Überhaupt ist es in den Ozeanen nicht so still, wie wir Menschen mei-
nen: Robben und Wale singen, pfeifen und jubilieren. Eisberge und
Schollen dröhnen und rumpeln. Die Experten des Alfred-Wegener-Insti-
tuts (AWI) erforschen, welche Rolle die Akustik unter Wasser spielt.
Inzwischen verstehen sie nicht nur Walisch, sie können auch verschie-
dene Robbendialekte unterscheiden.
Das Observatorium – ein kleiner Forschungscontainer – ist unbemannt.
Es steht unweit der Station Neumayer III auf dem Schelfeis der Akta-
bucht in der Antarktis. Von hier aus werden alle akustischen Signale aus
der Unterwasserwelt aufgezeichnet. Im antarktischen Ozean leben ver-
schiedenste Meeressäuger – darunter Schwertwale und Blauwale, die
größten Tiere der Erde. Sie kommunizieren, jagen und navigieren mithil-
fe von Lauten. Da im antarktischen Winter fast völlige Dunkelheit
herrscht, sind biologische Untersuchungen dort nur eingeschränkt
möglich. PALAOA ist jedoch von den Sichtverhältnissen unabhängig
und nimmt das ganze Jahr über 24 Stunden am Tag auf, was tief unter
dem Schelfeis im Wasser vor sich geht. Nicht nur die Stimmen der Mee-
resbewohner sind zu hören, die Tiere sind auch von einer ständigen
Geräuschkulisse umgeben: Eisschollen reiben aneinander und treiben
durchs Meer, große Stücke Schelfeis stürzen tosend ins Wasser; und
zweimal im Jahr schippert die „Polarstern“ vorbei, um die Neumayersta-
tion zu versorgen. Alle diese Ereignisse hinterlassen Spuren auf den
Aufzeichnungen.
Nur der Vorratskeller des rastlosen Abenteurers Ernest Shackleton
(1874–1922) – randvoll gefüllt mit Hochprozentigem – hatte stumm sein
ungewöhnliches Lagergut über ein Jahrhundert lang geborgen. Teilneh-
mer einer Expedition entdeckten im Februar 2010 im Packeis der Ant-
arktis fünf Kisten mit Whisky- und Cognacflaschen, die dort schlum-
merten. Experten bezeichneten den Fund als „Geschenk des Himmels“
für Whisky-Liebhaber. Die Rezepte der alten Sorten existierten teilweise
nicht mehr. Oder sind die teuren Stücke doch auf den Aufzeichnungen
zu hören? Vielleicht als wohlig sanftes Gluckern? (ko)
PALAOA stands for PerenniAL Acoustic Observatory in the Antarctic
Ocean. But Palaoa is also the Hawaiian word for whale. In fact the
researchers at the Antarctic station do record the calls of those levia-
thans, via highly sensitive undersea microphones. The ocean is not
nearly such a quiet place as we humans imagine. Seals and whales sing,
pipe and make merry. Icebergs and floes boom and rumble. The experts
of the Alfred Wegener Institute (AWI) are finding out what role acous-
tics play under water. They not only understand whale-speak; they can
also distinguish between various seal dialects.
The observatory is a small research container and is unmanned. Not far
away is the Neumayer III station, perched on the shelf ice of Akta Bay in
the Antarctic. PALAOA itself records all audible signals from the under-
water world. A wide variety of sea mammals live in the Antarctic Ocean,
including orcas and blue whales, the biggest mammals on earth. They
communicate, hunt and navigate by means of sounds. A feature of the
Antarctic winter is near-total darkness, which places a constraint on bio-
logical investigation. But PALAOA is not dependent on conditions of
visibility, and records whatever occurs deep below the shelf ice in the
water, 24 hours a day, 365 days a year. The voices of the denizens of
the deep are not the only sounds to be heard. Constant background
noise surrounds the mammals. Ice floes rub against each other and
travel over the waves; great lumps of shelf ice drop into the water with
a roar; and, twice a year, the “Polarstern” supply ship chugs past on its
way to the Neumayer station. All these events leave their marks on the
recordings.
Only the storage cellar of the restless adventurer Ernest Shackleton
(1874–1922), crammed full of powerful drink, kept its unusual contents
in silence for more than a century. In February 2010, members of an
exhibition discovered five crates of bottled whisky and cognac – the
best-kept secret of the Antarctic pack ice. Experts rated the find a
‘heaven-sent gift’ for whisky connoisseurs. Some of the recipes for
these old varieties had been lost. Or can these expensive items actually
be traced on the recordings? Do they come across as a blissful, gentle
gurgling? (ko)
Die Messstation PALAOA in der Antarktis
Observatory PALAOA in the Antarctic Ocean
Larsen B Eisschelf
The Larsen B ice shelf
Driftender Eisberg
Iceberg adrift
Die Polarstation Neumayer III wurde nach dem deutschen Polarforscher Georg von Neumayer (1826–1909) benannt.
Polar station Neumayer III: named after German polar explorer Georg von Neumayer (1826–1909)
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ICEBERG FERTIG AUF DEM SEE!! KOMMT NACH DEM 12.5.
Andreas Kaiser / Lars Kindermann: ICEBERG
50 WWW.ENERGIEKULTURRUHR.DE RUHR.2010 – DIE PROJEKTE DER RWE 51
EIN FROSCH, EIN TEEMEISTER UND DIE SYMBIOSE AUS SPIRITUALITÄT UND ÖKOLOGIE.FROG, TEA MASTER AND ECO-SPIRITUAL SYMBIOSIS.
Das Projekt ist ein west-östlicher Dialog über das Wohnen auf unserem
Planeten. Es fasst in einem stillen Bild auf dem Wasser die Grundbedürf-
nisse eines jeden Menschen zusammen: Was brauchen wir denn wirk-
lich? Antwort: einen festen Boden unter den Füßen, ein Dach über dem
Kopf, den Kreislauf des Wassers. Thematisiert wird dies mit Verweisen
auf das Ruhrgebiet, mit einem japanisch anmutenden Teehaus (ein Ort
der inneren Einkehr) mit seiner großen Schale (ein Urbild für die Gegen-
wart des Menschen) und einem Gemüsegarten hinterm Haus, einer
schon fast vergessenen Selbstverständlichkeit gerade im Ruhrgebiet.
Kazuo Katase aktualisiert hier sein Projekt „Apokalypse Amazonas“ von
1992 für die Ausstellung „Arte Amazonas“ in Rio de Janeiro, anlässlich
des UN-Erdgipfels. Die Künstler sollten die Probleme des Regenwaldes
in ihre Kunstprojekte einbeziehen, Brücken zwischen Mensch und Natur,
zwischen Sinnlichkeit und Geist schlagen. Beim Ruhr-Atoll wird diese
Arbeit über Mensch und Natur im Dialog „Frosch und Teemeister“ fort-
geführt, einem Inselprojekt, welches von menschlicher und von der Fos-
silenergie dieser Region, aber auch von Zukünftigem erzählt. Spirituali-
tät und Ökologie werden zu einer Symbiose zusammengeführt, und ein
Inselprojekt wird aus der Froschperspektive gedacht und entworfen.
Kazuo Katase: „In der Kontinuität lebt die Zeitlosigkeit. In ihr öffnet sich
das Innere nach außen und gestaltet Natur.“ 2004 lud Kazuo Katase den
The project is an east-west dialogue about living on our planet. In an
image of water-borne tranquillity, it encapsulates the basic needs of
any human being. What do we really need? Answer: firm ground to
tread on, a roof over our heads, and the water cycle. The project links
these themes to the Ruhrgebiet. A Japanese-style tea house (a place of
inner contemplation) features a large bowl (an archetype of humanity’s
present moment). Behind the house is a vegetable garden, something
which was once commonplace here in the Ruhr, but is nowadays almost
forgotten.
Here Kazuo Katase updates his “Apocalypse Amazonia” project, origi-
nally created in 1992 for the “Arte Amazonas” exhibition in Rio de
Janeiro, to coincide with the United Nations Earth Summit. The artists
were required to incorporate the problems of the rain forest in their
projects, to build bridges between man and nature, between the mate-
rial and the spiritual. The “Frog and Tea Master” dialogue at the Ruhr
Atoll follows on from this work on humanity and nature. The Ruhr Atoll
is an island project which tells the story of this region’s human and fos-
sil energy, while also looking to the future. It brings spirituality and
ecology into symbiosis. This island project is conceived and designed
from the frog’s perspective. As Kazuo Katase notes, “timelessness lies
in continuity. That is where the inner self opens out and shapes nature.”
In 2004 Katase invited “building frog” Michael Wilkens (an architect) to
join him in this dialogue. The Building Frogs (“Baufrösche”) are a team
founded in 1978, who approach home building “from the frog’s per-
spective” and describe their business as “living completely.” They add,
“even a fifth-floor flat is incomplete without a little garden (and the
chance to potter about outside the flat). Carrots don’t have to be trans-
ported halfway round the globe.” Wilkens and his wife, landscape
designer Heidrun Hubenthal, are working to promote urban agriculture
and to make collective (cross-cultural) gardens possible. Common to all
these “garden initiatives” is the fun of doing things together, a wish for
social organization, and a taste for healthy fruit and vegetables. Their
action befits the philosophy of the Indian poet Rabindranath Tagore:
“Fools make haste, the clever wait, the wise go into the garden.”
A gangway links two pontoons, each ten metres square. One pontoon
supports the teahouse and its big bowl; a vegetable garden with ten
planters has been laid out on the other. Water is pumped by solar pow-
er to a tank positioned at the top of a tower structure in the middle of
the teahouse. This gravity tank supplies the ten planters of vegetables
with water. Any surplus water flows over the roof into a gutter, thence
to the bowl and back into the lake.
Architekten und „Baufrosch“ Michael Wilkens ein, mit ihm diesen Dialog
zu führen. Denn die „Baufrösche“ beschäftigen sich seit ihrer Gründung
1978 mit einem Wohnungsbau „aus der Froschperspektive“ – und dem,
was sie „Vollständiges Wohnen“ nennen: „Jede Wohnung, auch die im
5. Stock, ist ohne einen kleinen Garten (und eine Möglichkeit zum Wer-
keln außerhalb der Wohnung) unvollständig. Und die Karotten müssen
nicht um den halben Globus transportiert werden.“ Zusammen mit sei-
ner Frau, der Landschaftsplanerin Heidrun Hubenthal, setzt sich Wil-
kens für eine urbane Landwirtschaft und die Ermöglichung kollektiver
(interkultureller) Gärten ein. All diese „Garteninitiativen“ eint die Freude
am gemeinsamen Tun, der Wunsch nach sozialer Organisation und nach
gesundem Obst und Gemüse. Sie handeln im Sinne des indischen Philo-
sophen und Dichters Rabindranath Tagore: „Narren hasten, Kluge war-
ten, Weise gehen in den Garten.“
Zwei zehn mal zehn Meter große Pontons sind durch einen Steg verbun-
den. Der eine trägt das Teehaus und die große Schale, auf dem anderen
ist ein Garten mit zehn Gemüsebeeten angelegt. Eine solar angetrie-
bene Wasserpumpe füllt einen Wassertank, der auf einem Förderturm
im Zentrum des Teehauses platziert ist. Dieser Schwerkrafttank ver-
sorgt die zehn Gemüsebeete mit Wasser. Das Überflusswasser fließt
über das Dach in eine Regenrinne, dann in die große Schale und von
dort in den See zurück.
Das Teehaus war bereits im Sommer 2009 fertig, diente unter anderem als Bühne für eine Tanzperformance, und wurde dann demontiert und zwischengelagert.
The Tea House was ready early – by summer 2009 – and served as the stage for a dance performance. Then it was dismantled and placed in interim storage.
52 WWW.ENERGIEKULTURRUHR.DE RUHR.2010 – DIE PROJEKTE DER RWE 53
„Ich habe mir das Teehaus ausgesucht, weil es sich mit Energie im
zyklischen Sinne beschäftigt. Dieser Aspekt ist auch Teil meiner täg-
lichen Arbeit: Bei den Wasserkraftwerken wird Energie durch Kreislauf-
systeme erzeugt. Katase legt, glaube ich, besonderen Wert darauf, die
östliche der westlichen Kultur gegenüberzustellen, die Schrebergarten-
mentalität mit den vielen kleinen Pflanzen und Blumenkästen mit der
kontemplativen Wirkung des Teehauses zu kontrastieren. Deshalb darf
das Teehaus übrigens auch nicht betreten werden. Die Besucher dürfen
es vom Boot aus – quasi aus der Froschperspektive – nur anschauen. So
regt die Anschauung eine Sehnsucht an. Die Sehnsucht, das Teehaus
betreten zu wollen und die Ruhe genießen zu können. Mich begeistert
es, Teehaus-Patin zu sein, weil ich mich sehr für fernöstliche Traditionen
interessiere. Ich betreibe zum Beispiel auch Aikido, eine japanische
Kampfsportart.
I singled out the teahouse because it deals with energy in the cyclical
sense. This aspect is also part of my daily work. The basis of power gen-
eration in hydro-electric plants is the natural cycle of the renewable
energy sources. As I understand it, Katase makes a point of comparing
oriental and western culture, contrasting the allotment mentality with
the many small plants and planters, with the contemplative effect of
the teahouse. That is why the teahouse is out of bounds. Visitors can
only look at it from the boat – almost a frog’s-eye view. So the viewing
creates a longing – a desire to go inside the teahouse and savour its
calm. I am an enthusiastic teahouse sponsor, because I am
interested in far-eastern traditions. For exam-
ple, I also practise Aikido, a Japanese mar-
tial art.”
Das Kunstwerk von Kazuo Katase nahm umter anderem durch die Beteiligung der Qualifizierungs- und Beschäftigungs-Initiative „Essener Konsens“ (Bilder oben) und
mit Unterstützung von Heidrun Hubenthal, Landschaftsplanerin und Dozentin, Gestalt an. Kazuo Katase’s work of art was shaped by the involvement of “Essener
Konsens” (a qualification initiative for unemployed people – pictured above) and supported by landscape planner and lecturer Heidrun Hubenthal.
„Ich befinde mich noch in einem Kennenlern-Prozess gegenüber
meinem Kunstwerk. Es war sehr hilfreich, mit dem Künstler selbst über
sein Werk sprechen zu können. Was mir an dem Werk ‚Frosch und Tee-
meister‘ besonders gefällt, ist die Harmonie, die es ausstrahlt. Im
Gegensatz zu den anderen – in meinen Augen eher spektakulären –
Kunstwerken ist ‚Frosch und Teemeister‘ eine sehr schöne Ergänzung zu
dem Themenfeld ‚Energie und Kunst‘. Für mich, der sonst ja nur die
Gelegenheit hat, ‚fertige‘ Kunstwerke zu betrachten, ist es sehr interes-
sant, den Entstehungsprozess des Ruhr-Atolls hautnah miterleben zu
können – von den ersten Skizzen über die Arbeit in den Werkstätten bis
zum Stapellauf. Ich appelliere an meine Kollegen und Freunde, sich ein-
mal auf diese Art von Kunst einzulassen, zum See zu kommen, sich das
Ruhr-Atoll anzuschauen und das gesamt Ensemble auf sich wirken zu
lassen.
I’m still getting to know my art work. Being able to talk to the artist
about his work was really helpful. Something I specially like about the
work ‘Frog and Tea Master’ is that it radiates harmony. Unlike the other
works of art – which I see as pure spectacle – ‘Frog and Tea Master’ apt-
ly complements the subject-matter of ‘energy and art.’ Otherwise, I
have only ever had the opportunity to view ‘finished’ works of art. So I
find it ever so interesting to be able to follow the Ruhr Atoll’s progress
at close quarters – from rough sketches through the workshop stages to
the final launch. And I do urge my friends and colleagues to open them-
selves to this kind of art, come to the lake, see the Ruhr Atoll, and allow
the ensemble to work on them.”
Kathrin Schmelter, RWE Power
AG, Abteilung Steuerung und
Betrieb Wasserkraftwerke
Kathrin Schmelter, RWE Power
AG, Hydro Plant Control and
Operation Division and teahouse
sponsor
Achim Schillak, bei der
RWE Effizienz GmbH verant-
wortlich für das Portal
www.energiewelt.de und
Teehaus-Pate
Achim Schillak, responsible
for the portal www.energie-
welt.de at RWE Effizienz
GmbH and teahouse sponsor
Heidrun Hubenthal: „Wir leben in einer globalisierten Welt. Und was haben wir gewonnen? Dass wir im Frühjahr Trauben aus Südafrika oder Indien oder das ganze
Jahr über knackige Äpfel bekommen. Was haben wir aber verloren? Wir haben die Freude verloren, dass wir, wenn wir etwas säen, auch etwas ernten können.“ Hei-
drun Hubenthal: “We live in a globalised world. And what have we gained? Grapes from South Africa or India in Spring, or crisp apples all year round? But have we
lost as well? We have lost the satisfaction of reaping what we have sown.”
54 WWW.ENERGIEKULTURRUHR.DE RUHR.2010 – DIE PROJEKTE DER RWE 55
Der bildende Künstler Kazuo Katase kam 1975 aus seiner Heimat Japan
nach Deutschland, um hier zu leben und zu arbeiten. Erst durch das
Zurücklassen der Heimat, in der Distanz zu Japan konnte er sein eigenes
Erbe tatsächlich entdecken, es durch einen Prozess der Entfremdung
von den Schlacken der Konvention reinigen und mit eigenem Sinn
erfüllen. In der intensiven Beschäftigung mit der europäischen Geistes-
geschichte fand er Spiegelungen seiner persönlichen, vermeintlich
asiatischen Weltvorstellung. Seine Arbeit ist dadurch zu einer ein-
drucksvollen Synthese westlichen und östlichen Denkens geworden.
Die menschliche Situation sei bei Katase durch die Suche nach einer
Lebensmitte gekennzeichnet, die es erlaube, die Spannung zwischen
Individuum und Gesellschaft und die Verwirrung durch die sich vielfach
ändernden Erscheinungen zu überwinden, schreibt Heinz Liesbrock
über ihn. Seine Arbeiten sind genauso einfach wie vielschichtig struktu-
riert. Er stützt sich auf eindringliche, leicht zugängliche Bilder, die
direkt oder auf symbolischer Ebene Grundsituationen menschlichen
Lebens ansprechen: Gemeinschaft und Individuum, Fremdheit und
Nähe, Geburt und Tod. „Er ist ein Reisender, und auf seinen Reisen ist
das Schauen sein Terrain: eine bedingungslose Anschauung, die nichts
sucht und der sich gerade deshalb etwas zeigen kann. Grundsätzlich ist
alles, was ihm begegnet, fähig, seine Bedeutung aufzunehmen – eben
weil es ist. So führen die Bilder auch in die Welt zurück.“
In 1975 the fine artist, Kazuo Katase, moved from his home country of
Japan to Germany to live and work. He was only really able to discover
his own heritage at a distance from Japan, by leaving his home country
Michael Wilkens, Architekt und Gründer des Planungsteams „Baufrö-
sche“, hat die Philosophie dieses außergewöhnlichen Architekturbüros
entscheidend geprägt. Die Baufrösche verstehen sich als „Konzeptema-
cher“, und Konzepte sind für sie Vorschläge, wie die Welt an der von
ihnen zu bearbeitenden Stelle durch Bauen (oder auch Nichtbauen) ver-
bessert werden könnte. Fachliche Unbefangenheit und das Bewusst-
sein, dass es kein „bestes Konzept“ geben kann, prägen die Arbeit der
Gruppe. Ein weiterer wichtiger Aspekt des „Konzeptemachens“ ist die
Orientierung am Begriff der „gestuften Öffentlichkeit“. Das bedeutet,
dass Räume und Flächen so deutlich gegeneinander abgegrenzt sind,
dass sie von Einzelnen oder Gruppen besetzt werden können und darü-
ber die Bildung von Nachbarschaften erleichtert wird. Weitere Leitsätze