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Magazin für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung
5.2015
Elektro Feinmechanik
12 Biogas Wie Anlagen sicher instand gehalten werden
18 Photovoltaik Wie schwere Unfälle vermieden werden
26 Traumafolgen Wie das Therapeutenverfahren der DGUV Patienten
hilft
Ergonomie im Büro
Eine Frage der Einstellung
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Olaf Petermann Vorsitzender der Geschäftsführung
Belastungsraum BüroAuf den ersten Blick ist vieles besser
geworden in deut-schen Büros. Stuhl, Arbeitstisch und Bildschirm
haben oft eine deutlich bessere Qualität als noch vor wenigen
Jahrzehnten. Eine ergonomisch sinnvolle Anordnung des Inventars
sorgt dafür, dass wir dauerhaft lange und konzentriert arbeiten
können (S. 8 – 11). Zudem bieten uns Laptop, Tablet und Smartphone
viele Möglichkeiten, unsere Arbeit mobil zu erledigen und „immer
auf dem Sprung“ zu sein.
Doch komfortable Arbeitsbedingungen und die Neigung vieler
Menschen, es sich möglichst bequem zu machen, haben eine Kehrseite:
Der Muskel-Skelett-Apparat sowie Herz und Kreislauf werden im Büro
immer weniger gefor-dert. Dauerhafte Schädigungen des Körpers
können die Folge sein – wenn man nicht aktiv etwas dagegen tut. In
dieser „etem“-Ausgabe zeigen wir, wie Bürobeschäftigte durch
gezielte Bewegung im Arbeitsumfeld dem Muskel- abbau,
Duchblutungsstörungen, Fetteinlagerungen oder
Muskel-Skelett-Beschwerden vorbeugen können (S. 28).
Auch die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) von
Bund, Ländern und Unfallversicherung hat
Muskel-Skelett-Erkrankungen – u. a. als Folge von Büro-arbeit – als
ein zentrales Problem unserer Zeit erkannt. Präventionskampagnen
wie „Denk an mich. Dein Rü-cken“ (www.deinruecken.de) wollen dabei
helfen, die große Zahl von Krankheitstagen in Bürojobs zu
senken.
editorial
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kompakt 4 Zahlen, Fakten, Angebote
Meldungen und Meinungen
mensch & arbeit 8 Ergonomie im Büro
Eine Frage der Einstellung
12 Schutzmaßnahmen für Instandhal-tungspersonal an Biogasanlagen
Der Schlüssel zur Sicherheit
15 Gasumstellung Anlagen sicher anpassen
betrieb & praxis 16 Gefährdungen im Elektrohandwerk
„Jeder Unfall ist einer zu viel“
18 Photovoltaikanlagen-Montage Sonnige Aussichten?
20 Neue DGUV Information 203-080 Hilfe für mehr Halt
21 Ergonomie bei Montagetätigkeiten Kleine Maßnahme, große
Wirkung
gesundheit 24 Psychisch erkrankte Mitarbeiter
Hinsehen statt wegschauen!
26 Psychotherapeutenverfahren Auf einmal war alles anders
...
28 Langzeit-Sitzen und seine Folgen Immer auf Sparflamme?
service29 Präventionswissen online
Per Mausklick bestens informiert
30 Unternehmerversicherung Auf die Branche kommt es an
31 Impressum
8Titelthema: Büro-Ergonomie Büroarbeitsplätze können
vergleichswei-se einfach und kostengünstig an die Beschäftigten
angepasst werden. Ergono-misch entscheidend ist, dass das System
aus Stuhl, Tisch und Bildschirm aus- reichend Anpassungsspielraum
bietet.
18Unfallprävention bei der Photovoltaikanlagen-MontageDie
Solarenergie gehört zu den Hoff-nungsträgern für eine umweltfreund-
liche Stromversorgung. Trotz der großen Zahl neu installierter
Photovoltaikanla-gen im vergangenen Jahrzehnt kommt es bei ihrer
Montage und Wartung im-mer noch zu Unfällen – die vermeidbar
sind.
26 Psycho- therapeutenverfahren Ein schwerer Unfall und das
Leben gerät aus den Fugen: Betroffene leiden nicht nur körperlich,
häufig sind sie auch seelisch traumati-siert. Frühzeitige Hilfe ist
gefragt.
inhalt
3etem 05.2015
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↓ Termine ▪ 14.-17.10.2015, Düsseldorf
REHACARE International – Fachmesse für Rehabilitation,
Prävention, Integration und Pflege
▪ 27.-30.10.2015, DüsseldorfA+A 2015
▪ 28.-30.10.2015, Leipzigefa, 14. Fachmesse für Gebäude- und
Elektrotechnik, Licht, Klima und Auto- mation
▪ 07.-10.12.2015, NürnbergBerufsbildungsmesse
→ weitere terminewww.bgetem.de, Webcode 12568821
„Mit ersten Skizzen auf dem Brotzeittisch fing alles an“,
erzählt Ralf Harzer, Maschinenbau-Meister bei der Ernst Feiler
GmbH. Gemeinsam mit einem Kollegen entwickelte er eine Maschine,
dank der mehreren Kolleginnen nun unangenehme Handarbeit mit der
Schere erspart bleibt.Auch Erich Scheible (Foto) wollte „sich nicht
einfach mit den Gegebenheiten abfinden“. Sein Schutzsystem bei der
Kabel-konfektion der Engeser GmbH schützt die Beschäftigten davor,
sich die Finger zu quetschen. Zwei Beispiele für erfolgreiche
Tüftler, die viel für mehr Sicherheit in ihrem Betrieb getan
ha-ben. Das brachte sie bei der Verleihung des Präventionspreises
der BG ETEM auf die Bühne des Kölner Schokoladenmuseums. „Das hatte
richtig Klasse“, erinnert sich Ralf Harzer.Haben auch Sie Ideen
oder ein tolles Projekt, das den Arbeits-schutz in Ihrem Betrieb
voranbringt? Dann bewerben Sie sich für den Präventionspreis der BG
ETEM. Das geht ganz einfach.
Sie brauchen nur die Bewerbungsunterlagen auf unserer Web- site
herunterzuladen. Ausgefüllt sind die vier Seiten schnell. Ein paar
Angaben zum Unternehmen, zur Mitarbeiterzahl und zu den am Projekt
Beteiligten. Danach schildern Sie das Projekt kurz in eigenen
Worten und lassen uns wissen, wie die Idee ent-stand, wie sie
umgesetzt wurde und welche Wirkung sie hatte. Dann noch eine
Unterschrift und schon ist die Bewerbung fertig.Ob Sie die
Unterlagen per Post oder per Mail schicken, ist Ihre Entscheidung.
Sie müssen nur bis 15. Januar 2016 bei uns sein. Alles Weitere
finden Sie auf unserer Website.
→ infowww.bgetem.de, Webcode 12746915
Präventionspreis
Einfach bewerben
Dankeschön für BeschäftigteDer Betriebskalender 2015/2016 der BG
ETEM ist ab sofort erhältlich. Er widmet sich den Themen „Achtsam
handeln und bewusst entspannen“. Es ist wichtig, für Ausgleich zum
Berufsleben zu sor-gen und regelmäßige Aus-zeiten einzuplanen.
Sport ist ein gutes Gegengewicht zur Arbeitswelt und eine angenehme
Art zu ent-spannen. Der neue Kalender zeigt beispielhaft mögliche
Aktivitä-ten in faszinierenden Umgebungen. Unternehmen mit
mindes-tens 51 Versicherten wird der Kalender in begrenzter
Stückzahl kostenlos zugeschickt. Er ist ein Dankeschön der BG ETEM
für Be-schäftigte, die sich um die Durchsetzung der
Arbeitssicherheit besonders verdient gemacht haben, und sollte von
den Betrieben entsprechend verteilt werden. Unternehmen mit weniger
als 51 Mitarbeitern können einen Kalender kostenlos bestellen;
wei-tere Kalender sind zum Selbstkostenpreis von 3 Euro erhältlich.
Die Auflage ist begrenzt.
→ bestellenE-Mail: [email protected].: 0221 3778-1020 Fo
tos:
BG
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kompakt
4 etem 05.2015
http://www.bgetem.de/presse-aktuelles/terminehttp://www.bgetem.de/arbeitssicherheit-gesundheitsschutz/praeventionspreis/praeventionspreis-gute-ideen-fuer-den-arbeits-und-gesundheitsschutzmailto:kalender%40bgetem.de?subject=
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Auf einen BlickAuf dem Jahresplaner 2016 (68 x 98 cm) können
alle wichtigen Termine des Jahres eingetragen werden. Er wird
Mitgliedsbetrieben auf Wunsch kostenlos zugesandt (Bestell- Nummer
JP).
→ infoTel.: 0221 3778-1020E-Mail: [email protected]
Eine neue Seminardatenbank und ein neues Verfahren zur
Anmeldung. Hier weitere Antworten auf die häufigsten Fragen.
Zusätzliche Informationen fin-den Sie im Netz.
?Warum dürfen nur zwei Beschäftigte einer Firma an einem Seminar
teilnehmen?Zum einen aus methodisch-didaktischen Gründen. Außerdem
wollen wir erreichen, dass alle Mitgliedsbetriebe die Chance haben,
einen Seminarplatz zu bekommen. Im Einzelfall sind Abweichungen
möglich. Das steht dann in der Seminarbeschrei-bung.
?Weshalb findet das Seminar nicht in der gewünschten
Bildungsstätte statt?Die BG ETEM bietet die Seminare bundesweit
nach ihren perso-nellen und organisatorischen Möglichkeiten an.
Teilweise sind Ressourcen nur an einem Bildungsstandort vorhanden.
Dann können die Veranstaltungen nur dort angeboten werden. Bei
einigen Seminaren übersteigt die Nachfrage im Seminarjahr die
vorhandenen Ressourcen.
?Kann man die Buchung wieder stornieren?Jede Buchung kann
storniert werden. Aus Fairness gegenüber den Interessenten aus
unseren Mitgliedsunternehmen sollte bei einer Verhinderung der
gebuchte Platz so frühzeitig wie möglich freigegeben werden.
?Wann sind neue Termine für dieses oder das nächste Jahr
online?Nach der neuen Systematik gibt es für die Mehrzahl unserer
Se-minare keinen festen Veröffentlichungstermin mehr. Wir stellen
diese Seminare mit einem Vorlauf von mindestens sechs Mona-ten
kontinuierlich in unsere Seminardatenbank ein. Für Semina-re mit
wenigen Durchführungen oder Fachseminare haben wir weiter einen
festen Veröffentlichungstermin. Das ist der 1. Juli.
→ infowww.bgetem.de, Webcode 15613674
Die häufigsten Fragen zur Seminarbuchung
HinguckerArbeitsschutz ist oft ganz einfach. Die Plakate der BG
ETEM zeigen, wie es geht. Für Mitgliedsbetriebe sind sie
kostenlos.
→ infowww.bgetem.de, Webcode 14822765 E-Mail:
[email protected]: 0221 3778 -1020
Öffentliche SitzungDie Vertreterversammlung der BG ETEM tagt am
11. Dezember 2015 um 9.00 Uhr im Dorint Hotel am Heumarkt in Köln,
Pipin-straße 1. Die Sitzung ist öffentlich. Interessierte sind
herzlich eingeladen.
→ infowww.bgetem.de, Webcode: 11790284. Informationen zur
Selbst-verwaltung der BG ETEM
Jetzt kostenlos bestellen!
kompakt
mailto:versand%40bgetem.de?subject=http://www.bgetem.de/seminare/haeufig-gestellte-fragenhttp://etf.bgetem.de/cgi-bin/r30msvcshop_anzeige.pl?&var_hauptpfad=../htdocs/r30/vc_shop/&var_fa1_select=var_fa1_select||53|&var_te1=1|&var_te13_select=var_te13_select||17|&var_html_folgemaske=r30msvcshop_anzeige.htmlmailto:versand%40bgetem.de?subject=http://www.bgetem.de/die-bgetem/selbstverwaltung/selbstverwaltung
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Ein Viertel der 40 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland fährt
täglich mehr als 20 Kilometer zur Arbeit, knapp ein Fünftel sogar
mehr als 50 Kilometer. Viele Strecken führen über Autobahnen und
Landstraßen. Auch für den Güterverkehr sind diese Ver-kehrswege
wichtig. Da ist Rücksicht gefordert. Mit der diesjährigen
Schwerpunktaktion der Unfallkassen, Be-rufsgenossenschaften und des
Deutschen Verkehrssicherheits-rates (DVR) sollen alle
Verkehrsteilnehmer für einen fairen und partnerschaftlichen Umgang
sensibilisiert werden. Eine Broschüre erläutert Hintergründe zu
Fairness und Rück-sicht. Drei begleitende Flyer liefern jeweils
Informationen für die Fahrerinnen und Fahrer von Lkw und
Transportern, Pkw und Mo-torrad sowie für Radfahrer und Fußgänger.
Zur Aktion gehört ein
Gewinnspiel mit attraktiven Preisen, darunter eine Reise zur
Fußball-Europameister-schaft 2016 inklusive zwei Eintrittskarten zu
einem EM-Spiel, ein hochwertiges Pedelec und viele weitere Gewinne.
Einsendeschluss ist der 29. Februar 2016. Die Teilnahmeunterlagen
liegen dieser Ausgabe von „etem“ bei.
→ infowww.bleibfair.info
DVR-Quiz 2015
Fair auf der Autobahn
Richtig absaugen in der GalvanikDie Anforderungen an technische
Schutzmaßnahmen in galvanotechnischen Betrieben sind sehr hoch.
Hilfe bei der Planung bietet ein Leitfaden des Zentralverbandes
Oberflächentechnik (ZVO). Darin werden Maßnahmen zur Verringerung
von Gefahrstoffemissionen sowie Grundlagen zur Erfassung von
Gefahrstoffen beschrie-ben. Der Leitfaden konkretisiert die
Anforderungen der DGUV Information 213-716 „Galvanotechnik und
Eloxie-ren. Empfehlungen Gefährdungsermittlung der
Unfall-versicherungsträger (EGU) nach der Gefahrstoffverord-nung“.
Für viele Verfahrensschritte und Badgrößen sind die
Mindesterfassungsgeschwindigkeiten aufgeführt. Das vereinfacht die
Einstellung der Absaugleistung.Die Erfüllung der im Leitfaden
beschriebenen Anforde-rungen sollten in Verbindung mit der DGUV
Regel 109-002 „Arbeitsplatzlüftung – Lufttechnische Maßnah-men“
Bestandteil bei der Auftragsvergabe sein.
→ info„Leitfaden zur Auslegung von Abluftanlagen an Galvanik-
anlagen“, kostenfreie Bestellung für ZVO-Mitglieds- betriebe unter
E-Mail: [email protected]
Neue Kurzinfo fürSicherheitsbeauftragteVielleicht haben auch Sie
schon einmal darüber nachgedacht, in Ihrem Betrieb die Aufgabe
eines Sicherheitsbeauftragten zu über-nehmen? Was diese
ehrenamtli-chen Helfer für die Arbeitssicher-heit leisten, wie man
Sicher-heitsbeauftragter wird und wei-tere Fragen beantwortet das
neu aufgelegte Faltblatt „Sicherheits-beauftragte – Partner für
Arbeits-sicherheit und Gesundheitsschutz im Betrieb“ stichhaltig
und in Kürze.
→ bestellenFaltblatt „Sicherheitsbeauftragte – Partner für
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Betrieb“;www.bgetem.de,
Webcode 12201321. Klicken Sie im Medienshop auf den Bereich
„Leitfaden/Kommentar Recht“E-Mail: [email protected]: 0221
3778-1020 oder 0611 131-8221, Telefax: 0221 3778-1021
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6 etem 05.2015
http://www.bleibfair.info/mailto:service%40zvo.org?subject=http://etf.bgetem.de/htdocs/r30/vc_shop/bilder/firma53/004_dp_a08-2015.pdfmailto:versand%40bgetem.de?subject=
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Jetzt online bewerben: www.bgetem.de, Webcode 15966225
Klappe halten? Nix da!Reden Sie mit. Sagen Sie uns die
Meinung!
Im neuen Leserbeirat des Magazins „etem“ zählt jede Stimme.
Diskutieren Sie mit den Blattmachern über Themen, Aufmachung und
Ihre Ideen für das Magazin. Reisekosten und Unterbringung übernimmt
die BG ETEM. Sie müssen nur für einen Tag im Jahr Zeit für uns
haben. Helfen Sie uns, „etem“ noch besser zu machen. Infos und
Bewerbungsformular auf www.bgetem.de.
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https://www.bgetem.de/medien-service/etem-magazin-fuer-praevention-rehabilitation-und-entschaedigung/leserbeirat-etem
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Der menschliche Körper ist geschaffen für Bewegung: Knochen,
Sehnen und Bänder verleihen dem Körperbau Stabili-tät, Muskeln
sorgen für Fortbewegung. Außerdem passt sich der menschliche Körper
ständig an neue Umgebungen und geänderte Anforderungen an. Am
Beispiel der Muskeln lässt sich das sehr eindrucks-voll erkennen:
Sie werden kräftiger, wenn wir sie trainieren, oder schwächer, wenn
sie nicht genutzt werden – zum Beispiel während der Ruhigstellung
des Armes nach einem Knochenbruch. Dieselben Me-chanismen
begünstigen mittel- und lang-fristig auch die Beschwerden von
Büro-kräften an Schulter, Nacken und Rücken.
Während der Büroarbeit wird unser Kör-per kaum physisch
herausgefordert. Aus dem Blickwinkel der Muskeln betrachtet
Büroarbeitsplätze können vergleichsweise einfach und
kostengünstig an die Beschäftigten angepasst werden. Ergonomisch
ent-scheidend ist, dass das System aus Stuhl, Tisch und Bildschirm
ausrei-chend Anpassungsspiel-raum bietet. Hilfreich da-bei ist:
Jeder Beschäftigte führt alle wichtigen Maße stets mit sich – in
Form seines Körpers.
Ergonomie im Büro
Eine Frage der Einstellung
mensch & arbeit
8 etem 05.2015
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verharren wir in einer mehr oder weniger statischen
Körperhaltung. Aber ist Sitzen nicht besser als Stehen!?
Auf die Frage, ob man besser den gan-zen Tag im Stehen oder im
Sitzen verbrin-gen sollte, gibt es eine klare Antwort: weder noch!
Vielmehr gilt: Die nächste Körperhaltung ist die beste! Wenn
mög-lich sollte man ungefähr alle ein bis zwei Stunden die Haltung
wechseln.
Die Herausforderung besteht zum einen darin, diese Abwechslung
sinnvoll und dauerhaft in den Büroalltag zu integrie-ren. Zum
anderen sollten sich die Be-schäftigten beim Sitzen und Bewegen im
Büro möglichst körperfreundlich verhal-ten – und das ist im
doppelten Sinne auch eine Frage der Einstellung.
Mein Stuhl, … Einen vielfach verstellbaren Bürostuhl be-sitzen
sehr viele Beschäftigte – aber ist dieser auch richtig eingestellt?
Zumindest die Sitzhöhenverstellung hat jeder ver-mutlich schon
einmal verwendet. Man sitzt ergonomisch richtig, wenn die Füße
entspannt bis auf den Boden reichen und die Knie mindestens einen
rechten Winkel bilden, gerne auch etwas mehr. Warum ist das
wichtig? Sind die Knie dauerhaft stark angewinkelt oder baumeln die
Füße in der Luft, staut sich das venöse Blut in den Beinen. Lässt
sich der Stuhl nicht niedri-ger einstellen, sollte in diesem Fall
der Arbeitsplatz mit einer großflächigen, neig-baren Fußauflage
nachgebessert werden.
Die Vorteile des Sitzens sind: ▪ Die Füße müssen nicht ständig
das ge-samte Körpergewicht tragen (wie beim Stehen).
▪ Durch Anlehnen an eine Rückenstütze kann sich der Rücken
entspannen.
Um den Rücken anlehnen zu können, soll-te die Tiefe der
Sitzfläche zur eigenen Beinlänge passen. Wenn man sich an der
Rückenlehne anlehnt, sollte zwischen Sitzfläche und Kniekehle noch
zwei Finger breit Platz sein. Manche Bürostühle unter-stützen den
Nutzer in einem solchen Fall auch dadurch, das sich ihre
Rückenlehne sehr weit nach vorn einstellen lässt.
Die Rückenlehne sollte die natürliche Form der Wirbelsäule von
den Schultern bis zum Becken nachempfinden. Im unte-ren und
mittleren Rückenbereich be-kommt die oder der Beschäftigte daher
etwas mehr Halt durch die sogenannte Lordosenstütze. Damit diese
auch an der
mensch & arbeit
9etem 05.2015
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richtigen Stelle stützen kann, ist die Rü-ckenlehne in der Höhe
anpassbar. Sie sollte außerdem federnd gelagert sein, um auch
während des Sitzens verschiede-ne Körperhaltungen zu erlauben.
Dieser Federmechanismus funktioniert entweder isoliert oder in
Kombination mit der Sitz-fläche.
Gegen Verspannungen im Schulter-Na-cken-Bereich wirken kurze,
seitliche Arm- auflagen, die den Unterarm (nicht den El-lenbogen!)
in einer leicht vom Körper ab-gespreizt herunterhängenden Haltung
un-terstützen. Das ermöglicht eine gewisse Ellenbogenfreiheit zum
Schreiben.
Zur richtigen Einstellung lassen sich die Armauflagen
idealerweise in drei Richtun-gen anpassen:
▪ Höhe, ▪ seitlicher Abstand zur Sitzfläche und ▪ Abstand zum
Arbeitstisch.
Um „richtig“ dynamisch zu sitzen, ist es außerdem vorteilhaft,
wenn die Armstüt-zen sich nicht mit der Neigung des Stuhles
mitbewegen: Das reduziert die Gefahr,
sich den Arm beim erneuten Aufrichten am Tisch einzuklemmen.
… mein Tisch, …Zwischen Unternehmensleitungen und Beschäftigten
oft diskutiert werden stu-fenlos elektrisch höhenverstellbare
Büro-tische. Sie sind ab etwa 600 Euro erhält-lich. Die Vorteile
liegen auf der Hand:
▪ Der Beschäftigte kann seine Arbeitshö-he besser an seine Größe
anpassen.
▪ Bei der richtigen Auslegung des Verstell-bereichs benötigt
auch eine kleine Per-son keine Fußstütze mehr.
▪ Zusätzlich ermöglicht der elektrisch hö-henverstellbare Tisch
einen einfachen individuellen Wechsel zwischen stehen-der und
sitzender Körperhaltung.
Hat sich ein Unternehmen für die Anschaf-fung eines solchen
Modells entschieden, sollte es beim Kauf für maximale Flexibili-tät
bei großen und kleinen Angestellten darauf achten, dass der
empfohlene Verstellbereich von 600 – 1250 mm weit-gehend
eingehalten wird. Unter der Tisch-
platte sollten darüber hinaus keine Tra-versen im vorderen bzw.
mittleren Bereich den Beinfreiraum einengen.
Kabelkanäle im hinteren Bereich bzw. Raum zur Installation von
Steckdosen er-leichtern die Kabelführung während des Hoch- und
Herunterfahrens des Tisches, sodass höchstens noch drei Leitungen
(für Strom, Telefon und Netzwerk) im Raum angeschlossen werden
müssen. Der Rest bewegt sich einfach mit der Tischplatte mit – in
manchen Fällen sogar der Tower-PC. Um sich auf als auch unter dem
Tisch gut organisieren zu können, empfiehlt sich eine Tischfläche
von min-destens 1600 mm Breite und mindestens 800 mm Tiefe sowie
ausreichend Frei-raum für die Beine.
Wie weiß die oder der Beschäftigte nun, ob bei einem stufenlos
verstellbaren Tisch die Arbeitshöhe richtig eingestellt ist?
Zunächst wird dazu die Stuhlhöhe wie oben erwähnt angepasst. Als
Nächstes wird die Tischhöhe im Sitzen so weit nach unten gestellt,
bis der rechtwinklig ange-winkelte Arm entspannt auf der
Tischplat-te ruhen kann. Es kommt dabei nicht auf eine
millimetergenaue Einstellung an, da kleinere Abweichungen gut durch
die Be-wegungen der Unterarme ausgeglichen werden können. Für die
richtige Tischein-stellung im Stehen wird übrigens eben-falls die
gerade beschriebene Ellenbogen-höhe als Orientierungsmaß
verwendet.
Ist der vorhandene Bürotisch selbst nicht höhenverstellbar, da
es sich bei-spielsweise um einen gemeinsamen
Ein moderner Bürostuhl, der ergo-nomischen Ansprüchen
genügt,
lässt sich vielfach verstellen: von der flexiblen Rückenlehne
bis hin
zur Sitzlänge.
mensch & arbeit
10 etem 05.2015
Polsterung
Stütze für Lendenwirbelsäule
Sitztiefe
Schräge zur Beckenaufrichtung
Polsterrundung
vordere Drehachse
Höhenverstellungmit Endfederung
Drehbarkeit
Fünfstern mit Rollen
hintere Drehachse
Neigung
Neigung
Höhenverstellung
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Gruppentisch für mehrere Beschäftigte handelt, sollte dieser auf
eine Höhe von rund 740 mm eingestellt werden können. Den
Größenunterschieden der Kollegin-nen und Kollegen ist dann im
Zweifelsfall durch eine erhöhte Sitzposition und Fuß-auflagen
Rechnung zu tragen.
Um auch in solchen Szenarien eine zu-sätzliche Möglichkeit für
den Wechsel hin zu stehendem Arbeiten anzubieten, kön-nen
Stehtische im Raum platziert werden. In den Steharbeitszonen werden
dann beispielsweise Besprechungen abgehal-ten, Dokumente gelesen,
Telefonate ge-führt oder Belege in Ordnern gesucht bzw.
einsortiert.
… mein BildschirmTechnisch gesehen haben sich die
Flach-bildschirme am Arbeitsplatz gegenüber den Röhrenbildschirmen
durchgesetzt – aus Sicht der Ergonomie ein Schritt in die richtige
Richtung. Die flachen Monitore
▪ benötigen weniger Platz auf dem Tisch, ▪ lassen sich einfacher
bei Bedarf direkt vor dem Nutzer anordnen und
▪ bieten verschiedene Verstellmöglichkei-ten zur Anpassung an
die eigenen Be-dürfnisse.
Die richtige Einstellung des Bildschirms orientiert sich an der
entspannten Kopf-haltung beim Lesen. Der Kopf ist leicht nach vorne
gebeugt und auch die Augen selbst blicken in ihrer entspannten
Hal-tung etwas nach unten. Die Oberkante des Monitors sollte daher
ebenfalls etwas unterhalb der Augenposition eingestellt sein – in
vielen Fällen ist das bei immer größer werdenden
Bildschirmdiagonalen auch gleichzeitig die niedrigste Standhö-he
des Monitors. Bei der richtigen Einstel-lung kann man zudem seinem
Gegenüber in die Augen sehen.
Ist das nicht gewünscht, hilft ein zu-sätzlicher Sichtschutz
besser als ein zu hoch eingestellter Monitor. Dieser führt auf
Dauer ebenfalls zu Verspannungen im
Schulter-Nacken-Bereich. Besonders in-tensiv verspüren dies die
Besitzer von herkömmlichen Gleitsichtbrillen, bei de-nen der
Leseteil oft recht klein ist: Für die Nahsicht müssen sie unten
durch die Bril-le schauen und heben dadurch den Kopf noch stärker
an. Daher sollten diese Per-sonen während der Büroarbeit besser auf
eine Einstärkenbrille speziell für die Arbeit am Bildschirm bzw.
eine Brille mit einem größeren Leseteil umsteigen. Wer bei der
Bildschirmarbeit die falsche Brille trägt oder eine Fehlsichtigkeit
nicht richtig korrigieren lässt, muss mit Augenbren-nen,
Augentränen oder Kopfschmerzen rechnen.
Der optimale Abstand des Monitors ent-spricht ungefähr einer
Armlänge. Aus die-ser Entfernung betrachtet hat die abgebil-dete
Schrift eine optimale Größe, wenn das große E zwischen 4 und 7 mm
hoch ist. Zum Nachjustieren hilft die Anpas-sung der Darstellung in
den Anzeigeoptio-nen des Betriebssystems bzw. in vielen üblichen
Anwendungen das Anpassen des Zoomfaktors mithilfe des Haltens der
STRG-Taste und des gleichzeitigen Dre-hens am Mausrad.
Darüber hinaus sollte der Bildschirm leicht nach hinten gekippt
werden, so-dass die Augen bei geneigtem Kopf unge-fähr senkrecht
daraufschauen. War die Bildschirmfläche vorher senkrecht zum Tisch
orientiert, belohnt diese Neigung des Monitors den Nutzer sofort
mit kont-rastreicherer Darstellung und klareren Far-ben.
Sind die Zeichen auf dem Monitor den-noch verschwommen, sollten
betroffene Beschäftigte prüfen, ob der Bildschirm in der richtigen
Auflösung eingestellt ist. Flachbildschirme besitzen eine technisch
festgelegte, „empfohlene“ Auflösung. Weicht man in dieser
Einstellung des Be-triebssystems vom Optimum ab, werden die
Darstellungen zwar größer, jedoch meistens auch unschärfer.
Mein KörperWer bereits recht lange in einer ergono-misch
ungünstigen Haltung gearbeitet hat – zum Beispiel aufgrund eines zu
hoch eingestellten Monitors –, muss damit rechnen, dass sich der
eigene Körper schon darauf eingestellt hat und die eige-ne
Beweglichkeit eingeschränkt ist. In diesem Fall hilft die Anpassung
der Gerä-te in kleinen Schritten – jeden Tag wenige Zentimeter bis
zum Ziel über einen Zeit-raum von einigen Wochen. Bei weiterhin
bestehenden Beschwerden sollten Be-troffene sich am besten an ihren
Betriebs-arzt wenden oder ihren Vorgesetzten an-sprechen. Torsten
Wagner
→ infoWeitere Informationen finden Sie unter
www.bgetem.de/medien-service oder www.bgetem.de, Webcode
13785577:
▪ BG ETEM MB 008 „Ergonomie“ ▪ DGUV Information 215-410
„Bildschirm- und Büroarbeitsplätze“ (ehemals BGI 650)
▪ Arbeitsstättenrichtlinie ASR A 1.2 ▪ GV 05
Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV)
▪ BG ETEM T 040 Arbeiten am Bildschirm – Ergo-Tipps
▪ BG ETEM DVD 010 „Fit im Büro“ – As-pekte moderner
Büroarbeit
▪ BG ETEM DVD 068 Unternehmen in Be-wegung
▪ BG ETEM CD 009 Bildschirm-Fitnesstrai-ner
Tipps für die Praxis
▪ Sie können die vorhandene Büro-ausstattung bestmöglich auf
sich einstellen und darauf achten, ei-ne starre Arbeitsposition
immer mal wieder durch Bewegungspha-sen zu unterbrechen.
▪ Zusätzlich können Sie selbst durch regelmäßige Bewegung in der
Freizeit bzw. kleinere Aus-gleichsübungen in den Arbeits- pausen
dem Bewegungsmangel entgegenwirken.
▪ Einen Vorschlag für Ausgleichs-übungen im Büro finden Sie
unter www.bgetem.de, Webcode 13785577
Ob leicht nach vorn gebeugt, aufrecht oder entspannt
zurückgelehnt: Ein guter Bürostuhl unter-stützt längeres
konzentriertes Arbeiten und hilft zugleich gegen Verspannungen.
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mensch & arbeit
11etem 05.2015
http://www.bgetem.de/arbeitssicherheit-gesundheitsschutz/praeventionskampagnen/denk-an-mich-dein-ruecken/medien/auflistung-medienhttp://www.bgetem.de/arbeitssicherheit-gesundheitsschutz/praeventionskampagnen/denk-an-mich-dein-ruecken/medien/auflistung-medien
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Außenmembrane
Innenmembrane
Stahlmast
GasabgangsplateauØ1400
Ø15390 U=48350
4500
6000
Gasfüllstandsanzeige
Gärsubstrat
Biogas
Schutzmaßnahmen für Instandhaltungspersonal
Der Schlüssel zur SicherheitBei Instandhaltungsarbeiten in
Biogasanlagen sind Be-schäftigte oft besonderen Gefährdungen
ausgesetzt. Um schwere Arbeitsunfälle zu vermeiden, ist für
gefährliche Arbeitsverfahren eine auf den Einzelfall zugeschnittene
Gefährdungsbeurteilung erforderlich.
Biogasanlagen werden mechanisch, chemisch und thermisch
beansprucht. Deshalb steigt mit fortgesetzter Betriebs-dauer der
Instandhaltungsbedarf. Häufig werden damit Fremdfirmen beauftragt.
Stehen Arbeiten an Biogas führenden An-lagenteilen an, können große
Gefahren für die dort Beschäftigten bestehen. Selten entfernt ein
Betreiber Substrat und Biogas vollständig aus dem Arbeitssystem.
Ein Ausfall der Biogasproduktion ist teuer und soll möglichst
vermieden werden. In ei-nem solchen Fall besteht primär die
Ge-fahr, dass gefährliche explosionsfähige Atmosphäre – kurz:
g.e.A. – auftritt und Beschäftigte nach Inhalation von Biogas
ersticken oder sich dabei vergiften.
Doch das sind nicht die einzigen Gefah-ren. Was müssen
Anlagenbetreiber und Auftragnehmer bedenken und in die Wege leiten?
Welche Vorschriften und Regeln gilt es zu beachten?
UnfallbeispielZwei Monteure eines Herstellers von
Bedachungsfolien hatten den Auftrag, an einem sieben Jahre alten,
bis zum Hoch-punkt mastgestützten Doppelmembran- Gasspeichersystem
einen ca. 6 m langen Riss in der Außenfolie zu verschließen. Nach
Vorgabe des Anlagenbetreibers soll-te die Reparatur bei voll
weiterlaufender Biogasproduktion erfolgen.
Die Monteure bestiegen die Außenfolie, um ihre Persönliche
Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA – bestehend aus Auffanggurt,
Verbindungsseil, mitlaufen-dem Auffanggerät mit Falldämpfer) in der
Nähe des Masthochpunktes anzuschla-
▪ Absturz: bereits beim ungesicherten Betreten der
Außenfolie.
▪ Explosion: durch eine g.e.A. im Arbeits-bereich und wegen der
Anwesenheit ei-ner Zündquelle.
▪ Ertrinken: Je nach Standort auf der In-nenfolie wäre das
Verbindungsseil der PSA gegen Absturz zu lang gewesen, sodass der
Monteur in das Substrat ge-stürzt wäre.
▪ Bewegte Teile: Der Monteur hätte vom laufenden Rührwerk
erfasst werden können.
▪ Hängetrauma: ab 20 Min. im Auffang-gurt (Der Monteur beugte
dieser Gefahr vor, indem er sich immer wieder in eine selbst
gebastelte Schlinge stellte, um so den Blutrückfluss aus den Beinen
zu ermöglichen).
Ein weiteres, unerwartetes Problem kam hinzu: Der zweite Monteur
konnte von sei-nem Arbeitsort aus keinen Notruf abset-zen – die
Verwendung von Mobiltelefo-nen wurde vom Betreiber vor Ort
unter-sagt. Nur zufällig hörte ein Mitarbeiter der Biogasanlage das
laute Rufen des zweiten
gen. Die Außenmembran wurde mecha-nisch entspannt. Anschließend
senkte ein Mitarbeiter des Anlagenbetreibers nach Absprache mit den
Monteuren durch Gasentnahme ebenfalls die offenbar in-takte
Innenfolie ab.
Im Anschluss an eine Freimessung des Folienzwischenraumes stieg
ein Monteur dort ein und begab sich auf die Innenfo-lie. Für die
Reparaturarbeiten wurden Kunststoffplatten (siehe Abbildung 2 auf
S. 14), Stahlschrauben, eine Akku-Bohr-maschine, eine
Heißluftpistole, Maul-schlüssel und Schraubzwingen verwen-det.
Während der gesamten Arbeitsdauer trugen die beiden Monteure
tragbare Per-sonengaswarngeräte bei sich.
Zum Unfallzeitpunkt stand der Monteur auf der Innenfolie ca. 1 m
entfernt vom Mittelmast, der zweite Monteur kniete di-rekt darüber
auf der Außenfolie. Die In-nenfolie hielt dem starken Durchhängen
und dem zusätzlichen punktuellen Kör-pergewicht nicht mehr stand,
riss rund um ihre Befestigung ab und stürzte in das
Gärsubstrat.
Der Monteur fiel in seine PSA und blieb über der
Substratoberfläche hängen. Durch die aus dem Gasspeicherraum
schlagartig entweichende Gasmenge wurde er für kurze Zeit
bewusstlos. Glücklicherweise handelte es sich um einen
Endlagerbehäl-ter, in dem nur ca. zwei Prozent der Gas-menge eines
Gärbehälters produziert wer-den. Anderenfalls wäre der Monteur mit
großer Sicherheit durch Vergiftung oder Ersticken gestorben.
Darüber hinaus bestanden weitere Ge-fährdungen:
12
mensch & arbeit
etem 05.2015
-
Außenmembrane
Stahlmast
GasabgangsplateauØ1400
Ø15390 U=48350
4500
6000
Gasfüllstandsanzeige
Gärsubstrat
BiogasInnenmembrane
Als sich ein Monteur zur Reparatur eines Risses auf der
Innenmembrane bewegte, riss diese ein. Der Monteur fiel in seine
PSA und wurde bewusstlos.
Monteurs und setzte den Notruf ab. Ein-satzkräfte waren schnell
vor Ort; jedoch dauerte es bis zur Rettung aufgrund der unklaren
Situation drei Stunden: Weder der Anlagenbetreiber noch der
Auftrag-nehmer hatten ein Rettungskonzept aus-gearbeitet. Der
Monteur in der PSA hatte letztlich großes Glück: Er konnte das
Kran-kenhaus nach einem Tag Überwachung ohne weitere Verletzungen
verlassen.
Anforderungen an das Schutz-maßnahmenkonzept
Instandhaltungsarbeiten an gasführen-den Anlagenteilen von
Biogasanlagen sind Tätigkeiten im Sinne der TRGS 529 „Tätigkeiten
bei der Herstellung von Bio-gas“. Bei der Vergabe derartiger
Aufträge muss sich der Auftraggeber vergewissern, dass die
Fremdfirma über die handwerkli-che Kompetenz hinaus gemäß § 15
Ge-fahrstoffverordnung in Verbindung mit Nr. 3.3 Abs. 1 TRGS 529 in
der Handhabung des Gefahrstoffes Biogas fachkundig und erfahren
ist.
Hierzu sollte der Auftraggeber folgende Nachweise
einfordern:
▪ Gefährdungsbeurteilung für das Ar-beitsverfahren,
▪ Referenzliste, ▪ Nachweise über die Qualifikation der
ausführenden Personen.
Vor der Aufnahme der Arbeiten muss der Auftraggeber einen
Vertreter der Fremdfir-ma in die anlagenspezifischen Gefähr-dungen,
Gegebenheiten und Schutzmaß-nahmen einweisen. Dazu gehören:
▪ Status des Arbeitssystems (z. B. getrof-fene Absperrmaßnahmen
für Gas/Subs-trat, Zeitpunkt der Unterbrechung der Fütterung,
Behälter entleert, belüftet und freigemessen, Außerbetriebnahme von
elektrischen Anlagen und Betriebs-mitteln),
▪ Art, Lage und Ausdehnung von Ex-Zo-nen und Schutzabständen
(Brand-schutz),
▪ Anforderungen aus dem Explosions-schutzdokument und der
Brandschutz-ordnung, die bei der Arbeitsausführung zu beachten
sind,
▪ Betretungsverbote, zulässige Fahrwege und Aufstellflächen für
Fahrzeuge,
▪ Notfallinfrastruktur (z.B. Rettungskette,
Erste-Hilfe-Ausrüstung, Sammelpunkt, anwesende Ersthelfer, Lagerort
für spe-zielle Rettungsausrüstung).
Bei der Einweisung gilt: Je komplexer und gefährlicher das
Arbeitssystem bzw. das Arbeitsverfahren ist, desto umfangreicher
muss die Einweisung – insbesondere in den Status des Arbeitssystems
– ausfal-len. Die beauftragte Fremdfirma muss für das
Arbeitsverfahren eine Gefährdungs-beurteilung erarbeiten. Sie muss
stets auf den Einzelfall zugeschnitten sein.
Gefährdungena) durch Brand und Explosion sowie durch Inhalation
von BiogasKönnen die Gefährdungen durch Außer-betriebnahme,
Entleeren, Lüften und Frei-messen des gesamten Arbeitssystems nicht
beseitigt werden, ist zu berücksich-tigen: Instandhaltungsarbeiten
an Biogas führenden Anlagenteilen von Biogasanla-gen fallen in den
Anwendungsbereich der TRBS 1112 Teil 1 „Explosionsgefährdungen bei
und durch Instandhaltungsarbeiten“.
13
mensch & arbeit
etem 05.2015
-
In die Gefährdungsbeurteilung gehören bei Anwendung dieser TRBS
schon vor der Arbeitsaufnahme folgende Maßnahmen:
▪ Eine zuverlässige, mit dem Arbeitsver-fahren, den dabei
auftretenden Explosi-onsgefährdungen und den erforderli-chen
Schutzmaßnahmen vertraute Per-son muss als Aufsichtführender
beauf-tragt werden.
▪ Zeitlich begrenzte Explosionsschutz-maßnahmen für den
gefährdeten Be-reich sind unverzichtbar, wo aufgrund der örtlichen
Gegebenheiten, ihrer Ein-richtungen oder der in ihnen befindli-chen
bzw. eingebrachten Stoffe, Zube-reitungen oder Verunreinigungen im
Rahmen von Instandhaltungsarbeiten zusätzliche Explosionsgefahren
entste-hen können. Die TRBS enthält Vorschlä-ge für
Schutzmaßnahmen.
▪ Es muss ein Freigabeverfahren entwi-ckelt werden, durch das
der Aufsicht-führende schriftlich festhält, ob die fest-gelegten
Schutzmaßnahmen umgesetzt und wirksam sind.
Bei Erstickungs- oder Vergiftungsgefähr-dung durch freigesetztes
Biogas dürfen als Atemschutz ausschließlich Isolierge-räte
eingesetzt werden (z. B. Frischluft- Druckschlauchgerät). Für den
Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen müssen diese
entsprechend geeignet sein.
b) durch AbsturzKönnen die beauftragten Monteure fest
installierte Absturzsicherungen für höher-gelegene Arbeitsplätze
nicht nutzen, sind individuelle Maßnahmen erforderlich. Be-vorzugt
sind z. B. Gerüste oder Arbeits-bühnen zu verwenden (s. Abbildung
1). Nur wenn dies nicht möglich ist, darf eine individuell
zusammengestellte PSA gegen Absturz verwendet werden.
Der Anschlagpunkt muss geeignet sein und eine Last von 12 kN pro
Person tra-
gen. Das Anschlagen von Personen an ei-nem Kranhaken ist
grundsätzlich nicht zu-lässig. Bei Arbeiten auf Behältern muss
zudem sichergestellt sein, dass das Gas-speichersystem und die ggf.
darunter lie-gende Unterkonstruktion (z. B. Holzde-cke) begehbar
sind. Folien können im Laufe der Zeit die erforderliche Festigkeit
verlieren. Grundsätzlich sollte vorab der Hersteller befragt
werden. Vor dem Betre-ten muss immer eine Belastungsprobe
stattfinden. Im Zweifel darf man die Folie nicht begehen.
c) durch organisatorische Mängel (hier: Personenrettung)Im
Vorfeld der anstehenden Arbeit ist das Unternehmen verpflichtet,
ein Personen-rettungskonzept auszuarbeiten. Vor allem muss
gewährleistet sein, dass ein Notruf zügig abgesetzt werden kann.
Sind die In-standhalter selbst – wie im oben be-schriebenen
Unfallbeispiel – nicht dazu in der Lage, muss ein Sicherungsposten,
der ständige Ruf- oder Sichtverbindung hält, abgestellt werden.
Die im Arbeitssystem befindlichen Be-schäftigten müssen aus
jeder infrage kommenden Situation gerettet werden können. Hierfür
ist geeignetes Rettungs-gerät notwendig, dessen Verwendung von
allen Beteiligten zuvor trainiert werden muss. Sollen Einsatzkräfte
die Personen-rettung vornehmen, müssen sie im Vor-feld hinreichende
Informationen über das Arbeitssystem, das Arbeitsverfahren und die
bestehenden Gefährdungen erhalten.
d) Zusammenarbeit und gegenseitige Gefährdung Wird das
beauftragte Fremdunternehmen bei den Instandhaltungsarbeiten
durch
Subunternehmer oder durch Personal des Biogasanlagenbetreibers
unterstützt bzw. ist eine gegenseitige Gefährdung mög-lich, ist
darüber hinaus Folgendes zu be-achten:
▪ Die jeweiligen Gefährdungsbeurteilun-gen und Schutzmaßnahmen
müssen aufeinander abgestimmt werden.
▪ Bei erhöhter Gefährdung von Beschäf-tigten anderer Arbeitgeber
ist durch ei-nen der beteiligten Arbeitgeber ein Ko-ordinator mit
Weisungsbefugnis gegen-über allen Beschäftigten schriftlich zu
bestellen. Der Koordinator hat sämtli-che Tätigkeiten, die sich
räumlich und zeitlich überschneiden können, aufein-ander
abzustimmen.
Fazit: Der Schlüssel zu mehr Sicherheit in Biogasanlagen liegt
in einem umfassen-den Schutzmaßnahmenkonzept. Nur so kann der
Arbeitgeber angemessen der durch die neue
Betriebssicherheitsver-ordnung verstärkt betonten Aufforderung
nachkommen, Instandhaltungsarbeiten sicher durchzuführen. Ines
Burchardt, Dirk Pachurka
→ infoDiese Informationen erhalten Sie unter www.bgetem.de:
▪ Betriebssicherheitsverordnung ▪ Gefahrstoffverordnung
www.baua.de: ▪ TRBS 1112 - Teil 1 „Explosionsgefährdun-gen bei
und durch Instandhaltungsar-beiten“
▪ TRGS 529 „Tätigkeiten bei der Herstel-lung von Biogas“
www.dguv.de, Webcode 2339836: ▪ DGUV Regel 112-199 „Retten aus
Höhen und Tiefen mit persönlichen Absturz-schutzausrüstungen“
Abb. 2: Für Repara-turarbeiten an Bio-gasanlagen werden
teilweise Kunststoff-platten verwendet.
Abb. 1: Für höher gelegene Arbeitsplätze, für die keine
festinstallierten Absturzsicherungen zur Verfügung stehen, sind
bevorzugt Gerüste oder Arbeitsbühnen zu verwenden.
Foto
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14 etem 05.2015
http://etf.bgetem.de/htdocs/r30/vc_shop/bilder/firma53/gv04_a08-2015.pdfhttp://etf.bgetem.de/htdocs/r30/vc_shop/bilder/firma53/gv12_a06-2015.pdfhttp://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Anlagen-und-Betriebssicherheit/TRBS/TRBS-1112-Teil-1_content.htmlhttp://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/TRGS-529_content.htmlhttp://publikationen.dguv.de/dguv/udt_dguv_main.aspx?FDOCUID=23977
-
Im Norden und Westen Deutschlands kommt bald anderes Gas aus der
Leitung. Die Netzbetreiber stellen schritt-weise von L-Erdgas mit
niedrigem Energieinhalt auf H-Erdgas mit hohem Energieinhalt um.
H-Erdgas wird bereits seit Jahren in Deutschland erfolgreich in der
Gasversorgung mit einer sehr hohen Versorgungssicherheit verteilt.
Die Markt-raumumstellung hat bereits begonnen und dauert
voraussichtlich bis 2030. Das hat unter Umständen Auswirkungen auf
den Betrieb der Gasanlagen.
Für Endkunden bedeutet das: Die häus-lichen, gewerblichen und
industriellen Gasgeräte und Gasanlagen (z. B.
Thermo-prozessanlagen) müssen an das neue Gas angepasst werden.
Hierzu wird der L-Gas-Netzbetreiber frühzeitig auf die Gaskunden
zugehen. Fachleute gehen da-von aus, dass etwa fünf Millionen
Gasge-räte betroffen sind. Wann die einzelnen Netzgebiete
umgestellt werden, ist im je-weils aktuellen Netzentwicklungsplan
(NEP) Gas der Fernleitungsnetzbetreiber einzusehen.
Folgen der UmstellungDie geänderte Gaszusammensetzung kann für
Anlagen auf Werksgeländen z. B. folgende Konsequenzen haben. Darauf
müssen die Betreiber entsprechend re-agieren.
▪ Bei fest eingestelltem Luft-Brenn-stoff-Verhältnis ergibt sich
nach der Netzumstellung durch die erhöhte Energiezufuhr mit dem
H-Erdgas eine unvollständige Verbrennung (erhöhte
Kohlenstoffmonoxid-Bildung), durch die es zur thermischen
Überlastung des Brenners kommen kann.
▪ Unter Umständen können Brenner nicht mehr richtig betrieben
werden (z. B. Flachflammenbrenner), was zu Schäden am Produkt
führen kann.
Der Betreiber von Gasgeräten/-anlagen auf Werksgelände sollte
sich an seinen Netzbetreiber wenden, um nähere Infor-
In den nächsten Jahren wird in vielen Netzgebieten von L- auf
H-Erdgas umgestellt. Erdgasanlagen müssen daran angepasst
werden.
Gasumstellung
Anlagen sicher anpassen
mationen zum Prozess der Marktraumum-stellung inkl.
Gasgeräte-/-anlagenanpas-sung zu erhalten. Folgende Fragen sollten
hierbei geklärt werden:
▪ Zeitpunkt der Netzumstellung des Netz-betreibers;
▪ Ablauf und Durchführung der Anpas-sung der Gasgeräte/-anlagen
auf Werks-gelände: 1. Bestandserfassung aller Gasgerä-
te/-anlagen;2. Anpassung der Gasgeräte/-anlagen;3.
Qualitätsüberprüfung der durchge-
führten Maßnahmen an den Gasgerä-ten/Anlagen.
Für die Anpassung seiner Gasanlagen, die nicht Standardgeräten
beziehungs-weise -anlagen (z. B. Thermoprozessan- lagen)
entsprechen, kann der Betreiber auf sein eigenes qualifiziertes
Fachperso-nal zurückgreifen. Alternativ kann er sich an den
Anlagenhersteller oder speziali-sierte Fachfirmen – z. B.
zertifiziert nach DVGW G 676-B1 (A) – wenden.
Dr. Maik Dapper (DVGW), Dr. Albert Seemann
→ infowww.dvgw.de/gas/marktraumumstellung
L-Gasgebiete in Deutschland am 1. Januar 2015.
mensch & arbeit
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etem 05.2015
http://www.dvgw.de/gas/marktraumumstellung
-
? Herr Peters, Herr Petermann, die Elek-trohandwerke sind eine
gefahrengeneigte Tätigkeit. In welchen Bereichen treten die meisten
Unfälle auf?Gerd Peters: Klassische Gefahren lauern natürlich beim
Umgang mit Strom. Das haben die Betriebe aber insgesamt gut im
Griff. Ein Großteil der Unfälle im Elektro- handwerk passiert bei
den Fahrten zur Baustelle. Diese sogenannten Dienst- wegeunfälle
sind in rund 40 Prozent der Fälle die Ursache für eine Verletzung.
Hervorgerufen werden sie nicht nur durch Fehlverhalten im
Straßenverkehr, sondern auch durch eine mangelhafte Sicherung der
Ladung.Olaf Petermann: Bei der Montage von Photovoltaikanlagen
kommt es leider immer wieder zu Absturzunfällen mit schweren
Verletzungen. Aber auch Leiter- unfälle können schwere Verletzungen
verursachen. So führen Sprunggelenks-brüche und ähnliche Frakturen
meistens zu langen Ausfallzeiten und zu lebens- langen Renten.
? Was unternimmt die BG ETEM, um solche Unfälle zu
verhindern?Olaf Petermann: Wir legen ein besonde-res Augenmerk auf
die Prävention, denn jeder Unfall ist einer zu viel. Neben den
menschlichen Schicksalen spielen auch wirtschaftliche Faktoren eine
Rolle: Alles, was im Vorfeld verhindert werden kann, muss später
nicht entschädigt werden. Viele Unternehmen wissen, dass
Investi-tionen in den Arbeitsschutz unter dem Strich Gewinn
bringen, auch wenn sich dies in Bilanzen oft nicht unmittelbar
dar-stellen lässt. Deshalb unterstützen wir Unternehmen durch
persönliche Beratung, ein breites Informations- und
Schulungs-angebot sowie Forschung und dem Test von Maschinen.Gerd
Peters: Die Berufsgenossenschaft hat vor rund 15 Jahren das
Unternehmer-
modell eingeführt. Es basiert auf der Erkenntnis, dass in
kleineren und mitt- leren Betrieben mit bis zu 50 Beschäftig-ten
keine eigenen Sicherheitsexperten tätig sind und der Arbeits- und
Gesund-heitsschutz dadurch wesentlich vom Chef abhängt. Seitens der
BG ETEM und in Kooperation mit den Landesinnungs-verbänden werden
diese Unternehmer geschult, damit sie die entsprechenden
Vorkehrungen treffen können.
?Wie viele Unternehmer haben diese Schulungen bisher
besucht?Olaf Petermann: Gut 70 Prozent aller infrage kommenden
E-Handwerks- unternehmen haben bereits daran teilgenommen. Zunächst
gibt es einen Grundlehrgang, später folgt dann der Aufbaukurs, der
das relevante Wissen weiter vertieft. Es geht vor allem darum,
schwere Unfälle zu verhindern. Sie machen zwar glücklicherweise nur
etwa ein Fünftel aller Unfälle aus, verursachen dabei aber 80
Prozent
der gesamten Unfallkosten in der Branche.
?Wie haben sich die Unfallzahlen in den vergangenen Jahren
entwickelt?Gerd Peters: In den vergangenen 20 Jah-ren ist die Zahl
der Unfälle – nicht zu-letzt dank des Unternehmermodells – um rund
ein Drittel zurückgegangen. Das freut uns und zeigt zugleich: Die
Sensibi-lität für das Thema Prävention nimmt stetig zu. Die Meister
sind mehr und mehr darauf geschult, das Gefährdungs-potenzial eines
Arbeitsplatzes zu be- urteilen und die entsprechenden Schutz- und
Sicherheitsvorkehrungen für sich und ihre Mitarbeiter zu
treffen.
?Wenn die Unfallzahlen sinken, müss-ten doch konsequenterweise
auch die Beiträge sinken, die die Betriebe an die BG ETEM
entrichten, oder?Olaf Petermann: Genau das ist aktuell auch der
Fall. Wir haben den Beitragsfuß und damit den Beitrag in den
vergan-
Gefährdungen im Elektrohandwerk
„Jeder Unfall ist einer zu viel“Wo lauern in den E-Handwerken
Gefahren und welche Unterstützung leistet die BG ETEM? Olaf
Petermann, Vorsitzender der Geschäftsführung, und BG ETEM- und
ZVEH-Vorstandsmitglied Gerd Peters im Gespräch.
Gerd Peters und Olaf Petermann wissen um die Bedeutung des
präventiven Arbeitschutzes, wenn es darum geht, Unfallzahlen
nachhaltig zu senken.
betrieb & praxis
16 etem 05.2015
-
Foto
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schutzes extern überprüfen und zertifi- zieren. Wir wollen
Kleinbetriebe durch standardisierte Selbstchecks in die Lage
versetzen, ihr Arbeitsschutzmanagement auf ein Top-Level zu
bringen. Ziel ist, dass sie auf diese Weise alle Kriterien
erfüllen, die ein Auftraggeber von ihnen bei Aus-schreibungen
verlangt. Wir arbeiten im Moment daran, dass dieser Selbstcheck die
gleiche Akzeptanz erfährt wie ein externes Zertifikat, das
natürlich mit deutlich höheren Kosten verbunden ist.Olaf Petermann:
Wir hoffen, dass die Akzeptanz für diese Selbstchecks in der
Industrie weiter wächst. Von den Energie-versorgern gibt es bereits
positive Signale. Da setzen wir auf den Schneeballeffekt: Wenn ein
Unternehmen mit dem über Selbstchecks belegten Arbeitsschutz-
managementsystem einverstanden ist und es in der Ausschreibung
zulässt, werden die anderen über kurz oder lang nachziehen.
Gespräch: Christian Sprotte (BG ETEM) und Jan Voosen (ZVEH)
genen fünf Jahren fünfmal hintereinander gesenkt. Gerd Peters:
Den Erfolg, den die Betriebe durch rückläufige Unfallzahlen
erzielen, gibt die BG ETEM über Beitragsreduzie-rungen gerne
weiter. Sollten allerdings die Unfallzahlen irgendwann doch wieder
ansteigen – was wir nicht hoffen –, muss man umgekehrt auch wieder
damit rechnen, dass die Beiträge angehoben werden.
? Was unternimmt die BG ETEM, um die Beiträge möglichst gering
zu halten?Gerd Peters: Je qualifizierter Verletzte nach einem
Unfall medizinisch betreut werden, desto eher können sie auch
wie-der arbeiten. Das spart Entschädigungs-leistungen und wirkt
sich letztlich auch positiv auf die Beiträge aus. Deswegen greift
die Berufsgenossenschaft sehr frühzeitig in das Heilverfahren ein,
statt nur Rechnungen zu bezahlen.Olaf Petermann: Dadurch, dass wir
quasi schon am Krankenbett eingreifen, ist es
Gerd Peters, Vorstandsmitglied der BG ETEM und des
Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen
Handwerke (ZVEH)
Olaf Petermann, Vorsitzender der Geschäftsführung der BG
ETEM
auch in mehr Fällen als früher möglich, dass der Verletzte an
seinen ursprüng- lichen Arbeitsplatz zurückkehren kann. So ist es
gelungen, die Zahl der Um- schulungen zu reduzieren. Nur zum
Vergleich: Eine Umschulung kostet rund 350.000 Euro, während der
Aufwand für den Erhalt des Arbeitsplatzes mit den entsprechenden
Hilfsmitteln nur etwa 40.000 Euro beträgt. Hier zeigt sich auch
eine der großen Stärken des berufsge-nossenschaftlichen Systems:
Während die Krankenkassen nur darauf schauen, dass der Betroffene
wieder gesund und arbeitsfähig wird, sorgt die
Berufsgenos-senschaft dafür, dass er – wann immer es möglich ist –
an den vorherigen Arbeits-platz zurückkehren kann.
?Seit etwa einem Jahr treiben Sie ein weiteres Projekt zum
Arbeitsschutz- management voran. Was verbirgt sich dahinter?Gerd
Peters: Viele große Unternehmen lassen die Organisation ihres
Arbeits-
betrieb & praxis
17etem 05.2015
-
Unfallprävention bei der Photovoltaikanlagen-Montage
Sonnige Aussichten?Die Solarenergie gehört zu den
Hoffnungsträgern für eine umweltfreundliche Stromversorgung. Trotz
der großen Zahl neu installierter Photovoltaikanlagen im
vergangenen Jahrzehnt kommt es bei ihrer Montage und Wartung immer
noch zu Unfällen – die vermeidbar sind.
Wie ein Lichtband leuchtet an sonnigen Tagen die aus 200.000
Solarzellen bestehende Photovoltaikanlage am Bremer
Weserstadion.
betrieb & praxis
18 etem 05.2015
-
Extrem beeindruckt“ war Christoph Ipe, als er Anfang des Jahres
mit seinem Sohn vor der Spielstätte des Fußball-Bun-desligisten
Werder Bremen stand. Der Präventionsexperte der BG ETEM bewun-derte
nicht nur die Atmosphäre im Pulk der vielen grün-weiß gekleideten
Fans. Auch die speziell verglaste Stadionfassa-de zog Ipe,
Fußballfan und Schiedsrichter im Amateurbereich, in den Bann.
Wie ein Lichtband strahlt die Außen-haut der Süd- und Osttribüne
des Weserstadions an sonnigen Tagen. Un-kundige könnten die
Heimspielstätte von Werder Bremen dann für eine gigantische Anlage
zur Gewinnung von Solarenergie halten. Tatsächlich nutzten die
Bremer Weserstadion GmbH und der Fußball-Tra-ditionsverein den Um-
und Ausbau des Stadions in den Jahren 2008 bis 2011, um mit den
Energieversorgern EWE und swb eine kostensparende und zugleich
zu-kunftsweisende Energieversorgung für das Weserstadion
sicherzustellen.
Herzstück des Energiekonzepts für das „sonnige Weserstadion“ ist
eine in die Fas-sade und das Dach integrierte Photovol-taikanlage
(PV-Anlage) mit einer Leistung von bis zu 1 Million kwh pro Jahr.
Das reicht aus, um etwa 300 Haushalte ganzjährig mit Energie zu
versorgen. Erzeugt wird die Strommenge von 200.000 Solarzellen, die
auf einer Fläche von 16.000 Quadratme-tern an der Außenwand des
Stadions ins-talliert sind. Das entspricht der Größe von zwei
Fußballfeldern. Die Umwelt wird da-durch jährlich um den Ausstoß
von etwa 400 bis 500 Tonnen CO2 entlastet. Zugleich übernimmt die
PV-Anlage eine Dachfunkti-on als Regen- oder Sonnenschutz.
1,5 Millionen PhotovoltaikanlagenWährend am Weserstadion die
Wartung der PV-Anlage ohne größeren Aufwand und weitgehend
gefahrlos möglich ist, er-eignen sich bundesweit bei der Montage
und Instandhaltung von Solarzellen im-mer noch viele Unfälle. Und
das, obwohl hierzulande inzwischen mehr als 1,5 Milli-onen
PV-Anlagen mit einer Gesamtleis-tung von etwa 25 Terawattstunden
vor al-lem auf Dächern installiert wurden.
Ein typisches Beispiel: Drei Männer montieren eine PV-Anlage auf
dem Dach eines Gehöfts in Westfalen. Plötzlich bre-chen zwei der
Männer gleichzeitig in das Dach ein, stürzen ab und verletzen sich
schwer. Nur durch einen glücklichen Zu-fall kann der dritte Kollege
das Dach über
eine Leiter verlassen und Erste Hilfe her-beirufen. Um den
Gefahren bei der Mon-tage und Instandhaltung von PV-Anlagen
nachhaltig zu begegnen, haben Experten für Arbeitssicherheit jetzt
die DGUV Infor-mation 203-080 entwickelt (siehe auch S. 20). Sie
hilft bei der Beurteilung der Ge-fährdungen und gibt wichtige
Hinweise für die Auswahl der notwendigen Maß-nahmen. Bei der
Intersolar Europe, der größten Messe für die Solarindustrie in
Deutschland in München, fand die neue DGUV Information Mitte Juni
am Stand der BG ETEM bereits reißenden Absatz. Wie in jedem Jahr
standen die BG-Mitarbeiterin-nen und -Mitarbeiter dem fachkundigen
Publikum für viele Fragen rund um die Ge-fährdungen bei Montage und
Wartung von PV-Anlagen zur Verfügung.
Die größte Gefährdung bei der Installati-on einer Solaranlage
besteht im Absturzri-siko, weil die beauftragten Monteure im
Re-gelfall die Dachfläche begehen müssen. Die Gefährdungen beginnen
jedoch nicht erst bei der Montage der Solarmodule, son-dern schon
beim Erstellen des Aufmaßes auf dem Dach. Hier besteht die Gefahr
des Abrutschens und Absturzes von geneigten Dächern – bei
Flachdächern mit einer Nei-gung bis max. 20 Grad nur in einem
Ab-stand von bis zu zwei Metern von der Dach-kante; auf Dächern mit
mehr als 20 Grad Neigung besteht auf dem gesamten Dach die Gefahr
des Abrutschens oder -sturzes. Zudem drohen auf Flachdächern auch
Stür-ze durch nicht tragfähige Lichtkuppeln.
Die meisten Unfälle ereignen sich nach Erfahrung der
BG-Experten, weil die mit der Montage beauftragten Beschäftigten
nicht ausreichend für ihre Tätigkeit ge-schult bzw. nicht dafür
geeignet sind.
Organisatorische MaßnahmenDer Auftragnehmer/Montagebetrieb muss
vor der Installation einer Photovoltaikan-lage eine Reihe
organisatorischer Maß-nahmen beachten: 1. Bei der Angebotsabgabe
sind die erfor-
derlichen Absturzsicherungen zu be-rücksichtigen.
2. Der Kunde (Auftraggeber) muss von der Notwendigkeit der
Schutzmaßnahmen als Bestandteil des Angebots über-zeugt werden. Die
gesetzlichen und ar-beitsschutzrechtlichen Anforderungen an die
Montage einer PV-Anlage müs-sen dem Auftraggeber bekannt sein.
3. Die notwendigen Schutzmaßnahmen und der Arbeitsablauf müssen
in einer Montageanweisung festgelegt werden.
4. Der verantwortliche Montageleiter vor Ort muss schriftlich
beauftragt werden. Er muss auch während der Ausführung der Arbeiten
für alle wichtigen Fragen zur Verfügung stehen.
5. Der Auftragnehmer muss einen Koordi-nator benennen oder dies
veranlassen, für die Ausführung der elektrotechni-schen Arbeiten
eine Elektrofachkraft.
6. Alle Mitarbeiter vor Ort müssen durch den Bauleiter
unterwiesen und über die Arbeitsabläufe informiert werden.
7. Für Not- und Rettungsfälle muss eine Rettungskette erstellt
werden. Das gilt besonders für die Rettung von Perso-nen an hoch
gelegenen Arbeitsplätzen.
→ infoDie DGUV-Information 203-080 kann unter
publikationen.dguv.de als pdf-Datei heruntergeladen werden.
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Alles Gute kommt von oben: Nach diesem Motto kommt in Bremen
Sonnenenergie vom Dach und der Außenwand des Weserstadions –
insgesamt etwa 1 Million Kilowattstunden pro Jahr.
betrieb & praxis
19etem 05.2015
http://publikationen.dguv.de/dguv/udt_dguv_main.aspx?FDOCUID=26309
-
?Warum wurde die neue DGUV Informa-tion 203-080
entwickelt?Pechoc: Wir hatten trotz vieler Bemühun-gen auch in
jüngster Zeit noch ein erheb-liches Unfallgeschehen. Bei
Dachdeckern waren vor allem elektrische Unfälle zu verzeichnen, bei
Elektrikern Abstürze oder Stürze durch nicht tragfähige Dä-cher.
Wir wollen mit der neuen DGUV In-formation vor allem diese beiden
Ziel-gruppen erreichen, denn Absturz und Durchsturz sowie
elektrische Gefährdun-gen sind die Hauptunfallursachen bei der
Montage und Instandhaltung von Photo-voltaikanlagen (PV-Anlagen).
Hierfür ge-ben wir zahlreiche Tipps.Ein Beispiel aus der Praxis:
Die PV-Anlage auf einem Dach muss gereinigt oder ein Modul muss
ersetzt werden. Als Experte fragt man sich bei der Einschätzung der
dann nötigen Arbeiten auf dem Dach schon, wie die beauftragten
Monteure ohne Platz zum Treten an dieses Modul herankommen
wollen.
?Wo liegt künftig Ihr Hauptaugenmerk: Bei der Neuinstallation
oder bei der In-standhaltung von PV-Anlagen?Der große PV-Boom ist
zwar schon vorbei, aber die Modulflächen müssen auch künf-tig
regelmäßig gereinigt werden, weil die Ablagerungen durch die
Luftverschmut-zung den Ertrag mindern. Zudem müssen defekte Module
ausgetauscht werden. Auch dafür gibt die Information Tipps.
?Was sind die Gründe dafür, dass es häufig zu Unfällen kommt?Die
Absturzsicherungen werden häufig nicht rundum aufgebaut. Man
vergisst oft
Neue DGUV Information 203-080
Hilfe für mehr HaltObwohl die Zahl neu installierter
Photovoltaikanlagen rückläufig ist, kommt es bei Montage und
Instandhal-tung in diesem Bereich noch zu vielen Unfällen. Die neue
DGUV Information 203-080 will Abstürzen und elektrischen
Gefährdungen vorbeugen. „etem“ sprach dazu mit BG
ETEM-Fachgebietsleiter Wolfgang Pechoc.
den Schutz an den Seiten. Außerdem müssen an den Stellen, wo die
Module aufs Dach gebracht werden, für Dachde-ckerschrägaufzüge die
Fangnetze entfernt werden. Da kommt es dann leider immer wieder zu
Abstürzen, weil die PSA gegen Absturz nicht verwendet wird.Auf
großen Dachflächen, z. B. auf Scheu-nen, werden auch oft mehrere
Meter lan-ge Metallkonstruktionsteile transportiert. Dann besteht
die Gefahr, dass Monteure die Freileitungen in der Umgebung
berüh-ren oder ihnen zu nahe kommen. Darauf muss der für die
Unterweisung zuständi-ge Mitarbeiter achten.
?Warum kommt es trotz Fachkenntnis vieler Firmen zu Unfällen?Zum
Beispiel, weil der Schutz gegen Ab-sturz oft nicht vollständig ist.
Darum soll-te ein Auftragnehmer, also das beauftrag-te
Montageunternehmen, den Auftragge-ber einer PV-Anlage schon im
Vorfeld der geplanten Arbeiten darauf hinweisen, dass Schutz gegen
Absturz zwingender Bestandteil der Arbeiten ist. Bei Dächern mit
geringer Neigung wird aber teilweise völlig auf eine
Absturzsicherung ver- zichtet, weil die Absturzgefährdungen
unterschätzt werden.
?Warum wurden die fünf Sicherheitsre-geln für Arbeiten mit
elektrischem Strom für die Arbeiten mit PV-Anlagen neu
formuliert?Die klassischen fünf Sicherheitsregeln aus der
Wechselspannung sind deshalb nicht einfach anzuwenden, weil man die
Spannung, die vor den PV-Modulen an-steht, nicht einfach abschalten
kann. Spannungsfrei ist die Anlage nur, wenn kein Tageslicht
darauffällt. Selbst bei bedecktem Himmel besteht aber immer noch
eine elektrische Gefährdung.
?Neben Absturz und elektrischen Gefährdungen benennt die neue
DGUV Information weitere Gefahren, z. B. den Materialtransport aufs
Dach. Welche Risiken bestehen hier? Der Transport von Modulen durch
das Haus, z. B. durch den Dachdeckeraus-stieg, ist oft wegen der
Größe nicht mög-lich. Meist bleibt dann nur der Kran oder ein
Treppenaufgang an der Seite des Hauses. Dann muss man die Module
auf dem Rücken tragen, was auch nicht ohne Weiteres möglich ist.
Generell gilt: Der Transport aufs Dach ist gut zu planen.
?Auch die Gefährdung durch Asbest wird in der DGUV Information
benannt. Ist das immer noch ein Thema? Ja. Auf Dächern, die mit
Asbestzement-produkten gedeckt sind, dürfen keine PV-Anlagen
errichtet werden, weil in As-bestplatten keine Löcher gebohrt
werden dürfen. Denn dann wird Asbest freige-setzt – eine Gefahr für
die Monteure.
Wolfgang Pechoc ist Fachgebietsleiter Elektrische Gefähr-dungen
bei der BG ETEM und war an der Erstellung der DGUV Infor-mation
203-080 beteiligt.
Die DGUV Infor-mation 203-080 kann unter pub-likationen.dguv.de
als pdf-Datei heruntergeladen werden. Fo
to: B
G E
TEM
betrieb & praxis
20 etem 05.2015
http://publikationen.dguv.de/dguv/udt_dguv_main.aspx?FDOCUID=26309
-
Ergonomische Verbesserung bei Montagetätigkeiten
Einfach, aber effektivWird die Ergonomie am Arbeitsplatz
vernachlässigt, können vielfältige Beschwerden entstehen. Dabei
reichen oft einfache Mittel, um nachhaltige Effekte zu
erzielen.
V iele Arbeitsplätze werden ergonomi-schen Anforderungen nur
unzurei-chend gerecht: Eine Erkenntnis, die deut-lich wird, sobald
Arbeitssyste-me analysiert werden, und die für alle Branchen und
Unterneh-mensgrößen gilt. Aus ergonomi-schen Mängeln resultieren
zahl-reiche Probleme, zum Beispiel Be-schwerden und Erkrankungen
des Muskel-Skelett-Systems, die von den Ver-
rechte Arbeitsgestaltung arbeitsbezogene Rückenbeschwerden zu
verhindern“. Im Rahmen des Projekts wurden in Modell-betrieben
verschiedener Branchen
▪ mithilfe eines objektiven Bewertungs-systems typische
Belastungssituationen ermittelt,
▪ unter Berücksichtigung des Kostenfaktors Lösungen aufgezeigt
und umgesetzt, die auch auf andere Unternehmen über-tragbar
sind,
▪ sowie deren Wirksamkeit nachgewiesen.Dabei hat die BG ETEM
gezielt Unterneh-men des Mittelstandes ausgewählt, die in der Regel
nicht über Personal verfügen, welches speziell in ergonomischer
Arbeits- systemgestaltung geschult ist. Stattdessen wurden
betriebliche Vertreter im Umgang mit dem erwähnten
Bewertungssystem
Zusammenbau von Lagerschild und Rotor bei der
Elektromotor-Montage
antwortlichen im Unternehmen durchaus erkannt werden. Oftmals
mangelt es je-
doch daran, konkrete Ursachen zu ermitteln sowie geeignete
Prä-ventionsmaßnahmen abzuleiten und umzusetzen.An dieser Stelle
setzt das Projekt LUMBAR an: Die Abkürzung steht für „Langfristiges
Kon-
zept in Unternehmen des Mittelstandes der BG ETEM, um durch
gesundheitsge-
betrieb & praxis
21etem 05.2015
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Bewertungsstufen 1 2 3 4 5 6 7
Physische Belastungen
Körperhaltung
Körperbewegung
Lastenhandhabung
Dynamische Muskelarbeit
Manuelle Arbeitsprozesse
Bewertungsstufen 1 2 3 4 5 6 7
Physische Belastungen
Körperhaltung
Körperbewegung
Lastenhandhabung
Dynamische Muskelarbeit
Manuelle Arbeitsprozesse
geschult. Damit sind sie in der Lage, den kontinuierlichen
Verbesserungspro-zess auch nach Ablauf der Projektzeit
selbstständig fortzuführen.
LUMBAR in der Metall- und ElektroindustrieIn der Branche Metall-
und Elektroindus- trie wurde ein Unternehmen mit Hauptsitz im
nordrhein-westfälischen Oerlinghausen begleitet. In den drei
Geschäftsbereichen Antriebstechnik, Gerätetechnik und
Ver-stelltechnik entwickelt und fertigt der Betrieb Produkte für
Hausgeräte-Industrie und Medizintechnik, Prozess- und
Förder-technik, Maschinenbau, Textil- und Möbel- industrie.
Im ersten Schritt wurde die bisherige Arbeitssystemgestaltung im
Unternehmen untersucht. Auf dieser Grundlage konnten potenzielle
arbeitsbedingte Überbelas-tungen des Muskel-Skelett- sowie des
Herz- Kreislauf-Systems identifiziert werden. Bei der Erhebung
wurden die Belastungs-situationen für die Beschäftigten
ganz-heitlich bewertet, und zwar mit dem Verfahren des
Belastungs-Dokumentations- Systems (BDS). Es basiert auf verschie-
denen objektiven Bewertungsverfahren, wie den Leitmerkmalmethoden
zur Ge-fährdungsanalyse. Das Institut für Arbeits- medizin,
Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) hat das BDS seit Mitte der
1970er- Jahre bis heute stetig fortentwickelt. Ziel
ist es, mithilfe des Systems Gestaltungs-maßnahmen für eine
verbesserte Ergono-mie zu entwickeln. Um sicherzustellen, dass
diese korrekt angewendet, interpre-tiert und abgeleitet werden,
wurden im untersuchten Unternehmen betriebliche Fachkräfte
entsprechend qualifiziert.
Vorher-Nachher-Vergleiche der Belas-tungsprofile verdeutlichen
die arbeitswis-senschaftlichen Effekte der Gestaltungs-maßnahmen.
Die Ergebnisse werden in einem Ampelsystem dargestellt: Grün sind
diejenigen Arbeitsbelastungen, bei denen eine Gesundheitsgefahr
durch eine Überbelastung nicht zu erwarten ist. Gelb bezeichnet den
Grenzbereich, der kritisch sein kann, in der Regel aber aus-führbar
ist (Dauerleistungsgrenze). Rot bedeutet, dass eine Überbelastung
wahr-scheinlich ist und diese Tätigkeit zumin-dest nicht lang
andauernd und langfristig ausgeübt werden kann. An dieser Dar-
stellung ist einfach ablesbar, ob ein Arbeitssystem mit
unvertretbaren Ar-beitsbelastungen für die Beschäftigten einhergeht
oder nicht.
GestaltungslösungenBei der Herstellung von Spindelantrieben
werden verschiedene Komponenten benö-tigt, wie Getriebe, Anker,
Kondensatoren und Gehäuse. Beschäftigte mussten diese in großen
Transportkisten zur Fertigungs-insel tragen und auf Zwischenböden
der
Fertigungstische in Höhe von 15 bis 30 cm abstellen. Dabei war
es notwendig, dass sie den Oberkörper stark vorbeugten und
gleichzeitig ein Lastgewicht von teilweise über 20 kg hielten.
Diese Kombination von Körperhaltung und Gewicht hat die
Lendenwirbelsäule der Beschäftigten besonders stark beansprucht. In
der Auswertung oben resultierten Bewertungs- stufe 5 (6) bei
Körperhaltung, Stufe 4 (5) bei Lastenhandhabung und Stufe 5 (6) bei
dynamischer Muskelarbeit. Die Zahlen in Klammern beschreiben die
erhöhte Wahr-scheinlichkeit der Überbelastung insbeson- dere
älterer und jüngerer Beschäftigter.
Um das manuelle Heben und Tragen sowie das anschließende
Abstellen mit starker Oberkörperneigung zu vermeiden, hat der
Betrieb einen Bestückungswagen entwickelt, der speziell für die
Abmes- sungen der Fertigungstische und deren Zwischenböden
konstruiert ist. Dadurch reduzierten sich die Belastungen auf die
Stufen 2 (3) bei Körperhaltung, Stufe 1 bei Lastenhandhabung und
Stufe 3 (4) bei dynamischer Muskelarbeit (Abb. rechts oben).
Bei der Fertigstellung der Elektromotoren wurden in einer
Prüfkabine Gehäuseteile verschraubt, Passfedern eingeschlagen und
elektrische Prüfungen durchgeführt. Während dieser Prüfungen
mussten Be-schäftigte über 30 Sekunden lang konti-nuierlich einen
Bildschirm beobachten,
Vermeidung stark geneigter Körperhaltungen bei der
Materialbereit- stellung durch speziell konstruierte
Bestückungswagen
betrieb & praxis
22 etem 05.2015
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Bewertungsstufen 1 2 3 4 5 6 7
Physische Belastungen
Körperhaltung
Körperbewegung
Lastenhandhabung
Dynamische Muskelarbeit
Manuelle Arbeitsprozesse
Bewertungsstufen 1 2 3 4 5 6 7
Physische Belastungen
Körperhaltung
Körperbewegung
Lastenhandhabung
Dynamische Muskelarbeit
Manuelle Arbeitsprozesse
der deutlich über Kopfhöhe angebracht war. Dadurch wurde der
Kopf in statischer Haltung stark überstreckt, woraus sich die
Bewertungsstufe 5 (6) bei der Körperhal-tung ergab.
Der Betrieb hat die Prüfkabine umge-staltet: Nun besteht
ausreichend Platz, um den Flachbildschirm variabel anzu-bringen.
Mit Schnellspannern können Beschäftigte den Bildschirm jeweils auf
ihre Körpergröße anpassen und die Tätig-keit in einer entspannten
Kopfhaltung ausführen. So konnte die Belastung auf die
Bewertungsstufe 2 (3) bei Körperhal-tung verringert werden (Abb.
rechts oben).
Verschiedene AnsätzeMontagetätigkeiten an Fertigungsinseln sind
häufig durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
▪ kurze Zykluszeiten (oftmals deutlich ge-ringer als 30
Sekunden),
▪ hohe Handhabungsfrequenzen beim Montieren von Bauteilen durch
einsei- tige physische Arbeitsbelastungen, vor allem des
Hand-Arm-Schulter-Systems,
▪ ungenügende Haltungs-/Bewegungsver-teilung sowie
▪ Monotonie und Unterforderung (gerin-ger Arbeitsinhalt).
Optimierungen lassen sich erzielen, indem man einerseits die
physischen Arbeits- belastungen verteilt (Job Rotation) und
andererseits die Arbeitsinhalte der Be-schäftigten anreichert (Job
Enrichment).
Daher übernehmen im begleiteten Unternehmen Beschäftigte, die
zuvor ausschließlich Montagetätigkeiten aus-geführt haben, nun auch
Tätigkeiten an Prüfstationen. Durch Reduzierung der
Vorher Nachher
Körperfernes Greifen und vorgebeugte, verdrehte Körperhaltung
bei der Entnahme von Material aus Transportkisten
Heranführung der Materialzufuhr
Körperfernes Greifen und vorgeneigte, verdrehte Körperhaltung
beim Ablegen des Pressenhebels zur Montage von Statoren
Entwicklung eines magnetischen Anschlags, der körpernah den
Hebelarm festhält
Blendungen im Blickfeld durch aus Edelstahl ausgeführte
Schutzabdeckungen
Reduzierung durch matt lackierte Schutzab-deckungen
Reine Steharbeitsplätze Einsatz von Arbeitsstühlen und
Stehhilfen an Arbeitsplätzen mit hohem Stehanteil
Weitere Verbesserungsmaßnahmen des Modellbetriebes
Vermeidung lang andauernder statischer Kopfhaltung und
Überstreckung des Kopfes an Prüfarbeitsplätzen
ausgeführten Handbewegungen verringert sich die Arbeitsbelastung
bei manuellen Arbeitsprozessen; insgesamt verteilen sich die
Belastungsintensitäten im Be- lastungsprofil ausgewogener. Dank der
unterschiedlichen Bearbeitungsschritte kommt es zu einem
Belastungswechsel, der wiederum sowohl Zykluszeit als auch
Arbeitsinhalt erhöht. Ein weiterer Vorteil ergibt sich durch die
verbesserte Flexibilität der Organisationseinheit bei
außerplanmäßigen Fehlzeiten von Be-schäftigten.
ZusammenfassungDie beschriebenen Beispiele zeigen, dass sich
mittels systematischer Bewertungs-verfahren, wie das von ASER
entwickelte BDS, nicht nur Problemfelder identifi- zieren lassen,
sondern man auch gezielt nach geeigneten Lösungen suchen kann. Die
damit gefundenen Ansätze lassen sich ferner auf ihre Wirksamkeit
hin über-prüfen.
Das Projekt LUMBAR hat zudem bestä-tigt, dass Lösungen nicht
immer kosten- intensiv sein müssen, sondern oftmals in Eigenregie
umgesetzt werden können. Dauerhafte Erfolge sind jedoch nur
mög-lich, wenn sich die geschulten Beschäf- tigten im Betrieb mit
der Bewertung der Arbeitsplätze auseinandersetzen und eine ständige
Verbesserung der Arbeitsbedin-gungen anstreben.Fo
tos:
Inst
itut A
SER
e. V
.betrieb & praxis
23etem 05.2015
-
Psychische Auffälligkeiten erkennen
Hinsehen statt wegschauen!
Hans R. fühlt sich schon länger überfor-dert. Zusätzliche
Aufgaben nach der Umstrukturierung in der Firma, dazu die Belastung
mit seiner pflegebedürftigen Frau. Immer öfter liegt er nachts
wach, kann nicht schlafen. Seine Gedanken kreisen, er kommt nicht
zur Ruhe. Tags-über fühlt er sich wie gerädert, ist unkon-zentriert
und macht häufiger Fehler.
Das fällt natürlich auch seinem Vorge-setzten auf. Doch der ist
ratlos. Zwar hat er den Verdacht, dass Hans R. leidet und Hilfe
braucht. Doch was soll er tun? Wie mit der Situation umgehen?
„Noch immer wird über psychische Pro-bleme nicht gern gesprochen
und viele Be-schäftigte und Führungskräfte wollen das Thema
vermeiden“, stellt Dr. Just Mields fest. Mields ist Psychologe bei
der BG ETEM und beschäftigt sich unter ande-rem mit der Frage,
welche Auswirkung Führungsverhalten auf die Gesundheit der
Beschäftigten hat.
Aufgabe des VorgesetztenFührungskräfte haben eine
Fürsorgepflicht und müssen darauf achten, dass sich die
Arbeitsbedingungen nicht negativ auf die Gesundheit der
Beschäftigten auswirken. „Das schließt ein, dass sie eingreifen,
wenn sie wegen des Verhaltens anneh-men können, dass Beschäftigte
sich selbst oder Dritte gefährden“, erklärt Dr. Just Mields. Die
Führungskraft entschei-det aufgrund ihres persönlichen Eindrucks.
Der sollte möglichst durch eigene Beob-achtungen gebildet worden
sein. Mields macht ausdrücklich klar, dass es sich hier-bei um eine
unternehmerische und keine therapeutische Verantwortung handelt.
„Es ist nicht der Job einer Führungskraft, eine psychische
Erkrankung festzustellen. Sie kann aber Verhaltensänderungen
wahrnehmen, sie ansprechen und gege-benenfalls professionelle Hilfe
anregen.“ Die Aufgaben von Führungskräften sind also Erkennen,
Handeln und Vorbeugen.
Sehen, reden, handeln. Wie Sie psychisch beanspruchte
Beschäftigte erkennen. Was Sie tun sollten. Und was Sie besser
bleiben lassen.
Verändert sich das Verhalten eines Be-schäftigten auffällig,
kann das ein Hin-weis auf psychische Probleme sein. Dazu gehören
Veränderungen im Arbeitsverhal-ten wie mangelnde Pünktlichkeit,
unent-schuldigtes Fehlen oder häufige Krank-meldungen ebenso wie
nachlassende Leistungen, plötzliche Unzuverlässigkeit oder
Vermeiden von Kundenkontakten.
ErkennenAuch das Sozialverhalten spielt eine Rolle: Zieht sich
jemand aus dem Kollegenkreis zurück, meidet Gespräche oder reagiert
auffallend gereizt, können das ebenso Symptome einer psychischen
Erkrankung sein, wie ein plötzlich ungepflegtes Äuße-res oder
häufige Müdigkeit mitten am Tag.
Machen Führungskräfte solche Beobach-tungen, sollte der erste
Schritt sein, das Gespräch mit dem Mitarbeiter zu suchen.
HandelnFühlt sich die Führungskraft unsicher, kann zunächst der
Rat des Betriebsarztes eingeholt werden. Mit ihm kann das wei-tere
Vorgehen besprochen werden und es lassen sich folgende Fragen
klären:
▪ Lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten und
möglichen gesund-heitlichen Störungen vermuten, sodass ein
Eingreifen erforderlich ist?
▪ Sollte durch die unmittelbare Führungs-kraft ein
Mitarbeitergespräch geführt werden, in dem das beobachtete
Ver-halten angesprochen wird?
Zeigen Beschäftigte mögliche Symptome einer psychischen
Belastung, sind auch die Führungskräfte gefragt.
gesundheit
24 etem 05.2015
-
Ansprechpartnern. Ebenfalls dazu gehört die Vereinbarung eines
Termins für ein zweites Gespräch. Wenn es gut läuft, hat der
Beschäftigte bis dahin erste Schritte unternommen, um seine
Situation zu ver-bessern, und die Führungskraft kann ihn positiv
bestärken.
„Idealerweise findet nach einiger Zeit ein drittes Gespräch
statt“, sagt Dr. Mields: „Hat sich die Situation zum Bes-seren
gewendet, sollte man das dem Mit-arbeiter auch sagen.“ Ist das
nicht der Fall, muss die Führungskraft ihre Sicht der Dinge klar
schildern und gegebenenfalls auch disziplinarische Konsequenzen
an-kündigen. Dann bitte auch daran denken, die
Mitarbeitervertretung und die Perso-nalabteilung mit
einzubeziehen.
VorbeugenAuf das Privatleben der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter haben Führungskräfte keinen Einfluss. Sie können aber
die Ar-beitsbedingungen mitgestalten. Dazu ge-hört auch das eigene
Führungsverhalten.
„Mit Wertschät-zung sowie einer kooperativen und
gesundheitsorien-tierten Arbeitsat-mosphäre schaffen Sie positive
Bedin-
gungen“, erläutert Dr. Mields.Einfache Ansatzpunkte zur
Förderung
der psychischen Gesundheit der Beschäf-tigten sind unter
anderem:
▪ auf eine Balance zwischen Belastungen und Ressourcen
achten,
▪ Ziele in regelmäßigen Mitarbeiterge-sprächen abstimmen,
▪ Handlungsspielraum lassen, ▪ die Leistung anerkennen und
wertschät-zend kommunizieren.
Informationen zu diesen Themen bieten unter anderem auch die
Krankenkassen.
→ infoChecklisten und Fragebögen für ein Mit-arbeitergespräch
gibt es in: „Psychisch auffällige oder erkrankte Mitar-beiter.“,
hg. von der UK PT, Download un-ter: www.ukpt.de, Suchbegriff:
„Psychisch auffällige Mitarbeiter“„Psychische Erkrankung am
Arbeitsplatz.“, hg. vom Dachverband Gemeindepsychiat-rie und der
Barmer GEK, Download unter:
www.psychiatrie.de/dachverband/home-page/psychische-erkrankung-am-arbeits-platz/
Tipps für ein Erstgespräch
Das Gespräch vorbereiten: Was ist mir aufgefallen? Was will ich
errei-chen! Schaffen Sie eine vertrauliche Gesprächsatmosphäre.
Dokumen-tieren Sie das Gespräch und infor-mieren Sie den
Beschäftigten darü-ber. Das sollten Sie ansprechen:
▪ Schildern Sie Ihre konkreten Be-obachtungen. Beschränken Sie
sich auf arbeitsrelevante Fakten.
▪ Sprechen Sie von Ihrer Fürsorge-pflicht als Vorgesetzter und
äußern Sie Ihre Sorge auf dieser Basis.
▪ Vermeiden Sie Mutmaßungen über mögliche Gründe.
▪ Machen Sie klar, dass der Be-schäftigte etwas unternehmen
muss, um die Situation zu än-dern.
▪ Geben Sie Hinweise auf Hilfsan-gebote – im Betrieb oder z. B.
durch Fachärzte oder Beratungs-stellen.
▪ Formulieren Sie Ziele und vereinbaren Sie einen neuen
Gesprächstermin.
Folgegespräche In einem zweiten Gespräch gehen Sie ähnlich vor
und erneuern Ihre Einschätzung. Bei weiteren Gesprä-chen ziehen Sie
Bilanz:
▪ Gibt es eine positive Entwicklung, sagen Sie das dem
Beschäftigten und bleiben Sie in Kontakt.
▪ Ist der Verlauf negativ, schildern Sie auch diesen
Eindruck.
▪ Ziehen Sie eventuell weitere Instanzen hinzu
(Personalabtei-lung, Betriebsarzt, Betriebsrat).
▪ Kündigen Sie arbeitsrechtliche Konsequenzen an.
▪ Oder sollte dem Beschäftigten zunächst ein Gespräch mit dem
Betriebsarzt emp-fohlen werden? Bitte denken Sie daran, den
Betriebsarzt schriftlich anlassbezo-gen zu beauftragen und um eine
Stel-lungnahme zu bitten.
Häufig wird der Betriebsarzt der Führungs-kraft empfehlen,
tatsächlich ein Mitarbei-tergespräch zu führen. Denn manche
ge-sundheitlichen Probleme sind stressbe-dingt und lassen sich
schon durch gerin-ge arbeitsorganisatorische Anpassungen vermeiden.
Zum Beispiel, indem der Infor-mationsfluss besser geregelt wird
oder Schnittstellen neu definiert werden. Auch fehlende
Wertschätzung kann zu Stress führen. Durch seinen Wunsch nach
Aner-kennung hat es manch einer verlernt, Nein zu sagen, und
überfordert sich, bis es nicht mehr geht. Den Betroffenen in ei-nem
vertraulichen Gespräch anzuspre-chen und mit ihm nach Lösungen zu
suchen, ist dann das beste Mittel.
Eine ungestörte Atmosphäre ist die Vor-aussetzung dafür, dass
sich ein gutes Ge-spräch entwickelt. Da manchmal heik-le Themen
ange-sprochen werden, muss Vertrauen aufgebaut werden. Das braucht
Zeit und Raum. Dazu Dr. Just Mields: „Fallen Sie nicht mit der Tür
ins Haus, stellen Sie eine Situation her, in der Sie ungestört sind
und in der sich der Betroffene ent-spannen kann.“ In dem Gespräch
selbst wird die Führungskraft beschreiben, was ihr aufgefallen ist.
Dabei sollten Sie sich darauf beschränken, Ihre Eindrücke zu
beschreiben und keinesfalls über mögli-che Gründe spekulieren. Sie
sollten dann Ihr Ziel deutlich machen, dass einerseits nicht
akzeptables Verhalten in Zukunft unterbleibt und andererseits die
Gesund-heit des Beschäftigten erhalten bzw. wie-derhergestellt
wird. Sie sollten dann nachfragen, ob eine Belastung wegen der
Arbeit als Ursache infrage kommt. Am En-de wird gemeinsam überlegt,
ob Verände-rungen im Arbeitsumfeld hilfreich sein könnten oder eine
andere Form der Unter-stützung möglich ist.
Ein guter Abschluss rundet das Ge-spräch ab. Dazu gehören auch
Hinweise auf Hilfsangebote – innerhalb und außer-halb des
Unternehmens – z. B. der Sozial-beratung, des Betriebsarztes und
Adres-sen von Selbsthilfegruppen und weiteren
»Über psychische Erkrankungen wird zu wenig gesprochen.« Dr.
Just Mields, Arbeitspsychologe der BG ETEM
Foto
: wdv
/O. G
. Her
man
ngesundheit
25etem 05.2015
http://www.ukpt.dehttp://www.psychiatrie.de/dachverband/homepage/psychische-erkrankung-am-arbeitsplatz/
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Psychotherapeutenverfahren
Auf einmal war alles anders …
Morgens auf dem Weg zur Baustelle: Es nieselt leicht, die
Kollegen sitzen zusammen im Transporter. Es wird Kaffee aus
Pappbechern getrunken. Auf der Ge-genfahrbahn kommt ihnen ein Lkw
ent- gegen. Plötzlich, ganz unerwartet schert ein Pkw hinter dem
Laster aus und ver-sucht ihn zu überholen. Zu spät. Bremsen
quietschen – dann der Knall. Der Trans-porter überschlägt sich,
alles wirbelt durcheinander.
Klingt wie ein Drehbuch für einen Film? Schwere, zum Teil auch
tödliche Unfälle geschehen auch in der Wirklichkeit, mit-unter
direkt vor der Haustür. Dank der Notfallmedizin werden die
Verunglückten schnell medizinisch versorgt und ins nahe- liegende
Krankenhaus gebracht. Doch mit der Behandlung der körperlichen
Schäden allein ist es nicht getan: Die Be-troffenen sind oftmals
auch seelisch trau-matisiert. Eine frühzeitige Intervention kann
der Entstehung und Chronifizierung
Ein schwerer Unfall und das Leben gerät aus den Fugen:
Betroffene leiden nicht nur körperlich, häufig sind sie auch
seelisch traumatisiert. Frühzeitige Hilfe ist gefragt.
von psychischen Gesundheitsstörungen entgegenwirken. Zuweilen
helfen bereits wenige Therapiestunden, um das Erlebte besser
verarbeiten zu können. Arbeits- unfähigkeitszeiten lassen sich so
vermei-den oder zumindest minimieren.
Partner im Reha-ManagementDas Psychotherapeutenverfahren der
Deutschen Gesetzlichen Unfallversiche-rung (DGUV) dient einer
solchen frühzeiti-gen Intervention. Seit 1. Juli 2012 ist es in
Kraft. Geregelt sind darin u. a. Zulassungs- anforderungen und
Handlungsabläufe, die auf die besonderen Rahmenbedingungen der
gesetzlichen Unfallversicherung zuge-schnitten sind. Neben einer
adäquaten störungsspezifischen Heilbehandlung ste-hen der Erhalt
der Arbeitskraft und das Ziel der schnellen beruflichen
Wiederein-gliederung im Fokus.
In dem Verfahren sind auch die Anfor-derungen an die dafür
zugelassenen The-
rapeutinnen und Therapeuten definiert. Denn nur besonders
befähigte Fachkräfte werden mit der Behandlung traumati- sierter
Patienten beauftragt. Sie müssen beispielsweise spezielle
Kenntnisse in der Diagnostik und der Behandlung nach
Arbeitsunfällen haben. Verpflichtende regelmäßige Fortbildungen
sorgen dafür, dass bestehende Kompetenzen gefestigt, vertieft und
stets auf dem aktuellsten Stand gehalten werden.
Individuelle UnterstützungDie Therapeutinnen und Therapeuten
stellen ein wichtiges Element im Reha- Management der
Berufsgenossenschaft dar, und zwar nicht nur weil sie Betroffe-ne
dabei unterstützen, wieder in ihren (beruflichen) Alltag
zurückzufinden. Auch der direkte Kontakt zur Berufsgenos- senschaft
ist von zentraler Bedeutung. So erweist sich ein regelmäßiger
Aus-tausch mit der Reha-Beraterin oder dem
26
gesundheit
etem 05.2015
-
Auftrag von Berufsgenossenschaft bzw. D-Arzt
Beginn innerhalb einer Woche
1. probatorische Sitzung
Bericht an BG nach erster Sitzung
Abschlussbericht an BG
2. probatorische Sitzung
Bericht an BG
Bericht an BG
bis 10 weitere Sitzungen
bis 15 weitere Sitzungen (in begründeten Einzelfällen auch
mehr)
3. probatorische Sitzung
4. probatorische Sitzung
5. probatorische Sitzung
Sitzungsfrequenz von regelmäßig einer, höchstens zwei Wochen
abhängig vom Behandlungsfortschritt
bei Genehmigung durch Berufsgenossenschaft
bei Genehmigung durch Berufsgenossenschaft
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Reha-Berater zum Behandlungsverlauf oftmals als der Schlüssel
zum Erfolg. Dabei kann zudem auf arbeitsplatz- bezogene
Einschränkungen eingegangen werden. Es wird zusammen nach indi-
viduellen Lösungen gesucht und diese in Absprache mit den
Betroffenen um- gesetzt.
Die Therapie wird von der Berufs- genossenschaft oder dem
behandelnden Durchgangsarzt eingeleitet. Der Behand-
lungsauftrag beinhaltet die Kostenüber-nahme von bis zu fünf
probatorischen Sitzungen. Mit diesen „Kennenlern-Sitzun-gen“ lässt
sich klären, ob eine Psycho- therapie überhaupt sinnvoll ist und ob
Patient und Behandler zueinander passen. Nach Abschluss der
probatorischen Sit-zungen prüft die Berufsgenossenschaft – bei
entsprechend begründetem Antrag – die Notwendigkeit weiterer
psychothera-peutischer Maßnahmen. Dabei werden zu-
nächst maximal zehn weitere Sitzungen bewilligt. Abhängig von
Berichterstattung und Prüfung können auch nach diesen
Be-handlungseinheiten weitere Einheiten be-willigt werden.
Aus Erfahrung gutBei dem Psychotherapeutenverfahren handelt es
sich um keine neue Behand-lungsform: Ambulante Psychotherapie ist
schon lange ein fester Bestandteil bei der Behandlung von
Unfallverletzten. Die gesetzliche Unfallversicherung hat deshalb
bereits im Jahr 2004 regional ein Modellverfahren eingeführt, das
den Betroffenen eine zeitnahe adäquate The-rapie ermöglichen
sollte. Daraus ist dann das aktuell geltende
Psychotherapeuten-verfahren entstanden, welches bundes-weit gilt.
Nancy Schmidt
→ infoWeiterführende Informationen sowie eine
Psychotherapeutensuche auf dem Inter-netportal der DGUV
unter:www.dguv.de, Webcode d139696
Psychotherapeutenverfahren
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etem 05.2015
http://www.dguv.de/landesverbaende/de/med_reha/Psychotherapeutenverfahren/index.jsp
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Foto
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Der Mensch hat es gerne bequem. Und unsere moderne Gesellschaft
bietet uns immer mehr Gelegenheiten zum Sit-zen. Die Folge: Mit
modernen Kommunika-tionsmitteln – z. B. Tablet oder Smartpho-
Wenn Muskeln, Herz und Kreislauf nicht gefordert sind, drohen
dauerhafte Schädigungen. Mit einem Trainingsplan gewinnen auch
Sport-Muffel Beweg-lichkeit und Ausdauer.
ne – lässt sich zwar schon mit wenigen „Touches“ einiges
bewegen, aber nicht unser Körper.
Bewegungsmangel ist nicht nur ein Pro-blem für Büroangestellte
oder Fernkraft-fahrer, sondern betrifft alle Lebensberei-che und
Altersabschnitte. Stundenlanges Sitzen bedeutet für den Körper:
„auf Spar-flamme“ laufen. Muskeln und Knochen werden mit weniger
energiebringenden Nährstoffen versorgt, Herz-Kreislauf-Orga-ne
nicht mehr gefordert, Verdauungsorga-ne werden träge, der
Stoffwechsel schal-tet auf „Reserve anlegen“ (Fettdepots). Wird
mangelnde Bewegung zum Dauerzu-stand, können dies die Folgen
sein:
▪ Abbau von Muskelgewebe