Einführung in die Sprachwissen- schaft 3. Phonologie: Segmente und Verteilungen Roland Schäfer Rückblick Phonologie Ausblick auf die Graphematik Vorschau Literatur Einführung in die Sprachwissenschaft 3. Phonologie: Segmente und Verteilungen Roland Schäfer Deutsche und niederländische Philologie Freie Universität Berlin Wintersemester 2018/2019 23. Oktober 2018
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Einführung in dieSprachwissen-
schaft3. Phonologie:Segmente undVerteilungen
Roland Schäfer
Rückblick
Phonologie
Ausblick auf dieGraphematik
Vorschau
Literatur
Einführung in die Sprachwissenschaft3. Phonologie: Segmente und Verteilungen
Roland Schäfer
Deutsche und niederländische PhilologieFreie Universität Berlin
▶ Sonoranten und Obstruenten▶ r-Laute und sekundäre Diphthonge
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Phonologie
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Literatur
Übersicht
▶ Segmente als Einheiten der Phonetik/Phonologie▶ nicht alle Segmente überall: Verteilungen▶ Endrand-Desonorisierung, r-Vokalisierung, ich/ach-Laute usw.und Ableitung phonetischer Formen aus lexikalischen Formen
Was hat Phonologie mit Bildungs- und Normsprache zutun?
▶ mit Bildungssprache nicht viel▶ mit Normsprache sehr viel
▶ viele dialektale und soziolektale Einflüsse phonologischstatt phonetisch
▶ graphematisches System angelehnt an phonologischem▶ Worttrennung
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Literatur
Segmente
▶ Transkriptionen: Tier [ti͡ɐ], Tür [ty͡ɐ], rotem [ʁoːtəm],Lob [loːp], Bades [baːdəs], Pfanne [p͡fanə], Osten [ʔɔstən]
▶ Warum gibt es die Basiszeichen im IPA, die es gibt? (a, ə, ɪ, ʔ, p, ʁ usw.)▶ artikulatorische Untrennbarkeit▶ nicht-autonomes „Verhalten“
▶ Sind p͡f und a͡ɔ usw. ein oder zwei Segmente?▶ artikulatorisch trennbar▶ autonomes Verhalten?▶ eigentlich eine phonologische Frage → Verteilungen
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Literatur
Verteilungen: Beispiele
(1) a. Tod [toːt], Kot [koːt]b. Schott [ʃɔt], Schock [ʃɔk]
(2) Hang [haŋ], *[ŋah](3) a. Sog [zoːk], besingen [bəzɪŋən], *[soːk]
b. fließ [fliːs], Boss [bɔs], *[fliːz]c. heißer [ha͡ɛsɐ], heiser [ha͡ɛzɐ], Base [baːzə], Basse [basə], *[bazə]
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Phonologie
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Literatur
Verteilung: Definition
Die Verteilung eines Segments ist die Mengeder Umgebungen, in denen es vorkommt.
Zwei phonetisch unterschiedliche Segmente bzw.Merkmale stehen in einem phonologischenKontrast, wenn sie eine teilweise oder vollständigübereinstimmende Verteilung haben und dadurch einenlexikalischen bzw. grammatischen Unterschiedmarkieren können.
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Literatur
Neutralisierung: Beispiele
(4) a. Weg [veːk], Weges [veːgəs]b. Bock [bɔk], Bockes [bɔkəs]
(5) a. Bad [baːt], Bades [baːdəs]b. Blatt [blat], Blattes [blatəs]
(6) a. Lob [loːp], Lobes [loːbəs]b. Depp [dɛp], Deppen [dɛpən]
(7) a. aktiv [ʔaktiːf], aktive [ʔaktiːvə]b. tief [tiːf], tiefe [tiːfə]
(8) a. fies [fiːs], fiese [fiːzə]b. Bus [bʊs], Busse [bʊsə]
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Literatur
Neutralisierung: Definition
Eine Neutralisierung ist die Aufhebungeines phonologischen Kontrastsin einer bestimmten Position.
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Literatur
Das Lexikon (Kapitel 2)
Das Lexikon ist die Menge aller Wörtereiner Sprache, definiert durch die vollständigeAngabe ihrer Merkmale und deren Werte.
Hier ist das relevante Merkmal die Kettevon Segmenten, die ein Wort phonetisch bzw.phonologisch definiert.
▶ [ʔ] steht immer dann, wenn sonst kein anderer Konsonant steht.▶ [ʔ] ist artikulatorisch und perzeptorisch wenig salient.▶ also: nicht lexikalisch, automatisch einsetzbar
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Literatur
Nochmal Endrand-Desonorisierung
(9) a. Weg [veːk], Weges [veːgəs]b. Bock [bɔk], Bockes [bɔkəs]
(10) a. Bad [baːt], Bades [baːdəs]b. Blatt [blat], Blattes [blatəs]
(11) a. Lob [loːp], Lobes [loːbəs]b. Depp [dɛp], Deppen [dɛpən]
(12) a. aktiv [ʔaktiːf], aktive [ʔaktiːvə]b. tief [tiːf], tiefe [tiːfə]
(13) a. fies [fiːs], fiese [fiːzə]b. Bus [bʊs], Busse [bʊsə]
▶ Aus welcher Form kann man die andere jeweils „herleiten“?
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Literatur
Zugrundeliegende Form und Strukturbedingung
Die zugrundeliegende Form (eines Wortes) istgenau die Folge von Segmenten, die im Lexikongespeichert wird, und auf die alle zugehörigenphonetischen Formen zurückgeführt werden können.
Die Formen werden ggf. an die phonologischenStrukturbedingungen (die Regularitätender phonologischen Grammatik) angepasst.
[ç] kann nicht nach Vokalen stehen, die nicht[Lage: vorne] sind. Zugrundeliegendes /ç/wird daher nach zentralen und hinteren Vokalenweiter hinten artikuliert, nämlich als [χ].
Zugrundeliegendes /ʁ/ kann nicht am Silbenendestehen. Es wird in dieser Position alsSchwa-Segment im sekundären Diphthongrealisiert. Nach gespanntem Vokal folgt [ɐ],nach ungespanntem folgt [ə]. Schwa und /ʁ/werden zusammen durch [ɐ] substituiert.
Gespannt?
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Literatur
Erinnerung an die Vokale des Deutschen
vorne hintenzentral
hoch
tief
mittel
i y
ɪ ʏ
e ø
ɛ œ
ə
ɐ
a
ɔ
o
u
ʊ
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Literatur
Länge und Betonung und Vokalqualität im Systemkern
gespannt Beispiel IPA ungespannt Beispiel IPAi bieten biːtən ɪ bitten bɪtəny fühlt fyːlt ʏ füllt fʏltu Mus muːs ʊ muss mʊse Kehle keːlə ɛ Kelle kɛləɛ stähle ʃtɛːlə ɛ Ställe ʃtɛləø Höhle høːlə œ Hölle hœləo Ofen ʔoːfən ɔ offen ʔɔfəna Wahn vaːn a wann van
Im Kernwortschatz sind gespannte Vokale immerbetont und lang. Zu jedem gespannten Vokal gibt eseinen entsprechenden ungespannten Vokal.Der ungespannte ist betont oder unbetont,aber immer kurz.
Im kernwortschatz muss die Länge also eigentlich nichtmarkiert werden, sondern folgt ausBetonung und Gespanntheit.
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Phonologie
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Literatur
Gespanntheit
vorne hintenzentral
hoch
tief
mittel
iy
ɪʏ
eø
ɛ
ɛ̆œ
a
ă
o
ɔ
u
ʊ
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Literatur
Und Schwa?
Warum kommt Schwa (also [ə] und [ɐ]) im System der gespanntenund ungespannten Vokale nicht vor?
(24) Für Konsonanten:Ort: laryngal, uvular, velar, palatal, palatoalveolar, alveolar
(25) Für Obstruenten:Stimme: +, −
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Phonologie
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Literatur
Und der erweiterte Wortschatz?
(26) a. Idee [ʔideː]Initiative [ʔinit͡sʝatiːvə]inspirieren [ʔɪnspiʁiːʁən]
b. Methyl [metyːl]Québec [kebɛk]integriert [ʔɪntegʁi͡ɐt]debattieren [debatiːʁən]
c. Utopie [ʔutopiː]Uran [ʔuʁaːn]
d. Motiv [motiːf]politisch [poliːtɪʃ]Phonologie [fonologiː]
e. Ökonomie [ʔøkonomiː]manövrieren [manøvʁiːʁən]
f. Büro [byʁoː]Cuvée [kyveː]
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Literatur
Gespanntheit im erweiterten Wortschatz
Im erweiterten Wortschatz sind gespannte Vokalelang, wenn sie betont sind, und kurz, wenn sieunbetont sind. Auch im erweiterten Wortschatzgibt es keine ungespannten langen Vokale.
(27) a. /veg/⇒ [veːk]b. /hølə/⇒ [høːlə]c. /ofən/⇒ [ʔoːfən]
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Literatur
Segmente und Buchstaben
Segment Buchstabe(n) Beispielwörterp p Planb b Baum, Trabp͡f pf Pfadf f Fahrtv w Wandm m Must t Taud d Dach, Bildt͡s z Zeits s Losz s Sauʃ sch Schiffn n Not, Klangl l Lobç ch Blech, Wachtʝ j Jahrk k Kielg g Gans, Weg, Königʁ r Ritt, Türh h Herz
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Literatur
Invarianz der Konsonantenschreibungen
zugr. Buch- phonetische phonologische phonetischeSegm. stabe(n) Realisierungen Schreibungen Schreibungb b ba͡ɔm loːp Baum Lob *Lopd d daχ ʁɪnt Dach Rind *Rintn n naχt klaŋ Nacht Klang *Klaŋç ch lɪçt vaχt Licht Wacht *Waχtg g gans køːnɪç Gans König *Könichʁ r ʁuːm to͡ɐ Ruhm Tor *Toe
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Literatur
Vokalschreibungen
Buchstabe Segment Segmentgespannt Beispiel ungespannt Beispiel
i i Igel ɪ Lichtü y Rübe ʏ Rückenu u Mut ʊ Buttere e Mehl ɛ̆ Bettö ø Höhle œ Löffelo o Ofen ɔ Motteä ɛ Gräte ɛ̆ Säckea a Wal ă Wall
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Literatur
Nächste Woche: Vom Segment zur Silbe
▶ Bildung von Silben als Anpassung an Strukturbedingungen▶ Silben als rhythmische Einheiten in der phonologischen Kombinatorik▶ das eng eingegrenzte Strukturschema der (deutschen) Silbe:(C)CV(C)(C)
▶ Silben als Schließen–Öffnen–Schließen des Vokaltrakts▶ Sonoritätskontur als Zeichen davon▶ Segmente, die nicht zur Silbe gehören (Spaß, Herbsts)▶ Liquide: /l/ und /ʁ/▶ begrenzte Optionen für die Länge bzw. das Gewicht von Silben▶ Silbifizierung: Grundlage der Wortrennung(But- ter als optimales Trennmuster)