10 „Eine Rekonstruktion von Inhaltsstrukturen einer ausgewählten Coachingausbildung“ Diplomarbeit im Fachbereich Pädagogik im Rahmen der Prüfung zum Diplom – Pädagogen an der Helmut – Schmidt – Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg vorgelegt von: Cand. Paed. Michael Alexander Neumann Matrikelnummer 784980 1. Gutachter: Univ. - Prof. Dr. Harald Geißler Professur für Allgemeine Pädagogik mit besonderer Berücksichtigung der Berufs- und Betriebspädagogik Hamburg, im August 2005
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„Eine Rekonstruktion von Inhaltsstrukturen einer … · Herrn Dr. Arno Schöppe für die spannenden und anregenden Diskussionen und dafür, dass er während der Studienzeit mein
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10
„Eine Rekonstruktion von Inhaltsstrukturen einer ausgewählten Coachingausbildung“
Diplomarbeit
im Fachbereich Pädagogik
im Rahmen der Prüfung zum Diplom – Pädagogen
an der
Helmut – Schmidt – Universität /
Universität der Bundeswehr Hamburg
vorgelegt von:
Cand. Paed. Michael Alexander Neumann
Matrikelnummer 784980
1. Gutachter:
Univ. - Prof. Dr. Harald Geißler
Professur für Allgemeine Pädagogik mit besonderer
Berücksichtigung der Berufs- und Betriebspädagogik
Hamburg, im August 2005
11
Danksagung An dieser Stelle möchte ich denjenigen danken, die vorliegende
Arbeit ermöglicht haben. Anteil an der Fertigstellung dieser Arbeit
haben Menschen, die mittelbar und unmittelbar ihre Unterstützung
zukommen ließen. Dazu zählen ihr Verständnis, fachkundige
Anregungen, anregende Diskussionen, wertvolle Impulse und die
Förderung meines inneren Antriebes, die Thematik in Theorie und
Praxis weiter zu vertiefen. Ihnen gilt mein Dank und Respekt.
Ich danke Herrn Prof. Dr. Harald Geißler für die Übernahme und
Betreuung der Diplomarbeit, sowie für seine Anregungen in den
Besprechungen. Herrn Roger Henrichs, Frau Stephanie Müller und
dem Team von der 2coach Personal- und Unternehmensberatung
GbR in Hamburg, die die Teilnahme an den Curricula erst möglich
machten und mit Rat und Tat zur Seite standen. Frau Heike Prüfer,
die die Arbeit ständig begleitete, Korrektur las, wertvolle Ideen mit
einbrachte und die Dinge aus einem Perspektivenwechsel
beobachtbar machte. Herrn Dr. Arno Schöppe für die spannenden
und anregenden Diskussionen und dafür, dass er während der
Studienzeit mein Interesse für die Systemtheorie weckte und förderte.
Und Frau Hedwig Neumann, meiner Mutter, die für mich immer ein
offenes Ohr hatte und mich in meinen Bestrebungen stets
unterstützte.
Hamburg, im August 2005
Michael Neumann
12
Inhalt
Abbildungsverzeichnis 08 Einführung 10
I. Teil: Gegenstandsspezifische und methodologische Vorüberlegungen 14 1. Coaching 15
1.1 Begriffsbestimmung 15
1.2 Definition von Coaching 16
1.3 Rollen eines Coachs 18
1.4 Der Klient im Beratungsprozess 20
1.5 Die dialogische Beziehung zwischen Berater und Klient 24
1.6 Anforderungen für eine beraterische Ausbildung 26
2. Methodologische Ansätze und Techniken in den Sozialwissenschaften 30
2.1 Quantitativ versus qualitativ orientierte Methoden 30
13
2.2 Nomothetisch versus idiographisch 31
2.3 Laboruntersuchungen versus Feldforschung 32
2.4 Erklären versus Verstehen 33
3. Quantitative und qualitative Verfahren in der Unterrichtsforschung 35
3.1 Quantitative Verfahren in der Unterrichtsforschung 35
3.2 Qualitative Verfahren in der Unterrichtsforschung 37
3.3 Ansätze von qualitativ orientierter Unterrichtsforschung 38
3.3.1 Ansatz der pädagogisch – psychologische Fallanalysen
im Unterricht 39
3.3.2 Ansatz der Praxisforschung in der Schule 39
3.3.3 Ansatz der Rekonstruktion von Lehrerkognitionen
im Dialogkonsens 40
3.3.4 Ansatz der qualitativ orientierten Unterrichtsbeobachtung 41
4. Überblick über Methoden und Techniken zur Erhebung und Analyse 42
4.1 Die Befragung 42
4.2 Die Inhaltsanalyse 47
14
4.3 Die Beobachtung 53
II. Teil: Untersuchung der ausgewählten Beraterausbildung 61
5. Evaluation der untersuchten Curricula 62
5.1 Grundüberlegungen und Präzisierung der Untersuchung 62
5.2 Das Institut und das Setting der Untersuchung 63
5.3 Die untersuchten Curricula 64
5.4 Die untersuchungsrelevanten Seminarbausteine 67
5.5 Das Vorgehen bei der Untersuchung der
Curricula „Coach“ und „Change Manager“ 70
5.5.1 Vorbereitung und Erleben der Curricula 71
5.5.2 Das Protokollieren und die Transkription der Curricula 74
5.5.3 Die Techniken der Auswertung und Evaluation 79
5.5.3.1 Das Tool „TPR – Matrix“ 79
5.5.3.2 Die Darstellung und Analyse
der „Vernetzung von Gelenkstellen“ 88
5.5.3.3 Die Darstellung und Analyse des Seminars als
„Hauskonstruktion“ 94
15
6. Die Auswertung der Seminare 99
6.1 Das Seminar „Beratungskompetenz“ 99
6.1.1 Die „Gelenkstellen“ und die TPR – Matrix
101
6.1.2 Die „Vernetzung der Gelenkstellen“
115
6.1.3 Die „Hauskonstruktion“ des Seminars
116
6.2 Das Seminar „Wechsel und Ängste“ 117
6.2.1 Die „Gelenkstellen“ und die TPR – Matrix
119
6.2.2 Die „Vernetzung der Gelenkstellen“
133
6.2.3 Die „Hauskonstruktion“ des Seminars
135
6.3 Das Seminar „Transaktionsanalyse“ 136
6.3.1 Die „Gelenkstellen“ und die TPR – Matrix
137
16
6.3.2 Die „Vernetzung der Gelenkstellen“
150
6.3.3 Die „Hauskonstruktion“ des Seminars
152
6.4 Das Seminar „Systemische Betrachtung“ 153
6.4.1 Die „Gelenkstellen“ und die TPR – Matrix
154
6.4.2 Die „Vernetzung der Gelenkstellen“
166
6.4.3 Die „Hauskonstruktion“ des Seminars
167
6.5 Resümee zu den beobachteten Seminaren 168
Ausblick 171 Literaturverzeichnis 174
Anlage 01 185
17
Anlage 02 205
Anlage 03 217
Anlage 04 233
Abbildungsverzeichnis Abb. 01: Die Differenz von externem und internem
Coach……………………………………………………………......19
Abb. 02: Das Drei – Welten – Modell der
Persönlichkeit…………………..21
Abb. 03: Die Ebenen der Organisation und
18
der betroffenen
Personen…………………………………………..23
Abb. 04: Methodologische Implikationen von quantitativer
und qualitativer
Forschung…………………………………….......34
Abb. 05: Arten der Befragung in quantitativer und qualitativer
Forschung……………………………………………………………43
Abb. 06: Allgemeines Schema einer qualitativen Inhaltsanalyse
nach
Mayring……………………………………………………......51
Abb. 07: Beobachtungsformen mit dazugehöriger
Differenzierungsdimension…………………………………………54
Abb. 08: Das Bausteinsystem von
2coach………………………………….66
Abb. 09: Das Bausteinsystem „Ausbildung zum
Coach“…………………..69
Abb. 10: Das Bausteinsystem „Ausbildung zum
Change
Manager“………………………………………………......70
Abb. 11: Der Aufbau des Tools TPR –
Matrix………………………….......87
Abb. 12: Das Kommunikationsquadrat nach Schulz von
Thun………......91
Abb. 13: Die „Vernetzung der Gelenkstellen“ als
Grundschema…...........94
Abb. 14: Das Seminar als „Hauskonstruktion“ in der
Grundform…...........98
Abb. 15: Visualisierung von Ambivalenzen
mit dem „Inneren
Team“……………………………………….....108
Abb. 16: Das TZI – Dreieck mit seinen
Einflussgrößen……………….....110
19
Abb. 17: Die TPR – Matrix „Beratungskompetenz“
mit ihren
„Gelenkstellen“……………………………………….....114
Abb. 18: „Vernetzung der Gelenkstellen“
im Seminar
„Beratungskompetenz“……………………………...115
Abb. 19: Die Hauskonstruktion der
„Beratungskompetenz“…….….........117
Abb. 20: Das Riemann – Thomann – Kreuz
mit den Grundformen der
Angst………………………………....123
Abb. 21: Darstellung der Klimakurve mit ihrem
Phasenverlauf………....126
Abb. 22: Die TPR – Matrix „Wechsel und Ängste“
mit ihren
„Gelenkstellen“……………………………………….....133
Abb. 23: „Vernetzung der Gelenkstellen“ im Seminar
„Wechsel und
Ängste“………………………………………........134
Abb. 24: Die Hauskonstruktion der „Wechsel und
Ängste“………………135
Abb. 25: Die drei „Ich – Zustände“ der
Persönlichkeit……………………138
Abb. 26: Das O.K. – Geviert mit seinen
Grundhaltungen………………..143
Abb. 27: Die TPR – Matrix „Transaktionsanalyse“
mit ihren
„Gelenkstellen“………………………………………….150
Abb. 28: „Vernetzung der Gelenkstellen“
im Seminar
„Transaktionsanalyse“………………………………151
Abb. 29: Die Hauskonstruktion der
„Transaktionsanalyse“………………152
20
Abb. 30: Das „Doppelbauch“ – Modell mit seinen vier
Phasen………....159
Abb. 31: Die TPR – Matrix „Systemische Betrachtung“
mit ihren
„Gelenkstellen“……………………………………….....165
Abb. 32: „Vernetzung der Gelenkstellen“
im Seminar „Systemische
Betrachtung“…………………………166
Abb. 33: Die Hauskonstruktion der „Systemischen
Betrachtung“……....168
21
Einführung Coaching – ein Begriff, der in Bereichen der Erwachsenenbildung
und Personalentwicklung in aller Munde ist. In den verschiedensten
Zusammenhängen spricht man mittlerweile von einem Coaching, ob
es sich nun um unmittelbare, berufliche Kontexte, Aus- und
Weiterbildungen oder private Problemstellungen handelt.
Entwicklungsmaßnahmen jeglicher Art, seien es Maßnahmen der
Personal- oder Organisationsentwicklung, werden unter dem Begriff
Coaching subsumiert. „Um es vorwegzunehmen – Coaching ist ein
schillernder Begriff ,der auf dem besten Wege ist, zu einem jener
Modebegriffe zu werden, unter dem jeder etwas anderes versteht
oder noch schlimmer, ihn nur deshalb verwendet, weil der Begriff im
Trend ist.“ 1 Ob der Coach oder das Coaching mittlerweile zum
Modetrend geworden ist, liegt wohl im Auge des jeweiligen
Betrachters.
Allerdings lässt sich feststellen, dass die professionelle Beratung und
auch dabei das Coaching zunehmend an beruflichem
Selbstverständnis gewinnt und an verbindlichen Qualitätsstandards
arbeitet, was sich an den Interessenforen und gegründeten
Verbänden zeigt: Beispielsweise seien hier der Deutsche Verband
für Coaching und Training e. V. (dvct) oder der Deutsche
Bundesverband Coaching (DBVC) genannt, die eine Plattform
darstellen, in der sich die Mitglieder, mittels Zertifizierung, zu
Transparenz und bestimmten Gütekriterien ihrer Profession
verpflichten.
Gerade im Bereich von Organisationen erscheint das Coaching als
modernes und zeitgemäßes Instrument, das Individuum in seiner
persönlichen Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen.
Unterstützung bekommt der einzelne hier, um einerseits seiner
beruflichen Rolle mit den damit verbundenen Anforderungen gerecht
1 Backhausen et al. 2004, S. 18.
22
zu werden, andererseits seine eigenen Wünsche und Vorstellungen
zu realisieren. Dem Coach, der ihn begleitet, wird dabei die
Integration unterschiedlichster Fähigkeiten und Haltungen
abverlangt2. Die Wahl nach dem „richtigen Coach“ gewinnt hier an
elementarer Bedeutung. Es muss geprüft werden, ob der Coach mit
seinen jeweiligen Kompetenzen in der Lage ist, den individuellen
Anliegen und Bedürfnissen der Klienten zu entsprechen. In der
fachspezifischen Literatur wird oft ein Spektrum von Kompetenzen
diskutiert, über das ein Berater verfügen muss3. Dabei handelt es
sich allerdings um eine Idealisierung von verschiedenen
Qualifikationen, die je nach individuellem Anliegen unterschiedlich
gewichtet sein müssen.
Bleibt man auf dem Gebiet der Qualifikationen und Anforderungen an
den Coach, stellt sich gleichzeitig die Frage, wie eine fundierte
Ausbildung für den professionellen Berater konzipiert sein sollte. Die
Frage nach dem Aufbau eines solchen Curriculums stellt den
Rahmen dieser Diplomarbeit dar. Betrachtet man den
Weiterbildungsmarkt, läßt sich ein reichhaltiges Angebot von
Ausbildungsgängen 4 zum Coach, Change Manager und Berater
finden. Jedoch vermißt man hier Kriterien, die einen Maßstab für eine
Aus- und Weiterbildung zum professionellen Berater bilden.
Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Frage nach dem
strukturellen Aufbau eines solchen Curriculums. Dabei wird sich nicht
allein auf die bloßen Inhalte der Seminarbausteine oder
Ausbildungsblöcke beschränkt. Ziel der Untersuchung ist es,
strukturell „tiefer zu gehen“. Dabei werden weitere Fragen
aufgeworfen: Lassen sich aus den Inhalten der Seminaren markante
Stellen, „Gelenkstellen“ hier genannt, extrahieren, und wie können 2 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 15. 3 Vgl. beispielsweise Fischer – Epe 2004, S. 231ff; Middendorf et al. 2003, S. 05ff; Schmid 2004a, S. 166ff; Schreyögg 2003, S. 130ff. 4 In der größten elektronischen Datenbank im Bereich Coaching, initiiert von Christopher Rauen, werden momentan 230 Anbieter mit insgesamt 256 verschiedenen Ausbildungsgängen zum Berater angeboten. Vgl. hierzu: Rauen 2005 In: http://www.coaching-index.de/
23
diese mit geeigneten Tools und Methoden, hinsichtlich ihrer Struktur
und Funktion, erfasst und analysiert werden? Ist es möglich, diese
„Gelenkstellen“ innerhalb des untersuchten Seminars in Relation zu
setzen, und wie können diese Relationen charakterisiert werden?
Darüber hinaus liegt es im Interesse der Untersuchung, ob sich aus
den gewonnenen Erkenntnissen, Schnittstellen oder
Kopplungspunkte zwischen den Seminarbausteinen erkennen lassen.
Diesen Fragen stellen den Ausgangpunkt der Untersuchung dar, die
im Zuge dieser Arbeit mit den ausgewählten Seminaren eines
Curriculums beantwortet werden.
Die Arbeit gliedert sich grob in zwei Teile. Im ersten Teil (I. Teil)
werden sowohl gegenstandsspezifische, als auch methodologische
Vorüberlegungen erörtert. Im ersten Kapitel werden Grundlagen des
Coachings erläutert. Dabei gilt der Schwerpunkt der Betrachtung der
Konstellation in der praktischen Beratungsarbeit zwischen dem
Berater und seinem Klienten. Des Weiteren werden Anforderungen
an eine Coachingausbildung vorgestellt. Das zweite Kapitel
beschäftigt sich mit den methodologischen Forschungsansätzen in
den Sozialwissenschaften, wobei die Differenz zwischen
quantitativen und qualitativen Paradigma kontrastiert wird. Das
nachfolgende Kapitel zeigt die verschiedenen Verfahren, die bisher
im Rahmen der Unterrichtsforschung praktisch angewandt wurden,
um den Bezug zu den Beratungscurricula zu verdeutlichen. Das
vierte Kapitel liefert, abschließend zum ersten Teil der Arbeit, einen
Überblick über die probaten Techniken zur Untersuchung,
namentlich hier die Befragung, die Inhaltsanalyse und die
Beobachtung.
Der zweite Teil der Diplomarbeit (II. Teil) beinhaltet die eigentliche
Untersuchung der Ausbildung zum Berater. Dort wird im fünften
Kapitel der eigentliche Untersuchungsgegenstand konkretisiert. Es
werden die speziell ausgewählten Seminare ausdifferenziert, ebenso
wird die durchgeführte Herangehensweise in der Untersuchung
24
selbst mit den dafür konstruierten Tools und Techniken ausführlich
erläutert. Anschließend behandelt der sechste Abschnitt die
Auswertung der untersuchten Seminare, die nacheinander in ihrer
Struktur analysiert und anschließend zusammengefasst werden.
Den Abschluss dieser Arbeit bildet ein Ausblick, der die gewonnenen
Erkenntnisse nochmals rekapituliert. Dabei werden die eingangs
gestellten Fragen zur Arbeit aufgelöst. Zusätzlich werden Aspekte
behandelt, die aus der vorliegenden Untersuchung neue Fragen
generieren, die für eine weitere Bearbeitung der Thematik von
Interesse sein können.
25
I. Teil: Gegenstandsspezifische und methodologische Vorüberlegungen
26
1. Coaching und Coachingausbildung – Gegenstandsspezifische Vorüberlegungen
Im folgenden Kapitel wird ein Überblick über Grundlagen des
Coachings gegeben. Dabei wird der Begriff selbst näher erläutert,
Definitionen geliefert und insbesondere auf die Rollen von Coach
und Klient eingegangen. Des Weiteren werden Anforderungen an
eine Ausbildung zum Berater, wie sie in der Fachliteratur diskutiert
werden, dargestellt.
1.1 Begriffsbestimmung
Der Ursprung des Begriffs Coach lässt sich auf das Wort Kutsche
zurückführen5. Dabei kann nachgewiesen werden, dass der Begriff
seit dem Jahre 1556 in der englischen Sprache auftaucht, im
heutigen englischen Sprachgebrauch bezeichnet Coaching jegliche
Art des Unterweisens und Beratens. Seine Wurzeln hat der Terminus
in der ungarischen Sprache.6
Die Begriffe Coach und Coaching werden heutzutage in
unterschiedlichen Kontexten verwendet. Middendorf bemerkt dazu,
dass der Begriff geradezu inflationär gebraucht wird7 . Besonders
vertraut ist dieser Begriff aus dem Leistungssport8. Dort hört man oft
vom Coach oder Team – Coach, der seine Schützlinge „coacht“. „Im
Sport steht Coaching für eine umfassende Betreuung von
Spitzensportlern, die weit über ein reines Training der körperlichen
Leistungsfähigkeit hinausgehen. Der Coach arbeitet mit
psychologisch fundierten Trainingsmethoden.“ 9 Ein Beispiel für
psychologische Methoden, sind die beobachtbaren Vorbereitungen
von Spitzensportlern, die etwa einen komplexen Bewegungsablauf,
5 Vgl. Schreyögg 2003, S. 11. Und: Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 18. 6 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 18. 7 Vgl. Middendorf et al. 2003, S. 01. 8 Vgl. Backhausen et al. 2004, S. 18. 9 Fischer – Epe 2004, S. 18f.
27
schon vor der eigentlichen Wettkampfsituation mental durchleben
(sie erleben die später realen Bewegungsabläufe bereits vor ihrem
„geistigen Auge“).10 Daneben leistet der Coach im Sport noch viel
mehr: „Er hilft Ängste zu überwinden, Blockaden abzubauen,
persönliche Erfolgsstrategien zu entwickeln und Erfolge zu
verkraften.“11
Im unternehmerischen Kontext wird Coaching mit der Beratung von
Führungskräften assoziiert. Dabei muss angemerkt werden, dass
Coaching nicht mehr ausschließlich Führungskräften vorbehalten ist.
Viel Unternehmen investieren Coaching auch in Mitarbeiter, die
zumeist in Kundenkontakt, im Verkauf tätig oder auch in
Projektverantwortung sind 12 . Coaching wird hier oft auch als
Ergänzung von Maßnahmen im Rahmen der Personalentwicklung13
verstanden. Mancherorts bedeutet die Inanspruchnahme von
Coaching sogar einen Imagegewinn.14
1.2 Definition von Coaching
Eine allgemeine Definition von Coaching besagt, dass es sich hier
um die „professionelle Form individueller Beratung im beruflichen
Kontext“ 15 handelt. Aus dieser Position beschreibt also Coaching
eine Dienstleistung in Form von Beratung, die auf eine einzelne
Person zugeschnitten wird. Das eigentliche Thema der Beratung
stammt aus dem beruflichen Bereich. Da es sich hier um eine sehr
allgemeine Definition handelt, ist hieraus nicht ersichtlich, wie weit
sich der berufliche Bereich erstreckt. Konkreter wird die folgende
Definition von Christopher Rauen: 10 Vgl. ebd., S. 19. 11 Ebd., S. 19. 12 Vgl. Middendorf et al. 2003, S. 58. 13 In diesem Zusammenhang wird Coaching als ein innovatives Instrument der Personalentwicklung beschreiben. Coaching kann hier dazu beitragen, unter anderem die Lern- und Veränderungsfähigkeit der Mitarbeiter nachhaltig zu fördern. Vgl. hierzu: Backhausen et al. 2004, S. 20. Und: Schreyögg 2003, S. 51. 14 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 20. 15 Backhausen et al. 2004, S. 18.
28
„Unter dem Begriff „Coaching“ kann eine Kombination aus
individueller, unterstützender Problembewältigung und persönlicher
Beratung auf Prozessebene für unterschiedliche berufliche und
private Anliegen verstanden werden. Ein Grundziel des Coaching
ist – hier besteht allgemein ein breiter Konsens – die Hilfe zur
Selbsthilfe und zur Selbstverantwortung.“ 16 Hier wird zum einen
betont, dass sich die Beratung als Prozess abspielt, es handelt sich
beim Coaching daher nicht um ein einmaliges, temporäres Ereignis,
sondern „(…) findet in mehreren Sitzungen statt.“17 Zum anderen
werden sowohl berufliche, als auch private Belange als Anlässe für
ein Coaching definiert. Dass Coaching Hilfe zur Selbsthilfe ist,
impliziert die Intention, beim Klienten 18 die Selbstreflexion, sein
Bewusstsein und seine Selbstverantwortlichkeit zu fördern 19 . In
seinen weiteren Ausführungen postuliert Rauen, dass der
Beratungsprozess als interaktiv und personenzentriert 20
charakterisiert wird: Dadurch wird klar, dass ein Coaching nicht einen
Monolog des Beraters darstellt, sondern es sich hier vielmehr um
einen gleichberechtigten Dialog zwischen Coach und Klient handelt.
Dabei verbietet es sich für den Coach, den Klienten zu manipulieren,
indem er ihm seine Meinungen und Wertvorstellungen aufzwingt21.
Durch diesen interaktiven Dialog zwischen Coach und Klient, schließt
Fischer – Epe daraus, dass es sich bei Coaching letztendlich um „(…)
eine Kombination aus individueller Beratung, persönlichem Feedback und praxisorientiertem Training“ 22 handelt. In ihrem
Verständnis stellt Coaching eine Beratungsform dar, die
16 Rauen in: Rauen 2000, S. 42. 17 Ebd., S. 43. 18 In der verwendeten Literatur wird der Klient oft auch als Coachee bezeichnet. Vgl. Backhausen et al. 2004, S. 367. 19 Vgl. Rauen in: Rauen 2000, S. 43. 20 Vgl. ebd., S. 43. 21 Vgl. ebd., S. 42. 22 Fischer – Epe 2004, S. 21.
29
Fragestellungen bezüglich beruflicher Aufgaben und Rollen, aber
auch der eigenen Persönlichkeit, beinhalten.23
1.3 Rollen eines Coachs
Bei den Rollen des Coach werden generell zwei Typisierungen
unterschieden: Der externe und der interne Coach. Der externe
Coach ist, wie der Name schon sagt, ein Berater, der von Außen
kommt. Dabei handelt es sich zumeist um selbständige Berater, die
hauptberuflich als Coach arbeiten24. „Externe Berater erhalten bei
Krisen eine besondere Bedeutung.“25 Da der externe Berater nicht
ein Teil des Systems ist, besitzt er eine gewisse Neutralität, er ist
nicht betriebsblind. Da er nicht in dem Maße von einer Organisation
abhängig ist, wie die Mitarbeiter, kann er auch interne Tabus
unbefangener ansprechen oder auch Vorgehensweisen vorschlagen,
die organisationsintern nicht üblich sind26.
Der interne Berater wird oft auch in zwei weitere Typen differenziert:
der Stabs- und der Liniencoach. Der so genannte Stabscoach, ist ein
interner Coach, der nicht hierarchiegebunden ist27, das heißt, er steht
intern in keinem Vorgesetztenverhältnis zum Klienten. Innerhalb der
Organisation übt er seine Beratertätigkeit hauptberuflich aus, dabei
beschränkt sich die Beratung auf Angehörige der Organisation28. Ein
besonderer Vorteil des Stabscoach ist sein Insiderwissen 29 . Der
Liniencoach beschreibt das Coaching durch Vorgesetzte. Dabei wird
das Coaching durch Vorgesetzte weniger als Coaching im
eigentlichen Sinne, sondern mehr als Führungsaufgabe des
Vorgesetzten gesehen: „Mit Führungskraft als Coach wird ein
Führungsstil bezeichnet, bei dem es um die individuelle 23 Vgl. ebd., S. 21. 24 Vgl. Schmidt – Tanger 1999, S. 60. Und : Rauen in: Rauen 2000, S. 44. 25 Schreyögg 2003, S. 199. 26 Vgl. ebd., S. 201. 27 Vgl. Schmidt – Tanger 1999, S. 60. 28 Vgl. Rauen 2000, S. 307. 29 Vgl. Schreyögg 2003, S. 209.
30
Unterstützung von Mitarbeitern in beruflichen Fragestellungen und
deren beruflicher Entwicklung geht.“30 Der Vorteil des Liniencoach
besteht darin, dass der Vorgesetzte über eine hohe Fachkenntnis
verfügt und prozessnah intervenieren kann, allerdings ist das
Verhältnis von Berater und Klient hier hierarchiegebunden, was zu
einem Interessenkonflikt des Vorgesetzten in seiner Doppelrolle
führen kann. 31 Der Vorgesetzte steht also in einem
Spannungsverhältnis von Beraten und Beurteilen32.
Folgende Abbildung verdeutlicht nochmals die Unterschiede
zwischen externem und internem Coach:
Abb. 01: Die Differenz von externem und internem Coach
(Quelle: Schmidt – Tanger 1999, S. 61)
Hier sind ebenso die „Freiheitsgrade“ des Klienten integriert: Diese
zeigen sich beim internen Coach, ob das Coaching gewollt oder
ungewollt ist. Beim externen Coach zeigen sie sich zusätzlich, ob
das Anliegen (Thema) selbst gewählt oder vom Arbeitgeber diktiert
wird.
30 Schmid 2004a, S. 175. 31 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 27f. 32 Vgl. Schmid 2004a, S. 176.
31
1.4 Der Klient im Beratungsprozess
Die Beratung eines einzelnen Klienten stellt die klassische
Konstellation in einem Coaching dar: „Coaching findet traditionell in
einer Zweierbeziehung statt, wo ein Klient von einem Coach beraten
wird.“33 Daneben gibt es auch Settings, in denen Coaching in (Klein-)
Gruppen oder in Teams einer Organisation stattfindet 34 . Im
Folgenden soll zwischen der einzelnen Person und einer
Organisation als Klient differenziert werden.
Bei einem Einzelcoaching steht, wie der Name schon besagt, das
Anliegen des einzelnen im Mittelpunkt des Prozesses. Im Ansatz von
Bernd Schmid35 stellt die Persönlichkeit keine bloße Einheit dar, er
begreift die Persönlichkeit als Akkumulation von Rollen auf
verschiedenen Kontextebenen. Die Assoziation mehrerer Rollen
leitet er vom lateinischen Ursprung des Begriffes Persönlichkeit
„personare = hindurchtönen“36 ab. Und das, was hier nun aus dem
Individuum hindurchtönt, zeigt sich in den Rollen, die ein Mensch
einnimmt.37
In diesem Zusammenhang wird das Drei – Welten – Modell der
Persönlichkeit vorgeschlagen: „Das Drei – Welten – Modell
beschreibt eine in den Rollen von drei Welten gelebte und
entwickelte Persönlichkeit. Unterschieden werden die Privatwelt, die
Organisationswelt und die Professionswelt.“ 38 In der graphischen
Darstellung zeigt sich das Modell wie folgt:
33 Schreyögg 2003, S. 215. 34 Vgl. Ebd., 215. Und: Vgl. Schmidt – Tanger 1999, S. 116ff. 35 Vgl. Schmid 2004a, S. 160ff. Und: Schmid 2004b, S. 63ff. 36 Vgl. Schmid 2004a, S. 164. 37 Vgl. Schmid 2004b, S. 63. 38 Vgl. ebd., S. 66.
32
Abb. 02: Das Drei – Welten – Modell der Persönlichkeit
(Quelle: Schmid 2004a, S. 165.)
Die Graphik verdeutlicht, dass die Persönlichkeit erst in Verbindung
mit den drei Welten als ein Ganzes begriffen werden kann. Die
Privatwelt spielt sich jenseits der beruflichen Welt, der
Organisationswelt und Professionswelt, ab. Dazu zählen das direkte
persönliche Umfeld, wie Freunde, Familie und Bekannte. 39 Die
beiden letztgenannten Welten unterscheiden sich dahingehend, dass
die Profession zwar zumeist in einer bestimmten Organisation
erworben wurde, und bestimmte Verhaltens- und Kognitionsmuster
der Organisation für das eigene Repertoire adaptiert wurden, diese
jedoch zu trennen sind: „Professionelle Identität und konkrete
berufliche Lebenswege lösen sich heute aber zunehmend von
bestimmten Organisationen, ja Branchen ab.“ 40 Nach dem
professionellen Selbstverständnis wird hier gefragt („Wer bin ich
eigentlich?“), unabhängig von irgendeiner Organisation, in der man
eine Rolle spielt.41 In der Professionswelt findet, zum Beispiel durch
Weiterbildungen eine neue Positionierung in der Organisationswelt
statt.42
39 Vgl. Schmid 2004a, S. 178. 40 Schmid 2004b, S. 66. 41 Vgl. ebd., S. 66f. 42 Vgl. Schmid 2004a, S. 179.
33
Betrachtet man die Darstellung dieses Modells, werden Analogien
zum TZI – Dreieck (Themenzentrierte Interaktion) festgestellt: Auch
hier sind die drei Bereiche untrennbar miteinander verbunden, für sie
gilt es die richtige (individuelle) Balance zu finden. Das Coaching
kann hier auf das Drei – Welten – Modell zurückgreifen, indem die
Persönlichkeitsentwicklung als Ergebnis eines Wechselspiels der
drei Welten verstanden wird 43 , und so eine Grundlage für
dynamische Prozesse liefert.
Die andere Erscheinung des Klienten, die nun betrachtet wird, ist die
Organisation. Es sind nicht nur Individuen, die unter einem
Veränderungsdruck stehen oder Probleme zu bewältigen haben44.
Bedarf nun aber die Organisation als Auftraggeber einer Beratung,
sind damit unvermeidbar auch Einzelpersonen, von den
Führungskräften über Projekt- und Abteilungsleitern, bis hin zu
einzelnen Mitarbeitern, unmittelbar davon betroffen. Um einen
Prozess erfolgreich zu gestalten, muss eine Betrachtung auf zwei
Ebenen stattfinden, auf der Ebene der Organisation mit ihren
Strukturen, ihren (offiziellen und inoffiziellen) Regeln oder Prozessen,
und auf der Ebene der betroffenen Individuen. Nur eine Ebene zu
betrachten und zu bearbeiten, bedeutet nicht, dass die
vernachlässigte Ebene automatisch mit verändert wird.45
Es gilt, bei der Organisation formale und nichtformale Muster zu
erkennen und offen zu legen, um diese mit den optionalen
Handlungsstrategien der einzelnen Personen abzugleichen46. Willkes
Verständnis der Trennung der beiden Ebenen, die über ihre eigene
Wirklichkeitskonstruktion verfügen, im Bereich des systemischen
Wissensmanagements47 lässt sich in diesen Kontext übertragen: Der
Berater muss sich darüber bewusst sein, dass er es mit zwei
unterschiedlichen Realitäten zu tun hat: Zum einen mit der Realität
43 Vgl. Schmid 2004b, S. 69. 44 Vgl. Looss et al. in: Rauen 2000, S. 95. 45 Vgl. ebd., S. 96. 46 Vgl. Schreyögg 2003, S. 343f. 47 Vgl. Willke 2004.
34
von Organisationen, zum anderen mit der Realität von Personen48.
Diese muss der Berater gleichermaßen fokussieren, da diese sich
wechselseitig bedingen:
Abb. 03: Die Ebenen der Organisation und der betroffenen Personen
(Eigene Produktion)
Bernd Schmid verdeutlicht die Betrachtung der zwei Ebenen in
einem Fallbeispiel von Coaching in Kombination mit
Unternehmensentwicklung: Bei der Begleitung einer
Unternehmensentwicklung mittels Coaching, wird der Erfolg der
Persönlichkeitsentwicklung weniger durch Interventionen aus der
Organisationsberatung erreicht, vielmehr findet die Entwicklung des
Individuums durch „(…) Verstehen, Entwirren und Weiterentwickeln
der seelischen Bilder, die im Hintergrund seiner [des Klienten]
Persönlichkeit und seiner beruflichen Lebenserzählung wirken.“ 49
Dabei muss der Berater aber auch ein Verständnis für die Strukturen
der betreffenden Organisation besitzen, um die wechselseitigen
Vernetzungen zwischen Individuum und Organisation nachvollziehen
zu können. Schmid sieht darin sogar die Kernkompetenz im
Coaching.50
48 Vgl. ebd., S. 16. 49 Schmid 2004a, S. 217. 50 Vgl. ebd., S. 216f.
1. Ebene: Die Organisation als eigenes Klientensystem
2. Ebene: Die betroffenen Mitarbeiter als eigene Klientensysteme
35
1.5 Die dialogische Beziehung zwischen Berater und Klient
Die Beziehung zwischen Coach und Klient ist eine professionelle
Beziehung 51 , es handelt sich schließlich um eine zu bezahlende
Dienstleistung, die mit der Übernahme des Auftrags beginnt und
auch irgendwann sein Ende findet52. Das Verständnis der Qualität
einer solchen Beziehung sollte beiderseitig, auf Seiten des Beraters
und des Klienten, bestehen. Die professionelle Beziehung bildet den
starren Rahmen eines Dialogs, der Inhalt des eigentlichen Prozesses
ist hingegen weitestgehend offen und wird durch die individuelle
Konstellation von Berater und Klient determiniert. Dabei sind jedoch
einige Grundanforderungen zu erfüllen:
1. Coaching ist transparent: Im Beratungsprozess wird mit
transparenten Methoden und Techniken gearbeitet, die für
den Gecoachten jederzeit einsehbar und nachvollziehbar
sind.53
2. Coaching ist individuell: Die Anwendung von Methoden und
Interventionen ist offen und richtet sich nach den individuellen
Bedürfnissen des Klienten.54
3. Coaching ist selbstverantwortlich: Spielregeln und
Vorgehensweisen werden zwischen dem Berater und Klienten
einvernehmlich vereinbart.55
Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass der Coach und der
Klient gleichermaßen eine gewisse Verantwortung für die Gestaltung
und den Verlauf des Beratungsprozesses übernehmen: „Der Berater
verantwortet die Qualität seines Beitrages zum Dialog, sein eigenes
Verstehen der Welten, die verbunden werden sollen, das Profil
51 Vgl. Schmidt – Tanger 1999, S. 71. 52 Vgl. Schreyögg 2003, S. 334. 53 Vgl. Rauen in: Rauen 2000, S. 43. 54 Vgl. Schmidt – Tanger 1999, S. 71. 55 Vgl. ebd., S. 71.
36
seines Könnens und die Markierung seiner Grenzen.“56 Hingegen der
Klient trägt insofern die Verantwortung, indem er den Weg, den er im
Beratungsprozess einschlägt, zu verantworten hat. Er ist es, der mit
den daraus resultierenden Folgen leben muss.57
Auch wenn oftmals von einem partnerschaftlichen Dialog gesprochen
wird, gibt es in der Beziehung von Berater und Klient ebenso
Fallstricke, die insbesondere aus dem Dreiecksvertrag58 von Coach,
Auftraggeber und Klient entstehen können, wenn keine Klärung im
Vorfeld erfolgt ist. Solche Fallstricke gilt es zu umgehen59:
1. Es fehlen Kriterien, die den Erfolg des Coachings messen: Um
einen Beratungsprozess erfolgreich gestalten zu können,
müssen Zielvereinbarungen getroffen werden. Besonders von
Vorteil ist aber auch das Festlegen von Kriterien, an denen
der Erfolg einer Entwicklung beobachtbar wird. Dies gilt
gleichermaßen für den Klienten, aber auch für Führungskräfte,
die einen Coachingauftrag für Mitarbeiter erteilen.
2. Der Coach wird zur Führungskraft: Bekommen Berater vom
Auftraggeber für Coachings implizit Führungsaufgaben
übertragen („Bringen Sie den Mitarbeiter X wieder auf die
richtige Spur!“), muss geklärt werden, dass der Coach Hilfe
zur Selbsthilfe in Fragen der Persönlichkeitsentwicklung leistet,
aber keinerlei Führungsaufgaben von Vorgesetzten
übernehmen kann.
3. Der Coach als Motivator für Coaching: Der Coach soll den
Klienten nicht zum Coaching motivieren, seine Aufgaben
liegen in der Gestaltung des Beratungsprozesses. Die
Inanspruchnahme von Coaching soll freiwillig erfolgen.
56 Schmid 2004a, S. 160. 57 Vgl. ebd., S. 160. 58 Vgl. ebd., S. 185. 59 Vgl. ebd., S. 187f.
37
4. Ziele und die Vorgehensweisen im Coaching stimmen nicht
überein: Der Coach muss für sich selbst klären, ob die
angestrebten Ziele überhaupt mit Coaching erreicht werden
können, oder ob hier andere Maßnahmen geeigneter wären.
Besteht ein Dreiecksvertrag, gilt es zusätzlich die
Zielvorstellungen von Auftragsgeber und Klient mit den
Möglichkeiten von Coaching abzugleichen.
1.6 Anforderungen für eine beraterische Ausbildung
Die Anforderungen an den professionellen Berater sind hoch und
vielseitig, da jeder Klient ein individuelles Anliegen einbringt. In der
verwendeten Literatur wird beispielsweise „(…) vom Berater ein
vielfältiges Lebensverständnis und eine hohe professionelle
Kompetenz“60 verlangt. Oftmals ist vom „idealen Coach“61 die Rede:
Neben allgemeinen persönlichkeitsspezifischen Merkmalen 62 , wie
Offenheit dem Klienten gegenüber oder Ausstrahlung von Empathie
und Vertrauen, findet man häufig die Forderung nach Feldkompetenz,
Beratungskompetenz oder Methodenkompetenz63.
Bei der Lektüre einschlägiger Literatur werden zwar eine Reihe eben
genannter Forderungen an den bereits praktizierenden Berater
ausführlich erklärt und definiert, jedoch findet man selten
Anforderungen an die Ausbildung künftiger Berater.
Bernd Schmid bietet am Institut für systemische Beratung (ISB) ein
zweijähriges Coaching Curriculum an. 64 In seinen Ausführungen
beschreibt er, dass anfangs die Ausbildung vom Drei – Welten –
Modell im Einzelcoaching geprägt war. Jedoch stellte sich im Laufe
60 Ebd., S. 167. 61 Vgl. Schreyögg 2003, S. 130. Und: Fischer – Epe 2004, S. 231. 62 Vgl. Schreyögg, S. 131ff. 63 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 233ff. 64 Vgl. Schmid 2004a, S. 157ff.
38
des Curriculums heraus, dass die Relevanz der Seminarinhalte für
den praktischen Berufsalltag von den Teilnehmern nicht sehr hoch
beurteilt wurde. Das lag vor allem daran, dass die Masse der
Teilnehmer in Organisationen beschäftigt war. Aus dieser Erkenntnis
heraus wurde, neben dem Schwerpunkt Einzelcoaching, der Fokus
der Lehre auf die Teamentwicklung gerichtet. Dadurch erweiterte
sich das Spektrum der Lerninhalte erheblich, da nun auch, zu den
kommunikationspsychologischen Grundlagen, Modelle der Personal-
und Organisationsentwicklung mit einflossen. Schmid bemerkt hierzu,
dass erste Anzeichen einer Integration von Coaching im Personal-
und Organisationsentwicklungsbereich bereits erkennbar sind.
„Allerdings steckt die Entwicklung hier generell noch in den
Kinderschuhen.“65 Dies liegt vornehmlich daran, dass es noch zu
wenig Konzeptionen einer richtungsweisenden Lehre gibt. Die
Chance einer Integration sieht er mehr in der Praxis durch den
Klienten, der Coaching vor dem Hintergrund von Maßnahmen der
Personal- und Organisationsentwicklung in Anspruch nimmt.
Ein weiteres Beispiel für Anforderungen an die Ausbildung von
Beratern liefert Astrid Schreyögg, die besonders die
Ausbildungsinhalte, konkretisiert. Sie betont, dass die Individualität
der Klienten dem Berater ein breit gefächertes Spektrum an Theorie-
und Methodenwissen abverlangt, um angemessen intervenieren zu
können. Dabei darf das Vermitteln von Theorien und Methoden in der
Ausbildung nicht willkürlich verlaufen, sondern sollte a priori
vorstrukturiert werden. 66 Bezüglich der Lerninhalte und
Stoffvermittlung wurde ein übergeordnetes Ziel definiert: „Das Leitziel
des Fortbildungsprogramms besteht in professionellen und
persönlichen Kompetenzförderungen der Kandidaten, damit sie ein
qualifiziertes Coaching leisten können.“67
65 Ebd., S. 158. 66 Vgl. Schreyögg 2003, S. 339. 67 Ebd., S. 341.
39
Für das Curriculum zum Coach hat Schreyögg folgende sechs
Themenblöcke angefertigt:
1. Coaching als Managementberatung: Es werden Inhalte aus
dem Themenkomplex Führung und Management vermittelt.
Dabei werden die Rollen von Führungskräften und deren
Funktionen in verschiedenen Kontexten behandelt. Das Ziel
dieses Themenblocks ist es, den Teilnehmern erste
Beratungskompetenzen, eine Verortung von Coaching als
Instrument der Personalentwicklung und Fragestellungen aus
dem Bereich des Managements zu vermitteln.68
2. Coaching für Organisationen: Inhaltlich werden formale und
nichtformale Strukturen von Organisationen, deren
Auswirkungen auf interne Prozesse, sowie Grundlagen der
Organisationskultur bearbeitet. Der Themenblock soll dazu
befähigen, aktuelle Konzepte von Organisationsstrukturen zu
kennen, Organisationen zu analysieren und diese mit den
Themen des einzelnen Klienten in Bezug zu setzen.69
3. Die Anlässe für Coaching: Inhaltlich werden unterschiedliche
Anlässe für ein Coaching systematisiert, es werden Methoden
vermittelt und Praxisübungen durchgeführt. Das Ziel hier ist es,
verschiedene Coachinganlässe klassifizieren und bearbeiten
zu können. Des Weiteren sollen Interventionstechniken
praktisch erprobt werden.70
4. Konfliktcoaching: Der Inhalt umfasst hier den schematischen
Verlauf von Konflikten, die Analyse von Konflikten, Strategien
zur Konfliktbewältigung und Interventionsmöglichkeiten in
bestehenden Konflikten.71 Das Ziel dieses Themenblocks ist
68 Vgl. ebd., S. 341ff. 69 Vgl. ebd., S. 343f. 70 Vgl. ebd., S. 344f. 71 Vgl. ebd., S. 345f.
40
es, dass die Teilnehmer mögliche Konflikte diagnostizieren
und bearbeiten können. Dabei wird besonders zwischen dem
Konfliktmanagement durch externe Berater und der
Konfliktbearbeitung durch Führungskräfte differenziert.
5. Coaching – Methoden: In diesem Block werden Methoden
und Techniken zur Gesprächsführung, zu Rollenspielen und
dem Einsatz von Medien behandelt. Das Ziel ist, verschiedene
Methoden theoretisch und praktisch kennen zu lernen und die
Teilnehmer für einen adäquaten Einsatz von Interventionen zu
sensibilisieren.72
6. Coaching – Prozesse: Inhaltlich werden hier die
Auftragsklärung, die Gestaltung von Kontrakten, Regeln und
Randbedingungen für den Coaching – Prozess, sowie
ethische Fragestellungen im Coaching vermittelt. Das Ziel soll
sein, einen Beratungsprozess kompetent und effektiv leiten
und gestalten zu können.73
Generell ist anzumerken, dass eine große Anzahl von Aus- und
Weiterbildungen zum Berater weitestgehend mit den eben
vorgeschlagenen Themeninhalten übereinstimmen. Relevant ist hier
vielmehr, inwieweit die vermittelten Inhalte der Person und den
Erwartungen der potenziellen Teilnehmer entsprechen. Ein Weg dies
festzustellen, wäre das Aufdecken von curricularen Strukturen, um
den Aufbau und Gehalt von einzelnen Seminaren mit den
Bedürfnissen der Teilnehmer abgleichen zu können.
72 Vgl. ebd., S. 347f. 73 Vgl. ebd., S. 348f.
41
2. Methodologische Ansätze in den Sozialwissenschaften
Im Folgenden werden methodologische Ansätze diskutiert. Dabei
wird hauptsächlich auf die Unterschiede der quantitativen und der
qualitativen Sozialforschung eingegangen. Um diese zu
verdeutlichen, werden ausgewählte methodologische Implikationen
erklärt.
2.1 Quantitativ versus qualitativ orientierte Methoden
Grundlegendes Unterscheidungsmerkmal zwischen quantitativen
und qualitativen Ansätzen ist die Art und die Beschaffenheit des
vorfindlichen Datenmaterials: „Während in der qualitativen Forschung
Erfahrungsrealität zunächst verbalisiert wird (qualitative, verbale
Daten), wird sie im quantitativen Ansatz numerisch beschrieben.“74
Dies hat zur Folge, dass, nach dem Sammeln von Daten, im Bereich
der qualitativen Orientierung, die gewonnenen Daten methodologisch
analysiert und interpretiert werden. Hierbei wird das Datenmaterial
jedoch keiner Datenreduktion unterworfen. Die Auswertung erfolgt
hier in explikativer Form, um einerseits die Reglements, nach denen
die Analyse erfolgt75, transparent zu machen, und um andererseits
die Gesamtheit des Forschungsgegenstandes zu erfassen und zu
beschreiben. Auf dem Gebiet der quantitativen Forschung wird das
erhobene Datenmaterial, sofern es aufbereitet und als eindeutig
quantifizierbar 76 bewertet wurde, mittels statistischer Verfahren
ausgewertet. Das Ziel einer Untersuchung, im quantitativen Sinne, ist
es, eine Vielzahl von Variablen (Merkmalen) zu erfassen, sie zu
reduktionieren und zu analysieren, dass als Ergebnis ein
statistisches Maß vorliegt, mit dem dann weitere Aussagen getätigt
werden, beispielsweise werden, aufgrund des quantitativen Wertes,
ex ante - Hypothesen angenommen oder verworfen. „Quantitative
74 Bortz et al. 2002, S. 295. 75 Vgl. Lamnek 1995a, S. 26. 76 Vgl. Bortz 1999, S. 11.
Analysezwecke eigentlich nicht. Ihre Analyse ist explikativ (…).“77
Allerdings ist hier zu bemerken, dass die Art der Daten, ihre
Erhebung und anschließende Analyse noch keine hinreichende
Grenzziehung beider Ansätze liefert, da hier ebenso
„Grauzonen“ existieren, die eine eindeutige Trennung erschweren.
Um nun grundlegende Merkmale zu extrahieren, die das quantitative
und qualitative Paradigma voneinander deutlich abgrenzen, liefert
Lamnek eine Reihe von Dichotomien. Diese Gegensatzpaare stellen
jeweils einen Idealtypus dar, der so in der Praxis kaum vorfindbar ist.
Die Gegenüberstellung soll vielmehr die methodologischen
Differenzen kontrastieren78. Aus diesem Grunde schlagen Bortz et al.
eine Auflistung von diesen Gegensatzpaaren vor, die sie nicht als
Antagonisten, sondern vielmehr als bipolare Dimensionen 79
verstanden wissen wollen. Eine Auswahl ihrer Dimensionen,
bezüglich der Differenz „Quantitativ – Qualitativ“ soll im Folgenden
nun ergänzend aufgeführt werden.
2.2 Nomothetisch versus idiographisch
Diese Unterscheidung stellt ursprünglich die Differenzierung von
Natur- und Geisteswissenschaften dar: Naturwissenschaftler stellen
regulär generalisierende Naturgesetze auf, sie gehen also
nomothetisch vor. Hingegen Geisteswissenschaftler beschreiben
individualisierend Ereignisse, sie gehen idiographisch vor. Aus
heutiger Sicht lässt sich diese Differenz, im Bereich der Human- und
Sozialwissenschaften, nicht mehr sinnvoll nutzen, quantitative von
qualitativen Verfahren abzugrenzen, da weder Aussagen mit
77 Lamnek 1995a, S. 242. 78 Vgl. Lamnek 1995a, S. 218f. 79 Vgl. Bortz et al. 2002, S. 298ff.
43
universellem Anspruch getroffen, noch Beschreibungen einzelner
Ereignisse abgegeben werden.80
2.3 Laboruntersuchung versus Feldforschung
Die Begrifflichkeiten Labor und Feld mögen im ersten Moment etwas
irreführen, da Forschungen nicht zwingend in einem echten Labor
oder „in freier Wildbahn“ vorgenommen werden. Unter
Laborbedingungen zu forschen bedeutet vielmehr, ein weitaus
höheres Maß an Kontrolle über relevante Faktoren – dazu zählen
auch die Reduktion möglicher Störvariablen – zu besitzen. Das
Interesse dieses Forschungsansatzes gilt demnach einer gezielten
Auswahl von Ereignissen, die von sonstigen Faktoren unbeeinflusst
bleiben. In der praktischen Umsetzung bedeutet dies, dass das
gesamte Setting auf die Absicht der Forscher abgestimmt ist, was
sogleich auch Kritiker auf den Plan ruft, Laborforschung sei zu
„steril“ und realitätsfremd.
Feldforschungen finden in einem „natürlichen Setting“ statt, was
zunächst sehr realitätsnah erscheinen mag, jedoch sind reale
Situationen in hohem Maße kontingent, sie könnten also genau so
gut auch anders sein, oder könnten auch nur einmalig
auftreten.81Dabei können eventuelle ungewollte Nebeneffekte nicht
isoliert werden. Dies ist jedoch auch gar nicht Intention des
Forschers, da sein Hauptaugenmerk der gesamten Situation gilt.
Geht man also vom Idealtypus aus, entspricht die
Laboruntersuchung mehr dem quantitativen Paradigma. Hingegen
Untersuchungen im Bereich der Feldforschung entsprechen wohl
mehr qualitativ orientierten Methoden der Sozialforschung.
80 Vgl. ebd., S. 298f. 81 Vgl. ebd., S. 299.
44
2.4 Erklären versus Verstehen
„Der empirisch – analytische, quantitative Ansatz verfolgt das Ziel,
Musterläufigkeiten im Erleben und Verhalten von Menschen zu
ermitteln.“ 82 Da von einer Existenz von Gesetzmäßigkeiten
ausgegangen wird, wird hier oft der Vorwurf, der Mensch sei allein
von externen Faktoren, vor dem Hintergrund eines mechanistischen
Weltbildes, beeinflusst und diesen geradezu ausgeliefert, erhoben.
In Opposition steht hier die interpretative Wissenschaft, die den
Mensch als sinnhaft83 handelnden Akteur versteht, dessen Verhalten
mittels seiner subjektiven Weltsicht nachvollziehbar ist: Man versucht
Gedankengänge, Handlungs- und Kognitionsmuster aus der
Perspektive des Agitus zu verstehen. Allerdings kann man nicht
pauschal sagen, dass qualitative Forschungen resolut auf
Erklärungen verzichten, beispielsweise bei der Erklärung von
Konzepten, die der qualitativen Analyse zu Grunde liegen;84 auch
wenn besonders in der Rekonstruktion von Strukturen und Mustern
vornehmlich auf das Verstehen von subjektiven Wahrheiten rekurriert
wird.
Um dennoch nicht die restlichen Dichotomien vorzuenthalten, wird
abschließend die nachfolgende Tabelle diese Gegensatzpaare
darstellen:
82 Ebd., S. 300. 83 Mit der Begrifflichkeit von „Sinn“ ist, im Luhmann´schen Sinne, der von einem System generierte Horizont, der Möglichkeiten von Handeln und Erleben enthält, gemeint. „Sinn“ gilt, im systemischen Sinne, als notwendige Grundlage jeglicher Operationen! Dabei ist der Gegenstand von „Sinn“ als Medium und Horizont von Handlungen und dem Erleben in einem beliebigen System kontingent. Und schon allein das Faktum, über „Sinn“ zu sprechen, setzt Sinn als solches voraus: „Sinn“ ist somit ein selbstreferentieller Sachverhalt. Vgl. hierzu: Krause 2001, S. 11ff. Und Luhmann 1997, S. 44ff. 84 Vgl. Bortz et al., S. 300f.
45
Paradigma Quantitativ versus Qualitativ
Erklären Verstehen
Nomothetisch Idiographisch
Theorieprüfend Theorieentwickelnd
Deduktiv Induktiv
Objektiv Subjektiv
Ätiologisch Interpretativ
Ahistorisch Historisierend
Geschlossen Offen
Prädetermination des Forschers Relevanzsysteme der
Betroffenen
Distanz Identifikation
Statisch Dynamisch – prozessual
Starres Vorgehen Flexibles Vorgehen
Partikularistisch Holistisch
Zufallsstichprobe Theoretical Sampling
Datennähe Datenferne
Unterschiede Gemeinsamkeiten
Reduktive Datenanalyse Explikative Datenanalyse
Hohes Messniveau Niedriges Messniveau
Abb. 04: Methodologische Implikationen von quantitativer und qualitativer Forschung
(Eigene Produktion. Quelle: Vgl. Lamnek 1995a, S. 218ff.)
46
3. Quantitative und qualitative Verfahren in der Unterrichtsforschung
Im folgenden Kapitel werden die Anwendungsmöglichkeiten der
quantitativen und qualitativen Methoden im Bereich der
Unterrichtsforschung konkretisiert. Dabei werden, auf Seiten der
qualitativen Forschung, ausgewählte Ansätze aus der Praxis der
Unterrichtsforschung vorgestellt.
3.1 Quantitative Verfahren in der Unterrichtsforschung
Betrachtet man die Publikationen aus dem Bereich der
Unterrichtsforschung, lässt sich bisher ein klarer Trend zugunsten
quantitativer Verfahren erkennen. Mayring filtert hierzu drei
übergeordnete Vorgehensweisen heraus, die er gleichzeitig als
geradezu „paradigmatisch“85 bezeichnet:
a. Erhebung einzelner isolierter Variablen mittels standardisierter
Testverfahren: Das Ziel hier ist der Gewinn von normierten,
vergleichbaren und validen Daten. Insbesondere bei dem
Forschungsgegenstand des Schulunterrichts richtet sich der
Fokus dieser Vorgehensweise auf die Variable der
Schulleistung. Der Vorteil dieser Methode ist der relativ leichte
Zugang zur Datenerfassung, zum Beispiel in einer
Schulklasse, mit der Möglichkeit eine große und leicht
verfügbare Stichprobenzahl zu erhalten.
b. Die Untersuchung von Unterrichtsverfahren und Lehr- /
Übergeordnetes Ziel ist hier die Überprüfung und der
Nachweis möglicher auftretender Effekte. Auch wird hier mit
größeren Stichproben gearbeitet. Im Rahmen des
85 Vgl. Mayring in: Schnaitmann 1996, S. 41.
47
experimentellen Designs werden a priori eindeutige Kriterien,
zumeist als abhängige Variablen, festgelegt und anschließend
mit standardisierten Methoden ausgewertet, um so zu
quantitativen Daten zu gelangen.
c. Die Beobachtung von Unterricht mittels standardisierter oder
selbst konstruierter Rating – Skalen: Mit Hilfe von vorher
angefertigten Skalierungen werden ganze Unterrichtseinheiten
oder ausgewählte Unterrichtssequenzen untersucht. Die
daraus gewonnenen Daten können im Weiteren statistisch
weiterverarbeitet werden. Eine Möglichkeit, eine solche
Untersuchung durchzuführen, wäre die Datenerhebung mittels
Unterrichtsmitschauanlagen86 (UMSA).87
Mayring postuliert, dass gerade diesen Vorgehensweisen in
zunehmenden Maße Kritik entgegengebracht wurde und wird. Zum
einen gibt es Zweifel bezüglich der Relevanz quantitativer
Untersuchungen, da solche Ergebnisse nur schwer in eine konkrete
Handlungspraxis umsetzbar und kaum in Reformen integrierbar
seien. Zum anderen generieren experimentelle Ergebnisse zur
Effektivität von einzelnen Unterrichts- und Lehrmethoden eine Masse
von Widersprüchen, die sich gerade in der Feldpraxis widerspiegeln.
Des Weiteren entspreche das reine Erfassen und Bewerten einzelner
Variablen nicht der Realität des Unterrichtalltags. Denn dadurch wird
der Prozess des Unterrichts in seiner Gesamtheit nicht mehr erfasst.
Dies zeigt sich besonders dann, wenn es zu komplexeren
Situationen kommt, da hier gesetzte Variablen und Kategorien sich
nicht mehr als ausreichend exklusiv und trennscharf erweisen.88 In
diesem Kontext soll auch auf Luhmann verwiesen werden, der vom
86 Solche Unterrichtmitschauanlagen werden meist in wissenschaftlichen Forschungsinstituten, aber auch in Lehranstalten, wie beispielsweise Truppen- und Fachschulen der Bundeswehr, die Grundlagen der Methodik und Didaktik vermitteln, benutzt. – Anm. d. Verf. 87 Vgl. Mayring in: Schnaitmann 1996, S. 41. 88 Vgl. ebd., S. 41f.
48
so genannten „Technologiedefizit der Erziehung“89 spricht. Er betont,
dass die Interaktion zweier oder mehrerer psychischer Systeme, wie
beispielsweise im Unterricht, nicht auf Basis von rational – logischen
Kausalgesetzen erklärt werden kann, da hierzu ein Individuum in der
Lage sein müsste, die eigene Selbstreferenz mit der des Gegenüber
permanent in ein Kausalverhältnis zu transferieren. Vielmehr schlägt
er vor, danach zu fragen, aufgrund welcher Kausalvorstellungen die
implementierten Menschen agieren.90
3.2 Qualitative Verfahren in der Unterrichtsforschung
Im Gegensatz dazu stehen die qualitativ orientierten Ansätze, denen
drei Begründungsversuche91 vorangestellt werden:
1. Die Forderung der Umsetzung einer realitätsnahen und
praxisrelevanteren Forschung92, die auch Ergebnisse liefert,
mit denen eine Evaluation oder Modifikation von Prozessen
praktisch umsetzbar wird.
2. Die Genese theoriekritischer Ansätze, wie der symbolische
Interaktionismus nach Mead, der die Meinung vertrat, dass
Menschen auf Grundlage von Bedeutungen, die erst im
Prozess von sozialer Interaktion des Individuums mit anderen
und der Umwelt entstehen, handeln.93
3. Die Kritik an vorgefertigten Verfahren mit der Argumentation,
sie seien zu oberflächlich, brachte tiefschichtigere Formen der
Datenerhebung und –analyse hervor, wie zum Beispiel die
„Grounded Theory“, die Daten aus den unterschiedlichsten
89 Vgl. Luhmann et al. 1982, S. 11ff. 90 Vgl. ebd., S. 12 und 18f. 91 Vgl. Mayring in: Schnaitmann 1996, S. 43. 92 Vgl. ebd., S. 43. 93 Vgl. ebd., S. 43. Und Mikl-Horke 2001, S. 266f.
49
Materialien gewinnt und danach als Gesamtbild qualitativ
auswertet.94
Auch wenn qualitative Ansätze scheinbar in Opposition zu den
quantitativen Methoden stehen, lässt sich zunehmend ein Trend, der
auf qualitative Verfahren rekurriert, erkennen. Manche Autoren
sprechen sogar geradezu von einer „Renaissance“ der qualitativen
Forschung, die oftmals als unwissenschaftlich oder auch als
feuilletonistisch negativ attributiert wurde95. In neueren Ansätzen wird
besonders das breite Spektrum der Verfahren, angefangen von der
Hermeneutik, etc.) hervorgehoben. Dabei wird auf der einen Seite
die Möglichkeit, mehrere Verfahren miteinander zu kombinieren,
explizit betont, auf der anderen Seite stehen aber auch mögliche
Integrationsmodelle mit quantitativen Methoden zur Diskussion96.
3.3 Ansätze von qualitativ orientierter Unterrichtsforschung
Es folgen nun vier ausgewählte Ansätze der qualitativ orientierten
Unterrichtsforschung. Dabei sollen die vielfältigen Möglichkeiten
einer Erforschung von Unterricht verdeutlicht werden, da jeder
Ansatz ein bestimmtes Spektrum beleuchtet und dazu seine
individuelle Vorgehensweise beinhaltet.
94 Vgl. Mayring in: Schnaitmann 1996, S. 44. Und Mikl-Horke 2001, S. 278. 95 Vgl. Kardorff in: Flick et al. 1995, S. 03. 96 Vgl. Mayring in: Schnaitmann 1996, S. 49f. Und Bortz et al. 2002, S. 306.
50
3.3.1 Ansatz der pädagogisch – psychologischen Fallanalysen im Unterricht
Tradition haben solche Analysen insbesondere aus dem Bereich der
Psychiatrie und Psychologie: Durch das systematisierte Sammeln
von Daten bezüglich des Krankheitsverlaufs der einzelnen Patienten
und der dazugehörigen „Behandlungsgeschichte“ der Ärzte und
Therapeuten wurde angestrebt, durch das Vergleichen ähnlicher
Fälle, zu allgemeinen Schlussfolgerungen zu gelangen. In der
Disziplin der Soziologie ist hier auch die Tradition der
Biographieforschung97 hervorzuheben.98 „Die Logik von Fallanalysen
in der Unterrichtsforschung wäre demnach, am einzelnen Fall
genaue Beobachtungen über biographischen Werdegang und
Ausgangsbedingungen des Lerners festzuhalten, den
unterrichtsbezogenen Eingriff zu registrieren und schließlich die
weitere biographische Entwicklung zu beobachten.“ 99 Der Gewinn
daraus wären generalisierende Schlussfolgerungen, die eine
Anwendung pädagogischer Interventionen und Konzepte der
Methodik und Didaktik modifizieren können.
3.3.2 Ansatz der Praxisforschung in der Schule
Grundgedanke des als pädagogische Handlungsforschung
bezeichneten Vorgehens – auch action research genannt – ist, im
Rahmen eines mit den erforschten Individuen offenen und
gleichberechtigten Diskurs, Änderungen in die Praxis umzusetzen.
Was hier geändert werden soll, sind zumeist spezifische Probleme,
die einer Lösung durch Veränderungen bedürfen. Der hier
stattfindende Prozess lässt sich in die Phasen Sammeln von Daten,
Diskussion mit den Betroffenen und Veränderung der Praxis
untergliedern.
97 Vgl. Mikl – Horke 2001, S. 199ff. und S. 278. 98 Vgl. Mayring in: Schnaitmann 1996, S. 51. 99 Ebd., S. 52.
51
Im heutigen Verständnis begreift man diesen Ansatz weniger unter
der Konnotation „action research“, gemeint sind hier Forschen als
tatsächliche Handlung oder Aktionismus, sondern eher als einen
Prozess von praxisreflektierender Forschung, der durch den
Vergleich mehrerer Projekte neue Erkenntnisse für den Praxisalltag
liefern soll.100
3.3.3 Ansatz der Rekonstruktion von Lehrerkognitionen im Dialogkonsens
In diesem Ansatz wird besonders das Verstehen der sinnhaft
handelnden Individuen betont. „Subjektive Theorien als komplexe
Erklärungsmuster, die oft unter der Hand alltägliche
Unterrichtshandlungen von Lehrerinnen und Lehrern beeinflussen,
stehen hier im Zentrum.“ 101 Es wird also nach dem „Wie?“ und
„Warum?“ der Handlungen von Lehrenden gefragt, vor dem
Hintergrund ihrer eigenen subjektiven Wirklichkeit.
In der praktischen Umsetzung zeigt sich dies in einer dialogischen
Arbeit zwischen Forscher und Proband: So können Ton- und
Videoaufzeichnungen herangezogen werden, die, als Ganzes oder
sequentiell, beobachtet und diskutiert werden. Solche Aufnahmen
werden gewöhnlich sehr spezifisch ausgewählt, indem sie einem
bestimmten Thema unterstehen: Beispielsweise werden Aufnahmen
ausgewählt, die die Ermahnung eines störenden Schülers zeigen.
Bei der Analyse der Aufnahmen bietet es sich an, mit dem
Probanden zusammen Muster und Strukturen der Beobachtungen zu
konstruieren. Hierzu werden Techniken, wie die Pfadanalyse,
beispielsweise mittels Karteikarten, empfohlen, da hier Strukturen
nach und nach generiert und geändert werden können. Die
gemeinsame Arbeit an der Konstruktion von Mustern und Strukturen, 100 Vgl. ebd., S. 52f. 101 Mayring in: Schnaitmann 1996, S. 54.
52
sowie deren gemeinsame Validierung, ist insofern von hoher
Bedeutung, da man durch den Konsens von Forscher und Proband
möglichst dicht an die subjektiven Theorien herankommen
möchte.102
3.3.4 Ansatz der qualitativ orientierten Unterrichtsbeobachtung
Diese Form eines Ansatzes zeichnet sich besonders dadurch aus,
dass die Beobachtung von Unterricht selbst, weniger strukturiert und
durch vorangeschaltete Kategoriensysteme vorgegeben ist. Man
kann diese Form der Unterrichtsbeobachtung somit als Antwort auf
die Kritik an Kategoriensystemen, die bisher an der Praxis des
Unterrichts gescheitert waren, verstehen.
„Qualitative Beobachtungsansätze sehen hier nicht die Aufgabe des
schematischen Führens von Strichlisten zu vorgegebenen
Beobachtungskriterien, sondern sie sehen den Beobachter selbst als
Erhebungsinstrument, sein einfühlendes Verstehen, sein
pädagogisches Sehen.“103 Durch die teilnehmende Beobachtung von
Unterricht soll es dem Beobachter gelingen, einen deskriptiven
Zugang zum Geschehen zu erlangen. In der Praxis würde also der
Forscher am Unterricht für einen längeren Zeitraum kontinuierlich
teilnehmen, seine Beobachtungen sichert er dabei in Form von
Unterrichtmaterialien104, Notizen oder auch von Protokollen, die er
zur weiteren Analyse heranziehen kann. Durch sein aktives
Teilnehmen im Kontext sammelt er weitere Quellen zur Analyse, wie
etwa Interviews mit anderen Teilnehmern oder sonstige
Aufzeichnungen.
102 Vgl. ebd., S. 54. 103 Ebd., S. 53. 104 Solche Unterrichtmaterialien können in einem gesonderten Verfahren genauer analysiert werden. Dabei kann besonderes Augenmerk dem Inhalt, der Konzeption und dem didaktischen Aufbau gelten, oder bei komplexeren Materialien sogar Rückschlüsse auf den Verfasser gezogen werden. Vgl. hierzu: Ausubel 1974, S. 353ff.
53
4. Überblick über Methoden und Techniken zur Erhebung und Analyse
Gerade im Bereich der qualitativen Sozialforschung gibt es eine
Reihe neuer Verfahren, deren Ziel es ist, die subjektive Weltsicht der
Probanden und / oder die Struktur bzw. implizite Muster des
Beobachteten zu erfassen. „Einheitliche Klassifikationen qualitativer
Techniken der Erhebung und Auswertung von empirischem Material
liegen nicht vor.“105 Vergleicht man die gängige Literatur106, so lassen
sich in den verschiedenen vorgeschlagenen Auflistungen von
Methoden und Techniken folgende „Grundtechniken“ erkennen, die
sowohl für quantitative, als auch qualitative Forschung von
Bedeutung sind. Diese sollen nun näher dargestellt werden, wobei
der Fokus der Betrachtung hauptsächlich auf qualitativer Seite liegt:
1. Die Befragung
2. Die Inhaltsanalyse
3. Die Beobachtung
4.1 Die Befragung
„Die Befragung gilt nach wie vor als das Standardinstrument
empirischer Sozialforschung bei der Ermittlung von Fakten, Wissen,
Meinungen, Einstellungen oder Bewertungen (…).“ 107 Allein die
Bedeutung des Begriffs „Befragen“ weist implizit darauf hin, dass hier
ein hoher Grad an Kommunikation mitschwingt, der für die
Interaktion zwischen „Befrager“ und „Befragtem“ unabdingbar ist.
Inwiefern nun der Kontakt zwischen beiden Parteien nun wirklich
erfolgt hängt von der Form der Befragung und der verwendeten
105 Bortz et al. 2002, S.306. 106 Vgl. zum Beispiel : Lamnek 1995b, Bortz et al. 1995, Schnell et al.1999, Bohnsack 1999. 107 Schnell et al. 1999, S. 299.
54
technischen Hilfsmittel ab. Einen Überblick über die verschiedensten
Arten der Befragung soll die folgende Matrix nach Lamnek108 kurz
verdeutlichen:
Abb. 05: Arten der Befragung in quantitativer und qualitativer Forschung
(Quelle: Lamnek 1995b, S. 37.)
Spezifisch für die quantitative Forschung ist hier, dass die
Vorgehensweise der Befragung zumeist hochstrukturiert und
standardisiert ist. Zu den klassischen Formen zählen das
strukturierte Interview von Einzelpersonen und Gruppen als
mündliche Befragung, das Verwenden von a priori ausgearbeiteten
Fragebögen zur mündlichen und schriftlichen Befragung, oder die
Nutzung von Kommunikationsmedien, die sich zur schnellen
108 Lamnek 1995b, S. 37.
55
Datenerfassung und gleichzeitiger Reduktion von Kosten etabliert
haben, wie beispielsweise Telefoninterviews109. Der hauptsächliche
Aufwand liegt hier definitiv in der Vorbereitungsphase, in der die
Kriterien des Instruments sorgfältig erarbeitet werden, sowie deren
Handhabung in Schulungen eindeutig vermittelt werden müssen. Der
große Vorteil liegt danach in der raschen Anwendung und Analyse,
die sogar unabhängig vom Durchführenden ist: Die Rolle des
„Befragers“ ist also austauschbar, da hier im Zentrum die
Anwendung der standardisierten Technik steht.110
Im Gegensatz dazu gestalten sich Befragungen in der qualitativen
Forschung weitaus offener, bezüglich ihrer Formalia und Strukturen,
und deswegen auch flexibler in der Durchführung, was Ereignisse
des untersuchten Objekts betrifft. Das Besondere an qualitativen
Befragungen ist, „(…) daß sie ohne Fragebogen und festes
Frageschema durchgeführt wird.“ 111 Nach Lamnek lassen sich
qualitative Interviews mit folgenden Punkten charakterisieren112:
1. Qualitative Befragungen sind in ihrer Form mündlich –
persönlich, sie sind also Interviews in Reinkultur.
2. Qualitative Befragungen sind nicht – standardisierte Interviews.
Da die Situationen nicht vorhersehbar sind, macht eine
Standardisierung der Befragung auch wenig Sinn.
3. Um den Prozess der Befragung aufrecht zu erhalten, werden
ausschließlich offene Fragen verwendet.
109 Telefoninterviews haben sich seit den 1970er Jahren immer mehr durchgesetzt. Galten sie zunächst als „Quick – and - Dirty – Fixes“ zur Erhebung von Daten, stellen sie nun eine Methode dar, die Kosten und Zeit bei Befrager und auch Befragtem reduzieren. Vgl. hierzu: Schnell et al. 1999, S. 340f. Des Weiteren lässt sich heutzutage ein Trend beobachten, der modernere Medien, wie etwa das Internet, zur Datensammlung nutzt. Das Verwenden von Online – Befragungen genießt nicht nur rege Anwendung von Seiten wissenschaftlicher Institute, sondern auch bei Weiterbildungsanbietern, oder sogar im Rahmen von Beratungsprozessen in Form von Online – Coachings. Vgl. hierzu: Middendorf et al. 2003, S. 17ff. 110 Vgl. Schnell et al. 1999, S. 299ff. 111 Lamnek 1995b, S. 43. 112 Vgl. ebd., S. 59f.
56
4. Aufgrund der Thematik mit teils sehr persönlichem Inhalt
werden solche Befragungen zumeist als Einzelbefragung
durchgeführt.
5. Der Stil des „Befragers“ lässt sich als neutral bis
„weich“ bezeichnen.
Exemplarisch für die Unterschiede zur quantitativen Befragung wird
hier das so genannte narrative Interview vorgestellt, dessen
Besonderheiten die qualitative Vorgehensweise anschaulich darstellt:
„Narrative Interviews können als Extremform einer offenen
Befragung betrachtet werden.“113 Dabei werden weder vorgefertigte
Fragen oder Leitfäden verwendet, der Interviewer gibt lediglich ein
Grobthema vor, aufgrund dessen der Befragte seine eigenen
Erlebnisse erzählt114. Im Mittelpunkt dieser Form der Befragung steht
also der Befragte als Subjekt, der in der so genannten Erzählphase
seine Sicht der Dinge schildert. Er liefert nicht nur bloße Daten, „(…)
sondern er determiniert als Subjekt das Gespräch qualitativ und
quantitativ (…).“115 Der Interviewer selbst greift erst dann, wenn die
Erzählung zu Ende ist. In der Rückgriffphase kann er um
Wiederholung einzelner Episoden der Erzählung bitten, in der
Bilanzierungsphase kann er den Befragten dazu bringen, bestimmte
Aspekte zu vertiefen und zu modifizieren. 116 Dabei soll der
Interviewer dem Erzähler den Eindruck vermitteln, dass er aktiv
zuhört, um den Redefluss, sprich Prozess des narrativen Interviews,
aufrecht zu erhalten.117
113 Schnell et al. 1999, S. 356. 114 Daher auch der Begriff des narrativen Interviews: (lat.) narrare = erzählen. – Anm. d. Verf. 115 Lamnek 1995b, S. 64. 116 Lamnek stellt den eben drei genannten Phasen des narrativen Interviews noch zwei weitere voran: Die „Erklärungsphase“, in der der Erzähler in den Ablauf dieser Technik eingestimmt wird, des weiteren die Phase der „Einleitung“, in der eine Art Metakommunikation stattfindet. Das heißt, es wird vereinbart, welche Aspekte erzählt werden sollen. Vgl. hierzu: Lamnek 1995b, S. 70f. 117 Vgl. Schnell et al. 1999, S. 356f.
57
Was die praktische Anwendung solch einer Methode betrifft, kann
festgestellt werden, dass das narrative Interview inhaltlich auch in
der professionellen, beraterischen Tätigkeit, wie dem Coaching oder
Changemanagement, explizit seine Anwendung findet. Man spricht
hier auch vom so genannten „Storytelling“: Der Vorteil wird hier vor
allem darin gesehen, dass Geschichten immer Ganzheiten
beinhalten. Dies bedeutet, dass Geschichten nicht nur Faktenwissen,
sondern auch Zusammenhangswissen in sich bergen.118 Es werden
also Sachinhalte mit Beziehungsinhalten, vor dem Hintergrund einer
subjektiven Logik, miteinander verknüpft, die als Grundlage einer
weiteren Bearbeitung dienen können.119
So flexibel sich diese Form der Befragung in der Datenerhebung
verhält, umso schwieriger stellt sich die Auswertung und Analyse dar.
Grundsätzlich sollten die gewonnenen Daten zunächst mit Hilfe von
Aufzeichnungsgeräten dokumentiert werden 120 . Um dieses
„Rohmaterial“ nun weiterzuverarbeiten, sollte es in einem weiteren
Schritt transkribiert 121 werden, um so eine Grundlage für weitere
Interpretationen in der Analyse zu schaffen. Sofern die Rohdaten nun
nicht in Form von quantitativen Analysetechniken transferiert werden,
stellt die Analyse mittels Interpretationen eine besondere
Schwierigkeit dar: „Der Prozeß der Interpretation ist durch die
persönliche Deutungskompetenz des Forschers und durch seine
Eindrücke von den jeweiligen Interviews beeinflußt.“122 Somit sind
einerseits die methodologischen Fähigkeiten des Forschers,
118 Frenzel et al. 2004, S. 26f. Der Wert von Geschichten im Systemdenken wird auch ausführlich in Senges „Fieldbook zur fünften Disziplin“ erläutert: Mit Erzählungen können Verhaltensmuster, Systeme und mentale Modelle rekonstruiert werden. Vgl. hierzu: Senge et al. 1996, S. 111ff. 119 Gerade im Bereich der Organisationsentwicklung liefert das „Geschichtenerzählen“, im Rahmen der Methodik des narrativen Interviews, einen wesentlichen Beitrag zur Organisationsdiagnostik. Durch eine entsprechende Analyse können so innerhalb der Unternehmenskultur geronnene Kommunikations- und Interaktionsmuster aufgedeckt werden. Die Auswertung von „Geschichten“ dient dazu, den latenten „Sinn“ solcher Strukturen zu erfassen. Vgl. hierzu: Gebert in: Flick et al. 1995, S. 299. Und: Neuberger in: Flick et al. 1995, S. 303. 120 Vgl. Schnell et al. 1999, S. 357. 121 Vgl. Lamnek 1995b, S. 108. 122 Ebd., S. 124.
58
andererseits auch seine subjektiv gewonnenen Erfahrungen aus der
unmittelbaren Interaktion mit dem Befragten von basaler Bedeutung
für das Ergebnis der Interpretation.
Um so die Interpretation für dritte nachvollziehbarer und
gewissermaßen „objektiver“ zu machen, soll dabei das Prinzip der
Explikation Anwendung finden: „Expliziert werden sollen diesem
Prinzip gemäß auch die Regeln, nach denen die erhobenen Daten
(…) interpretiert werden bzw. anhand welcher Regeln die
kommunikative Erfahrung überhaupt erst in Daten umgeformt
wird.“123 Dadurch wird es dritten, unbeteiligten Personen erleichtert,
die Schritte der Interpretation kognitiv nachzuvollziehen. Des
Weiteren liegt der Vorteil ebenso beim Forscher, da er hier sein
Vorgehen in der Erhebung und Analyse nochmals eingehend
reflektiert.
4.2 Die Inhaltsanalyse
Die Inhaltsanalyse ist eine Methode, die gleichermaßen zur
Datensammlung und zur Auswertung von Datensätzen in der
quantitativen oder qualitativen Forschung angewendet werden kann.
Ihr kommt somit die doppeldeutige Bedeutung von Analysetechnik
und Verfahren zur Datenerhebung zu, sodass sie auch als Mischform
bezeichnet werden kann124. „Das Ziel von Inhaltsanalysen ist die
systematische Bearbeitung von Material aus Kommunikationen.“125
Dieser Definitionsversuch beschreibt den Forschungsgegenstand
von Inhaltsanalysen als Ergebnis von Kommunikation jeglicher Art.
Betrachtet man Beschreibungen zur Inhaltsanalyse in der
vorfindlichen Literatur126, wird zumeist der Forschungsgegenstand
explizit als Texte aller Art, der auch Material aus den Medien
123 Lamnek 1995a, S. 26. 124 Vgl. Schnell et al. 1999, S. 374. 125 Mayring in: Flick et al. 1995, S. 209. 126 Vgl. Lamnek 1995b, Schnell et al. 1999.
59
Rundfunk und Fernsehen beinhalten kann, bezeichnet. Der
Forschungsgegenstand als Resultat aus Kommunikationen birgt
jedoch weitaus mehr Quellen als Zeitungsartikel oder Sendebeiträge.
Der Begriff Text dient hier also als Kategorie für Dokumentationen
jeglicher Art 127 . Mayring weist darauf hin, dass der Begriff der
Kommunikation jegliche Facetten von auswertungswürdigem
Material beinhaltet, wie etwa musikalische und plastische Materialien,
die jedoch letztendlich alle in einer Art und Weise aufgezeichnet, also
protokolliert, werden128.
In der quantitativen Forschung haben sich vorrangig vier Formen der
Inhaltsanalyse durchgesetzt129:
1. Die Frequenzanalyse: Hier wird eine Klassifizierung für die zu
untersuchenden Texte vorgenommen, bei denen lediglich
deren Häufigkeiten130 überprüft wird.
2. Die Valenzanalyse: Diese Form ist insofern spezifischer, da
hier Konnotationen, seien sie positiv, negativ oder neutral, in
Zusammenhang mit Oberbegriffen gebracht werden, die für
den Forschungsgegenstand relevant sind.
3. Die Intensitätsanalyse: Sie baut gewissermaßen auf die
Valenzanalyse auf, da hier zusätzlich die Intensität der
Bewertungen mit erfasst wird.
4. Die Kontingenzanalyse 131 : Bei dieser Form kann die
Auswertung bereits als tiefschichtiger verstanden werden. Hier
127 Vgl. Lamnek 1995b, S. 184. 128 Vgl. Mayring in: Flick et al. 1995, S. 209. 129 Vgl. Schnell et al. 1999, S. 375. 130 Häufigkeiten können als kumulierte (= prozentuales Aufkommen zur Gesamtheit der Klassifizierungen) oder als absolute Häufigkeiten (= „reales“ Vorkommen der Klassifizierungen) beschrieben werden. Vgl. hierzu: Bortz 1999, S. 31ff. 131 Laut Lamnek ist heutzutage die Bedeutungsfeldanalyse als Weiterentwicklung der Kontingenzanalyse gebräuchlicher: Grundannahme ist hier, dass das gemeinsame Auftreten von Elementen nicht dem Zufall entspringt, sondern auf Kognitions- und Denkstrukturen
60
wird das häufige Auftreten bestimmter sprachlicher Elemente
in Zusammenhang mit anderen Begriffen erfasst.
Ein besonderer Vorteil der Inhaltsanalyse ist, dass bei dem
eigentlichen Analyseverfahren weder Verfasser, noch Adressaten
der untersuchten Texte direkt beeinträchtigt werden. Dies macht die
Inhaltsanalyse zu einem non – reaktiven Verfahren132. Somit kann
das Risiko eventueller Verzerrungen von Seiten der implementierten
Individuen auf ein Minimum reduziert werden.
Hauptsächliche Schwierigkeiten bei der Anwendung der quantitativen
Inhaltsanalyse bereitet das Anfertigen eines praktischen
Kategorienschemas, da hier im Vorfeld, neben dem Bestimmen der
zu untersuchenden Grundgesamtheit und daraus resultierender
Stichprobe, Kategorien als Oberbegriffe definiert werden müssen.
Zusätzlich ist es erforderlich, dass diesen Oberbegriffen
Unterkategorien beigefügt werden müssen, um ein möglichst weites
Spektrum der festgelegten Kategorie widerzuspiegeln. Dabei ist die
bei allen Kategorienschemata gemeine Forderung nach Exklusivität,
Disjunktion und Independanz der verwendeten Kategorien die
Grundvoraussetzung bei der Konstruktion.133 Im quantitativen Sinne
dient die Inhaltsanalyse als Instrument zur Erhebung von Daten, die
zur weiteren Analyse mit anderen Techniken aufbereitet werden. Die
aus einer Stichprobe erhobenen Daten werden demnach dazu
verwendet, um Hypothesen, die a priori gebildet wurden, zu
falsifizieren.134
Die qualitative Inhaltsanalyse entstand wohl aus der Kritik an der seit
den 1920er Jahren praktizierten Analyse von Häufigkeiten, die
bzw. Kommunikationsintentionen des Verfassers / Sprechers beruhen. Vgl. hierzu: Lamnek 1995b, S. 195f. 132 Vgl. Schnell et al. 1999, S. 374. 133 Vgl. ebd., S. 375ff. 134 Vgl. Lamnek 1995b, S. 185ff.
61
vornehmlich Zeitungsartikel, Dokumenten oder Rundfunksendungen
untersuchte. Diese Kritik bezog sich dabei auf folgende Punkte:135
a. Durch das Betrachten quantitativer Häufigkeiten werden latente
Sinnstrukturen negiert oder nur rudimentär erfasst.
b. Der übergeordnete Textkontext, der Einfluss auf die
untersuchten Einheiten hat, wird nicht erforscht.
c. Der selbst auferlegte Anspruch von Systematik und
Überprüfbarkeit durch dritte wird nicht vollends eingelöst.
d. Die linguistische Fundierung weist teilweise Mängel auf.
Bei der qualitativen Inhaltsanalyse sollen voreilige Quantifizierungen
verhindert werden, wobei ein klar strukturiertes und systematisches
Vorgehen die Option einer möglicherweise späteren, quantitativen
Auswertung bewahrt. Neben den ersten Schritten der Festlegung des
verwendeten Materials, Analyse der Entstehungssituation und der
Charakteristik des zu untersuchenden Materials, kommt nun die
Entscheidung in welche Richtung nun die Analyse gehen soll: Es
stellt sich die Frage, ob das Ziel der Analyse nun der Text an sich,
der Verfasser oder sogar die soziokulturelle Umwelt des Verfassers
und / oder des Lesers sein soll. Im Anschluss schließen
untersuchungsgegenstandsspezifische Analyseschritte an. Das von
Mayring vorgeschlagene Modell einer qualitativen Inhaltsanalyse
manifestiert sich in folgender graphischen Darstellung:136
135 Vgl. Mayring in: Flick et al. 1995, S. 209. 136 Vgl. ebd., S. 210f.
62
Abb. 06: Allgemeines Schema einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring
(Quelle: Mayring in: Flick et al. 1995, S. 210.)
Die eben erwähnten untersuchungsspezifischen Analyseschritte
richten sich, wie der Name schon sagt, am jeweiligen
Untersuchungsgegenstand aus. Um jedoch einen groben Überblick
über die unterschiedlichen Spezifikationen zu geben, können drei
Grundmodelle einer qualitativen Inhaltsanalyse festgestellt
werden:137
1. Die zusammenfassende Inhaltsanalyse: Um den Kontext des
untersuchten Materials zu halten, wird auf eine großflächige
Reduktion des Materials verzichtet, da der wesentliche Inhalt
erhalten bleiben soll. Diese Form bietet sich besonders da an,
137 Vgl. ebd., S. 211ff.
63
wo der Inhalt von besonderem Interesse ist, da die
Komprimierung des Materials danach in Kurzform vorliegt.
2. Die explizierende Inhaltsanalyse: Durch das Heranziehen von
Explikationsmaterial unterschiedlichster Art sollen unklare
Textteile verständlich gemacht werden. Dabei wird zusätzlich
noch das explikative Material darin unterschieden, ob es zum
direkten Umfeld des untersuchten Textes gehört, oder ob
zusätzliches Material über den Text hinaus darstellt.
3. Die strukturierende Inhaltsanalyse: Das Ziel ist hier,
bestimmte Aspekte herauszulösen und diese nach
festgelegten Kriterien zu bewerten und in Strukturmuster zu
kondensieren.
Generell kann daraus geschlossen werden, dass die qualitative
Inhaltsanalyse von besonderem Wert in der qualitativen Forschung
ist, da sie den Zugang zur Realität subjektiver Deutungsmuster
ermöglicht. Ebenso, wie bei der quantitativen Inhaltsanalyse, kommt
hier der Vorteil eines non – reaktiven Verfahrens besonders zum
Tragen. Der wohl gewichtigste Vorteil liegt jedoch in der
systematischen Vorgehensweise, deren Einzelschritte mittels
vorangegangener Explikation zu weitaus genaueren Resultaten
führen, die bedarfsweise auch mit quantitativen Verfahren einer
weiteren Analyse unterzogen werden können. Abschließend muss
jedoch darauf hingewiesen, dass letztendlich der
Forschungsgegenstand der Maßstab für die Eignung dieser Methode
ist. Den Untersuchungsgegenstand in wohl durchdachte Modelle zu
pressen, entspräche nicht dem Bestreben von Forschung. Entstünde
der Anschein, diese Methode dient nicht einer dem
Untersuchungsgegenstand adäquaten Analyse, müssen weitere
Techniken hinzugezogen werden.
64
4.3 Die Beobachtung
Die Beobachtung wird oft als die grundlegendste und natürlichste
Form, Daten zu erheben, betrachtet. Denn allein durch unsere
täglichen Beobachtungen nehmen wir Elemente unserer Umwelt
wahr und verarbeiten das, was beobachtet wurde, sogleich zu
Informationen weiter, die unser weiteres Denken und Handeln
beeinflussen. „Der Übergang von der alltäglichen
„naiven“ Beobachtung erfolgt jedoch, indem das Verfahren der
Beobachtung kontrolliert und systematisch abläuft und
Differenzierung des Beobachtungsbegriffs stellt die Dichotomie von
direkter und indirekter Beobachtung dar. Mit direkter Beobachtung ist
eine unmittelbare Beobachtung von Verhalten gemeint, indirekte
Beobachtung beschreibt vielmehr ein Verfahren, dass sich mit
Spuren oder Auswirkungen von bestimmten Verhalten beschäftigt.139
Betrachtet man die Methode der direkten Beobachtung näher, lassen
sich Kriterien anführen, die einzelne Beobachtungsformen
ausdifferenziert:140
a. Wissen die betroffenen Beobachtungsobjekte eigentlich von der
Beobachtung? Wird diese Frage mit ja beantwortet, spricht man
von einer offenen Beobachtung, haben die betroffenen keinerlei
Kenntnis davon, spricht man von einer verdeckten Beobachtung.
b. Nimmt der Beobachter per se an den Interaktionen des
beobachteten Geschehens teil? Dokumentiert der Beobachter
seine Beobachtungen lediglich, findet eine nicht – teilnehmende
Beobachtung statt. Ist er hingegen als ein Element des zu
beobachteten Sozialgefüges in Interaktionen eingebunden
spricht man von einer teilnehmenden Beobachtung.
138 Schnell et al. 1999, S. 358. 139 Vgl. ebd., S. 358. 140 Vgl. ebd., S. 359f.
65
c. Wird im „Feld“ oder im „Labor“ beobachtet? „Feld“ bezeichnet
Beobachtungen, die in einer natürlichen Situation wirklich
stattfinden, „Labor“ beschreibt Beobachtungen von Situationen,
die für das Forschungsziel zweckdienlich und standardisiert sind.
d. Zielt die Beobachtung auf andere Objekte ab, oder die eigene
Person? Diese Frage beschreibt die Differenz von
Selbstbeobachtung und Fremdbeobachtung. Generell kann die
Fremdbeobachtung als übliche Methode betrachtet werden,
wobei festzuhalten ist, dass ebenso Selbstbeobachtungen,
speziell die Methode der so genannten Introspektion141, gerade
in der teilnehmenden Beobachtung zu zusätzlichen
Erkenntnissen führen kann.
Eine übersichtliche graphische Aufbereitung der verschiedenen
Beobachtungsformen, einschließlich ihrer entsprechenden
Differenzierungsdimension, bietet Lamnek an, die hier beigefügt
werden soll:
Abb. 07: Beobachtungsformen mit dazugehöriger Differenzierungsdimension
(Quelle: Lamnek 1995b, S. 254.)
141 Exemplarisch seien hier Wilhelm Wundts Beobachtungen der inneren Gefühlszustände und Empfindungen von Menschen genannt: Dabei schildern die Probanden detailliert ihre subjektiven Bewusstseins- und Gefühlszustände. Vgl. hierzu: Zimbardo 1995, S. 225 und 753.
66
Besonders in der (zweiten) Dimension der Standardisierung ist klar
herauszustellen, dass die Differenz zwischen unstrukturiert und
strukturiert keineswegs über den Grad der Wissenschaftlichkeit einer
Beobachtung Auskunft gibt: „Sowohl die strukturierte als auch die
unstrukturierte Beobachtung richten sich auf ein genau formuliertes
Forschungsziel, sind systematisch geplant, werden systematisch
aufgezeichnet und können Überprüfungen zugeführt werden.“142 Der
eigentliche Unterschied 143 liegt eigentlich darin, dass bei einer
strukturierten Beobachtung a priori Kategorien durch den Forscher
konstruiert werden, an denen er seine Beobachtung ausrichtet. Diese
Vorgehensweise hat den besonderen Vorteil, dass hier ein hohes
Maß an Kontrolle bezüglich der Methode vorliegt. Ist eine
Beobachtung weitestgehend unstrukturiert, ist sie dennoch ebenso
systematisch. Hier werden keine vorab festgelegten Kategorien
verwendet, vielmehr werden allgemeingültige Richtlinien für den
Beobachtungsvorgang konstituiert, den dem Beobachter einen
Rahmen liefern, innerhalb dessen Grenzen er sich bewegen kann.144
Diese Beschreibung zeigt, dass die eher strukturierte Form eher dem
Paradigma quantitativer Forschung entspricht, da hier die
Anwendung des Instruments an Bedeutung gewinnt und die
Subjektivität des Beobachters eher rezessiv erscheint. Im Gegensatz
dazu steht die tendenziell unstrukturierte Beobachtung. Der hier
weiter abgesteckte Rahmen bietet augenscheinlich ein höheres Maß
an Flexibilität, da auch Situationen erfasst werden können, die nicht
vorhersehbar waren. Die subjektive Wahrnehmung des Beobachters
gewinnt hier an Stellenwert.
Da bereits von Systematisierung und Strukturierung bereits die Rede
war, sollen, an dieser Stelle, nun auch mögliche Formen der
Datenerhebung mit einem gefertigten Beobachtungssystem
142 Lamnek 1995b, S. 250. 143 Wenn wir hier von Unterschied sprechen, dann mehr von gradueller, als von grundsätzlicher Art. Strukturiert und Unstrukturiert stellen kenne absoluten Gegenpole dar, sondern bilden vielmehr die Grenzen von zahlreichen Zwischenformen des Strukturierungsgrades. Vgl. hierzu: Lamnek 1995b, S. 250 und 254. 144 Vgl. ebd., S. 250.
67
dargestellt werden. Gerade in der quantitativen Forschung haben
sich solche hoch strukturierten Schemata durchgesetzt. In diesem
Fall unterscheidet man drei Typen von Beobachtungssystemen145:
1. Zeichensysteme: Es werden lediglich einzelne oder mehrere
Ereignisse vorab festgelegt, die für die Beobachtung von
Interesse sind. Dies bedeutet folglich, dass der kontinuierliche
Prozess in den Hintergrund rückt, da nur dem Aufkommen der
bestimmten Ereignisse Beachtung geschenkt wird.
2. Kategoriensysteme: Wie schon bei der quantitativen
Inhaltsanalyse erläutert, stellt die Erstellung eines solchen
Kategoriensystems die hauptsächliche Herausforderung dar.
Es werden hier Kategorien für jede mögliche Handlung erstellt,
die den gesamten Prozess erfassen sollen. Gerade das
gleichzeitige Beobachten und Protokollieren verlangt dem
Beobachter eine hohe Konzentration ab.
3. Schätzskalen oder Rating – Verfahren: Der Beobachter muss
eine Bewertung bezüglich des Ausprägungsgrades eines
beobachteten Ereignisses vornehmen (etwa: stark – mittel –
schwach).Solche Schätzskalen werden zumeist in
Kombination mit Zeichen- oder auch Kategoriensysteme
verwendet. Da diese Art der Beobachtung vollste
Konzentration erfordert, wird auf sie nicht zu oft
zurückgegriffen146.
Was die Zuverlässigkeit des Beobachters betrifft, stellt er einen
gewissen „Risikograd“ bei solchen Beobachtungssystemen dar. Vor
dem Beobachtungsvorgang gilt es, den Beobachter besonders im
Umgang mit dem betreffenden System zu schulen, indem er mit ihm
145 Vgl. Schnell et al. 1999, S. 361. 146 Besonders die Operationalisierung der Ausprägungen der beobachteten Merkmale stellt die große Herausforderung bei der Verwendung solcher Schätzskalen dar. Vgl. hierzu: Graudenz et al. 1982, S. 08.
68
vertraut gemacht wird, es vorab praktisch benutzt und für eventuelle
Grenzentscheidungen genauestens instruiert wird. Während des
Beobachtungsprozesses steht er vor der großen Aufgabe, in einem
Zuge, Daten zu erfassen, diese selektiv zu erfassen und eine
Reduktion des Beobachteten vorzunehmen. Ist der Beobachter auf
seine Tätigkeit nicht ausreichend vorbereitet, kommt es unweigerlich
zu Beobachterfehlern, die letztendlich zu Verzerrungen der
Ergebnisse der verwendeten Zeichen- und Kategoriensysteme
führen.147
In der qualitativen Forschung genießt insbesondere die teilnehmende
Beobachtung einen exponierten Stellenwert: „Bei qualitativen
Vorgehen versucht der Sozialforscher in Absetzung von den
hochstandardisierten Erhebungstechniken und den a priori
festgelegten Beobachtungskategorien auch hypothetisch nicht
erwartete, unvorhergesehene Ereignisse als Verhaltensweisen,
Meinungsäußerungen etc. zu erfassen, weil durch diesen nicht
eingeplanten Informationsgewinn er gerade zu weiter- und
tiefergehenden Erkenntnissen gelangen kann. Um diese Absicht
allerdings realisieren zu können, bedarf es einer Haltung großer
Offenheit. Diese kann sich der Forscher gerade bei teilnehmender
Beobachtung leicht bewahren, da spontane Äußerungen und
plötzliche Reaktionen im beobachteten Feld ebenso wie
unvorhergesehene Situationsveränderungen eine flexible Reaktion
als Umlenkung des Augenmerks auf solches Geschehen
ermöglichen.“ 148 Gerade dadurch, dass in der qualitativ –
teilnehmenden Beobachtung keine hoch standardisierten
Beobachtungssysteme verwendet werden, ergibt sich ein Zuwachs
an Erkenntnissen. Vor allem in alltäglichen Situationen, aber auch in
organisierten Veranstaltungen, wie etwa Weiterbildungsmaßnahmen
in der Erwachsenenbildung, emergieren aus der Interaktion von
Individuen immer wieder neue Szenerien, die in der aktuellen
Beobachtung kaum abschätzbar waren. Oft erscheinen sie spontan, 147 Vgl. ebd., 367ff. 148 Lamnek 1995b, S. 259.
69
sind unkalkulierbar und sind einmalig aufgetreten, nur in dieser
einzigartigen Konstellation von den agierenden Personen und
Rahmenbedingungen.
Und eben das Erfassen solcher Situationen verlangt vom Beobachter,
dass er, ohne festgelegte Kriterien im Hinterkopf149, im sozialen Feld
seiner Beobachtung interagiert.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wie offen oder
verdeckt die teilnehmende Beobachtung vonstatten gehen sollte.
Denn bei dieser Methode ist mitunter darauf zu achten, dass die
bloße Anwesenheit des Beobachters die Situation nicht beeinflusst
und somit verfälscht 150 , da sonst der so wertvolle Aspekt der
Situativität und Authentizität verloren ginge. Aus diesem Grund
sollten auch die Beobachteten darüber informiert werden, dass und
zu welchem Zwecke sie beobachtet werden.151
In der Praxis der teilnehmenden Beobachtung muss sich der
Forscher bewusst mit der / den Rolle/n auseinandersetzen, die er
einnimmt. Einerseits agiert er in einem Sozialfeld bzw. einer Gruppe
als gleichwertiges Mitglied, andererseits gilt es für ihn, eine gewisse
Distanz zu bewahren, um den Prozess der Beobachtung nicht zu
vernachlässigen. Lamnek postuliert hier eine Klassifikation von vier
Rollentypen des Beobachters nach Schwartz / Schwartz und Gold152:
1. Der Typus „Vollständige Teilnahme“: Der Beobachter
identifiziert sich vollends mit dem sozialen Umfeld und nimmt
so an einer Interaktion mit anderen auf allen erdenklichen
Ebenen teil. Die Tatsache der völligen Identifikation ist
möglich, da diese Form der teilnehmenden Beobachtung
149 Mögliche Beobachtungseinheiten generieren sich eher flexibel aus dem laufenden Beobachtungsprozess heraus. Dadurch können diese im Verlauf nach und nach modifiziert werden. Vgl. hierzu: Lamnek 1995b, S. 275. 150 Vgl. Reischmann 2003, S. 145. 151 Vgl. ebd., S. 147. 152 Vgl. Lamnek 1995b, S. 263ff.
70
zumeist verdeckt stattfindet. Da es sich hier um keine offene
Beobachtung handelt, kann die Konsequenz daraus sein,
dass der Zugang zu tiefer gehenden Erkenntnissen für die
Forschung verwehrt bleibt.
2. Der Typus „Beobachter als Teilnehmer“: Die primäre Funktion
ist die Beobachtung, dabei ist der Forscher weitestgehend
aber in das Geschehen integriert. Der Vorteil ist dabei, ein
„Aufgehen“ in der Gruppe zu vermeiden (auch als „Going
native“ bezeichnet), wobei, wie gerade eben erwähnt, die
Chance, tiefer- und weitergehende Informationen zu gewinnen,
auch gemindert werden kann.
3. Der Typus „Teilnehmer als Beobachter“: Die primäre Rolle ist
die des Teilnehmers. Dabei nutzt der Forscher seine
Beziehungen zum entsprechenden sozialen Umfeld, die ihm
seine Beobachtungen ermöglichen. Bei der Gewinnung seiner
Erkenntnisse besteht jedoch ebenso das Risiko der Tendenz
zum „Going native“.
4. Der Typus „Vollständige Beobachtung“: In dieser Rolle findet
keinerlei Interaktion zwischen Forscher und dem
Beobachtungsgegenstand statt. Der Vorteil, dass hier das
„Going native“ vermieden werden kann, kann sich hier auch
als nachteilig erweisen. Nämlich dahingehend, dass durch das
Fehlen von Interaktion das Verstehen von laufenden
Prozessen ausbleibt.
Generell ist die Beschreibung dieser Klassifikationen eine
idealtypische. Man kann diese vier Typen als theoretische
Extremkategorien verstehen, die in der Praxis, je nach Situation,
umgesetzt werden. Gleichwohl kann festgestellt werden, dass die
partizipativen Varianten eher dem qualitativen Paradigma
entsprechen, da eine kommunikative Beziehung zwischen Forscher
71
und dem Beobachtungsfeld als basale Komponente des
Forschungsprozesses gilt153. In jedem Fall muss sich der Beobachter
seiner Rolle bewusst sein, seine Rolle mit den entsprechenden
Anforderungen genau kennen. Grundvoraussetzung dabei ist, das
sowohl der Beobachter, als auch das beobachtete Sozialfeld diese
Rolle akzeptiert154.
153 Vgl. Lamnek 1995a, S. 23. 154 Vgl. Lamnek 1995b, S. 266f.
72
II. Teil: Untersuchung der ausgewählten Beraterausbildung
73
5. Evaluation der untersuchten Curricula
Im fünften Kapitel wird zunächst auf den eigentlichen
Forschungsgegenstand dieser Arbeit eingegangen. Dabei werden
zuerst die zu untersuchenden Curriculumseinheiten beschrieben.
Daran anschließend wird das konkrete Vorgehen bei der
Untersuchung ausführlich erläutert, wobei ebenso der theoretische
Hintergrund, auf denen Tools zur Untersuchung konstruiert wurden,
erklärt wird.
5.1 Grundüberlegungen und Präzisierung der Untersuchung
Grundlegendes Ziel der folgenden Untersuchung war die Absicht,
Elemente eines Curriculums aus dem Bereich Coaching bzw.
Changemanagement genauer zu beleuchten und zu evaluieren.
Dabei sollte einerseits der inhaltliche Aspekt entsprechender
Seminarbausteine beleuchtet werden, andererseits erschien der
strukturelle Aufbau einzelner Elemente eines Seminars 155 einer
genaueren Untersuchung würdig. Im Zuge weiterer Vorüberlegungen
wurde das Ziel der Evaluation weiter präzisiert: In einem ersten
Schritt soll der Verlauf und Inhalt protokolliert werden. Die dadurch
erhobene Datenmenge bietet so eine Grundlage für das Abfassen
erster Interpretationen. Allerdings kratzen diese, bildlich gesprochen,
lediglich an der Oberfläche des Curriculums. Würde man diesen
Ansatz weiter verfolgen, ließen sich weitere Erkenntnisse, unter zu
Hilfenahme der Technik der Inhaltsanalyse, speziell hier in Form von
Valenzanalysen, um die konnotative Bewertung von Begriffen zu
erfassen, oder von Kontingenzanalysen, um Relationen verwendeter
sprachlicher Elemente offen zu legen, gewinnen156.
155 Im Folgenden werden die Begriffe Seminar, Seminarbaustein oder auch Modul analog verwendet. – Anm. d. Verf. 156 Vgl. Schnell et al. 1999, S. 374ff.
74
In vorliegender Untersuchung sollte jedoch nicht nur an der bereits
erwähnten Oberfläche curricularer Struktur weiter gearbeitet werden,
der Fokus einer weiteren Analyse richtete sich hier mehr in die
„Tiefe“. Assoziiert man die Vorstellung mehrerer Ebenen bezüglich
einer curricularen Struktur, so stellt der protokollierte Inhalt die erste,
äußere Ebene dar. Um nun eine Ebene tiefer vorzudringen, sollten
markante Elemente, „Gelenkstellen“ genannt, identifiziert werden.
Das Erkennen und Lokalisieren solcher Gelenkstellen dient zum
einen der Komplexitätsreduktion der ursprünglichen Datenerhebung,
da ihr Inhalt und ihre Funktion Repräsentanten des
Seminarbausteins darstellen, zum anderen bilden diese
„Gelenkstellen“ die Kriterien 157 für das Fundament weiterer
Interpretationen, um in tiefere Ebenen der curricularen Struktur
vorzudringen. Eine Ebene tiefer zu gehen, bedeutet hier, die
Beziehungen der gesetzten Gelenkstellen untereinander, innerhalb
des Seminarbausteins, zu betrachten, die vorfindlichen Relationen
seminarübergreifend aufzudecken, wäre ein nächster Schritt. Die
daraus gewonnenen Erkenntnisse erlauben es, Strukturen und
Muster des curricularen Aufbaus zu beschreiben.
5.2 Das Institut und das Setting der Untersuchung
Das durchführende Institut der untersuchten Curricula ist die 2coach
Personal- und Unternehmensberatung GbR in Hamburg. Das
Unternehmen 2coach ist seit dem Jahre 1999 tätig, es versteht sich
als Dienstleistungsunternehmen, das die Segmente Consulting,
Coaching, Trainings und in zunehmenden Maße auch
Outplacement 158 anbietet. Im Bereich der Weiterbildung werden
hauptsächlich zertifizierte Ausbildungen zum Coach, 157 Vgl. Reischmann 2003, S. 39. 158 Neue Anforderungen des Marktes machen es notwendig, Restrukturierungen von Unternehmen zumeist sehr kurzfristig umzusetzen, um eine Neupositionierung und gegebenenfalls sogar Neuorientierung zu ermöglichen. Die Outplacement - Beratung zielt nun darauf ab, dem betroffenen Mitarbeiter und dem Unternehmen eine faire und sozial verträgliche Trennung, unter Vermeidung drohender Arbeitslosigkeit, zu ermöglichen. Vgl.: www.2coach.de/outplacement.html.
75
Changemanager oder Trainer und Prozessberater durchgeführt. Des
Weiteren werden Zusatzqualifikationen und Vertiefungsseminare zu
eben genannten Ausbildungsgängen, aber auch anderen Bereichen
des Personalmanagements oder der Organisationsberatung, wie
etwa Professionalisierungen aus dem Human Resources Bereich
(HR), angeboten159.
Bezogen auf das Setting der Ausbildungsgänge kann bemerkt
werden, dass das Unternehmen, innerhalb seiner Räumlichkeiten,
über insgesamt zwei Räume verfügt, die, je nach Belegung zur
Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen genutzt werden.
Sofern ein Raum nicht anderweitig genutzt wird, können also zwei
voneinander unabhängige Seminare parallel durchgeführt werden.
Von ihrer Erscheinung160 her, sind diese Räume hell und auch hoch
geschnitten, und mehrere Fenster machen einen großflächigen
Lichteinfall möglich.
Ausgestattet sind die Räume mit den gängigen Arbeitsmaterialien
und technischen Medien, wie etwa Flipcharts, Moderationstafeln,
Pinnwänden, Schreibblöcken, oder Overheadprojektoren.
5.3 Die untersuchten Curricula
Nach Aussagen der Trainer, ist für sämtliche angebotene
Weiterbildungsmaßnahmen das Kleingruppenprinzip, das eine
intensive Betreuung und Arbeitsphase der Teilnehmer ermöglichen
soll, angestrebt. Unter Kleingruppenprinzip wird hier die konkrete
Anzahl von idealerweise sechs Teilnehmern, maximal von acht
teilnehmenden Personen, im Seminar verstanden. Ein Seminar
159 Detaillierte Informationen zum gesamten Portfolio unter: http://www.2coach.de/ausbildungstarts.html. - Anm. d. Verf. 160 Nuissl weist hier darauf hin, das die entsprechende Raum- und Arbeitsatmosphäre von elementarer Bedeutung für den weiteren Lernprozess und damit verbundenen Lernerfolg ist. Entscheidende Größen hierfür sind die Beschaffenheit, Lichteinfall, Anordnung der Arbeitsutensilien, Möbel, etc. Vgl. hierzu: Nuissl 2000, S. 42.
76
beläuft sich hier auf die Dauer von zweieinhalb Tagen, das entweder
berufsbegleitend am Wochenende (Freitag, Samstag, Sonntag) oder
in kompakter Form werktags stattfindet. Die temporären Abstände
zwischen den einzelnen Seminarbausteinen sind flexibel gestaltet,
das heißt, dass Folgetermine zwar vorgeschlagen werden, jedoch
vom Teilnehmer individuell mit bestimmt werden können.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde parallel an zwei
kompletten Ausbildungsgängen von 2coach, im Zeitraum von Januar
bis Juli 2005, teilgenommen: Zum einen an der Ausbildung zum
Coach, zum anderen am Ausbildungsgang zum Change Manager161.
Ein drittes Weiterbildungsangebot beinhaltet die Ausbildung zum
Trainer und Prozessbegleiter162.
Diese drei Ausbildungsgänge werden mit ihren einzelnen Seminaren
im so genannten Bausteinsystem verortet: Dieses Bausteinsystem
zeigt dass die ersten vier Seminarbausteine „Vorseminar“,
„Grundlagen der Kommunikationspsychologie“, „Grundlagen der
Gesprächsführung“ und „Konfliktklärungshilfe“ allen drei
Ausbildungsgängen gemeinsam sind, da hier essentielle Grundlagen
vermittelt werden, die im weiteren Verlauf des jeweiligen Curriculums
noch von Bedeutung sein werden. Nach den Grundlagenseminaren
divergieren die Themeninhalte der einzelnen Curricula und bauen
aufeinander bis zum entsprechenden Abschluss aufeinander auf.
Ein großer Vorteil dieses Prinzips ist die Tatsache, dass der
Teilnehmer nach dem Abschluss der Grundlagenseminare, in
Ausnahmefällen auch im fortgeschrittenen Curriculum, sich in der
Wahl des zuerst angestrebten Abschlusses umentscheiden kann,
161 Um weitestgehend verzugsfrei an allen Curricula, innerhalb der Bearbeitungszeit der vorliegenden Diplomarbeit, teilnehmen zu können, wurde mit dem Unternehmen 2coach vereinbart, zwischen den Ausbildungsgruppen zu wechseln. Aus diesem Grunde wurde nicht nur an Wochenendseminaren, sondern auch an den Kompaktkursen teilgenommen. – Anm. d. Verf. 162 Der dritte Ausbildungsgang wird im weiteren Verlauf nicht weiter berücksichtigt. Er soll an dieser Stelle nur genannt werden, um das so genannte Bausteinsystem des untersuchten Instituts zu vervollständigen. – Anm. d. Verf.
77
und so die Möglichkeit hat, in den laufenden Lernprozess zu
intervenieren. Des Weiteren können zum regulären Curriculum noch
weitere Bausteine, zur Vertiefung oder aus Interesse, zusätzlich
gebucht werden:
Abb. 08: Das Bausteinsystem von 2coach
(Quelle: http://www.2coach.de)
Was die einzelnen Curricula betrifft muss bemerkt werden, dass der
weitere Verlauf nicht linear entlang des Bausteinsystems verläuft,
sondern, innerhalb dieser Anordnung, je nach Themengebiet hin und
her springt. Ebenso kommt es vor, dass manche Seminare
gleichermaßen für den künftigen Coach, Change Manager oder
Trainer / Prozessbegleiter relevant und daher im Curriculum
vorgesehen sind.
78
5.4 Die untersuchungsrelevanten Seminarbausteine
Betrachtet man nun die beiden Curricula, „Coach“ und „Change
Manager“, kann, abgesehen von den bereits erwähnten
Grundlagenseminaren, erkannt werden, dass bestimmte
Seminarbausteine, genauer gesagt vier an der Zahl, für beide
Ausbildungsgänge vorgesehen sind. Die vier analog vorgesehenen
Bausteine lauten folgendermaßen:
a. Seminar „Beratungskompetenz“
b. Seminar „Wechsel und Ängste“
c. Seminar „Transaktionsanalyse“
d. Seminar „Systemische Betrachtung“
Aus dieser Tatsache lässt sich schlussfolgern, dass diese vier
Bausteine wohlmöglich
1. sich thematisch auf das Verständnis von Professionalität und
dem damit verbundenem Handeln von sowohl Coach, als
auch Change Manager beziehen.
2. inhaltliche Sachverhalte vermitteln, die für Coach und Change
Manager gleichsam von Bedeutung sind.
3. sich auf Handlungsfelder in universeller Art und Weise
beziehen.
4. gewissermaßen als Schlüsselstellen fungieren, die zwischen
den übrigen Seminarbausteinen eine Art Brücke schlagen.
79
5. Indikatoren dafür sind, dass der zukünftige Coach über
Techniken, Methoden und Tools aus den
Kompetenzbereichen eines Change Manager verfügen soll.
6. Indikatoren dafür sind, dass der zukünftige Change Manager
über Techniken, Methoden und Tools aus dem Repertoire an
Kompetenzen eines Change Manager verfügen soll.
So wurde der Fokus der genaueren Untersuchung in vorliegender
Arbeit auf diese vier Seminare gelenkt. Aufgrund der oben
aufgeführten Schlussfolgerungen, die sich bei der Betrachtung des
Seminargefüges auftaten, erschienen diese Seminarbausteine für
eine intensivere Analyse besonders geeignet.
Ruft man sich das Bild des Bausteinsystems nochmals in Erinnerung,
erscheint zunächst die Positionierung der einzelnen Seminare im
ganzen Ausbildungsgang von Bedeutung zu sein. Da diese
Bausteine jedoch nicht zwingend in einer bestimmten Reihenfolge
abgearbeitet werden müssen, sondern auch optional in abgeänderter
Folge gebucht werden können, relativiert sich die Verortung der
jeweiligen Bausteine vor dem Hintergrund eines angenommenen
linearen curricularen Prozesses. Vielmehr erscheinen hier die
individuelle Struktur der einzelnen Seminare, sowie die Relationen
der vier Bausteine untereinander von größerem Interesse. Um
diesen Gedankengang transparenter zu machen und die
augenscheinlichen Gemeinsamkeiten der beiden Curricula zum
Coach und Change Manager zu verdeutlichen, soll an dieser Stelle
das Bausteinsystem abermals aufgeführt werden:
80
Abschluss Trainer/ Prozessbegleiter
Abschluss Change Manager
Abschluss Coach
Arbeitsprobe Trainer/
Prozessbegleiter
Arbeitsprobe Change Manager
Arbeitsprobe Coach
Die Rolle des Trainers im
Prozess
Systemische Betrachtung
Coaching intensiv
Organisation und Führung
Die Rolle des Moderators im
Prozess
Die Rolle des Coachs
Gruppenstruktur und Dynamik
Wechsel und Ängste
Transaktionsanalyse (TA)
Moderation und Erlebnisaktivierung
Change Management Grundlagen
Beratungskompetenz
Konfliktklärungshilfe Grundlagen der Gesprächsführung
Grundlagen der Kommunikationspsychologie Vorseminar: Coach, Change Manager oder Trainer- und
Prozessbegleiter?
Abb. 09: Das Bausteinsystem „Ausbildung zum Coach“
(Quelle: http://www.2coach.de/ausbildungzumcoa.html) Obige Graphik zeigt in Form der gelben Bausteine den Verlauf des
Curriculums „Ausbildung zum Coach“. Dabei wird wiederum deutlich,
dass die Zusammenstellung der benötigten Seminare sich mehrmals
mit anderen Curricula überschneidet. Die vier, hier relevanten,
Seminarbausteine sind mit einer roten Ellipse umrandet.
Ergänzend wird nun auch das Bausteinsystem „Ausbildung zum
Change Manager“ mit seinen Komponenten abgebildet:
81
Abschluss Trainer/ Prozessbegleiter
Abschluss Change Manager
Abschluss Coach
Arbeitsprobe Trainer/
Prozessbegleiter
Arbeitsprobe Change Manager
Arbeitsprobe Coach
Die Rolle des Trainers im Prozess
Systemische Betrachtung
Coaching intensiv
Organisation und Führung
Die Rolle des Moderators im
Prozess
Die Rolle des Coachs
Gruppenstruktur und Dynamik
Wechsel und Ängste
Transaktionsanalyse (TA)
Moderation und Erlebnisaktivierung
Change Management Grundlagen
Beratungskompetenz
Konfliktklärungshilfe
Grundlagen der Gesprächsführung
Grundlagen der Kommunikationspsychologie Vorseminar: Coach, Change Manager oder Trainer- und
Prozessbegleiter?
Abb. 10: Das Bausteinsystem „Ausbildung zum Change Manager“
aufzunehmen166. Hier sind nicht nur einmalige Aktionen gemeint,
sondern ebenso formelle oder informelle Verhaltensweisen in der
Gruppe: „Als außenstehender Beobachter sieht man Dinge, die für
die anderen Beteiligten zu nicht mehr wahrgenommenen Routinen
geworden sind.“ 167 Als nachteilig könnte sich diese Funktion
erweisen, sobald der Beobachter von der Gruppe als tatsächlicher
„Störfaktor“ wahrgenommen wird. Als Folge daraus könnte
resultieren, dass die Teilnehmer den Beobachter nicht nur in seiner
Funktion wahrnehmen, sondern ihrerseits auch beobachten und sich
letztendlich nicht mehr natürlich verhalten. Gerade in
Seminargruppen, die den Anspruch besitzen, wirklich „etwas lernen
164 Vgl. ebd., S. 266ff. 165 Vgl. ebd., S. 266. 166 Vgl. Königswieser et al. 2004, S. 20. 167 Reischmann 2003, S. 144.
84
zu wollen“, wird diese Funktion schnell zum Störfaktor: „Im
Managementbereich oder bei Selbsthilfehilfegruppen dürfte es fast
unmöglich sein, einen Fremdbeobachter zuzulassen, der notierend
und registrierend dabeisitzt.“168
Nach Abwägen und eingehender Diskussion mit den
Seminarveranstaltern wurde die Funktion als aktiver Teilnehmer in
den Curricula favorisiert. Um hier eventuellen negativen Effekten
vorzugreifen, wurden folgende Maßnahmen beim ersten
Zusammentreffen169 mit der Seminargruppe durchgeführt:
1. Es würde Auskunft über die Person und den persönlichen
Hintergrund gegeben („Wer bin ich?“, „Was habe ich bisher
gemacht?“).
2. Der Grund der Teilnahme am Curriculum wurde geschildert
(„Im Rahmen der Diplomarbeit findet eine teilnehmende
Beobachtung statt.“, „Es wird also beobachtet!“).
3. Der Forschungsgegenstand der Beobachtung wurde erläutert
(„Es werden hier keine einzelnen Personen beobachtet und
beurteilt!“, „Der Inhalt und der Prozess des Curriculums ist von
Interesse.“).170
4. Es wurde versichert, dass die Funktion hier vornehmlich der
reguläre Teilnehmer ist („Auch ich will hier etwas Neues
lernen.“, „Mein Ziel als Teilnehmer ist es auch, die Ausbildung
zum Coach / Change Manager abzuschließen.“).
168 Ebd., S. 145. 169 Gemeint sind hier das allererste Zusammentreffen mit der Seminargruppe, oder wenn neue Mitglieder in die Gruppe integriert wurden. – Anm. d. Verf. 170 Gerade bei der Arbeit mit Erwachsenen sollte darauf geachtet werden, zu erklären, dass beobachtet wird, was beobachtet wird und zu welchem Zweck dies geschieht. Vgl. hierzu: Reischmann 2003, S. 147.
85
5. Des Weiteren wurde erklärt, dass, neben den üblichen
Notizen und Skizzierungen, die jeder Teilnehmer anfertigt,
zusätzliche Vermerke gemacht werden, die eine spätere
Rekonstruktion des Seminars erleichtern sollen („Wenn ihr
bemerkt, dass ich mir zusätzliche Notizen mache, hat das den
Grund, Eckdaten festzuhalten, um eine effektive
Nachbereitung zu ermöglichen.“).
Durch die Offenheit bezüglich der Auskunft zur eigenen Person und
Absicht der Teilnahme, sowie die Erklärung des Respekts vor den
ein einzelnen Teilnehmern, konnte ein Arbeitsklima generiert werden,
das zum einen Vertrauen bildet, zum anderen eine Beeinflussung
durch die Beobachtung unterbindet.
5.5.2 Das Protokollieren und die Transkription der Curricula Um am Geschehen des Curriculums aktiv teilzunehmen, ist es kaum
möglich, im Seminar selbst ein ausführliches Protokoll zu erstellen,
allenfalls sind so genannte „Feldnotizen“ (field notes)171 möglich. Aus
diesem Grunde wurden im laufenden Ausbildungsprozess folgende
Daten aufgenommen:
a. Die Uhrzeit, um die Dauer einzelner Themenabschnitte zu
erfassen, und so deren Intensität in Relation zu anderen
herauszustellen.
b. Das Setting und die Konstellationen von Rollenverteilungen bei
praktischen Übungen in Form von Skizzen.
c. Aussagen und Anweisungen der Trainer, die sich auf
Stoffvermittlung und Arbeitsaufträge bezogen, wurden
größtenteils im Originalton festgehalten.
171 Vgl. Reischmann
86
d. Explizites Verhalten der Trainer bei der Stoffvermittlung und in
den Arbeitsphasen.
e. Die mediale Unterstützung in Form von Hilfsmitteln und
Materialien, die benutzt wurden.
Fixiert wurden die Daten, indem sie, nach dem Seminar, mittels
Transkription aufbereitet wurden. Da ein Seminar aus drei Tagen
besteht, wurden die Notizen, sofern möglich, nach jedem einzelnen
Tag, in eine Art Tagesprotokoll überführt 172 . Somit wurde dem
Vergessen von einzelnen Ereignissen vorgebeugt, und die
Authentizität, speziell von praktischen Übungen, konnte erhalten
werden.
Bei der ausführlichen Protokollierung und Transkription wurde die
Darstellung einer tabellarischen Form gewählt. Zur Rekonstruktion
der jeweiligen Seminare wurde hierfür eine Einteilung in sieben
Kategorien vorgenommen:
1. Zeit: Während der teilnehmenden Beobachtung wurde bei
jedem neuen Themenabschnitt die Uhrzeit notiert, um im
Nachhinein festzustellen, wie viel Zeit die jeweiligen
Ausbildungsinhalte in Anspruch genommen haben. Dabei
muss angemerkt werden, dass kurze Pausen (zumeist fünf bis
zehn Minuten) in der Kategorie nicht gesondert erfasst,
sondern in die Themenanschnitte mit verrechnet wurden. Die
Zeitangabe stellt somit lediglich einen Anhalt dar.
172 Vgl. Flick in: Flick et al. 1995, S. 160. In diesem Zusammenhang bemerkt Lamnek, dass einerseits darauf geachtet werden soll, dass zwischen dem Erleben und Protokollieren keine allzu große Zeitspanne auftritt. Andererseits kann es durchaus auch sehr zuträglich sein, „eine Nacht darüber zu schlafen“, da Aufzeichnungen nochmals reflektiert und konkretisiert werden können. Vgl. hierzu: Lamnek 1995b, S. 295f.
87
2. Ziel: In dieser Kategorie werden die jeweiligen
Ausbildungsinhalte, im Hinblick auf ihre Thematik, zu ein bzw.
zwei prägnanten Sätzen verdichtet. Die Formulierung des
(Ausbildungs-)Ziels spiegelt so den Inhalt des dazugehörigen
Ausbildungsabschnittes wider.
3. Inhaltsbeschreibung: In dieser Kategorie werden die Inhalte
der Ausbildungsabschnitte wiedergegeben. Dabei handelt es
sich einerseits um bearbeitete Themeninhalte, andererseits
um Arbeitsaufträge, die durch den Trainer gestellt wurden.
Des Öfteren wurden diese wortwörtlich in der ersten Person
protokolliert: Solche Aufträge, aber auch Aussagen, waren auf
einem Flipchart vorhanden, oder wurden im Originalton
mitnotiert.
4. Beobachtete Didaktik und Methodik des Trainers: Hier galt die
gesamte Konzentration den expliziten Handlungsweisen des
Trainers. Es wurde das gesamte Verhalten des selben
beschrieben und protokolliert, das unmittelbar zu beobachten
war 173 , ohne dass in das Verhalten jegliche Intentionen
interpretiert worden sind.
5. Erkennbare didaktisch- methodische Überlegungen des
Trainers: Diese Kategorie geht bereits einen Schritt weiter als
die vorherige. Hier werden auf Grundlage der vierten
Kategorie potentielle Intentionen und implizite
Handlungsweisen des Trainers, wie sie im Seminar
beobachtet wurden, interpretiert. Grundlage der Interpretation
waren folgende Prämissen:
a. Der Trainer kennt den kompletten Ablauf des jeweiligen
Seminars und weiß um die Verknüpfungen der
einzelnen Themenabschnitte.
173 Vgl. Martin et al. 1991, S. 61ff.
88
b. Der Trainer begreift das Seminar als geschlossene
Einheit im gesamten Curriculum. Mit dem Seminar
wird ein kompletter Themenbereich bearbeitet.
c. Der Trainer erkennt, dass die Seminare als Einheiten
miteinander korrespondieren und somit das
Curriculum als Ganzes (Ausbildung zum Coach /
Change Manager) emergieren174.
d. Der Trainer stellt sich auf die Teilnehmer ein und
wendet dementsprechend bewusst differente
Vorgehensweisen in der Stoffvermittlung und den
Arbeitsphasen an.
6. Sozialform, Interaktion: In dieser Kategorie wurde die
Konstellation der Teilnehmer in der jeweiligen Situation
festgehalten. Wesentliche Unterscheidungen waren hier, ob
es sich um Gruppenarbeiten, Einzelaufgaben oder
Rollenspiele mit verschiedenen Funktionen handelte.
7. Material und Medien: Hier finden sich Angaben über Art der
verwendeten Materialien und Medien (Flipchart, Karteikarten,
Stühle, etc.) im Seminar. Diese wurden einerseits vom Trainer
zur Inhaltsvermittlung benutzt, andererseits wurden sie von
den Teilnehmern, um sowohl gestellte Aufgaben zu erfüllen,
als auch den zweckmäßigen Einsatz solcher Materialien175 zu
üben, verwendet.
174 Vgl. Willke 2004, S. 12f. Und: Bökmann 2000, S. 41f. 175 Vgl. Schreyögg 2003, S. 286ff. In diesem Zusammenhang wird in der aktuellen Beratungsliteratur auch der Mehrwert vom Umgang mit Materialien, beispielsweise in Form von Visualisierungen am Flipchart, im Coaching – Prozess hervorgehoben. Vgl. hierzu: Fischer – Epe 2004, S. 48ff.
89
Betrachtet man die einzelnen Kategorien, lässt sich erkennen, dass
verschiedene Arten der Beobachtung, hinsichtlich des
Seminarkomplexes, angewendet wurden. Im systemtheoretischen
Sinne spricht man hier von der Beobachtung erster und zweiter
Ordnung. In den Kategorien
a. Zeit
b. Inhaltsbeschreibung
c. Beobachtete Didaktik und Methodik des Trainers
d. Sozialform, Interaktion
e. Material und Medien
tritt die Beobachtung erster Ordnung in Kraft: „Die Beobachtung
erster Ordnung wird auch Kybernetik erster Ordnung genannt, weil
hier ein einfacher Regelkreis zwischen Unterscheiden und
Bezeichnen176 besteht.“177 Diese Form der Beobachtung beschreibt
das, was wir allgemein unter dem Begriff Beobachtung verstehen.
Ein Beobachter erster Ordnung beobachtet, was aktuell geschieht:
„Er beobachtet etwas Beobachtbares.“ 178 Solche Beobachtungen,
Ereignisse also, differenzieren sich in ihrer Temporalität, sie
unterscheiden ein Vorher und Nachher179.
Beobachtungen zweiter Ordnung beobachten „ (…) etwas
Unbeobachtbares.“180 Diese Art der Beobachtung unterscheidet sich
zeitlich und räumlich von der Beobachtung erster Ordnung. Die
176 Der Beobachter macht also Unterscheidungen, in dem er etwas bezeichnet und gleichzeitig davon alles andere unterscheidet. Durch seine Beobachtungen generiert er einzelne Einheiten, die als (begrenzt –) stabile Realität wahrgenommen werden. Vgl. hierzu: Backhausen et al. 2004, S. 72. 177 Bökmann 2000, S. 04. 178 Ebd., S.04. 179 Vgl. Krause 2001, S. 125. 180 Bökmann 2000, S. 04.
90
Leistung besteht darin, dass das „Wie?“ der Beobachtung erster
Ordnung beobachtet wird181. In diesem Sinne kann die Beobachtung
zweiter Ordnung auch als Reflektion der ursprünglichen
Beobachtung verstanden werden. Die Kategorien
a. Ziel
b. Erkennbare didaktisch- methodische Überlegungen des Trainers
finden so auch zeitlich versetzt statt. Sie resultieren aus der
Reflektion der im Seminar gemachten Beobachtungen, indem auf
diese rekurriert wird. Aus diesem Grund stellen diese beiden
Kategorien keine reinen transkribierten Beobachtungen dar, sie sind
sozusagen einen Schritt weiter, da hier von explizit beobachteten
Handlungs- und Verhaltensweisen (des Trainers), auf implizite
Intentionen geschlossen wird.
5.5.3 Die Techniken der Auswertung und Evaluation
Im Laufe der Curricula wurden Instrumente für eine anschließende
Auswertung des Unterrichts entwickelt. Die Konstruktion orientierte
sich dabei weitestgehend an der Teilnahme an den Ausbildungen. Im
Folgenden werden diese nun erläutert.
5.5.3.1 Das Tool „TPR – Matrix“
1. Ausgangsüberlegungen:
Am Anfang der Überlegungen stand die Idee, eine Synopse zu
erstellen, mit deren Hilfe markante Schnittstellen eines
Seminarbausteins herausgefiltert werden können. Diese
181 Vgl. Backhausen et al. 2004, S. 75f.
91
Schnittstellen sollen eine Art Interface zwischen den verschiedenen
Unterthemen eines einzigen Moduls symbolisieren. Zu diesem
Zwecke werden diese Schnittstellen auch als so genannte
„Gelenkstellen“ bezeichnet, die sich, in übersichtlicher Art und Weise,
in Relation setzen lassen.
Der Vorgang, die „Gelenkstellen“ in Relation zu setzen, spielt sich
auf zweierlei Ebenen ab: Zum einen intramodular, das heißt,
innerhalb des einen zu evaluierenden Seminarbausteins, zum
anderen intermodular, wobei die „Gelenkstellen“ zwischen allen
untersuchten Modulen in Relation gestellt werden. Intention dabei ist
generell, eine Struktur der Schnittstellen erkennbar zu machen, auf
die, im Rahmen einer Evaluation, rekurriert werden kann.
Grundvoraussetzung ist hier, dass die Messgrößen des Tools einem
universalistischen Anspruch genügen, die Determinanten müssen
uneingeschränkt auf jeden beliebigen Seminarbaustein anwendbar
sein, um eine Relationierung auf den zwei Ebenen zu ermöglichen
und weitere Interpretationen der Beobachtung zu zulassen.
Ein weiterer Anspruch in den Grundüberlegungen war die eindeutige
Handhabbarkeit dieses Instruments: Dabei soll der Aufbau einerseits
übersichtlich gehalten werden, andererseits soll die praktische Arbeit
mit dem Tool einen weitreichenden Interpretationsspielraum für den
jeweiligen Beobachter ermöglichen, um die subjektiven
Wahrnehmungen von „Gelenkstellen“ in logische Schlussfolgerungen
zu fassen.
2. Das Koordinatensystem der „TPR – Matrix“:
Das Fundament dieses Instruments stellt ein zweidimensionales
Koordinatensystem dar, bei dem die Abszisse, die x – Achse, die
Bezeichnung „praxisbezogen“ erhält, die Ordinate, y – Achse, wird
mit der Konnotation „theoriebezogen“ versehen.
92
Die Abszisse „praxisbezogen“ stellt eine Messgröße für gewählte
„Gelenkstellen“ dar, deren Funktion es ist, die Kompetenzen des
künftigen Coachs, im Hinblick auf seine praktische Tätigkeit als
Berater, weiterzuentwickeln. Dies bedeutet, dass eine „Gelenkstelle“,
auch wenn sie de facto eine praktische Übung 182 ist, nicht
automatisch vollends dem Kriterium „praxisbezogen“ entsprechen
muss.
Letztendlich zielt der Praxisbezug auf das „Doing“ des Coachs ab,
das heißt, auf die Handlungs- und Vorgehensweisen im Rahmen
einer Coachingsitzung. Des Weiteren weist die Abszisse eine
Skalierung auf, deren Wertigkeit in horizontaler Richtung ansteigt.
Als Eckpunkte des Messbereichs dienen hier die Zeichen Minus (-)
und Plus (+)183.
Die Ordinate „theoriebezogen“ soll eine Verortung für
„Gelenkstellen“ gestatten, die dem künftigen Coach Grundlagen für
einen theoretischen Unterbau liefern. Unter dem theoretischen
Unterbau wird hier verstanden, dass es sich um Theorien, Modelle
und Schemata handelt, vor deren Hintergrund der Coach eine
Sitzung mit dem Klienten praktisch umsetzt, diese Theorie aber nicht
explizit anwendet. Ein außenstehender Beobachter könnte hier
allenfalls, aufgrund der beobachteten Handlungs- und
Verhaltensmuster eines Coachs, eine implizite Theorie interpretieren,
auf deren Basis, der Berater durch den Coachingprozess führt184. Im
182 Auch wenn in Praxisübungen regulär bestimmte Tools, zumeist Interventionstechniken, in ihrer Anwendung ausprobiert werden, lässt dies noch keinen Rückschluss darauf zu, dass die jeweilige Methode auch ein echtes Tool für einen realen Coaching – Prozess darstellen muss. Die Anwendung von Tools ist zwar, in gewisser Weise, eine Notwendigkeit, jedoch kein hinreichender Garant für ein erfolgreiches Coaching. Solche Tools können allenfalls Vorschläge sein, wie der Prozess gestaltet werden könnte. Vgl. hierzu: Rauen 2005, S. 09. 183 Durch diese Skalierung soll das augenscheinliche Verhältnis von „Hoch (+)“ und „Niedrig(-)“ aufzeigen. Es handelt sich demnach nicht um eine Skalierung im Sinne der quantitativen Forschung, bei der die Abbildung eines empirischen Relativs in ein numerisches übertragen wird. Vgl. hierzu: Bortz 1999, S. 19f. 184 Würde man gezielt solche Muster aufdecken wollen, müsste man Fragen wie „Basiert das Handeln des Coach auf klaren Werten, und auf welchen?“ oder „Mit welchem Menschenbild im Hintergrund operiert er?“, etc. stellen. Vgl. hierzu: Fischer – Epe 2004, S. 234.
93
Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass eine „Gelenkstelle“, die real
ein reiner Theorieblock ist, nicht zwingend allein der y - Achse
zugeordnet werden muss. Die vermittelte Theorie kann ebenso ein
Tool sein, das für den Berater ein Mittel zum „Doing“ darstellt,
welches er in Reinkultur im laufenden Coachingprozess anwenden
kann. Analog zur Abszisse weist die Ordinate die wertende
Skalierung mit Minus (-) und Plus (+) auf, die sich im vertikalen
Anstieg fortsetzt.
3. Das Quadrantensystem:
Das Quadrantensystem stellt das Herzstück im vorliegenden Tool
dar, es ist der Schauplatz, auf dem die „Gelenkstellen“ verortet
werden. Intention bei der Verortung ist es, „Gelenkstellen“ in Bezug
auf ihre Funktion, theorie- oder praxisbezogen, zu differenzieren.
So stehen dem Beobachter einerseits vier grobe Zuweisungen zur
Verfügung, die es erlauben, eine erste vorläufige Grundtendenz der
„Gelenkstellen“ vorzunehmen. Andererseits bietet der Raum des
jeweiligen Quadranten die Möglichkeit, eine Art Feinjustierung der
Verortung, innerhalb der Grenzen eines Quadranten, zu zulassen.
Somit können mehrere „Gelenkstellen“, die sich im selben
Quadranten befinden, aufgrund ihrer Seiten- und Höhenlage im
Koordinatensystem, voneinander differenziert werden und in Relation
gesetzt werden. So kann beispielsweise in dem Fall, wenn zwei
„Gelenkstellen“ im Quadranten „hoher Theoriebezug / niedriger
Praxisbezug“ verortet werden, die Aussage getätigt werden, dass
Punkt A im Vergleich zu Punkt B entweder einen höheren Bezug zur
Praxis, oder zur Theorie aufweist, und umgekehrt.
Letztendlich resultiert aus dem Vergleich eine Wertigkeit der
einzelnen „Gelenkstellen“ untereinander. Will man zwischen den
verschiedenen Modulen des Curriculums differenzieren, lassen sich
schnell Unterschiede, dem Augenschein nach, feststellen, indem
94
man die Visualisierungen, beispielsweise in Form von Klarsichtfolien,
wie Schablonen übereinander legt. Die Abweichungen der einzelnen
Punkte in Höhen- und Seitenablage werden so anwenderfreundlich
offensichtlich und können, im Zuge einer genaueren Untersuchung
der Abstände zueinander, weiter relationiert werden.
Durch die großzügige Fläche der einzelnen Quadranten steht dem
Beobachter der Freiraum offen, die Verortung der von ihm
detektierten „Gelenkstellen“, gemäß seiner subjektiven
Wahrnehmung, so vorzunehmen, dass große und kleine
Abweichungen visualisiert werden können.
Will man die verorteten „Gelenkstellen“ noch weiter verwenden,
bietet es sich an, durch einfaches Auszählen der einzelnen
Quadranten, eine quantitative Aussage, bezüglich der Grundtendenz
des Seminars, zu machen (Beispiel: „Das Seminar X mit seinen
Inhalten ist ein tendenziell eher praxisbezogenes Modul.“).
4. Die „Gelenkstellen“:
Die „Gelenkstellen“ (GS) stellen so genannte Schlüsselstellen im
Verlauf eines Moduls bzw. Seminarbausteins dar, die einerseits eine
Weiterentwicklung im Bausteinplan selber ermöglichen, andererseits
einen Fortschritt in der Entwicklung des Curriculumteilnehmers, im
Hinblick auf den zertifizierten Abschluss zum Coach, bedeuten.
Will man die „Gelenkstellen“ als solche definieren, gilt es zweierlei
Ebenen zu betrachten. Zum einen ist ein Großteil dieser
Schnittstellen vom Verfasser des faktischen Curriculums gewollt und
bewusst eingesetzt, im Hinblick auf ein übergeordnetes Ziel. Sie
bekommen also die explizite Funktion eines „Ermöglichers“. Jedoch
ist ein komplexes Modul nur bedingt planbar, da situativ immer
Änderungen, seien es Störungen, Inputs aus der Gruppe oder
Themenvertiefungen, sich ereignen können. Dabei kann es
95
passieren, dass die eigentliche Intention der beabsichtigten
„Gelenkstelle“ nicht vollends zur Geltung kommt, oder es generieren
völlig neue „Gelenkstellen“ aus der Situation heraus, die so nicht
vorgesehen waren, sich aber dennoch nachhaltig auswirken. Solche
situativen Schnittstellen können einmalig, nur in diesem einen
beobachteten Baustein, sein und bleiben, sie können aber auch, falls
sie als echte und sinnvolle „Gelenkstellen“ wahrgenommen werden,
künftig als intendierte Überlegungen in weitere Curricula integriert
werden.
Was die Wahrnehmung solcher „Gelenkstellen“ betrifft, muss
festgestellt werden, dass eine Klassifizierung von diesen Punkten
stets einer subjektiven Wahrnehmung unterliegt. Jeder erlebt die
Wirkung solcher Schnittstellen in anderer Art und Weise, oder
erkennt sie, vor dem Hintergrund seines individuellen
Erfahrungshorizonts, gar nicht. Bei der Lokalisierung geht es also
nicht darum, „(…) objektiv richtige oder falsche Unterscheidungen zu
treffen, sondern lediglich die Frage zu beantworten, ob bzw. wo
diese Unterscheidung mehr oder weniger nützlich ist. Der
Beobachter richtet sich nach der Landkarte seiner Wirklichkeit.“185
Somit ist das Definieren einer „Gelenkstelle“ schon bereits eine
subjektive Wertung, da sie als solche erkannt wurde. Wie stark der
Effekt einer „Gelenkstelle“ nun wahrgenommen wird, wirkt sich
dementsprechend auch auf die Verortung in die einzelnen
Quadranten, und auch auf die Lage im entsprechenden Quadranten
selbst, aus.
Ein Erkennen und eine Klassifikation von beobachteten
„Gelenkstellen“ ist also auf das Erleben des individuellen
Beobachters determiniert und somit kontingent 186 . Erst in der
185 Heinze 2004, S. 118. 186 Kontingent bedeutet, dass etwas „eben so ist, aber auch ganz anders sein könnte“. Vgl. hierzu: Willke 2000, S. 26 und 248. Kontingenz beschreibt somit eine Selektion der Operation von Bezeichnen und Unterscheiden. Dass dieser Begriff keineswegs nur in einer theorielastigen Semantik vorfindbar ist, zeigt Meynhardt, indem er in Bezug auf
96
subjektiven Argumentationsweise und Interpretation des
Beobachters kondensieren die Schlüsselstellen zu logischen
Schlussfolgerungen187, und werden konsistent, so dass sie sich, in
der Wahrnehmung dritter, nachvollziehen lassen. Aus praktischer
Sicht ist zu bemerken, dass „Gelenkstellen“ von verschiedenen
Beobachtern nicht allzu unterschiedlich erkannt werden. Dies gilt
besonders für die vom Trainer intendierten „Gelenkstellen“: Der
Trainer setzt diese explizit in den curricularen Prozess, die
Teilnehmer kommen mit einem gewissen Vorverständnis und einer
bestimmten Erwartungshaltung in die Veranstaltung, wie in die hier
untersuchten Ausbildungsgänge.
Will man die Charakteristik von „Gelenkstellen“ nun näher erfassen,
gelten folgende Merkmale als Grundlage zur Klassifikation:
a. „Gelenkstellen“ können Sachverhalte beinhalten, die ein hohes
Maß an Vorverständnis benötigen. Dies gilt vor allem für solche,
die auf ein Repertoire an theoretischen Konzepten aufbauen.
b. „Gelenkstellen“ setzen ebenso ein hohes Maß an Vorverständnis
voraus, in dem sie den situativen Transfer von komplexen
Sachinhalten einfordern. Dies gilt vor allen bei Praxisübungen,
beispielsweise Rollenspiele, in denen eine Reihe von Techniken,
der Situation angemessen, eingesetzt werden muss.
c. „Gelenkstellen“ können aber auch ein Fundament darstellen, auf
dem der weitere Lernprozess konsekutiv weiter verläuft. Eine
Organisationen in der modernen Gesellschaft und deren Handlungsmöglichkeiten, vor dem Hintergrund ihrer Wertrationalität, von einer gestiegenen Kontingenz spricht. Vgl. hierzu: Meynhardt 2004, S. 24. 187 Dass die Lokalisierung von Gelenkstellen kontingent und subjektiv determiniert ist, bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass diese auch willkürlich sind. Das Erkennen solcher Stellen entspringt einer sinnhaften Operation, die auf individuelle Werte- und Deutungsmuster zurückzuführen ist. Dieser Sachverhalt entspringt der Theorie sinnhaft operierender Systeme. Vgl. hierzu: Luhmann 1997, S. 56.
97
solche Gelenkstelle hätte demnach die Funktion eines „Advance-
Organizer“188.
d. „Gelenkstellen“ sind auch zeitlich begrenzte und
„verdichtete“ Abschnitte im Laufe eines Seminars189. Da diese,
für den jeweiligen Beobachter, aus dem laufenden Seminar
„herausstechen“ und so eine subjektive Bewertung erfahren,
erlangen diese „Gelenkstellen“ eine exponierte Position im
temporalen Verlauf des Seminars.
Abschließend soll noch ein weiterer Aspekt zur Visualisierung von
„Gelenkstellen“ in einer Matrix genannt werden. Besonders die
Auswertung einer solchen Darstellung hat für den Trainer einen
Mehrwert: Er kann das durchgeführte Seminar reflektieren, um
festzustellen, ob seine intendierten Ziele überhaupt erreicht wurden.
Eine solche Seminarevaluation erhält so auch eine didaktische
Funktion, die Reischmann in drei Subfunktionen untergliedert190:
1. Die Kontrollfunktion: Der Trainer blickt auf den Verlauf des
Seminars zurück und prüft, ob die Durchführung der Planung
entsprach.
2. Die Steuerungsfunktion: Der Trainer blickt nach vorne und
versucht, kommende Seminare gegebenenfalls anders zu
gestalten.
188 Dieser Begriff entstammt der Unterrichtspsychologie nach Ausubel. Advance-Organizers (AO) beschreiben strukturierte Oberbegriffe, die über einen hohen Grad an Allgemeinheit verfügen. Daran lässt sich neuer, mehr spezifischer Lernstoff zuordnen. Nach Ausubel wirkt der AO als Organisationshilfe, die für den weiteren Lernprozess relevant ist. Vgl. hierzu: Dieterich et al. 1996, S. 13. Und Ausubel 1974, S. 141. 189 Im pädagogischen Sinne wird dieser Zeitbegriff auch „Kairos“ (= die dichte Zeit) genannt. Der „Kairos“ wird als subjektiv bewusst erfahrene und bewertete Zeiteinheit beschrieben, die in der subjektiven Vorstellungswelt generiert wird. Dadurch, dass er aus der übrigen linear verlaufenden Zeit herausgehoben wird, bekommt er eine (subjektive) Qualität zugeschrieben. Vgl. hierzu: Treml 2000, S. 44ff. 190 Vgl. Reischmann 2003, S. 24.
98
3. Die Reflexionsfunktion: Der Trainer reflektiert und versteht das
Geschehene, um dies zukünftig für seinen eigenen
Entwicklungsprozess zu nutzen.
Aus diesem Grund stellt die TPR – Matrix ein praktikables Instrument
dar, um einerseits ein Feedback au dem Teilnehmerfeld zu erhalten,
wodurch Absichten des Trainers mit abgeglichen werden können.
Andererseits bietet die Auswertung der Matrix auch einen
Ansatzpunkt, um Ausbildungskonzepte und Vorgehensweisen des
Coach / Change Manager in Trainerfunktion zu supervidieren. Um
den beschriebenen Aufbau dieser TPR – Matrix zu visualisieren, sei
folgende Graphik beigefügt:
TPR - Matrix
praxisbezogen
theo
riebe
zoge
n
+
-
+-
Abb. 11: Der Aufbau des Tools TPR – Matrix
(Eigene Produktion)
99
5.5.3.2 Die Darstellung und Analyse der „Vernetzung von Gelenkstellen“
1. Ausgangsüberlegung:
Grundidee der Form der Darstellungsweise war die Verwendung der
Metapher eines offenen Systems im Sinne der allgemeinen
Systemtheorie. „Systeme, die auf unterschiedliche Bedingungen ihrer
Umwelt unterschiedlich reagieren, nennt man offene Systeme (…).
Offene Systeme reagieren auf Input. Aus der Außensicht eines
externen Beobachters ist Input die Einflussnahme der Umwelt auf ein
System. Aus der Innensicht dieses Systems dagegen ist Input eine
relevante systemspezifische Repräsentation von Veränderungen in
seinem sensorischen Bereich.“191 Solche Systeme zeichnen somit
darin aus, dass sie den Kontakt zu ihrer Umwelt, in welcher Form
liegt an Perspektive des Beobachters, zulassen. Da der Input als
Repräsentant systemeigener Konstellationen wahrgenommen wird,
reagiert ein System auf systeminterne, neu generierte Interaktionen,
die als Indikatoren einer veränderten Umwelt interpretiert werden.
Ein Merkmal so eines Systems wird auch als operative
Geschlossenheit bezeichnet192.
Um Veränderungen innerhalb eines Systems überhaupt möglich zu
machen, werden Prozesse in Form von Kommunikation, Interaktion
und schließlich Transformation eingeleitet 193 . Letztendlich finden
solche Prozesse auf Basis eines Austausches statt. Und dies gilt für
jeglichen Typus eines offenen Systems: „Most organic Systems are
open, meaning they exchange materials, energies, or information
with their enviroments.“194 Es kann also festgehalten werden, dass
solch ein System operativ geschlossen, angepasst an die Umwelt
und ebenso offen für etwaige Veränderungen ist. Krause fügt in
191 Backhausen et al. 2004, S. 64. 192 Vgl. ebd., S. 64. 193 Vgl. Haseloff in: Kurzrock 1972, S. 57. 194 Hall et al. in: Händle et al. 1974, S. 132.
100
diesem Zusammenhang, im Sinne Luhmanns, noch die
Charakteristika bei, dass (autopoietische) offene Systeme
strukturdeterminiert sind und sich dabei temporär reproduzieren.
Strukturdeterminiert bedeutet, dass spezifische Strukturen
herausgebildet und abgespeichert werden, auf die jederzeit
zurückgegriffen werden kann. Temporär bedeutet, dass
Veränderungen sich von Ereignis zu Ereignis, also zeitlich begrenzt,
vollziehen. 195 Da Veränderung an sich kein einmaliges Ereignis
darstellt, sondern ein kontinuierlicher Prozess ist, bekommt die
Anpassungsfähigkeit eines Systems einen dynamischen Charakter.
Man spricht hier von der Dynamik eines Systems, der
Veränderlichkeit seiner Stabilität196. Die Fähigkeit der Stabilisierung
wird auch als so genannte Selbstorganisation197 verstanden.
Mit zunehmenden Grad an Komplexität, definiert als komplexe
Systeme198, steigt die Anzahl der Komponenten, also der Elemente
eines Systems, so sehr an, dass vielschichtige Verknüpfungen,
Relationen genannt, für eine Veränderungsfähigkeit maßgeblich sind.
Dabei ist besonders bemerkenswert, dass die Elemente eines
Systems nicht - linear, basierend auf einem einfachen Ursache –
Wirkungs – Schema, miteinander vernetzt sind199, sondern „(…) daß
diese Elemente miteinander in dynamischer Wechselwirkung
stehen.“200 Und im Zuge dieser Wechselwirkung wird Kommunikation
zwischen den Elementen transferiert.
2. Die Konsequenzen für die „Vernetzung von Gelenkstellen“:
Mit der Metapher eines offenen Systems wird das Seminar
folgendermaßen dargestellt: Das „System Seminar“ ist bezüglich 195 Vgl. Krause 2001, S. 28f. 196 Vgl. Backhausen et al. 2004, S. 73. Und: Hassenstein in: Kurzrock 1972, S. 29. 197 Vgl. Brunner 2002, S. 45ff. Und: Backhausen et al. 2004, S. 73. 198 Vgl. Backhausen et al. 2004, S. 66. Und: Willke 1999, S. 70ff. 199 Vgl. Willke 1999, S. 72. Der Ansatz, dass Ursache und Wirkung nicht unmittelbar zusammen liegen müssen, zeigt sich auch in der Praxis der beraterischen Veränderungsarbeit, wie auch beim Coaching oder dem Changemanagement, als sehr hilfreich. Vgl. hierzu: Senge 2001, S. 82 und 92f. Und: Senge et al. 2000, S. 105. 200 Hassenstein in: Kurzrock 1972, S. 29.
101
seiner intendierten Inhalte (Elemente) geschlossen. Diese Inhalte
stehen in einem thematischen Zusammenhang, sie interagieren bzw.
kommunizieren also miteinander. Exemplarisch für die große Zahl
der Inhalte, innerhalb des komplexen „Systems Seminar“ wurden
markante „Gelenkstellen“ extrahiert. Die „Gelenkstellen“ fungieren in
der Auswertung demnach als Elemente. Diese sind mittels
Relationen untereinander verknüpft, was für das Fortbestehen des
Systems (erfolgreiche Durchführung des Seminars) auch eine
Notwendigkeit ist, da die Verknüpfungen die Struktur eines Systems
zusammenhalten: „The relationships to which we refer are those that
„tie the system together.“ (…)“201
Des Weiteren kann aber auch Unvorhergesehenes aus der Umwelt
in das Seminar einfließen: Dazu zählen beobachtete „Gelenkstellen“,
die a priori gar nicht intendiert waren und sich dennoch ereigneten.
Insofern ist das „System Seminar“ auch umweltoffen. Diese Offenheit
kann sich in der Praxis auch so zeigen, dass, bei der Behandlung
von bestimmten Themeninhalten, Inputs aus dem Teilnehmerkreis
eingebracht werden. Beispielsweise könnten dies Nachfragen,
Feedback oder Anregungen zum weiteren Verlauf sein.
3. Die Umsetzung der „Vernetzung von Gelenkstellen“:
Die beobachteten „Gelenkstellen“ wurden auf einem geschlossenen
Ring, gleich einer Perlenkette, angeordnet. Somit ist auch, in der
graphischen Umsetzung, die operative Geschlossenheit
sichergestellt: Sind manche „Gelenkstellen“ nicht unmittelbar
miteinander verknüpft, so zumindest über indirekten Wege, über
dritte „Gelenkstellen“, und über die ringförmige Anordnung der
Darstellung.
Wie bereits erwähnt, werden Relationen in Form von
Kommunikationen ermöglicht. Aus diesem Grunde wurden die
201 Hall et al. in: Händle et al. 1974, S. 127.
102
Relationen (Kommunikationen) symbolisch als Richtungspfeile202 mit
unterschiedlichen Farben dargestellt. Diese Farben sind gemäß ihrer
Bedeutung nach dem Schema des Kommunikationsquadrats, auch
bekannt als „Vier Seiten einer Nachricht“203, nach Friedemann Schulz
von Thun gewählt worden:
Abb. 12: Das Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun
(Eigene Produktion. Quelle: Vgl. Schulz von Thun 2004)
Diese vier verschiedenen Arten der Information zeigen, dass es bei
einer Kommunikation offensichtlich um mehr geht, als ausschließlich
um wortwörtliche Aussagen 204 . Diese vier Aspekte lassen sich
folgendermaßen beschreiben:205
a. Der Sachinhalt, beschreibt den konkreten Sachverhalt einer
Mitteilung. Er enthält den expliziten Gehalt einer Aussage.
Bezogen auf die „Vernetzung von Gelenkstellen“ wird dies
bemerkbar, wenn zwei „Gelenkstellen“ auf sachlicher Ebene
korrespondieren, sie entspringen beispielsweise ein und
202 Dabei ist anzumerken, dass die spezifische Richtungsgebung der Pfeile keine Aussage zur Charakteristik der Relation macht. Die jeweilige Richtung entstand aus der momentanen Bewertung und soll lediglich verdeutlichen, dass eine Relation besteht. – Anm. d. Verf. 203 Vgl. Schulz von Thun 2004, S. 13ff. Und Schulz von Thun et al. 2003, S. 33ff. 204 Vgl. Weisbach 2003, S.203. 205 Vgl. Schulz von Thun 2004, S. 13ff. Und Schulz von Thun et al. 2003, S. 33ff.
Sachinhalt
Beziehung
Selbstkund- gabe
Appell
103
derselben Theorie oder enthalten denselben methodischen
Ansatz.
b. Der Appell beinhaltet die Komponente der Aussage, die den
Gegenüber zu einer Handlung oder Verhaltensweise
veranlassen soll. Das Ziel dieser Seite einer Nachricht ist also
Einflussnahme. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der
Appell offen und unmissverständlich (explizit) oder verdeckt
(implizit) vonstatten geht. In der „Vernetzung von
Gelenkstellen“ findet dieser Aspekt keine praktikable Anwendung,
da von einer bewussten Einflussnahme einer „Gelenkstelle“ auf
eine andere nicht gesprochen werden kann. Will man den
Gedanken der Beeinflussung aufrechterhalten, so muss
angefügt werden, dass sämtliche „Gelenkstellen“ als Elemente
eines Systems sich ohnehin bedingen und somit wechselseitig
beeinflussen.
c. Die Beziehung gibt Information darüber, wie der Sender zum
Empfänger emotional zueinander steht. Oft gibt der Augenschein
kaum Aufschluss über die Qualität der Beziehung, in so einem
Falle „(…) zeigt sich dies in der gewählten Formulierung, im
Tonfall und anderen nichtsprachlichen Begleitsignalen.“ 206 In
Anwendung auf die „Vernetzung von Gelenkstellen“ spiegelt die
Beziehung den Gehalt der „Gelenkstelle“ für die praktische
Umsetzbarkeit in der Veränderungsarbeit zwischen
Beratersystem und Klientensystem wider.
d. Die Selbstkundgabe207 gibt den Teil der Information wieder, der
etwas über den Sender selbst aussagt, wie er zum Thema steht,
wie er sich fühlt, worauf sein Verhalten determiniert ist. Dies 206 Schulz von Thun 2004, S. 27. 207 In „Miteinander reden 1“ (Schulz von Thun 2004) wird diese Seite noch als „Selbstoffenbarung“ bezeichnet. Später wurde der neutralere Begriff der „Selbstkundgabe“ eingeführt, da, nach Meinung Schulz von Thuns, der Begriff „Selbstoffenbarung“ allzu leicht mit „Selbstentblößung“ assoziiert wird. Gerade im Rahmen der Erwachsenenbildung könnte solch ein Terminus unnötig Angst schüren. Vgl. hierzu: Schulz von Thun 2003a, S. 19.
104
kann sowohl explizit, als auch implizit geschehen. Dabei kann
die Selbstoffenbarung mittels Sprache ausgedrückt werden,
ebenso erfolgt diese Form der Mitteilung oftmals auch nonverbal,
mittels Gestik, Mimik oder (physischer) Haltung. In der
„Vernetzung von Gelenkstellen“ stellt diese Relation
Möglichkeiten einer „Gelenkstelle“ dar, in der besonders die
emotionale Nähe, Reflexion, Grundeinstellung oder auch
Wertehaltung von Berater oder Klient zu Tage gefördert werden
kann.
4. Schlussfolgerungen aus der „Vernetzung von Gelenkstellen“:
Das erstellte Netzwerk wirkt in seiner graphischen Darstellung an ein
Soziogramm, obwohl man in der „Vernetzung von
Gelenkstellen“ keineswegs von Bevorzugung, Gleichgültigkeit oder
gar von Ablehnung 208 bei den Relationen zwischen Elementen
sprechen kann. Geeigneter erscheint hier der Begriff der
Netzwerkanalyse: Dabei wird ein systemischer Blick auf sämtliche
beobachtbaren Beziehungen zwischen den einzelnen Knotenpunkten
(Elemente) gerichtet. Die Charakteristik der Relationen kann dabei
mit verschiedensten Eigenschaften, formeller oder inhaltlicher Art,
markiert werden209.
Bei der „Vernetzung von Gelenkstellen“ werden die Relationen aus
Sicht eines Beobachters geschildert und analysiert. Dabei gibt es
jedoch keine Außenseiter oder Mitläufer im Geflecht, da alle
„Gelenkstellen“ per se ihre exponierte Stellung haben. Allerdings
kann dies, im Falle einer hohen Konzentration von Relationen bei
einer „Gelenkstelle“, so interpretiert werden, dass es sich hier um
eine Art von neuralgischem Punkt handelt: Diese „Gelenkstelle“ wird
so zum basalen Element des „Systems Seminar“, die den
dynamischen Lernprozess implizit aus seiner Position maßgeblich
mitbestimmt. 208 Vgl. Schnell et al. 1999, S. 172. 209 Vgl. ebd., S. 241ff.
105
Exemplarisch soll die „Vernetzung von Gelenkstellen“ an einem
Grundschema aufgezeigt werden:
Abb. 13: Die „Vernetzung der Gelenkstellen“ als Grundschema
(Eigene Produktion)
5.5.3.3 Die Darstellung und Analyse des Seminars als „Hauskonstruktion“
1. Ausgangsüberlegung:
Die Darstellung als „Hauskonstruktion“ soll eine alternative
graphische Umsetzung der Analyse der „Gelenkstellen“ bieten, bei
der, in anderer Form, die Beziehung der einzelnen Elemente
veranschaulicht wird.
Ideengeber für diese Form der Auswertung stellt das Coaching –
Tool „Die Fünf Säulen“ 210 nach Christopher Rauen dar: Rauen
versteht dieses Tool als diagnostisches Mittel zur Anliegenerhebung,
210 Vgl. Rauen in: Rauen 2004, S. 99ff.
GS 1
GS 2
GS 3
GS n
106
vor allem in der Anfangsphase eines Coaching – Prozesses, wenn
das eigentliche Anliegen noch ausdifferenziert und konkretisiert
werden muss. Dieses Tool dient vornehmlich als
Explorationsinstrument, bei dem Stärken, Schwächen und
Unausgewogenheiten innerhalb des Identitätsbewusstseins des
Klienten offen gelegt werden. Rauens Idee ist eine Hauskonstruktion,
bei der das Dach mit der Bezeichnung „Fünf Säulen der
Identität“ (des Klienten) von folgenden fünf Säulen gestützt und
getragen wird:
1. Die Säule „Arbeit und Leistung“: Darin werden Informationen
über Art der Arbeit, Aus- und Weiterbildung, spezifische
Fertigkeiten und Fähigkeiten gebündelt. Des Weiteren wird
der Begriff Leistung sowohl auf den Job, als auch auf das
Privat- und Familienleben bezogen.
2. Die Säule „Materielle Sicherheit“: Hier wird gefragt, welche
Form / welches Ausmaß an finanzieller und materieller
Sicherheit vom Klienten benötigt, realiter besitzt und in
Zukunft wünscht.
3. Die Säule „Soziales Netz und Beziehungen“: Unter diesem
Punkt werden Daten erfasst, die Aufschluss über Art,
Konstellation und Qualität sämtlicher Beziehungen zu seinem
sozialen Umfeld geben. Zu diesem Umfeld zählen Familie,
Freunde, Kollegen, Bekanntschaften, etc.
4. Die Säule „Körper und Gesundheit“: Dabei wird nach dem
Umgang mit dem eigenen Körper des Klienten gefragt. Fragen
beziehen sich hier auf einerseits auf das physische
auch auf die psychische Konstitution (Sorgen, Empfindungen).
107
5. Die Säule „Werte und Sinn“: Die Exploration dieser
Komponente ist weitaus tiefschichtiger al bei den
vorangegangenen. Hier werden tief verwurzelte
Wertgrundhaltungen des Klienten hinterfragt, die sein Handeln
maßgeblich bestimmen. Es wird weiterhin nach Zielen,
Visionen und Idealen geforscht.
Bei der Exploration ist zu beachten, dass ein ausbalanciertes
Verhältnis der fünf Säulen keineswegs den Idealtypus darstellt211.
Schwerpunktverlagerungen sind also normal. Vielmehr soll die
Darstellung versuchen, Stärken (stabile Säulen) herauszustellen und
Schwächen (weniger ausgeprägte Säulen), falls diese wirklich als
Schwächen vom Klienten wahrgenommen werden, als Chance einer
Veränderung zu sehen. Das Erkennen von Schwerpunkten im
Bereich der Säulen stellt sodann eine Grundlage für die weitere
Bearbeitung im Coaching – Prozess dar.212
2. Konsequenzen für die Analyse der Darstellung als
„Hauskonstruktion“:
Das Dach des hier assoziierten Hauses stellt das übergeordnete
Seminarthema (zum Beispiel: Das Dach „Transaktionsanalyse“) dar.
Getragen und gestützt wird dieses Dach von einer Reihe Säulen.
Diese Säulen sind die bereits erkannten „Gelenkstellen“. Dabei
bekommt das basale Element des „Systems Seminar“ die Funktion
des Hauptpfeilers der „Hauskonstruktion“, der für den Großteil der
statischen Stabilität sorgt. Die Tatsache, dass es sich hier um ein
statisches Gebilde handelt, soll keineswegs den Anschein erwecken,
dass dieses Haus unter dem Paradigma eines mechanistischen
211 Innere Balance kann also auch als eine Art verhältnismäßiger Ausgewogenheit verstanden werden. Dabei ist Balance auch keine statische Realität, sondern wird als dynamische Größe verstanden, die sich jederzeit verlagern kann. Vgl. hierzu: Münchhausen 2004, S. 27. 212 Vgl. Rauen in: Rauen 2004, S.101.
108
Weltbildes zu verstehen ist. Es wird auch hier eine mögliche Version
der Wirklichkeitskonstruktion aufgezeigt213.
Zusätzlich zu den Säulen kommt die Metapher eines soliden
Fundaments in die Darstellung hinzu. Ein Fundament ist die
Grundlage, der Unterbau, auf dem die Säulen einen stabilen Halt
finden und so erst wirklich das Dach stützen können. Im
übertragenen Sinne bedeutet dies, dass Themeninhalte noch so
perfekt geplant sein können, wenn aber die Rahmenbedingungen
dafür nicht gegeben sind, sind sie für ein erfolgreiches Seminar keine
Garantie. Rahmenbedingungen sind beispielsweise das Setting, die
zeitliche Staffelung mit Pausen, Spielregeln oder das Miteinander
von Berater / Trainer und Klient / Teilnehmer214. Für das Fundament
der Darstellung als „Hauskonstruktion“ wurden hierfür drei
Oberbegriffe verwendet, die in jedem Seminar die Grundlage stellen:
a. Das Setting: Darunter fällt das organisatorische Umfeld, wie
Räumlichkeit, Medien und Materialien.
b. Das Arbeitsklima: Hierzu zählen die Lernatmosphäre, die den
Prozess begünstigt, und ebenso die Erwartungen und
Wünsche von Seiten des Trainers und der Teilnehmer, die zu
einem „guten Klima“ beitragen sollen.
c. Die Wertschätzung: Unter diesem Begriff werden Handlungs-
und Verhaltensweisen von Trainer und Teilnehmer verstanden.
Sie stellen die explizite Form von Erwartungen an den
Lernprozess dar, die auf implizite Vorstellungen
zurückzuführen sind.
213 Vgl. Königswieser et al. 2004, S. 28. 214 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 185f.; Schmidt – Tanger 1999, S. 70.; Schreyögg 2003, S. 223ff.
109
Das Grundmodell einer solchen „Hauskonstruktion“ stellt sich
folgendermaßen dar:
Setting, Arbeitsklima, Wertschätzung
GS 2
GS 3
GS 1
GS n
Seminarthema „X“
Abb. 14: Das Seminar als „Hauskonstruktion“ in der Grundform
(Eigene Produktion)
110
6. Die Auswertung der Seminare
In diesem Abschnitt werden nun die vier Seminare nacheinander
beschrieben und ausgewertet. Die Reihenfolge der Auswertung
erfolgt dabei analog zur vorgesehenen Abfolge der
Seminarbausteine in den Curricula „Ausbildung zum Coach“ und
„Ausbildung zum Change Manager“. In der Beschreibung der
„Gelenkstellen“ werden deren Inhalte, anhand angegebener Literatur,
komprimiert erläutert215. Des Weiteren wir die Verortung in der Matrix
begründet, sowie die „Vernetzung der Gelenkstellen“ und die
Hauskonstruktion des Seminars interpretiert.
6.1 Das Seminar „Beratungskompetenz“
Wie der Name „Beratungskompetenz“ schon erahnen lässt, steht im
Mittelpunkt hier das Erwerben von Fähigkeiten und Fertigkeiten
bezüglich der Praxis der Beratung. Stellt man die Frage nach
Kompetenzen für die professionelle Beratungsarbeit, so fallen, neben
den Termini personale Kompetenz und Selbstkompetenz, häufig
Begriffe wie methodisches „Know–How“, Feldkompetenz,
Felderfahrung oder Beratungserfahrung216. Erfahrungen lassen sich
nun nicht in Studium von Literatur sammeln, Erfahrungen werden in
der praktischen Anwendung gemacht.
So zeichnet sich der Baustein durch einen hohen Anteil praktischer
Übungen aus, vornehmlich in der Bearbeitung von Klientenanliegen.
Daneben werden allerdings noch eine Reihe von Tools und
Methoden angeboten, die in der Praxis hilfreich sein können. Dazu
zählen die „Themenzentrierte Interaktion“ (TZI) nach Ruth Cohn217,
das „Innere Team“ nach Schulz von Thun 218 oder das „Aktive
215 Eine ausführliche Beschreibung der vier Seminare lässt sich in der protokollierten Transkription im Anhang dieser Arbeit finden. – Anm. d. Verf. 216 Vgl. Fischer – Epe 2004, S.231ff. 217 Vgl. Cohn 2004. 218 Vgl. Schulz von Thun 2003b. Und: Schulz von Thun et al. 2004.
111
Zuhören“ gemäß der „Klientenzentrierten Gesprächsführung“ nach
Carl Rogers219.
Im Rahmen des Seminars „Beratungskompetenz“ wurden insgesamt
sechs „Gelenkstellen“ beobachtet, die wie folgt lauten:
Begriffsbestimmung mit deutlichen Funktionsunterschieden ist
schwierig, zumal in verschiedenen Zusammenhängen die Begriffe
sprachlich belegt sind.“225
223 Vgl. Schreyögg 2003, S. 199. 224 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 26f. 225 Schmidt – Tanger 1999, S. 124.
115
Im Rahmen dieser „Gelenkstelle“ wird eine Reihe an
Rollenerwartungen aufgezeigt, die sich, je nach Perspektive, in
verschiedene theoretische Konzepte der Beratungsarbeit verorten
lassen. Dies unterstreicht, dass der professionelle Berater sich nicht
auf eine Rolle definieren lassen kann und sollte. Die hier
bearbeiteten Rollenerwartungen lauten:
a. Retter
b. Zauberer
c. Elternersatzteil
d. Verantwortlicher
e. Betreuer
f. Dozent
g. Supervisor
h. Therapeut
i. Sponsor
j. Starthelfer
Unabhängig davon, welche Erwartungen an den Berater eingangs
gesetzt werden, muss er sich seiner Verantwortung sich und dem
Klienten gegenüber bewusst sein. Beispielsweise bietet die
Supervision eine Möglichkeit, seine eigenen Erwartungen und die
seiner Klienten kontinuierlich zu überprüfen, um so seinen
individuellen Entwicklungsprozess zu fördern.226
226 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 235.
116
Innerhalb der TPR – Matrix wird die „Gelenkstelle 2“ im Quadranten
„hoher Theoriebezug / niedriger Praxisbezug“ wahrgenommen: Die
Überprüfung der Erwartungsrollen ist ein Prozess, der sich auf die
Grund- und Werteeinstellung des Beraters unmittelbar auswirkt227.
Explizit wird diese Einstellung erst in seiner Haltung und
Wertschätzung dem Klienten gegenüber beobachtbar.
Die „Gelenkstelle 3“ – „Praxisübung I – V“:
Die „Gelenkstelle 3“ setzt dahingehend ein großes Maß an
Vorverständnis voraus, da in einer konkreten Anliegenarbeit, der
Situation angemessen, auf ein Repertoire von Methoden und
Interventionstechniken rekurriert werden muss. Der individuelle
Beratungsprozess entscheidet über die angemessene Intervention.
Von einem professionellen Berater wird erwartet, dass er auch
„professionell“ arbeitet: Er soll über eine Methodenkompetenz
verfügen228, er soll also aus einem Pool an Methoden und Techniken
schöpfen können, wobei er sich aber auch im Klaren darüber ist, was
die eine oder andere Intervention auslösen kann. Er muss die Folgen
abschätzen können229.
Da jeder Klient eine individuelle Geschichte hat, jeder
Beratungsprozess sich dynamisch weiterentwickelt, wäre es ein
Trugschluss, mit Methoden und Tools ein „Allheilmittel“ für die
Beratung per se zu erhalten: „Alle Techniken sind Mittel zum Zweck.
Sie erhalten ihre Berechtigung durch ihre Brauchbarkeit als
Instrumente zur Erzeugung und Veränderung zieldienlicher
Wirklichkeitskonstruktionen und/oder deren Bedeutungsgebung.“ 230
227 Vgl. Middendorf et al. 2003, S. 06. 228 Vgl. Schmidt – Tanger 1999, S. 74. 229 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 177ff. Und: Schmidt – Tanger 1999, S. 74f. 230 Backhausen et al. 2004, S. 172.
117
Dies bedeutet, dass Tools nur angewendet werden sollen, wenn sie
dem Prozess dienlich sind. Aus diesem Grund ist die Forderung,
jeglichen Einsatz von Methoden und Instrumenten grundsätzlich zu
überdenken und sorgfältig vorzubereiten231 , durchaus legitim. Die
Methode nur um der Methode willen anzuwenden, könnte vollends
fehlschlagen, wenn der Klient sie nicht versteht, oder sie nicht in
dessen subjektiver Realität nachvollziehbar ist. Ob eine Intervention
sich anbietet, zeigt dich letztendlich im Dialog mit dem Klienten232.
Die „Gelenkstelle 3“ wird im Quadranten „hoher Theoriebezug /
hoher Praxisbezug“ der TPR – Matrix festgestellt: Ein sicherer
Umgang mit geeigneten Techniken wird nur durch praktische
Übungen und Erfahrungen gewährleistet. Des Weiteren dient die
Praxisübung dazu, bereits präferierte Methoden zu verfeinern,
Methoden, die bisher nur aus der Theoriearbeit bekannt waren,
können erprobt und bewertet werden.
Die „Gelenkstelle 4“ – „Inneres Team“:
Die „Gelenkstelle 4“ repräsentiert ein Tool mit phänomenologischem
Charakter, um aktuelle Themen zu detektieren. Dabei wird sie zu
einem Ermöglicher des Prozesses der Selbstklärung, für das
Beratungssystem und das Klientensystem gleichermaßen. Die
Gelenkstelle birgt so die Funktion eines Multiplikators in sich.
Dieses Tool, nach Schulz von Thun, bearbeitet die Pluralität des
individuellen Seelenlebens. Dabei ist der phänomenologische
Charakter der Intervention ein besonderes Merkmal233: Verschiedene
Haltungen und Aussagen des Klienten zu einer Thematik werden
originalgetreu übernommen, ohne sie in der Logik einer Theorie zu
generalisieren. Dies kommt insbesondere der wertschätzenden 231 Vgl. Vogelauer 2004, S. 09. 232 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 176. 233 Vgl. Schulz von Thun et al. 2004, S. 23.
118
Haltung des Beraters zur Individualität des Klienten zu gute. Ein
weiteres Merkmal des „Inneren Teams“ ist die Visualisierung der
erhobenen inneren Stimmen234 . Gerade In beraterischer Tätigkeit
bieten sich Visualisierungen gerade zu an: „Da die meisten
Menschen visuelle Typen sind und auf Zeichnungen, Grafiken oder
Bilder wesentlich stärker reagieren und dabei auch eine bessere
Merkfähigkeit aufweisen, ist es angeraten, auch im Coaching soweit
wie möglich Bilder und Grafiken zu benutzen.“235 Zusätzlich erlaubt
die Visualisierung eine gewisse Disidentifikation des Klienten236 mit
„seinen Stimmen“, wodurch ein systemischer Blick von Außen
ermöglicht wird.
Ziel dieser Intervention ist die Bearbeitung innerer Ambivalenzen237
des Klientensystems. Oftmals stehen Entscheidungen an, bei denen
der Einzelne zwischen zwei oder mehreren Handlungsoptionen
schwankt. Mit dem „Inneren Team“ werden diese Optionen
visualisiert und verdeutlicht.
Dabei wird ein entscheidender erster Schritt zur Selbstklärung
ermöglicht. Die Arbeit mit diesem Tool „klärt“ zwar nicht im
eigentlichen Sinne, vielmehr wird das Konfliktpotential von inneren
Ambivalenzen „klarer“, wodurch ein Bearbeitungsprozess initiiert
werden kann, wie folgende Darstellung zeigt:
234 Schulz von Thun 2003b, S. 24ff. 235 Vogelauer 2004, S. 14. 236 Vgl. Schulz von Thun et al. 2004, S. 24. 237 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 153.
119
Abb. 15: Visualisierung von Ambivalenzen mit dem „Inneren Team“
(Quelle: Schulz von Thun 2003b, S. 25; Farbliche Nachbearbeitung: Eigene
Produktion)
Festzuhalten ist, dass es sich beim „Inneren Team“ um eine
Metapher 238 handelt, die den Konzepten der Gruppendynamik 239
entlehnt ist. Wie auch bei anderen Interventionstechniken gilt hier,
das „Innere Team“ sinnvoll einzusetzen, wobei sich die Frage nach
der Kompatibilität zur Klientenpersönlichkeit 240 , bezüglich des
gewählten Tools, stellt.
238 Die Genese von Metaphern ist ein kreativer Prozess, der, bei gezieltem Einsatz, zu einer gesteigerten Qualität im Coachingprozess beisteuert. Vgl. hierzu: Minor in Rauen 2005, S. 103. 239 Schulz von Thun entwickelte hierzu die Parallelitätsthese, in der gruppendynamische Prozesse analog zu inneren Ambivalenzen gesehen werden. Vgl. hierzu: Schulz von Thun 2003b, S. 63. 240 Vgl. Schreyögg 2003, S. 290.
120
Die „Gelenkstelle 4“ wird im Quadranten „hoher Theoriebezug /
hoher Praxisbezug“ der TPR – Matrix beobachtet, wobei der
Theoriebezug nicht so stark ausgeprägt ist: Das vorliegende Tool
bezieht sich, aufgrund seines Wertes für die Selbstklärungsarbeit,
vornehmlich auf das „Doing“ des Beraters. Dadurch, dass dieses
Instrument mit den Grundlagen der Kommunikationspsychologie eng
verknüpft ist, wird dem Coach / Changemanager ein gewisses
Vorverständnis abverlangt, hinsichtlich der Benutzung des „Inneren
Teams“. Aufgrund des phänomenologischen Merkmals wird der
Theoriebezug niedriger eingestuft.
Die „Gelenkstelle 5“ – „TZI“:
Die „Gelenkstelle 5“ verdichtet ein theoretisches Konzept zu
Wertehaltungen, die in explizite Handlungsmuster im
Beratungsprozess dem / den Klienten gegenüber resultieren. Das
Leiten und Beobachten von Interaktionen zwischen Berater- und
Klientensystem wird in seiner Gesamtheit ermöglicht.
Die „Themenzentrierte Interaktion“ (TZI) wurde von Ruth Cohn
entwickelt, deren Wurzeln in der humanistischen Psychologie liegen.
Grundidee dieses Konzepts ist die Annahme, dass jegliche Form von
Gruppeninteraktion von drei Einflussgrößen bestimmt ist241:
Das Ich, die Persönlichkeit des Individuums
Das Wir, die interagierende Gruppe
Das Es, auch als Thema bezeichnet
241 Vgl. Cohn 2004, S. 113ff. Und: Bönsch et al. 2000, S. 01.
121
Diese drei Faktoren sind sinnbildlich als ein Dreieck zu verstehen:
„Dieses Dreieck ist eingebettet in eine Kugel, die die Umgebung
darstellt, in welcher sich die interaktionelle Gruppe trifft. Diese
Umgebung besteht aus Zeit, Ort und deren historischen, sozialen
und teleologischen Gegebenheiten.“ 242 In diesem Sinne ist die
Umgebung die Umwelt, die auf die Interaktion der beteiligten
Systeme ihren Einfluss nimmt. Das so genannte TZI – Dreieck stellt
sich wie folgt dar:
Abb. 16: Das TZI – Dreieck mit seinen Einflussgrößen
(Quelle: Legewie et al. 2000, S. 310)
Cohn führt in ihrem Konzept Axiome an, die für das System der TZI
die Grundlage bilden:243
1. „Der Mensch ist eine psycho-soziale Einheit.“244 Als Teil des
Universums (Umwelt) ist er autonom und gleichzeitig
interdependent.
2. Es wird Ehrfurcht vor allen Lebendigem geboten. Hier wird
auf den Gedanken der Humanität fokussiert.
242 Cohn 2004, S. 113f. 243 Vgl. ebd., S.120ff. 244 ebd., S. 120.
122
3. Eine freie Entscheidung ist im Rahmen von innerer und
äußerer Grenzen, die erweiterbar sind, möglich.
Die daraus abgeleiteten Postulate, „Sei dein eigener Chairman“ und
„Störungen haben Vorrang“, sind Aufforderungen zu einem
selbstverantwortlichen Handeln und zur Auseinandersetzung mit der
Realität. Für die praktische Umsetzung der TZI werden Hilfsregeln245
aufgestellt, bei denen Authentizität (sich seiner eigenen Werte
bewusst sein), Selbstverantwortlichkeit (Der Einzelne spricht per „ich“,
nicht per „man“) und Diskursfähigkeit (Differenzen auf gleicher
Augenhöhe erörtern) Im Vordergrund stehen.
Auch wenn dieses Konzept auf Gruppensituationen zugeschnitten
wurde, ist es gleichermaßen auf klassische Beraterkonstellationen
(Einzelcoaching) anwendbar. Weitaus bedeutsamer ist hier die
vermittelte Wertehaltung dem Klienten gegenüber: „Darüber hinaus
liefert dieser Ansatz allgemeine Leitlinien für gelingende
Kommunikation und kann so zum Entstehen einer Kultur des
>>freundlichen Zusammenlebens<< beitragen.“246
In der TPR – Matrix wird die „Gelenkstelle 5“ im Quadranten „hoher
Theoriebezug / niedriger Praxisbezug“ beobachtet, wobei eine
deutliche Tendenz zum erhöhten Praxisbezug intendiert ist: Die
Kenntnis der theoretischen Konzeption von TZI bildet eine Grundlage
zu einer partnerschaftlichen und wertschätzenden Haltung dem
Klienten gegenüber. Des Weiteren kann TZI auch als Methode
verstanden werden, die im Rahmen von Beratungsprozessen genutzt
wird (Beispiel: „Störungen haben Vorrang“ als vereinbartes
Miteinander zwischen Berater und Klient).
245 Vgl. ebd. 123ff. 246 Legewie et al. 2000, S. 311.
123
Die „Gelenkstelle 6“ – „Klientenzentrierte Gesprächsführung“:
Die „Gelenkstelle 6“ setzt ein hohes Maß an Vorverständnis voraus,
indem das hier behandelte Konzept keine praktische Methode im
eigentlichen Sinne darstellt, sondern den Rahmen von positiven
Grundeinstellungen des Beraters zu seinem Klienten und seiner
Individualität definiert.
Ein grundlegendes Merkmal des klientenzentrierten Ansatzes ist,
dass es nicht darum geht, „(…) den Klienten zu bewerten oder zu
beurteilen, sondern ihn bei der Entdeckung seiner Individualität zu
unterstützen.“ 247 In der Umsetzung zeigt sich dies so, dass der
Berater keine Interpretationen oder Antworten für den Klienten
konstruiert. Er (der Berater) fungiert als Zuhörer, der die subjektive
Wahrnehmung des Klienten reflektiert. Dabei ist die Annahme, dass
der Klient die Fähigkeit besitzt, Lösungen selbst zu erarbeiten und
sich so selbst zu integrieren, die die Grundlage dieses Ansatzes248.
Um den Klienten dabei zu unterstützen, werden vier Punkte nach der
Theorie Rogers genannt:
1. Positive Wertschätzung: Die Sicht und Person des Klienten
wird bedingungslos akzeptiert249, ohne Vorbehalte.
2. Empathie: Die Gefühle des Klienten werden als solche erlebt.
Dies bereichert das Entgegenkommen von Akzeptanz und
Wertschätzung.250
3. Kongruenz: Der Berater bleibt authentisch und befindet sich in
einer emotionalen Balance dem Klienten gegenüber.251
247 Zimbardo 1995, S. 678. 248 Vgl. Rogers 2003, S. 39. 249 Vgl. ebd., S. 43. Und: Zimbardo 1995, S. 678. 250 Vgl. Legewie et al. 2000, S. 392. 251 Vgl. ebd., S. 392.
124
4. Dialog: Jegliche Kommunikation enthält einen Sach- und
Beziehungsaspekt252. Daher muss der Berater für sämtliche
Aspekte offen sein.
5. Strukturierung der Gespräche: Um das Wesentliche wirklich
zu erfassen, empfiehlt es sich, Aussagen gemeinsam einer
Reduktion zu unterwerfen.253
Bezogen auf die Tätigkeit als professioneller Berater, hat sich aus
dieser Konzeption besonders die Technik des aktiven Zuhörens
etabliert. Dabei signalisiert der Berater dem Klienten, dass er nicht
nur verstanden hat, was er sagt, sondern auch wie er es sagt.254 Es
werden demzufolge nicht allein die Fakten aufgenommen und
reflektiert, sondern ebenso die individuellen Befindlichkeiten des
Klienten, die unweigerlich dabei mitschwingen, verstanden und
nachvollzogen.
Die „Gelenkstelle 6“ wird im Quadranten der TPR – Matrix „hoher
Theoriebezug / niedriger Praxisbezug“, jedoch mit Tendenz zu einem
mittleren Praxisbezug: Das Konzept der klientenzentrierten
Gesprächsführung ist ein Ansatz, der auf interdisziplinärer Ebene
seine Anwendung findet. Die theoretischen Grundzüge behält der
Berater dabei im Hinterkopf. Wird diese Konzept angewendet, lässt
es sich an Haltungen und Handlungen des Beraters dem Klienten
gegenüber erkennen, wodurch sich auf implizite Wertvorstellungen
schließen lässt.
Bezüglich der TPR – Matrix lässt sich aussagen, dass dieses
Seminar mit den dazugehörigen „Gelenkstellen“ vornehmlich in den
Quadranten „hoher Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ und „hoher
Theoriebezug / niedriger Praxisbezug“ anzusiedeln ist. Dabei ist aber
252 Vgl. Watzlawick et al. 2003, S. 53. Und: Watzlawick 2005, S. 76. 253 Vgl. Fischer – Epe 2002, S. 41ff. 254 Vgl. Weisbach 2003, S. 52ff. Und: Fischer – Epe 2002, S. 33ff.
125
eine leichte Tendenz zugunsten des Quadranten „hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ feststellbar. Inhaltlich kann dem
Seminar „Beratungskompetenz“ eine ausgewogene Balance von
Theorie und Praxis attestiert werden: Es wird eine Reihe von
Konzeptionen und deren praktische Anwendung, in Form
ausgewählter Techniken, präsentiert, jedoch liegt der Anteil von
praktischen Übungen sehr hoch. Intention des Seminars ist das
praktische Üben von Beratungssituationen in realen Anliegenarbeiten.
Dabei wird dem Teilnehmer implizit vermittelt, dass die Wahl von
Interventionen kontingent ist, da die Eignung eines Tools sich nur am
individuellen Klientensystem messen lässt. In der graphischen
Aufbereitung stellt sich die Lokalisierung der
„Gelenkstellen“ folgendermaßen dar:
Beratungskompetenz TPR - Matrix
praxisbezogen
theo
riebe
zoge
n
+
-
+-
„Phasen der Beratung“ (GS1)
„Rollenerwartungen“(GS2)
„Praxisübung I – V“(GS3)
„Inneres Team“(GS4)
„TZI“ (GS5)
„Klientenzentrierte Gesprächsführung“(GS6)
Abb. 17: Die TPR – Matrix „Beratungskompetenz“ mit ihren „Gelenkstellen“
(Eigene Produktion)
126
6.1.2 Die „Vernetzung der Gelenkstellen“
Extrahiert man nun die „Gelenkstellen“ aus der Matrix und hält sich
deren Bedeutung und Inhalt vor Augen, können diese in Relation
gesetzt werden. Die hier vorgenommene Definition und Bewertung
der Charakteristik einer solchen Relation hängt zum einen von der
Auswertung der einzelnen „Gelenkstellen“ ab, zum anderen vom
Erleben im laufenden Seminar.
Im Falle des „Seminars“ wird folgende Darstellung der
beobachtbaren Relationen vorgeschlagen:
Abb. 18: Die „Vernetzung der Gelenkstellen“ im Seminar „Beratungskompetenz“
(Eigene Produktion)
Es fällt auf, dass die „Gelenkstelle 1“, „Phasen der Beratung“, relativ
viele Relationen bündelt. Sie ist vor allem Bestandteil von Relationen
der Sachebene (blaue Verknüpfungen), woraus sich schließen lässt,
dass die thematischen Inhalte von der „Gelenkstelle 1“ auf die
anderen Seminarbereiche überstrahlt. Da sie die erste beobachtete
„Gelenkstelle“ ist, wirkt sie wie ein Anker, der gleich zu Beginn
GS1
GS2
GS3
GS4
GS5
GS6
127
gesetzt wurde, und auf den, in den weiteren Phasen des Seminars,
immer wieder zurückgegriffen wird. Die „Phasen der Beratung“ stellt
somit einen unverzichtbaren Bestandteil des Seminars, da ihr
Wegfallen die systemische Geschlossenheit zum Verfall bringen
würde. Durch die Intensität der dort festgestellten Bündelungen
bekommt die „Gelenkstelle 1“ die Funktion eines neuralgischen
Punktes.
Die „Gelenkstelle 6“ weist die niedrigste Anzahl von Verknüpfungen
auf. Sie ist die letzte beobachtete „Gelenkstelle“, die aber dennoch
ihre exponierte Position behaupten kann, da sie eine Relation auf der
Sachebene zur „Gelenkstelle 1“ aufweist. Somit rekurriert sie sich auf
die erste „Gelenkstelle“ und rundet letztendlich die Thematik des
Seminars ab.
6.1.3 Die „Hauskonstruktion“ des Seminars
Das Fundament stellt, wie für alle Seminare festgelegt, die Trias
„Setting, Arbeitsklima, Wertschätzung“ dar.
Die tragende Säule, die das Dach „Beratungskompetenz“ trägt, ist
die „Gelenkstelle 1“. Allerdings reichen ein gutes Fundament und
eine stabile Hauptsäule nicht aus, um ein Haus wirklich stabil zu
machen. Die „Gelenkstelle 1“ bietet in ihrer Funktion für die
Hauskonstruktion einen großen Rückhalt. Sie übernimmt im
wörtlichen Sinne eine tragende Rolle. Jedoch ist diese nur tragfähig,
solange die anderen Säulen nicht wegbrechen, denn sie sorgen für
die nötige Balance und Ausgeglichenheit im Seminar
„Beratungskompetenz“. Es läßt sich also festhalten, daß die übrigen
„Gelenkstellen“ notwendige tragende Elemente sind, die die
gelungene Umsetzung des gesamten Seminars gewährleisten und
so für eine gelungene und, im wahrsten Sinne des Wortes, „runde
128
Sache“ sorgen. Die „Hauskonstruktion“ wird folgendermaßen
visualisiert:
Setting, Arbeitsklima, Wertschätzung
GS 1 GS 4GS 3 GS 5
„Beratungskompetenz“
GS 2 GS 6
Abb. 19: Die Hauskonstruktion der „Beratungskompetenz“
(Eigene Produktion)
6.2 Das Seminar „Wechsel und Ängste“
Immer wenn Veränderungen stattfinden – man „wechselt“ von einem
Zustand in den anderen – sind damit unweigerlich auch immer Angst,
oder unterschiedliche Ängste, verbunden. „Angst gehört
unvermeidlich zu unserem Leben.“ 255 Hiermit wird betont, dass
„Angst haben“ nichts Unnatürliches ist. Das Gefühl der Angst wird
zudem nicht permanent empfunden, es steigt erst dann in einem auf,
wenn eine echte Bedrohung erkannt wird 256 . Angst ist also ein
Urinstinkt, der allen Lebewesen eigen ist, um sie vor unmittelbaren
Gefahren zu schützen.
255 Riemann 2003, S. 07. 256 Vgl. Dieterich et al. 1996, S. 29.
129
Gerade in der professionellen Arbeit von Coaching und
Changemanagement nehmen Veränderungen eine zentrale Rolle ein:
Oft stellt sich in der Anliegenerhebung heraus, dass ein gewisser
Status Quo, seinen es Verhaltensweisen, soziale Umgangsformen
oder Gewohnheiten, in einen neuen transferiert werden soll. Es soll
sich eben etwas verändern. „Gewohnheiten verändern ist jedoch gar
nicht so einfach, denn manchmal bedeutet dies auch, die eigene
Identität in Frage zu stellen.“ 257 Dabei kommt es dann in
Veränderungsprozessen dazu, dass gerade an der Identität selbst
gearbeitet werden muss: „An den Grenzen der Identität, am einzigen
Ort, wo Veränderung stattfinden kann, tauchen Dämonen der Angst
auf.“258 Der Berater , Coach oder Change Manager, muss daher,
wenn er eine wirkliche Veränderung leisten will, mit dem Klienten an
diese Grenzen gehen, sich dabei aber immer bewusst sein, mit
Ängsten, in verschiedensten Phasen des Veränderungsprozesses,
konfrontiert zu werden.
Im untersuchten Seminar „Wechsel und Ängste“ wurden insgesamt
sechs „Gelenkstellen“ lokalisiert, die mit folgenden Überschriften
betitelt wurden:
„Gelenkstelle 1“ (GS 1): „Fehlender Fahrplan“
(1. Tag, ab 09.15Uhr)
„Gelenkstelle 2“ (GS 2): „Grundformen der Angst“
(1. Tag, ab 15.00Uhr)
„Gelenkstelle 3“ (GS 3): „Klimakurve“
(1. Tag, ab 16.10Uhr; 2. Tag, ab 09.15Uhr)
„Gelenkstelle 4“ (GS 4): „Fragenspeicher“
(1. Tag, ab 10.00Uhr; 2. Tag, ab 16.45;
3. Tag, ab 09.15) 257 Schmidt – Tanger 1999, S. 19. 258 Mary 1996, S. 55.
130
„Gelenkstelle 5“ (GS 5): „Anliegenarbeit Angst“
(2. Tag, ab 10.30Uhr)
„Gelenkstelle 6“ (GS 6): „Coaching – Stunde II“
(3. Tag, ab 10.40Uhr)
6.2.1 Die „Gelenkstellen“ und die TPR – Matrix Die „Gelenkstelle 1“ – „Fehlender Fahrplan“:
Die „Gelenkstelle 1“ hat den Charakter einer Introspektion und
ermöglicht den bewussten Umgang mit der Selbstreflexion. Der
einzelne wird mit Wünschen, Hoffnungen, aber auch mit seinen
Grenzen der Identität konfrontiert.
Stabilität gibt Sicherheit. Dies ist bereits auch mehrmals in
Untersuchungen sozialer und biologischer Systeme erkannt worden,
in denen postuliert wird, dass Systeme einem neuen Zustand
(notgedrungen) entgegenstreben, wenn der alte instabil geworden
ist 259 . Das Ziel ist ein neuer stabiler Zustand. Die emotionale
Komponente Angst ergibt sich aus der „Umstrukturierung der bisher
gültigen Wirklichkeit“260 des Systems.
Auch in der Praxis professioneller Beratung ist diese Regelhaftigkeit
erkennbar. In der Veränderungsarbeit in Unternehmen, stehen die
betroffenen Personen Veränderungen oft kritisch gegenüber: „Wieso
sollten wir etwas verändern? So, wie es bisher lief, war es doch ganz
in Ordnung.“ 261 Plötzliche Veränderungen erschüttern
gewissermaßen die stabilen Strukturen und erzeugen Instabilität. Im
Einzelcoaching ist der Berater auch oft mit solchem Verhalten
259 Vgl. Brunner 2002, S. 54. 260 Backhausen et al. 2004, S. 141. 261 Vgl. Schmidt – Tanger 1999, S. 20.
131
konfrontiert. Hier wird zumeist das Festhalten an eingeschliffenen
Denkstrukturen und Verhaltensmustern offenkundig: „Dieses
Stabilhalten und Stereotypisieren von Denk- und Verhaltensweisen
gibt ein Gefühl der Kontrolle und ist damit angstreduzierend. Das,
was immer so war, kann auch ruhig so bleiben.“262
Und gerade der im Seminar „fehlende Fahrplan“ erzeugt diese
Instabilität bei allen betroffenen Teilnehmern. Wer an
Weiterbildungen teilnimmt, tut dies mit einer gewissen
Erwartungshaltung an die Institution, den Lehrenden und am
Lehrangebot263. An einem Curriculum teilzunehmen bedeutet, einen
Überblick über kommende Inhalte zu haben, zu wissen, welche
Themen wann und wie bearbeitet werden.
Die „Gelenkstelle 1“ wird innerhalb der TPR – Matrix im Quadranten
„hoher Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ lokalisiert, wobei der
Theoriebezug relativ niedrig eingestuft wird: Vornehmlich wird der
einzelne Teilnehmer mit seinen eigenen Befürchtungen und Ängsten
in Berührung gebracht. Bei diesem Prozess einer Selbstreflexion und
der anschließenden Betrachtung wird erkannt, wie elementar solche
Gefühle sind. Solche Erfahrungen werden in der Praxisarbeit mit
Klienten berücksichtigt („man kennt solche Emotionen ja selber“).
Die „Gelenkstelle 2“ – „Grundformen der Angst“:
Die „Gelenkstelle 2“ verlangt ein hohes Maß an Vorverständnis, da
hier die Konzeption von Typisierungen aus dem Bereich der
tiefenpsychologischen Forschung bearbeitet wird. Die
Herausforderung besteht darin, Grundtypen psychologischer
Erkenntnisse in die praktische Beratungsarbeit zu integrieren.
262 Ebd., S. 78f. 263 Vgl. Merk 1998, S. 219ff.
132
Die Grundformen der Angst nach Riemann beziehen sich nicht auf
Ängste jeglicher Art, sie liefern eine grundlegende Kategorisierung
basaler Typen, die sich auf das menschliche Individuum, in Kontakt
mit seiner Umwelt, beschränken. „Die Grundformen der Angst
hängen mit unserer Befindlichkeit in der Welt zusammen, mit
unserem Ausgespanntsein zwischen zwei großen Antinomien, die wir
in ihrer unauflösbaren Gegensätzlichkeit und Widersprüchlichkeit
leben sollen.“264 Diese Antinomien veranschaulicht Riemann mit dem
Gleichnis der Erdrevolution (Umkreisen der Erde um die Sonne) und
der Erdrotation (Eigene Drehung der Erde um ihre eigene Achse).
Dabei werden zwei gegensätzliche Impulse generiert: Die
Schwerkraft, die sich zentripedal (nach der Mitte des Erdballs
strebend) nach innen richtet, und die Fliehkraft, die sich zentrifugal
(nach außen strebend) verhält.265
Bezogen auf den Menschen, bedeutet die Rotation das Bejahen der
eigenen Individualität, das Herausstechen aus der Masse. Damit ist
gleichzeitig die Angst, aus der Gemeinschaft zu fallen, implizit
verbunden. Die Revolution fordert vom einzelnen Menschen, dem
Fremden offen zu sein, mit ihm in Interaktion zu treten. Dabei
schwingt die Angst, sich abhängig zu machen, unterschwellig mit.
Der Begriff des Zentripedalen bedeutet für den Menschen, dass er
Zustände, die auf Dauer ausgerichtet sind, anstrebt. Der Mensch will
planen, er möchte Zukunft haben. Im Zuge dessen, schwingt die
Angst mit, dass eine Zukunft gebaut wird, obwohl alles vergänglich
ist. Wann es endet, weiß niemand a priori. Bleibt man im Rahmen
dieser Metapher, fordert die zentrifugale Kraft, dass wir unseren
Horizont ständig erweitern, nach außen streben. Das Individuum
sollte dafür offen sein, sich kontinuierlich einem Wandel, einer
Veränderung, zugunsten der eigenen Entwicklung zu unterwerfen.
Hier erscheint latent die Angst, dass der Wandel eine gezwungene
264 Riemann 2003, S. 11. 265 Vgl. ebd., S. 11f.
133
Notwendigkeit darstellt: Wer den Wandel nicht mitmacht, wird von
allen anderen überholt und gerät ins Hintertreffen.266
Abgeleitet aus diesem Gleichnis schlägt Riemann vier Grundformen
der Angst vor:
1. Die Angst vor der Selbsthingabe: Sie wird empfunden als
Verlust des Ichs, als Abhängigkeit. Der Typus ist die schizoide
Persönlichkeit267.
2. Die Angst vor der Selbstwerdung: Diese wird konkret als
Isolation aus der Gemeinschaft erlebt. Der betreffende Typus
ist die depressive Persönlichkeit268.
3. Die Angst vor der Wandlung: Sie wird vor dem Hintergrund
der Vergänglichkeit und Ungewissheit der Zukunft
wahrgenommen. Der Typus ist die zwanghafte
Persönlichkeit269.
4. Die Angst vor der Notwendigkeit: Sie wird als Beschneidung
der individuellen Freiheit erlebt. Der Typus ist die hysterische
Persönlichkeit270.
Für die praktische Arbeit im Coaching oder Changemanagement
bedeutet dich nicht, dass hier der Berater eine Funktion als
Therapeut innehält. „Ziel von Therapie ist Gesundheit und die
Befreiung von Symptomen mit Krankheitswert. Beratung (Coaching,
Supervision, Klärungshilfe) versucht dagegen Klärungen und
Lösungen zu finden für punktuell schwierige Situationen.“ 271 Der
professionelle Berater kann diese vier Grundtypen aber im Hinterkopf
266 Vgl. ebd. 13ff. 267 Vgl. ebd., S.20ff. 268 Vgl. ebd., S. 59ff. 269 Vgl. ebd., S. 105ff. 270 Vgl. ebd., S. 156ff. 271 Fischer – Epe 2002, S. 180f.
134
behalten und dabei in der Arbeitsphase des Entwicklungsprozess mit
den vier Grundstrebungen der Persönlichkeit (Dauer, Wechsel, Nähe
und Distanz 272 ) abgleichen, um Hemmnisse des Klienten besser
nachzuvollziehen. Nachfolgende Abbildung zeigt die vier
Grundstrebungen der Persönlichkeit im Riemann – Thomann – Kreuz.
Die vier Grundformen der Angst stellen dazu die pathologische
Übersteigerung der Grundtendenzen Dauer, Wechsel, Nähe und
Distanz dar273:
Abb. 20: Das Riemann – Thomann – Kreuz mit den Grundformen der Angst
(Quelle: Thomann et al. 2003, S. 187)
Die „Gelenkstelle 2“ wird im Quadranten „hoher Theoriebezug /
niedriger Praxisbezug“ gesehen, wobei der Praxisbezug eher
marginal ausfällt, der Theoriebezug sehr hoch: Die Grundformen der
Angst entstammen der Disziplin der Tiefenpsychologie, bilden einen
theoretischen Unterbau für den Berater (er ist Berater, kein
Therapeut!). Diese vier Typen dienen zum besseren Verständnis,
welche Art der Ängste der Klient empfindet. Sie sind, neben allen
anderen Formen der Angst, gewissermaßen „Archetypen“, auf die
rekurriert werden kann. Dies bietet sich besonders mit der
Intervention des Riemann – Thomann – Kreuzes an.
272 Vgl. Thomann et al. 2003, S. 176ff. Und Fischer – Epe 2002, S.143f. 273 Vgl. Thomann et al. 2003, S. 187.
135
Die „Gelenkstelle 3“ - „Klimakurve“:
Die „Gelenkstelle 3“ besitzt einen hohen Grad an Vorverständnis, da
in einem idealtypischen Schema mit mehreren Phasen, das in der
Begleitung von Veränderungsprozessen seine Anwendung findet,
individuelle und situative Hemmnisse und Ängste, seien sie expliziter
oder impliziter Natur, prospektiv berücksichtigt werden müssen.
„Veränderungen, sei es innerhalb einer Person, einer Gruppe oder
einer Organisation, folgen mehr oder weniger einer Kurve, die 1947
als Grundidee vom Amerikaner Levin vorgeschlagen und seither
vielfach bearbeitet wurde.“274 Der idealtypische Verlauf einer solchen
Kurve entspricht, wie der Name schon verrät, einem Musterschema,
das einen generalisierenden Charakter besitzt: Dabei sollte beachtet
werden, dass der Faktor Zeit von besonderer Bedeutung ist, da
Veränderungen nicht von heute auf morgen passieren. Veränderung
ist ein Prozess der Zeit benötigt275.
Ein solcher mustergültiger Verlauf soll hier mehr ein Verständnis für
die Höhen und Tiefen geben, die sich im Rahmen eines
dynamischen Veränderungsprozesses ereignen können. Besitzt der
der Berater ein solches Schema, kann er die aktuell vorfindbaren
Prozesse deuten und der laufenden Veränderung die Unterstützung
geben, die sie benötigt, um nicht ins Stocken zu geraten.
In Rahmen des beobachteten Seminars wird die so genannte
„Klimakurve“, nach Jeanie Daniel Duck 276 , vorgeschlagen. Diese
Kurve stellt ebenso einen Idealtypus dar, der in der Realität so nicht
vorfindbar sein wird: „The Change Curve – like any graphic depiction
274 Schmidt – Tanger 1999, S. 37. 275 Vgl. ebd., S. 38. 276 Jeanie Daniel Duck, Mitglied der Boston Consulting Group, kreierte die „Klimakurve“, die in der englischen Originalfassung „The Change Curve“ heißt. Vgl. hierzu: Duck 2001, S.15ff.
136
of a comlex situation, including a map – is a simplification and an
approximation.“277 Ihre Phasen lauten: 278
1. Erste Euphorie: Ist ein Veränderungsprozess im Gange, so
stellen sich oftmals kleine, schnell zu erzielende Erfolge
(„Quick Hits“) ein. Das Klientensystem neigt zu einer positiven
(Über-)Bewertung des Prozesses und zur Begeisterung.
2. Konzeptkrise: Gerät der Prozess ins Stocken, oder bleiben
„Quick Hits“ plötzlich aus, wird die Euphorie wieder vom
Alltag eingeholt. Als Resultat können sich erste Zweifel
bemerkbar machen.
3. Katastrophenphantasien: Wird der Veränderungsprozess als
eine negative Trendlinie wahrgenommen, können immer
ernstere Bedenken den Wandel zum Scheitern bringen.
Anstatt an einen Aufwind zu glauben, ist der Klient davon
überzeugt, dass alles in einer unabwendbaren Katastrophe
endet. Er ist nicht mehr in der Lage, selbst aus der Misere zu
kommen.
4. Turnaround: Ist der Prozess des Wandels nicht gescheitert,
werden lösungsorientierte Ansätze erarbeitet, um die
„Wende“ zu forcieren.
5. Teufel im Detail: Ist der Aufwärtstrend initiiert, schleichen sich
eventuell kleine Hindernisse (seien sie dem Klientensystem
oder seiner Umwelt zuzuschreiben) ein, die den Prozess
erschweren können.
277 Duck 2001, S. 18. 278 Vgl. Berner 2002, In: http://www.umsetzungsberatung.de/veraenderungsstrategie/klimakurve.php. Hier wird der Zitiervorschlag gemäß den Nutzungsbedingungen der Administratoren übernommen. – Anm. d. Verf.
137
6. Umsetzungskrise: Die Phase beschreibt die „Durststrecke“ in
Veränderungsprozessen. Wird bei der Umsetzung von
gewünschten Veränderungen das eigentliche Ziel aus den
Augen verloren, besteht die Gefahr, dass der Prozess
geradezu „im Sande verläuft“.
Der Verlauf der Klimakurve wird folgendermaßen dargestellt:
Abb. 21: Darstellung der Klimakurve mit ihrem Phasenverlauf
(Quelle: Berner 2002)
Hier erkennt man eindeutige Parallelen zu anderen Darstellungen,
wie beispielsweise die „Veränderungskurve“ 279 nach Schmidt –
Tanger. Allen möglichen Versionen solcher Kurven ist ein Faktor
gemeinsam, nämlich, die Beurteilung der eigenen Kompetenz, die
Veränderung aus eigener Kraft leisten zu können. Ist diese
Einschätzung an ihrem Tiefpunkt280 („Tal der Tränen“281), ist eine
Veränderungsarbeit besonders wirkungsvoll, da ein Infragestellen
der eigenen Identität und des eigenen Weltbildes einen
Perspektivenwechsel 282 und den Willen zu einem Wechsel erst
ermöglicht.
Für den professionellen Berater bedeutet dies konkret, die aktuelle
Phase des Veränderungsprozesses des Klientensystems (egal, ob 279 Vgl. ebd., S. 39ff. 280 Dieser Tiefpunkt kann auch als „Punkt der maximalen Wahrnehmung eigener Inkompetenz“ (O – Ton: Trainer von 2coach) treffend bezeichnet werden. – Anm. d. Verf. 281 Vgl. Schmidt – Tanger 1999, S. 43. 282 Vgl. ebd., S. 19 und 43.
138
Einzelperson oder Organisation) zu erkennen und dementsprechend
seine Interventionen anzusetzen. Zu beachten ist des Weiteren, dass
der Berater zu jeder möglichen Phase einsteigen kann. Durch
vorausschauendes Handeln und der Akzeptanz von eventuellen
Widerständen und Ängste der betroffenen Individuen, kann er
287 Vgl. Backhausen et al. 2004, S. 177. 288 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 22.
142
Eine Perspektive der Supervision „(…) ist die der Praxis, also des
konkreten professionellen Handelns in der Situation.“289 Gerade in
Ausbildungen zum Berater bietet es sich an, die Wahrnehmungen
dritter Personen heranzuziehen, da sie einen Perspektivenwechsel
bedeuten. Durch eine Diskussion der verschiedenen Sichtweisen
wird ein Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung ermöglicht290.
Aber nicht nur in der Ausbildung zum Berater, sondern auch in der
professionellen Beratungspraxis ist die Rückmeldung, sprich das
Feedback, von hoher Bedeutung: „Feedback ist ein zentraler
Bestandteil von Coaching, denn ohne Feedback ist zielgerichtete
Veränderung nicht möglich.“291 Wird ein Feedback gegeben, gelten
folgende Grundregeln:292
a. Das Feedback soll eine Hilfestellung sein, um eventuelle
Kurskorrekturen vorzunehmen.
b. Das Feedback soll konkret und zeitnah formuliert werden.
c. Das Feedback soll als subjektive Wahrnehmung gekennzeichnet
werden.
d. Das Feedback soll eine Empfehlung und nicht eine kritische
Bewertung sein.
In der hier beobachteten „Gelenkstelle“ zeigen sich die Folgen einer
vorangegangenen „Feedbackrunde“: Es wurde im Plenum
festgestellt, dass in der Praxisübung nicht „tief genug“ an Ängsten
oder Vorbehalten des Klienten gearbeitet wurde. Durch die
289 Schmid 2004b, S. 136. 290 Vgl. ebd., S. 136. 291 Fischer – Epe 2004, S. 37. 292 Vgl. ebd., S. 39f.
143
Sichtweise der anderen Beobachterperspektive, wurde eine
Entwicklung des betreffenden Beraters ermöglicht.
So wurden in der „Coaching – Stunde II“, die eigentlich nicht mehr im
Seminarplan vorgesehen war 293 , neue Verhaltensweisen im
beobachteten Beratungsprozess ermöglicht.
Die „Gelenkstelle 6“ wird im Quadranten „hoher Theoriebezug /
hoher Praxisbezug“ verortet. Dabei sind beide Bezüge als sehr hoch
eingestuft: Das Wiederholen einer bereits durchgeführten
Praxisübung stellt einen Mehrwert dar. Zum einen wurden aus dem
Pool an Interventionsmöglichkeiten weitere Tools geübt, zum
anderen wurde die Vorgehensweise des Beraters, aufgrund der
vorherigen Feedbackrunde verändert und weiterentwickelt.
Anzumerken ist hier, dass nicht nur die Protagonisten eines
Rollenspiels profitieren, da auch die externen Beobachter neue
Beobachtungen machen.
Betrachtet man die Verortung der sechs „Gelenkstellen“ in der TPR –
Matrix stellt man fest, dass ausschließlich die Quadranten „hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ und „hoher Theoriebezug /
niedriger Praxisbezug“ belegt sind. Das quantitative Ergebnis aller
„Gelenkstellen“ fällt eindeutig zugunsten des Quadranten „hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ (Verhältnis 5:1). Das Seminar
„Wechsel und Ängste ist demnach tendenziell ein Seminar mit
hohem Theoriebezug und sehr hohem Praxisbezug. Betrachtet man
die Inhalte des Seminars wird die emotionale Seite von
Beratungsprozessen sehr betont. Dabei spielen Ängste auf Seiten
des Beraters, aber auch des Klienten die zentrale Rolle. Intention
des Seminars „Wechsel und Ängste“ ist das Vermitteln
verschiedenster Ängste und Hemmnisse, sowie deren Auswirkungen,
293 In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit sollte eine weitere Praxisübung nicht mehr stattfinden. Aufgrund des gegebenen Feedbacks wurde einstimmig beschlossen, die Praxisübung zu wiederholen, um Erfahrungspraxis zu sammeln. – Anm. d. Verf.
144
die den Beratungs- / Veränderungsprozess beeinflussen können.
Implizit wird vermittelt, den Klienten mit seinen Ängsten anzunehmen
(„die Ängste Ängste sein lassen“), sie als Teil des Individuums zu
akzeptieren. Abschließend soll die graphische Darstellung der TPR –
Matrix das Seminar nochmals veranschaulichen:
Wechsel und Ängste TPR - Matrix
praxisbezogen
theo
riebe
zoge
n
+
-
+-
„Fehlender Fahrplan“ (GS1)
„Grundformen der Angst“(GS2)
„Klimakurve“(GS3)
„Fragenspeicher“(GS4)
„Anliegenarbeit Angst“(GS5)
„Coaching –Stunde II“(GS6)
Abb. 22: Die TPR – Matrix „Wechsel und Ängste“ mit ihren „Gelenkstellen“
(Eigene Produktion)
6.2.2 Die „Vernetzung der Gelenkstellen“
Werden die sechs „Gelenkstellen“ nun in die „Vernetzung der
Gelenkstellen“ übertragen, resultiert daraus das „System Seminar“,
in dem sämtliche „Gelenkstellen“ zueinander in Relation stehen.
Aufgrund der Interpretation der „Gelenkstellen“ und der
teilnehmenden Beobachtung des Seminarbausteins wird folgende
Darstellung vorgeschlagen:
145
Abb. 23: „Vernetzung der Gelenkstellen“ im Seminar „Wechsel und Ängste“
(Eigene Produktion)
Betrachtet man die Wahl der Farben der verschiedenen Relationen,
dass die Farben grün (Selbstkundgabe) und gelb (Beziehung)
gegenüber der Farbe blau (Sachebene) dominieren. Ursache dafür
ist die Thematik des Seminars. Spricht man von Ängsten, wird
besonders stark auf Emotionen abgezielt. Die Sachebene hat im
Rahmen der professionellen Beratung natürlich ihre Berechtigung,
jedoch werden im Dialog, der Befürchtungen und Ängste thematisiert,
vornehmlich Emotionen transportiert.
Besonders markant erscheint hier die „Gelenkstelle 2“ –
„Grundformen der Angst“, die sie die Masse der Relationen bündelt.
Der Inhalt dieser „Gelenkstelle“ beschreibt zwar überwiegend ein
theoretisches Konzept, das jedoch einen umfassenden
Erklärungswert für die praktische Beratungsarbeit liefert.
Die restlichen „Gelenkstellen“ weisen keine signifikanten
Abweichungen, bezüglich ihrer Anzahl von Relationen, auf. Auch hier
GS1
GS2
GS3
GS4
GS5
GS6
146
werden Verknüpfungen untereinander auf sachlicher Ebene erstellt,
allerdings überwiegen die Selbstkundgabe und die Beziehungsebene.
6.2.3 Die „Hauskonstruktion“ des Seminars
Auf dem postulierten Fundament von „Setting, Arbeitsklima,
Wertschätzung“ findet die „Gelenkstelle 2“, die aus allen anderen
hervorsticht, als Hauptsäule ihren sicheren Stand.
Sie trägt das Dach des Seminars „Wechsel und Ängste“ zum großen
Teil. Aufgrund der zahlreich beobachteten Relationen, lässt sich
schlussfolgern, dass die übrigen Säulen dem Hauptpfeiler sehr „nahe
stehen“. Erst die Anwesenheit der anderen fünf Säulen garantiert
dem Dach der Hauskonstruktion die notwendige Stabilität:
Setting, Arbeitsklima, Wertschätzung
GS 2 GS 4GS 3 GS 5
„Wechsel und Ängste“
GS 1 GS 6
Abb. 24: Die Hauskonstruktion der „Wechsel und Ängste“
(Eigene Produktion)
147
6.3 Das Seminar „Transaktionsanalyse“
Der Begriff der Transaktionsanalyse (TA) stellt kein Konzept im
eigentlichen Sinne dar, es ist eher eine Ansammlung mehrerer
Konzepte, die eine Erklärung für zwischenmenschliches Erleben und
Handeln liefern.294: „Die Erklärungskonzepte der TA integrieren Ideen
aus verschiedensten Bereichen der Psychologie auf eine kreative
und pragmatische Weise.“ 295 Dabei ist das einfache und
alltagsgebräuchliche Vokabular der TA ein besonderes
Charakteristikum.
Eigentlicher Begründer der TA ist Eric Berne, der mit seinem Buch
„Spiele der Erwachsenen“ („Games People Play“) die Intention hatte,
soziale Aktivitäten zwischen Menschen, unter Berücksichtigung ihrer
Haltung, Wortwahl oder auch Verhaltensweise, anschaulich zu
verdeutlichen.296 Berne definiert eine Transaktion als die Einheit aller
sozialen Verbindungen 297 , daher auch der Name der
Transaktionsanalyse. „Eine Transaktion ist somit eine
Kommunikationseinheit, die sich aus dem Auslöser durch einen
Sender und der darauf bezogenen Reaktion eines Empfängers
zusammensetzt.“298
Die Grundidee der TA nach Berne wurde seitdem oftmals von
weiteren Autoren in den verschiedensten Bereichen weiterentwickelt.
Um einen Überblick über einen Großteil der weiteren Ansätze zu
geben, wurde im Rahmen der Ausbildung zum Coach /
Changemanager ein komplettes Seminar der TA gewidmet.
Im Seminar „Transaktionsanalyse“ wurden folgende sechs
„Gelenkstellen“ beobachtet:
294 Vgl. Schmid 2004b, S. 31. 295 Ebd., S.31. 296 Vgl. ebd., S. 29. 297 Vgl. ebd., S. 37. 298 Schmid 2004b, S. 32.
148
„Gelenkstelle 1“ (GS 1): „Strukturmodell der TA“
(1. Tag, ab 16.00Uhr)
„Gelenkstelle 2“ (GS 2): „Rollenspiel der Ich – Zustände“
(1. Tag, ab 17.00Uhr)
„Gelenkstelle 3“ (GS 3): „O.K. – Geviert“
(1. Tag, ab 19.15Uhr; 2. Tag, ab 09.30Uhr)
„Gelenkstelle 4“ (GS 4): „Antreiber“
(2. Tag, ab 10.50Uhr; 3.Tag, ab 09.50Uhr)
„Gelenkstelle 5“ (Gs 5): „Rollenspiel: Spiele der Erwachsenen“
(2. Tag, ab 15.00Uhr)
„Gelenkstelle 6“ (GS 6): „Anliegenarbeit TA“
(3. Tag, ab 13.00Uhr)
6.3.1 Die „Gelenkstellen“ und die TPR – Matrix
Die „Gelenkstelle 1“ – „Strukturmodell der TA“:
Die „Gelenkstelle 1“ erhält die Funktion eines Fundamentes, auf dem
die Spezifikationen der Transaktionsanalyse konsekutiv aufbauen.
Die modellhafte Anordnung kohärenter Empfindungs- und
Verhaltensstrukturen bildet den inhaltlichen Rahmen.
Im so genannten Strukturmodell werden die einzelnen „Ich –
Zustände“ beschrieben. Nach dem Konzept von Berne besteht eine
Verbindung zwischen dem expliziten Verhalten von Personen mit
ihren aktuellen Gemütszuständen. Da die Kombination von Verhalten
und Empfindung oft sehr unterschiedlich beobachtet werden kann,
149
schließt Berne auf die Existenz verschiedener „Ich – Zustände“299:
„Fachgerecht kann man einen <Ich – Zustand> phänomenologisch
als ein kohärentes Empfindungssystem, funktionsmäßig als eine
man die verschiedenen „Ich – Zustände“, lassen sich drei Typen
differenzieren:301
Abb. 25: Die drei „Ich – Zustände“ der Persönlichkeit
(Quelle: Berne 2005, S. 32)
1. Das Eltern – Ich (EL): Das Verhalten der eigenen Eltern
(Grundsätze, Regeln, Normen etc.) wurde verinnerlicht und
wird oft in Situationen direkt übernommen. „>>Jeder trägt in
seinem Inneren seine Eltern mit sich herum.<<“302
2. Das Erwachsenen – Ich (ER): Mit diesem „Ich – Zustand“ wird
die wahrgenommene Realität im Hier und Jetzt erlebt.
Informationen werden aufgenommen, verarbeitet und führen
zu konkreten Entscheidungen. Explizit lässt sich dieser „Ich –
Zustand als sachlich, „objektiv“ und logisch erkennen.
299 Vgl. Berne 2005, S. 29. 300 Ebd., S. 29. 301 Vgl. Gührs et al. 1998, S. 101f. Und : Berne 2005, S. 30ff. 302 Berne 2005, S. 31.
150
3. Das Kindheits – Ich (K): In diesem „Ich – Zustand“ empfinden
und verhalten wir uns so, wie wir es in unserer Kindheit
konnten. Der Zustand zeigt sich in Kreativität, spontanen
Handlungen, Intuition. „>> Jeder trägt in seinem Inneren einen
kleinen Jungen bzw. ein kleines Mädchen mit sich
herum. <<“303
„Diese drei Ichzustände bilden die Grundstruktur unserer
Persönlichkeit.“304 Es existieren demnach alle drei Zustände in jeden
Menschen. Welcher der „Ich – Zustände“ nun dominiert, hängt vom
momentanen Gemütszustand des Individuums und der vorfindlichen
Situation (äußere Umstände) ab, aber auch vom Interaktionspartner,
der seinerseits auch einen aktuellen „Ich – Zustand“ besitzt.
Besonderen Wert bekommt dieses Strukturmodell, wenn nun die
Interaktion zweier Individuen mit ihren drei „Ich –
Zuständen“ beobachtet wird: Wird eine Kommunikation von einem
„Ich – Zustand“ zu dem Gegenüber übertragen und antwortet der in
derselben Konstellation305 (zum Beispiel: EL zu K, zurück von K zu
EL), spricht man von einer komplementären Transaktion306. Solche
Arten von Transaktionen stellen die Grundlage für eine andauernde
und störungsfreie Kommunikation. Kreuzen sich jedoch
Transaktionen (zum Beispiel von ER zu ER, zurück von EL auf K),
kommt es zu Störungen in der Kommunikation. Man bezeichnet
diese Form als Überkreuz – Transaktion307.
Konkret für die professionelle Beratung bietet das Strukturmodell
eine gute Möglichkeit, um Kommunikationsverläufe zu analysieren.
303 Ebd., S. 31. 304 Gührs et al. 1998, S. 102. 305 Laufen Transaktionen auf der gleichen Ebene der „Ich – Zustände“ ab (zum Beispiel: ER zu ER, zurück von ER zu ER), spricht man auch von einer parallelen Transaktion, da die Vektoren der Transaktionen im Modell parallel verlaufen. Vgl. hierzu: Gührs et al. 1998, S. 122. 306 Vgl. Berne 2005, S. 38f. 307 Vgl. ebd., S. 39ff.
151
Es kann dabei untersucht werden, was sich zwischen den
Interaktionspartnern abspielt 308 . Das gilt für den Coach und den
Change Manager gleichermaßen: Es können Interaktionsverläufe
von Klienten im Einzelcoaching, aber genau so von Gruppen oder
Abteilungen in Unternehmen rekonstruiert werden. Die Auswertung
der Kommunikationsmuster findet dann aus der Warte von
Beobachtung erster („was?“) und zweiter Ordnung („wie?) statt.
Diese „Gelenkstelle 1“ wird, innerhalb der TPR – Matrix, im
Das Strukturmodell stammt aus der Theorie Eric Bernes und bietet
eine modellhafte Darstellung der menschlichen Persönlichkeit. In der
Praxis kann dieses einfache Modell dem Klienten explizit erläutert
werden, um es im nächsten Schritt auf aktuelle Anliegen
anzuwenden. Der Klient kann so, aus einem Perspektivenwechsel
heraus, sein Verhalten und das seines Interaktionspartners
beobachten und reflektieren.
Die „Gelenkstelle 2“ – „Rollenspiel Ich – Zustände“:
Die „Gelenkstelle 2“ setzt ein hohes Maß an Vorverständnis voraus,
da ein Komplex von theoretischen Inhalten in alltäglich vorfindbaren
Situationen transferiert werden muss. Der Mehrwert besteht hier
darin, dass die theoretischen Grundlagen situativ umgesetzt und
interpretiert werden.
Eine beachtenswerte Besonderheit in Bernes Grundkonzeption der
Transaktionsanalyse stellt die Tatsache dar, dass es bei der Analyse
von Verhaltensmustern immer um konkrete Personen in konkreten
Situationen geht. 309 Es werden also keine anonymen Variablen
herangezogen, um komplexe Muster und Strukturen zu erkennen,
308 Vgl. Weisbach 2003, S. 127. 309 Vgl. Schmid 2004b, S. 37.
152
vielmehr unterstreicht diese Konkretisierung die
„Alltagstauglichkeit“ der TA.
Speziell für die Beratungsarbeit zeigt sich dies darin, dass der Klient
sich mit Transaktionsmustern mit „echten“ Partnern in
„wirklichen“ Situationen auseinandersetzt. Da diese Transaktionen
die Realität des Klienten widerspiegeln, wird mit dieser Methode
besonders auf das individuelle Erleben des Klientensystems
eingegangen.
Im Verlauf dieser beobachteten „Gelenkstelle“ wird dies offenkundig:
Solche Transaktionsmuster benötigen kein bestimmtes soziales
Setting, sie ereignen sich, sobald eine Art der Interaktion zu Stande
kommt. Interaktionen begegnen uns überall und stets sind diese
individuell, wie das im Seminar durchgeführte Rollenspiel beweist.
Die Kenntnis von Transaktionen lässt solche Muster aufdecken, oft
können so genannte Spiele310 aufgedeckt und angesprochen werden.
Gerade diese Spiele sind oftmals Bestandteil von Anliegen in der
professionellen Beratung, wenn Konflikte zu Bezugspersonen eine
Rolle spielen.
Die „Gelenkstelle 2“ wird im Quadranten der TPR – Matrix „hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ verortet: Die Intention von Berne,
Verhaltensweisen des Alltags darzustellen, bewahrheitet sich im
Rollenspiel. Es können Transaktionen in jeder Kommunikation
erkannt werden. In der Praxis der Beratung besteht die Kunst darin,
Äußerungen als Transaktionen zu erkennen und zu interpretieren.
Dabei wirken Rollenspiele besonders förderlich, das Erkennen und
Interpretieren von Transaktionen zu üben. Darüber hinaus, dient die
Rekonstruktion von solchen Mustern der eigenen Selbstreflexion.
310 Spiele sind eine Abfolge von verdeckten (nicht offensichtlichen) Komplementärtransaktionen, die zu einem vorhersagbaren Ergebnis führen. Diese Spiele ereignen sich in jedem erdenklichen Lebenskontext (Arbeit, Freizeit, Beziehung, etc.). Vgl. hierzu: Berne 2004, S. 67ff.
153
Die „Gelenkstelle 3“ – „O.K. – Geviert“:
Die „Gelenkstelle 3“ bekommt die Funktion eines Ermöglichers, der
auf den Grundlagen der TA verschiedene Lebensanschauungen von
Individuen typisiert. Durch das Modell des „O.K. – Geviert“ werden
die Auswirkungen von unterschiedlichen Grundhaltungen des
Menschen in Interaktionsprozessen aufgedeckt. Dabei setzt die
„Gelenkstelle“ einen hohen Grad an Vorverständnis voraus, da
dieses Modell an den theoretischen Grundlagen der TA anschließt.
Das „O.K. – Geviert“, auch „OK. – O.K.“ Modell genannt, stammt von
Thomas A. Harris. Aus der Untersuchung von möglichen
Transaktionen leitete Harris Grundtypen der Lebensanschauung, die
sich im Umgang mit dem Interaktionspartner erkennen lässt. Dabei
wird betont, dass die Art der jeweiligen Lebensanschauung nicht
angeboren ist, der Mensch entscheidet sich implizit dafür311. Implizit
bedeutet hier, dass diese Entscheidungen auf der Basis von
Erfahrungen in der Kindheit, die innerhalb der „Ich –
Zustände“ verarbeitet werden, zu Stande kommen. Diese
Lebensanschauungen oder Grundhaltungen des Menschen werden
in vier Typen unterteilt:
1. Ich bin O.K. – Du bist O.K.: Diese Haltung beruht auf
gegenseitiger Akzeptanz, Toleranz und Wertschätzung des
Interaktionspartners. Dieser Typ gilt als Voraussetzung für
eine gute Kommunikation, da im Dialog gemeinsame
Lösungen angestrebt werden312. Dabei ist diese Haltung eine
echte, selbsterzeugte Lebensanschauung und nicht nur ein
Gefühl313.
311 Vgl. Harris 2005, S. 60f und S. 69. 312 Vgl. Middendorf et al. 2003, S. 179. 313 Vgl. Harris 2005, S. 71.
154
2. Ich bin O.K. – Du bist nicht O.K.: Gibt es eventuelle Störungen
in der Kommunikation, werden deren Ursachen im
Interaktionspartner gesucht. Dies zeigt sich in niedriger
Akzeptanz und Toleranz dem Partner gegenüber. Werden
Lösungen angestrebt, dann nur zum eigenen Vorteil.314
3. Ich bin nicht O.K. – Du bist O.K.: Menschen mit dieser Haltung
nehmen eine eher depressive Position ein. Der
Interaktionspartner wird als stärker und kompetenter bewertet.
Dies hat zur Folge, dass man sich dem anderen unterordnet
und Lösungen zugunsten des Gegenübers getroffen
werden.315
4. Ich bin nicht O.K, - Du bist nicht O.K.: Hier liegt eine
destruktive Haltung vor. 316 Dies zeigt sich explizit in der
gegenseitigen Ablehnung, in der es keine Perspektiven in der
Lösungsfindung gibt.317Ein konstruktiver Dialog wird so von
vornherein unmöglich.
Abb. 26: Das O.K. – Geviert mit seinen Grundhaltungen
(Quelle: Middendorf et al. 2003, S. 180)
314 Vgl. Middendorf et al. 2003, S. 179. 315 Vgl. ebd., S. 179. 316 Vgl. Harris 2005, S. 66. 317 Vgl. Middendorf et al. 2003, S. 179.
155
Die Anwendung des „O.K. – Geviert“ findet in der professionellen
Beratungsarbeit auf zwei Ebenen statt: Zum einen intensiviert sie die
Persönlichkeitsarbeit beim Klienten, da so die eigenen
Grundhaltungen, die die Kommunikation maßgeblich mitbestimmen,
überprüft werden können. Zum anderen kann ebenso der Coach
oder Change Manager seine Grundhaltung selbst reflektieren, indem
er erlebte Gesprächskonstellationen rekonstruiert, und bei
aufgetretenen Störungen nach Ursachen sucht.
In der TPR – Matrix wird diese „Gelenkstelle“ im Quadranten „hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ lokalisiert: Die Theorie der
Grundhaltungen ist eine logische Weiterentwicklung der basalen
Annahmen aus Bernes Konzept der „Ich – Zustände“. In der Praxis
kann das „O.K. – Geviert“ als Tool verwendet werden, um
vergangene Interaktionen, aus einem Perspektivenwechsel heraus,
zu betrachten.
Die „Gelenkstelle 4“ – „Antreiber“:
Die „Gelenkstelle 4“ setzt ein besonderes Maß an Vorverständnis
voraus, da auf Grundlage der TA ein Modell zur Betrachtung von
Persönlichkeits- und Beziehungsdynamiken generiert wird. Mit Hilfe
der Dynamiken können Verhaltens- und Kognitionsmuster
rekonstruiert und bearbeitet werden.
Die Konzeption der Antreiberdynamiken stammt aus der Tradition
der TA, und wurde erstmals von Taibi Kahler bearbeitet. Die
Antreiber „(…) wurden dort als Verhaltensweisen beschrieben, die
Verhaltens- und Erbebensketten 318 [Erlebensketten] einleiten. Am
Endpunkt dieser Ketten würden Glaubenssätze bestätigt, die zu
318 In der verwendeten Literatur stand „Erbebensketten“. Aus dem Sinnzusammenhang wird auf den Begriff „Erlebensketten geschlossen. – Anm. d. Verf.
156
problematischen Lebensentwürfen (Skripts) und deren Vollzug
gehörten.“ 319 Laut Gührs et al. stellen die Antreiber die explizit
beobachtbaren Handlungen von skriptorientierten Verhaltensweisen
dar320. Innerhalb der Antreiberdynamiken differenziert man zwischen
fünf Typen, die nun vorgestellt werden:321
1. Antreiber „Sei stark!“: Personen mit diesem Antreiber wirken
stets gefasst, lassen kaum Emotionen offenkundig werden.
Das Gefühl der Schwäche soll unterbunden werden.
2. Antreiber „Streng dich an!“: Personen verspüren bei diesem
Antreiber einen starken Leistungsdruck, sobald
Herausforderungen anstehen. Solche Menschen wirken sehr
verspannt und „rackern sich geradezu ab“.
3. Antreiber „Beeil dich!“: Personen mit diesem Antreiber stehen
unter einem gewissen Zeitdruck. Explizit äußert sich der
Antreiber in rascher und abgehackter Sprechweise oder in
Agitation, einem nicht zielorientierten motorischen
Bewegungsdrang (zum Beispiel: Mit dem Fuß wippen,
Fingertrommeln, etc.).
4. Antreiber „Mach es allen recht!“: Solche Personen gelten
allgemein als harmoniebedürftig, sie legen ihre
Handlungsoptionen so aus, dass kaum Konfliktpotential
entsteht. Die Intention ist das Wohl / das Gefallen des
Gegenübers.
5. Antreiber „Sei perfekt!“: Personen mit diesem Antreiber
stellen hoher Anforderungen an sich. Dies realisieren sie,
indem sie ihr Handeln signifikant häufig rechtfertigen oder
319 Schmid 2004a, S. 34. 320 Vgl. Gührs et al. 1998, S. 82. 321 Vgl. ebd., S. 83f. Und Schmid 2004a, S.14ff.
157
Begründungen komplex formulieren, um Kritik und
Anmerkungen von vornherein zu neutralisieren.
Dabei ist zu beachten, dass kein Mensch nur über einen einzigen
Antreiber verfügt, der allein sein gesamtes Verhalten determiniert.
Ein Antreiber ist gewissermaßen ein Ausdruck in einem aktuellen
und situativen Bezugsystem322. Dies lässt schlussfolgern, dass in
jedem Individuum alle fünf Antreiber existieren. Welcher Antreiber
nun dominiert und in welchem Grad der Intensität er auftritt, hängt
dabei maßgeblich vom Individuum im jeweiligen Interaktionskontext
ab. Für die professionelle Beratung stellt die Bearbeitung von
Antreiberdynamiken eine Methode dar, mit der Strukturen von
Verhaltensmustern des Klientensystems analysiert werden können.
In einem Beratungsprozess könnten in der weiteren Bearbeitung
Antithesen zu den jeweiligen Antreibern („Erlauber“) gebildet
werden323, die beim Klienten als Grundlage einer Veränderungsarbeit
fungieren können.
Die „Gelenkstelle 4“ wird im Quadranten der TPR – Matrix „hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ beobachtet: Die Kenntnis von
den Antreiberdynamiken kommt besonders der Beobachtung zweiter
Ordnung von Interaktionsabläufen zu gute. Zu dem stellen die
Antreiber eine Möglichkeit dar, Persönlichkeits- und
Beziehungsmuster in aktuellen Anliegen anschaulich zu visualisieren
(zum Beispiel mit dem „Inneren Team“), zu analysieren und daraus
im Dialog mit dem Klientensystem Antithesen für zukünftiges
Handeln zu generieren.
322 Vgl. Gührs et al. 1998, S. 84. 323 Vgl. Schmid 2004a, S. 15.
158
Die „Gelenkstelle 5“ – „Rollenspiel: Spiele der Erwachsenen“:
Die „Gelenkstelle 5“ setzt einen hohen Grad an Vorverständnis
voraus, da modellhafte Konstruktionen in einen dynamischen
Prozess transferiert werden, die auf einer neuen Stufe der
Interpretation neu bewertet werden.
Nach der Definition von Eric Berne stellt ein Spiel die dynamische
Abfolge einer Reihe verdeckter komplementärer Transaktionen dar,
deren Endergebnis absehbar ist.324
Das Verfängliche an solchen Spielen ist, dass diese von den
Beteiligten unbewusst und in einer kontinuierlichen Regelhaftigkeit
immer wieder eingeleitet und gespielt werden, wodurch die an der
Interaktion teilnehmenden Personen in meist unangenehme Konflikte
hineingeraten. Dadurch wird auch das Merkmal der
Schicksalhaftigkeit solcher Spiele bekräftigt („Es musste ja so
kommen“). 325 Neben der Tatsache, dass solche Muster auf
verdeckter Ebene ablaufen, ist ein weiteres Charakteristikum der
Nutzen für den Initiator des jeweiligen Spiels: Durch den festgelegten
Ausgang des Spiels werden die verhafteten Lebensanschauungen
stabilisiert und verstärkt326.
Die „Gelenkstelle“ als Rollenspiel zeigt hier auch den Bezug zur
Beratungspraxis: Werden Spiele nicht sofort erkannt, kann der
Berater schnell in eine unangenehme Position geraten, falls er die
getarnten Einladungen zum Spiel327 nicht identifizieren kann. Denn
Spiele können nicht nur in der Anliegenarbeit selbst bearbeitet
werden, Spiele können auch zwischen Coach und Klient stattfinden.
Um dem zu entkommen, stellt die Klärung des Verhältnisses
zwischen Berater und Klient ein Mittel dar. Beispielsweise kann der
324 Vgl. Berne 2005, S. 67. 325 Vgl. Gührs et al. 1998, S. 147f. 326 Vgl. Berne 2005, S. S. 80. 327 Vgl. Gührs et al. 1998, S. 149.
159
Berater sein Verständnis von Beratung erläutern328 („Ich gebe Ihnen
keinen konkreten Rat, wie sie sich nun verhalten sollen.“).
Die „Gelenkstelle 5“ wird in den Quadranten der TPR – Matrix „hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ verortet, wobei der Praxisbezug
höher bewertet wird, als der Theoriebezug: Mit den Spielen werden
die theoretischen Transaktionsmuster in einen dynamischen Prozess
integriert. Dabei ist es notwendig, die Komponenten eines Spiels zu
kennen. Bedeutender ist das praktische Handeln des
Beratungssystems vor dem Hintergrund der Spiele. Mit Spielen
können Kommunikationsmuster in Anliegen rekonstruiert werden, sie
können aber auch zwischen Berater und Klient stattfinden, was einen
Beratungsprozess sehr belasten oder sogar unmöglich machen
kann.
Die „Gelenkstelle 6“ – „Anliegenarbeit TA“:
Die „Gelenkstelle 6“ setzt ein sehr hohes Maß an Vorverständnis
voraus, da in einem konkreten Anliegen die unterschiedlichen
Konzeptionen der TA situationsgerecht angewendet werden sollen.
In einer Selbstreflexion kann der Teilnehmer eine subjektive
Bewertung der Konzeption abgeben.
Neben der persönlichen Grundeinstellung, wird vom professionellen
Berater auch erwartet, dass er über ein gewisses Repertoire an
Handwerkszeug (Methoden, Modelle, Interventionen) verfügt329 und
die Interventionen sinnvoll einsetzen kann. Die Transaktionsanalyse
ist dabei ein Erklärungsmodell, bei dem das Verhalten und Erleben
des Klienten analysiert werden kann.
328 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 21f. 329 Vgl. ebd., S. 31.
160
In der beobachteten Anliegenarbeit wird das gesamte Repertoire der
TA „gefahrenfrei“ ausprobiert, da es sich hier um eine praktische
Übungssituation in einer Ausbildung handelt. Dabei werden Chancen,
aber auch Grenzen der praktischen Anwendbarkeit erfahren: Beide
hängen zumeist von der Person des Klienten ab.
In der TPR – Matrix wird die „Gelenkstelle 6“ im Quadranten „hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ lokalisiert, wobei beide Bezüge
äußerst hoch ausgeprägt sind: Die Aufgabenstellung der
abschließenden Anliegenarbeit verweist auf sämtliche vorgestellten
Interventionsmöglichkeiten der TA, die als Berater angewendet
werden sollen. In der praktischen Beratungsübung zeigt sich dann,
inwiefern der Coach / Change Manager diese Tools einbringen will
und kann. Dies hängt dabei auch von der Haltung des Beraters zum
Konzept der TA ab.
Betrachtet man die TPR – Matrix des Seminars, stellt man fest, dass
alle „Gelenkstellen“ sich ausschließlich im Quadranten „Hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ befinden. Dabei lässt sich ein
fast durchweg hoher Theoriebezug erkennen, da die TA eine Reihe
verschiedener Konzepte beinhaltet. Der generell hohe Praxisbezug
ergibt sich aus der Tatsache, dass die TA über ein allgemein
verständliches Vokabular verfügt, das es möglich macht, mit dem
Klienten, der keine große Erfahrung mit der TA hat,
zusammenzuarbeiten. Explizite Intention des Seminars
„Transaktionsanalyse“ ist das Vermitteln und Üben der
unterschiedlichen Konzeptionen der TA. Dabei wird implizit die
Selbstreflexion der Teilnehmer, im Hinblick auf die professionelle
Tätigkeit als Coach oder Change Manager aktiviert und das
Menschenbild der humanistischen Psychologie vertieft.
Im Überblick stellt sich die TPR – Matrix so dar:
161
Transaktionsanalyse TPR - Matrix
praxisbezogen
theo
riebe
zoge
n+
-
+-
„Strukturmodell TA“ (GS1) „Rollenspiel
Ich – Zustände“(GS2)
„O.K. – Geviert“(GS3)
„Antreiber“(GS4)
„Rollenspiel: Spiele der Erwachsenen“(GS5)
„Anliegenarbeit TA“ (GS6)
Abb. 27: Die TPR – Matrix „Transaktionsanalyse“ mit ihren „Gelenkstellen“
(Eigene Produktion)
6.3.2 Die „Vernetzung der Gelenkstellen“
Gerade in diesem Seminar ähneln sich die sechs
„Gelenkstellen“ bezüglich ihres theoretischen Hintergrunds, da alle
den verschiedensten Erklärungskonzepten der Transaktionsanalyse
entstammen. Betrachtet man aber nun die reinen Sachinhalte der
einzelnen „Gelenkstellen“ lassen sich untereinander unterschiedliche
Verknüpfungen zueinander interpretieren. Vorgeschlagen werden
folgende Relationen:
162
Abb. 28: „Vernetzung der Gelenkstellen“ im Seminar „Transaktionsanalyse“
(Eigene Produktion)
Rein zahlenmäßig bündelt die „Gelenkstelle 1“ die meisten
Relationen. Dabei sind die Relationen der Sachebene (blau) und der
Selbstkundgabe (grün) dominierend. Daraus lässt sich
schlussfolgern, dass die „Gelenkstelle 1“ einerseits vornehmlich
Verknüpfungen auf der inhaltlichen / sachlichen Ebene zu den
übrigen „Gelenkstellen“ unterhält, andererseits spielt die
Selbstkundgabe eine beträchtliche Rolle. Im Sinne der „Vernetzung
der Gelenkstellen“ bedeutet dies, dass bei den betreffenden Inhalten
Grundeinstellungen und Wertehaltungen von Berater oder Klient, hier
zumeist von Seiten des Klienten, offenbart werden.
Quantitativ gesehen folgt die „Gelenkstelle 6“ mit der Anzahl an
Relationen. Eine Erklärung dafür ist, da es sich um eine Praxisübung
handelt, dass hier das Repertoire an Konzepten vereinigt wird.
Die übrigen „Gelenkstellen“ weisen keine signifikanten Defizite an
Relationen auf. Der Grund dafür ist in der Thematik des Seminars zu
suchen, da alle bearbeiteten Erklärungskonzepte unter dem Begriff
der Transaktionsanalyse verortet werden.
GS1
GS2
GS3
GS4
GS5
GS6
163
6.3.3 Die „Hauskonstruktion“ des Seminars
Anders, als bei den bisherigen untersuchten Seminaren, sind alle
„Gelenkstellen“ stark präsent, betrachtet man die Relationen
untereinander. Zwar treten die „Gelenkstellen 1 und 6“ etwas stärker
hervor, jedoch nicht in dem Maße, dass diese als basale Elemente
des Seminars „Transaktionsanalyse“ bezeichnet werden können.
Aus diesem Grunde wird vorgeschlagen, dass alle
„Gelenkstellen“ als gleichermaßen tragfähige Säulen unter dem Dach
der „Transaktionsanalyse“ gesetzt werden. Die beiden „Gelenkstellen
1 und 6“ werden zwar zentral verortet, jedoch tragen sie nicht die
Hauptlast der Statik der Hauskonstruktion. Alle Säulen bauen auf das
Fundament von „Setting, Arbeitsklima und Wertschätzung“. In der
graphischen Umsetzung stellt dies sich folgendermaßen dar:
Setting, Arbeitsklima, Wertschätzung
GS 1 GS 6GS 3 GS 4
„Transaktionsanalyse“
GS 2 GS 5
Abb. 29: Die Hauskonstruktion der „Transaktionsanalyse“
(Eigene Produktion)
164
6.4 Das Seminar „Systemische Betrachtung“
Systemisches Denken oder systemtheoretisches Denken gewinnt
zunehmend an Bedeutung, und „(…) beeinflußt in vielfältiger Weise
Unternehmenssteuerung.“330 Ein Grund dafür mag vor allem darin
liegen, dass stetige Entwicklung komplexer Systeme in noch
komplexeren Umwelten331, durch einfaches lineares Denken nicht
mehr erklärt werden kann332. Und eben auf dieser Ebene greift das
systemische Denken in der professionellen Beratung: Im
Einzelcoaching wird der Klient im Spannungsfeld von
organisationalem Kontext, Rolle und Privatleben betrachtet333, in der
Organisationsberatung wird nicht mehr von einem mechanistischen
Weltbild ausgegangen, Organisationen werden im Kontext vielfältiger
Wechselwirkungen334 begriffen.
Das Seminar „Systemische Betrachtung“ will unterschiedliche
Aspekte der systemischen Sichtweise / des systemischen Denkens,
im Kontext von professioneller Beratung, näher bringen. Dabei
werden nicht nur die Art der Sichtweise, sondern auch die
Möglichkeiten von Interventionen aufgezeigt. Im Verlauf dieses
Seminars wurden folgende fünf „Gelenkstellen“ beobachtet:
„Gelenkstelle 1“ (GS 1): „Kerzenspiel“
(1. Tag, ab 15.50Uhr)
„Gelenkstelle 2“ (GS 2): „Auftragsklärung 1“
(1. Tag, ab 19.00Uhr) 330 Willke 1999, S. 01. 331 Senge spricht von einer wachsenden Komplexität, die einen geradezu überwältigt. Als Grund fügt er an, dass die Fähigkeit, so viel Information, wie nie zuvor, zu erzeugen, von einem Menschen gar nicht mehr verarbeitet werden kann. Diese Informationsflut bewirkt rasche Veränderungen, denen der einzelne niemals folgen kann. Vgl. hierzu: Senge 2001, S. 88f. 332 Vgl. Backhausen et al. 2004, S. 23. 333 Vgl. ebd., S. 23. 334 Vgl. Königswieser et al. 200, S. 28.
165
„Gelenkstelle 3“ (GS 3): „Hercule Poirot“
(2. Tag, ab 09.50Uhr)
„Gelenkstelle 4“ (GS 4): „Sherlock Holmes“
(2. Tag, ab 14.15Uhr;
3. Tag , ab 11.15Uhr)
„Gelenkstelle 5“ (GS 5): „Systemische Klärung“
(3. Tag, ab 11.50Uhr)
6.4.1 Die „Gelenkstellen“ und die TPR - Matrix
Die „Gelenkstelle 1“ – „Kerzenspiel“:
Die „Gelenkstelle 1“ setzt ein hohes Maß an Vorverständnis voraus,
da ein theoriespezifisches Vokabular „sinnhaft“ auf eine alltägliche
Situation angewendet wird. Der Bewusste Einsatz der neuen Begriffe
ermöglicht einen intendierten Perspektivenwechsel in der Sicht der
Dinge.
Besondere Probleme bereitet systemtheoretische Lektüre bezüglich
ihrer spezifischen Sprache. Viele Fachausdrücke mögen zunächst
befremdlich wirken, da man sich darunter kaum etwas vorstellen
kann (zum Beispiel: „Kontingenz“ oder „operative Geschlossenheit“).
Die Sprache der Systemtheorie erscheint hoch abstrakt und
unverständlich. Willke beschreibt diese Tatsache als unvermeidbar,
„(…) weil die Entwicklung einer neuen Konzeption oder gar einer
neuen Wissenschaft voraussetzt, dass man sich von den
herkömmlichen Vorstellungen – und mithin auch von den
herkömmlichen Begriffen! – trennt.“335
335 Willke 2000, S. 12.
166
In der beobachteten „Gelenkstelle“ steht die so genannte „System –
Umwelt – Differenz“ im Mittelpunkt: Systeme konstituieren ihre
Identität als System, indem sie sich als System von ihrer Umwelt336
abgrenzen. Es gilt also: „Ein System ist der Unterschied von System
und Umwelt.“337
Betrachtet man nun die beiden Seiten der Differenz, lassen sich
bestimmte Gerade der Komplexität erkennen: Die Komplexität des
Systems und die Komplexität der Umwelt, wobei die Komplexität der
Umwelt immer höher ist, als die des Systems. Dies erklärt sich
daraus, dass das Eingeschlossene (im System) immer geringer ist,
als das Ausgeschlossene (in der Umwelt), da eine Selektion
getroffen wurde. 338 Bei der Komplexität von Systemen ist zu
beachten, dass ein System sich nicht nur als solches ausdifferenziert,
sondern dabei auch innerhalb seiner Grenzen eine Differenzierung
(Systeme im System) geschieht339.
Angewandt auf das beobachtete „Kerzenspiel“ bedeutet dies, dass
das „System Kerze“ sich differenziert in verschiedene Systeme, wie
Wachs, Docht und andere Komponenten. Alles, was nicht zum
„System Kerze“ gezählt wird, ist die Umwelt (der Seminarraum, das
Streichholz, der für die Flamme notwendige Sauerstoff im Raum,
etc.). Dadurch, dass das „System Kerze“ in Interaktion mit seiner
Umwelt gerät (Das Streichholz brennt und entzündet die Kerze),
findet eine Ausdifferenzierung des Systems statt.
336 In der systemtheoretischen Semantik ist mit dem Begriff „Umwelt“ nicht die Umwelt im Sinne von „Natur“ gemeint. Aus der Sicht eines Systems ist Umwelt alles das, was nicht zum System gehört. Vgl. hierzu: Baraldi et al. 1997, S. 196. 337 Treml 2004, S. 57. 338 Vgl. Krause 2001, S. 09. 339 Vgl. ebd., S. 10.
167
Die „Gelenkstelle 1“ wird in der TPR – Matrix im Quadranten „Hoher
Theoriebezug / niedriger Praxisbezug“ verortet, wobei der
Theoriebezug sehr hoch eingestuft wird: Die komplexe Semantik der
Systemtheorie verlangt eine gewisse Kenntnis der Bedeutung
verschiedenster Begriffe, die mit den Grundlagen der allgemeinen
Systemtheorie auch verknüpft sind. In der professionellen Beratung
findet die Verwendung solcher Begriffe selten explizit statt. Vielmehr
werden durch das Vorwissen implizit Handlungsweisen generiert, wie
beispielsweise Kontingenzen, die in einer Visionsarbeit aufgezeigt
werden können.
Die „Gelenkstelle 2“ – „Auftragsklärung 1“:
Die „Gelenkstelle 2“ setzt einen hohen Grad an Vorverständnis
voraus, da in einer aktuellen Auftragsklärung alle verfügbaren und
notwendigen Informationen abgefragt werden sollen, um eine weitere,
sinnvolle Arbeit im Beratungsprozess zu ermöglichen.
Am Beginn jedes Beratungsprozesses steht eine Auftragsklärung.
Dies ist auch notwendig, da erst die Auftragsklärung dem
Beratungsprozess Sinn und Orientierung gibt340. Die Intention des
Beraters in einer solchen Auftragsklärung ist hauptsächlich, eine
Menge an Informationen und Klärungen zu erhalten, um überhaupt
entscheiden zu können, ob er den Auftrag annehmen kann und auch
möchte. Der Berater führt also eine Selbstklärung, bezüglich des
Auftrages, durch.341
Ist dies geklärt, müssen möglichst viele Informationen gesammelt
werden, um einen Überblick über das Anliegen des Klienten zu
erhalten. Die Leistung des Coach / Change Manager besteht an
dieser Stelle darin, dass er eine Art von Komplexitätsreduktion
340 Vgl. Backhausen et al. 2004, S. 139. 341 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 182 und 186f.
168
vornehmen muss: Die regelrechte Flut an Informationen zum
Anliegen selbst erscheinen zunächst sehr unübersichtlich, diese gilt
es, wenigstens vorläufig, zu strukturieren. Im Grunde genommen
findet eine Rekonstruktion des derzeitigen Ist – Zustandes des
Klientensystems statt. Schreyögg bezeichnet diesen Vorgang als
Eingangsdiagnostik. 342 Aufgrund dieser geordneten Informationen
kann der Berater nun, im Dialog mit dem Klienten, Ziele,
Rahmenbedingungen und eventuelle Vorgehensweisen klären und
festlegen.343
Im Falle des beobachteten Rollenspiels in der „Gelenkstelle
2“ müssen möglichst viele Informationen zur Organisation eingeholt
werden, um den weiteren Beratungsprozess zu planen.
Gerade Organisationen besitzen einen sehr hohen Komplexitätsgrad,
der es unmöglich macht, sämtliche Details zu erfassen; „vielmehr
geht es um das Erkennen des Gesamtbildes / Gesamtsystems, das
durch unscharfe Sichtweise erst ermöglicht wird. Mit anderen Worten
geht es beim Erkennen von Systemen – und beim Gestalten von
Entwicklungsprozessen in sozialen Systemen – um die Betrachtung /
Analyse / Erforschung der groben Systemstruktur, also um das
Erkennen der Komplexität und der Dynamik im System.“344
Dennoch ist es bedeutsam für den Berater, nach relevanten
Strukturen und Beziehungen gezielt zu fragen, um einen realen
Eindruck zu bekommen, der letztendlich auch subjektiv konstruiert
wird, wie im Rollenspiel des Seminars erkannt wurde.
342 Vgl. Schreyögg 2003, S. 309f. 343 Vgl. Fischer – Epe 2004, S. 182ff. 344 Häfele 1996, S. 105.
169
Die „Gelenkstelle 2“ wird im Quadranten der TPR – Matrix „Hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ verortet, wobei hier beide
Bezüge weniger stark bewertet werden: Die Auftragsklärung läuft
hier weitestgehend unstrukturiert ab, da den „Beratern“ kein
theoretisches Modell an die Hand gegeben wird, die Befragung
strukturiert durchzuführen. Vielmehr werden „sinnvolle
Fragen“ gestellt, die in der subjektiven Wirklichkeitskonstruktion der
Befrager Sinn machen. Die daraus resultierende Wirklichkeit ist
kontingent, wie die Beobachter erkennen konnten. Anzumerken ist
noch, dass, obwohl kein Tool an die Hand gegeben wurde, die
Vorgehensweise der Berater keineswegs willkürlich war. Es wurde
auf bisher vermittelte Techniken zurückgegriffen.
Die „Gelenkstelle 3“ – „Hercule Poirot“:
Die „Gelenkstelle 3“ stellt einen Ermöglicher dar, ein aktuelles Bild
einer Situation in der Anliegenarbeit zu erfassen und zu deuten.
Dabei entsteht ein Verständnis einer individuellen Situationslogik des
Klientensystems.
Genau wie im Alltagsgespräch, muss auch der professionelle Berater
bestimmte Umstände kennen, um eine aktuelle Situation
nachvollziehen und verstehen zu können. Um für die geschilderte
Situation eines Klienten Verständnis aufzubringen, gilt es
Besonderheiten, die eine Rolle spielen, aufzudecken. Ein
Interventionsmodell dazu schlägt Schulz von Thun mit seinem so
genannten „Doppelbauch“ 345 vor. Dieses Modell beinhaltet vier
Phasen:346
1. Der Eingangskanal: Er steht für die Vorgeschichte, die zur
aktuellen Situation geführt hat. Der Inhalt dieser
345 Vgl. Schulz von Thun 2003b, S. 279. 346 Vgl. ebd., S. 279ff.
170
Vorgeschichte ist ein „Fadengewirr“347 von Ereignissen auf der
Basis des Sachinhalts und der Beziehungsebene.
2. Der Oberbauch: Inhalt dieser Phase ist die thematische
Struktur in der aktuellen Situation. Dies sind Informationen des
Sachinhalts. Eine Frage hierzu lautet: „Worum geht es?“348
3. Der Unterbauch: Er beschreibt die zwischenmenschliche
Beziehung unter den Beteiligten der aktuellen Situation. Dabei
wird auch auf eventuelle Rollen in der Situation geachtet.
4. Der Ausgangskanal: Er beschreibt die Ziele, die, wie in der
ersten Phase, als verworrenes Geflecht349 aus Sachinhalten
und Beziehungsgefügen besteht.
Abb. 30: Das „Doppelbauch“ – Modell mit seinen vier Phasen
(Quelle: Schulz von Thun 2003b, S. 284)
Benutzt man dieses Modell, ist darauf zu achten, dass die Phasen
der thematischen (Oberbauch) und zwischenmenschlichen
(Unterbauch) mit dem Eingangs- und Ausgangskanal stimmig sind,
um sich zu vergewissern, dass alle Phasen zu ein und derselben
347 Vgl. ebd., S. 281. 348 Ebd. 281. 349 Vgl. ebd., S. 283.
171
Situation gehören.350 Als Ergebnis aus den analysierten vier Phasen
erhält man den Gehalt einer Situation351, also die Gesamtheit aller
Komponenten, die zur aktuellen Situation beitragen.
In der beobachteten „Gelenkstelle“ wird Schulz von Thuns Modell als
„Hercule Poirot“ bezeichnet. Um die Anwendung des Tools zu
verdeutlichen, bedient man sich der Metapher der Romanfigur von
Agatha Christie. Mit Hilfe eines konstruierten Kriminalfalles, wird die
konkrete Anwendung des Modells veranschaulicht. Der belgische
Meisterdetektiv Poirot löst seine Fälle analog zum Phasenmodell des
„Doppelbauch“: Er rekonstruiert das Geflecht aus Fakten und
Beziehungen der Vorgeschichte, entwirrt die Themen und
Beziehungsstrukturen im Hier und Jetzt, um dann seine Schlüsse für
die Lösungen und Ziele der Zukunft zu ziehen.
Die „Gelenkstelle 3“ wird im Quadranten der TPR – Matrix „hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ beobachtet: Um eine aktuelle
Situation als Anliegen besser zu verstehen, bietet dieses Modell
einen Leitfaden, um relevante Komponenten zu filtern und zu
strukturieren, die einen dynamischen Beratungsprozess ermöglichen.
In der Beratungspraxis kann die Visualisierung des
„Doppelbauchs“ ein Angebot an den Klienten darstellen, dass zur
Selbstreflexion und der damit verbundenen Neubewertung der
Situation beiträgt.
350 Vgl. ebd., S. 281f. 351 Vgl. ebd., S. 284.
172
Die „Gelenkstelle 4“ – „Sherlock Holmes“:
Die „Gelenkstelle 4“ stellt ein besonderes Maß an Vorverständnis
voraus, da eine Reduktion komplexer Strukturen von Systemen in
festgelegte Kategorien stattfindet. Diese Kategorien konstruieren
eine neue Wirklichkeit, auf deren Basis Interventionsmöglichkeiten
entwickelt werden.
Um ein bearbeitbares Bild komplexer Systeme zu erhalten, gilt es,
möglichst viele Informationen zu sammeln, die sich auf
verschiedenste Aspekte des Systems beziehen. Bei einem
systemischen Blick auf komplexe Systeme genügt es nicht, die
Organisation gesondert als organisatorische Einheit, als
hierarchisches Gefüge, als Summe von Gruppeninteraktionen oder
gar als Resultat von Handlungen einzelner Individuen zu
Generell ist zu erkennen, dass zumeist der Theoriebezug sehr
ausgeprägt ist, was auf die theoretischen Grundlagen
358 Vgl. Senge 2001, S. 95. 359 Vgl. ebd., S. 92.
176
zurückzuführen ist. Besonders bei den Interventionstechniken ist
ebenso der stark ausgeprägte Praxisbezug zu erkennen, da sich die
praktische Anwendung in der professionellen Beratung als sehr
effektiv erweist, da solche Darstellungen im Dialog mit dem Klienten
erarbeitet werden können. Intention des Seminars ist es, den
Teilnehmern die systemische Sichtweise auf komplexe Systeme
näher zu bringen. Dabei wird eine Auswahl an Interventionstechniken
vorgestellt, ohne dabei den Anspruch der Vollständigkeit zu erheben.
Implizit spielt die Auftragsklärung und Bearbeitung der Anliegen die
zentrale Rolle, da der Berater hier dynamische Wechselwirkungen
komplexer Systeme rekonstruieren muss. Dabei kann der
systemische Ansatz hilfreich sein.
Das Gesamtbild der TPR – Matrix des Seminars „Systemische
Betrachtung“ liefert folgende Graphik:
Systemische Betrachtung TPR - Matrix
praxisbezogen
theo
riebe
zoge
n
+
-
+-
„Kerzenspiel“(GS1)
„Auftragsklärung 1“(GS2)
„Hercule Poirot“(GS3)
„Sherlock Holmes“(GS4)
„Systemische Klärung“ (GS5)
Abb. 31: Die TPR – Matrix „Systemische Betrachtung“ mit ihren „Gelenkstellen“
(Eigene Produktion)
177
6.4.2 Die „Vernetzung der Gelenkstellen“
Untersucht man nun die Relationen zwischen den beobachteten
„Gelenkstellen“, wird eine Vielzahl an Verknüpfungen sichtbar. Es
wird darauf wiederum hingewiesen, dass die Bewertung der Relation
aus den Inhalten der „Gelenkstelle“ und der erlebten
Seminarsituation resultiert. Die Darstellung der „Vernetzung der
Gelenkstellen“ wird folgendermaßen vorgeschlagen:
Abb. 32: „Vernetzung der Gelenkstellen“ im Seminar „Systemische Betrachtung“
(Eigene Produktion)
Es zeigt sich, dass keine einzelne „Gelenkstelle“ sich signifikant von
den übrigen abhebt. Rein quantitativ liegen die „Gelenkstellen 2 und
5“ knapp in Führung, bei ihnen bündeln sich mehr Relationen als bei
anderen „Gelenkstellen“. Dies kann so interpretiert werden, dass die
praktische Auftragsklärung und Anliegenerhebung das zentrale
Thema des Seminars ist. Mit einer schlüssigen Auftragsklärung wird
der Grundstein für einen effektiven Beratungsprozess gelegt. Dies ist
jedoch nur möglich, wenn der Berater ein System / Konzept besitzt,
mit dem er die relevanten Informationen erheben kann („Gelenkstelle
3 und 4“).
GS1
GS2
GS3
GS4
GS5
178
Was die Charakteristik der Relationen betrifft, zeigt sich eine klare
Dominanz der Verknüpfungen auf der Ebene des Sachinhalts (blaue
Relationen). Interpretiert wird diese Tatsache dahingehend, dass alle
„Gelenkstellen“ unter dem Begriff der systemischen Betrachtung /
des systemischen Denkens vereint werden können. Dieser Begriff
stellt die Basis für ein Spektrum an Konzeptionen dar, die sich jedoch
alle auf die Sicht von Ganzheiten beziehen.
6.4.3 Die „Hauskonstruktion“ des Seminars
Versteht man das Seminar nun als Hauskonstruktion, werden die
einzelnen „Gelenkstellen“ als gleichwertige Säulen betrachtet. Sie
alle tragen gleichermaßen das Dach des Seminars „Systemische
Betrachtung“, eine Hauptsäule, die von elementarer Bedeutung ist,
kann nicht festgestellt werden.
Um den zentralen Aspekt der Auftragsklärung auch visuell zu
betonen, werden die Säulen der „Gelenkstellen 2 und 5“ mittig unter
dem Dach verortet. Der Inhalt sämtlicher Säulen, mit sicherem Stand
auf dem Seminarfundament „Setting, Arbeitsklima und
Wertschätzung“, trägt zu einer stabilen Statik der Hauskonstruktion
bei:
179
Setting, Arbeitsklima, Wertschätzung
GS 2 GS 5 GS 3
„Systemische Betrachtung“
GS 1 GS 4
Abb. 33: Die Hauskonstruktion der „Systemischen Betrachtung“
(Eigene Produktion)
6.5 Resümee zu den beobachteten Seminaren
In den vier beobachteten Seminaren wurden insgesamt 23
„Gelenkstellen“ beobachtet und untersucht. Dabei lässt sich
feststellen, dass alle erkannten „Gelenkstellen“ entweder im TPR –
Quadranten „hoher Theoriebezug / niedriger Praxisbezug“, oder
„hoher Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ verortet wurden.
Betrachtet man das quantitative Verhältnis sämtlicher
„Gelenkstellen“ in den beiden Quadranten, resultiert daraus das
Ergebnis von 18:3, zugunsten des Quadranten „hoher Theoriebezug
/ hoher Praxisbezug“. Mittels einfachen Dreisatz lässt sich das
Ergebnis noch konkreter darstellen: Rund 78% (genauer: 78,26%)
aller beobachteten „Gelenkstellen“ werden im Quadranten „hoher
Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ lokalisiert. Dieses Resultat wird
als signifikant interpretiert.
180
Sichtet man die Lage der einzelnen „Gelenkstellen“ innerhalb der
jeweiligen Quadranten, bemerkt man zweifelsohne, dass, über alle
Seminare hinweg, bei hohem Praxisbezug stets ein tendenziell hoher
Theoriebezug mit einhergeht. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass
vermittelte Techniken und Tools, die sui generis einem hohen
Praxisbezug (für den Berater) entsprechen, stets einer
wissenschaftlichen Theorie oder Konzeption entstammen.
Angereichert werden die Lerninhalte der Seminare mit Beispielen
aus der Erfahrungspraxis der Trainer, die den Praxisbezug noch
mehr verstärken.
Die Anschlussfähigkeit der vier Seminare untereinander findet auf
der Ebene des hohen Praxisbezugs statt. Der hohe Praxisbezug der
einzelnen „Gelenkstellen“ kommt zumeist durch eine Reihe von
Praxisübungen und praktischen Anliegenarbeiten360 zu Stande. Das
hohe Maß an Praxisanteilen ist in jedem der vier Seminare
beobachtbar. Da in solch einer Übung situativ, je nach Anliegen, auf
ein Repertoire von Methoden und Interventionstools rekurriert wird,
wird genau hier die Schnittstelle zu den übrigen Seminaren des
Curriculums gesehen: Die häufige Durchführung von Praxisübungen
macht die Seminare untereinander anschlussfähig, wodurch die
Reihenfolge der Seminare weitestgehend variabel gestaltet werden
kann.
Generell kann also ausgesagt werden, dass der Inhalt der vier
untersuchten Seminare sich besonders durch einen hohen
Praxisbezug auszeichnet, wobei gleichzeitig der Theoriebezug auf
einem hohen Niveau gehalten wird. Damit entspricht die Planung und
Gestaltung der Seminare auch der von Schreyögg postulierten
Forderung, in Ausbildungen den angehenden Coaches und
Changemanagern einerseits ein tief greifendes Methoden- und
Theoriewissen361 zu vermitteln, andererseits sollen die vermittelten
360 Sämtliche Praxisübungen und Rollenspiele wurden bei allen Seminaren tendenziell im Quadranten „hoher Theoriebezug / hoher Praxisbezug“ verortet. – Anm. d. Verf. 361 Vgl. Schreyögg 2003, S. 339.
181
Methoden und Techniken in ihrer Anwendung erprobt werden, um
diese adäquat, der jeweiligen Situation angemessen, einsetzen zu
können.362
362 Vgl. ebd., S. 347.
182
Ausblick
In dieser Arbeit galt das Hauptinteresse der Untersuchung einer
ausgewählten Coachingausbildung. Dabei sollten exemplarisch vier
Seminare intensiv beleuchtet werden. Im zweiten Teil dieser
Diplomarbeit (II. Teil) wurden die Herangehensweise und praktische
Umsetzung ausführlich dargestellt, wobei sich im Laufe der Arbeit
zeigte, dass die Untersuchung, bezüglich der methodologischen
Vorüberlegungen, einer eher qualitativen Methodik entspricht.
Anhand der gewonnenen Erkenntnisse kann festgestellt werden,
dass sich Strukturen in den untersuchten Curricula, die über den
bloßen Inhalt hinausgehen, aufdecken lassen. Dies geschah mit den
Tools, deren Konstruktion sich am Untersuchungsgegenstand
orientierte. Mittels der Erhebung von „Gelenkstellen“ war es möglich,
markante Seminarelemente zu extrahieren und genauer zu
analysieren. Durch die Betrachtung der Relationen untereinander,
konnte dem jeweiligen Seminar eine thematische Geschlossenheit
attestiert werden. Darüber hinaus war es durch die Analyse der
einzelnen „Gelenkstellen“ möglich, nicht nur die offiziellen Lernziele
eines Seminarbausteins zu ermitteln, sondern auch implizite
Intentionen zu interpretieren: Hauptsächlich sollte die Fähigkeit zur
Selbstreflexion der angehenden Berater und das aktive
Auseinandersetzen mit den Werte- und Grundhaltungen, die in den
Thematiken liegen, gefördert werden.
Bei der Auswertung der Seminare untereinander, wurde ebenso die
Anschlussfähigkeit aller Seminarbausteine nachgewiesen, was die
Grundannahmen der Interpretationen in den Protokollen bestätigt. Im
konkreten Fall der untersuchten Seminare stellen die zahlreichen
Praxisübungen das Bindeglied zwischen den verschiedenen Themen
dar, da hier in der praktischen Übung eine Verknüpfung von bereits
erworbenen Lerninhalten und neuem Lernstoff stattfindet. Der
Mehrwert liegt vor allem darin, dass die Verknüpfungen nicht nur auf
183
kognitiver Ebene stattfinden, sondern auch situationsbezogen durch
die Teilnehmer erprobt werden.
Die Anwendung des Tools TPR – Matrix, mit der anschließenden
„Vernetzung von Gelenkstellen“ und der Metapher der
Hauskonstruktion, hat sich in der durchgeführten Untersuchung als
äußerst praktikabel und vielseitig bewiesen. Dadurch konnten die
vorgegebenen Ziele der Untersuchung erfolgreich umgesetzt werden.
Des Weiteren zeigte eine Rückmeldung, von Seiten des
Beratungsinstituts, eine äußerst hohe Akzeptanz bezüglich dieses
Instruments. Aus diesem Grunde ist bereits eine weitere Erprobung
und Modifizierung der TPR – Matrix angedacht.
Aufgrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse schließen sich
nun auch weitere Fragen an, die, im Zuge weiterer Anforschungen,
genauer analysiert werden können. Ein weiterer Schritt in dieser
Thematik wäre die Anwendung der TPR – Matrix über ein gesamtes
Curriculum hinweg, um eventuelle Verknüpfungen von
„Gelenkstellen“ aufzudecken, die weitaus vielschichtiger sind.
Danach besteht dann die Möglichkeit, sie in Relation zur Gesamtheit
der „Gelenkstellen“ verwandter Curricula zu setzen. Ebenso bietet es
sich an, das Tool dahingehend zu erproben, indem nicht ein
einzelner Beobachter eine Auswertung durchführt, sondern dass
beispielsweise Teilnehmer des betreffenden Curriculums eine
Verortung beobachteter „Gelenkstellen“, vor dem Hintergrund einer
Seminarevaluation, vornehmen. Im Zuge dessen bietet es sich an,
mit dem Trainer die Ergebnisse zu validieren. Durch einen Abgleich
mit seinen ursprünglichen Intentionen, kann zum einen der
Grundstein für eine Supervisionsarbeit mit dem Trainer gelegt
werden, zum anderen wäre eine Modifikation der
Unterrichtsgestaltung möglich.
Abschließend ist anzumerken, dass die Untersuchung gezeigt hat,
dass die Frage nach verbindlichen Anforderungen für eine
184
Ausbildung zum professionellen Berater differenziert gesehen
werden muss. Im Fall der angewandten Technik werden durch
deckungsgleiche „Gelenkstellen“ zwar die Inhalte einer solchen
Ausbildung bestätigt, allerdings misst sich die Qualität eines
Curriculums letztendlich an den individuellen Vorkenntnissen, die der
Teilnehmer bereits besitzt. Ebenso spielen seine Erwartungen und
Zielsetzungen eine beträchtliche Rolle.
185
Literaturverzeichnis
Ausubel, David P.: Psychologie des Unterrichts. Band 1. Aus dem
Amerikanischen übersetzt von Christa Tansella–Zimmermann.
Weinheim und Basel 1974.
Backhausen, Wilhelm / Thommen, Jean-Paul: Coaching. Durch
systemisches Denken zu innovativer Personalentwicklung.
2., aktualisierte Auflage. Wiesbaden 2004.
Baraldi, Claudio, Corsi, Giancarlo, Esposito, Elena: GLU. Glossar zu
Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Erste Auflage.
Frankfurt am Main 1997.
Berne, Eric: Spiele der Erwachsenen. Psychologie der menschlichen
Beziehungen. 5. Auflage. Reinbek bei Hamburg 2005.