Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen ... · Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early
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Effektive Kurzzeit-Frühbehandlungder transversalen Diskrepanzdurch GaumennahterweiterungEffective Short-Time Early Treatment of Transverse Discrepancyby Means of Rapid Maxillary Expansion
KorrespondenzadresseDr. Niko ScheppSchubartstr. 373430 AalenTel.: 07361/[email protected]
Fallberichte 287
In der Kieferorthopädie versteht man unter einerFrühbehandlung eine zeitlich und vom Umfangher begrenzte Behandlung im Milchgebiss bzw.frühen Wechselgebiss, mit dem Ziel der Förde-rung einer regelrechten Gebissentwicklung. Sieist laut Stellungnahme der Deutschen Gesell-schaft für Kieferorthopädie angezeigt bei der Pro-genie, der Retrogenie mit Nonokklusion und ex-trem vergrößerter Frontzahnstufe, einem seit-lichen Kreuzbiss mit Gefahr derWachstumshem-mung des Oberkiefers, bei ausgeprägten Formendes lateralen oder progenen Zwangsbisses, trau-matisch bedingten Kieferanomalien und Fehlent-wicklungen bei Lippen-Kiefer-Gaumen-Spaltenbzw. anderen syndromalen Erkrankungen [1].Idealerweise sollte eine Frühbehandlung einespätere Behandlung gänzlich erübrigen oder zu-mindest erheblich erleichtern. Außerdem solltesie möglichst kurz sein, um dem Patienten nichtdie Motivation für eine Behandlungsfortsetzungim bleibenden Gebiss zu nehmen, falls diese er-forderlich wird.Ziel dieses Artikels ist die Beschreibung einer ef-fektiven Kurzzeit-Frühbehandlung für Patientenmit schmalem Oberkiefer mit einer Gaumennaht-erweiterung. Das vomAutor routinemäßig einge-setzte Behandlungsprotokoll wird anhand vonunterschiedlichen Behandlungsfällen, wie mansie regelmäßig in kieferorthopädischen Praxenfindet, dargestellt. Aufgrund der offensichtlichenVorteile der Gaumennahterweiterung für Patientund Therapeut sollen Behandler, die bisher über-wiegend mit herausnehmbaren Dehnplatten ge-
arbeitet haben, motiviert werden, zur festsitzen-den Apparatur zu wechseln.
Diagnostik des schmalen Oberkiefers(maxilläre transversale Defizienz)!
Eine transversale Diskrepanz zwischen Oberkie-fer und Unterkiefer ist offensichtlich, wenn eineinseitiger oder beidseitiger Kreuzbiss vorliegt.Sie kann aber auch maskiert sein, wenn dieDiskrepanz durch entsprechenden Molaren-torque dental kompensiert ist, typischerweisedurch ausgeprägte Bukkalkippung der OK-Mo-laren bzw. Lingualkippung der UK-Molaren(l" Abb. 1a–c).Grundsätzlich lässt sich eine transversale skelet-tale Diskrepanz nur dann zuverlässig bestimmen,wenn man bei der Modellauswertung das Aus-maß der vorliegenden posterioren dentalen Kom-pensation berücksichtigt. Dazu muss man dieNeigung der oberen und unterenMolaren amMo-dell in der Frontalebene bewerten und danach ge-danklich richtig stellen. Das bedeutet, die Bukkal-kippung der oberen Molaren und die Lingualkip-pung der unteren Molaren virtuell zu korrigieren.Verschlechtern sich dabei die transversalenOkklusionsverhältnisse, hier in Richtung einesKreuzbisses, so ist eine transversale skelettaleDiskrepanz sehr wahrscheinlich (l" Abb. 1a–c)[2].Das American Board of Orthodontics hat in sei-nen Behandlungszielen beschrieben, dass die
Zusammenfassung!
Anhand von sieben klinischen Behandlungsfällenwird eine effektive Kurzzeit-Frühbehandlung dertransversalen Diskrepanz mit einer GNE-Appara-tur beschrieben und die Vorteile gegenüber einerDehnplatte diskutiert.
Abstract!
By seven clinical case examples an effectiveshort-time early treatment protocol of the trans-verse discrepancy by means of rapid maxillaryexpansion is described and the advantages com-pared to a removable appliance treatment arediscussed.
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korrekte Achsneigung der Molaren ein Qualitätsmerkmal einerkieferorthopädischen Behandlung ist [3]. Man weiß, dass imnormal entwickelten Gebiss die Molaren aufrecht stehen: Longi-tudinalstudien der University of Iowa an unbehandelten Perso-nen belegen den Durchbruchsweg der Molaren: OK-Molarenbrechen mit bukkalem Kronentorque durch, UK-Molaren mitlingualem Kronentorque. Während des weiteren Wachstumsrichten sich diese Zähne auf [2, 4, 5]. Folglich erscheint es sinn-voll, im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung eineideale transversale Beziehung der Seitenzähne mit annäherndaufrecht stehenden Molaren anzustreben.
Gaumennahterweiterung: verlässlichste Methodezur Korrektur der transversalen Diskrepanz!
Die forcierte Gaumennahterweiterung ist ein kieferorthopädi-sches Verfahren zur Verbreiterung des Oberkiefers [6]. ÜberVerankerungszähne im Oberkiefer wird eine Kraft ausgeübt, diegroß genug ist, die Sutura palatina mediana zu öffnen. Der Wi-derstand der kraniofazialen Knochen gegen diese Kräfte steigtmit zunehmendem Alter.Traditionell wird die Hyrax-Schraube an vier Zähnen befestigt(über Bänder zementiert oder direkt geklebt). DieWirkung einernur an zwei Zähnen befestigten Schraube ist geringer [11]. Wei-terhin wird die GNE-Apparatur auch gerne um Kunststoffschil-der am Gaumen oder einen Kunststoffaufbiss erweitert.Systematische Übersichten (Reviews) zur Sofort- und Langzeit-wirkung der nicht chirurgisch unterstützten Gaumennahterwei-terung bescheinigen diesem Behandlungsvorgehen eine zuver-lässige Verbreiterung des Oberkiefer-Zahnbogens. Es darf eineskelettale Wirkung erwartet werden. Allerdings erlauben diebisher vorliegenden Studien keine definitive Aussage zum Ver-hältnis von skelettalen und dentoalveolären Effekten. BessereStudiendesigns seien notwendig, um Aussagen mit einem höhe-ren Evidenzgrad zu ermöglichen [7–9]. Bezüglich der Auswir-kung der Gaumennahterweiterung auf die vertikale Relationvon Oberkiefer und Unterkiefer ist dagegen eine Aussagemit ho-hem Evidenzgrad möglich: Im Rahmen der Expansion gibt eskeine klinisch signifikanten Veränderungen in der Vertikalebene[7–9]. Die Angst vor einer Bissöffnung durch Gaumennahter-weiterung ist somit unbegründet!Es ist ebenfalls nachgewiesen, dass die Gaumennahterweiterungeine zuverlässige Methode zur Vergrößerung des Platzangebots
in der Oberkieferfront ist, denn die Verbreiterung des Oberkie-fers führt zwangsläufig auch zu einer Vergrößerung des Inter-eckzahnabstands [7, 8, 10]. Dieser Effekt ist meist erwünscht, daeine skelettale transversale Diskrepanz häufig einen Engstandder Oberkieferfront verursacht. Der Engstand tritt selbstver-ständlich auch dann auf, wenn die transversale Diskrepanz pos-terior kompensiert (maskiert) ist.
Behandlungsprotokoll der Frühbehandlung derOberkieferkompression!
Ziel der Behandlung ist die Korrektur des gesamten Ausmaßesder skelettalen transversalen Diskrepanz. (Die vollständige Kor-rektur bringt mehr Platz im Zahnbogen und vermindert das Re-zidivrisiko.) Dies gelingt nur, wenn im Rahmen der Behandlungauch die dentale Kompensation vollständig berücksichtigt wirdund die dadurch notwendige größere Expansion des Oberkieferszuverlässig erreicht wird. Das hierfür am besten geeignete Ex-pansionsgerät ist nach heutigemWissensstand die GNE-Appara-tur und der geeignete Zeitpunkt das Wechselgebiss, da hier dieskelettale Komponente der Gaumennahterweiterung größer istals im bleibenden Gebiss.Es ergibt sich folgendes Behandlungsprotokoll:1. Beseitigung der dentalen Kompensation,2. forcierte Gaumennahterweiterung (2 × 1/4 Umdrehung pro
Tag » 0,5mm),3. Korrektur der Frontzahnstellung,4. Retention.Sofern die oberen Molaren deutlich nach bukkal gekippt sind,werden diese zunächst mit einem Palatinalbogen, in den Kom-pression und ein palatinaler Kronentorque eingebogen ist, auf-gerichtet. Das Aufrichten erleichtert auch das nachfolgende Ein-setzen der Gaumennahterweiterungsapparatur, da sich die Ein-schubrichtung für das Gerät verbessert. Es folgt die forcierteGaumennahterweiterung (2 × 1/4 Umdrehung pro Tag » 0,5mm).Meistens wird in 10–20 Tagen eine Expansion von 5–10mm aufder Kronenebene erreicht. Während die GNE-Apparatur an-schließend zur Stabilisierung drei Monate passiv im Mund ver-bleibt, kann die Frontzahnstellung leicht mit Brackets korrigiertwerden. Nach mindestens 3Monaten Verweildauer kann die ge-samte festsitzende Apparatur entfernt und – wenn gewünscht –ein Essix-Retainer zum Halten der Frontzahnstellung eingesetztwerden.
Abb. 1a Keine transversale Diskrepanz. Mola-ren stehen aufrecht.
Abb. 1c Gestrichelte Linie zeigt gedanklichesAufrichten der Molaren von Abb. 1b. Es resul-tiert ein Kreuzbiss.
Abb. 1b OK-Kompression, dental kompen-siert: OK-Molaren nach bukkal gekippt, UK-Mo-laren nach lingual gekippt.
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Fallbeispiele!
Die nachfolgenden Fotodokumentationen der Behandlungsver-läufe verschiedener Patienten mit unterschiedlicher klinischerManifestation der Oberkieferkompression demonstrieren, dassdas beschriebene Behandlungsprotokoll ein zuverlässig wirksa-
mes Verfahren für ein großes Spektrum an klinischen Befundenmit dem Leitsymptom transversale Diskrepanz ist.
Fall 1 (Abb. 2)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit Kreuzbiss 26, negativeFrontzahnstufe (mesialer Zwangsbiss)mit Engstand der OK-Front.
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Abb. 2 Fall 1. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand 4Wochen nach Beendigung der GNE-Aktivierung. Brackets 21 + 12 geklebt. g–i: Verlaufsfotos (Bogen-wechsel). j–l: Verlaufsfotos (Bogenwechsel).m–o: Endbefund nach 9Monaten Behandlung.
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Behandlung: Forcierte Gaumennahterweiterung, während derStabilisierungsphase Brackets 21 + 12 zum Ausformen der Front.Behandlungsdauer: 9Monate.Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten,Frontengstand aufgelöst und frontaler Kreuzbiss beseitigt.
Fall 2 (Abb. 3)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer, dental kompensiert durchBukkalkippung der OK-Molaren, starker Platzmangel in derFront mit Kreuzbiss 21.
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Abb. 3 Fall 2. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand nach GNE-Aktivierung. Brackets 21 + 12 geklebt. g–i: Verlaufsfotos (Bogenwechsel). j–l: Verlaufsfotos (Bo-genwechsel).m–o: Endbefund nach 10Monaten Behandlung.
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Behandlung: Zunächst Palatinalbogen, dann forcierte Gaumen-nahterweiterung und während der Stabilisierungsphase Bra-ckets 21 + 12. Behandlungsdauer 10Monate.Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten,Frontengstand aufgelöst und Kreuzbiss 21 beseitigt.
Fall 3 (Abb. 4)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit Kreuzbiss 26, Platz-mangel und Palatinalstand (Kreuzbiss) 12,22.Behandlung: Forcierte Gaumennahterweiterung, während derStabilisierungsphase, Brackets 21 + 12 zur Korrektur der Front-zahnstellung. Behandlungsdauer 7Monate.
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Abb. 4 Fall 3. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand 6Wochen nach letzter GNE-Aktivierung. Brackets 21 + 12 geklebt. g–i: Verlaufsfotos (GNE wurde entfernt,Fortsetzung der Behandlung mit Teilbogen in OK-Front). j–l: Verlaufsfotos (Bogenwechsel).m–o: Endbefund nach 7Monaten Behandlung. Patient trägtEssix-Retainer.
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Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten,Frontengstand aufgelöst und Kreuzbiss 12,22 beseitigt. Reten-tion mit Essix-Retainer.
Fall 4 (Abb. 5)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit seitlichem Kreuzbissrechts (Zwangsbiss), Platzmangel (Durchbruchsverzögerung)11.
Behandlung: Forcierte Gaumennahterweiterung. Erst nach GNE-Stabilisierung und Spontandurchbruch 11 Brackets 21 + 12(6Monate nach letzter GNE-Aktivierung). Behandlungsdauer12Monate (6Monate Behandlungspause).Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten(seitlicher Kreuzbiss beseitigt), OK-Front ausgeformt undZahn 11 eingestellt.
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Abb. 5 Fall 4. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand 6Monate nach letzter GNE-Aktivierung. Bracket 21 + 12 geklebt. g–i: Verlaufsfotos (Bogenwechsel).j–l: Endbefund nach 12Monaten Behandlung (6Monate Behandlungspause) und 3Monaten Retention mit Essix-Retainer.
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Fall 5 (Abb. 6)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit seitlichem Kreuzbissrechts (Zwangsbiss), geringer Platzmangel in OK-Front und Buk-kalkippung der OK-Molaren.Behandlung: Zunächst Palatinalbogen, dann forcierte Gaumen-nahterweiterung, 4Monate nach GNE-Stabilisierung Brackets21 + 12. Behandlungsdauer 12Monate.
Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten(seitlicher Kreuzbiss beseitigt) und OK-Front ausgeformt. Reten-tion mit Essix-Retainer.
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Abb. 6 Fall 5. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand 4Monate nach letzter GNE-Aktivierung. Keramikbrackets 21 + 12 geklebt. g–i: Verlaufsfotos (Bogen-wechsel). j–l: Endbefund nach 12Monaten Behandlung. Danach Retention mit Essix-Retainer.
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Fall 6 (Abb. 7)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit beidseitigem Kreuz-biss, starker Platzmangel 12,22 (Durchbruchsverzögerung).Behandlung: Forcierte Gaumennahterweiterung, während GNE-Stabilisierung zunächst Brackets III1 + 1 III, nach Lückenöff-nung 12,22 Brackets 21 + 12. Behandlungsdauer 15Monate.
Abb. 7 Fall 6. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand nach GNE-Aktivierung. Brackets III 1 + 1 III geklebt. g–i: Verlaufsfotos (Lückenöffnung 12,22).j–l: Verlaufsfotos (Bogenwechsel).m–o: Endbefund nach 15Monaten Behandlung. Retention mit Essix-Retainer.
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Fall 7 (Abb. 8)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit beidseitigem Kreuz-biss bei skelettaler Klasse III.Behandlung: Forcierte Gaumennahterweiterung, danach GNE-Stabilisierung für 8Monate (keine Brackets). Behandlungsdauer9Monate.Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten(beidseitiger Kreuzbiss korrigiert). Später in Abhängigkeit vonUnterkieferwachstum weitere Behandlungsmaßnahmen.
Diskussion!
Das beschriebene Behandlungsprotokoll basiert auf den Prinzi-pien (1) frühzeitige Behandlung der transversalen Diskrepanzund (2) Korrektur durch forcierte Gaumennahterweiterung.Es gibt Hinweise darauf, dass es vorteilhaft ist, eine transversaleDiskrepanz frühzeitig, d.h. im frühenWechselgebiss zu korrigie-ren.Die Bedeutung einer frühen Korrektur ist besonders leicht nach-vollziehbar, wenn sich die Diskrepanz in einem seitlichen Kreuz-biss mit lateralem Zwangsbiss manifestiert. Kinder mit diesemFehlbiss entwickeln zu einem hohen Prozentsatz einen asym-metrischen Unterkiefer [2]. Durch eine rechtzeitige Korrekturdes Zwangsbisses kann dies verhindert werden [2]. Da die ske-lettale Wirkung der Expansionsbehandlung im Wechselgebissgrößer ist als im bleibenden Gebiss, gilt das Prinzip frühzeitige
Korrektur des Schmalkiefers aber auch, wenn sich die transver-sale Diskrepanz nicht in einem seitlichen Kreuzbiss manifestiert,sondern durch Bukkalkippung der OK-Molaren und Lingualkip-pung der UK-Molaren dental kompensiert ist. Die rechtzeitigeVergrößerung der apikalen Basis erlaubt eine aufrechtere (phy-siologischere) Position der oberen und unteren Molaren undbringt mehr Platz in beiden Zahnbögen. So können besonders inGrenzfällen Extraktionen vermieden werden. Unbedingt zu be-achten ist dabei aber, dass der Unterkiefer das Ausmaß der mög-lichen OK-Expansion bestimmt. Eine Expansion des Oberkiefersüber den Punkt hinaus in dem die unterenMolaren aufrecht ste-hen ist nicht vertretbar.Zahlreiche Studien belegen, dass die Gaumennahterweiterungs-apparatur das effizienteste Behandlungsgerät zur transversalenExpansion des Oberkiefers ist. Daher ist sie vermutlich weltweitdas gebräuchlichste Gerät zur Verbreiterung des Oberkiefers.Die GNE-Apparatur ist das einzige Gerät, das zuverlässig dieOberkieferhälften separiert und eine verlässliche skelettale Wir-kung hat. Sie ist effektiver und effizienter als die Dehnplatte, damit der GNE insgesamt mehr Expansion erreicht werden kannund dies auch noch in kürzerer Zeit und mit weniger Patienten-mitarbeit. Dazu ist das Expansionsergebnis der GNE qualitativhochwertiger, da die skelettale Komponente größer ist.Aus diesen Gründen ist die GNE-Apparatur auch für eine Frühbe-handlung besser geeignet als die Dehnplatte. Denn die Anforde-rungen an eine Frühbehandlung sind, dass die Therapie mög-lichst kurz ist, wenig Patientenmitarbeit erfordert und idealer-
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Abb. 8 Fall 7. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand 3Monate nach letzter GNE-Aktivierung. g–i: Zustand 6Monate nach Behandlungsende. Palatinalbogenzum Halten der Transversalen.
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weise eine spätereWeiterbehandlung erübrigt. Letzteres ist auf-grund der größeren skelettalenWirkung und der insgesamt grö-ßeren Expansionskapazität der GNE eher gegeben als mit einerDehnplatte, denn zusammen ermöglichen beide Eigenschaftender GNE die Korrektur der gesamten transversalen Diskrepanz,also auch des Anteils, der durch posteriore dentale Kompensa-tion maskiert ist. (In Fällen mit ausgeprägter Bukkalkippungmüssen die OK-Molaren dazu vorher gelegentlich aufgerichtetwerden. Meist findet man jedoch nach ausreichender Expansionmit GNE eine spontane Aufrichtung der oberen und unteren Mo-laren entsprechend ihres physiologischen Durchbruchsweges.)Als Ergebnis der vollständigen Korrektur hat man ein geringeresRezidivrisiko, einen größeren Platzgewinn und damit geringereExtraktionsnotwendigkeit und einen geringeren Weiterbehand-lungsbedarf.Nicht nur wegen der geringeren Expansionskapazität der Dehn-platte erlaubt sie nicht die Beseitigung der posterioren Kompen-sation. Meist verursacht die Expansion mit Dehnplatte sogareine Molarenkippung und ist somit für die Korrektur der trans-versalen Diskrepanz unter den genannten Qualitätskriterien ge-radezu kontraproduktiv mit allen nachteiligen Folgen: Hohe Re-zidivanfälligkeit, wenig Platzgewinn, mehr Weiterbehandlungs-bedarf und Gefahr von Balancekontakten.
Schlussfolgerung!
Es ist sinnvoll, eine skelettale Diskrepanz frühzeitig zu behan-deln. Die geeignetste Apparatur für einen skelettalen Effekt undeine schnellen Behandlungsfortschritt ist die GNE. Dehnplattenhaben statt des gewünschten Effekts häufig unerwünschte Ne-
benwirkungen und längere Behandlungszeiten. Nimmtman die-se Faktenlage zur Kenntnis, gibt es wenig Argumente statt desvorgestellten Behandlungskonzepts eine Behandlung mit he-rausnehmbaren Apparaturen durchzuführen.
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