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Hochschule Lausitz Fachbereich Sozialwesen Studiengang Soziale Arbeit/ Sozialpädagogik Bachelorarbeit Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung Erstgutachter: Prof. phil. habil. Hans Norbert Pütter Zweitgutachterin: Dr. phil. Petra Schmidt- Wiborg vorgelegt von: Linda Kaiser Matrikel-Nr.: 282333 Cottbus, 18. Mai 2011
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Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Feb 03, 2023

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Page 1: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Hochschule Lausitz

Fachbereich Sozialwesen

Studiengang Soziale Arbeit/ Sozialpädagogik

Bachelorarbeit

Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien

im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Erstgutachter: Prof. phil. habil. Hans Norbert Pütter

Zweitgutachterin: Dr. phil. Petra Schmidt- Wiborg

vorgelegt von:

Linda Kaiser

Matrikel-Nr.: 282333

Cottbus, 18. Mai 2011

Page 2: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Abstract

Diese Bachelorarbeit befasst sich mit Sozialarbeit mit türkischen Eltern im

Zusammenhang mit Zwangsverheiratung. Im Hauptteil werden folgende Fragen

beantwortet: Ist Elternarbeit in dieser Situation überhaupt möglich? Wie kann so eine

Zusammenarbeit in verschiedensten Einrichtungen (Mädchentreff, Beratungsstelle,

Wohnprojekt) aussehen? Dabei stehen Beratungsansätze und die Meinungen der

Professionellen im Vordergrund. Was kann man mit Elterngesprächen erreichen? Kann

man die Betroffenen vor einer Zwangsehe schützen? Was muss man dabei beachten?

Um diese Frage zu beantworten, sind zuerst die Hintergründe von Zwangsverheiratung

und türkischen Familienstrukturen in Deutschland dargestellt. Als Quellen dienten

Bücher, Internet und Broschüren. Aber auch Experteninterviews lieferten

Informationen. Zwangsverheiratung widerfährt jungen Frauen und Männern in

Deutschland. Aus unterschiedlichsten Gründen geben die Eltern dazu den Anstoß. Den

Betroffenen, in dieser Arbeit vorrangig Mädchen und Frauen, ist der Kontakt zu ihrer

Familie sehr wichtig und die Sozialarbeit nimmt diesen Bedarf zunehmend in ihre

Leistungen auf, hat aber dazu noch nichts explizit veröffentlicht. Ergebnisse dieser

Arbeit sind, dass es sehr darauf ankommt, in welcher Einrichtung man mit welchem

Auftrag arbeitet. Fest steht jedoch, dass Mädchen durch Elternarbeit vor einer

Zwangsverheiratung bewahrt werden können und es verschiedene Arten von

Elternarbeit gibt. Des Weiteren ist von zentraler Bedeutung, dass man seine Ansprüche

an die Verhaltensänderung der Eltern hinuntersetzt.

Page 3: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Einleitung........................................................................................................3

Aynur................................................................................................................7

1 Heirat mit Zwang

1.1 Was ist Zwangsverheiratung? ......................................................10

1.2 Zwangsverheiratung in Deutschland.............................................11

1.3 Ursachen........................................................................................13

1.4 Motive der Eltern............................................................................15

1.5 Formen

1.5.1 Heiratsverschleppung...........................................................17

1.5.2 Heiratsimport........................................................................17

1.5.3 Einwanderungsticket............................................................17

1.5.4 Communityerweiterung........................................................18

1.6 Rechtliche Situation in Deutschland..............................................18

1.7 Psychischer Kontext......................................................................20

1.8 Zusammenfassung........................................................................21

2 Die türkische Migrantenfamilie

2.1 Familienstrukturen.........................................................................23

2.1.1 Religiös- traditionell orientierte Familie................................24

2.1.2 Familie zwischen Moderne und Tradition.............................25

2.1.3 Moderne Familie...................................................................26

2.2 Erziehungsziele..............................................................................27

2.3 Erziehungsmethoden.....................................................................30

2.4 Zusammenfassung........................................................................32

Page 4: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Inhaltsverzeichnis

3 Elternarbeit

3.1 Warum Elternarbeit?......................................................................35

3.2 Voraussetzungen für den Beratungsprozess................................39

3.3 Hinweise aus der Literatur.............................................................41

3.4 Beratungsansätze an Praxisbeispielen

3.4.1 MaDonna Mädchenkult.Ur e.V. -

Mädchentreff in Berlin Neukölln....................................................50

3.4.2 Elisi evi e.V. - Interkulturelle Beratungs- und Bildungs-

angebote für Frauen und Mädchen in Berlin Kreuzberg...............53

3.4.3 ROSA - Wohnen für junge Frauen

nicht- deutscher Herkunft in Stuttgart............................................56

3.5 Möglichkeiten bei Zwangsverheiratung.........................................60

3.6 Grenzen.........................................................................................63

3.7 Zusammenfassung........................................................................65

Wie geht es weiter mit Aynur? ...................................................................66

4 Resümee.............................................................................................68

Literaturverzeichnis.....................................................................................70

Abbildungsverzeichnis................................................................................76

Danksagung

Ehrenwörtliche Versicherung

CD - Interviewleitfaden 1- Zwangsverheiratung

- Interviewleitfaden 2- Elternarbeit

- Audiodateien der Interviews

- Flyer

Page 5: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Einleitung

Einleitung

„Eine Ehe darf nur im freien und vollen Einverständnis der künftigen Ehegatten

geschlossen werden.“ (Graue Literatur 1) Das steht in der Allgemeinen Erklärung der

Menschenrechte von 1948, Artikel 16 Absatz 2. In der überarbeiteten Fassung der

Arabischen Charta der Menschenrechte von 2004 findet sich dieses Recht ebenso in

Artikel 33, Absatz 1 „(...) No marriage shall be entered without the full consent of the

intending spouses.(...)“ (Internet 2). Trotz dessen sind Mädchen und Frauen sowie

Jungen und Männer in Deutschland von Zwangsverheiratung bedroht oder werden

gegen ihren Willen mit jemandem verheiratet, wie Fallzahlen aus unterschiedlichen

Beratungsstellen zeigen. In den letzten Jahren geriet dieses Thema immer mehr in den

Fokus der Öffentlichkeit. Dadurch wurden auch viele Arbeitskreise in den

unterschiedlichen Bundesländern gebildet, die sich mit den Anforderungen u.a. auch

an die Soziale Arbeit in diesem Zusammenhang beschäftigten. Es ging vielerorts um

Handlungsleitfäden, die speziell für die jeweiligen Städte entwickelt wurden, um im

gegeben Fall schnell und kompetent eine Hilfesuchende oder einen Hilfesuchenden

beraten und schützen zu können. Der Ehrenmord an Hatun Sürücü, einer Berlinerin mit

kurdischem Familienhintergrund, die sich 2005 aus einer erzwungenen Ehe befreit

hatte und dann von ihrem Bruder ermordet wurde, erregte die Öffentlichkeit (vgl. Graue

Literatur 3). Ebenso steuerten Autobiografien von Selbst- Betroffenen wie Fatma Bläser

oder Necla Kelek zur Diskussion bei. Schon seit 2005 debattiert der Bundestag zu

einem Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Zwangsheirat. Am 17. März 2011 wurde

das Gesetz zur „Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer

von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher

Vorschriften“ beschlossen, in dem unter anderem Zwangsverheiratung als eigener

Straftatbestand festgelegt wurde (vgl. Internet 1).

(Abbildung 1)

3

Page 6: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Einleitung

Die vorangegangene Statistik bezieht sich auf die Kriseneinrichtung für von

Zwangsheirat bedrohten Mädchen Papatya in Berlin und zeigt den hohen Anteil an

türkischen Ratsuchenden. Weil die Mehrheit der Betroffenen einen türkischen

Familienhintergrund hat, wie aus verschiedenen Einrichtungszahlen hervorgeht, werde

ich mich in meiner Arbeit auf türkische Familien als Zielgruppe spezialisieren. Diese

Spezialisierung soll jedoch keinesfalls bedeuten, dass Zwangsverheiratung ein

ausschließlich türkisches Problem ist.

Die hohen Fallzahlen aus der türkischen Gemeinschaft rühren natürlich auch von dem

allgemein hohen Anteil türkischer Migranten an der Bevölkerung Berlins sowie

überhaupt Deutschlands her:

(Abbildung 2)

Da Männer, die zu einer Heirat gezwungen wurden, trotzdem mehr Freiräume und

betroffene Frauen mehr Einschränkungen und negative Folgen davon zu tragen haben,

werde ich mich in meiner Arbeit auf Mädchen und Frauen beziehen (vgl. Graue

Literatur 3). Außerdem habe ich meine Interviews in mädchenorientierten Projekten

durchgeführt, sodass dies geeigneter ist. Somit werde ich im Folgenden auch immer

die weibliche Form verwenden, wenn es um die Betroffenen geht.

Meine Motivation dieses Thema zu bearbeiten, hängt mit meinem großen Interesse für

interkulturelle Fragestellungen zusammen. Durch die Gesetzesdebatte Ende 2010

wurde ich auf das Problem Zwangsverheiratung aufmerksam. Da ich selbst keinerlei

Berührung mit dieser Thematik hatte, recherchierte ich nach Materialien und wurde

fündig. Vor allem fand ich Leitfäden für den optimalen Opferschutz z.B. in

Kriseneinrichtungen, in die die meist jungen Frauen fliehen.

3

Page 7: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Einleitung

Dabei fragte ich mich, was mit der Arbeit mit den betroffenen Familien ist; welche Rolle

Kommunikation, Vermittlung und Konfliktlösung bei diesem Problem spielen. Da ich nur

sehr wenig in der Literatur dazu fand, überlegte ich, ob das überhaupt möglich bzw.

nötig ist. Und konnte mir aber aus meiner modernen Sicht heraus nicht vorstellen, dass

eine Einsicht der Eltern, dass Zwangsverheiratung unrecht ist, nicht möglich ist. Somit

war das Thema, welches mich am meisten an der Sache interessierte, die Elternarbeit

in diesem Zusammenhang. Auch als ich in Handlungsleitfäden als auszubauende

Anforderungen an die Sozialarbeit immer häufiger Elternarbeit las, wurde ich in

meinem Vorhaben bestärkt, dass dies ein wichtiges Thema in der Auseinandersetzung

mit Zwangsverheiratung darstellt. Anne Thiemann z.B. vom Institut für Menschenrechte

ist der Meinung, dass Elternarbeit eine erforderliche Maßnahme ist (vgl. Graue

Literatur 3). So entstanden dann auch meine Fragestellungen:

Inwiefern kann man mit den Eltern zusammenarbeiten?

Gibt es Beratungsansätze oder Problemlösungsstrategien?

Was muss man beachten?

Stellt Elternarbeit eine erfolgversprechende Möglichkeit dar, um Mädchen vor

einer drohenden Zwangsverheiratung zu bewahren?

Welche Lösungsmöglichkeiten bietet Elternarbeit den Betroffenen im

Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung?

Das Ziel meiner Arbeit ist, aufzuzeigen, wo Elternarbeit eine erfolgreiche Methode zur

Bekämpfung von Zwangsverheiratung darstellt und wie man vorgehen könnte. Das

sind jedoch alles Vorschläge, die natürlich immer wieder am jeweiligen Einzelfall

geprüft werden müssen, denn jedes Mädchen ist anders und hat andere Wünsche und

Vorstellungen, was die Kommunikation mit ihrer Familie betrifft.

Um diese Ziele zu erreichen, beinhalten meine Methoden vor allem Literaturrecherche

sowie Auszüge aus Experteninterviews, die ich sowohl persönlich als auch telefonisch

geführt habe. Die Interviewleitfäden und Audiodateien dazu befinden sich auf der

beiliegenden CD. und die. Bei einigen Interviews habe ich Notizen gemacht. Weil es

sehr schwierig war, gerade für die Elternarbeit in diesem konkreten Feld Literatur zu

finden, schienen mir die Interviews die einzige mögliche Quelle für Informationen zu

diesem Teil. Im späteren Verlauf meiner Arbeit entdeckte ich dann doch noch

Literaturhinweise zu dem Thema, wodurch sich meine Ausführungen ausbauen ließen.

Aktuelle Daten habe ich besonders aus Internetartikeln erhalten.

3

Page 8: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

EinleitungAm Anschluss an die Einleitung werde ich zum besseren Einfühlen in die Sachlage ein

Fallbeispiel darstellen. Dieses Fallbeispiel habe ich der Broschüre „Mädchen in

Konfliktsituationen. Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund- ein

interkultureller Ratgeber für Fachkräfte der sozialen Arbeit“ vom Ministerium für Arbeit,

Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz von 2010 entnommen. Es

stellt nur einen Fall dar und darf nicht verallgemeinernd verstanden werden.

Aus dem Beispiel werden sich Fragen zu den Hintergründen ergeben.

Diese Fragen zu Zwangsverheiratung und türkischen Familienstrukturen werde ich im

Folgenden beantworten. Was verbirgt sich hinter Zwangsverheiratung, welchen

Ausmaß hat diese Erscheinung in Deutschland, welche Formen gibt es, welche

Ursachen und Motive der Eltern, wie ist die rechtliche Situation derzeit in Deutschland

dazu und wie der psychische Kontext? Dennoch werden sich meine Ausführungen

hauptsächlich auf eine drohende Zwangsverheiratung und deren Verhinderung

beziehen.

Im Rahmen der türkischen Familienstrukturen wird es u.a. um Erziehungsziele und

Erziehungsmethoden gehen.

Im zweiten Teil gehe ich auf die Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im

Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung ein. Ich werde erklären, was

Elternarbeit hier bedeutet, warum sie wichtig ist, welche Formen es gibt, welche

Voraussetzungen gegeben sein sollten, welche Beratungsansätze aus Sicht

verschiedener Einrichtungen von Nutzen sind und was sich damit erreichen lässt.

Im Schlussteil stelle ich in einer Gesamtzusammenfassung meine gewonnenen

Erkenntnisse dar.

3

Page 9: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Aynur

Aynur

„Aynur ist 16 Jahre und in Deutschland geboren. Ihre Eltern sind vor ihrer Geburt mit

ihren älteren Geschwistern, einer Schwester im Alter von 21 und einem Bruder im Alter

von 19 Jahren, nach Deutschland gekommen. Aynur hat noch drei jüngere

Geschwister, zwei Brüder und die jüngste Schwester, die erst 11 Jahre ist. Ihre ältere

Schwester wohnt inzwischen in einer eigenen Wohnung mit ihrem Mann und hat ein

Kind. Ihr älterer Bruder ist unregelmäßig zuhause. Der Vater und die Mutter haben in

ihrem Herkunftsland in einem kleinen Dorf gelebt und nur eine Art Grundschule

besucht. Aynurs Mutter ist zu hause, sie ist oft krank und fordert viel Hilfe von Aynur im

Haushalt. Auch Arztbesuche der Mutter muss sie häufig begleiten. Der Vater ist

selbständig und sehr unregelmäßig zuhause. Aynur besucht die 8. Klasse zum zweiten

Mal. Ihre Leistungen sind knapp durchschnittlich, ihre Lehrkräfte vermitteln ihr, sie

könne bessere Leistungen bringen, wenn sie sich mehr für die Schule interessieren

würde. Aynur hat das Gefühl, dass es in ihrer Familie niemanden wirklich interessiert,

ob sie gut in der Schule ist. Zwar sagen die Eltern immer wieder zu ihr, sie solle lernen,

aber sie fragen nie nach ihren Noten oder ihren Hausaufgaben. Helfen kann ihr dabei

auch niemand; ihre Eltern können zu wenig deutsch und ihr Bruder ist fast nie da.

Außerdem kämpft Aynur mit ganz anderen Problemen: Macht sie etwas im Haushalt

nicht so, wie ihre Mutter es von ihr verlangt, wird sie von ihr beschimpft und

geschlagen. Sie hört dann, dass sie zu nichts tauge und keine gute Ehefrau werde.

Aynur ärgert sich darüber, dass sie ihre Brüder und ihren Vater bedienen muss, wenn

diese zuhause sind. Ihre Mutter verlangt dies von ihr und tut es selbst. Aynur findet es

ungerecht, dass die jüngeren Brüder fast gar keine Pflichten im Haushalt haben und ihr

Befehle geben. Ihre kleine Schwester ist noch zu klein für diese Aufgaben. Ihre Mutter

schimpft immer wieder, sie würde der Familie keine Ehre machen, sie spreche immer

wieder mit Jungen und treibe sich auf der Straße herum. Auch ihre Brüder und ihr Vater

berichten immer wieder davon, dass Aynur sich schlecht benehme und die Freunde der

Brüder schlecht über sie sprechen würden. Häufig wird sie auch vom älteren Bruder

oder vom Vater geschlagen, als „Schlampe“ beschimpft und erhält Hausarrest.

Von ihrer Mutter wird sie zur Strafe häufig an den Haaren gezogen oder mit dem

dünnen Nudelholz oder der Hand geschlagen, die Brüder und der Vater schlagen sie

meist mit den Händen, schubsen sie oder treten ihr ans Bein. Manchmal hat Aynur

blaue Flecken, mehr als die Schläge schmerzen sie aber die Beleidigungen durch ihre

Familie. Da Aynur ständig Hausarrest hat und ihr Verhalten innerhalb der Familie stark

kritisiert wird, spricht sie kaum über die Dinge, die sie außerhalb der Familie tut.

7

Page 10: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Aynur

Sie erfindet auch kleine Geschichten, um sich Freiheiten zu erkämpfen oder geht

manchmal nicht in die Schule. Sie versucht, ihr Leben in zwei verschiedenen Welten -

der draußen und der innerhalb der Familie zu leben. Ihre ältere Schwester ist ihr keine

Hilfe. Sie hat einen Cousin aus einem Nachbardorf des Herkunftsortes der Eltern

geheiratet; dieser kam nach Deutschland und ist oft mit ihrem älteren Bruder und ihrem

Vater unterwegs. Ihre Schwester hat die Schule abgeschlossen und ist jetzt zu Hause

bei ihrem Kind. Sie sagt ihr immer wieder, sie müsse sich anständig benehmen und

ihrer Mutter zur Hand gehen. Aynurs Klagen, dass sie geschlagen wird, kommentiert

die Schwester mit der Aussage, dass Aynur daran selbst schuld sei und sich eben

besser benehmen müsse. Sie habe sich an die Regeln zu halten, die für ihre Kultur

und Religion gelten.

Aynur fühlt sich allein gelassen und ungeliebt, manchmal wünscht sie sich, sie wäre bei

ihrer Tante, der Schwester ihres Vaters. Dort war sie schon zu Besuch. Ihre Cousine

muss sich zwar auch an strengere Regeln halten als ihre Schulkameradinnen, aber

ansonsten geht es ihr nach Aynurs Meinung besser, da sie kaum geschlagen wird.

Irgendwann bekommt Aynur Diskussionen ihrer Eltern und ihres älteren Bruders mit, in

denen es darum geht, sie zu verheiraten. Dies sei das Beste für sie, schließlich müsse

sie über kurz oder lang die Rolle einer Ehefrau einnehmen und da sie so wenig

gehorche und schlecht benähme, wäre es wohl sinnvoll, ihr einen Mann zu suchen, der

sich dann darum kümmert, dass sie die Pflichten einer Ehefrau und Mutter erlerne.

Aynur kann sich das nicht vorstellen; ihrer Schwester wurde der Mann zwar auch

ausgesucht, aber sie hat sich noch nicht damit beschäftigt, dass dies auch für sie

geplant sein könnte. Aynur schiebt die Gedanken beiseite.

Eines Tages erwartet die Familie Besuch einer anderen Familie, Aynur erhält die

Anweisung, Tee zuzubereiten und sich angemessen höflich und zurückhaltend zu

benehmen und die Gäste zu bewirten. Sie bekommt mit, dass es darum geht, dass sie

in den nächsten oder übernächsten Ferien verheiratet werden soll. Aynur erschreckt

sich fürchterlich und glaubt nun, dass die Pläne ihrer Eltern tatsächlich eintreffen

sollen. Sie ist während des Besuches weiterhin höflich und freundlich. Nach dem

Besuch sucht sie vorsichtig das Gespräch mit ihrer Schwester. Diese erklärt ihr, dass

es ganz üblich sei, dass die Familie den zukünftigen Ehemann aussuchen würde und

dass es bei ihr selbst ja auch funktioniert habe. Sie solle sich nicht anstellen, die Liebe

würde mit der Zeit schon kommen. Aynur fühlt sich immer verzweifelter, als sie das

Gespräch mit ihrer Mutter sucht, um anzudeuten, dass sie eigentlich gerne ihre Schule

zu Ende machen möchte und eine Ausbildung beginnen möchte, lacht die Mutter sie

aus und sagt ihr, es würde Zeit, dass sie eine anständige Frau werde.

8

Page 11: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Aynur

Als Aynur ihr erzählt, sie habe von den Hochzeitsplänen gehört, beginnt ihre Mutter zu

schimpfen, bezeichnet sie als undankbar und schlägt sie. Das Thema ist beendet.

Aynur sieht keinen Ausweg und überlegt, ob eine Hochzeit für sie vielleicht die bessere

Lösung ist und der Mann, der für sie ausgesucht wird, ja vielleicht nett ist. Später

bekommt sie mit, dass der Mann, der für sie ausgesucht worden ist, 19 Jahre alt ist

und nach der Hochzeit nach Deutschland kommen soll. Aynur schöpft Hoffnung auf

eine bessere Zukunft. Schließlich ist der Mann ja auch noch nicht so alt und vielleicht

ist er ja hübsch und nett zu ihr.

Als die Sommerferien näher rücken und die Reise zu den Verwandten im

Herkunftsland der Eltern geplant wird, wird Aynur die Vorstellung einer Hochzeit

zunehmend unangenehmer. Manche ihrer Freundinnen finden die geplante Hochzeit

aufregend und toll, andere finden die Vorstellung ganz schrecklich und fantasieren über

einen schrecklichen, hässlichen Mann und sagen, ihre Eltern hätten für sie keine

Hochzeit geplant. Mit deutschen Mädchen kann Aynur darüber nicht reden.

Kurz vor der Abreise in die Sommerferien ist Aynur so durcheinander, dass sie sich an

eine Beratungsstelle wendet, in der Mädchen und Frauen von Frauen beraten werden.

Sie denkt sich, sie ruft dort an. Die Frau am Telefon ist nett und erklärt ihr, dass man

sie in Deutschland nicht zwingen könne, zu heiraten und dass sie zu ihrem Schutz

auch aus ihrer Familie flüchten könne. Sie gibt ihr eine Telefonnummer, an die sie sich

wenden kann, wenn sie dies tun wolle. Aynur weiß nicht mehr weiter.

Am folgenden Wochenende wird sie wieder geschlagen und beschimpft, sie sei nichts

wert, als sie sich nicht ordentlich um den Haushalt gekümmert habe und sich

außerdem „herumgetrieben“ habe. Aynur hält es nun nicht mehr aus und flüchtet nur

mit ihrem Handy und ihrem Geldbeutel. Sie ruft bei der Telefonnummer an, die ihr die

Frau der telefonischen Beratung gegeben hat und bittet um Aufnahme in der

Einrichtung der Zuflucht.

Dort angekommen, fühlt sie sich alleine, sie vermisst ihre jüngere Schwester und weiß

nicht, was nun passieren soll. Sie denkt, die Familie wird sie verstoßen, sie kann

vielleicht nie mehr zurück oder ihre Familie wird sie suchen und sie gegen ihren Willen

in deren Herkunftsland bringen.“ (Graue Literatur 10)

Im weiteren Verlauf meiner Arbeit werden immer wieder Parallelen zwischen den

theoretischen Ausführungen und Aynurs Fall auftreten, die sich dann gegenseitig

belegen bzw. veranschaulichen.

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Page 12: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Zwangsverheiratung in Deutschland

1 Zwangsverheiratung

1.1 Was ist Zwangsverheiratung?

Zwangsverheiratung ist eine Menschenrechtsverletzung, eine Form häuslicher Gewalt,

eine „sklavereiähnliche Praxis“ (Necla Kelek). Zwangsverheiratung hat viele

Definitionen, was sie aber bedeutet ist, dass ein Mensch, sei er männlich oder weiblich,

von seinen Eltern oder Verwandten psychisch oder physisch genötigt wird, jemanden

zu heiraten, den er nicht liebt und in vielen Fällen nicht einmal kennt. Zwang ist dabei

immer vom subjektiven Empfinden der Betroffenen abhängig (vgl. Graue Literatur 9).

Die Gefahr ist nicht einfach abzuwenden, indem man die Bedrohte oder den Bedrohten

vom Täter fernhält. Zwangsverheiratung ist eine Gewaltform, bei der mehrere

Menschen aus dem sozialen Nahraum zum Täter werden können. Das ist der

Unterschied zur häuslichen Gewalt. Das islamische Recht schreibt eine Einwilligung

des Mädchens zur Heirat vor. Allerdings ist nicht geklärt, wie diese aussieht. Eine klare

verbale Erklärung wird nicht verlangt. Betretenes Schweigen oder leises Weinen gilt als

Zustimmung. Nur wenn ein Mädchen laut schreit, bedeutet das „Nein“. Aber das

werden die wenigsten Mädchen aus Respekt machen (vgl. Breuer, 1998, S. 21f). Der

Betroffenen wird jegliche Selbstbestimmung dahingehend abgesprochen, würde ich als

Deutsche sagen. Aber was ist Selbstbestimmung? Kennen das die Mädchen denn

überhaupt? Ist ihnen bewusst, was ihnen da widerfährt? Für die Erläuterung dieser

Fragen ist es, denke ich, wichtig, die familiären Strukturen in einer traditionell

türkischen Familie in Deutschland zu kennen. Deswegen werde ich das im folgenden

Kapitel ausführen.

Strategien um Zwangsheirat durchzusetzen sind psychische Gewalt (27,9%)

moralische Erpressung (20,6%), körperliche Gewalt (15,2%) und Überredung (7,8%)

(vgl. Graue Literatur 6). Der Höhepunkt der Gewalt, die Entjungferung in der

Hochzeitsnacht, lässt sich am besten an einem Zitat von der selbst einmal von

Zwangsheirat Bedrohten Ayaan Hirsi Ali zeigen: „Tatsächlich handelt es sich hier um

eine mit Zustimmung der gesamten Familie arrangierte Vergewaltigung.“ (Ali, 2005,

S.142)

Der Begriff der Arrangierten Ehe wird im Zusammenhang mit Zwangsehe ebenfalls

diskutiert. Arrangierte Ehen kennen wir zum Beispiel auch aus dem Märchen, da wird

der Prinzessin ein Prinz aus einem benachbarten Königreich vom Vater vorgeschlagen

und sie kann sagen, ob sie möchte oder nicht. Sie hat das Recht „Nein.“ zu sagen.

Wenn dieses Recht besteht, spricht man von einer Arrangierten Ehe, wenn diejenige

dann einmal ja sagt.

10

Page 13: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Zwangsverheiratung in Deutschland

Diese Zusammenführung hatte eben auch früher in Europa Tradition zur Vergrößerung

des Königreiches, zum Erhalt der sozialen Stellung, was ja mit der

Communityvergrößerung zu vergleichen wäre, auf die ich später als Heiratsform

eingehen werde. Die Liebesheirat kam hier auch erst im 19.Jh. auf. „Von vornherein

inakzeptabel sind in jedem Fall arrangierte Ehen mit Minderjährigen, die auch ohne die

Androhung oder Ausübung von direktem Zwang als Verletzung des

Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen gewertet werden müssen.“ (Bielefeldt;

Follmar- Otto, 2007, S. 16)

Die arrangierte Heirat ist dennoch umstritten, denn es fällt den Mädchen oft sehr

schwer gegenüber Respektspersonen aus ihrer Familie „Nein.“ zu sagen. Ein weiterer

Punkt ist, den Gabriele Heinemann vom MaDonna Mädchentreff treffend formulierte,

dass es bei einer Heirat ja nicht darum ginge, aus drei Cousins auszuwählen. Wo ist

das kein Zwang? Schließlich könnte Aynur, um beim Fallbeispiel zu bleiben, ja auch

Finn aus Schweden, David aus Südafrika oder Dan aus China heiraten. Genauso wie

sie Lukas, der mit ihr in eine Klasse geht, heiraten könnte. Theoretisch.

1.2 Zwangsverheiratung in Deutschland

Jeder Bericht über Zwangsverheiratung beginnt mit dem Satz, dass es keine

eindeutigen Zahlen zum Ausmaß von Zwangsverheiratung in Deutschland gibt. Die

türkischstämmige Rechtsanwältin Filiz Sütcü sagt, dass es doch keinen interessiert

hat, wie Gastarbeiter der ersten Generation verheiratet sind (vgl. Internet 8).

Eine nicht-repräsentativen Zusatzbefragung im Rahmen der Studie zur Gewalt gegen

Frauen in Deutschland vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und

Jugend aus dem Jahre 2004 erbrachte, dass bei etwa der Hälfte von 150 Frauen der

Partner von Verwandten ausgewählt wurde; 23 % hätten den Partner lieber selbst

ausgewählt und 17 % hatten zum Zeitpunkt der Eheschließung das Gefühl, zu dieser

Ehe gezwungen zu werden (vgl. Internet 3).

Aber anhand von Fallzahlen der Einrichtungen, Beratungsstellen, Telefonberatungen

etc. der einzelnen Länder kann man erahnen, in welchem Umfang Mädchen und

Frauen, sowie Jungen und Männer davon betroffen sind. An einem Beispiel: Die

Beratungsstelle Yasemin in Stuttgart hatte seit dem Projektbeginn am 01.07.07 bis zum

31.12.10 726 Klientinnen, davon waren 397 die betroffenen Mädchen und jungen

Frauen selbst und 329 Vertraute der Betroffenen, die sich meldeten. Von Zwangsheirat

waren 216 bedroht. Aus der Statistik der anonymen Wohnstätte ROSA in Stuttgart wird

ersichtlich, dass es im Kalenderjahr 2010 69 stationäre Anfragen gab.

11

Page 14: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Zwangsverheiratung in Deutschland

Davon waren 55% von Zwangsheirat bedroht, bei 25% war es unklar, ob eine

Bedrohung durch Zwangsheirat vorliegt und bei 20% lag keine Bedrohung vor.

Zurzeit werden bei ROSA zwölf Frauen betreut, wovon zehn von zwölf von

Zwangsheirat bedroht waren und zwei schon zwangsverheiratet wurden (vgl. HÖ).

In Sachsen gab es 2008 21 Fälle von Zwangsheirat. Diese traten vor allem in Leipzig,

weniger in Dresden und Chemnitz auf, da in Leipzig eine ausgeprägte afghanische

Community besteht (vgl. AS).

In Berlin gab es 2007 378 Fälle. In 86 erfolgte die Zwangsverheiratung, in 292 wurde

sie angedroht. In 12 Fällen handelte es sich um männliche Opfer.

Im Mädchenhaus Bielefeld e.V. wurde von Juni 2007 bis Ende 2008 zu 279 Fällen von

Zwangsverheiratung beraten, 57,3% telefonisch, 37,3% online und 5,4% face to face.

Betroffene nutzen dabei vor allem die Anonymität der Online- Beratung, wobei

Professionelle telefonisch Rat suchen, um jemandem Betroffenem zu helfen.

Erstkontakte liefen 47,1% über Institutionen, 39% über Betroffene selbst und 26% über

Vertrauenspersonen. Es waren 83,9% weibliche Betroffene und 12,2% männliche (vgl.

Graue Literatur 6).

Bei der Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES in Tübingen haben sich 2010

163 Menschen in Zusammenhang mit Zwangsverheiratung telefonisch gemeldet (vgl.

LH).

Bei einer Befragung von Hamburger Interventionsstellen gab es 2005 210 Fälle von

(drohender) Zwangsverheiratung (vgl. Internet 10).

Der Verein Hennamond e.V. von Fatma Bläser beriet 2007 363 Betroffene und davon

sogar 117 junge Männer (vgl. Graue Literatur 3). Aus der folgenden Statistik aus dem

8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und

Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland wird

ersichtlich, dass mehr Menschen mit Migrationshintergrund verheiratet sind.

(Abbildung 3)

12

Page 15: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Ursachen

1.2 Ursachen

Bei der Betrachtung des Konflikts Zwangsverheiratung kommen meist zwei

Hauptrichtungen vor. Entweder man ordnet diesen Konflikt dem Gewaltkontext oder

dem Kulturkontext zu.

Beim Kulturkontext kommt man leicht in Verstrickungen mit Religion und

Diskriminierung. Fest steht jedoch, nach Meinung aller Studien und Ausarbeitungen,

dass Zwangsverheiratung in patriarchalen Familienstrukturen vorkommt, also

Familien, in denen der Mann hierarchisch über der Frau, der Ältere über dem Jüngeren

usw. steht. Judith Gerling- Tamer von der Beratungsstelle Elisi evi e.V. beschrieb das

so: „Wenn der Mann alles bestimmt, bestimmt der auch das“ (die Heirat)! Häufig spielt

ein traditionelles Verständnis von Ehre, auf das ich im zweiten Teil noch näher

eingehen werde, ebenfalls eine zentrale Rolle (vgl. Graue Literatur 5). Der Arbeitskreis

Zwangsverheiratung in Berlin hat schon mit muslimischen Familien aus der Türkei,

christlich orthodoxen Familien aus Südosteuropa (z.B. Roma), hinduistischen Familien

aus Sri Lanka zu tun gehabt, was deutlich macht, dass Zwangsverheiratung kein

Problem des Islams ist, was oft in den Medien so dargestellt wird (vgl. Graue Literatur

2). Bezogen auf Necla Keleks und Seyran Ates öffentliche Debatte, dass Zwangsheirat

vor allem ein Problem des Islams sei, sagt Sütcü: „Man darf nicht sofort werten, man

muss hinterfragen, woher diese Praktiken kommen und wie man die Probleme lösen

kann.“ Der Interviewer sagt: Aber man muss doch die Dinge beim Namen nennen.

Darauf Sütcü: „Aber was erreicht man damit? Dass sie sagen, ja ihr habt recht,

eigentlich sind unsere Werte so was von schlecht, wir sperren unsere Töchter ab sofort

nicht mehr ein? Das kann ich mir nicht vorstellen. Die beiden haben monokausal fast

alles, was in türkischen Familien falsch läuft, auf den Islam zurückgeführt. Das

entspricht nicht in jedem Fall der Wahrheit. Wenn ich Unwahrheiten verbreite,

gekoppelt mit reißerischen Tönen, dann schade ich eher, als dass ich der Diskussion

nutze. Deshalb kommen wir nicht voran.“ (Internet 8) Es gibt z.B. auch in christlich

fundamentalistischen Familien in Nordamerika diese Sichtweise zu Jungfräulichkeit bis

zur Ehe (vgl. Graue Literatur 3).

Ein weiterer dem Kulturkontext zuzuordnender Faktor ist, dass der Staat im Heimatland

nicht so ein Monopol ist wie in Deutschland. Dort ist der Clan, die Community am

wichtigsten, vor allem in den Dörfern, und eine Heirat dient zur Existenzsicherung (vgl.

AS). „In wenig individualisierten Gesellschaften ist die Ehe neben der Verbindung von

zwei Personen vor allem auch eine Verbindung zwischen zwei Familien.“ (Breuer,

1998, S. 21) Deswegen geht es auch bei der Ehepartnersuche um familiäre Interessen

(vgl. Breuer, 1998, S. 21).

13

Page 16: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Ursachen

Wenn deutsche Werte nicht anerkannt werden, erschließen sich daraus auch gar keine

anderen Handlungsoptionen (vgl. Strobl; Lobermaier, 2007, S. 48).

Die Wiener Broschüre „Zwangsverheiratung und Arrangierte Ehen in Österreich mit

besonderer Berücksichtigung Wiens“ z.B. ordnet ganz klar in Gewalt gegen Frauen ein.

Auch andere Studien betonen, dass Zwangsverheiratung nur in einem Umfeld von

Gewalt in der Familie stattfinden könnte, da in einer Familie, wo gegenseitiger

Respekt herrscht, so etwas nicht passieren würde. Und diese Gewalt rührt meist von

einer Hilflosigkeit in Erziehungsfragen und fehlender Auseinandersetzung in der

Familie, wodurch auch häufig Unwissen über den Unwillen des Kindes besteht, her

(vgl. Graue Literatur 3). Halide Özdemir von ROSA sagte mir, dass in den Biografien

der Mädchen ersichtlich wird, dass sie oft jahrelang Gewalt erfahren haben und sich

irgendwann auch mit der Gewalt arrangiert haben. Auf die Frage, ob alle Mädchen, die

im Zusammenhang mit Zwangsverheiratung bei ROSA Hilfe suchen, Gewalt erfahren

haben, sagte mir Frau Özdemir: Nicht alle Mädchen haben körperliche oder sexuelle

Gewalt erfahren. Aber es ist ja immer auch eine Definitionssache. Wenn man Verbote

wie z.B. mit Freunden treffen mit zu Gewalt zählt, weil dadurch Persönlichkeitsrechte

eingeschränkt werden, hat sicherlich jedes Mädchen Gewalt erfahren (vgl. HÖ).

"In den Familien wo Gewalt herrscht, da ist sowas möglich. Wo gegenseitiger Respekt

herrscht, da werden natürlich die Eltern auch mitfragen.“, meint auch Judith Gerling-

Tamer von Elisi evi (G-T).

Zur Betroffenheit von türkischen Frauen von Gewalt existieren keine repräsentativen

Daten, aber eine gute Datenlage. Die vom BMFSFJ von 2002 bis 2004 durchgeführte

Frauenstudie zur „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in

Deutschland“ bezieht sich auf die Analyse "Gesundheit- Gewalt- Migration" des

Interdisziplinären Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der

Universität Bielefeld verzeichnet, dass Migrantinnen eher von Gewalt betroffen sind als

Deutsche (25%) und dabei türkische Frauen mit 38% am häufigsten und schwersten

betroffen sind. Körperliche sowie psychische Gewalt spielt dabei eine Rolle. Das

Gewaltverhalten wird stark von Bildungsstatus, Einkommen und sozialer Einbindung

beeinflusst (vgl. Graue Literatur 8).

Eine dritte Sichtweise ist eben diese sozioökonomische Sicht, wodurch die

Situation der Bürger mit Migrationshintergrund und ihre Handlungsweisen ein zu

ordnen ist. Die Migranten in Deutschland erfahren einen Werteverlust, wenn sie

arbeitslos sind und versuchen durch Ausbau der Familie dem entgegen zu wirken (vgl.

AS).

14

Page 17: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Motive der Eltern

Corinna Ter- Nedden ist seit 20 Jahren Psychologin bei Papatya. Sie spricht von

Dauerarbeitslosigkeit, Scheidungen und Süchten, die die Familien zusätzlich belasten

(vgl. Bielefeldt, 2007, S. 19). In diesem Zusammenhang ist eine Erklärung der

Zwangsheirat mit dem traditionellen Ehrsystem fraglich und es könnte eher sein, dass

es um Aufrechterhalten von Machtverhältnissen geht (vgl. Srrobl, Lobermaier, 2007, S.

41). Auch Gabriele Heinemann sieht das so, dass auch Probleme zwischen den Eltern

Auslöser sind. Wenn der Vater nur noch spielt und trinkt, bekommt die Mutter dann

einen „Anfall von Traditionalität“ und will die Kinder verheiraten, dass sie nicht auch

noch so „wild“ werden wie der Vater. „Die Mütter sind viel mehr diejenigen, die das

vermitteln.“ (GH) Es sind sogar Mädchen, der 3. Generation betroffen, wo also die

Großeltern als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind. Und trotzdem hat sich

dieses Mittel weiter verbreitet. Elçin Kürşat- Ahlers hat dazu in ihrem Buch „Die Rolle

der Mütter bei den Lebensentwürfen der Töchter“ von 2006 geschrieben: „Migration

bedeutet eine plötzliche und ganzheitliche Veränderung der geographischen, sozialen

und kulturellen Umwelt eines Menschen. Sie lässt keinen einzigen Lebensbereich

unberührt und stabil. Die sich dadurch ergebenden Erschütterungen sind auch in der

zweiten und dritten Generation noch zu finden.“ (Graue Literatur 6)

1.3 Motive der Eltern

Es gibt verschiedene Beweggründe für eine Heirat. Ich werde einmal alle mir

bekannten kurz nennen: Zum einen kann es ein traditionelles Heiratsverhalten und

Familienverständis sein, da diese Praxis ja auch durchaus im Sinne der arrangierten

Ehe als Erfolgskonzept bekannt war (vgl. AS). Die Eltern möchten ihr Kind versorgt

wissen und für Frauen stellte nun einmal die Ehe lange Zeit das einzige

Zukunftsmodell dar und vor allem in der Fremde kann es sein, dass man dazu neigt,

sich seine Traditionen zu bewahren (vgl. GH). Vielleicht denken die Eltern auch nur,

dass der junge Mann eine gute „Partie“ wäre, weil sie die Eltern kennen und das Kind

aus gutem Hause kommt etc. (vgl. Graue Literatur 5). Die Eltern wollen schließlich nur

das Beste für das Kind. Deswegen erfolgt auch so häufig die Cousinhochzeit. Die

Eltern erhoffen sich davon, denjenigen besser einschätzen zu können und außerdem

bleibt der Brautpreis in der Familie (vgl. Graue Literatur 3). Ein weiterer Grund dafür ist,

dass die Kinder einer Frau immer den Namen deren Mannes tragen, nie den Namen

der Frau und deswegen nie den Namen deren Vaters. Eine Ehe außerhalb der

Teilsippe (Familienclan) würde also bedeuten, dass die Frau einem anderen

Familienclan im Weiterführen deren Namens dient (vgl. Ali, 2005, S. 56).

15

Page 18: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Motive der Eltern

Manche sind der Meinung, dass Mann und Frau der Religion, dem sozialen Status und

der Herkunft nach gleich sein sollten (vgl. Breuer, 1998, S. 23f). Davon erhoffen sich

die Eltern eine Art Konfliktreduzierungsstrategie, da sie sich dem Ehemann der Tochter

und auch ihrer Heimat näher fühlen können und es so ihrer Meinung nach zu weniger

Konflikten kommt (vgl. Çil, 2000, S. 134 – 136).

Ein weiterer Grund für eine Zwangsverheiratung ist die Erweiterung der Community

(vgl. Graue Literatur 5). Gerade in einem Land, wo man sich nicht heimisch fühlt,

möchte man sich wenigstens in seinem Verwandtenkreis heimisch fühlen. Mit einem

deutschen Schwiegersohn würde die so wichtige Gemeinschaft immer weiter

aufgebrochen werden und womöglich noch zum Zerfall der familiären Beziehungen

führen, die die einzelne Familie dann allein da stehen lassen würde.

Manche Eltern möchten mit einer frühen Heirat, die Jungfräulichkeit ihrer Tochter und

die Ehre der Familie bewahren. Die Zwangsheirat wird meist dann eingesetzt, wenn

das Mädchen mit einem Jungen gesichtet wurde, da dann die Gefahr besteht, dass sie

vor der Ehe Sex hat und der Familie Schande bringt. Dabei geht es nicht darum, dass

sie Sex hatte, sondern nur um den Eindruck der nach außen vermittelt wurde- Schein

statt Sein (vgl. Internet 19).

Oder es ist eine Disziplinarmaßnahme, um Homosexualität und Freizügigkeit zu

„heilen“ oder wenn die Kinder schlecht in der Schule sind oder schwänzen, um sich

mit Freunden zu treffen; wenn sie Straftaten begehen oder ihre Peer- group einen

schlechten Einfluss auf sie hat (vgl. Graue Literatur 5, 3).

Ein anderer Grund ist, einer Person aus dem Herkunftsland die Migration nach

Deutschland zu ermöglichen (vgl. Graue Literatur 5).

Manche Familien machen es auch nur aus „Businessgründen“, weil sie sich einen

hohen Brautpreis erwarten (vgl. GH). Außerdem ist es auch für die finanzielle Lage

der Familie besser, wenn die Tochter von ihrem Ehemann unterhalten wird (vgl.

Breuer, 1998, S. 20).

Manche werden schon als Kind jemandem versprochen (vgl. Graue Literatur 5). Es

kommt auch vor, dass Zwangsheirat veranlasst wird, wo sexueller Missbrauch durch

einen Familienangehörigen vertuscht werden soll (vgl. HÖ).

Manchmal haben die Eltern auch eine sonst gute Beziehung zur Tochter, aber haben

sich schon öffentlich zu der Heirat bekannt und können das nicht mehr wegen dem

Ehrverlust revidieren (vgl. Strobl; Lobermaier, 2007, S. 48).

16

Page 19: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Formen

1.4 Formen

1.4.1 Heiratsverschleppung

Bei der Heiratsverschleppung oder Ferienverheiratung wird dem Opfer gesagt, dass es

Ferien im Heimatland verbringt und dann wird es dort gegen seinen Willen verheiratet

und muss dort bleiben. Da ihm meist der Pass abgenommen wird, ist es schwierig

zurückzukehren. Durch das neue Gesetz erlischt zumindest nicht nach einem halben

Jahr das deutsche Aufenthaltsrecht, sodass, wenn ihnen eine Flucht gelingt, sie wieder

in Deutschland unter kommen können. Die Heiratsverschleppung ist besonders fatal,

wenn ein modernes Mädchen dann in der Türkei in einem Dorf leben muss (vgl. Graue

Literatur 5). Wenn diese Form nicht versteckt als Urlaub erfolgt, wird sie den Mädchen

auch häufig bei Regelverstößen angedroht.

1.4.2 Heiratsimport

Beim Heiratsimport wird eine Heirat im Herkunftsland geschlossen und die junge Braut

oder der junge Bräutigam dann mit nach Deutschland genommen. Manchmal

empfinden das die Importierten gar nicht als Zwang, weil sie sich vom Leben in

Deutschland etwas erwarten (vgl. Graue Literatur 5).

Gerade für Frauen, die aus dem Herkunftsland nachgeholt wurden, kann sich jedoch

die Ehe in Deutschland negativ auswirken. Sie können oftmals kein Deutsch und wenn

sie dann noch von ihrem Ehemann am Besuch eines Deutschkurses gehindert werden

oder misshandelt, verstärkt sich das Abhängigkeitsverhältnis noch einmal. Das Leben

bei den Schwiegereltern räumt ihnen keine Entscheidungsgewalt ein, da sie

hierarchisch unter den Schwiegermüttern stehen. Das deutsche Aufenthaltsrecht und

die Arbeitserlaubnis sind an ihre Männer gebunden und die eigene Familie möchte

natürlich auch, dass die Ehe Bestand hat. Das alles führt zu hohem Druck (vgl. Internet

6). Diese Form ist für meine Ausarbeitung eher nachrangig, da ich mich ja auf die Zeit

vor der Verheiratung beziehe.

1.4.3 Einwanderungsticket

Eine Heirat wird geschlossen, um einem Familienangehörigen die Einreise nach

Deutschland zu ermöglichen (vgl. Graue Literatur 5).

Meist wird dem (verwandten) Bräutigam so eine Vermittlung ermöglicht. Die in

Deutschland sozialisierten türkischen Frauen müssen einen Mann heiraten, der

gänzlich anders aufgewachsen ist. Probleme sind da meist vorprogrammiert.

17

Page 20: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Rechtliche Situation in Deutschland

Da sich die Frau in dieser Konstellation besser in Deutschland auskennt, die Sprache

spricht, wird es dort eher möglich sein, dass die Frau Erwartungen an ihren Mann hat

und die Rolle des Familienoberhaupts übernimmt. Da dies mit der traditionellen

Familienauffassung nicht überein kommt und die türkischen Männer nie gelernt haben

mit selbstbewussten Frauen umzugehen, kommt es auch in dieser Situation häufig zu

Konflikt und Trennung (vgl. Internet 6).

Das trifft auf Aynurs Fall zu und da sie sich durch ihr Zwangsempfinden bei den

Heiratsplanungen und ihren Mut zur Flucht auch zunehmend westlich orientieren

würde, würde es wohl ebenso zu Konflikten kommen. Die Verdeutlichung dieses

Szenarios könnte bei der Elternarbeit nützlich sein.

1.4.4 Communityerweiterung

Innerhalb einer Gemeinschaft wird geheiratet, d.h. beide Partner sind in Deutschland

sozialisiert und man möchte damit seine Community vergrößern (vgl. Graue Literatur

5).

1.5 Rechtliche Situation in Deutschland

„Neben dem neuen Straftatbestand gibt es nun ein eigenständiges Wiederkehrrecht für

ausländische Opfer von Zwangsverheiratungen. Zudem wird die Mindestbestandszeit,

die für den Fall des Scheiterns der Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründet,

von zwei auf drei Jahre erhöht.“ (Internet 1) Diese neue Regelung soll Scheinehen

vorbeugen, wird aber im Zuge der Zwangsheiratsdebatte als sehr kritisch angesehen,

da nun junge Frauen noch länger in der unliebsamen und eventuell gewaltsamen Ehe

verharren müssten, ehe sie allein in Deutschland bestehen könnten. „Wer einen

anderen Menschen zu einer Heirat zwingt, muss künftig mit einer Freiheitsstrafe von

bis zu fünf Jahren rechnen.“ (Internet 9)

Zum aktuellen Stand meint Rechtsanwältin Hayriye Yerlikaya: „Das Gesetzesvorhaben

ist zwar verabschiedet, es muss jedoch noch im Bundesgesetzblatt verkündet werden

und dann die Zustimmung des Bundespräsidenten erhalten. Erst danach kann es in

Kraft treten. Wann das allerdings sein wird, kann ich leider nicht voraussehen. Der

Bundespräsident könnte jetzt nur noch einwenden, dass das Gesetz nicht

verfassungsgemäß ist. Wenn er diese Ansicht gehabt hätte, hätte man dies

wahrscheinlich in den Medien mitbekommen. Da dies nicht der Fall ist, gehe ich davon

aus, dass das Gesetz verabschiedet wird.“ (HY)

Filiz Sütcü ist der Meinung, dass ein Straftatbestand zwar eine Signalwirkung hätte,

aber keine Hilfe für die Frauen darstellt (vgl. Internet 8).

18

Page 21: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Psychischer Kontext

Da bei den Betroffenen eine extreme Loyalität und Liebe gegenüber der Familie und

auf der anderen Seite große Angst vor Sanktionen vorherrscht, ist Beratung besser als

eine bloße Anzeige (vgl. Graue Literatur 3).

Fachstellen sind sich einig, dass eine Änderung der Gesetzeslage zu kurz greift, denn

damit können nicht alle damit zusammenhängenden familiären Verstrickungen

aufgegriffen werden (vgl. Graue Literatur 6). Innerfamiliäre Loyalitätskonflikte

behindern die jungen Menschen vor Gericht auszusagen und deswegen sollte der

Schwerpunkt auf Beratung und Vermittlung gesetzt werden (vgl. Graue Literatur 9).

Dr. Nivedita Prasad, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Ban Ying, einer Beratungs- und

Koordinierungsstelle gegen Menschenhandel und Dozentin für Rassismus, Migration,

Diskriminierung und Menschenrechte warnt davor, dass das Thema Zwangsheirat von

der Politik instrumentalisiert wird, um deren Ziele umzusetzen. Durch

Gesetzesänderungen wird die Migration bestimmter Migrantengruppen erschwert.

Besonders betroffen sind Analphabetinnen, arme Menschen oder Menschen aus

strukturarmen Gegenden (vgl. Internet 17).

Frau Gabriela Heinemann sagt, dass ein Mädchen mit 12 natürlich Opfer ist und die

Eltern Täter. Aber sie haben ja keine bösen Hintergedanken und so kommt man nicht

weiter (vgl. GH).

Aber Rechtsanwältin Regina Kalthegener z.B. sagt, dass junge Frauen ein konkretes

Gesetz brauchen, was sie den Eltern sagen und zeigen können. Dann können sie

sagen, dass das verboten ist und sich die Eltern strafbar machen, wenn sie sie

verheiraten (vgl. Internet 18).

1.6 Psychischer Kontext

Emotional und sozial sind die Mädchen sehr angespannt. Ihre Gedanken kreisen

immer ambivalent um einerseits Bindung an die Familie und andererseits ihre

Selbstbestimmung. Wenn sie sich dazwischen entscheiden müssen, stellt das eine

hochproblematische Wahl dar. Wenn dann auch noch Bedrohung von der eigenen

Familie ausgeht, erleichtert sich nicht, wie wir in unserem deutschen Verständnis

vielleicht denken würden, die Wahl, sondern kommt als weiterer belastender aber nicht

erleichternder Faktor dazu (vgl. Graue Literatur 5).

Dieses ambivalente Denken spiegelt sich auch in ihrem Verhalten wieder. Sie suchen

Hilfe bei einer Einrichtung, laufen von zu hause weg, kehren zurück, zeigen bei der

Polizei an, ziehen die Anzeige zurück, suchen wieder Hilfe usw..

19

Page 22: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Psychischer Kontext

Starke Schuldgefühle begleiten dabei immer die Mädchen und die helfende Einrichtung

sollte Verständnis haben für diese auf den ersten Blick Unschlüssigkeit, die aber in

Anbetracht der vielfältig belastenden Lebenssituation eine andere Bedeutung annimmt

(vgl. Graue Literatur 3).

Judith Gerling-Tamer von der Beratungsstelle Elisi evi sagt, dass das Hauptproblem

darin liegt, dass sich die Mädchen nicht geliebt fühlen und wenn sie nicht unglücklich

sein wollen, aus der Familie raus müssen (vgl. G-T).

Für Gabriele Heinemann vom MaDonna Mädchentreff liegt das Hauptproblem für die

Betroffenen in der fehlenden Vertrauensperson (vgl. GH).

Der Konflikt beginnt da, wo die Eltern die Weigerung der Tochter nicht akzeptieren.

Wenn das Mädchen allein ist ohne Unterstützung, hat sie keine Chance gegen die

elterliche Meinung (vgl. Bielefeldt, 2007, S. 47). Zur Konfliktdynamik folgende

Abbildung:

(Abbildung 4)

20

Page 23: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Zusammenfassung

1.7 Zusammenfassung

Zwangsheirat betrifft nicht alle Menschen mit türkischem Migrationshintergrund.

Oftmals tritt sie auf, wo Gewalt in der Familie schon zur Tagesordnung gehört, dass

Bildungsniveau, die ökonomische Lage gering sind (vgl. Toprak, 2007, S. 174).

Zwangsverheiratung ist eine Praxis, die hier in Deutschland stattfindet. Das neue

Gesetz zum Straftatbestand symbolisiert die Meinung Deutschlands zum Thema

Zwangsheirat, hilft den Betroffenen aber in der konkreten Situation nicht weiter. Die

Eltern treten als Initiatoren der Zwangsverheiratung auf, deswegen stellt eine

drohende Zwangsverheiratung für die Betroffenen, die sich diesem Zwang nicht

hingeben wollen, eine enorme Belastung dar. Für deren Bewältigung benötigen sie

Unterstützung.

21

Page 24: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Die türkische Migrantenfamilie

2 Die türkische Migrantenfamilie

»Wenn du glaubst, dass du da so einfach hingehen, Spaß haben, flirten kannst, dann

hast du keine Ahnung von uns. Du weißt nichts. Es geht nicht darum, was du willst, du

musst eben Acht geben auf die Ehre deiner Familie, ist doch klar, sonst wäre das ja

total peinlich für alle, wenn du so ein Theater machen würdest.« (angelehnt an

Yasemin Güner Balcis Roman Arabqueen)

So oder so ähnlich würde wahrscheinlich ein traditionell erzogenes türkisches

Mädchen reagieren, wenn ihre deutsche Freundin sie in eine Disco mitnehmen wöllte.

Wenn man mit den Eltern von Zwangsheirat bedrohten Mädchen arbeiten möchte,

worauf ich im nächsten Kapitel eingehen werde, braucht man ein gewisses

Hintergrundwissen bezüglich gewachsener Familienstrukturen in türkischen

Migrantenfamilien. Auf den nächsten Seiten möchte ich auf diese Strukturen und

Zusammenhänge näher eingehen. Die Religion spielt dabei auch eine Rolle. In der

Präambel der Menschenrechte im Islam aus dem Jahr 1981 steht: „Die authentische

islamische Gesellschaft ist eine Gemeinschaft, die die Familie als ihre Keimzelle

betrachtet und sie mit ihrem Schutz umgibt, sie adelt und in jeder Hinsicht für ihre

Beständigkeit und Weiterentwicklung Sorge trägt.“ (Breuer, 1998, S. 7) Im Koran steht:

„Wer nicht gütig ist gegen unsere Jüngsten und unseren Älteren keine Ehrerbietung

erweist, der gehört nicht zu uns.“ (Breuer, 1998, S. 62) Daran erkennt man, dass die

Familie eine enorme Bedeutung hat und oftmals aufgrund der Wertevorstellungen

patriarchalisch aufgebaut ist. Darüber hinaus ist natürlich zu beachten, dass es im

Islam verschiedene Richtungen gibt und auch jeder für sich eine andere Art und Weise

hat, zu glauben.

„Muslime, die nach Westeuropa ausgewandert sind, haben ihre Überzeugungen

mitgenommen.“ (Ali, 2005, s. 102) Väter holen nicht muslimisch aussehende Töchter

z.B. von der Schule ab, was nicht als ein Zeichen der Einschränkung der

Bewegungsfreiheit gewertet wird, sondern weil sie dem Ideal der

Geschlechtertrennung gerecht werden wollen. Es werden überall sexuelle

Beziehungen vermutet, sei es in öffentlichen Verkehrsmitteln oder am Arbeitsplatz.

Einwände gegen höhere Schulbildung gibt es generell nicht. Da aber die meisten

weiterführenden Schulen gemischte Schulen sind, wird dies nicht so gern gesehen

(vgl. Breuer, 1998, S. 142f).

22

Page 25: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Die türkische Migrantenfamilie

Ahmet Toprak, deutscher Professor für Erziehungswissenschaften an der

Fachhochschule Dortmund mit türkischer Herkunft, ist der Überzeugung, dass die

Familie in einem fremden Land noch mehr an Bedeutung zunimmt, da ein

vertrauensvolles soziales Umfeld nicht vorhanden ist (vgl. Internet 7). Durch den

Verlust der Großfamilie und der islamischen Gesellschaft, muss die Kontrolle in

Deutschland noch extremer gelebt werden. Dem entgegen steht die Individualisierung

der westlichen Welt, sagt Islamwissenschaftlerin Rita Breuer (vgl. Breuer, 1998, S. 146

und 107).

Die schwierigsten Konflikte islamischen Familienlebens treten im Bereich der

Erziehung und Bildung auf, da meist Sinn und Ziel von Erziehung unterschiedlich von

den Generationen gesehen werden. In Deutschland zählen Unabhängigkeit,

Selbständigkeit, Verantwortung und eigenständige Persönlichkeit und in der türkisch-

traditionellen Sichtweise Leistungsbereitschaft, Gehorsam, Einhaltung von Vorschriften

und Übernahme traditioneller Werte der Eltern. Darin liegt eine Selbstverständlichkeit.

Distanzierung davon ist ungehörig bis skandalös (vgl. Breuer, 1998, S. 143 und 109).

„Dem muslimischen Zuwanderer erscheint der Westen als verkehrte Welt. Anders als in

der islamischen Welt legt man im Westen gerade auf Selbständigkeit und

Eigenverantwortung des Individuums und auf die Notwendigkeit, in das irdische Leben

zu investieren, großen Wert. Ausbildung und Beruf sind hier maßgeblich für Erfolg und

nicht die Frömmigkeit des Individuums. In westlichen Gesellschaften gibt es nicht die

einzige Ideologie, sondern es existieren mehrere Ideologien nebeneinander. Hier hält

man das Grundgesetz für wichtiger als Gottes Heilige Schriften, und Gott ist nur im

Privatleben relevant. Die Beziehungen und der Umgang der Menschen miteinander

sind durch Gesetze und Regeln festgelegt, die von Menschen erdacht wurden und

nicht auf ewig gelten, sondern durch neue Regeln ersetzt oder ergänzt werden können.

Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich, auch Menschen, die anders leben als die

Mehrheit. (…) Liebe beschränkt sich darüber hinaus nicht allein auf die Ehe, sondern

kann von Menschen in gegenseitigem Einvernehmen erlebt werden.“ (Ali, 2005, S. 35f)

Wenn die Kinder permanent dieses andere deutsche Wertesystem erfahren, wird es

ihnen leichter gemacht, die Autorität ihrer Eltern in Frage zu stellen (vgl. Breuer, 1998,

S. 142f).

2.1 Familienstrukturen

Dr. Ilhami Atabay, Dipl.-Psychologe, Pädagoge M.A., Psychologischer Psycho- und

Verhaltenstherapeut und Supervisor hat über Familienstrukturen und Familientypen in

türkeistämmigen Migrantenfamilien geschrieben.

23

Page 26: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Familienstrukturen

Dazu hat er türkische Migrantenfamilien der zweiten Generation auf Festhalten an der

Tradition bzw. Einleben in der Moderne untersucht. Er konnte drei verschiedene

Familientypen feststellen, die religiös-traditionell orientierte Familie,die Familie

zwischen Moderne und Tradition und die moderne Familie.

Natürlich gibt es auch fließende Übergänge, aber dennoch kann man in diesen drei

Gruppen deutliche Unterschiede in den Bindungs- und Beziehungsmustern finden (vgl.

Internet 6). Auf die moderne Familie werde ich nur kurz eingehen, um den Unterschied

zu den zwei anderen Arten zu verdeutlichen. Als Zielgruppe meiner Arbeit können

diese jedoch nicht gesehen werden.

Diese Zergliederung der Familienstrukturen hängt auch mit den Entwicklungen in der

Türkei zusammen. Diese brachten „...neue ethische und ästhetische Werte für

Selbstverständnis, körperliche Repräsentation und Geschlechterbeziehungen...“

(Internet 6) mit sich. Bildung für Frauen und deren Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit

führten zum neuen Verständnis von Gleichberechtigung und gesellschaftlichem

Umgang zwischen den Geschlechtern (vgl. Internet 6).

2.1.1 Religiös-traditionell orientierte Familie

In dieser Familienform hat die Ehe eine enorme Bedeutung. „In der türkischen

Gesellschaft ist z.B. ein Zusammenleben von Paaren ohne Heirat fast nicht denkbar,

die Ehe wird als etwas Selbstverständliches angesehen. (…) In der traditionellen

türkischen Erziehungsvorstellung wird die Zeit zwischen Kindheit und Ehe als

Übergangsphase zum Erwachsensein angenommen. Die Jugendzeit wird also nicht als

eine eigenständige Phase gesehen.“ (Internet 6) Die Ehe wird meist durch die Eltern

oder Verwandten arrangiert, da der Akt eher einen gesellschaftlichen als individuellen

Charakter hat und sich die Familien verstehen müssen. Die Zeit zwischen

Kennenlernen und Heirat ist kurz und das Brautpaar wird in die Planung nicht

sonderlich einbezogen (vgl. Internet 6). „Es wird dabei sehr viel Wert darauf gelegt,

dass das Mädchen aus einem guten Hause (temiz aile kizi) stammt.“ (Internet 6)

Die Frau ist Trägerin der Familienehre. Da in dieser Familie das patriarchalische

Rollenmuster und die Aufgabenverteilung gelebt werden, nimmt der Mann die

Versorgerrolle ein und hat somit auch das Sagen, repräsentiert die Familie nach außen

(vgl. Internet 7). „Die Frau dagegen wird als eine schutzbedürftige, verführerische

Gestalt gesehen.“ (Internet 6) Die Aufgaben der Frau liegen im Kinder gebären und

erziehen, Haushalt organisieren und im Befriedigen der Sexualität ihres Mannes.

Page 27: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

FamilienstrukturenNach außen wird das Bild einer heilen Familie gewahrt, sodass nicht schlecht von der

Familie geredet wird. Konflikte werden intern gelöst (vgl. Internet 7).

Frauen haben kein Entscheidungs- und Mitspracherecht, aber fordern sich dies auch

selbst nicht ein (vgl. Internet 6).

Wenn so eine Familie immigriert, verschieben sich die Rollenmuster meist, da der

Vater nicht mehr nur allein arbeiten gehen kann, um die Familie zu versorgen. Seine

Frau muss meist aus Geldnöten ebenso eine Arbeit aufnehmen. Durch ihren

Arbeitsplatz außerhalb der familiären Wohnung, wird ihre Bewegungsfreiheit und somit

ihr Horizont erweitert. Damit können die Männer vielfach nicht umgehen und manche

werden alkoholabhängig oder gewalttätig, um ihrem Unmut über ihre eigene Situation

Luft zu machen. Sie sehen sich in ihrem Selbstbild gekränkt, wenn sie ihre Familie

nicht mehr allein versorgen können. Die Autorität der Eltern wird von den Kindern öfter

angezweifelt als im Herkunftsland, weil andere Lebensweisen kennen gelernt werden

und die Kinder besser deutsch sprechen als ihre Eltern und sich auch dadurch besser

integrieren können. Die Eltern haben dann Angst, dass ihre Kinder ihnen entgleiten

(vgl. Internet 7).

„In den traditionell ausgerichteten muslimischen Gemeinschaften sind es oft die Mütter,

die ihre Töchter unter ihrer Fuchtel halten, und die Schwiegermütter, die ihren

Schwiegertöchtern das Leben unerträglich machen. Cousinen und Tanten tratschen

endlos übereinander und über andere und tragen mit dieser sozialen Kontrolle zum

Erhalt ihrer eigenen Unterdrückung bei.“ (Ali, 2005, S. 141)

2.1.2 Familie zwischen Moderne und Tradition

Diese Familien sind immer zwischen traditionellen und modernen Wertvorstellungen

hin- und her gerissen. Ihren Glauben praktizieren sie nicht außerordentlich, aber

Normen wie Ehre, Würde, Ansehen und Jungfräulichkeit spielen dennoch eine wichtige

Rolle im Leben, denn diese Werte sind stark verankert (vgl. Internet 7). Dieser

Balanceakt ist oftmals sehr schwierig.

„Was klar ist also, also das Mädchen muss als Jungfrau eigentlich in die Ehe gehen

oder so tun als ob sie Jungfrau ist.“ Ich: „Also das is´ auch in solchen Familien, wo sich

gegenseitig respektiert wird trotzdem? G-T: „Ja die Jungfräulichkeit, das is´ noch ganz

ganz stark, ganz stark.“ Ich: „Auch in so modernen ausländischen Familien? G-T: „Ja“

(Audio 9, Minute 6.43 - 7.07)

In diesen Familien ist es unüblich einen Ehepartner aus dem Herkunftsland

auszusuchen und nach Deutschland zu holen. Die Mitglieder leben seit Jahren in

Deutschland, sind hier geboren und aufgewachsen.

Page 28: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

FamilienstrukturenDie Heirat beruht auf Liebe und der selbstbestimmten Wahl. In diesen Ehen sind beide

Partner erwerbstätig.

Es ist auffällig, dass sich diese Familien modern zeigen, die Männer jedoch trotzdem

traditionell leben (vgl. Internet 6). Die Frau bewältigt Haushalt und Erziehung, aber

eben auch ihre Arbeit, wodurch sich ihr Selbstbild verschieben kann. Durch ihren Job

ist sie ein Stück weit unabhängig und kann Bestätigung in diesem Bereich ihres

Lebens einholen (vgl. Internet 7). Davon abhängig wie stark sich ihr

Selbstbewusstsein entwickelt, kann sie dann auch gegenüber ihrem Mann alte Werte

neu definieren und sie ihrer Familie anpassen.

Andererseits ist die Aufgabenverteilung in diesen Familien immer noch klassisch,

sodass Frauen überlastet sein können. Deswegen möchten die Frauen diese

klassische Rollenverteilung gern aufbrechen. Das gelingt aber nicht so einfach, da das

familiäre Umfeld meist die traditionelle Sichtweise weiterhin verfechtet und diese Werte

den Frauen so verinnerlicht wurden. Das führt zu Generationenkonflikten, auch weil

vieles in Frage gestellt wird (vgl. Internet 6).

Wenn es einen Konflikt gibt, erfolgt eine Auseinandersetzung (vgl. Internet 6). Das Bild

des Mannes als einziger Ernährer in der Familie entspricht nicht der Realität, da die

Frauen mehr Bildungs- und Berufsoptionen haben. Dadurch kann der Mann auch nicht

mehr allein alle Entscheidungen treffen, auch wenn er in Gesprächen den Sprecher

übernimmt, treffen doch häufig auch die Frauen die Entschlüsse. Meist reagieren Väter

erst in Konfliktsituationen, wenn sie von ihrer Frau dazu aufgefordert werden (vgl.

Internet 7).

Es fällt den Müttern nicht sehr leicht, zu wissen, welche Rolle sie nun ihren Töchtern

vermitteln sollen. Sie sind allerdings der Meinung, dass Unabhängigkeit einen hohen

Stellenwert hat, da sie oft aus Erfahrung wissen, welche Belastung durch eine zu hohe

Abhängigkeit vom Mann entstehen kann. Auf der anderen Seite wissen sie aber auch

um den oft beschwerlichen Weg, den eine Ausländerin in Deutschland bei der

Arbeitssuche zurücklegen muss (vgl. Internet 7).

2.1.3 Moderne Familie

Der dritte Familientyp ist die moderne Familie, die dem westlichen Verständnis von

Partnerschaft, Ehe und Familie gleich kommt. Der Unterschied ist jedoch, dass auch

da eine Beziehung halb geheim geführt wird. Diese Form nimmt weiter zu, ist jedoch

noch sehr unterrepräsentiert. Trotz aller modernen Lebensweise befinden sich

diejenigen trotzdem in einem Spannungsfeld, da sie eigene Erwartungen und die des

Milieus, in dem sie sich ja dennoch befinden, berücksichtigen.

Page 29: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Erziehungsziele

Vor allem in Bezug auf die Kindererziehung unterscheiden sie sich von den anderen

Familientypen, da sie sich z.B. in pädagogischen und psychologischen Ratgeber

weiterbilden (vgl. Internet 6).

Gerade deswegen und der offenen Auseinandersetzung mit Problemen, werde ich

nicht näher auf diesen Familientyp eingehen, weil die Möglichkeit einer

Zwangsverheiratung in diesen Familien wohl keine Rolle spielt und auch die folgenden

Erziehungsziele und- methoden auf diese Familien nicht zutreffen.

2.2 Erziehungsziele

Die Erziehungsziele werden vor allem in religiös- traditionell orientierten und zum Teil in

Familien zwischen Tradition und Moderne verfolgt.

Zu den Erziehungszielen gehören Respekt vor Autoritäten. Das zeigt sich z.B. daran,

dass die Kinder ihre Eltern, ältere Geschwister, Onkel, Tanten nie beim Vornamen

nennen dürfen, sondern anne (Mutter), baba (Vater), abla (große Schwester), abi

(großer Bruder), teyze (Tante), amca (Onkel) und das gilt sogar außerhalb der

Verwandtschaft. Die Kinder sollen in Gegenwart der Eltern schweigen, nicht

widersprechen, nicht rauchen, trinken. Das gehört zur Auffassung von Höflichkeit und

Gehorsam. In Deutschland gewinnt dies nach Meinung von Ahmet Toprak noch mehr

an Bedeutung, weil die deutsche Peer- group als unhöflich wahrgenommen wird. Ein

weiteres Erziehungsziel ist die Zusammengehörigkeit (birlik ve beraberlik), welches nur

in Deutschland als Ziel gilt, da hier die innerfamiliäre Bindung durch Migration

gefährdet wird und gefestigt werden soll. Leistungsstreben ist wichtig, da nur so der

Aufstieg in der deutschen Gesellschaft gelingt (vgl. Toprak, 2004, S. 25ff). Die türkische

Identität, die in Deutschland nicht von der Schule übermittelt wird, wird zur

Familienaufgabe. Dasselbe gilt für die religiöse Identität. Sunnitische Muslime bilden in

der Türkei sowie in Deutschland die Mehrheit. Aber es gibt z.B. auch die Aleviten, die

den Koran anders interpretieren. Der Mensch ist dort nicht Sklave Gottes sondern

selbstverantwortlich. Die Religion ist in allen Erziehungsstilen in unterschiedlichem

Maße präsent (vgl. Toprak, 2004 S. 28f).

Der 2. Generation ist eher der Zusammenhalt der Familie in der Fremde und die

persönlichen Erfolge der Kinder wichtig (vgl. Toprak, 2004, S. 32).

Die Familie hat den Zweck religiöse, kulturelle und traditionelle Werte zu vermitteln.

Gegenüber außerschulischen Institutionen bildet die Familie die traditionelle

Komponente in der Erziehung. Der Erhalt der islamischen Identität und Lebensweise

steht im Vordergrund (vgl. Breuer, 1998, S. 62).

Page 30: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

ErziehungszieleZu den Erziehungszielen gehört auch die Verinnerlichung der Wichtigkeit der Ehre in

allen seinen Auffassungen. Denn Ehre gehört zu den wichtigsten Werten.

Zur Ehre im türkischen Sinne gehört zum einen die (sexuelle) Ehre (Namus).

Dabei geht es vor allem um die Unbescholtenheit und Anständigkeit einer Person bzw.

Familie. Dies beinhaltet die voreheliche Jungfräulichkeit und zurückhaltendes Verhalten

von Frauen im öffentlichen Leben. Dieser Wert gilt absolut. Er kann nicht erworben,

sondern nur bewahrt oder verloren werden z.B. durch äußerlichen Angriff oder sexuell

freizügiges Verhalten vor allem weiblicher Familienangehöriger.

Er ist Sache der gesamten Familie, wobei der Mann den Verantwortlichen und die Frau

das Objekt des Namus darstellt. Wie wichtig der Wert ist, hängt vom Ausmaß des

sozialen Umfeldes und somit der sozialen Kontrolle, der traditionellen und religiösen

Wertorientierungen, der Schichtzugehörigkeit und dem Bildungsstand ab.

Ein zweiter Ehrbegriff ist Seref. Dies bezeichnet das Ansehen einer Person in der

Gesellschaft. Seref kann erworben werden durch absolute Integrität des Mannes in

Bezug auf Namus, Achtung des Mannes in der Familie, Höflichkeit, aufrichtige

Lebensweise und die Fähigkeit zur Verteidigung gegen Angriffe von außen und

Überwindung von Schwierigkeiten. Wenn die Frau die Ehre verletzt, geht das Ansehen

verloren.

Die dritte Form ist Saygi, was Respekt meint. Der ist wichtig für die Beziehung

zwischen Familienmitgliedern und Personen unterschiedlichen Alters und Sozialstatus.

Wer respektvoll ist, widerspricht nicht offen gegenüber dem Vater und Älteren.

Außerdem müssen Jüngere in Anwesenheit Älterer auf Genussmittel, Ehepartner in

Anwesenheit anderer auf Körperkontakt und Menschen unterschiedlichen Ranges auf

direkten Blickkontakt verzichten.

Sevgi ist der vierte zentrale Wert und bedeutet Zuneigung. Sevgi hängt mit Saygi

zusammen, denn nur wer Respekt zollt, bekommt Zuneigung und nur wer Zuneigung

gibt, erhält Respekt. Andernfalls droht der Verlust (vgl. Internet 4).

Daran erkennt man, dass die Erziehungsziele von Migranten eher auf Regelung des

Mann- Frau- Verhältnisses, der Darstellung nach außen und der Rangordnung in der

Familie ausgerichtet sind, als auf grundsätzliche Werte (vgl. Internet 7).

Ahmet Toprak beschreibt, dass eine gute Schulausbildung gerade Migrantenkindern in

Deutschland sehr wichtig ist, da sie fürchten, im Arbeitsleben sonst benachteiligt zu

sein. Auch wenn durch traditionelle Rollenbilder eher die Söhne dazu angehalten

werden und bei den Töchtern es als nachrangig angesehen wird, sind die Eltern

bestrebt, ihren Söhnen und Töchtern dies zu ermöglichen (vgl. Internet 7).

Die Söhne werden von der Familie in ihrer Rollenfindung, die Kraft und

Page 31: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

ErziehungszieleSelbstbewusstsein beinhaltet, immer befürwortet, während die Töchter bei

Verweigerung von Hilfsdiensten im Haushalt oder ähnlichem zurecht gewiesen werden.

Wenn sich die Töchter nicht ihrem Rollenbild entsprechend verhalten, wird dies auf ein

Unvermögen der Mutter zurückgeführt (vgl. Internet 7).

Die Erziehung von Jungen gestaltet sich einfacher, da die Familie diese weniger streng

überwachen muss, da deren Verhalten weder die Familienehre noch die

Heiratschancen beeinflusst (vgl. Breuer, 1998, S. 54). Die Jungen haben meist kein

Problem nach den traditionellen Vorstellungen zu leben, weil sie dadurch wenig

eingeengt werden und eher Konflikten aus dem Weg gehen können (vgl. Internet 6).

Andererseits schätzen Eltern an ihren Töchtern deren Fügsamkeit und Unterstützung

der Mutter bei der Arbeit (vgl. Breuer, 1998, S. 55).

Daran erkennt man, welche starken erwartungsvollen Verstrickungen diesen Familien

zugrunde liegen und wie den Töchtern jegliche Selbstentwicklung genommen wird und

sie ständig kritisiert werden, wenn sie sich nicht den Erwartungen entsprechend

benehmen, wogegen die Jungen, an die nicht so sehr viele Erwartungen gestellt

werden, sich der familiären Unterstützung sicher sein können. Sie werden bejaht und

die Mädchen gemaßregelt.

Da alles verboten sein könnte, findet vielfach auch kein Austausch mit den Eltern über

Erlebtes der Töchter statt. Und auch wenn ein Austausch stattfindet, empfinden die

Mütter die Welt außerhalb der Wohnung als gefährlich und können deswegen auch

selten Verständnis dafür entwickeln. Dadurch findet natürlich auch wiederum das

Mädchen keinen Anreiz darin, von ihrem Alltag zu berichten (vgl. Internet 7).

Mädchen lernen früh, dass sie unzuverlässige Geschöpfe sind, die eine Gefahr für die

Familie darstellen. Achmed, Vater einer Siebenjährigen, meinte, dass seine so junge

Tochter bereits ein Kopftuch trage, um sich daran zu gewöhnen. Er findet die

Verschleierung wichtig und berichtet von einem Lkw- Fahrer, der, weil er einer Frau auf

die nackten Beine guckte, einen Unfall herbeiführte. Die Mädchen müssen sich

unsichtbar machen. Sie wachsen mit dem Selbstbild auf, dass sie immer etwas falsch

machen. Ihre äußere und innere Freiheit ist begrenzt. Sie können nicht tun, was sie

wollen und innerlich werden sie ebenso beeinflusst, was das nachfolgende Beispiel

zeigt: „…Meine Tante hat einmal einen Brocken Schafsfett in die Sonne gelegt. Er

lockte ganze Ameisenkolonnen und Fliegenschwärme an. Meine Tante sagte: »Die

Männer sind wie diese Ameisen und Fliegen: Wenn sie eine Frau sehen, können sie

ihre Begierden nicht mehr beherrschen«“ (Ali, 2005, S. 107)

Page 32: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Erziehungsmethoden

„Wenn meine Oma gefragt wurde, wie viele Kinder sie habe, sagte sie: »Eins« Dabei

hatte sie neun Töchter und einen Sohn. Das sagte sie auch über unsere Familie – daß

wir nur ein Kind hätten. »Und wir ?« fragten meine Schwester und ich. »Ihr werdet für

uns Söhne bekommen«, erwiderte sie.“ (Ali, 2005, S. 23) Daran ist zu erkennen,

welche Auffassung von den Geschlechtern teilweise den Kindern beigebracht wird.

„Genauso leidenschaftlich, wie ein Mann über seine Ehre wacht, ist er davon

besessen, Schande oder Scham zu vermeiden.

Auch hier spielen Verleugnung und Lüge eine wichtige Rolle. In einer Schamkultur ist

es durchaus üblich, ein tatsächliches Ereignis zu ignorieren oder schlicht zu leugnen.

Dieses Verhalten wird von einem stark entwickelten Mißtrauen begleitet, nicht nur

gegenüber Außenstehenden, sondern auch gegenüber Mitgliedern der eigenen Familie

und Sippe. In der eigenen Gruppe herrscht ein hohes Maß an sozialer Kontrolle, wobei

sich Mißtrauen vor allem in endlosem Klatsch über (vermeintliche) Verletzungen der

Regeln, welche die Ehre der Gruppe aufrechterhalten sollen, äußert.“ (Ali, 2005, S. 59)

Die Kinder lernen somit, dass es sich für den Erhalt der so wichtigen Ehre zu lügen

lohnt. Überhaupt müssen sie sich an so viele Dinge halten, die sie vielleicht gern

umgehen würden, weil sie z.B. für deutsche Mädchen und Jungen machbar sind und

werden so zu einem lügenden Menschen erzogen, um sich die ein oder andere Freiheit

zu ermöglichen.

2.3 Erziehungsmethoden

Menschliches Verhalten muss immer im Gesellschaftskontext gesehen werden, weil

auch die Gesellschaft vorgibt, was erlaubt, gewünscht und verboten ist. Somit herrscht

auch überall ein anderes Verständnis von Gewalt. Oft ist den Eltern deswegen nicht

bewusst, dass das Gewalt ist, was sie machen. Vor allem die psychische Gewalt wie

Drohen und Beschimpfen, aber auch die Ohrfeige zählen dazu.

Oft ist es auch so, dass Schläge angedroht werden, aber keine Konsequenz erfolgt.

Und das ist mit vielem so, sodass die Kinder die Drohungen nicht mehr ernst nehmen

(vgl. Toprak, 2004, S. 40f).

Die Mutter unterweist die Töchter und der Vater die Söhne. Der Unterschied ist, dass

die Töchter ebenso auf ihren Vater hören müssen, wogegen die Söhne nicht auf

Mutter. Der Junge bekommt zwar einen Tadel, wenn er einer Bitte der Mutter nicht

nachkommt, aber dennoch kann er sich ihr ohne weitere Folgen widersetzen. So

werden die Jungen zur Missachtung der Frauen erzogen (vgl. Toprak, 2004, S. 42f).

Page 33: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

ErziehungsmethodenDie Beziehung zwischen Mutter und pubertierender Tochter ist von wenig Zärtlichkeit

geprägt, da die Tochter früh Verantwortung übernehmen muss und die Mutter zur

Erfüllung dieser Aufgaben als Strafinstanz auftritt. Die Mutter droht mit dem Vater,

schlägt aber selbst. Der Vater hat zu seinen Töchtern meist eine freundliche

Beziehung, da sie nicht viel miteinander zu tun haben, außer kleine Dienstleistungen.

Die Eltern finden Namus- Werte positiv, sehen aber ein, dass sie Stress in der Familie

erzeugen, da Abweichungen immer bestraft werden müssen (vgl. Toprak, 2004, S. 43f).

Die Eltern haben die Zukunft der Kinder im Blick; welche Methoden sie dazu

verwenden, können sie selbst wählen.

Züchtigung in der Familie ist ein intimer Vorgang. Staatliche Einmischung ist unbekannt

(vgl. Breuer, 1998, S. 62f).

Erziehungsmethoden sind, nach der Meinung von Wildwasser e.V., Ohrfeigen,

Anschreien, Beleidigen und Prügel- oder Abschiebdrohungen. Alles betrifft die Ehre. Es

fallen Begriffe wie Nutte oder schwul. Vielen Eltern ist nicht klar, dass es sich bei ihren

Methoden um Gewalt handelt. Eine Konfliktaustragung in Form von Reden existiert

nicht, da die Eltern als Respektspersonen ohnehin das Sagen haben bzw. aufgrund

von sprachlichen Barrieren nicht auf Augenhöhe mit ihren Kindern sprechen können.

Vielmals wird geschlagen, weil die Eltern aufgrund von ungenügender Bildung oder

Sprache ihren Kindern nicht verbal ihr Fehlverhalten aufzeigen oder eine Begründung

geben können. Sie können sich nicht anders helfen, was keine Entschuldigung, aber

eine Verdeutlichung der Lage darstellen soll (vgl. Internet 7).

Ahmet Toprak führt aus, dass durch die Wichtigkeit der weiblichen Jungfräulichkeit

Mädchen öfter bestraft werden, wenn sie sich etwas zu Schulden kommen lassen, was

mit dem anderen Geschlecht zusammenhängt. Zu Schulden kommen, kann z.B.

Zuspätkommen oder Treffen mit Jungen bedeuten. Diese Vergehen führen manchmal

zum Ausschluss aus der Schule, zu Hausarrest oder im schlimmsten Fall zu

Zwangsverheiratung (vgl. Internet 7).

Die Mutter mimt die Vermittlerin zwischen Vater und Kindern, wenn es um

Anweisungen von Seiten des Vaters oder Wünsche der Kinder geht. Ahmet Toprak

meint, dass wenn Mütter Gewalt anwenden, das meist ein Zeichen der Überforderung

ist. Sie sind erwerbstätig und für Haushalt und Kinder voll und ganz allein zuständig.

Der Vater tritt nur als Strafinstanz auf und befasst sich nicht mit Erziehungsfragen (vgl.

Internet 7).

Die Wichtigkeit des Jungfernhäutchens zeigt sich darin, dass wenn es einmal zerstört

ist, die Frau keinen Ehemann mehr findet und für immer bei ihren Eltern leben muss.

Page 34: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Zusammenfassung

Da sie Sex außerhalb der Ehe hatte, hat sie ihre Familie bis „in den zehnten Grad der

Blutsverwandtschaft entehrt“. Es folgen Klatsch und Tratsch, dass diese Familie

bekannt ist für „ihre sittenlosen Frauen“. Die Familie muss das Mädchen bestrafen.

Das kann unterschiedlich erfolgen, wahlweise mit einer „Gardinenpredigt“,

Familienausschluss, Einsperren oder einer Zwangsehe, entweder mit dem Mann, der

für die Entjungferung verantwortlich ist oder einem unbekannten Mann, der bereit ist

Scham der Familie zu vertuschen. So ein Mann ist oftmals „arm, alt, schwachsinnig

oder impotent“. Als schlimmste Folge auf eine solche Beschmutzung der Familienehre

kann das Mädchen ermordet werden (vgl. Ali, 2005, S. 105). Und dem Täter des

Ehrenmordes wird nicht nur nachgesagt, dass er die Ehre seiner Familie gerettet hat,

sondern sein Ansehen in der Gemeinschaft steigt (vgl. Ali, 2005, S. 147).

Ein Beispiel der weitgreifenden Verinnerlichung der Sexualmoral ist auch, dass in

muslimischen Seifenopern eine Beziehung, in denen sich ein Mann aus Liebe für ein

Mädchen entscheidet, böse endet und eine, in der die Familie entschieden hat, gut

endet (vgl. Ali, 2005, S. 121f).

Es gibt auch die Erziehungsmethode des Anschweigens. Das resultiert aus

Hilflosigkeit. Die Kinder werden dadurch verunsichert und suchen den Dialog (vgl.

Toprak, 2004, S. 42).

2.4 Zusammenfassung

So ein Erziehungsverhalten führt zur Abhängigkeit des Kindes. Ein Selbstkonzept

sowie die Fähigkeit zur Selbstkontrolle, Selbständigkeit und Mündigkeit kann so nicht

ermöglicht werden. Die Kinder, immer von außen gesteuert, werden unselbständig,

unfähig eigenverantwortlich und ohne schlechtes Gewissen zu handeln (vgl. Schatz,

2004, S.7). Die Mutter verwöhnt den Sohn und vernachlässigt emotional die Tochter

(vgl. Toprak, 2004, S. 45).

Der kulturelle Hintergrund von muslimisch geprägten Familien hat drei Merkmale: „Als

allererstes eine hierarchisch- autoritäre Einstellung. Als zweites eine patriarchalische

Familienstruktur, in welcher die Frau eine reproduktive Funktion hat und dem Mann

zum Gehorsam verpflichtet ist. Tut sie es nicht, macht sie der Familie Schande. Ein

drittes Element ist das gruppengebundene Denken, in dem die Gruppe immer wichtiger

ist als das Individuum; ...“ (Ali, 2005, S. 67) Eine Ehe wird so immer zwischen zwei

Familien geschlossen und nicht zwischen zwei Menschen (vgl. Internet 6).

Vor allem religiös-traditionell orientierte Familien und Familien zwischen Moderne und

Tradition, wird man in der Arbeit im Zusammenhang mit Zwangsverheiratung

begegnen.

Page 35: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Zusammenfassung

Für die Zusammenarbeit wird es wichtig sein, deren Erziehungsvorstellungen und

traditionsgebundene Zusammenhänge zu kennen und zu verstehen. Es besteht immer

eine Schwierigkeit bei der Einordnung dieser Informationen, denn es kann zu

Schubladendenken führen. Irgendeine Einordnung oder Benennung muss man

manchmal einfach vornehmen um sich zu vergegenwärtigen, was einen erwartet. Das

ist auch okay, denke ich. Es ist nur umso wichtiger, trotzdem offen zu bleiben und

individuelle Besonderheiten wahrzunehmen und diese eventuell als Ressource zu

nutzen und nicht starr eine Richtung in Augenschein zu nehmen, „...damit unzulässige

Ethnisierungen und Verallgemeinerungen sowie Vorurteilsbildung vermieden werden.“

(Internet 7)

Page 36: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Elternarbeit

3 Elternarbeit

Die Mädchen sind von tiefer Angst betroffen, wenn sie daran denken, ihre Familie, die

ja bis dahin auch für viele die einzigen sozialen Beziehungen dargestellt haben, zu

verlassen. Dann gehen sie lieber eine Zwangsheirat ein. Um die Mädchen mit ihrer

Angst nicht allein zu lassen, zum Beispiel mit dem krassen Schritt der Flucht in die

Anonymität, ist es notwendig, alles zu versuchen, dass das Mädchen in der Familie

bleiben kann bzw. als erstes einmal die Heiratspläne in die Zukunft zu rücken (vgl.

Beclin, 2010, S. 146). „Solche «sanften», beispielsweise aus Mediation aufbauenden

Maßnahmen sind in der Regel besser geeignet, die Interessen der Betroffenen zu

wahren, als radikale Formen der «Exit-Strategie».“(Beclin, 2010, S. 146) Mit Exit ist

das Verlassen der Konfliktsituation gemeint, was wahrscheinlich, außer in akuter

familiärer Gefahrenlage, d.h. Bedrohung, nur eine Vermeidungsstrategie wäre und die

Mädchen irgendwann von ihren unbearbeiteten Trennungsgefühlen eingeholt werden

und dann psychische Schäden davon tragen (vgl. Beclin, 2010, S. 146). In

Zusammenhang mit Elternarbeit in konfliktreichen Situationen, fällt immer häufiger der

Begriff der Mediation. Die Rechtsanwältin Hayriye Yerlikaya beschreibt das so „...dann

geht es in der Mediation im Wesentlichen darum, dass beide Konfliktparteien sich

selbst vergegenwärtigen, welche Interessen sie eigentlich haben.“ (HY)

In meinem Verständnis meint Elternarbeit, wie die Professionellen mit den Eltern der

von Zwangsverheiratung betroffenen Mädchen und jungen Frauen umgehen können.

Strobl und Lobermaier sind der Meinung, dass Zwangsverheiratung da vorkommt, wo

die arrangierte Ehe Praxis ist und die Eltern also eine bestimmte Auffassung von Ehe

haben. Dieses Interesse der Eltern ist aber nicht immer problematisch und es könnte

mithilfe einer Verständigung über die familiäre Situation und individuellen Interessen

ein Konsens erreicht werden (vgl. Strobl, Lobermaier, 2007, S. 27).

„Doch auch wenn schnelle Hilfe angebracht sein kann, so ist es doch in aller Regel

sinnvoll, mit Bedacht und professioneller Unterstützung die Problemlage des

Mädchens zu begreifen und ihr unter Einbeziehung ihres Umfeldes

Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.“ (Graue Literatur 10)

Ich habe insgesamt fünf persönliche Interviews geführt, von denen ich drei Interviews

akustisch aufgenommen habe. Beim Elisi Evi e.V. Interkulturelle Beratungs- und

Bildungsangebote für Mädchen und Frauen in Berlin Kreuzberg, bei der Tara

Frauenberatung für Frauen in Konflikt- und Gewaltsituationen- Interkulturelle

Beratungsstelle in Berlin Schöneberg und beim MaDonna Mädchentreff in Berlin

Neukölln.

Page 37: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Warum Elternarbeit?

Bei den Frauenprojekten Bora in Berlin Weißensee habe ich Notizen gemacht,

genauso wie bei KOBRAnet in Zittau.

Des Weiteren habe ich zwei Telefongespräche mit einer Rechtsanwältin und einer

TERRE DES FEMMES Mitarbeiterin aufgezeichnet.

Bei Tara und Bora habe ich einen Einblick in deren Beratungstätigkeit bekommen. Da

sie jedoch nicht auf Minderjährige spezialisiert sind, haben sie keine Erfahrung mit

Elternarbeit und deswegen habe ich sie nicht zitiert.

Die Rechtsanwältin und die TERRE DES FEMMES Mitarbeiterin haben ebenso keine

direkte Erfahrung mit Elternarbeit. Alle anderen schon.

3.1 Warum Elternarbeit?

„Außer einem älteren Bruder hatte ich noch eine zwei Jahre jüngere Schwester, die ich

sehr bewunderte. Sie war aufsässig. Machte, was sie wollte. Es war ihr egal, daß sie

deswegen geschlagen wurde. Ich war ängstlicher und braver, paßte mich an. Sie nie.

In der Pubertät wollte sie Miniröcke tragen. Das galt schlichtweg als unanständig.

Meine Mutter zerriß diese Röcke, doch jedesmal kaufte sich meine Schwester wieder

einen neuen. In der zweiten Klasse der Oberschule schmiß sie alles hin. Alle waren

verärgert, aber das war ihr egal. Auf eigene Initiative absolvierte sie daraufhin eine

Ausbildung zur Sekretärin, die sie mit Glanz und Gloria bestand. Anschließend fand sie

eine Anstellung bei den Vereinten Nationen. Meine Mutter verbot ihr zu arbeiten, aber

meine Schwester tat es trotzdem, ungeachtet der verbalen und physischen

Mißhandlungen. Sie war eine starke Frau. Sie nötigte ihrer Umgebung Bewunderung

und Respekt ab, überall, nur nicht zu Hause. Als auch ihr eine Zwangsheirat drohte,

folgte sie mir in die Niederlande. Sie kam im Januar 1994 hier an; bereits anderthalb

Jahre später war ihr Niederländisch so gut, daß sie die Universität besuchen konnte.

Zu dieser Zeit setzten die Weinkrämpfe ein; sie verhielt sich immer sonderbarer. Die

Nähe anderer Personen war für sie schwer zu ertragen, aber sie konnte auch nicht

allein sein. Stundenlang schaute sie fern, egal was gerade lief. Tagelang stand sie

nicht auf, aß nichts. Irgendwann sagte sie, daß sie so unglücklich sei, weil sie ihren

Glauben vernachlässigt habe. Sie trug wieder ein Kopftuch, versuchte zu beten. Ab

und zu gelang es ihr, dann wieder nicht, wodurch sich ihr Schuldgefühl noch

verstärkte, da man für jedes ausgelassene Gebet bestraft wird. Außerdem wiederholte

sie ständig: »Ich leide sehr, aber niemand versteht mich.« Und sie schämte sich ihres

früheren Verhaltens unserer Mutter gegenüber. Die ständigen Streitereien taten ihr nun

fürchterlich leid.“ (Ali, 2005, S. 21f)

Page 38: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Warum Elternarbeit?

Diese biographische Textstelle aus Ayaan Hirsi Alis Buch interpretiere ich so, dass der

Bruch mit den Eltern für Alis Schwester zu viel war und sie nicht damit umgehen

konnte. Deswegen ist sie krank geworden.

Das belegt auch eine Diplomarbeit von Regina Seeser an der Uni Tübingen über die

Strukturen bei ROSA. Es stellte sich heraus, dass es für die psychische Gesundheit

unabdingbar ist, die Eltern mit ein zu beziehen. Die Untersuchungen hatten ergeben,

dass 5 von 7 Frauen psychisch oder psychosomatisch erkranken, wenn sie bei ROSA

sind. Das liegt daran, dass bis dahin nur eine Trennung, anstatt einer Ablösung vom

Elternhaus von ROSA begleitet wurde und keine psychische Weiterbetreuung sowie

Elternarbeit stattfand. Seit 2000 ist nun Elternarbeit mit im Konzept.

In der Leistungsbeschreibung von ROSA wird erläutert, wie wichtig eine

Kontaktaufnahme mit der Herkunftsfamilie sein kann, jedoch immer geschützt, sodass

sich junge Frauen nicht in Gefahr bringen. Es heißt wie folgt:

„Entscheiden sich die jungen Frauen ihr Elternhaus zu verlassen, wird dieser Schritt

aus entwicklungspsychologischer Sicht als Trennung (im Ggs. zur Ablösung)

bezeichnet. Die Trennung beinhaltet den völligen Beziehungsabbruch zu der Familie

und kann eine gelungene Persönlichkeitsentwicklung verhindern. Verschärfend kommt

der ethnische bzw. migrationsspezifische Hintergrund dazu, der die Mädchen und

jungen Frauen damit konfrontiert, die Familie entehrt und Schande über sie gebracht

zu haben. Dadurch wird die psychische Belastung der Frauen erhöht. Aus diesem

Grund sind die Elternarbeit ohne Eltern und die Elternarbeit mit Eltern in der

Einzelförderung von zentraler Bedeutung.“

„Eltern kann man nicht löschen, Eltern werden immer ihre Eltern bleiben, auch wenn

sie erstmal auf Distanz gegangen sind und erstmal wenn sie Jahre keinen Kontakt

aufnehmen. Meistens kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo sie sich irgendwann wieder

sehen.“ (HÖ) Deswegen finden sie auch Elternarbeit ganz wichtig? „also ich find´s

ganz arg wichtig.......“ (HÖ)

„Uns ist es wichtig, eine Kommunikationsbasis zwischen den betroffenen Mädchen und

ihren Familien herzustellen, da ein Abwenden von der Familie für die Mädchen

schwerwiegende Folgen hätte (Isolation, aber unter Umständen auch Verstoßung und

Verfolgung durch die Familie).“ (Internet 16)

„Die Betroffenen haben große Probleme bei der Realisierung ihrer Bedürfnisse, sie

sind deutlich weniger durchsetzungsfähig und darüber hinaus besonders stark von

Beziehungsabbrüchen und sozialer Isolation betroffen.“ (Graue Literatur 7)

Neben dem psychischen Aspekt gibt es noch andere Gründe, warum Elternarbeit

wichtig ist.

Page 39: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Warum Elternarbeit?Nahezu alle Berichte sagen aus, dass die Betroffenen trotz starker Probleme in der

Familie, den Kontakt aufrecht erhalten wollen und eine Verständigung suchen, denn

nach ein paar Wochen ist die Sehnsucht der Mädchen nach ihren Familien so groß,

dass die Angst vor Bedrohung in den Hintergrund rückt und sie sich auch heimlich mit

der Familie treffen würden.

Das ist schlecht, da sie dann nicht aufgefangen werden könnten, weil die Einrichtung

es nicht weiß (vgl. Graue Literatur 6). Das findet auch Halide Özedmir von ROSA

problematisch.

Auch im Mädchenhaus Bielefeld, wird der Schwerpunkt in der innerfamiliären Lösung

gesetzt, was an 62,5% Beratung und nur 15,2 % Unterbringung und 5,9%

Krisenintervention zu sehen ist.

Ein weiterer Grund ist, dass zur Unterstützung von Jugendlichen sowieso vom

staatlichen Auftrag her, die Eltern als Kooperationspartner gebraucht werde (vgl.

Internet 7).

In Bezug auf die Täter ist es ebenso wichtig. Um der Gewaltbereitschaft gegen Frauen

entgegen zu wirken und Männer in deutschen Werten zu sozialisieren, ist Elternarbeit

enorm wichtig (vgl. Toprak, 2007, S. 174ff). „Der Schlüssel zur Gewaltprävention liegt in

der Elternarbeit!“ (Schatz, 2004, S. 9) Des Weiteren sagen Betroffene z.B. folgendes:

„Ich möchte, dass mein Vater vor Gott ein guter Mensch wird und uns versteht. Und für

mich möchte ich, dass ich glücklich werde (…).“ (Graue Literatur 2) oder: Freiheit ist:

„...seinen eigenen Weg gehen zu können, ohne dafür ermordet zu werden. Viele

unserer Eltern vergessen, dass wir Menschen mit Wünschen & Hoffnungen sind.“

Leyla, 21 (Postkarte Madonna) woraus sichtbar wird, wie sehr sie sich das Verständnis

der Eltern wünschen.

In einem Modellprojekt zur Interkulturellen Onlineberatung bei Zwangsverheiratung und

familiärer Gewalt wurden Schülerinnen und Schüler mit einem Fallbeispiel konfrontiert,

in dem Anju Ben heiraten soll, aber dies nicht möchte. Abbildung 5 zeigt, dass die

Mehrheit der Lernenden es als positiv werten würde, wenn jemand aus der Familie mit

dem Vater spricht.

In Abbildung 6 ist zu erkennen, dass sie beim Hinzuziehen einer Beratungsstelle, also

staatlichen Institution eher vorsichtiger sind, aber dennoch gut finden.

Page 40: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Warum Elternarbeit?

(Abbildung 5)

(Abbildung 6)

Auf die Rechtsanwältin Hayriye Yerlikaya wurde ich durch die Broschüre „Gewalt im

Namen der Ehre- Zwangsheirat und Ehrenmord des Hessischen Kultusministeriums

aufmerksam. Dort wird ein Forschungsprojekt namens „Konfliktregulierung in

türkischstämmigen Familien- Konfliktlösungen bei kulturell bedingten Konflikten und

Gewaltfällen“ vorgestellt. In einem Telefongespräch mit Frau Yerlikaya stellte sich

heraus, dass das Projekt noch nicht verwirklicht ist und eher Mediationen in Schulen zu

Themen wie Schwimmunterricht beinhaltet. Dennoch hat Frau Yerlikaya ein großes

Interesse am Thema Zwangsheirat, da sie selbst dazu gerade ihre Dissertation

verfasst.

Page 41: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Voraussetzungen für den Beratungsprozess

Nach den Untersuchungen für diese, ist sie der Meinung, dass Elternarbeit der

sinnvollste Ansatzpunkt ist, gegen Zwangsheirat vorzugehen.Sie hat in ihrer Studie 20

Frauen und Mädchen interviewt, wovon 18 zwangsverheiratet waren und zwei davon

bedroht. Sie berichteten, dass ausnahmslos alle Eltern ihre Entscheidung bereut und

sich entschuldigt haben, als sie sahen wie unglücklich die Ehe für die Töchter war. Sie

haben ihr auch keine Schuld zugewiesen. Deswegen wird früheres Einschreiten helfen.

Hayriye Yerlikaya meint, Elternarbeit ist ein guter Ansatz, da der Bruch mit der Familie

eine eigenständige psychische Belastung darstellt. Nicht mit den Familien brechen zu

müssen, wäre das meiste, was man tun kann (vgl. HY).

3.2 Voraussetzungen für den Beratungsprozess

„Eine kultur- und migrationssensible Elternarbeit ist weniger eine Frage der Methode

als eine Frage der Haltung.“ (Altan; Foitzik; Goltz, 2009, S. 20).

Die beste Lösung ist natürlich die, mit der Eltern sowie Kinder leben können. Das ist

dann kein Kompromiss oder eine Konfliktvermeidung, sondern eine pädagogische

Entscheidung, die es ernsthaft zu vermitteln gilt. Im Umgang mit umstrittenen Themen,

wie z.B. Zwangsheirat, muss man Elternbedenken berücksichtigen, aber ohne dem

eigenen pädagogischem Ansatz zu schaden (vgl. Altan; Foitzik; Goltz, 2009, S. 129).

Eltern sind Experten ihrer Situation. Sie kennen ihre Kinder am besten, wollen das

Beste. Dennoch müssen sie Möglichkeiten und Grenzen kennen und sich daran

orientieren (vgl. Altan; Foitzik; Goltz, 2009, S. 23). Als Organisation darf man nicht die

Meinung haben, dass die eigenen Konzepte normal sind. Man muss sie transparent

darstellen mit einem festen Standpunkt, sagen, welche Standards nicht verhandelbar

sind und was im Dialog zu entwickeln ist (vgl. Altan; Foitzik; Goltz, 2009, S. 32). Ter-

Nedden vertritt ebenfalls die Meinung, sich auf die Menschenrechte und den

Kinderschutz zu beziehen (vgl. Ter- Nedden, 2007, S. 357).

Anne Thiemann vom Institut für Menschenrechte signalisiert, das Fachleute eine klare

Haltung und professionelles Wissen haben müssen, um adäquat beraten zu können

(vgl. Graue Literatur 3).

Lysann Häußler von TERRE DES FEMMES in Tübingen sieht es nicht als zwingend

notwendig, dass die Person, die mit den Eltern spricht, auch einen

Migrationshintergrund hat. Natürlich ist es sinnvoll, weil es denkbar ist, dass das

Verständnis dann größer ist, auf beiden Seiten. Aber viel wichtiger ist eine klare

Haltung zu der Sache (vgl. LH).

Die Professionelle oder der Professionelle muss klar sagen: So geht es nicht.

Page 42: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Voraussetzungen für den BeratungsprozessDie Mädchen müssen aber auch in der Kommunikation sagen können, was nicht in

Ordnung ist, auch wenn es die Eltern gut meinen. Sie müssen sagen, was ihr Recht ist

und dass sie nichts dafür können, wenn dieses oder jenes passiert ist. Sie müssen

sagen, was ihre Werte sind und dass sie einen selbstbestimmten Weg gehen möchten.

Das werden neue Welten für die Eltern sein. Die Rollen werden sich verändern. Das

erzeugt auch Ängste in den Familien (vgl. HÖ). Wenn etwas unsicher ist, erzeugt es

immer Angst. Vor den Geschwistern des Mädchens, das geflüchtet ist, müssen die

Eltern ja z.B. auch wissen, wie sie auftreten und sich positionieren dazu. Ihre Rolle

könnte dann ja auch von den Geschwistern angezweifelt werden und es könnten sich

alle abwenden vom Elternhaus und die Familie würde in Schande geraten. Ohne die

Eltern in Schutz zu nehmen, aber auch für sie würde es einen erheblichen Wandel mit

sich bringen und die Akzeptanz dessen braucht eben viel Zeit und jede Familie reagiert

auch anders auf Veränderungen, je nachdem inwieweit ein traditionell geprägtes

Rollenbild den Alltag bisher stark beeinflusst hat (vgl. HÖ).

Auch Anerkennung sollte man zeigen können, dafür ohne Auto die Einkäufe durch die

halbe Stadt in die kleine Wohnung zu schleppen, nicht lesen können und sich

zurechtfinden. Es ist hilfreich für die Eltern, Veränderungen für die Familie

herauszustellen. Also was sich bei einer Nicht- Heirat für alle gut auswirken würde.

Zusammenhänge erfahrbar machen. (vgl. Altan; Foitzik; Goltz, 2009, S. 155).

Simone Eggler von TERRE DES FEMMES Schweiz sagt: „Wichtig ist, dass die

Fachleute ihre eigene Position finden. Manche haben Zweifel und kulturrelativistische

Einwände.“ (Internet 5).

Ein interkulturell besetztes Team ist empfehlenswert. Für die Rechtsanwältin Hayriye

Yerlikaya stellen Hintergrundwissen, Akzeptanz der Beratungsperson, wofür sich

Bikulturalität und Angehörigkeit zur gemeinsamen Kultur eignen, zu den

Voraussetzungen. Damit kann man automatisch ein Vertrauensverhältnis aufbauen. In

diesem Zusammenhang ist sich verstanden zu fühlen enorm wichtig (vgl. HY).

Wissen über psychodynamische und familiendynamische Prozesse, die mit

Zwangsverheiratung verbunden sind, sind unerlässlich. Es geht nicht darum in dieser

Arbeit ein Patentrezept zu liefern, sondern lediglich Erfahrungen aus der Praxis, sowie

Ergebnisse der Literaturrecherche darzustellen. Es geht auch darum, überhaupt erst

einmal zu erkennen, wie wichtig es ist, kulturelle Werte und damit verbundene

Handlungsweisen zu kennen (vgl. Internet 7). Des Weiteren ist wesentlich,

„...Offenheit, Neugier, Respekt vor dem Anderen und Bewusstheit über die

eigene kulturelle Identität und ihre Relativität.“ (Internet 7) zu zeigen.

Page 43: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Hinweise aus der Literatur

Diesen Aspekt finde ich sehr interessant und wichtig, sich auch immer mal wieder vor

Augen zu halten, dass das, was man selbst kennt, nicht das Normale ist.

Gerade bei der Arbeit mit Migranten kommt man meist nicht mit den erworbenen

pädagogischen Kenntnissen aus, da man soziokulturelle Gesichtspunkte zusätzlich

beachten sollte. Fähigkeiten wie Empathie, Rollendistanz und kommunikative

Kompetenzen gewinnen daher eine größere Rolle (vgl. Internet 7).

Nach Halide Özdemir sind Voraussetzungen: „Vertrauensperson, Betroffene in

Entscheidungen miteinbeziehen, Ambivalenzen aushalten (Schuldgefühle,

Loyalitätskonflikt, Verantwortungsbewusstsein), Ängste aushalten (Verlust der Familie,

Bedrohungen seitens Familie), „nein“ sagen, Ressourcen innerhalb der Familie/

Autoritätspersonen, Gefahrenanalyse/ Schutzplan erarbeiten.“ (HÖ)

Wichtige gesetzliche Grundlagen sind §8a SBG VIII (Kinderschutz) Inobhutnahme und

für volljährige junge Frauen §41 SGBVIII (Persönlichkeitsentwicklung, Grad der

Autonomie, schulische und berufliche Ausbildung, Bewältigung der Anforderungen des

täglichen Lebens).

Weitere Voraussetzungen sind: Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit, Kooperation

mit Behörden/ Institutionen, schnelle Perspektive entwickeln, Schweigepflicht,

Auseinandersetzung im Hinblick auf eigene Vorurteile, eigene Ängste und Grenzen,

individuelle Sichtweise auf familiäres System (Es gibt nicht die „türkische Familie“!),

Mädchen sind Expertinnen ihrer Familie, Reduzierung auf Migrationshintergrund

vermeiden, Ernst nehmen der jungen Frau, Gespräch mit Eltern/ Familie nur führen,

wenn Mädchen dazu ihr „Jawort“ gibt (vgl. HÖ).

Auch im Einzelfall die Meinung zu revidieren ist eine wichtige Fähigkeit (vgl. Ter-

Nedden, 2007, S. 357).

3.3 Hinweise aus der Literatur

Auch hier möchte ich noch einmal betonen, dass nie eine ideale Lösung gegeben

werden kann. Die folgenden Empfehlungen beziehen sich auf die verschiedensten

Einrichtungen und Menschen aus Praxis, Wissenschaft und Politik und verdeutlichen

deren Meinung. Diese kann in der Arbeit als Anreiz oder Orientierung gesehen werden.

Wenn bei Papatya ein Mädchen aufgenommen wird, wird sofort Kontakt zum

Jugendamt aufgenommen. Dieses informiert die Eltern und beruhigt diese. Die Adresse

ist auch den Jugendamtsmitarbeitern unbekannt. Nachts oder am Wochenende

informiert Papatya selbst. Im Jugendamt werden getrennte Gespräche mit dem

Mädchen und ihren Eltern statt. Die Mädchen werden auch da begleitet. In den meisten

Fällen kann ein gemeinsames Gespräch von Eltern und Mädchen stattfinden.

Page 44: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Hinweise aus der LiteraturNach Möglichkeit werden diese Gespräche von einer türkischen und einer deutschen

Mitarbeiterin begleitet (vgl. Internet 19). Corinna Ter- Nedden stellt heraus, dass die

Beratungstätigkeit herausfordernd ist, da man auf die Kultur nicht übertrieben

Rücksicht nehmen, aber auch nichts aus seinem deutschen Verständnis heraus

skandalisieren sollte. Wenn das Mädchen flüchtet, sind die Eltern zur Aufgabe ihrer

Pläne bereit, weil sie wollen, dass das Mädchen wieder nach Hause kommt (vgl. Ter-

Nedden, 2007, S. 355 - 358).

Orient Express, eine Beratungs-, Bildungs- und Kulturinitiative für Frauen in Wien,

führt nie gemeinsame Gespräche mit den Eltern und der Tochter durch. Das dient der

Gefahrenprävention (vgl. Internet 15). Aber dennoch sehen sie die Elternarbeit als

wichtig an, auch um weitere Kinder aus der Familie vor Zwangsheirat zu schützen. Da

Orient Express keine Familienberatungsstelle ist, können sie nur mit weiblichen

Familienmitgliedern arbeiten. Deshalb werden die Mütter oft zu einem Gespräch

eingeladen, während ihre Tochter in der Einrichtung wohnt (vgl. Internet 16).

„Migration zeugt von einem hohen Maß an Veränderungsbereitschaft, Neugier und

Mut. An diesen Stärken kann die Beratung ansetzen.“ (Internet 11)

Die Familie sollte nicht sofort einbezogen werden. Sie können auch als Abwesende in

der Arbeit thematisiert werden (vgl. Fanaj, 2009, S. 53f.). Dazu dient das Beispiel der

Elternarbeit ohne Eltern von ROSA:

Im Konzept von ROSA wird auf die Elternarbeit ohne Eltern eingegangen. Damit ist die

Bearbeitung von Trennungs- und Verlustängsten und damit verbundenen

Schuldgefühlen gemeint. Es geht um das Erlernen des Umgangs mit den

Schuldzuweisungen der Eltern, des Umgangs mit Erpressungen und Bedrohungen

durch Angehörige. Heimweh wird thematisiert und bearbeitet. Die Entwicklung eines

positiven Selbstbildes und Selbstvertrauens wird angeregt und unterstützt. Die

Familiensituation wird aufgearbeitet. Die Beziehungsneugestaltung (Umbewertung der

Rollen) innerhalb der Familie wird unterstützt. Die Auseinandersetzung mit der eigenen

Lebensbiographie, biographischen Brüche (z.B. Geburt in der Türkei, Umzug nach

Deutschland), Verluste an Elternteilen/ Bezugspersonen ist Bestandteil der Arbeit. Das

Aufwachsen in zwei oder mehr Werte- und Normensystemen als Ressource zu

begreifen und von den unterschiedlichen Werten und Normen die Elemente zu

internalisieren, die sie für sich als handlungsfähige Frau als bedeutend erachtet ist eine

wichtige Aufgabe. Kritisches Bewusstsein im Hinblick auf die unterschiedlichen Werte-

und Normensysteme zu entwickeln (Fähigkeit der Rollendistanz) wird geschult (vgl.

Konzept ROSA über HÖ).

In nahezu aller Literatur wird vom Hinzuziehen oder alleinigem Einsatz von

Page 45: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Hinweise aus der LiteraturSchlüsselpersonen aus der Familie, Community, Nachbarschaft,

Religionsgemeinschaften, Migrantenorganisationen, Sprachmittlern gesprochen. Das

erleichtert den Kontaktaufbau (vgl. Altan; Foitzik; Goltz, 2009, S. 78f). Diese Personen

können Ehre neu definieren und die Angst vor dem Ehrverlust durch Gespräche lindern

(vgl. Strobl; Lobermaier, 2007; S. 48) Dabei sollte man als Professioneller der

Mittlerperson immer auf Augenhöhe begegnen (vgl. Altan; Foitzik; Goltz, 2009, S. 29).

„Uns ist extrem wichtig, dass sich jedes Familienmitglied sprachlich und kulturell

angemessen verstanden fühlt. Daher ist eine professionelle Übersetzung, die auf

psychosoziale Beratung eingestimmt ist, empfehlenswert. Wir haben die Erfahrung

gemacht, dass außer Sprachkompetenz auch die Symbolverständigung, die Empathie

und emotionale Anteilnahme eine große Rolle spielt.“ (Internet 7)

Ziel ist es auch Communitymitglieder zu schulen, die dann durch ihren direkten Kontakt

als Vermittler agieren können (vgl. Beclin, 2010, S. 146f).

Vorsicht muss jedoch gegeben sein, wenn vermittelnde Verwandte selbst Betroffene

von Zwangsheirat sind und somit nicht neutral sein können (vgl. Ter- Nedden, 2007, S.

359).

Ayaan Hirsi Ali kritisiert den Einbezug von Organisationen der Zielgruppen, da diese

vielmals zwar die Sozialarbeiter unterstützen, aber das Problem dann meist nur

kaschiert wird, z.B. dass Eltern bedrohter junger Frauen die Jungfräulichkeit versichert

wird, obwohl das Jungfernhäutchen chirurgisch wiederhergestellt wurde (vgl. Ali, 2005,

S. 148). Ich denke, hier muss man sehr darauf achten, ob das Mädchen es 1. selbst

möchte, dass das Jungfernhäuchen rekonstruiert wird und 2. ob akute Mordgefahr für

das Mädchen bestünde, wenn ihre Nicht- Jungfräulichkeit entdeckt würde. Ali vertritt

auch eine radikale Einstellung, die eher in Richtung Wertewandel und Umdenken

plädiert, was aber meiner Meinung nach, nicht so einfach geschehen kann. Judith

Gerling- Tamer von Elisi evi e.V. hat schon einmal zu einer Jungfernhäutchen

Rekonstruktion begleitet, auch wenn sie das ebenso fraglich sieht, kann sie nichts

dagegen tun, wenn das Mädchen das möchte. Sie sagt: Das man so etwas überlegen

muss, kann man nicht durch fünf Monate Beratung verändern (vgl. G- T).

Lysann Häußler berät am Telefon von TERRE DES FEMMES und hat selbst noch

keine Elterngespräche in diesem Zusammenhang durchgeführt, hat aber Schulungen

im Jugendamt gegeben, z.B. dass Offenheit besteht, wenn z.B. der volljährige ältere

Bruder beim Gesprächstermin erscheint und dann nicht die Eltern verlangt werden.

Man muss situationsspezifisch vorgehen. Ein Angebot an die Eltern ist, dass die

Tochter jetzt noch nicht heiratet.

Man muss den Eltern vermitteln, welche Konsequenzen eine Flucht hätte, z.B. dass

dadurch nicht die engere Bindung des Kindes, sondern genau das Gegenteil erreicht

Page 46: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Hinweise aus der Literaturwird. Es kann vorkommen, dass die Gefahr, die durch die Eltern ausgeht, unterschätzt

wird. Außerdem kann es sein, dass die Betroffene beim Gespräch mit ihren Eltern ihr

Problem nicht wiederholt artikuliert (vgl. Graue Literatur 3). Lysann Häußler meint, dass

Elternarbeit erwünscht ist, aber fragt sich zugleich wie die Eltern zu erreichen sind?

Wenn sich ein Opfer meldet am Telefon, kann man da auch Rollenspiele durchgehen,

wie mit den Eltern gesprochen werden könnte (vgl. LH). Als Ansatz wird immer davon

ausgegangen, dass die Person selbst Managerin ihres Lebens ist. Aber man muss erst

einmal herausfinden, was dem Mädchen gut tut, denn die Frage: Was willst du? bringt

oft mehr Verwirrung als Klarheit mit sich. Dazu später mehr (vgl. LH).

Die Studie „Viele Welten leben“ des Bundesministeriums für Familie, Soziales und

Jugend aus dem Jahr 2004 untersuchte, wie Mädchen das Einverständnis ihrer Eltern

zur Heirat mit einem Deutschen einschätzen würden. 73% der Türkinnen glaubten an

eine negative Einstellung der Eltern. Laut der Arbeitnehmeruntersuchung des

Bundesministeriums für Arbeit von 2002 hatten aber nur 42% der Väter und 43% der

Mütter etwas gegen die Heirat mit einem Deutschen. Die Kinder nahmen also die

Elterneinstellungen anders wahr. Als Erklärung führt Schrödter an, dass die Eltern die

Heiratschancen ihrer Kinder mit einem Deutschen schlechter einschätzen, aber nicht

generell abgeneigt wären, was die Kinder aber so auffassen (vgl. Schrödter, 2006, S.

55).

Förderlich für den Beratungsprozess zeichnet sich ein Vorbild aus der eigenen Ethnie

aus. Es ist in allem Fall wichtig, die Hintergründe und möglichen Denkweisen, sowie

Bedenken der Eltern kulturspezifisch, ohne zu pauschalisieren, zu kennen (vgl. Toprak,

2007, S. 177 und vgl. HY).

Oftmals ist den Eltern nicht bewusst, dass es unrecht ist, die bevorstehende Heirat in

diesem Sinne herbeizuführen, da die Ehe, wie wir wissen, keine individuelle

Entscheidung der Kinder ist (vgl. Toprak, 2007, S. 180f).

Man muss die Situation abklären, ob wirklich eine Gefahr für das Mädchen besteht,

denn seit der Institutionalisierung der Bildung und Erziehung im 19. Jahrhundert gibt es

die Ansicht, Kinder vor dem Einfluss ihrer Familien zu schützen oder zu retten. Die

Erziehungsinstanzen denken, das Kind zu entreißen aus Proletariat oder Bürgertum

und auf den rechten Weg zu bringen. Mit den Migrantinnen wurde ein neues Objekt für

diese Rettungsfantasien geschaffen. Daraus schließe ich, dass auch diese Autorin eine

bloße Flucht als Rettungsaktion nicht für sinnvoll befindet (vgl. Diehm, Radtke, 1999, S.

81).

In der konkreten Arbeit mit Eltern und Männern sollte man ressourcenorientiert

arbeiten, da es aufgrund des Männlichkeitsbildes, wie wir jetzt wissen, leicht dazu

kommen könnte, dass sich ein Vater, wir würden sagen, gekränkt oder eben in diesem

Page 47: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Hinweise aus der LiteraturZusammenhang in seiner Ehre angegriffen fühlt (vgl. Toprak, 2007, S. 176).

Wichtig im Gespräch mit den Eltern ist, dass diese Konfliktlösungsstrategien

kennenlernen (vgl. Toprak, 2007, S. 174ff und GH).

Ayaan Hirsi Ali beschreibt die Auswirkungen für das Sozialwesen folgendermaßen:

„Eine wichtige Frage war immer: „Was möchten Sie selbst?“ Sehr viele Frauen konnten

einfach keine Antwort auf diese Frage geben. Mucksmäuschenstill saßen sie da und

zuckten mit den Schultern. „Was mein Mann sagt“, brachten sie dann schüchtern

hervor, oder „Wie Allah es will“, aber es waren auch Frauen darunter, die zur

Sozialarbeiterin sagten: „Wie es ihnen recht ist.“ Sie hatten nie gelernt, selbst etwas zu

wollen. „Was möchten Sie für ihre Kinder?“ „Welche Entscheidung möchten Sie für sie

treffen?“ Aber auch das hatten diese Muslimas nicht gelernt, also wußten sie es nicht.

Die Sozialarbeiter verstanden das nicht und waren verwirrt und frustriert. Ihnen blieb

nichts anderes übrig, als sie zu anderen Einrichtungen zu überweisen; doch wie oft

kann man jemanden woanders hinschicken?“ (Ali, 2005, S. 136f)

Manuela Westphal hat in ihren Arbeiten herausgefunden, dass Arbeitsmigranten aus

der Türkei den patriarchal- autoritären Erziehungsstil zunehmend ablehnen und ihren

Töchtern mehr Selbstkontrolle und Autonomie zukommen lassen möchten. Sie legen

mehr Wert auf Selbstverteidigung, statt Schutz und Kontrolle durch Vater und Bruder.

Sie ist der Meinung, dass müsse man in der Elternarbeit berücksichtigen (vgl. Graue

Literatur 4).

Das Ziel von Beratung ist, dass das Mädchen sich aus der schädigenden Situation

befreit. Die dazu nötigen Schritte sind Ermutigung des Mädchens, Formulierung des

Widerspruchs den Eltern, Besprechen von Handlungsmöglichkeiten. Dabei ist es umso

besser, je eher man eine Lösung findet, die die Eltern mittragen können. Eine

Vermittlung ist aber nicht immer möglich. Frauen haben auch selbst

Versöhnungsversuche vor der Inanspruchnahme professioneller Hilfe initiiert, die

jedoch gescheitert sind. Dann fürchten die Mädchen Sanktionen, wenn sie Widerstand

leisten. Sie haben Angst ins Herkunftsland gehen zu müssen, Angst vor Ehrenmord. So

stellt eine vertrauensvolle Rückkehr in die Familie auch immer ein Risiko dar. Denn oft

haben Vereinbarungen auf längere Sicht keinen Bestand. Qualifizierte Beratung ist die

Grenzen dieser Möglichkeiten mit Elternarbeit zu erkennen. Wenn das Mädchen schon

von der Familie Druck erfährt, sollte man mit überschwänglichen Klärungsgesprächen

keinen weiteren Druck auf das Mädchen laden.

In vielen Fällen muss man einsehen, dass Klärung der Rechtslage und praktische

Unterstützung z.B. beim Unterkommen in einer Schutzmöglichkeit erst einmal reichen

müssen (vgl. Graue Literatur 2).

Fragen, die sich das Mädchen stellen sollte, sind: Will ich wirklich weglaufen? Warum?

Page 48: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Hinweise aus der LiteraturGibt es keine anderen Möglichkeiten? Wäre ein Vermittlungsversuch sinnvoll? Gibt es

triftige Gründe zum Verlassen des Hauses? Was für schwerwiegende Konsequenzen

hätte der Auszug? Auch wenn meine Familie alles für meine Rückkehr macht, lasse ich

mich nicht umstimmen, wenn ich weiß, dass Gewalt droht. Auch wenn ich ausgestoßen

werde oder emotional und moralisch erpresst werde, oder wenn mir Vorwürfe gemacht

werden, dass Mama schon ganz krank ist, stehe ich zu meinen Wünschen. Es ist

wichtig, dass eine Liste mit Risiken zu Hause angefertigt wird (Schutzplan). Ich muss

mir meiner Schwächen bewusst werden? Gesundheit? Temperament? Jähzorn?

Selbstbeherrschung? Wenn ich weg bin, kann ich nicht mehr zurück. Will ich das

wirklich? Ein selbständiges Leben, aber allein?

Ich brauche viel Vertrauen in mich, denn Unsicherheit, Angst, Zweifel und Bedauern

werden mich früher oder später befallen, wenn ich meine vertraute Umgebung nicht

mehr habe und meine Familie nie mehr wiedersehe (vgl. Ali, 2005, S. 168ff).

Es wird eine große Herausforderung sein, allein zu sein. Die Mädchen fühlen sich

einsam und vermissen ihre Familie und wollen mit ihnen reden, ihre Wärme,

Gemütlichkeit, Selbstverständlichkeit spüren. Die Folgen des Kontaktes mit der Familie

müssen aufgezeigt werden und dass nach einer Flucht erst nach vielen Jahren eine

Kontaktaufnahme wieder möglich ist (vgl. Ali, 2005, S. 177).

Ayaan Hirsi Ali schreibt, dass sich die Eltern natürlich Sorgen machen, wenn ihre

Tochter weg ist. Sie müssen erfahren, dass ihre Tochter das wollte, dass sie ihre Eltern

liebt, aber ihr Leben anders organisieren will. Das geht am besten in einem Brief.

Anrufen ist auch okay, aber am besten von einer Telefonzelle, um die Nummer geheim

zu halten. Das Gespräch sollte kurz und sachlich gehalten werden. Das geht am

besten, wenn andere Menschen noch mit sind. Zu viel Emotionalität könnte die Tochter

umstimmen (vgl. Ali, 2005, S. 178).

Ahmet Toprak schreibt, dass Arbeit mit den Eltern nicht erfolgreich ist, weil sie erst gar

nicht durch Missverständnisse, unterschiedliche Kommunikationsformen und

Verhaltensweisen erreicht werden (vgl. Toprak, 2004, S. 60). Er beschreibt Türöffner

und Stolpersteine für eine Zusammenkunft mit den Eltern. Diese werde ich nun als

allgemeine Voraussetzungen für einen Hausbesuch wegen drohender

Zwangsverheiratung zusammenstellen.

Türöffner:

- Termin persönlich oder telefonisch vereinbaren (auf Terminwunsch der Eltern

eingehen; abends am besten, weil ganze Familie da; als Frau keinen Termin

allein mit dem Vater und umgekehrt; gegengeschlechtlich nur dann wenn beide

Elternteile da sind)

Page 49: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Hinweise aus der Literatur- Hand geben (als Frau nur der Frau, als Mann nur dem Mann; anderen Part nur mit

Worten; kein Körperkontakt)

- Schuhe ausziehen (auch bei Aufforderung zum Anbehalten)

- Smalltalk (danken für die Zeit; sich vorstellen; nach Befindlichkeit erkundigen; etwas

Nettes über Kind sagen; Beziehung aufbauen; wertschätzend sein; Wie lange in

Deutschland?; Wohnung schön etc.; nach Kindern fragen, Schule, Beruf etc.;

nicht gleich mit Problem beginnen; Arbeitsfeld und Auftrag erläutern; Interessen

offenlegen, Warum Hausbesuch?)

- entspanntes Gesprächsklima (was trinken, essen; zusammen sitzen; Zeit haben)

- Schweigepflicht hervorheben und erläutern

- Regeln für alle klar und verständlich formulieren (Konsequenzen bei Nichteinhaltung

nennen)

- beide Elternteile einbeziehen (gezielte Fragen an passives Elternteil; Gleichwertigkeit)

- Kompetenzen und Interessen der Eltern anerkennen (Defizite, aber trotzdem

ressoucenorientiert arbeiten...meint auch Olaf Stuve, der sich speziell mit

männlichen Migranten beschäftigt hat. „Man sollte aber Männern mit

Migrationshintergrund ebenso wie mehrheitsdeutschen Männern zutrauen, dass

sie an partnerschaftlichen Modellen von Beziehung und väterlicher

Erziehungsverantwortung Interesse haben, selbst wenn es an der konkreten

Umsetzung im Alltag oft noch mangelt. (…) Demgegenüber wird meines

Erachtens in den vereinfachten, reduzierten Männlichkeitsbildern über den

Migranten das Bild eines unflexiblen, seinen Traditionen verhafteten Mannes,

eines Patriarchen und Machos hergestellt. Er ist einer quasi „naturgemäßen“

Kultur verhaftet, anstatt dass er sie selbst herstellt, verändert, anpasst, flexibel

macht.“ (Graue Literatur 4)

- gemeinsames Interesse (Wohl des Kindes; Eltern als Verbündete; Elternsicht auf

Problem, Lösungsvorschläge der Eltern einbeziehen; Realisierbarkeit;

professionelle Lösung; Respekt vor Werten; Verständnis für Lebensumstände)

- Zukunftsperspektive (Konsequenzen der Zwangsheirat auf Leben des Kindes)

(vgl. Toprak, 2004, S. 61ff und 70ff)

Stolpersteine:

- dicke Ordner mitschleppen

- Einladung zum Essen und Trinken ablehnen

- Vorsicht bei Grund des Gespräches (Schaden für Kind; evtl. Bestrafung, dass Kind

Probleme nach außen getragen hat) Man kann nicht in die Familie kommen und

gleich sagen, sie darf sich ihren Partner selbst wählen (vgl. GH).

Page 50: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Hinweise aus der Literatur- Eltern belehren (Bloßstellung, Autoritätsverlust vor Kinder) Das sieht auch Hayriye

Yerlikaya als problematisch. Augenhöhe ist erforderlich (vgl. HY).

- methodisches Vorgehen (kontraproduktiv; Hausbesuch kann nicht 100% vorbereitet

werden, aber Schutzplan)

- Schuldzuweisung (Kritik an der eigenen Person oder Fähigkeiten sehr empfindlich; in

Bezug auf Erziehungsdefizite: persönlicher Angriff, Inkompetenz)

- Fachbegriffe

- Vorurteile, Pauschalisierungen

- vom deutschen Verständnis ausgehen (soziale, wirtschaftliche und kulturelle

Rahmenbedingungen anders bei Türken)

- mit anderen türkischen Familien vergleichen (Individualität der Familie!)

- Werte und Normen der Eltern tadeln (Minderwertigkeitsgefühle der Eltern, dann nicht

handlungsfähig)

(vgl. Toprak, 2004, S. 63ff und 72ff)

Die drohende Zwangsverheiratung ist oft nicht gleich erkennbar in einer

Beratungssituation. Die Betroffenen kommen wegen anderer Probleme, wie Schlägen,

weggenommenem Handy. Im Gegensatz zum Jugendamt hat eine Beratungsstelle

keine rechtlichen Möglichkeiten gegen die Eltern vorzugehen. Nur auf Wunsch der

Betroffenen kann ein Gespräch arrangiert werden (vgl. Rössl, 2010, S. 172).

Filiz Sütcü ist der Meinung, dass wenn die Frauen die Kraft hätten, sich gegen die

eigene Familie aufzulehnen, würde es eh nicht zur Zwangsverheiratung kommen.

Der Interviewer fragt, ob das heißt, dass die Mädchen nur deutlich genug "Nein." sagen

müssten? Darauf antwortet Sütcü: „Solche Fälle gibt es. Wir denken da zu

eindimensional. Es ist nicht so, als müsste eine Tochter jedes Mal um ihr Leben

bangen, wenn sie ein Nein ausspricht. Ich kenne Eltern, die ein Nein akzeptiert haben.

Aber wenn das Mädchen ein, zwei, dreimal nein gesagt hat, muss sie irgendwann mal

zustimmen.“ (Internet 8)

Auch in der Züricher Zwangsheiratsbroschüre der Fachstelle für Gleichstellung steht,

dass es wichtig ist, den Eltern die Bedeutung und Konsequenzen einer Zwangsehe für

das Kind auf zu zeigen. Wenn sie extern Schutz sucht, ist sie aus dem Elternhaus weg.

Auch wirtschaftliche Ängste können genommen werden, indem sich die Tochter

weiterbildet und die Eltern dann später damit besser unterstützen kann (vgl. Graue

Literatur 9).

Auf jeden Fall ist Elternarbeit im Zusammenhang von Zwangsheirat möglich, denn die

Page 51: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Hinweise aus der LiteraturInitiatoren handeln im Sinne des Kindes. Wenn man sie davon überzeugt in der

Mediation, dass es nicht gut ist für das Kind, nehmen die Eltern Abstand, ganz sicher.

In der Mediation wird häufig klar, dass die Wünsche und Interessen der Eltern und

Kinder identisch sind, z.B. gesicherte Zukunft für das Kind, finanzielle und immateriell

geordnete Verhältnisse, Verhältnis zur Familie und Werte nicht verlieren. Wenn die

Eltern das merken, erkennen sie auch eher an, dass eine Zwangsehe eine

Beeinträchtigung wäre und es eben andere Wege gibt, um diese Interessen zu

verwirklichen, wie gute Schulausbildung, Unterstützung durch die Familie, aber

Selbständigkeit, welche nicht das Abkommen von den Eltern bedeutet. Und die Kinder

sehen ebenso: Ach darum geht es meinen Eltern! (vgl. HY)

Farhnaz Alimardani und Mehriban Özer vom Mädchennotdienst von Wildwasser e.V. in

Berlin haben einige Punkte zusammengefasst, die für Elternarbeit mit

Migrantenfamilien von Bedeutung sind. Auch wenn man parteilich für die Betroffene

agiert, ist es doch wenigstens als Grundlage für die zu entwickelnde Empathie

gegenüber der Familie empfehlenswert, „...die gesellschaftliche und soziale Lage der

jeweiligen Familie, ihre psychosozialen Rahmenbedingungen und die spezifische

Migrationsgenese zu berücksichtigen.“ und auch einen „...besonderen Blick auf die

Auswirkung der Immigration auf die Rollenverteilung innerhalb der Familie zu werfen.“

(Internet 7) Wildwasser hat die Erfahrung gemacht, dass es in Elterngesprächen

erfolgreich sein kann, die Eltern darauf hinzuweisen, dass ihre Kinder Freiheiten

brauchen, um nicht die Schulzeit für Freizeitaktivitäten zu nutzen. Die Eltern sind

bestrebt, dass ihre Kinder einen guten Abschluss machen und erweisen sich dann in

dieser Richtung als kooperativ. Viele Mädchen gehen anstatt zur Schule mit

Freundinnen aus oder sonstiges, weil sie sonst nach der Schule gleich zuhause

mithelfen müssen. Wenn die Eltern merken, dass ihre Kinder in der Schule nicht

erfolgreich sind, sehen sie in der Verheiratung die einzige Zurechtweisung und auch

Zukunftsoption. Die Eltern müssen einsehen, dass sie nicht eine Musterschülerin und

gleichzeitig eine Haushaltshilfe erwarten können, wenn die Mädchen zum Beispiel

üben müssen (vgl. Internet 7).

Page 52: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Beratungsansätze an Praxisbeispielen

Als Beispiel einer Argumentation dient ein Ausspruch Fatma Bläsers, die selbst von

Zwangsheirat betroffen war und den Verein Hennamond e.V. initiiert hat: „Wissen Sie,

es ist wichtig, dass ihre Tochter die Schule zu Ende macht, dass sie selbstständig wird.

Falls der Mann irgendwann nicht mehr auf Ihre Tochter aufpassen will, können Sie

doch gar nicht garantieren, dass er sie irgendwann vielleicht verlässt. Wer soll sie dann

versorgen? Sie sollte eine Ausbildung machen. Sie soll die Schule abschließen.

Danach kann sie heiraten. Und dann kann sie sagen: ‚Ein Mann, der mich

rausschmeißt? Ich brauche ihn nicht. Ich verdiene mein eigenes Geld.“ (Fatma Bläser,

2007, S. 315).

3.4 Beratungsansätze an Praxisbeispielen

Allen Einrichtungen ist gemein, dass sie parteilich für die Mädchen agieren. Sie haben

nicht den Anspruch allparteilich wie Schule und Jugendamt zu sein, die dies aufgrund

ihres staatlichen Auftrages sein müssen. Beratungsstellen, Kriseneinrichtungen,

Wohnprojekten und Freizeitprojekten steht es offen, ob sie mit den Eltern

zusammenarbeiten oder nicht.

Wie oben erläutert wurde, ist dies jedoch erforderlich, wodurch sich auch solche

Einrichtungen mit Elternarbeit beschäftigen sollten. Die nachfolgenden Beispiele sollen

einen Einblick in diese Projekte und deren Umgang mit verschiedensten Arten von

Elternarbeit geben. Dabei fange ich bei der niedrigschwelligsten Form an.

3.4.1 MaDonna Mädchenkult.Ur e.V. - Mädchentreff in Berlin Neukölln

Auf den MaDonna Mädchentreff bin ich durch eine Postkartenaktion aufmerksam

geworden und der Gesprächstermin mit der Leiterin Gabriele Heinemann in Berlin

Neukölln fand sehr spontan statt.

In Neukölln leben 162 verschiedene Nationen. Der Süden ist wohlhabend durch

Industrie. Der Norden ist von Arbeitslosigkeit und Armut geprägt. Dort befindet sich der

Mädchentreff, im sogenannten Rollbergviertel, welches Mitte/ Ende der 80er bis Ende

der 90er das schwierigste Viertel von Berlin war. Kriminalität und Drogenabhängige

haben dort geherrscht. In den Treff kommen Mädchen aus dem Viertel zwischen 9 und

20 Jahren. Zurzeit nutzen ca. 40/ 50 Mädchen den Treff. Natürlich sind davon nicht

immer alle da, weil sie auch viel im Haushalt helfen müssen. Wenn eine Familie fünf

Kinder hat, ist das hier wenig. Von Vernachlässigung sind die Kinder nicht so betroffen,

eher von Gewalt, hat das örtliche Jugendamt festgestellt.

Page 53: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Beratungsansätze an Praxisbeispielen

Probleme sind weniger Alkohol und Drogen, als sexueller Missbrauch, der nicht

zugeben wird.

Die Mädchen haben im MaDonna die Möglichkeit ihrer Freizeit nachzugehen.

Menschenrechtliche Themen sind da nachrangig, es sei denn sie kommen in

Gesprächsrunden zufällig vor. Nach Gabriele Heinemann ist Wegrennen eine

Möglichkeit, die aber ins Leere führt. Besser ist es, wenn eine Tante z.B. mal mit den

Eltern redet. Beratung ist zufällig im Mädchentreff.

Dadurch, dass die Mitarbeiter des Mädchentreffs jeden Tag mit den Eltern reden, lösen

sie Wertekonflikte vor Ort mit den Familien, dass es gar nicht so weit kommt, zu einer

Zwangsverheiratung. Das übernimmt dann meist eine Mitarbeiterin aus dem Viertel, die

die Einzige ist, die mit den Mädchen über so etwas wie Zwangsverheiratung redet. Da

spielt Vertrauen eine große Rolle.

Das Gute ist, dass den Familien, die da wohnen, Bildung sehr wichtig ist, und sie

deswegen offen sind für kleine Freiheiten. Sie lassen mit sich verhandeln. Trotzdem ist

das Thema Zwangsehe aktuell und es ist nötig, da energisch zu sein, den Töchtern

ihre Rechte zu erklären. Das Reden hat gebracht, dass das Heiratsalter im Viertel jetzt

4/5 Jahre höher, bei 17 Jahren liegt.

Vier bis fünf Fälle von Zwangsverheiratung im Jahr hat der Mädchentreff zu

verzeichnen, aber da kommen die Mädchen eher von wo anders da hin, als Mädchen

aus dem Kiez, weil die Eltern eben die Bildung favorisieren.

Als eine Möglichkeit sieht Gabriele Heinemann, die möglichst schnelle Liebesheirat mit

dem Freund, der dann von den Eltern akzeptiert wird, weil er jetzt eben der Ehemann

ist, der die Jungfräulichkeit genommen hat.

Zur Verdeutlichung der Sicht zur Elternarbeit vonseiten eines Freizeitprojektes soll der

nachfolgende Interviewausschnitt dienen:

GH: „Und da hat es eben gereicht, dass wir viel mit den Mädchen und den

Geschwistern geredet haben (…) und Gespräche mit den Eltern, dass wir das nicht

wollen und das wenn irgendwas in die Richtung passiert, das es Ärger gibt mit uns,

aber das zeigt ja eben wie nah wir an den Familien dran sind, dass wir so mit denen

reden können.“

Ich: Inwieweit ist bei Zwangsverheiratung Elternarbeit und Familienarbeit überhaupt

möglich?

GH: „Muss gemacht werden! Geht gar nicht ohne. Wenn das ohne ist, dann entsteht

die Gefahr von Ehrenmord und solchen Sachen. Man muss, also sie müssen sich

vorstellen (...) wenn ´n fetter Konflikt ist, sie müssen versuchen, also wo es um Leben

und Tod geht“

Page 54: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Beratungsansätze an PraxisbeispielenIch: „alle mit ins Boot holen.“

GH: „Genau, alle mit ins Boot und irgendwie zu befrieden. Und eine simple Form der

Befriedung. is´ was ich vorhin sagte. die Eltern haben vielleicht einen anderen

Ehepartner im Kopf gehabt. Ok. So was kann man auflösen. Das is´ noch nicht so ein

Ehrverlust für die Familie ja. Aber das man schnell das Mädchen verheiratet. Der

Ehrverlust beginnt, wenn das Mädchen unverheiratet Sex hat, vielleicht zwei Monate

den Freund, zwei Monate den Freund und wenn sich das erst recht so herum spricht.

So: Haste gehört? Ja äh deswegen ist es ganz gut, dass Mädchen, also ich wär´

dagegen, aber trotzdem, man will ja erstmal das Leben retten. Der erste Schritt ist das

Mädchen in irgendeine Ehe hineinzubringen, wenn die Eltern dagegen sind. Bei

unseren Mädchen is´ das nicht nötig, weil die Eltern sind mitgegangen. Sie haben

dann doch ihre Konflikte auch untereinander als Eltern so weit in Griff gekriegt, dass

sie wieder mehr Toleranz für ihre Kinder hatten und haben auch kapiert, dass die

weitere Ausbildung, die Mädchen dürfen keinen Freund haben, aber die Eltern haben

eingesehen, dass die gute Ausbildung und darauf ziehen sich die Mädchen dann

zurück: Ich will gar keinen Freund. Ich will noch nicht heiraten. Ich will erst mal meinen

Beruf. Ich habe einen großen Ehrgeiz. Und das finden ja Eltern eigentlich immer gut.

Gerade weil die Eltern ja selber vielleicht auch mal als junge Menschen ´nen Traum

hatten, dass sie Ingenieur werden oder Anwalt oder Arzt und den halt nicht leben

konnten. Man täuscht sich auch oft. Auch wenn man gerade aus der Ferne kommt und

in Deutschland kann man gut Geld verdienen und dann sehen, wie schwer Schule ist.

Und deswegen das eigentlich gut finden, das ist aber auch unsere jahrelange Arbeit.

Das wir ihnen klar machen, noch gibt´s Hartz 4. Wer weiß, ob es in 15 Jahren noch

Hartz 4 gibt und es sich gemütlich leben lässt ohne dass eure Kinder ´ne Ausbildung

haben. Stellt euch vor, vielleicht hat sie 5, 6 Kinder, vielleicht der Mann geht fremd (…).

Und dann stabilisiert sich vielleicht so ´ne kaputte Ehe und die Ehefrau ist natürlich

total unglücklich. Es is´ nich´ so, dass die Ehen hier alle super sind. Es is´ ja auch

normal, dass es Schwierigkeiten gibt. und das leuchtet den meisten Eltern ein. Der

zweite Grund, warum die auf uns hören, ist, die Familien hier haben sehr viele Töchter,

also ´nen Sohn zu haben, is´ irgendwie besser, aber was willst´n machen, wenn du

irgendwie 6, 7 Kinder hast und davon sind 5 Mädchen. Das sind Eltern; die sind jetz´

nich´ böse oder verfluchen jetz´ nich´ Gott oder wen; sie lieben ihre Kinder auch

irgendwie und deswegen mögen sie uns. Deswegen steigen sie auch auf uns ein. sie

sehen dass wir bringen ihre Töchter voran und wir versuchen einen Weg zu finden, der

ihnen dann ´nen andern Wert gibt. Trotzdem Jungs dürfen viel mehr, haben die

besseren Zimmer. Aber dadurch muss man mit den Eltern, man muss sie mitnehmen!

Geht nicht anders.“ (GH, Audio 1, Minute 24.30 – 30.07)

Page 55: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Beratungsansätze an PraxisbeispielenAls großes sozialpädagogisches Problem sieht Frau Heinemann, dass es keine

Fluchtunterkünfte für Pärchen gibt. Wenn die Mädchen mit ihrem Freund fliehen,

möchten sie auch mit ihm wo unter kommen, aber Jungen dürfen nicht in die

Mädchenunterkünfte.

Frau Heinemann würde schon zur Flucht ermuntern, wenn man sich sonst gezwungen

fühlt, aber immer mit einem zügigen Bald- Heiraten. Dann kann man seine Existenz

stabilisieren und dann akzeptieren die Eltern auch die Entscheidung, weil die

Jungfräulichkeit ja nun einmal ruiniert ist und derjenige ja doch ganz nett ist. Das sehen

die Eltern noch ein. Aber eine Flucht ohne Heirat geht nicht, meint Gabriele

Heinemann.

Gabriele Heinemann war es immer wichtig, Kinder zu beteiligen, sie mitbestimmen zu

lassen, sie zu fragen, ein zu beziehen und ihnen zu vermitteln, dass sie z.B. auch

einmal der Chefin widersprechen dürfen, wenn sie etwas nicht mögen. Das sind sie

von zuhause nicht gewohnt, aber dadurch lernen sie mit Konflikten umzugehen und

sich selbst kennen. Wenn sie zwei Jahre im Treff sind, sagt Gabriela Heinemann,

„haben sie das mit der Freiheit gefressen.“

MaDonna gibt es 30 Jahre, aber erst 1998 wurde angefangen in Berlin über

Zwangsheirat zu reden (vgl. GH).

Damals hat Frau Heinemann zu ihrer damaligen Kollegin Güner Yasemin Balci gesagt:

10% der türkischen Frauen sind zwangsverheiratet. Darauf hat Güner Balci, die

ebenfalls im Viertel groß geworden ist, gemeint: Ich kenne hier keine arabische Frau,

die nicht zwangsverheiratet ist. Das betraf die 1. Generation. Daraus zog Gabriela

Heinemann für sich den Schluss: „...mir war das dann irgendwann klar, ich kann nur

noch von ihr was lernen,...“ (GH)

Für die Sozialarbeit sieht Gabriele Heinemann Chancen in der Peer- Group- Arbeit,

wenn mehr Leute mit Migrationshintergrund eingestellt und in der Familienarbeit im

Hinblick auf Vermitteln von Konfliktfähigkeit qualifiziert werden.

3.4.2 Elisi evi e.V. - Interkulturelle Beratungs- und Bildungsangebote für

Frauen und Mädchen in Berlin Kreuzberg

Im Rahmen meiner Interviewreihe war ich in der Elisi evi e.V. Beratungsstelle in Berlin

Kreuzberg, was früher aufgrund seines hohen Anteils türkischer Bewohner Klein-

Istanbul genannt wurde.

Da es mein erstes Interview war, ließ ich mir von Judith Gerling- Tamer, die mit einem

Türken verheiratet ist, erklären, wie vorgegangen wird, wenn ein bedrohtes Mädchen in

Page 56: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Beratungsansätze an Praxisbeispielendie Beratungsstelle kommt. Zunächst einmal ist festzustellen, wie gefährdet das

Mädchen ist, ob sie aus der Familie raus will, wie die Eltern drauf sind, ob sie sie

gehen lassen würden oder eher ein Ehrenmord in Frage kommen würde. Es kam

einmal eine 19Jährige in die Beratung. Ihre Eltern sind ja nicht mehr

erziehungsberechtigt und sie könnte also eigentlich gehen, wohin sie möchte, aber in

diesen Kulturen ist das egal. Sie hatte Angst, dass die Eltern sagen würden: Du bist

nicht mehr unsere Tochter! Und fühlte sich gefährdet. Um heraus zu bekommen, wie

die Gefahrenlage ist, eignet sich die Frage: Wie würde deine Familie darauf reagieren,

wenn du einen Freund hättest? Die Antwort darauf lässt einen Blick auf den

Familientyp zu. Bis 21 Jahre kann das Mädchen in den Mädchennotdienst oder z. B. zu

Papatya. Wenn sie älter ist, kann sie ins Frauenhaus. Es wird auch besprochen, ob es

eine Möglichkeit gibt, in der Familie zu bleiben bzw. wie selbstsicher das Mädchen aus

der Familie rausgehen kann. Dass die Loslösung sehr schwer wird und sich nur das

Mädchen allein für diesen Schritt entscheiden kann, zu gehen, muss verdeutlicht

werden. Man darf nie lenken!

Es muss auch geklärt werden, ob es Unterstützung in der Familie gibt, z.B. durch einen

Bruder, der die elterliche Meinung verändern könnte (vgl. G- T).

Zur Verdeutlichung der Einschätzung der Elternarbeit soll folgender Interviewausschnitt

dienen:

Ich: Mich interessiert ob Elternarbeit überhaupt möglich ist? Ob so etwas geht -

Vermittlung mit den Eltern?

G-T: „Ja das is´ schon ´ne wichtige Angelegenheit. Manche Mädchen wollen es

überhaupt nicht, manche Mädchen, die hier her kommen, da wissen die Eltern das

auch nicht, ne. Wenn wir mit der Schule dort zusammenkommen. Also wir hatten, ich

hatte letzte Woche ein Gespräch mit ´ner 17-jährigen Schülerin, die ganz unglücklich

klang, weil der Vater vor ´nem halben Jahr mitgekriegt hat, dass sie ´nen Freund hat

und hat ihr alles verboten, also es is´ jetz´ nicht so, dass er sie verheiraten will, aber

sie darf jetz´ direkt von der schule nach Hause, hat kein Handy mehr. Sie muss jetzt

immer in die Moschee, was sie gar nicht so will, weiß gar nicht was sie jetz´ machen

soll. Sie hat verschiedene Möglichkeiten. Der Bruder würde sie unterstützen. Da

könnte der Bruder mit dem Vater reden oder auch mit der Mutter. Da haben wir jetzt

gemacht, dass die Schule nochmal auf den Vater zukommt, Elterngespräch. Ich

komme dazu und wir mit dem Vater nochmal drüber reden, dass er ihr wieder mehr

Freiheiten gibt.

Sowas is´ dann natürlich auch ganz gut. wenn die Mädchen sowas möchten, machen

wir auch ´n Elterngespräch.“

Page 57: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Beratungsansätze an PraxisbeispielenIch: „Kam das schon mal vor? Hast du das schon mal gemacht?“

G-T: „Äh ganz wenig, ganz wenig eigentlich, weil aufgrund was ist mit den Eltern..“

Ich: „Man weiß ja auch nicht, ob man jetz´ mit den redet und denen dann noch mehr

Gewalt droht.“

G-T: „Kann natürlich auch sein.“

Ich: „Wenn die dann mitkriegen, dass man sich..“

G-T: „Nee weil da hab ich ihr auch gesagt: Es kann auch sein, dass dich dein Vater gar

nicht mehr in die Schule lässt. zum Beispiel. Was würdest du da machen? Du hast kein

Handy..“

Ich: „Deswegen.“

G-T: „Na dann hab ich mit ihr ausgemacht. dass man auch mit den Lehrern spricht,

dass wenn sie länger als 3 Tage nicht in die Schule kommt. auch wenn die Eltern sie

entschuldigt haben. dass der Lehrer vor der Tür steht und fragt was is´ denn hier. Und

dann können die sagen, dass sie krank ist oder bei ´ner Freundin ne und dann sag ich

die andere Möglichkeit ist, mit der Polizei dahin zu kommen und dann müssen sie

nämlich aufmachen und müssen die Zimmer zeigen.

Aber dann musst du auch sagen, du wirst jetz´ festgehalten gegen deinen Willen, denn

wenn man mit der Polizei kommt, dann darfst du nicht sagen: Nee, nee is´ alles in

Ordnung. Dann musste wirklich sagen und mit raus kommen. Und dann kann man

immer noch überlegen, ob vielleicht mit den Eltern. also wenn das Jugendamt

eingeschaltet wird, also das wird dann ja auch wenn die noch nicht volljährig sind und

die weggehen. Da kommt immer das Jugendamt dazu und die sprechen auch mit den

Eltern. Das heißt dann nicht immer, dass Mädchen und Eltern zusammengeführt

werden. sondern die werden erst mal einzeln mit denen sprechen. Dann wird geguckt,

ob überhaupt noch Möglichkeiten gibt für ´ne Einigung oder nich´ oder muss sie doch

weg.“

Ich: „Das macht dann meist eben auch das Jugendamt.“

G-T: „Ja muss ja, wenn sie noch nich´ volljährig sind. die sind ja dazu da.“

Ich: „Und gab´s auch schon Fälle, wo das so vermittelt werden konnte, dass diejenigen

in der Familie weiterleben konnten doch?“

G-T: „Ähm man muss auch sagen, viele Mädchen gehen zurück in die Familie und

auch wieder in die Gewaltsituation zurück. weil sie es nicht aushalten von der Familie

getrennt zu sein.“

Ich: „Aber da is´ dann halt keine Veränderung in der Familie?“

G-T: „Manchmal ist ´ne Veränderung, manchmal auch nicht. Manchmal sagen die jaja

nee und dann ja gut du musst den ja gar nicht heiraten und das alle denken ok und

dann wird immer wieder mehr angezogen." (Audio 9, Minute 22:22 - 27:08)

Page 58: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Beratungsansätze an PraxisbeispielenFür Judith Gerling- Tamer ist es wichtig, trotz des Vertrauensverhältnisses, was sich

aufbaut, nicht in das umfangreiche Familiensystem selbst mit hinein zu wachsen und

benutzt zu werden.

3.4.3 ROSA - Wohnen für junge Frauen nicht- deutscher Herkunft in

Stuttgart

Mit Halide Özdemir habe ich telefoniert. Sie wurde mir über mehrere Ecken und Mails

als Ansprechpartnerin empfohlen. ROSA gibt es seit 25 Jahren und früher wurde nicht

zu Eltern begleitet. Doch das hat sich gewandelt, weil das Konzept immer an den

Bedürfnissen der Klientinnen ausgerichtet wird. Es wurden gute Erfahrungen damit

gemacht. Die Mädchen werden ja bei einer Flucht ohne Ablösungsprozess von der

Familie getrennt. Das ist sehr hart für die Betroffenen.

Wenn man dann noch bedenkt, welchen hohen Stellenwert die Familie in solchen

Familien darstellt und dass die Mädchen manchmal noch minderjährig sind, kann man

sich vorstellen, wie schwierig diese Situation für die Mädchen sein muss. In einem

Gespräch mit Eltern nach einer Weile, können die Mädchen zeigen, dass sie in der

Zeit, in der sie in die Selbständigkeit gegangen sind, nicht das eingetreten ist, was die

Eltern dachten. Eltern denken vielleicht, dass sie Prostituierte oder Drogenabhängige

werden, aber die Mädchen können verdeutlichen, dass sie eine Ausbildung gemacht

haben, etwas für sich getan haben und wie wichtig das für sie ist. Es gehört eben dazu

sich zu reiben im Übergang in die Adoleszenz.

Man muss so etwas auf lange Zeit sehen. Es kommt nicht so häufig vor, dass ein

Gespräch mit den Eltern arrangiert wird, aber es kommt vor. Die Treffen sind geschützt,

meint, es muss einen Schutzplan geben. Die Mädchen sollen gestärkt sein, sodass sie

den Ton angeben können. Das Gespräch sollte an einem neutralen Ort stattfinden. Die

Eltern müssen lernen, dass ihre Tochter Bedingungen stellt. Mit einer Versöhnung tun

sich die Eltern schwer, da sie sich rechtfertigen müssen. In manchen Fällen haben die

Mütter dann noch eher Respekt, da sie selbst früher nicht den Mut hatten, so etwas zu

tun. Manchmal machen die Eltern ganz viele Versprechungen. Die Hauptsache ist,

dass die Tochter zurückkommt, dass die Ehre wieder hergestellt wird. Manchmal gehen

Mädchen darauf ein. Sie entscheiden sich dafür bewusst, weil aus Sicht der Mädchen

eine Änderung der Eltern stattgefunden hat.

Es gibt allerdings keine Erkenntnisse darüber, ob sich die Familien wirklich geändert

haben, da das nicht mehr unter der Kontrolle der Einrichtung steht. Aber es sind

wenige Mädchen, die zurückgehen in ihre Familien.

Page 59: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Beratungsansätze an PraxisbeispielenDie Eltern können es nur schwer emotional verarbeiten, wenn ihre Tochter nicht mehr

nach hause kommt. Sie hoffen immer, dass sie doch noch zurückkommt. Sie lügen ihr

Umfeld an und sagen, dass ihre Tochter gerade im Ausland ist oder bei der Tante. Sie

erfinden Geschichten, um nicht sagen zu müssen, dass die eigene Tochter aus dem

Elternhaus geflohen ist, denn mit ihrem Weggang ist auch die Ehre der Familie

mitgegangen. Deswegen ziehen sogar manche Familien in eine andere Stadt, um dem

Gerede der Leute aus dem Weg zu gehen. So sieht man, dass auch die Familie

überfordert und allein gelassen ist mit ihrer Situation (vgl. HÖ). „Die massive Angst vor

einem Ehrverlust wird am Beispiel eines Vaters deutlich, der bei einem Gespräch im

Jugendamt unter Tränen schilderte, wie die Leute über ihn lachen würden, wenn seine

Tochter nicht zurückkäme. Am Ende des Gespräches drohte er dann damit, dass er

seine Tochter töten würde oder töten lassen würde.“ (Bielefeld, 2007, S. 58)

Den Mädchen gelingt es, dass ihre Eltern es akzeptieren, dass sie diesen Weg

gegangen sind. Auch wenn es erst nach langer Zeit gelingt.

Die Mädchen leben auch nach drei Jahren noch anonym. Es ist gut, wenn sie die

Eltern oder einzelne Familienangehörige besuchen können in dieser Zeit, aber es ist

nicht immer möglich. Es ist ein mittelfristig bis längerfristiger Prozess. Wenn das

Mädchen das wünscht, begleitet ROSA sie beim Elternkontakt. Meist findet dieser in

einem Jugendamt statt, welches sich nicht in der Stadt der Zufluchtsstätte befindet. Da

werden auch drei Stunden Autofahrt auf Umwegen in eine andere Stadt unternommen,

um die Sicherheit der Mädchen zu gewährleisten, sodass die Familie nicht

herausfindet, wo sich das Mädchen befindet.

Ganz wichtig ist, vorher einen Schutzplan anzufertigen. In diesem müssen enthalten

sein: - Wovor hast du Angst?

- Was kann im schlimmsten Fall passieren?

- In welcher Umgebung möchtest du das Gespräch haben? (Was ist ein gutes

Setting für genau dieses Mädchen? Bsp.:

Polizeistation...Kooperationspartner gewinnen!)

- Was ist meine Rolle? Was deine?

- Was ist das Ziel des Gespräches?

Ganz individuelle Dinge werden ebenfalls besprochen, Wenn das Mädchen z.B. sagt:

Wenn Mama weint, habe ich Angst, dass ich Ja sage, obwohl ich es nicht möchte. In

solchen Situationen werden dann Verträge geschlossen.

Das Mädchen unterschreibt dann symbolisch so etwas wie: Ich will auf jeden Fall in die

Einrichtung zurück, auch wenn ich weine oder Mama weint. Das dient dann in der

Situation noch einmal als Stütze, dass sich das Mädchen seines Vorhabens sicher

bleibt. Erklären, „warum Familien so funktionieren, wie sie funktionieren“ (HÖ),

Page 60: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Beratungsansätze an PraxisbeispielenAntwortmöglichkeiten für Auseinandersetzung anbieten können. „Auseinandersetzung

ist ja nicht einfach, vor allem wenn man sie nie gelernt hat und wenn Gefahr für Leib

und Leben besteht“ (HÖ).

Das Konzept muss im schlimmsten Falle durchführbar sein. Ein Beispiel dazu:

Sie waren bestens vorbereitet. Das Mädchen hat sich ganz viel vorgenommen. Die

Familie wurde zuhause besucht. Im Laufe des Gespräches ist das Mädchen immer

kleiner und kleiner geworden. Sie wollte ganz schnell raus aus der Situation, traute sich

nichts mehr zu sagen. So musste Frau Özdemir von ROSA zur Schauspielerin werden.

Es ist also auch gut einen Plan B und C zu haben. Es muss ja nicht bedeuten, dass

das Mädchen mit dem Tod bedroht wird. Es gibt da vielfältige Ängste. Manchmal

genügt ein böser Blick des Vaters, welcher das Mädchen an eine ganz bestimmte

Situation erinnert und das Mädchen kann nicht mehr zu ihren Zielen stehen. Es geht

darum, dass das Mädchen mit aufrechtem Gang die Wohnung verlassen kann, um

ihrer Familie dadurch zu zeigen, dass sie weiß, was sie will.

Für den Schutzplan braucht man viel Zeit.

Als Beratungsansatz wird immer davon ausgegangen, dass das Mädchen die Expertin

ihrer Familie ist, denn sie hat in dieser Familie gelebt, sie kennt einzelne Situationen.

Die Professionellen sind vom Fach und können den Mädchen so Hintergrundwissen

über ihre Rechte vermitteln, sowie aus einer objektiven Sicht auf Gefahren

aufmerksam machen oder zum Nachdenken anregen, wenn es sein könnte, dass die

Eltern nur überreden wollen und nicht wirklich hinter der Tochter stehen.

Die Mitarbeiterin der Beratungsstelle oder Zufluchtsstätte stehen auf der Seite des

Mädchens und setzen sich parteilich für dieses ein. Schulmitarbeiter oder die

Mitarbeiter des Jugendamtes haben durch ihren gesetzlichen Auftrag die Pflicht die

Eltern mit einzubeziehen. Einer anderen Einrichtung steht dies frei. Die Beraterinnen

stellen den Mädchen Vor- und Nachteile vor; das Mädchen entscheidet.

Merkmale einer möglichen Kontaktaufnahme nach ROSA: erst einmal schriftlichen

Kontakt, dann telefonisch, dann persönlich an einem neutralen Ort mit Schutzplan.

Die Mädchen wurden so sozialisiert, dass sie nur kollektiv denken, d.h. was der Familie

gut tut, nicht was ihnen gut tut. Sie müssen erst lernen einen selbstbestimmten Weg zu

gehen, lernen, was ihnen gut tut, weil sie das nicht wissen. Sie sind überfordert, weil

sie gar nicht wissen, was ihr Bedürfnis ist.

Es hat sie noch niemand gefragt, was sie wollen.

Davon abgesehen, dass ROSA das einem Mädchen nie verbieten würde, mit seinen

Eltern zu sprechen, weil sie es sonst heimlich tun, sollte man ein Elterngespräch nicht

durchführen, wenn:

das Mädchen programmiert ist, Ängste und Gefühle regieren

Page 61: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Beratungsansätze an Praxisbeispielen es eine zu kurzfristige Entscheidung ist

schlechte Vorbereitung → kein guter Schutzplan (vgl. HÖ)

Ein Vorschlag der von den meisten Eltern positiv aufgenommen wird, ist der, das

Mädchen erst einmal eine Ausbildung machen zu lassen. Auf die Frage meinerseits, ob

es Mädchen gibt, die einen Freund haben und das vor den Eltern vertreten können,

antwortete Frau Özdemir NEIN. Dann relativierte sie noch einmal die Aussage und

meinte, wenn eine gute Ausgangsbasis vorhanden ist, kann es gehen. Von türkischen

Mädchen aus meinen Bekanntenkreis ist mir jedoch bewusst, dass sogar in sonst

freizügigen Familien (Partys, Kleidung etc.) das Haben eines Freundes ein Tabu ist,

was zwar gewusst, aber nicht besprochen wird, sondern verheimlicht.

Der Vorteil an ROSA ist, dass die Mädchen solange in der Einrichtung wohnen, bis sie

selbständig genug sind. Es handelt sich also nicht um eine Zufluchtsstätte, die ein

Mädchen nur in der akuten Notsituation besucht. Die Mitarbeiterinnen bei ROSA

können an der Entwicklung der Mädchen teilhaben. Die Mädchen mussten einige

Hürden hinnehmen, z.B. dauert die Kostenzusage für die Einrichtung manchmal

Wochen und Monate. Somit schätzen die Mädchen die Einrichtung dann auch. Bei

Treffen, bei denen bundesweit vernetzte Organisationen zusammenkommen, ist die

Rückkehr der Mädchen in die Familie immer wieder Thema. Bei ROSA ist das nicht so,

was sich die Professionellen mit der längerfristigen Perspektive und der guten Struktur

erklären. In einer Kriseneinrichtung gehen mehr wieder in die Familie zurück, weil sie

keinen Halt für eine längere Zeit haben und es sich nicht gleich zutrauen, allein zu

wohnen.

Als Anlaufstelle für von Zwangsverheiratung bedrohte Mädchen und Frauen muss man

für sich feststellen: Was ist möglich? Wie viel davon kann ich tun?, denn jede

Einrichtung (Kindergarten, Schule etc.) hat andere Aufträge auch zu erfüllen (vgl. HÖ,

LH).

Man sieht, dass es also ganz viele verschiedene Arten von Elternarbeit gibt, die sich im

Rahmen des Phänomens Zwangsheirat ergeben. Es besteht auf jeden Fall ein großer

Bedarf (vgl. HÖ).

Page 62: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Möglichkeiten bei Zwangsverheiratung

3.5 Möglichkeiten bei Zwangsverheiratung

Die Emanzipation der Frauen in Deutschland hat auch Zeit gebraucht. Jeder Umbruch

braucht seine Zeit. Und gerade soll dieser Umbruch in der Migrantenbewegung

stattfinden, aber das geht eben nicht von heute auf morgen, dass man seine

Wertvorstellungen, die man über mehrere Generationen internalisiert bekommen hat,

ablegt (vgl. HÖ). Frau Özdemir ist seit 15 Jahren bei ROSA und eine Aussprache, bei

der auch teilweise eine Akzeptanz seitens der Familie zu merken ist, kann man nach

drei bis fünf Jahren erwarten. Für eine ernste Auseinandersetzung braucht es Abstand,

meint Frau Özdemir.

Mediationsversuche werden meist aufgrund des staatlichen Auftrags bisher von Polizei

und Jugendamt übernommen. In diesen „Normverdeutlichungsgesprächen“ gelingt

auch Rückführung. Eine Polizeibeamtin hält danach den Kontakt zur Betroffenen um

ihr Wohlbefinden zu garantieren (vgl. Graue Literatur 3).

Im Bericht über Zwangsheiraten in Zürich stehen zahlreiche Beispiele, wie es z.B.

mithilfe einer Vertrauensperson aus der Familie oder einer Kulturvermittlerin zu einer

erfolgreichen Mediation mit dem Schluss, dass die Eltern von der Heirat abgesehen

haben, gekommen ist.

Durch diese Interventionen kam es dazu, dass die Mutter wieder mit ihrer Tochter

geredet hat, diese wieder Kontakt zu ihren Geschwistern aufgenommen hat und dass

der Vater trotz Beharren auf seiner Meinung, sie als Gast bei Familienfesten

akzeptierte. Kulturvermittlerinnen, die die Sprache der Familie können und zu

Zwangsheirat geschult sind, müssen teilweise über ein Jahr lang Gespräche führen. In

einem Fall kam es nach einem Selbstmordversuch der Tochter dazu, dass die Eltern

den Freund dann endlich akzeptierten und die beiden mittlerweile auch verlobt sind

(vgl. Graue Literatur 9).

Auch KOBRAnet haben Erfahrung in der Vermittlung mit Eltern gemacht und boten

nicht nur Hilfe bei Flucht an, sondern ebenso die Suche nach innerfamiliären

Ressourcen (vgl. AS).

Papatya steht wegen negativer Erfahrungen bezüglich der Veränderungsfähigkeit der

Eltern Elternarbeit skeptisch gegenüber. Von Veränderungswilligkeit würde ROSA auch

nicht sprechen, aber auf lange Sicht kann man eben Akzeptanz schaffen (vgl. HÖ). Bei

der Untersuchung von Strobl und Lobermaier über Papatya kam heraus, dass es kaum

positive Lösungen innerhalb der Familie gab, was sie aber auch auf die Art ihrer

Stichprobe in einer Kriseneinrichtung zurückführen (vgl. Strobl; Lobermaier, 2007, S.

65).

Page 63: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Möglichkeiten bei Zwangsverheiratung

Corinna Ter- Nedden sagt, dass bei Papatya die Hälfte der Mädchen eine

innerfamiliäre Lösung findet. Die andere Hälfte geht in die Selbständigkeit. Trotzdem

hilft Papatya den Mädchen so viel wie möglich familiäre Bezugspersonen zu erhalten,

was die Wichtigkeit hervorhebt (vgl. Ter- Nedden, 2007, S. 355f). In Gesprächen

können Zwangsverlobungen gelöst und Misshandlungen gestoppt werden (vgl. Ter-

Nedden, 2007, S. 315). „Mit unserer Form der Elternarbeit geraten wir leicht zwischen

alle Stühle. Einerseits wird mit Skepsis beurteilt, daß wir überhaupt mit den Eltern

sprechen und versuchen, den Mädchen die Angst vor einem Gespräch mit ihnen zu

nehmen. Andererseits wird uns vorgeworfen, daß wir nur die Seite der Mädchen sehen

und vertreten. Für uns war das ein langer Prozeß, an dessen Anfang die Illusion stand,

Mädchen und Eltern gerecht werdende Lösungen finden zu können. Die Spielräume

dazu waren aber kleiner als angenommen. (...) Über die Auflösung von erzwungenen

Verlobungen und Heiraten, über das Wohnen bei Verwandten, über Ausgangszeiten,

Hilfe im Haushalt, Taschengeld, Kleidungsvorschriften und Schulbesuch läßt sich mit

den Eltern verhandeln. Wir plädieren trotzdem in vielen Fällen für Gespräche mit den

Eltern. Wir tun dies, weil die Flucht der Mädchen häufig nicht nur vorwärts gerichtet ist,

weg von der Familie, sondern oft auch ein letzter Versuch, herauszufinden, ob die

Eltern sie nicht doch lieben und an ihnen hängen, ob die Familie sich nicht doch

verändern kann. Hinzuzufügen bleibt, daß es auch Mädchen gibt, die so gefährdet

sind, daß wir das Risiko eines Elterngesprächs nicht eingehen.“ (Internet 19)

Die Organisation agisra e.V. in Köln verzeichnet ebenso positive Erfahrungen mit

Vermittlungen, wodurch der Druck zurückgenommen, ein Kompromiss gefunden

wurde. Solche Vermittlungen gehen dann aber über einen längeren Zeitraum und

erfolgen nicht einmal (vgl. Joo- Schauen; Najafi, 2007, S. 292).

Renate Balic-Benzing vom Jugendamt in Wien sagt, dass Elterngespräche in Form

einer Normverdeutlichung wirken, da die Mädchen nicht verheiratet werden- zumindest

nicht in nächster Zukunft. Das wurde durch Weiterverfolgung herausgefunden (vgl.

Internet 16).

In den von der Johann Daniel Lawaetz-Stiftung 2006 herausgegebenen Ergebnissen

einer Befragung zu dem Thema Zwangsheirat in Hamburg kommt eine Praxisfrau zu

Wort und meint: „Durch mehrsprachige Berater/innen ist es uns vielfach gelungen,

Gespräche mit den Eltern der Betroffenen zu führen in ihrer Mutter- bzw. Erstsprache.

(…) Das Gespräch mit den Eltern bzw. nahen männlichen Verwandten war nicht immer

einfach aber oft sehr effektiv. Sie konnten tatsächlich davon abgebracht werden, die

Töchter gegen ihren Willen zu verheiraten.“

Weiter ist zu lesen, dass es erfolgreiche und erfolglose Gespräche gab.

Page 64: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Möglichkeiten bei ZwangsverheiratungEine Einrichtung hat Erfolg, indem sie Männer anderer Institutionen hinzuzieht. Diese

begleiten die Beraterinnen dann beim Hausbesuch oder sie gehen allein in die Familie.

Wenn die Familie sich gegen ein Gespräch sträubt, gehen sie auch aufsuchend vor

und schauen in Cafés nach den männlichen Familienangehörigen. Allgemein wird die

Meinung in dieser Studie vertreten, dass bei Familien mit Unrechtbewusstein auch eine

Gesprächsbereitschaft da ist. Wenn dies nicht der Fall ist, ist auch kein Bewusstsein

über das Ausmaß der Taten vorhanden. Des Weiteren führen eigener

Migrationshintergrund und Stadtteilbekanntschaft zu mehr Akzeptanz und somit zu

mehr Erfolg (vgl. Internet 10).

In der folgenden ebenso dieser Zusammenfassung über Hamburger Strukturen

entnommenen Abbildung ist zu sehen, dass Elternarbeit die geringste Erfolgsquote vor

und nach der Verheiratung aufweist. Hier ist natürlich zu berücksichtigen, was unter

Erfolg verstanden wird bzw. wer überhaupt von den Einrichtungen Elternarbeit anbietet

und demzufolge dann eine Einschätzung der Wirksamkeit vornehmen kann. Die Frage

ist ja auch ob eine gute Lösung in der Rückkehr des Mädchens in die Familie liegt oder

einfach im Kontakthaben.

(Abbildung 7)

Page 65: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Grenzen

3.6 Grenzen

Grenzen in der Arbeit liegen in der Sprache, in der eigenen Kompetenz, in eigenen

Wertvorstellungen, wodurch man anderen Wertvorstellungen keine Toleranz einräumen

kann (z.B. bei stark feministischen Organisationen). Wenn die Autorität des

Familienclans unumstößlich ist und Traditionen fundamentalistisch gelebt werden,

kommt man nicht weiter. Als Sozialarbeiterin oder Sozialarbeiter muss ich meiner

Klientin immer sagen, dass ich die Familie nicht ersetzen kann. Darin liegt auch eine

Grenze. Wenn psychische Erkrankungen beim Mädchen oder in der Familie dazu

kommen, wird die Situation ebenso erschwert bzw. stößt man aufgrund der ohnehin

schon schwierigen Lage schnell an seine Grenzen (vgl. Altan; Foitzik; Goltz, 2009, S.

156).

„Nicht jede Familie ist mediationsgeeignet.“ (HY) Auch Gabriele Heinemann spricht von

stark konservativen Familien, die auch der Mädchentreff nicht erreicht. Das sind die

Familien, denen auch der Mädchentreff an sich zu modern ist und die Töchter nicht hin

gehen dürfen. Es ist in jeder Familie ungewohnt, wenn sich eine andere Person in die

Familie einmischt (vgl. HY). Fatma Bläser berichtet von einem Hausbesuch, bei dem

der Vater sich einfach weggedreht hat und den Besuch als Einmischung empfand und

das ja niemanden etwas angehen würde. Solch ein Verhalten stellt natürlich eine

enorme Grenze dar. Fatma Bläser hat die Situation dann aufgrund der Respektlosigkeit

verlassen, was in dem Falle der zu beratenden Tochter nichts bringen würde (vgl.

Bläser, 2007, S. 316). Deswegen vertreten so viele den Einsatz von Mittlerpersonen.

Ansonsten ist mir eine Lösung solch einer Situation nicht bekannt.

Lysann Häußler ist der Meinung, dass für Elternarbeit eine eigene Stelle geschaffen

werden müsste, um da einen Beitrag zu leisten, da ja die Beratungsstellen z.B. eher

mit den Betroffenen sprechen und diese betreuen. Es ist ja auch so, dass man das mit

der Elternarbeit im Zusammenhang mit Zwangsverheiratung widersprüchlich sehen

könnte, denn die Scham der Mädchen ist sehr hoch und es ist ja auch eine häusliche

Gewaltsituation. Und bei häuslicher Gewalt werden auch selten gemeinsame

Elterngespräche geführt, weil dann eben viele Versprechungen gemacht werden, die

nicht eingehalten werden. Das ist dann kein konstruktives Arbeiten. In der Prävention

ja, aber in der Intervention ist Elternarbeit unheimlich schwierig. Das Mädchen muss

sich ja auch positionieren und das in einem Entwicklungsstadium, in dem die Ich- Abb

Stärkung nicht vollendet ist (vgl. LH).

Page 66: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Grenzen

Isabel Said von der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz

in Hamburg, Leitstelle Integration und Zivilgesellschaft, Referat Opferschutz, sagt:

„Wenn in diesem Zusammenhang möglicherweise überhaupt eine Rückkehroption in

die Familie in Frage kommt - was in unserem Projekt im Übrigen eine sehr strittige

Frage war -, dann brauchen wir unbedingt gleichzeitig Strategien, um einerseits den

Familienmitgliedern Unterstützung anzubieten und andererseits die Verantwortlichen

zu einer kritischen Auseinandersetzung mit ihrem Verhalten zu bewegen und eine

nachhaltige Verhaltensänderung zu bewirken. (…) Betonen möchte ich aber folgendes:

Nicht geleistet werden soll und kann diese erforderliche Elternarbeit durch die

Beraterinnen und Berater in den speziellen Schutz- und Beratungseinrichtungen für die

Betroffenen Mädchen oder Jungen. Hier sind andere Hilfesysteme und eine klare

Rollenaufteilung gefordert.“ (Internet 12)

Beate Köhler, Opferschutzbeauftragte und Koordinatorin gegen häusliche Gewalt der

Polizei, stellt fest: „Eine Mentalitätsveränderung vollzieht sich nicht auf einmal- es ist

ein Prozess in mehreren Schritten.“ (Graue Literatur 3)

„Es gilt für die Mädchen und es gilt aber auch für die Eltern. Und Grenzen sind Werte.

Ich kann Werte Menschen nicht wegnehmen, aber ich kann mich auf universelle Werte,

auf Menschenrechte kann ich mich berufen.“ (HÖ) Es geht um die Achtung gegenüber

den Eltern. Eltern haben Angst. Diese Angst muss man ernst nehmen. Aber man muss

den Eltern auch klar machen, dass sie mit ihren Entscheidungen auch jemand

anderem, in diesem Fall ihrer Tochter etwas wegnehmen. (vgl. HÖ) Das heißt, man

muss die Werte der Eltern akzeptieren und aber auch die Menschenrechte müssen

akzeptiert werden.

Für Papatya liegen die Grenzen der Arbeit ganz klar darin, dass die Mädchen nicht

unverheiratet getrennt von der Familie leben oder einen Freund haben können (vgl.

Ter- Nedden, 2007, S

. 351). Dies verzeichnen auch andere Einrichtungen. Es gilt ja der Grundsatz, dass das

Mädchen entscheidet, was sie als Lösung für sich sieht. Wenn jedoch eine 14-Jährige

von der Schule abgehen möchte und einen von den Eltern abgelehnten Schwarm

heiraten will, endet die Toleranz des Teams. Dann wird versucht, ihr zu einer

„vernünftigeren“ Lösung zuzureden (Internet 14).

Für manche Organisationen wird der Zeitfaktor von Elternarbeit unterschätzt. Es ist

schade, wenn durch so etwas an seine Grenzen kommen würde, was aber in der

Praxis, denke ich, auch viel mit Engagement z.B. außerhalb der Arbeitszeiten

zusammenhängt (Vertrauen, Kontaktaufbau, Smalltalk, Akzeptanz) (vgl. Altan; Foitzik;

Goltz, 2009, S. 35).

Page 67: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Zusammenfassung

Wenn die Bedrohungssituation zu groß ist, ist dringend von einem Elterngespräch

abzuraten, zumindest vorerst. Eine gründliche Einschätzung der Gefährdungslage ist

extrem wichtig, sonst setzt man die Sicherheit der Klientin aufs Spiel.

3.7 Zusammenfassung

Mediation von Seiten einer Beratungsstelle sehe ich als problematisch, da ja Mediation

den Anspruch auf Allparteilichkeit hat und eine Beratungsstelle immer parteilich

handelt. Somit kommt es eben darauf an, von welcher Stelle man kommt bzw. wie man

den Vermittlungsversuch benennt.

Jugendämter werden von den Eltern häufig als die falschen Ansprechpartner gesehen,

weil sie das Bild vermitteln, Kinder aus den Familien zu nehmen, statt zu interagieren.

Das könnte auch ein Grund der Verhinderung der Gesprächsbereitschaft sein (vgl.

Internet 13).

Die familiäre Unterstützung wird bei manchen Studien bzw. Einrichtungen als erstes,

was man überhaupt benötigt, genannt. Diese Organisationen sind der Meinung, dass

es gar nicht ohne Vertrauensperson aus dem Umfeld funktioniert. Andere Institutionen

sehen es als zumindest als hilfreich an.

Dennoch sind Unterstützer außerhalb der Familie wie Sozialarbeiter sehr wichtig, da oft

in der Familie eine Vertrauensperson fehlt, die Frage ist aber inwieweit sie selbst das

Gespräch führen können. Simone Eggler von TERRE DES FEMMES Schweiz,

Koordinatorin der regionalen Pilotprojekte gegen Zwangsheiraten: „Wichtig ist es,

genau zu klären, wer vermitteln kann. Diese Aufgabe können nicht die

Sozialarbeitenden selber übernehmen. Wichtig ist aber: Vermittlung ist eine

Möglichkeit, die zum Erfolg führen kann. Es gibt jedoch leider auch Fälle, wo das nicht

möglich ist und ein kurz- bis längerfristiger Schutz für die Betroffenen nötig ist.

Eine Vermittlung ist dann eventuell zu einem späteren Zeitpunkt oder in besonders

schwierigen Fällen gar nie möglich.“ (Internet 5)

Eine erfolgreiche Intervention mittels Elterngespräch dauert lange. Man muss die

Versprechungen von Seiten der Eltern unbedingt überprüfen. Man braucht auf jeden

Fall einen Schutzplan für den Kontakt (vgl. Graue Literatur 11).

Voraussetzung ist, dass das Mädchen Kontakt aufnehmen möchte und nicht weil wir

denken, dass sie dies nun tun sollte.

Page 68: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Wie geht es weiter mit Aynur?

Wie geht es weiter mit Aynur?

„Am Anfang ihres Aufenthaltes in der Zuflucht verweigert Aynur jeglichen Kontakt zur

Familie. Dann hält sie es nicht mehr aus, sie ruft zuhause an. Ihre kleine Schwester ist

am Telefon und fragt sie, wo sie sei und wann sie zurückkomme. Aynur muss weinen,

als sie die Stimme ihrer Schwester hört. Dann kommt ihre Mutter ans Telefon. Sie

beschimpft ihre Tochter zuerst und schreit sie an. Dann beginnt sie zu weinen, sie sagt,

sie habe, seit Aynur weg ist, nicht mehr geschlafen und gegessen. Ihr Herz schmerze

und sie sei ganz krank. Aynur gerät unter massiven emotionalen Druck und legt

irgendwann weinend den Telefonhörer auf. In den Gesprächen der betroffenen

Mädchen mit ihren Familien (-mitgliedern) kommt es immer wieder zu Versprechungen

von Seiten der Familie, dass sich mit einer Rückkehr die Situation zum Positiven

ändern wird. Diesen Beteuerungen wird gerne geglaubt, und viele Mädchen kehren zu

ihrer Familie zurück. Ob eine Familiensituation sich verbessert oder gar verschlimmert,

ist jedoch nicht voraussehbar. Oft kommt es bei einer Kontaktaufnahme auch zu

massivem psychischem Druck, um eine junge Frau zur Rückkehr zu bewegen. Aynur

begegnet ihren Eltern nach drei Wochen in der Zuflucht im Jugendamt. Die

Mitarbeiterin dort hat von Aynur und den Mitarbeiterinnen der Zuflucht im Gespräch

erfahren, dass das Mädchen geschlagen und beschimpft wurde und verheiratet werden

solle. In ihrem Gespräch mit den Eltern sieht sie deren Hilflosigkeit, als diese sich

beklagen, dass Aynur sich nicht an Regeln ihrer Kultur halte, keine gute Schülerin sei

und immer wieder lüge und frech zu ihren Brüdern und den Eltern sei. Sie beteuern,

dass sie Aynur niemals gegen ihren Willen verheiraten würden, dass es in ihrer

Tradition aber üblich sei, sich um die Versorgung der Tochter zu kümmern. Außerdem

könne Aynur jederzeit „Nein“ zur Ehe sagen, wenn ihr der Mann nicht gefalle. Zu den

Schlägen und Beschimpfungen äußern sie sich kaum, sie geben zu, dies sei hin und

wieder vorgekommen, aber Aynur müsse auch gehorchen. Im gemeinsamen Gespräch

zwischen Aynur, ihren Eltern, der Mitarbeiterin des Jugendamtes und der Zuflucht zeigt

sich, dass die Eltern ihrer Tochter massive Vorwürfe für ihr Verhalten machen; sie fallen

während des Gespräches immer wieder in ihre Muttersprache und reden auf Aynur ein.

Ihre Mutter versucht sie zu umarmen, weint und zieht sie am Arm zu sich, die kleine

Schwester setzt sich bei Aynur auf den Schoß und fragt sie, ob sie wieder mit nach

hause komme. In dem Gespräch, das die Mitarbeiterin des Jugendamtes zum Teil sehr

stark strukturieren muss, wird deutlich, dass es massive positive und auch negative

Emotionen zwischen den Familienmitgliedern gibt.

Page 69: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Wie geht es weiter mit Aynur?Einerseits zeigen die Eltern schnell Bereitschaft, Aynur nicht gegen ihren Willen zu

verheiraten, fordern sie aber gleichzeitig mit Druck auf, sofort mit nach Hause zu

kommen, sonst sei sie nicht mehr ihre Tochter. Ihre große Sorge ist auch der

Gesichtsverlust der Familie, wenn Aynur nicht schnell zurückkehrt. Aynur hält dem

Druck kaum noch stand und verlässt das Gespräch. Sie weiß nicht, ob sie den

Versprechungen der Eltern glauben soll. Einerseits hat sie nie erlebt, dass ihre Mutter

weint, andererseits hat diese die vielen Schläge nicht zugegeben. Aynur nimmt Kontakt

auf zu ihrer Tante in Deutschland, der Schwester ihres Vaters. Dort erfährt sie, dass

alle Geschwister ihres Vaters diskutieren, was der richtige Umgang mit Aynur ist. Zwei

ihrer Onkel sind der Meinung, sie solle sofort in ihr Herkunftsland gebracht werden.

Ihre Tante bietet an, zu ihr zu kommen und bei ihr zu leben, allerdings wirbt sie im

Telefonat mit Aynur auch um ihr Verständnis für deren Eltern. Aynur weiß nicht, ob sie

ihr vertrauen soll und überlegt, ob sie in einer Wohngruppe leben möchte, auch wenn

sie sich kaum vorstellen kann, gar keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie zu haben.

Aynur versteht in den folgenden Gesprächen mit den Pädagoginnen, dass ihre Chance

irgendwann die Anerkennung ihrer Familie zu erfahren, darin besteht, ein erfolgreiches

und selbständiges Leben außerhalb der Familie aufzubauen und dann vielleicht mit der

Zeit wieder langsam einen Kontakt zur Familie herzustellen. Sie weiß, dass dies viel

schwieriger wird als zu ihrer Tante zu ziehen und damit in der Familie zu verbleiben.

Aynur versucht herauszufinden, was für sie richtig ist. Sie spürt einen großen Druck, ihr

Leben allein meistern zu müssen, und fühlt sich sehr einsam. Allerdings findet sie die

Vorstellung eines eigenständigen Lebens auch aufregend. Ob sie es sich wohl

zutrauen kann? Die Wiederaufnahme von Kontakten zur Familie hängt maßgeblich

vom (beruflichen) Erfolg und sozialen Status der jungen Frau ab. Diese beiden Aspekte

allein schon gilt es bei der Planung weiterer Hilfen für Migrantinnen zu berücksichtigen

und in der Krisenbewältigung und weiteren Lebensplanung zu thematisieren.“ (Graue

Literatur 10)

Im Anbetracht der im vorhergehenden Kapitel beschriebenen Elternarbeit, dürfte man

nun das ein oder andere kritisch betrachten können. Aynurs Fall betont noch einmal die

Schwierigkeiten, die einem in der Arbeit begegnen könnten und dass Elternarbeit nicht

einfach, sondern eine Herausforderung ist.

Page 70: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Resümee

4 Resümee

In meinen Untersuchungen konnten meine Fragen beantwortet werden. Fest steht,

dass Elternarbeit im Rahmen der Zwangsverheiratungsintervention nach Meinung der

Fachleute erfolgreich sein und Mädchen vor einer zwanghaften Verheiratung schützen

kann. Ich habe festgestellt, dass es sehr darauf ankommt, von welcher Arbeitsstelle

man als Professioneller kommt. Davon leitet sich dann nämlich ab, 1. in welchem

Rahmen man schon Zugang zu den Eltern hat, 2. welchen gesetzlichen Auftrag man

hat und damit verbunden auch Handlungsmöglichkeiten und 3. wie einen die Eltern

wahrnehmen. Des Weiteren ist so auch die Art und Weise vorbestimmt, wie man mit

den Eltern reden kann, ob eher fordernd oder vorsichtig. Außerdem unterscheidet sich

die Elternarbeit in vielerlei Hinsicht. Ist sie im Mädchentreff eher präventiv, in der

Beratungsstelle in der Intervention und im Wohnprojekt nachsorgend.

Meine Vermutung, dass die Kenntnis der Familienstrukturen von Bedeutung sein

könnte, hat sich bestätigt, da manche Einrichtungen sogar auch Kulturmittlerinnen oder

- mittler favorisieren. Fraglich ist, in wieweit parteiliche Sozialarbeiterinnen und

Sozialarbeiter aktiv werden können oder ob es dafür spezielle Vermittlerinnen und

Vermittler geben sollte, sodass auch jemand auf Seiten der Eltern unterstützend da ist.

Klar ist aber, dass Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter durch ihre Arbeit an den

unterschiedlichsten Stellen, wie Jugendamt, Beratungsstellen, offene Kinder- und

Jugendarbeit, Stadtteilarbeit, Schulsozialarbeit usw. sehr verbreitet sind und sich

deswegen mit dem Thema auseinandersetzen sollten. Denn sie können

flächendeckend potentiell Bedrohte unterstützen, was spezielle Vermittlerinnen und

Vermittler nicht könnten.

Zu den realistischen Lösungen für die Betroffenen gehören, nach meiner jetzigen

Erkenntnis, 1. in der Familie zu bleiben. Die Eltern sehen von einer Heirat ab und

unterstützen ihre Tochter bei Schule und Ausbildung. Es fand eine Einsicht statt, dass

dies eine geeignetere Lösung ist. Fraglich bei dieser Konstellation, ob es bei diesem

Hinausschieben der Heirat nicht später wieder zu einem Konflikt kommt bzw. die

Gewaltsituation in der Familie sich dennoch nicht verändert. Die 2. Lösung ist bei

Verwandten unter kommen, die die Meinung des Mädchens teilen und sie ungestört für

die Schule etc. lernen lassen, ohne sie mit einer Verheiratung zu bedrängen. Die 3.

Möglichkeit wäre die Flucht mit dem Partner und eine schnelle Liebesheirat mit diesem.

Dann müssten sich die Eltern damit arrangieren und würden sich daran gewöhnen und

ihn evtl. später akzeptieren. Die 4. Möglichkeit ist die Flucht allein in eine

Wohneinrichtung. Dort müsste das Mädchen allerdings erst einmal anonym leben.

Nach einiger Zeit kann ein Elternkontakt stattfinden, je nach Gefährdungssituation.

Page 71: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Resümee

Nach mehreren Jahren könnte wieder Kontakt zur Familie bestehen. Wenn das

Mädchen minderjährig ist, braucht es jedoch die Zustimmung der Eltern, um in eine

Wohneinrichtung zu gehen. Wenn diese die ihr verweigern, entscheidet das

Familiengericht (vgl. Graue Literatur 5). Andere, vielleicht am Anfang erwartete

Lösungen, wie allein wohnen oder öffentlich einen Freund haben, sind nicht erreichbar.

Eine wichtige Erkenntnis ist, dass sich kein Wertewandel vollzieht. Man kann nicht

davon ausgehen, dass die Eltern alle ihre Vorstellungen verwerfen, nur weil eine

Sozialarbeiterin das sagt. Das ist utopisch. Man muss seine Erwartungen hinunter

schrauben. Dennoch muss man an den Kompromiss glauben und den auch

willensstark durchsetzen.

Ganz wichtig ist, dass die Gefahr nicht zu groß ist, es einen Schutzplan zum

Gesprächstermin gibt und dass das Mädchen sich selbst den Kontakt wünscht.

Page 72: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Literaturverzeichnis

Literaturverzeichnis

Bücher/ Zeitschriften

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Bielefeldt, Heiner; Follmar- Otto, Petra, 2007: Zwangsverheiratung- ein Menschenrechtsthema in der innerpolitischen Kontroverse, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.), 2007: Zwangsverheiratung in Deutschland, Baden-Baden (Nomos-Verlag), S. 13- 25.

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Rössl, Ines, 2010: Zwangsverheiratungssituationen als Anknüpfungspunkt von institutionellem Handeln, in: Strasser, Sabine; Holzleithner, Elisabeth (Hg.), 2010: Multikulturalismus queer gelesen. Zwangsheirat und gleichgeschlechtliche Ehe in pluralen Gesellschaften, Frankfurt am Main (Campus Verlag), S. 165-181.

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7 Alimardani, Farhnaz und Özer, Mehriban, Wildwasser e.V. Mädchennotdienst, Berlin, 2006: Elternarbeit in Familien mit Migrationshintergrund im Rahmen der mädchenspezifischen Intervention, http://www.gesundheitberlin.de/index.php4? request=search&topic=2090&type=infotext , [03.03.2011].

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11 Kirchliche Arbeitsstelle für Männerseelsorge und Männerarbeitin den deutschen Diözesen e.V., Fulda, 2009: Fachtag Was macht Migration mit Männlichkeit? Neue Blicke und Chancen in der Arbeit mit Migranten am Donnerstag, 18. September 2008 in Frankfurt/Main, Haus am Dom, http://www.kath-maennerarbeit.de/fileadmin/user_upload/Downloadzeug/ Fachtag_Migration_Doku1.pdf, [11.05.2011].

12 Leiterin des Referates Opferschutz in der Leitstelle Integration und Zivil-gesellschaft der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg, 2009: Empfehlungen aus dem Hamburger EU-Projekt „Aktiv gegen Zwangsheirat“ – Handlungsansätze für Hamburg. Dokumentation der Fachveranstaltung „Aktiv gegen Zwangsheirat“ am 28.09.2009 in Hamburg, http://www.hamburg.de/contentblob/1469050/data/dokumentation-de.pdf, [11.05.2011].

13 Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz (BSG), Leitstelle Integration und Zivilgesellschaft, Referat Opferschutz, Hamburg, 2010: Podiumsdiskussion Handlungsansätze für eine gute Zusammenarbeit mit den Communities und Migrantenorganisationen – wo stehen wir, was brauchen wir und wo gehen wir hin?,http://www.hamburg.de/contentblob/2482774/data/fachveranstaltung-zwangsheirat-doku.pdf, [11.05.2011].

14 Bayam-Tekeli; Birim; Ter- Nedden, Corinna: Interkulturelle Mädchenarbeit/ Gleiches und Verschiedenes in der Krise. PAPATYA Kriseneinrichtung für Mädchen aus der Türkei, http://www.papatya.org/pdfs/Gleiches-und-Verschiedenes.pdf, [11.05.2011].

15 MA 57 – Frauenförderung und Koordinierung von Frauenangelegenheiten, Wien, 2007: ZWANGSVERHEIRATUNG und ARRANGIERTE EHEN in Österreich mit besonderer Berücksichtigung Wiens, http://www.wien.gv.at/menschen/frauen/pdf/zwangsheirat2007.pdf , [11.05.2011].

16 Frauenabteilung der Stadt Wien, 2008: Konferenz in Wien im Rahmen des EU-Projektes "Aktiv gegen Zwangsheirat": Vorstellung der unterschiedlichen Maßnahmen der Stadt Wien gegen Zwangsheirat, http://www.hamburg.de/contentblob/1469050/data/dokumentation-de.pdf, [11.05.2011].

17 BGSS WORKSHOP DOCUMENTATION, 2010: Gewalt gegen Migrantinnen und deren Instrumentalisierung am Beispiel des Umgangs mit dem Thema „Zwangsverheiratung“, www.bgss.hu-berlin.de/bgssonlinepublications/Workshop%20Docu/ workshoppaper.../Nivedita_Prasad_2010_DE, [11.05.2011].

18 Kompetenzzentrum geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe LSA e.V., 2009: Zwangsverheiratung minderjähriger Mädchen. Emfehlungen zur Inobhutnahme,http://www.geschlechtergerechtejugendhilfe.de/downloads/Inhalt_Zwangsheirat.pdf, [11.05.2011].

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Literaturverzeichnis19 Daphne 2000 - Europäisches Netzwerk zum Schutz von

Mädchen und jungen Frauen aus dem muslimischen Kulturkreis vor familiärer Gewalt, Berlin, 2000: PROJEKTVORSTELLUNG PAPATYASCHWIERIGE TAUFE UND TROTZDEM KEINE IDENTITÄTSKRISE, http://www.papatya.org/pdfs/Projektvorstellung-PAPATYA.pdf, [11.05.2011].

Graue Literatur

1 TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau: Wer entscheidet, wen du heiratest? (Postkarte), Kontakt über Postfach 2565, 72015 Tübingen, Tel.: 07071/7973-0, Mail: [email protected].

2 Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt – BIG (Hg.), 2007: Zwangsverheiratung. Informationen des Berliner Arbeitskreises gegen Zwangsverheiratung, Kontakt über die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirksamtes Friedrichhain- Kreuzberg Petra Koch-Knöbel, Tel.: 030902984111/-4109.

3 Bezirksamt Friedrichhain- Kreuzberg Abteilung Stadtentwicklung, Personal und Gleichstellung (Hg.), 2. Auflage, (2009/2010): Dokumentation der Fachtagung Zwangsverheiratung im Kontext einer multikulturellen Gesellschaft vom 24.11.2008, Kontakt über die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirksamtes Friedrichhain- Kreuzberg Petra Koch-Knöbel, Tel.: 030902984111/-4109.

4 Stuve, Olaf, 2006: Produktionsweisen des Anderen im Wettstreit von Männlichkeiten, in: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): Migration und Männlichkeiten. Dokumentation einer Fachtagung des Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse und der Heinrich-Böll-Stiftung am 9./10. Dezember 2005 in Berlin (Schriften zur Geschlechterdemokratie 14). Berlin. S. 7-16, Verfügbar unter: http://www.boell.de/alt/downloads/gd/GD-14.pdf.

5 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2. Auflage, Berlin, 2009: Zwangsverheiratung bekämpfen – Betroffene wirksam schützen. Eine Handreichung für die Kinder- und Jugendhilfe, Kontakt über Publikationsversand der Bundesregierung, Postfach 481009, 18132 Rostock, Tel.: 01805/ 778090, Fax: 01805/ 778094, Mail: [email protected], www.bmfsfj.de.

6 Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, Zittau, 2009: Zwangsheirat. Hintergründe, Praxiserfahrungen und sächsische Hilfsnetzwerke für Betroffene. Dokumentation zur Fachkonferenz vom 6. Mai 2009 in Dresden, Kontakt über KOBRAnet – Sächsische Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel Tel.: 03583/ 779677, [email protected].

7 Dr. Friedrich Leidinger, Landschaftsverband Rheinland: Migrationssensible Datenerhebung in den LVR- Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie, in: Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Berlin, 2010: Migrationssensible Datenerhebung für die Gesundheits- und Pflegeberichterstattung. Dokumentation. Fachkonferenz am 21. November 2008 in Berlin in Kooperation mit dem bundesweiten Arbeitskreis Migration und öffentliche Gesundheit, Kontakt über Dr. med Friedrich Leidinger, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Geriatrie, Tel.: 0221/8096602, [email protected], S. 65-75.

8 Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration,

Page 77: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

LiteraturverzeichnisBerlin, 2010: 8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Kontakt über: willy brandt straße 1 10557 berlin, fax: 030/18-400-1606, [email protected]

9 Stadt Zürich, Fachstelle für Gleichberechtigung, Zürich, 2010: Zwangsheirat in Zürich. Hintergründe, Beispiele, Folgerungen, Fachstelle für Gleichberechtigung der Stadt Zürich, Ausstellungsstraße 88, 8005 Zürich, Telefon 0444471777, [email protected].

10 Ministerium für Arbeit, Soziales,Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz, Mainz, 2010: MÄDCHEN IN KONFLIKTSITUATIONEN. Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund – ein interkultureller Ratgeber für Fachkräfte der sozialen Arbeit, Bauhofstaße 9, 55116 Mainz, Broschürenbestellung per Mail: [email protected])

11 Fanaj, Ylfete, 2009: Heirat unter Zwang? Beratung von potentiell Betroffenen einer Zwangsheirat, Bachelorarbeit der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, [email protected].

Interviews

G-T (Expertinnen- Gespräch mit Judith Gerling- Tamer, Dipl.- Pädagogin bei Elisi Evi e.V., Interkulturelle Beratungs- und Bildungsangebote für Mädchen und Frauen, Skalitzer Str. 50, 10997 Berlin (Kreuzberg), 23.02.2011).

GH (Expertinnen- Gespräch mit Gabriela Heinemann, Sozialpädagogin und Leiterin bei MaDonna Mädchenkult.Ur e.V., Mädchentreff, Falkstr. 26, 12053 Berlin (Neukölln), 24.02.2011).

HÖ (Expertinnen- Gespräch mit Halide Özdemir, Dipl.- Sozialarbeiterin (FH) und Interkulturelle Trainerin bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e.V., Beratungsstelle Yasemin für junge Migrantinnen und Anonyme Jugendhilfeeinrichtung ROSA für junge Migrantinnen, 11.03.2011).

AS (Expertinnen- Gespräch mit Anett Scheibe, Dipl.- Philosophin und Master of Social Management, Projektleiterin der Sächsischen Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel – KOBRAnet, Postfach 1406, 02754 Zittau, 17.02.2011)

HY (Expertinnen- Gespräch mit Hayriye Yerlikaya, Rechtsanwältin in Neuss, schreibt gerade an ihrer Doktorarbeit zum Thema Zwangsverheiratung, Mitglied im Bundesverband der Migrantinnen, Beteiligung am Forschungsprojekt „Konfliktregulierung in türkischstämmigen Familien – Konfliktlösungen bei kulturell bedingten Konflikten und Gewaltfällen“, 22.03.2011).

LH (Expertinnen- Gespräch mit Lysann Häußler, Dipl.- Pädagogin, Feministische Sozialtherapeutin, Fachberaterin für Psychotrauma, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Kommunikationstrainerin, Beratungsstelle TERRE DES FEMMES in Tübingen, 10.03.2011).

Page 78: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Strobl, Rainer; Lobermaier, Olaf, 2007: Zwangsverheiratung: Risikofaktoren und Ansatzpunkte zur Intervention, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.), 2007: Zwangsverheiratung in Deutschland, Baden-Baden (Nomos- Verlag), S. 27- 86.

2 Hamburger Abendblatt, 2009: Migranten in Deutschland, http://www.abendblatt.de/multimedia/archive/00540/migration2_HA_Polit_540166b.jpg, [19.03.2011].

3 8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland: Familienstand der Bevölkerung über 16 Jahre nach Migrationshintergrund im Jahr 2008)

4 Strobl, Rainer; Lobermaier, Olaf, 2007: Zwangsverheiratung: Risikofaktoren und Ansatzpunkte zur Intervention, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.), 2007: Zwangsverheiratung in Deutschland, Baden-Baden (Nomos- Verlag), S. 27- 86.

5 Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2010: Interkulturelle Onlineberatung bei Zwangsverheiratung und familärer Gewalt (Evaluationsbericht),

http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Interkulturelle-Onlineberatung-Evaluation,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf, [11.05.2011].

6 Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2010: Interkulturelle Onlineberatung bei Zwangsverheiratung und familärer Gewalt (Evaluationsbericht),

http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Interkulturelle-Onlineberatung-Evaluation,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf, [11.05.2011].

7 Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg, Herausgeberin: Johann Daniel Lawaetz-Stiftung, 2006: Ergebnisse einer Befragung zu dem Thema Zwangsheirat in Hamburg, http://www.ehrverbrechen.de/1/images/downloads/bund-laender/Bericht-ZH-Hamburg.pdf, [11.05.2011].

Page 79: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Danksagung

Danksagung

Ich danke meinen Interviewpartnerinnen für die Bereitschaft für die Gespräche, ihre

Zeit, die interessanten Informationen aus der Praxis und mitgegebenen Materialien. Ich

danke Herrn Pütter für seine umfassende Betreuung, meinen Freundinnen und

Freunden für ihre offenen Ohren, ihr Verständnis und die Bereitstellung eines

Schlafplatzes während meiner Interviewphase und meiner Familie für ihre

Unterstützung.

Page 80: Elternarbeit in türkischen Migrantenfamilien im Interventionsprozess gegen Zwangsverheiratung

Ehrenwörtliche Versicherung

Ehrenwörtliche Versicherung

Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und ohne

Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Alle Stellen, die

wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten und nicht veröffentlichten Schriften

entnommen wurden, sind als solche einzeln an den entsprechenden Stellen innerhalb

der Arbeit gekennzeichnet. Es wurden keine anderen als die von mir angegebenen

Quellen und Hilfsmittel (inklusive elektronischer Medien und Online- Ressourcen)

benutzt.

Ich habe diese Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form oder auszugsweise im Rahmen

einer anderen Prüfung keiner anderen Prüfungsbehörde oder Person im Rahmen einer

Prüfung vorgelegt. Auch ist die Arbeit nicht veröffentlicht.

Ich bin mir bewusst, dass eine unwahre Erklärung rechtliche Folgen haben wird.