EINLEITUNG 2. Einleitung 2.1 Bau und Systematik der Gattung Trichobilharzia 2.1.1 Zur Systematik der Gattung Trichobilharzia Die Familie der Schistosomatidae zählt zu den parasitischen Plathelminthes und ist der Klasse der Trematoda mit ihrer Unterklasse Digenea zugeordnet. Wie die Bezeichnung Di- genea bereits andeutet, ist ihr Lebenszyklus durch einen Generationswechsel mit zwei Ver- mehrungsphasen charakterisiert. Die Familie Schistosomatidae zeichnet sich dabei durch die für Plathelminthes ungewöhnliche Zweigeschlechtlichkeit mit einem z.T. ausgeprägtem Se- xualdimorphismus aus. Schistosomatidae sind Parasiten von Säugern (Schistosomatinae) und Vögeln (Bilharziellinae), wurden aber mit einer Art auch in dem Reptil Crocodylus johnstoni nachgewiesen, was eventuell das Einrichten einer weiteren Unterfamilie erfordert (PLATT et al., 1991, SNYDER et al., 2001). Zusammen mit der Familie Sanguinicolidae werden die Schistosomatidae zu den Schistosomatoidea zusammengefasst, deren Vertreter in den Blutgefäßen ihrer vertebraten Endwirte leben. Weitere Merkmale der Schistosomatoidea sind: der den Adulti wie den Cercarien fehlende Pharynx, 2 Paare Protonephridien bei den Miracidien, die Cercarien sind vom Typus der Furcocercarie, der Endwirt wird percutan befal- len und der Entwicklungszyklus ist auf zwei Wirte beschränkt. Die Gattung Trichobilharzia (Bilharziellinae) ist eine der artenreichsten Gattungen innerhalb der Schistosomatidae, obwohl die genaue Anzahl aufgrund der Existenz von Synonymen, unvollständigen Beschreibungen und fehlerhafter Bestimmung nicht exakt angegeben wer- den kann. BLAIR & ISLAM (1983) geben 40 Arten an, HORAK et al. (2003) führen 45 Arten auf. Wie ODENING (1996) zusammenfasst, ist ein Hauptgrund für die bei der Bestimmung auftre- tenden Unsicherheiten die unzureichende Beschreibung der für die Gattung namensgeben- den Art Trichobilharzia ocellata (s. Kap. 2.2.4). Als Ausweg aus dem Dilemma legt ODENING (1996) zwei Möglichkeiten nah. Entweder findet eine Einigung auf eine der genausten Be- schreibungen für T. ocellata (MCMULLEN & BEAVER, 1945, NEUHAUS, 1952, CHIKAMI, 1961) statt, oder man fasst T. ocellata als einen Artenkomplex auf, der nach und nach durch ge- nauere Beschreibung einzelner Arten reduziert wird. In der vorliegenden Arbeit soll dabei der zweiten Möglichkeit Rechnung getragen werden, da die Cercariendermatitis (s.u.) von (so- weit bekannt) allen Arten der Gattung Trichobilharzia hervorgerufen wird (HORAK et al., 2003) und da bisher keine Einigung auf eine der oben angeführten Artbeschreibungen erfolgt ist (s.auch Kap. 2.2.4). 4
22
Embed
Einleitung fileEINLEITUNG Um die Verwirrung bezüglich der Validität der Arten der Gattung Trichobilharzia abzubauen, empfehlen MÜLLER & KIMMIG (1994) und HORAK et al. …
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
EINLEITUNG
2. Einleitung 2.1 Bau und Systematik der Gattung Trichobilharzia 2.1.1 Zur Systematik der Gattung Trichobilharzia Die Familie der Schistosomatidae zählt zu den parasitischen Plathelminthes und ist der
Klasse der Trematoda mit ihrer Unterklasse Digenea zugeordnet. Wie die Bezeichnung Di-
genea bereits andeutet, ist ihr Lebenszyklus durch einen Generationswechsel mit zwei Ver-
mehrungsphasen charakterisiert. Die Familie Schistosomatidae zeichnet sich dabei durch die
für Plathelminthes ungewöhnliche Zweigeschlechtlichkeit mit einem z.T. ausgeprägtem Se-
xualdimorphismus aus. Schistosomatidae sind Parasiten von Säugern (Schistosomatinae)
und Vögeln (Bilharziellinae), wurden aber mit einer Art auch in dem Reptil Crocodylus
johnstoni nachgewiesen, was eventuell das Einrichten einer weiteren Unterfamilie erfordert
(PLATT et al., 1991, SNYDER et al., 2001). Zusammen mit der Familie Sanguinicolidae werden
die Schistosomatidae zu den Schistosomatoidea zusammengefasst, deren Vertreter in den
Blutgefäßen ihrer vertebraten Endwirte leben. Weitere Merkmale der Schistosomatoidea
sind: der den Adulti wie den Cercarien fehlende Pharynx, 2 Paare Protonephridien bei den
Miracidien, die Cercarien sind vom Typus der Furcocercarie, der Endwirt wird percutan befal-
len und der Entwicklungszyklus ist auf zwei Wirte beschränkt.
Die Gattung Trichobilharzia (Bilharziellinae) ist eine der artenreichsten Gattungen innerhalb
der Schistosomatidae, obwohl die genaue Anzahl aufgrund der Existenz von Synonymen,
unvollständigen Beschreibungen und fehlerhafter Bestimmung nicht exakt angegeben wer-
den kann. BLAIR & ISLAM (1983) geben 40 Arten an, HORAK et al. (2003) führen 45 Arten auf.
Wie ODENING (1996) zusammenfasst, ist ein Hauptgrund für die bei der Bestimmung auftre-
tenden Unsicherheiten die unzureichende Beschreibung der für die Gattung namensgeben-
den Art Trichobilharzia ocellata (s. Kap. 2.2.4). Als Ausweg aus dem Dilemma legt ODENING
(1996) zwei Möglichkeiten nah. Entweder findet eine Einigung auf eine der genausten Be-
schreibungen für T. ocellata (MCMULLEN & BEAVER, 1945, NEUHAUS, 1952, CHIKAMI, 1961)
statt, oder man fasst T. ocellata als einen Artenkomplex auf, der nach und nach durch ge-
nauere Beschreibung einzelner Arten reduziert wird. In der vorliegenden Arbeit soll dabei der
zweiten Möglichkeit Rechnung getragen werden, da die Cercariendermatitis (s.u.) von (so-
weit bekannt) allen Arten der Gattung Trichobilharzia hervorgerufen wird (HORAK et al., 2003)
und da bisher keine Einigung auf eine der oben angeführten Artbeschreibungen erfolgt ist
(s.auch Kap. 2.2.4).
4
EINLEITUNG
Um die Verwirrung bezüglich der Validität der Arten der Gattung Trichobilharzia abzubauen,
empfehlen MÜLLER & KIMMIG (1994) und HORAK et al. (2003) berechtigter Weise für die Zu-
kunft Charakterisierungen von Arten nur durch Kombination der Kenntnis des Lebenszyklus
inklusive aller Entwicklungsstadien, der Zwischen- und Endwirte sowie morphologischer Da-
ten zu treffen. HORAK et al. (2003) betonen, dabei zusätzlich Erkenntnisse cytogenetischer
und molekularbiologischer Untersuchungen einfließen zu lassen. In der Praxis ist die Umset-
zung dieser berechtigten Forderungen zurzeit nur schwer zu leisten, da insbesondere die
Aufklärung eines Lebenszyklus mit allen Entwicklungsstadien und Wirten aufgrund der Kom-
plexität digeneischer Lebenszyklen und einer ausgeprägten Wirtsspezifität häufig nur schwer
durchzuführen sein wird. Auch der Einbezug cytogenetischer und molekularbiologischer Er-
kenntnisse stellt sich problematisch dar, da bis jetzt nur für wenige Digenea entsprechende
Erkenntnisse und/oder Verfahren existieren.
2.1.2 Bau und Bestimmungsmerkmale der Gattung Trichobilharzia Nachfolgend wird auf den Bau und die Merkmale der zu Artbestimmung wichtigen Adultsta-
dien und der Cercarie eingegangen. Auf eine entsprechende Darstellung der Eier, Miracidien
und Sporocysten wird verzichtet, da sie für die Differenzierung der Arten von geringerer Be-
deutung sind. Für eine Beschreibung dieser Stadien sei auf HORAK et al. (2003) verwiesen.
a) Adulti Die Beschreibung der Gattung erfolgt nach FARLEY (1971), BLAIR & ISLAM (1983) und KHALIL
(2002). Alle Adulti der Gattung Trichobilharzia parasitieren im Blutgefäßsystem von Vögeln.
Ihre Gestalt ist fadenförmig bei einer Körperlänge von i.d.R. 5 – 10 mm und einer Körperbrei-
te von 15 – 100 µm. Männchen und Weibchen bilden ein spatelförmig oder dreilappig ver-
breitertes Körperende aus. Der Canalis gynaecophorus ist relativ kurz und befindet sich in
der vorderen Körperhälfte. In beiden Geschlechtern sind Mund- und Bauchsaugnäpfe aus-
gebildet. Der Darmtrakt teilt sich zunächst in zwei Schenkel, um sich dann wieder zu vereini-
gen und bis zum Körperende zu verlaufen. Die Männchen zeichnen sich durch zahlreiche
Hoden aus, die links und rechts des wiedervereinigten Caecums hinter dem Canalis gynae-
cophorus beginnend bis zum Körperende angeordnet sind. Das längliche Samenvesikel ist
im vorderen Körperabschnitt zwischen dem Acetabulum und dem Canalis gynaecophorus
lokalisiert. Der Cirrus ist relativ klein und am vorderen Ende des Canalis gynaecophorus über
eine Genitalpapille ausstülpbar. Das Weibchen zeichnet sich durch ein längliches, gedreht
erscheinendes Ovarium aus, das im vorderen Körperabschnitt liegt. Der Ootyp liegt vor dem
Ovarium, an den wiederum direkt der Uterus anschließt, der knapp hinter der Acetabulum
nach außen mündet. Unmittelbar posterior des Ovariums befindet sich das Receptaculum
5
EINLEITUNG
seminis. Der Hinterleib des Weibchens ist von den Vitellarien ausgefüllt. Abb. 2.1 (s. a. Anh.
S. 157) zeigt die allgemeine Morphologie adulter Trichobilharzien am Beispiel von T. regenti.
Abb. 2.1: Vorder- und Hinterende eines männlichen (links) und weiblichen (rechts) Adultus von T. regenti. Maßstab: 100 µm. (verändert nach HORAK et al., 1998). AC: Acetabulum C: Caecum CG: Canalis gynaecophorus DG: Dottergang E: Ei eSV: externes Samenvesikel iSV: internes Samenvesikel GO: Genitalöffnung GP: Genitalpapille H: Hoden MS: Mundsaugnapf OD: Oviduct OE: Oesophagus OT: Ootyp OV: Ovarium RS: Receptaculum seminis U: Uterus VI: Vitellarien
RS
VI
OV
ODOT
E H
CG C
GP
iSV
eSV
AC
U C DGGO
AC
OEOE
MSMS
Merkmale, die der Unterscheidung der Arten dienen, sind die Länge des Canalis gynae-
cophorus, die Orte der Bifurkation und der Wiedervereinigung des Caecums, die Anzahl der
Hoden, die Position der Genitalpapille, die Oberflächenstruktur des Teguments, die Proporti-
onen der Organe, Zwischenwirte u.a..
Die nachfolgend angegebenen wichtigsten Differenzierungsmerkmale von T. ocellata fassen
Erkenntnisse der Arbeiten von MCMULLEN & BEAVER (1945), NEUHAUS (1952), BOURNS et al.
(1973), MÜLLER & KIMMIG (1994) und ODENING (1996) zusammen. Demnach sind die Adulti
von T. ocellata wie folgt charakterisiert (Abb. s. a. Anh. S. 157):
Körperlänge: 1,7 mm – ca. 5 mm Körperbreite: 15 µm – 48 µm Bifurkationspunkt vor dem Acetabulum Wiedervereinigung des Caecums beim Männchen posterior dem Acetabulum und anterior
dem Samenvesikel Wiedervereinigung des Caecums beim Weibchen am hinteren Ende des Ovariums Caecum reicht bis an das Körperende Tegument ohne Stacheln Anzahl der Hoden: 57-76 die Eier sind gekrümmt spindelförmig Lokalisation der Adulti: Portal- und Mesenterialvenen und Venen der Submucosa Zwischenwirt: Lymnaea stagnalis L.
6
EINLEITUNG
b) Cercarien Die Cercarien der Gattung Trichobilharzia (und auch die einiger nah verwandter Gattungen)
zeichnen sich durch eine hohe Homologie bezüglich ihrer morphologischen Merkmale aus
(SZIDAT, 1942, DÖNGES, 1965, MÜLLER & KIMMIG, 1994). Allen gemeinsam ist (soweit be-
kannt), dass sie beim Menschen Cercariendermatitiden hervorrufen können.
Die Cercarien der Gattung Trichobilharzia gehören zu den apharyngaten ocellaten Furcocer-
carien (s. Abb. 2.2). Die Cercarie gliedert sich dabei in einen Körper und einen Schwanz mit
zwei Furcaästen (s. Abb. 5.15.a). Ein typisches Merkmal sind die zwei unpigmentierten Ocel-
len, die nach VAN DE ROEMER & HAAS (1984) im Dienste der ausgeprägten Phototaxis stehen.
Charakteristisch für die Cercarien ist das Kopforgan, das aus dem nicht mehr vorhandenen
Pharynx und dem Mundsaugnapf hervorgegangen ist. Es ist ausgesprochen muskulös und
beweglich und wirkt entscheidend beim mechanischen Vordringen während der Penetration
des Endwirts mit (HAAS & VAN DE ROEMER, 1998). Am Kopforgan münden die Ausführgänge
der posterior und anterior des Bauchsaugnapfes gelegenen, paarweise angeordneten 10
Penetrationsdrüsen. Die Anordnung dieser Drüsenzellen ist charakteristisch: zwei Paare lie-
gen oberhalb des Acetabulums, während drei Paare im distalen Bereich des Körper ange-
ordnet sind. Über den Körper verteilt finden sich weitere kleine Drüsenzellen, die ebenfalls im
Bereich des Kopforgans münden (NEUHAUS, 1952). Das Darmsystem der Cercarien ist un-
auffällig und endet kurz nach der Bifurkation vor dem Acetabulum. Das Protonephridial-
system besteht aus 14 Wimpernflammen, die entsprechend der Protonephridialformel
2{[1+1+1]+[3+(1)]} = 14 angeordnet sind (DUBOIS, 1929, ODENING, 1996) (s. Kap. 4.3.2.2).
Abweichend davon existieren nach BLAIR & ISLAM (1983) und ISLAM (1986) Arten, die 16 oder
12 Terminalzellen aufweisen.
7
Abb. 2.2: Körper einer Cercarie von T. ocellata. AGP: Ausführgänge der
GLÖER, 2002, REMIGIO, 2002). Diese Unsicherheiten führen u.a. dazu, dass einige Autoren
eine Aufspaltung der Lymnaeidae in eine Vielzahl von Gattungen vollziehen (MALEK, 1980),
während andere lediglich eine umfassende Gattung Lymnaea Lamarck 1799, mit einer Viel-
zahl von Arten bevorzugen (HUBENDICK, 1978). Dies zieht Schwierigkeiten bei der Nomen-
klatur nach sich.
Viel versprechende Ansätze zur Klärung taxonomischer Schwierigkeiten liefern z.Z. phyloge-
netische Untersuchungen, die molekularbiologische Methoden nutzen. So konnten BARGUES
& MAS-COMA (1997) und BARGUES et al. (2001) durch die Analyse von 18s rDNA und ITS-
Sequenzen3 zeigen, dass innerhalb der Lymnaeidae die Gattungen Stagnicola und Lymnaea
eine Cluster bilden, während die Gattung Radix und die Gattung Galba je ein weiteres for-
men. REMIGIO & BLAIR (1997) und REMIGIO (2002) nehmen nach der Analyse mitochondrialer
16s rDNA Sequenzen an, dass innerhalb der Art L. stagnalis genetisch getrennte Populatio-
nen existieren, die zumindest den Status von Unterarten besitzen. Interessanterweise ist die
in Nordamerika vorkommende L. stagnalis - Population nah verwandt mit denen in Deutsch-
land und Rumänien, wohingegen die italienische L. stagnalis eine Schwesterpopulation dar-
stellt. Weiterhin zeigt sich, dass die nordamerikanische L. stagnalis – Population nur entfernt
1 Nach KILIAS (1992) muss Stagnicola palustris aufgrund mangelhafter Differenzierungsmöglichkeiten zwischen den Arten als Artenkomplex aufgefasst werden. 2 Lymnaea stagnalis L. zeigt in Anpassung an Umweltbedingungen eine ausgesprochen hohe Variabi-lität bezüglich ihrer Gehäusegröße und –formen, was verschiedene Autoren zur Einrichtung der Un-terarten L. stagnalis apressa , L. stagnalis jugularis, L. stagnalis sanctaemariae, L. stagnalis perampla und L. stagnalis stagnalis veranlasste, die vor allem im nordamerikanischen Raum Anwendung findet. 3 Internal Transcribed Spacer
13
EINLEITUNG
mit den übrigen Arten der Gattung Lymnaea in Nordamerika verwandt ist und eine Abstam-
mung von den europäischen Populationen wahrscheinlich ist.
Wie bereits zuvor erwähnt, ist der taxonomische Status der Art T. ocellata unklar und beruht
nach ODENING (1996) zum Teil auf den unzureichenden Darstellungen der Erstbeschreiber.
Dabei stellt sich als problematisch dar, dass Cercarien und Adulti von verschiedenen Auto-
ren entdeckt und beschrieben worden sind. Aufgrund der nicht eindeutigen Charakterisierun-
gen kam es nachfolgend zur mehrfachen Beschreibung der Art unter verschiedenen Namen
bzw. zur Zuordnung anderer Arten zur Art T. ocellata. Insbesondere dem Merkmal der aus-
geprägten Wirtsspezifität innerhalb der Gattung Trichobilharzia wurde dabei zu wenig Beach-
tung geschenkt. Umfangreiche Differentialdiagnosen dieser historischen Vorgänge sind
ODENING (1996) und HORAK et al. (2003) zu entnehmen. Nach den schlüssigen Ausführun-
gen von ODENING (1996) stellen die in Tab. 2.1 aufgeführten Arten Synonyme von T. ocellata
(La Valette 1855) Brumpt 1931 dar. Eine entsprechende Ansicht wurde auch für die vorlie-
In dieses Bild einer guten Anpassung der Schistosomatidae an ihre Wirte passt hingegen
nicht, dass der angenommene Endwirt von T. ocellata, A. platyrhynchos, nur in seiner Ju-
gend infizierbar ist und anschließend die Infektion nur für ca. drei Wochen patent ist. Zumal
bei dieser Beschränkung auf Jungtiere die Verbreitung des Parasiten in andere Gewässer
aufgrund der anfänglich eingeschränkten Flugfähigkeit schwierig erscheint. Hingegen wäre
gerade für T. ocellata eine lang andauerndes Parasit-Wirt-Verhältnis besonders wichtig, da
er im Vergleich mit anderen Schistosomatidae eine ausgesprochen niedrige Reproduktions-
leistung von ca. 10 Eier pro Tag aufweist (RAU et al., 1975). Auch nach Massenbefall von
Stockenten, in die zwischen 160 und 1100 Cercarien eingedrungen waren, wurden durch-
schnittlich nur 45 Eier pro Tag und Ente abgegeben. Demnach würden bei Massenbefall ei-
ner Stockente nur rund 1000 Eier in drei Wochen produziert. Verglichen mit der Produktions-
leistung anderer Schistosomatidae mit ähnlicher Epidemiologie ist diese Menge verschwin-
dend gering und lässt als Ausgleich eine lange Lebensdauer im Endwirt essentiell erschei-
nen. Die humanpathogenen Schistosomen S. haematobium und S. mansoni zeichnen sich
mit 200 – 1000 bzw. 250 – 400 abgegebenen Eiern pro Tag (LANG, 2000) ebenfalls durch
eine in Relation zu anderen Arten geringe Eiproduktion aus, die aber deutlich höher als bei
T. ocellata liegt. Da beide Arten einen bis auf End- und Zwischenwirte mit T. ocellata identi-
schen Lebenszyklus aufweisen und dementsprechend vergleichbare epidemiologische Ver-
hältnisse vorliegen, kann ein Vergleich mit der Lebensdauer dieser Schistosomatidae ver-
mutlich annährend Auskunft über eine zu erwartende Lebensdauer von T. ocellata geben.
Für S. mansoni und S. haematobium werden dabei im Endwirt Mensch mehrere Jahre
angegeben. Die maximal festgestellte Lebensdauer betrug 18 Jahre (LANG, 2000, VERMUND
et al., 1983). Für T. ocellata ist demnach eine Lebensdauer deutlich über den festgestellten
sechs Wochen (s.o.) anzunehmen.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass bei Untersuchung zweier Ausbrüche von Cerca-
riendermatitis in Nordamerika der Gänsesäger (Mergus merganser) mit außerordentlich ho-
hen Infektionsraten von 89% (n = 27) bzw. 83,9% (n = 87) als Träger von Trichobilharzia sp.
bzw. T. ocellata identifiziert wurde (BLANKESPOOR & REIMINK, 1991, LOKEN et al., 1995). Mög-
16
EINLEITUNG
licherweise stellen Sägerarten (Mergus) geeignetere Endwirte für T. ocellata dar. Erkenntnis-
se dazu gibt es derzeit nicht.
2.3 Cercariendermatitis Die Cercariendermatitis ist Folge einer perkutanen Invasion durch die Cercarien bestimmter
Trematodengattungen, von denen der Gattung Trichobilharzia mit ihren in Mitteleuropa weit
verbreiteten Arten T. ocellata, T. franki und T. regenti die größte Bedeutung zukommt (KOLA-
ROVA et al. (1997). Das Syndrom der Cercariendermatitis ist seit langem bekannt und viel-
fach beschrieben, weshalb nachfolgend nur eine kurze Darstellung folgt. Eine ausführliche
Beschreibung, Informationen zur Pathologie und umfangreiche Literaturhinweise zur Thema-
tik finden sich in HORAK et al. (2003).
Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch maculo-papulöse Hautreizungen (s. Abb.
2.3), die durch intensives Hautjucken be-
gleitet werden. Dieses Syndrom beruht
dabei auf der Abwehrreaktion des Immun-
systems gegenüber den eingedrungenen
Cercarien bzw. auf teilweise auftretenden
allergischen Reaktionen. Bei empfindlichen
Personen ist bereits nach ca. einer Stunde
ein leichtes Hautprickeln an den betroffe-
nen Hautstellen zu bemerken, welches
aber nach eigener Erfahrung nicht zwin-
gend auftritt. Innerhalb der folgenden 10 –
15 Stunden p.i. bilden sich typische, bis zu
einer Größe von 5 mm messende Papeln
aus, die von einem erythematösen Hof
umgeben sind. Bis zum dritten Tag p.i.
bildet sich auf den Papeln häufig ein zent-
rales Bläschen aus, das i.d.R. nach dem 4.
Tag verschwindet und einen von VOGEL
(1930) als „flohstichartig“ beschriebenen zentralen Blutpunkt hinterlässt. Begleitet werden die
Hauterscheinungen von einem intensiven Juckreiz, der phasenweise auftritt und zu Schlaflo-
sigkeit führen kann. Die Symptome können 1 – 3 Wochen anhalten. Masseninfektionen kön-
Abb. 2.3: Makulo-papulöse Hauterscheinungen der Cercariendermatitis an der rechten Hand eines Betroffenen ca. 24 h p.i.. Schwarze Pfeile: betroffene Bereiche.
17
EINLEITUNG
nen nach EKLU-NATEY et al. (1985) zu Fieber, Schwellung der Lymphknoten, Durchfall und
Schwindelanfällen führen. Die Therapie beschränkt sich in der Regel auf Linderung der
Symptome durch Antihistaminikia ähnlich der Behandlung von Insektenstichen. Nur bei mas-
sivem Krankheitsbild kommen systemische Antihistaminikia und Corticosteroide zur Anwen-
dung (BAIRD & WEAR, 1987).
Der Mensch ist kein geeigneter Endwirt für die Bilharziellinae, da in ihm keine Weiterentwick-
lung zum Adultus erfolgen kann. Er stellt somit einen Fehlwirt für den Parasiten dar. Zu-
nächst verwunderlich ist dabei, dass T. ocellata nach Untersuchungen von HAAS & VAN DE
ROEMER (1998) eine höhere Affinität zur Menschenhaut zeigt als zur Vogelhaut, da diese
einen höheren Anteil an Fettsäuren enthält (s. Kap. 2.2.3). Für die Reproduktionsrate des
Parasiten ist dies aber wahrscheinlich nur von geringer Bedeutung, da der Mensch im Ver-
gleich eher selten im Wasser anzutreffen ist.
Die irrtümlich in die Haut des Menschen eingedrungen Cercarien werden nachfolgend vom
Immunsystem des Körper erkannt und schon in der Oberhaut abgetötet. Ein weiteres Vor-
dringen über die Epidermis hinaus gelingt i.d.R. nicht, da die Basallammina bei gleichzeitig
einsetzender Immunantwort zumeist ein unüberwindbares Hindernis darstellt. Allerdings
greift diese Abwehrreaktion des Körpers erst nach einer Immunisierung. Bei Erstkontakt und
daher fehlender Immunität stellten HORAK et al. (1999) für T. regenti fest, dass sich die Cer-
carien in Mäusen erfolgreich in Schistosomula umwandelten und in das ZNS vordrangen, wo
sie schließlich abstarben (HORAK & KOLAROVA, 2001, HRADKOVA & HORAK, 2002). Bei Mas-
seninfektionen ließen sich dabei neurologische Ausfälle der Versuchstiere beobachten. In-
wieweit T. regenti in nicht immunisierten Menschen überlebt, ist bisher nicht erforscht. Auch
fehlen weitergehende Kenntnisse zum Überleben von visceralen Bilharziellinae in nicht im-
munisierten Fehlwirten. Ein längeres Überleben und weiteres Vordringen der Parasiten als
bisher angenommen kann aber zurzeit nicht ausgeschlossen werden.
2.4 Epidemiologische Aspekte der Cercariendermatitis Die Cercariendermatitis ist eine weltweit in gemäßigten und tropischen Klimaten verbreitete
Erkrankung (HOEFFLER, 1982), die bereits in den 1920er und 1930er Jahren ausführlich be-
schrieben wurde und auf eine Infektion von Cercarien verschiedener Bilharziellinae zurück-
zuführen ist (NAEGLI, 1923, CORT, 1928, VOGEL, 1930, BRUMPT, 1931). In unseren Regionen
tritt sie regelmäßig in den Sommermonaten auf, wobei eine Häufung der Fälle in den Mona-
ten Juli und August sowie nach längeren Schönwetterperioden zu beobachten ist (KIMMIG &
18
EINLEITUNG
MEIER, 1985, MÜLLER & KIMMIG, 1994, PILZ et al., 1995, BECHTOLD et al., 1997). Dabei wird
vermutet, dass diese Häufung aufgrund der Badegewohnheiten des Menschen auftritt und
nicht mit der vermehrten Abgabe von Cercarien in diesem Zeitraum zusammenhängt.
Sie ist in Asien als häufige Erkrankung bei Reisbauern bekannt (MATSUMARA et al., 1983,
KULLAVANIJAVA & WONGWAISAYAWAN, 1993). In Deutschland waren regelmäßig Mitarbeiter
von Fischzuchtbetrieben betroffen (NEUHAUS, 1952). In Europa und Nordamerika wird die
Cercariendermatitis heute vor allem als Problem in Zusammenhang mit wassergebundenen