ibid altbau ag Zürcherstrasse 41 Gebäude 1002 CH-8400 Winterthur tel 052 213 35 71 fax 052 213 35 27 www.ibid.ch [email protected]Plausibilitäts-Gutachten Einschätzung der bau- und kunsthistorischen Be- deutung des Alten Rathauses und des Stadtthea- ters in Bielefeld Bautypus Rathaus und Stadttheater Bauherrschaft Stadt Bielefeld Architekten Ernst Ritscher, Stadtbaurat Max Fritsche, Architekt, Stadtbauamt Bielefeld Bernhard Sehring, Architekt Erstellungszeit Ende 1901 bis Ende August 1904 Bearbeitet von Heinz Pantli Winterthur, 27. April 2012
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Einschätzung der bau- und kunsthistorischen Be- … · Handbuch der Symbolik der Freimaurerei von Josef Schauberg, Jurist und Mitglied der Loge Modestia cum libertate in Zürich,
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2. PLAUSIBILITÄT DER ARBEITEN VON HARTMUT MEICHSNER .............................................. 6 Das Alte Rathaus am Neumarkt in Literatur und Presse .............................................................. 6 Baugeschichte................................................................................................................................... 7 Architektonischer Typus und Stil.................................................................................................. 10 Symbolik .......................................................................................................................................... 11 Urheber............................................................................................................................................. 14 Plausibilität der Arbeiten von Hartmut Meichsner....................................................................... 15
3. SCHLÜSSE UND DENKMALPFLEGERISCHE EMPFEHLUNGEN........................................... 17 Schlüsse und Würdigung............................................................................................................... 17 Denkmalpflegerische Empfehlungen............................................................................................ 17
Mit Datum vom 15. September 2010 erfolgte die Anfrage, ob das Institut sich in der Lage sähe, eine Bewertung des Bielefelder „Alten Rathauses“ von 1904 unter denkmalpflegeri-schen Gesichtspunkten vornehmen zu können. Im März 2011 erteilte die Betriebsleitung des Immobilienbetriebs (ISB) der Stadt Bielefeld, vertreten durch die Herren Wolfgang Goldbeck und Carsten Boberg, in Abstimmung mit dem Beigeordneten und ersten Betriebsleiter, Herrn Gregor Moss, der ibid altbau ag Winterthur / CH den Auftrag zu einer Plausibilitätsprüfung zur Einschätzung des bau- und kunsthistorischen Wertes des Alten Rathauses unter Berück-sichtigung des Stadttheaters als Ensemble.
Auftragsgegenstand
Am 27. April 2011 fand in Bielefeld ein Vorgespräch mit dem Technischen Betriebsleiter des ISB, Herrn Carsten Boberg, dem Abteilungsleiter der Abteilung Planen, Bauen, Erhalten, Herrn Frank Otterbach, und dem Geschäftsleiter der ibid altbau ag Winterthur / CH statt, in dem der Auftragsgegenstand und -umfang vereinbart wurde. Angesichts der beschränkten Mittel wurde ein Umfang von vier bis fünf Seiten festgelegt.
An der Inaugenscheinnahme des Bauensembles am 27. und 28. April nahmen in wechseln-der Besetzung außer den Herren Boberg und Otterbach auch der Vorsitzende des Be-triebsausschusses des ISB, Herr Hartmut Meichsner, teil.
Auftragsgrundlagen
Mit der Anfrage vom 15. September 2010 wurde ein von Herrn Meichsner verfasstes Manu-skriptfragment, Stand August 2010, und der Nachdruck der Festschrift zur Rathauseinwei-hung von 1904 übersandt.
Über diese Grundlagen hinaus wurden vom Auftragnehmer umfangreiche Archivnach-forschungen zur Rathausgeschichte angeregt, die von Herrn Meichsner mit Unterstützung des Leiters des Bielefelder Stadtarchivs, Herrn Dr. Rath, durchgeführt wurden. Ohne die er-gänzende Zuarbeit der beiden Herren, die an dieser Stelle verdankt wird, wäre eine umfas-sende Beurteilung der Arbeiten Herrn Meichsners und des von ihm im Literaturnachweis aufgeführten Schrifttums zum Alten Rathaus kaum möglich gewesen.
Verteilt auf mehrere Sendungen trafen Fotografien ein und Kopien von Archivalien sowie der nicht greifbaren Literatur. Der Eingang der letzten Sendung erfolgte am 29. September 2011. Des Weiteren fügte Herr Meichsner eine Kurzübersicht und die inzwischen erfolgten Fort-schreibungen des Manuskriptfragments bei.
Auf Seiten des Auftragnehmers stand eine umfangreiche, private Bibliothek zur Verfügung, die auch einen Teil der von Herrn Meichsner benutzten Literatur enthält. Darüber hinaus wurden die Bestände der Bibliothek des Freimaurers Oskar R. Schlag in Zürich konsultiert.1
Abgrenzung
Das Gutachten stellt keine Neubearbeitung des von Herrn Meichsner vorgelegten Materials zu den Symbolen und Bildprogrammen des Rathauses dar. Es äussert sich ausschliesslich zur Verlässlichkeit der Aussagen in seinem Manuskriptfragment. Die Verlässlichkeitsprüfung erforderte allerdings umfangreiche Recherchearbeiten in den Quellen zur Baugeschichte des Rathauses und zur Geschichte der preußischen Freimaurerei. Die Ergebnisse sind im An-hang dargestellt. Besonderes Augenmerk wurde auf die Prüfung der Schlüsse zur Urheber-schaft der Bildprogramme gelegt.
Der Umfang der Symbole am Rathaus (mehr als 900 bis dato bekannte Symboldarstellun-gen) und die sich zum Teil überlagernden Bildprogramme lassen nur eine summarische Be-urteilung zu. Für eine eingehendere bzw. abschliessende Betrachtung der Symbole und der Bildprogramme bleibt deshalb noch viel Forschungsarbeit zu leisten. In diesem Sinn kann die hier vorliegende Arbeit nur die belegbare Richtung weisen. Es bedarf der systematischen Beschreibung der Fassaden und des Inneren, der eingehenden Auseinandersetzung mit Vorlagen und Stil sowie weiterer, umfangreicher Quellenforschung in den Archiven. Zu die-sen gehören , neben dem Stadtarchiv Bielefeld, in erster Linie das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem (die Nutzung ist an eine schriftliche Genehmigung der jeweils zuständigen Loge oder der zuständigen Groβloge gebunden), das Archiv der Groβen National-Mutterloge zu den Drei Weltkugeln in Berlin-Charlottenburg und die Prä-senzbibliothek mit Ritual- und Instruktionsbüchern (Bibliothek) des deutschen Freimaurermu-seums in Bayreuth (Rituale und Instruktionen des I., II. und III. Grades, Ritual und Instruktion des Schottengrades, Rituale und Instruktionen des Inneren Orient, Erkenntnisstufen V, VI und VII der 3 WK des 19. Jahrhunderts bis 1935, sowie mehr als 20'000 Mitgliederlisten. Letztere sind leider nicht über eine Datenbank erschlossen, was Nachforschungen sehr zeit-aufwändig macht.).
1 Zentralbibliothek Zürich. Spezialbestände. Bibliothek Oskar R. Schlag. Der Bestand gelangte durch Schenkung
an die Zentralbibliothek. Die 26'000 Bände umfassende Bibliothek ist im ehemaligen Wohnhaus des Dona-tors eingerichtet. Oskar R. Schlag hat seit den 1930er Jahren bis zu seinem Tod 1990 Bücher und Dokumen-te aller geheimwissenschaftlichen Disziplinen zusammengetragen und so im Laufe der Zeit eine der bedeu-tendsten Bibliotheken auf dem Gebiet der Esoterik eingerichtet. Das Haus ist nach Bedarf für interessierte Forscher jeweils am Mittwochnachmittag geöffnet.
de Darstellung, und es erstaunt, dass ebenso wenig die bauliche Einheit von Rathaus und
Stadttheater in der Literatur je aufgegriffen wurde. Bis dato blieb offensichtlich verkannt, dass
eine Betrachtung des von Architekturkritikern gelobten Stadttheaters nicht ohne das Rathaus
erfolgen kann und umgekehrt.
Baugeschichte
Vorbemerkung
Die Verwaltungsberichte der Stadt Bielefeld8, die Westermann-Sammlung9, die Festschrift
zur Rathauseinweihung und die Plansammlung des Immobilienservicebetriebs Bielefeld er-
wiesen sich bei der Konsultation für dieses Gutachten als sprudelnde, bisher kaum genutzte
Quellen zur Baugeschichte von Rathaus und Stadttheater. Ausgewertet wurde weitgehend
das Material für den Zeitraum zwischen Ende 1900 und Ende 1904, das die Baugeschichte
des Alten Rathauses von den ersten Studien bis zur Einweihung am 12. Oktober 1904 zu
rekonstruieren erlaubt. Die Quellen zu den nachträglichen baulichen Veränderungen an den
beiden Häusern wurden, da den Auftrag sprengend, nicht studiert, ebenso wenig die zur
Vorgeschichte des Rathausbaus ab Mitte der 1880er Jahre. Für das vertiefte Verständnis
des Rathausbaus am Neumarkt und dessen Veränderungen in der Zwischen- und Nach-
kriegszeit wäre dies aber wesentlich, ebenso das Quellenstudium zum Bau der Neuen Syn-
agoge und des Stadttheaters.
Vorgeschichte
Spätestens 1885 lässt sich der Wunsch nach einem Stadttheater in Bielefeld eindeutig fas-
sen. Das Interesse wird durch eine Geldsammlung unterstrichen, welche bis 1887 20'160
Mark erbringt.
Der Freimaurer und Ratsherr Droop10 stellt im September 1896 Antrag auf die Verlegung des
Krankenhauses am Neumarkt, am Ort des heutigen Alten Rathauses. Nach seiner Vorstel-
lung soll das Grundstück für ein künftiges Rathaus reserviert werden. Dem Antrag wird ent-
sprochen und so kann der Spitalneubau an der Oelmühlenstraße bereits am 19. November
1899 bezogen werden. Die Erwägung eines Rathausneubaus an Stelle des Historischen
Rathauses am Alten Markt, gemäss einem spätestens am 17. April 1899 mit einen Nachbarn
ausgefertigten Vertrag, muss vor der obigen Faktenlage wohl mehr als politische „Verschlei-
erung“ denn als ernsthafte Absicht interpretiert werden. Im gleichen Jahr bringt das Magist-
8 Stadtarchiv Bielefeld. 9 Stadtarchiv Bielefeld. Westermann-Sammlung. Sammlung von Zeitungsberichten. 10 Nölle, E.; Geschichte der Loge Armin zur deutschen Treue, Bielefeld 1932, S.98 und 100. Droop ist führendes
Mitglied der Bielefelder Loge Armin zur deutschen Treue und als solches vor 1904 Mitglied des Beam-tenkollegiums als 1. zugeordneter Meister der Loge. Um 1900 bekleidet er das Amt des Redners.
54 Hammerschlägen, welche die Quersumme Neun bilden, ist ebenso wenig als Zufall zu
bewerten, besitzen diese Zahlen im System der 3 WK doch eine große Bedeutung.
Architektonischer Typus und Stil
Das Bielefelder Rathaus entspricht dem malerischen, asymmetrischen Typus des kaiserzeit-
lichen Rathauses, die bei kleinstädtischen Rathäusern seit 1862 auftritt bei gröβeren Rat-
hausbauen erstmals im Wettbewerb und 1891 in der Ausführung des Rathauses Gelsenkir-
chen fassbar ist und rasch zur Schablone wird. Die Besonderheit der Bielefelder Lösung
zeigt sich in der neuen städtebaulichen Schwerpunktbildung mit der Gruppierung von Rat-
haus und anderen öffentlichen Gebäuden und kulturellen Einrichtungen. Aus diesem Blick-
winkel besitzt die Baugruppe am Neumarkt einen besonderer Status bei der Entwicklung des
Rathausbaus, denn hier erfolgte erstmals die Verbindung von Theater mit Rathaus, was
1902 in Kiel und 1905 in Bückeburg aufgenommen wurde.14
Die Zuordnung des am Rathaus angewandten Neorenaissancestils zur Weserrenaissance
durch Rosa Schumacher ist kaum haltbar, wenn auch Zierelemente wie der Kerbschnitt-Bos-
senstein im Wesergebiet zu groβer Verbreitung gelangten.15 Heute wird im Kreis von ausge-
wiesenen Fachleuten kaum mehr von der Weserrenaissance als eigenständige Kunst-
entwicklung gesprochen.
Das Rathaus wird in seiner Gesamtheit von der Rezeption archaischer, romanischer16, goti-
scher, renaissancezeitlicher und frühbarocker Stilelemente geprägt während das Stadt-
theater nebst Barock und strengem deutschem Jugendstil an der Vorhalle mittelalterliche
Architektur mit orientalischen / islamischen Zitaten am Bühnenhaus aufweist. Die gesamte
Bautengruppe vereinigt somit sämtliche Architekturstile vom Mittelalter bis in die bauzeitliche
Gegenwart. Alle Stilelemente, ausser jene des Jugendstils, werden von den Erbauern direkt
oder indirekt zwischen 1902 und 1904 benannt.
Die mit der chronologischen Stilabfolge bewusst erreichte Darstellung eines scheinbar seit
archaischer Zeit bis in die Gegenwart kontinuierlichen Baufortschritts, schliesst die stilisti-
sche Zuordnung des Gebäudes zum Eklektizismus aus, bei dem verschiedene Kunststile
kombiniert werden, um ein neues Ganzes zu bilden.
14 Paul, Jürgen; Das „Neue Rathaus“ – eine Bauaufgabe des 19. Jahrhunderts, in: Mai, Ekkehard, u.a. (Hrsg.);
Das Rathaus im Kaiserreich. Kunstpolitische Aspekte einer Bauaufgabe des 19. Jahrhunderts, Berlin 1982, S. 70f.
15 Grossmann, G. Ulrich; Renaissance entlang der Weser. Kunst und Kultur in Nordwestdeutschland zwischen Reformation und Dreiβigjährigem Krieg, Köln 1989.
16 Einfassung des Abgangs in den Ratskeller von der Hofseite.
Die hier erreichte Aussage von Baukontinuität durch Stilabfolgen lässt Parallelen zu Ander-
sons Chronik der Freimaurerei von 1723 ziehen.17 Das Gebäude wäre demnach eine Chro-
nik der Baukunst im Sinne der Freimaurerei. In einer solchen Deutung findet auch die „Büh-
nenburg“ des Stadttheaters ihren sinnfälligen Platz. Das Bühnenhaus im Stil einer mit-
telalterlichen, orientalischen Burganlage mit doppelter Umwallung und fünf Türmen lässt
sich mit der Herkunftstradition der freimaurerischen Hochgradsysteme des 18. Jahr-
hunderts vereinen.18 Diese sind eigentliche, spirituelle Ritterorden, welche ihre Wurzeln
im Orden der Tempelherren sahen, der am 13. Oktober 1307 zerschlagenen wurde.19
Das Bühnenhaus wäre demnach als Abbild einer Ordensburg im Heiligen Land zu ver-
stehen, und die Bautengruppe von Rathaus und Stadttheater als Fortentwicklung einer
Burganlage zum Schlossbau. Für diese These spricht auch das Datum der Einweihung
am 12. Oktober 1904.
Symbolik
Bei näherer Auseinandersetzung mit der Positionierung des Rathauses, dessen Fassaden-
sowie Innen- und Aussengestaltung wird deutlich, dass dem Bau eine komplexe Symbolik
innewohnt, und zwar in der Positionierung des Gesamtbaus und seiner Teile, in den Bild-
werken aus Stein und Holz sowie in den Zahlenwerten.
Die genaue Ausrichtung der Baugruppe am Neumarkt, exakt östlich der Nikolaikirche, mit
minimalster Abweichung zum geografischen Osten ist die erste Auffälligkeit. Die Verbindung
zwischen dem Kirchturm der Nikolaikirche und der Mittellängsachse des Rathausbinnenhofs
markiert die genaue geografische West-Ostlinie. Auf dieser Linie befindet sich auch der po-
lygonale Erker des ehemaligen Trauzimmers am Neumarkt. Ein vom Mittelpunkt dieses Er-
kers im Winkel von 45 Altgrad nach Nordosten gezogener Strahl weist genau auf die Kup-
pelspitze der Neuen Synagoge an der Turnerstraße, deren Planung ebenfalls 1901 mit ei-
nem eingeladenen Wettbewerb begann. Der Strahl geht durch die Nordostecke des Mass-
werkfensters im Haupttreppenhaus und durch die Mittelsäule des über Eck angeordneten
Erkers im zweiten Obergeschoss an der Victoriastraße. Diese Ausrichtungspräzision und der
Umstand, dass die gleichzeitig entworfene und in den Jahren 1904 bis 1905 ausgeführte
Synagoge exakt in die beschriebene, vom Rathaus ausgehende Nordostrichtung eingebun-
den wurde, ist kein Zufall. Bezogen auf das Nordatlantische Jahr markiert die Nordostecke
des Westabschnitts der Fassade an der Victoriastraße den Sonnenaufgangspunkt zur Mitt-
sommersonnwende. Dabei ist das Maβwerkfenster auf den Sonnenaufgangspunkt der Tag-
17 Lennhoff, Posner, Binder, 2000, Andersons Chronik der Freimaurerei, S. 35ff. 18 Lennhoff, Posner, Binder, 2000, Strikte Observanz, S. 812. 19 Demurger, Alain; Der letzte Templer. Deutsche Ausgabe, 2. Aufl. München 2005, S. 237f.
Die Suche nach der freimaurerischen Urheberschaft führt über die zugängliche Literatur zu
eindeutigen Ergebnissen. Als verborgene Urheberschaft kommen während der Planung und
Erstellung des Bielefelder Rathauskomplexes und des Stadttheaters nur die Groβe National-
Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“, ihre Johannisloge „Armin zur deutschen Treue“ und die
delegierte altschottischen Loge „Zur deutschen Treue in Ravensberg“, beide in Bielefeld, in
Frage. Die Symbolik weist jedoch über deren Lehrinhalte hinaus. Somit müssten auch der
innere Orient in Münster oder die Groβe National-Mutterloge in Berlin beteiligt gewesen sein.
Ohne Wissen und Zustimmung der Regierung in Berlin, das heisst des zuständigen Ministers
für Geistliche, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten des preuβischen Staats-
ministeriums, hätte das Bildprogramm wohl kaum zur Ausführung gelangen können.22 Auf-
schlussreich sind dazu die im Verwaltungsbericht von 1904 publizierten Worte von Regie-
rungspräsident Dr. Kruse zur Einweihung vom 12. Oktober 1904: „Meine Herren! Die Kgl.
Staatsregierung hat unmittelbar zu diesem Rathause weder die Anregung gegeben, noch hat
sie dabei der Stadt unmittelbar besondere Förderung zu Teil werden lassen können. Das
neue Rathaus ist das Werk einer opferwilligen Bürgerschaft,…“ Kruse brachte damit zum
Ausdruck, dass sich Berlin nicht veranlasst fühlte in den Rathausbau und dessen künstleri-
sche Ausstattung einzugreifen. Förderung bedeutet ja nicht nur materielle Mittel zuzuschies-
sen, sondern auch Mitsprache. Die Verleihung des Königlichen Kronenordens 4. Klasse an
Stadtbaurat Ernst Ritscher für dessen Verdienste um den Rathausbau bestätigt das Einver-
ständnis Berlins in eindrücklicher Weise.23 Der Oberbürgermeister äussert sich in der Fest-
schrift zur Rathauseinweihung kryptisch zum Rathaus: … wobei vielfach Anklänge an Bau-
formen aus der besten Zeit alter Bielefelder Kunsttätigkeit zu finden sind.“ Diese sind im Sinn
von rezipierten örtlichen Vorbildern nur schwer zu benennen,24 sind jedoch geistige Vorbilder
gemeint, kann der Spruch auf die alteingesessene Freimaurerei in Bielefeld anspielen.
Bedenkt man die Rahmenbedingungen der preuβischen Verwaltung und die oben genannten
Äuβerungen, ist es nicht vorstellbar, dass Oberbürgermeister Bunnemann und die Regierung
in Münster und Berlin nicht Bescheid wussten über das zur Ausführung gelangte Gesamt-
22 Weinstock, Carola; Das Aachener Rathaus, in: Mai, Ekkehard, u.a (Hrsg); Das Rathaus im Kaiserreich. Kunst-
politische Aspekte einer Bauaufgabe des 19. Jahrhunderts, Berlin 1982, S.498f. Die Zuständigkeit Berlins hat sich im Streit um das Bildprogramm des Aachener Rathauses ausgebildet. Die Regierungsvertreter in Aachen äusserten die Ansicht, „dass die Wahl des Schmuckes der Façade eines durch kunst- und histori-schen Werth ausgezeichneten Gebäudes etwas sehr wesentliches ist, indem nicht allein die Art des Schmuckes im allgemeinen, sondern auch die Auswahl im Einzelnen, der Statuen, der darzustellenden Per-sönlichkeiten das Bauwerk im Styl und in seiner geschichtlichen und Kunstbedeutung sogar gänzlich verun-stalten oder doch sehr beeinträchtigen kann.“
23 Stadtarchiv Bielefeld, Verw. Ber. 1904, S. 161. 24 Klarhorst, L.; Die absolute Baukunst, die Baugeschichte des Bielefelder Wohnhauses und Abstraktion seiner