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843 Nephrologie Baenkler, Duale Reihe Innere Medizin (ISBN 978-3-13-118162-6), © 2009 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.
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Duale Reihe - Innere Medizin - eRef

Mar 25, 2023

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Baenkler, Duale Reihe Innere Medizin (ISBN 978-3-13-118162-6), © 2009 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

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INephrologie

1 Anatomie undPhysiologie . . . . . . . . . . . . . . 845

1.1 Makroskopischer Aufbau 8451.2 Blutversorgung . . . . . . . . . . 8451.3 Aufgaben der Niere . . . . . . 8461.4 Mikroskopischer Aufbau . . 8461.5 Hormone und Enzyme –

Rolle für die Nierenfunktion 854

2 Leitsymptome undorientierende Einschätzungder Nierenfunktion . . . . . . 857

2.1 Leitsymptome . . . . . . . . . . . 8572.2 Einschätzung der

Nierenfunktion . . . . . . . . . . 859

3 Nephrologische Diagnostik 860

3.1 Urinuntersuchung . . . . . . . 8603.2 Blutuntersuchungen

bei Nierenerkrankungen . 8683.3 Bildgebende Verfahren . . . 8713.4 Die feingewebliche Unter-

suchung (Nierenbiopsie) . . 873

4 Wichtige nephrologischeSyndrome und derenklinische Einordnung . . . . . 874

4.1 Klassifizierung derUrsachen vonNierenerkrankungen . . . . . 874

4.2 Klinisches Vorgehenzur Abklärung einerNierenerkrankung . . . . . . . 874

4.3 Klinisch bedeutsamenephrologische Syndrome 876

5 Akutes Nierenversagen . . . 884

5.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 8845.2 Ätiopathogenese . . . . . . . . 8855.3 Klinik und

Komplikationen . . . . . . . . . . 8925.4 Diagnostisches Vorgehen . 8935.5 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 8985.6 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . 900

6 Glomerulopathien . . . . . . . 900

6.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 9006.2 Glomerulopathien

mit überwiegendnephrotischem Syndrom 901

6.3 Glomerulopathienmit überwiegendnephritischem Syndrom . . 911

6.4 Glomerulopathienmit überwiegendnephritischem undnephrotischem Syndrom 915

6.5 ChronischeGlomerulonephritis . . . . . . 923

7 TubulointerstitielleErkrankungen . . . . . . . . . . . . . 925

7.1 Akute interstitielleNephritis (AIN) . . . . . . . . . . 926

7.2 Akute Pyelonephritis . . . . . 9287.3 Chronische Pyelonephritis

und Refluxnephropathie . . 9287.4 Chronisch interstitielle

Nephritis durchMedikamente . . . . . . . . . . . 929

7.5 Zystische Erkrankungender Niere . . . . . . . . . . . . . . . . 932

7.6 Myelom-Niere . . . . . . . . . . . 9367.7 Nierenerkrankungen

durch Harnsäure . . . . . . . . . 9387.8 Hyperkalzämische

Nephropathie . . . . . . . . . . . . 9407.9 Sarkoidose . . . . . . . . . . . . . . 9417.10 Seltene Gründe einer

tubulointerstitiellenErkrankung . . . . . . . . . . . . . . 941

8 Gefäßerkrankungenmit Nierenbeteiligung . . . . 942

8.1 Systemische Vaskulitiden 9428.2 Kollagenosen . . . . . . . . . . . . 9438.3 Thrombotisch-thrombo-

zytopenische Purpura (TTP)und hämolytisch urämi-sches Syndrom (HUS) . . . . 946

8.4 Niere in der Schwanger-schaft und Präeklampsie 946

8.5 ThromboembolischeErkrankungen . . . . . . . . . . . 950

8.6 Nierenrindennekrosen . . . . 952

9 Chronische/terminaleNiereninsuffizienz . . . . . . . . 954

9.1 Epidemiologie . . . . . . . . . . . 9549.2 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . 9549.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . 9559.4 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9569.5 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . 9609.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 9609.7 Verlauf und Prognose . . . . 962

10 Wasser- undElektrolythaushalt . . . . . . . 962

10.1 Wasserhaushalt . . . . . . . . . . 96210.2 Elektrolythaushalt . . . . . . . 967

11 Nierenersatzverfahrenund Nierentransplantation 984

11.1 Nierenersatzverfahren . . . 98411.2 Nierentransplantation

(NTX) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 991

12 Nierentumoren . . . . . . . . . . 996

12.1 Nierenzellkarzinom . . . . . . 996

13 Arterielle Hypertonie . . . . .1000

13.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . .100013.2 Primäre Hypertonie . . . . . .100213.3 Sekundäre Hypertonie . . .100313.4 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . .100613.5 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . .100913.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . .101513.7 Prognose und sozial-

medizinische Bedeutungder Hypertonie . . . . . . . . . .1021

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1 Anatomie und Physiologie 845

Vorbemerkung: Nephrologen behandeln Erkrankungen der Nieren und desableitenden Harnsystems mit konservativen Therapien. Sie unterscheidensich damit von Urologen, die eher chirurgisch intervenieren. In einzelnen Fäl-len wie bei Steinleiden und Blasenentzündungen kann es zu Überschneidungenzwischen den Disziplinen kommen.

1 Anatomie und Physiologie 1 Anatomie und Physiologie

1.1 Makroskopischer Aufbau 1.1 Makroskopischer Aufbau

Die Nieren liegen retroperitoneal in einer Fettkapsel. Die linke Niere findet sichin Höhe des 12. Brust- bis 3. Lendenwirbels, die rechte Niere (durch die Lebernach unten verschoben) etwa 4 cm tiefer. Beide Organe sind physiologischer-weise 10–12 cm lang, 5–6 cm breit, 3–5 cm dick und wiegen ca. 120–200 g.Das Nierenparenchym wird in 2 Anteile gegliedert: Außen liegt die Nierenrin-de, nach innen erstreckt sich zum Hilus das Nierenmark. Das Nierenmark kannan seiner Farbe in ein äußeres und inneres Mark, das dem Nierenbeckenanliegt, eingeteilt werden. Makroskopisch sehen wir im Nierenmark pyrami-denartige Strukturen. 7–12 Pyramiden in jeder Niere weisen mit ihren Spitzen,den Papillen, nach innen auf die Nierenkelche, die zum Nierenbecken zusam-menfließen.Die Nierenrinde reicht zwischen den Markpyramiden in säulenförmigenAbschnitten bis hinab zum Nierenbecken (Abb. I-1.1).

1.2 Blutversorgung 1.2 Blutversorgung

Die Niere ist gut durchblutet; der arterielle Durchfluss durch beide Nierenbeträgt ca. 1l/min, das sind ca. 20 % des Herzminutenvolumens. Die A. renalisverzweigt sich meist am Hilus in 2 Äste (Ramus anterior und posterior). Ausdem vorderen Ast entspringen 4 Segmentarterien. Der hintere Ast versorgt1 Segment an der Hinterseite der Niere. Insgesamt können damit 5 Nierenseg-mente unterschieden werden (anatomische Varianten sind nicht selten).Die Segmentarterien (Aa. segmentales) teilen sich weiter in die Interlobararte-rien (Aa. interlobares) und versorgen je 2 angrenzende Markpyramiden sowiedie benachbarten Rindenbereiche. Sie ziehen entlang der Seiten der Pyramidenin Richtung Rinde, um an der Basis der Pyramiden die Bogenarterien (Aa.arcuatae) abzugeben, die „bogenförmig“ an der Mark-Rinden-Grenze entlang-

I-1.1I-1.1 Makroskopischer Aufbau und Blutversorgung der Niere

Vorbemerkung: Nephrologen behandelnkonservativ, während Urologen eher chi-rurgisch intervenieren. Es kann jedoch zuÜberschneidungen der Disziplinen kom-men.

Die Nieren liegen retroperitoneal. Sie sind10–12 cm lang, 5–6 cm breit, 3–5 cm dickund wiegen ca. 120–200 g.

Das Nierenparenchym wird in Nierenrindeund Nierenmark mit äußerem und inne-rem Mark gegliedert. Im Mark jeder Niereliegen 7–12 Pyramiden, die mit denPapillen nach innen auf die Nierenkelcheweisen, die zum Nierenbecken zusam-menfließen.

Die Nierenrinde reicht in säulenförmigenAbschnitten bis zum Nierenbecken(Abb. I-1.1).

Die Nieren sind mit einem arteriellenDurchfluss von ca. 1 l/min gut durchblutet.Die A. renalis verzweigt sich in 2 Äste(Ramus anterior und posterior), ausdenen 5 Segmentarterien entspringen.

Die Aa. segmentales teilen sich weiter indie Aa. interlobares. An der Basis derPyramiden geben sie die bogenförmigenAa. arcuatae ab, aus denen die Aa. inter-lobularis zu den Glomeruli ziehen(Abb. I-1.1).

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laufen. Aus ihnen entspringen die Aa. interlobularis, die schließlich als zufüh-rende Gefäße zu den Glomeruli ziehen (Abb. I-1.1).

nMerken Merke: Die größeren Gefäße (Aa. segmentales, interlobares, arcuatae)innerhalb der Niere zu kennen, ist klinisch von Bedeutung, da sie sich alledopplersonographisch darstellen lassen und die Nierenperfusion somit zubeurteilen ist.

1.3 Aufgaben der Niere1.3 Aufgaben der Niere

Die Niere erfüllt 3 HauptfunktionenÜber die renale Ausscheidung werden potenziell toxische Endprodukte desStoffwechsels, die aus unserer Nahrung stammen, wie auch viele Medika-mente und deren Metaboliten aus dem Körper entfernt.Die Homöostaseleistungen der Niere beeinflussen das innere Milieu des Kör-pers, indem sie Wassergehalt und Ionenkonzentrationen (Natrium, Kalium,Wasserstoff sowie Kalzium, Phosphat und Chlorid) im Körper reguliert.Humorale Aufgaben der Niere führen zur Produktion von: Renin, aktivemVitamin D3 (1,25 Dihydroxyvitamin), Erythropoetin (Näheres s. S. 854) undProstaglandinen und Kininen (Letztere kontrollieren, neben weiteren Ein-flussfaktoren, die renale Hämodynamik [Weitstellung des afferenten Teilsder glomerulären Gefäße], die Reninfreisetzung und die Natrium- und Salz-ausscheidung).

Weiterhin kommt es zum Katabolismus von Peptiden in der Niere. Störungendieser Funktion sind eine der Ursachen für pathologische Eiweißausscheidungdurch die Niere.

1.4 Mikroskopischer Aufbau1.4 Mikroskopischer Aufbau

1.4.1 Nephron1.4.1 Nephron

Die Basiseinheit der Niere ist das Nephron. In jeder menschlichen Niere findensich ca. 1 Millionen Nephrone. Jedes Nephron besteht aus einem Glomerulus(s. S. 848) in der wasserundurchlässigen Bowman-Kapsel und Tubulussegmen-ten mit unterschiedlichen Aufgaben (Abb. I-1.2). Die Glomeruli finden sich nurin der Rinde, die Tubuli sowohl in der Rinde als auch im Mark.Es lassen sich 3 Formen von Nephronen unterscheiden: Äußere kortikale Neph-rone (30 % aller Nephrone) mit kurzen Tubulusabschnitten, die nur wenig inden äußeren Anteil der Medulla eindringen, iuxtamedulläre Nephrone (10 %aller Nephrone) mit langen Tubulusabschnitten, die bis in die Papillen abstei-gen, sowie mittkortikale Nephrone mit langen oder kurzen Tubulusabschnitten(60 % aller Nephrone). Die unterschiedliche Größe der Nephrone hängt von derLänge der Henle-Schleifen ab (s. u.).Der Primärharn (Näheres s. S. 849) wird gebildet, indem zunächst Plasma überdas Glomerulus ultrafiltriert wird. Der Primärharn wird darauf in den Tubuliüber Reabsorption und in geringerem Ausmaß durch Sekretion von Flüssigkeit,Elektrolyten und anderen Stoffen modifiziert. Die verschiedenen Tubulusseg-mente übernehmen dabei unterschiedliche Aufgaben.Der proximale Tubulus (Näheres s. S. 850), der den größten Anteil an Natriumund Wasser rückresorbiert, geht an der Grenze zwischen Rinde und Mark inden absteigenden Anteil der Henle-Schleife über.Die Henle-Schleife (Näheres s. S. 851) – das wichtigste Element, um zu konzen-trieren und hypertonen Urin zu bilden – ist nicht immer von gleicher Länge.

Die äußeren kortikalen Nephrone haben nur kurze Henle-Schleifen, die nichtin die innere Medulla hinabziehen. Der aufsteigende Anteil besteht nur ausdicken Zellen, die aktiven Natriumtransport ermöglichen, um die Funktionder Henle-Schleife aufrechtzuerhalten.An den iuxtamedullären Nephronen finden sich nur lange Henle-Schleifen,die bis in die Papille reichen. Der aufsteigende Schenkel der Henle-Schleife

I Nephrologie846

Die Niere erfüllt 3 Hauptfunktionen:Die renale Ausscheidung von toxischenEndprodukten des Stoffwechsels undMedikamentenHomöostaseleistungen zur Regulationvon Wassergehalt und Ionenkonzentra-tionen im Körperhumorale Aufgaben zur Produktion vonRenin, aktivem Vitamin D3, Erythro-poetin (Näheres s.S 854) und Prosta-glandinen und Kininen.

Störungen des renalen Katabolismus vonPeptiden können zu Eiweißausscheidungführen.

In jeder Niere finden sich ca. 1 Mio.Nephronen bestehend aus den Glomeruli(s. S. 848) in der Rinde und den Tubulus-segmenten in Rinde und Mark (Abb.I-1.2).

Es gibt 3 Formen von Nephronen: Äußerekortikale Nephrone mit kurzen Tubulus-abschnitten, iuxtamedulläre Nephronemit langen Tubulusabschnitten und mitt-kortikale Nephrone mit langen oderkurzen Tubulusabschnitten.

Der Primärharn wird durch Plasmaultra-filtration im Glomerulus gebildet. In denTubuli kommt es dann zur Reabsorptionvon Flüssigkeit und Elektrolyten.

Der proximale Tubulus resorbiert dengrößten Anteil an Natrium und Wasserund geht in die Henle-Schleife über.

Die Henle-Schleife konzentriert den Urinund kann unterschiedlich lang sein:

die äußeren kortikalen Nephrone habennur kurze Henle-Schleifenan den iuxtamedullären Nephronenfinden sich nur lange Henle-Schleifen,die bis in die Papille reichendie mittkortikalen Nephrone haben zurHälfte kurze oder lange Henle-Schleifen.

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dieser Nephrone besteht in der inneren Medulla nur aus einem dünnenAnteil ohne Möglichkeit, aktiv Stoffe transportieren zu können. Erst im äuße-ren Mark sehen wir wieder dicke gestreckte Segmente, deren Aufbau undFunktion sich nicht von den dicken Tubuli der kortikalen Neurone unter-scheidet.Die mittkortikalen Nephrone haben je zur Hälfte kurze oder lange Henle-Schleifen.

m Merken Merke: Iuxtamedulläre Nephrone tragen in viel höherem Ausmaß als kor-tikale Nephrone zur Wasserrückresorption bei. Kortikale Nephrone sindstärker an exkretorischen und regulativen Aufgaben der Niere beteiligt.

Der distale gewundene Anteil des dicken aufsteigenden Schenkels der Henle-Schleife führt an einer Stelle wieder zum Glomerulus des Nephrons zurück.Er legt sich an die afferente und efferente Arteriole an. In diesem Bereich wur-den spezialisierte Zellen ausgebildet, die den iuxtaglomerulären Apparat(Näheres s. S. 852) bilden: die Macula-densa-Zellen im Tubulussegment,sowie iuxtaglomeruläre Zellen im Glomerulusgefäß. Über den distalen Tubulusund die Sammelrohre (s. S. 853) fließt der Harn zum Nierenbecken.

Gefäßversorgung Gefäßversorgung

Das zuführende Gefäß (Vas afferens) des Glomerulus entspringt aus einerA. interlobularis. Gefäße, die aus den Glomeruli hinausziehen (Vasa efferentia),versorgen mit immer noch sauerstoffreichem Blut Tubuli und Nierengewebeüber spezialisierte Kapillarnetze: Aus den kortikalen Glomeruli gelangt dasBlut in das peritubuläre Kapillarnetz der Rinde, das die kortikalen Tubuliumspinnt (Abb. I-1.2).Aus den iuxtamedullären Glomeruli entspringen die Gefäße zur Versorgung desMarks. Diese kapillaren Gefäße, Vasa recta, ziehen oft ganz bis zur Papillen-spitze, um dann in umgekehrter Richtung wieder aufzusteigen. Es gibt zahlrei-che Querverbindungen zwischen ab- und aufsteigendem Schenkel. Die beson-dere Gefäßarchitektur des Marks ist von großer funktioneller Bedeutung fürdie Fähigkeit der Niere zur Harnkonzentrierung. Über das Gegenstromprinziperzeugt die Niere zur Papillenspitze hin einen erheblichen osmotischen Gra-dienten (s. u.), der „ausgewaschen“ würde, wäre das Mark mit einem normalenKapillarnetz versorgt (die steigende Osmolalität zur Papillenspitze hin würdesich mit einem nichtgegenläufig orientierten Kapillarnetz nicht ausbilden, dadie Träger der interstitiellen Osmolalität (in erster Linie NaCl und Harnstoff)sich nicht anreichern, sondern fortgeschwemmt würden, somit die gesamteMedulla die gleiche Osmolaliät wie das Blut hätte).

1 Anatomie und Physiologie 847

I-1.2I-1.2 Aufbau (a) und Blutversorgung (b) der kortikalen undiuxtaglomerulären Nephrone

Der distale Anteil der Henle-Schleifeführt zum iuxtaglomerulären Apparat(s. S. 852) mit Macula-densa-Zellen imTubulussegment und iuxtaglomerulärenZellen im Glomerulusgefäß. Über dendistalen Tubulus und die Sammelrohre(s. S. 853) fließt der Harn zum Nieren-becken.

Das Vas afferens entspringt aus einerA. interlobularis. Die Vasa efferentiaversorgen Tubuli und Nierengewebe überspezialisierte Kapillarnetze (Abb. I-1.2).

Aus den iuxtamedullären Glomerulientspringen die markversorgenden Vasarecta mit ab- und aufsteigendemSchenkeln. Über das Gegenstromprinziperzeugt die Niere zur Papillenspitze hineinen erheblichen osmotischen Gradienten(s. u.).

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Der Aufbau des medullären Kapillarnetzes bringt aber auch ein gravierendesProblem mit sich: Im Mark nimmt eine gewisse Hypoxie des Gewebes zurPapillenspitze immer mehr zu, da Sauerstoff in der Medulla überall frei vonden arteriellen und zu den venösen Vasa recta diffundieren kann. Dies dürfteein Grund sein, warum im inneren Mark und im aufsteigenden Teil der Henle-Schleife keine tubulären Zellen zu finden sind, die unter Sauerstoffverbrauchaktiv Stoffe transportieren können, sondern nur dünne Segmente mit flachemEndothel. Selbst die Zellen des proximalen Tubulus und des dicken Anteiles deraufsteigenden Henle-Schleife im äußeren Mark, die aktiv Natrium und andereStoffe aus dem Tubuluslumen in das Interstitium schleusen, sind unter physio-logischen Bedingungen nur eben ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Vermin-dert sich die renale Perfusion zu stark, sterben Zellen besonders in diesenTubulussegmenten ab (p akute Tubulusnekrose, s. S. 889).

GlomerulusGlomerulus

Das Kapillarknäuel liegt in der Bowman-Kapsel. Die Bowman-Kapsel besitzt 2Schichten. Das äußere Blatt der Bowman-Kapsel umschließt das gesamte Nie-renkörperchen. Die spezialisierten Zellen des inneren Blattes der Bowman-Kap-sel werden als Podozyten bezeichnet. Die Podozyten (Fußfortsätze) verzweigensich stark. Dadurch entsteht eine Schlitzmembran, die vollständig die Basal-membran der Glomeruluskapillaren von der Außenseite bedeckt. Die Podozy-ten bilden somit das Epithel der Glomeruluskapillaren, dessen Basalmembranmit der Basalmembran der Gefäßendothelien breit verschmilzt (Abb. I-1.3).Die Endothelien der glomerulären Kapillaren sind stark gefenstert und somitstärker durchlässig als andere Endothelien des Gefäßsystems. Sie besitzeneine relativ dicke Basalmembran, der mechanische Barrierenfunktionen zuge-schrieben werden. Die Kapillaren sind im Inneren des Glomerulus und amGefäßpol auch außerhalb teilweise von Mesangiumzellen umschlossen. DieseZellen können bei Kontraktion die Filtrationsoberfläche der Glomeruluskapil-laren verringern.

I Nephrologie848

I-1.3 Der Glomerulus

a Übersichtsschema eines Glomerulus mit Lage der afferenten und efferenten Arteriole.b Detailzeichnung zu den Poren im Endothel und Filtrationsschlitzen zwischen den Podozytenfüßchen

(sie spielen eine wichtige Rolle für die Bildung des Primärharns und die Proteinselektivität der glomerulären Kapillaren).c Schematische Querschnittszeichnung: Die kapillaren Endothelzellen können in direkten Kontakt (roter Pfeil) mit dem Mesan-

gium treten, da die Basalmembran (dünne schwarze Linie) die Kapillargefäße nicht vollständig umgibt, sondern die Gefäßwandder glomerulären Kapillaren teilweise über Mesangiumzellen gebildet wird (weiterer Hinweis für die enge morphologische undfunktionelle Verbindung von glomerulären Kapillaren und Mesangium).Epitheliale Zellen (äußeres und inneres Blatt der Bowman-Kapsel) (braun), Endothelzellen (gelb), Mesangiumzellen (rot),Matrix (blau)

Im Mark nimmt die Hypoxie des Gewebeszur Papillenspitze hin zu, da Sauerstoffvon den arteriellen zu den venösen Vasarecta diffundieren kann. Daher sind iminneren Mark keine tubulären Zellen zufinden, die Sauerstoff verbrauchen. Selbstdie Zellen des proximalen Tubulus und deraufsteigenden Henle-Schleife im äußerenMark sind nur eben ausreichend mitSauerstoff versorgt und bei Perfusions-minderung besonders gefährdet (p akuteTubulusnekrose, s. S. 889).

Das Kapillarknäuel liegt in der Bowman-Kapsel, deren äußeres Blatt das Nieren-körperchen umschließt. Die spezialisier-ten Zellen des inneren Blattes derBowman-Kapsel heißen Podozyten undbilden das Epithel der Glomerulus-kapillaren (Abb. I-1.3).

Die Endothelien der glomerulären Kapil-laren sind besonders durchlässig undbesitzen eine dicke Basalmembran. DieKapillaren sind teilweise von Mesangium-zellen umschlossen, die durch Kontraktiondie Filtrationsoberfläche verringernkönnen.

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Primärharnbildung: Zwischen innerem und äußerem Blatt der Bowman-Kapselentsteht ein schmaler Spalt, über den der filtrierte Anteil des Blutplasmas inden sich anschließenden proximalen Tubulus strömt. Pro Minute fließen unge-fähr 500–800 ml Plasma durch die Glomeruli (renaler Plasmafluss). 90–120 ml/min (20 % des Plasmaflusses) werden dabei filtriert (glomeruläre Filtrations-rate, GFR). So werden täglich 180–200 l Primärharn gebildet. Davon werden80–90 % bereits in den proximalen Tubuli rückresorbiert.

Einflüsse auf den Filtrationsdruck: Als entscheidend für die Filtrationsleistungder Niere erweist sich die Druckdifferenz zwischen Kapillaren und Bowman-Kapsel, die sich im Wesentlichen aus dem arteriellen Perfusionsdruck unddem kolloidosmotischen Druck zusammensetzt (Abb. I-1.4).Die Filtrationsleistung der Glomeruli wird humoral unterstützt. Prostaglandinestellen die afferente Arteriole im Glomerulus weit, Angiotensin II wirkt auf dasafferente wie efferente Gefäß. Diese Effekte bewirken, dass sich der bestmögli-che Filtrationsdruck im Glomerulus einstellt.

m Merken Merke: Medikamente wie nichtsteroidale Antiphlogistika, die Prostaglan-dine inhibieren und Hemmstoffe von Angiotensin II (z. B. ACE-Hemmer,AT1-Rezeptoren-Blocker) können daher die glomeruläre Hämodynamiknachhaltig beeinflussen.

physiologisch: Während der Passage durch das Glomerulum nimmt der Per-fusionsdruck praktisch nicht ab. Da aber Ultrafiltrat abgepresst wird, dasPlasmaproteine in den Kapillaren zurücklässt, steigt während der Kapillar-passage kontinuierlich die Albuminkonzentration und somit der kolloidos-motische Druck in den Glomeruluskapillaren. Damit sinkt der effektive Fil-trationsdruck und erreicht schon auf halber Länge der Glomeruluskapillareden Wert Null (Filtrationsgleichgewicht). Über die verbleibende Länge desGlomerulus wird nicht mehr filtriert.pathologisch: Kommt es zu Albuminverlust über die Niere, kann sich dasBild ändern: Die geringere Albuminkonzentration führt schon primär zueinem viel geringeren kolloidosmotischem Druck, der erst gegen Ende derintraglomerulären Kapillargefäße so stark angestiegen ist, dass es zu einemFiltrationsgleichgewicht zwischen renalem Perfusiondruck und kolloidosmo-tischem Druck in den Glomeruli kommen kann. Dies führt im Allgemeinennicht zu einer dauerhaften glomerulären Hyperfiltration, kann aber dafürsorgen, dass trotz pathologisch veränderter Glomeruli eine beinahe normaleglomeruläre Filtrationsleistung zu bestehen scheint, die bei Ausgleich desAlbumindefizites zurückgeht, somit den tatsächlichen krankhaften Zustandmit eigentlich geminderter Filtrationsleistung demaskieren würde. Eine sol-che Situation findet sich beim nephrotischen Syndrom.

1 Anatomie und Physiologie 849

I-1.4I-1.4 Angaben der Größenordnungen zu den verschiedenen Druckgradienten,die den glomerulären Filtrationsdruck beeinflussen

Primärharnbildung: Pro Minute fließenca. 500–800 ml Plasma durch die Glome-ruli (renaler Plasmafluss). 90–120 ml/minwerden dabei filtriert (glomeruläreFiltrationsrate, GFR). Täglich werden180–200 l Primärharn gebildet.

Einflüsse auf den Filtrationsdruck: Ent-scheidend für die renale Filtrationsleis-tung ist die Druckdifferenz zwischenKapillaren und Bowman-Kapsel, die sichaus arteriellem Perfusionsdruck und demkolloidosmotischem Druck zusammen-setzt (Abb. I-1.4). Die Filtration wirdhumoral durch Prostaglandine undAngiotensin II unterstützt.

physiologisch: Während der Passagedurch das Glomerulum nimmt der Per-fusionsdruck nicht ab. Durch Ansteigendes kolloidosmotischen Druckes sinktjedoch der effektive Filtrationsdruckschon auf halber Kapillarlänge auf Null(Filtrationsgleichgewicht).

pathologisch: Renaler Albuminverlustbewirkt erst am Kapillarende ein Filtra-tionsgleichgewicht. Dadurch kann trotzpathologisch veränderter Glomeruli einebeinahe normale GFR zu bestehenscheinen, die bei Ausgleich des Albu-mindefizites zurückgeht. Diese Situationfindet sich beim nephrotischenSyndrom.

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Proteinselektivität: Die Endothelzellen wie auch die Epithelzellen (Podozyten)der glomerulären Kapillaren sind maßgeblich in die Proteinselektivität des glo-merulären Filtrationsprozesses eingebunden. 2 Umstände tragen dazu bei:

Die Kapillarwand besitzt eine ladungsabhängige, elektrostatische Barriere.Diese ist vorrangig den innen gelegenen Endothelzellen und der glomerulä-ren Basalmembran zuzuschreiben. Durch ihre negative Ladung verhindert sieden Durchtritt anionischer Proteine.Die zweite Barriere ist eine Größenbarriere. Sie wird den Schlitzdiaphragmenzugeschrieben, die sich zwischen den Fußfortsätzen der (die Kapillaren vonaußen umkleidenden) Podozyten befinden.

Moleküle mit einem Molekulargewicht (MW) i 80 kD passieren den glomeru-lären Filter normalerweise gar nicht. Albumin (MW 67 kD) wird aufgrund sei-ner Größe und seiner negativen Ladung ebenfalls fast komplett zurückgehal-ten. Täglich werden etwa 150–200 mg Albumin filtriert. Davon werden wie-derum ca. 90 % tubulär rückresorbiert (nur 15–20 mg/d erscheinen im End-harn). Niedermolekulare Proteine zwischen 10 und 45 kD werden mit einerRate filtriert, die zwischen 1–80 % der GFR liegt (ca. 98 % werden im proximalenTubulus rückresorbiert, nur 50–80 mg/d erscheinen im Endharn).

nMerken Merke: Die normale Gesamt-Eiweißausscheidung im Urin liegt I 150mg/d. Dabei sind etwa 10–15 % des Eiweißes Albumin, 40–50 % kleinmoleku-lare Eiweiße und 40–50 % Tamm-Horsfall-Protein (wird im distalen Tubulusproduziert und sezerniert).

Eine Schädigung oder Veränderung der podozytären Schlitzmembran führtnicht nur zu einer unselektiven Proteinausscheidung, sondern beeinflusstunabhängig davon wahrscheinlich die Progression von Niereninsuffizienzen.

Proximaler TubulusProximaler Tubulus

Der proximale Tubulus ist das Arbeitssegment des Tubulussystems (s. auchAbb. I-1.2, S. 847), in dem 80 % der Flüssigkeit des Primärharns rückresorbiertwerden.Kennzeichnend für den proximalen Tubulus sind Epithelzellen im Lumen, dieeine hohe Anzahl von Mikrovilli ausgebildet haben (p intraluminale Rückre-sorptionsfläche erhöht). Flüssigkeit wird in der Pars convoluta in die peritubu-lären Kapillaren rückresorbiert. Dieser Flüssigkeitsrückstrom ist abhängig voneinem aktiven Natriumtransport aus dem Tubuluslumen in das Blut, der überNa+/K+-ATPase aufrechterhalten wird. Der aktive basolaterale Natriumtrans-port ermöglicht luminal den passiven Eintritt von Flüssigkeit und Stoffen indie tubulären Epithelzellen (Tab. I-1.1).

I Nephrologie850

I-1.1 Rückresorption aus dem proximalen Tubulus

Bestandteiledes Primärharns

rückresorbierter Anteilaus dem Primärharn

Anmerkungen

NaCl, H2O ca. 75 % isotonische Rückresorption: die Flüssigkeit, die den Tubulus verlässt,hat die gleiche Osmolarität wie das glomeruläre Ultrafiltrat

Glukose undAminosäuren

100 % Rückresorption sekundär über Kotransporter, die vom transtubulären Natrium-gradienten abhängen

Kalium ca. 65 %

Harnstoff ca. 50 %

Phosphat ca. 80 % Parathormon reduziert im proximalen Tubulus die Rückresorption von Phosphat,fördert somit die Phophatausscheidung. Gleichzeitig steigert allerdings PTH dieAufnahme von Phosphat aus Darm und die Freisetzung aus dem Knochen. Unterphysiologischen Bedingungen ändert sich der Serumphophatspiegel daher nicht.

Proteinselektivität: Die glomerulärenEndothel- und Epithelzellen sind in dieProteinselektivität der glomerulären Fil-tration eingebunden. Eine ladungs-abhängige, elektrostatische Barriere derKapillarwand verhindert den Durchtrittanionischer Proteine. Eine Größenbarriereentsteht durch Schlitzdiaphragmenzwischen den Podozyten.

Moleküle i 80 kD passieren den glome-rulären Filter i. d. R. nicht. Auch Albumin(67 kD) wird fast komplett zurückgehal-ten. Niedermolekulare Proteine (10–45kD) werden zu 1–80 % der GFR filtriert.

Eine Schädigung der podozytärenSchlitzmembran führt zu unselektiverProteinausscheidung und zur Progressionvon Niereninsuffizienzen.

Im proximalen Tubulus (s. Abb. I-1.2,S. 847) werden 80 % der Flüssigkeit desPrimärharns rückresorbiert.

Die Epithelzellen im proximalen Tubulussind reich an Mikrovilli. Der Flüssigkeits-rückstrom ist abhängig von einem aktivenNatriumtransport aus dem Tubuluslumenin das Blut, der über Na+/K+-ATPaseaufrechterhalten wird (Tab. I-1.1).

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Henle-Schleife Henle-Schleife

Sie dient hauptsächlich dazu, Wasser rückzuresorbieren. Die absteigendenSchenkel der Henle-Schleife, die gerade in Richtung der Nierenpapillen ziehen,sind sehr gut durchlässig für Wasser. Diffundiert Wasser (H2O) entlang diesesTubulussegments in das Niereninterstitium, verbleiben osmotisch wirksamePartikel in steigender Konzentration im Lumen zurück (Abb. I-1.5). Wasserkann daher über die gesamte Länge des absteigenden Schenkels der Henle-Schleife nur dann diffundieren, wenn auch im renalen Interstitium die Osmo-larität in Richtung Nierenpapillen ständig zunimmt. Dies ist durch die in Abb.I-1.5 gezeigten Mechanismen möglich.Die Interaktion der verschiedenen Anteile der Henle-Schleife wird auch alsGegenstrom-Mechanismus bezeichnet. Dieser Mechanismus sorgt nicht nurdafür, dass effektiv Wasser in diesem Teil des Tubulussystems rückresorbiertwird, sondern am Ende der Henle-Schleife ein hypotoner Urin entsteht.Die dünnen Anteile des aufsteigenden Schenkels der medullären Henle-Schleife haben keine Möglichkeit zu einem aktiven Transport osmotisch wirk-samer Partikel wie Na+ und Cl–. Hier kann es aber trotzdem zu einer Flüssig-keitsrückresorption über die langen Nephrone im Nierenmark kommen(Details s. Abb. I-1.6).Die Kenntnisse der oben geschilderten komplexeren physiologischen Vorgängesind wichtig, um zu verstehen, warum es nach schwerem Nierenversagen zueiner ersten polyurischen Erholungsphase kommt: das Nierenmark wurde aus-gewaschen, die verschiedenen Gradienten, die zur Flüssigkeitsresorption füh-ren, müssen sich erst wieder aufbauen. Dies dauert im Allgemeinen nicht län-ger als 6 Tage. Länger fortbestehende Polyurien sind meist iatrogen, durch er-höhte Flüssigkeitszufuhr induziert. Werden Infusions- oder Trinkmengen indieser Situation zügig schrittweise reduziert, stellt sich in der Regel Normurieein.

1 Anatomie und Physiologie 851

I-1.5 Passive Wasserdiffusion und aktiver NaCl-Transport in das Interstitium an kortikalen Henle-Schleifen(ohne dünnen aufsteigenden Anteil)

Der kontinuierliche Entzug von Flüssigkeit aus dem Lumen deswasserdurchlässigen Henle-Segments führt dazu, dass an der Spitzeder Henle-Schleife intraluminal eine sehr hohe Konzentrationosmolar wirksamer Teilchen besonders in Form von NaCl entsteht.Tritt nun die Tubulusflüssigkeit in den aufsteigenden dicken Schen-kel der Henle-Schleife ein, der aktiv NaCl in das renale Interstitiumtransportieren kann, stehen besonders viele Na+- und Cl–-Ionen zumaktiven Transport dort zur Verfügung, wo sie am dringendstengebraucht werden, um die hohe Osmolarität aufrechtzuerhalten:in der Nähe der Spitzen der kortikalen Henle-Schleifen. Fließt Flüs-sigkeit den aufsteigenden Anteil der Henle-Schleife entlang, werdennach und nach die Konzentration von Na+- und Cl–-Ionen absinken,weniger in das Interstitium transportiert werden können, dessenOsmolarität langsam abnimmt. In diesen Bereichen wird aber aucheine geringere Osmolarität benötigt, um die Diffusion von Wasseraus dem absteigenden Anteil der Henle-Schleife aufrechtzuerhalten:da aus dem absteigenden Schenkel noch nicht so viel Flüssigkeit indas Interstitium übergetreten ist, kann die Teilchenkonzentrationinnerhalb des Tubuluslumens noch nicht so stark ansteigen. Dieintraluminale Osmolarität ist somit noch nicht so hoch wie imBereich der Spitze der Henle-Schleife. Wasser diffundiert daher schonbei geringerer interstitieller Osmolarität aus dem absteigendenSchenkel.

Sie dient der Wasserrückresorption inden absteigenden Schenkeln. BeiWasserdiffusion in das Niereninterstitiumverbleiben osmotisch wirksame Partikelin steigender Konzentration im Lumen(Abb. I-1.5). Damit Wasser diffundierenkann, muss also im renalen Interstitiumdie Osmolarität in Richtung Papillenzunehmen.

Der Gegenstrom-Mechanismus sorgtdafür, dass effektiv Wasser rückresorbiertwird und am Ende der Henle-Schleifehypotoner Urin entsteht.

In den dünnen Anteilen des aufsteigen-den Schenkels der medullären Henle-Schleife gibt es keinen aktiven Na+- undCl–-Transport (s. Abb. I-1.6).

Bei schwerem Nierenversagen kommt eszur polyurischen Erholungsphase, weil dieGradienten für die Flüssigkeitsresorptionüber ca. 6 Tage wieder aufgebaut werdenmüssen. Längere Polyurien sind meistdurch erhöhte Flüssigkeitszufuhr induziert.

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Distaler TubulusDistaler Tubulus

Der distale Tubulus (s. auch Abb. I-1.2, S. 847) reabsorbiert ungefähr 5 % dergesamten gefilterten Natriummenge. Die Reabsorption ist abhängig von derAktivität einer basolateralen Na+-K+-ATPase. Aldosteron erhöht im distalenTubulus die Natrium- und Chloridresorption und fördert die Sekretion vonKalium und Protonen.Ähnlich wie in der Henle-Schleife ändert sich die Natriumreabsorption im dis-talen Tubulus mit der Natriummenge im Tubuluslumen. Somit erhöht sich dieNatriumresorption, wenn höhere Natriummengen dieses Tubulussegmenterreichen.Klinisch relevant wird dieser Mechanismus, wenn vermehrt Natrium in den dis-talen Tubulus gelangt, weil Schleifendiuretika die Natriumresorption in derHenle-Schleife inhibieren. Unter diesen Umständen steigt die Natriumresorp-tion im distalen Tubulus drastisch an, es kommt zur tubulären Hypertrophieund einer adaptiven Erhöhung der Na+-K+-ATPase Aktivität, um das zusätzlichanflutende Natrium in das Kreislaufsystem zurückzuholen. Diese Adaptionsvor-gänge können dazu führen, dass bei manchen ödematösen Patienten die Wir-kung von Schleifendiuretika stark nachlässt. Dieser Schwierigkeit kann oftbegegnet werden, wenn noch ein Thiaziddiuretikum verschrieben wird.Im distalen Tubulus wird kaum Wasser reabsorbiert, da die Wasserpermeabi-lität hier nur gering ist. Deshalb trägt der distale Tubulus zur Urinverdünnungbei, weil eine Rückresorption von Natrium, ohne dass Wasser mit ins renaleInterstitium diffundiert, dazu führt, dass die Osmolarität der tubulären Flüssig-keit abnimmt.

Iuxtaglomerulärer ApparatIuxtaglomerulärer Apparat

Die glomeruläre Filtration wird mit hoher Präzision autoreguliert. Dazu tragen2 Mechanismen bei:

vasodilatatorischer Feedbackmechanismus der afferenten Glomerulusarte-riolevasokonstriktorischer Feedbackmechanismus der efferenten Glomerulus-arteriole.

Jeder dieser beiden Mechanismen reagiert auf die Zusammensetzung der Flüs-sigkeit im distalen Tubulus, um über entsprechende Einflüsse auf die afferenteoder efferente Arteriole die GFR zu beeinflussen. Diese beiden Feedback-Me-chanismen werden als tubuloglomeruläres Feedback bezeichnet, dessen anato-misch-physiologisches Substrat der iuxtaglomeruläre Apparat bildet.

I Nephrologie852

I-1.6 Osmotische Vorgänge im dünnen aufsteigenden Teil der Henle-Schleife

Ionen werden über die dicken Anteile der aufsteigenden Segmenteder kortikalen und iuxtamedullären Henle-Schleifen in das Inter-stitium transportiert, durch den papillär gerichteten Blutstrom derVasa recta werden sie auch in die Medulla gespült und somit auchdort die interstitielle Osmolarität ansteigen lassen. Zusätzlichwerden in gewissem Umfang auch Natrium und Chloridionen überdas Sammelrohrsystem direkt in die Medulla transportiert. Anti-diuretisches Hormon (ADH) führt nicht nur dazu, dass über Was-serkanäle (Aquaporine) Wasser in das Interstitium eindringen kann,sondern ermöglicht auch sekundär Harnstoff über die Sammelrohrein das Nierenmark zu diffundieren, womit es zu einem weiterenAnstieg der medullären Osmolarität kommt. Hohe Harnstoffkon-zentrationen in der Medulla begünstigen schließlich den passivenTransport von Na+- und Cl–-Ionen aus dem dünnen Anteil des auf-steigenden Schenkels der Henle-Schleifen in das medulläre Inter-stitium: Hohe medulläre Harnstoffkonzentrationen führen zu star-ker Diffusion von Wasser aus dem absteigenden Schenkel der lan-gen medullären Henle-Schleifen. Im dünnen aufsteigenden Anteilsteigt dadurch die Natrium- und Chloridkonzentration kräftig an:Natrium und Chlorid diffundieren als Folge in das Interstitium.

Der distale Tubulus (Abb. I-1.2, S. 847)reabsorbiert 5 % der gesamten gefilter-ten Na+-Menge über die Na+-K+-ATPase.Aldosteron erhöht die Na+- und Cl–-Resorption sowie die K+- und H+-Sekretion.

Die Na+-Resorption ist bei höherenNatriummengen erhöht.

Wird die Na+-Resorption durch Schleifen-diuretika inhibiert, steigt die Resorptionim distalen Tubulus drastisch an. Eskommt zur tubulären Hypertrophie undeiner adaptiven Erhöhung der Na+-K+-ATPase-Aktivität. Bei nachlassenderWirkung von Schleifendiuretika helfenThiaziddiuretika.

Der distale Tubulus trägt zur Urinver-dünnung bei. Durch Na+-Resorption ohneWasserdiffusion nimmt die Osmolaritätder tubulären Flüssigkeit ab.

Die Autoregulation der glomerulärenFiltration beruht auf einem vasodilatato-rischen Feedbackmechanismus des Vasafferens und einem vasokonstriktorischendes Vas efferens.

Die Mechanismen reagieren auf dieZusammensetzung der Flüssigkeit imdistalen Tubulus. Sie werden als tubulo-glomeruläres Feedback bezeichnet.

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1 Anatomie und Physiologie 853

I-1.7I-1.7 Aufbau des iuxtaglomerulären Apparates

Aufbau des iuxta-glomerulärenApparats mit denAnteilen dertubuloglomeru-lären Feedback-Mechanismen undder zusätzlichensympathischenInnervation deriuxtaglomerulärenreninhaltigenZellen.

Der iuxtaglomeruläre Apparat (Abb. I-1.7) besteht aus einem Abschnitt des dis-talen Tubulus, der sich in den Winkel zwischen afferenter und efferenter Glo-meruluskapillare schmiegt. Die epithelialen Zellen des distalen Tubulus, diedabei in Kontakt mit den arteriolären Gefäßabschnitten treten, sind dichter aus-gebildet. Sie werden als Macula densa bezeichnet und können über verschie-dene Substanzen (z. B. NO) Signale an die anliegenden arteriolären Zellen ab-geben. Diese Zellen erscheinen morphologisch geschwollen; sie bilden Renin.Bei niedriger GFR werden im Tubulussystem große Mengen Natrium undChlorid rückresorbiert, deshalb verringert sich die Ionenkonzentration an derMacula densa. Die Macula-densa-Zellen fungieren als Sensoren, die Änderun-gen des Chlorid-Anstroms im spättubulären Harn detektieren („Chlorid-Sensor“). Es kommt nun zu 2 Reaktionen:

Über die Macula-densa-Zellen wird eine Vasodilatation der afferenten Glo-meruluskapillare induziert.Die Macula-densa-Zellen vermitteln eine vermehrte Ausschüttung von Reninaus den iuxtaglomerulären Zellen. Angiotensin II, das nun gebildet wird,konstringiert die efferente Arteriole, die einen hohen Angiotensinrezep-torbesatz aufweist.

Weitstellung der afferenten und Engstellung der efferenten Arteriole erhöhenden intraglomerulären Druck und damit die GFR. Renin aus den iuxtaglomeru-lären Zellen wird zusätzlich noch durch sympathische Innervation überb-Rezeptoren kontrolliert, um über diesen Mechanismus eine Einflussnahmedes Herz-Kreislauf-Systems auf glomeruläre Vorgänge möglich zu machen.

m Merken Merke: Der iuxtaglomeruläre Apparat nimmt als komplexe glomerulär-tubuläre Struktur Einfluss auf die Gefäßkonstriktion von afferenter und effe-renter Glomeruluskapillare, um die GFR zu beeinflussen. Dieser wichtigeautoregulatorische Steuermechanismus der Niere wird als tubuloglomeru-läres Feedback bezeichnet.Standardtherapien von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Aspirin und ACE-Hemmern oder AT1-Rezeptorinhibitoren beeinflussen die glomeruläre Auto-regulation oder können diese potenziell sogar ausschalten: die fehlende Wir-kung von Angiotensin II hemmt die Vasokonstriktion der efferenten Glome-ruluskapillare, Aspirin inhibiert die vasodilatorischen Effekte von Prostaglan-dinen auf den afferenten Anteil der Glomeruluskapillare.

Sammelrohrsystem Sammelrohrsystem

Das Sammelrohrsystem nimmt den Primärharn aus bis zu 8 Nephronen auf. Indiesen Segmenten kommt es zur Feinregulierung der Harnmenge, die schließ-lich ausgeschieden wird. Das Epithel der Sammelrohre ist normalerweisewenig durchlässig für Wasser. ADH sorgt dafür, dass diese Permeabilitätdurch den Einbau von Aquaporinen (AQP2) in die Plasmamembran gesteigert

Der iuxtaglomeruläre Apparat (Abb.I-1.7) besteht aus einem Abschnitt desdistalen Tubulus zwischen Vas afferensund Vas efferens. Die dichten Epithelzellendes distalen Tubulus (Macula densa)können Signale an die reninbildendenArteriolenzellen geben.

Die Macula-densa-Zellen fungieren alsSensoren für Änderungen des Chlorid-Anstroms („Chlorid-Sensor“). Wenn beiniedriger GFR die Ionenkonzentration ander Macula densa sinkt, induziert sie eineVasodilatation der afferenten Glomeru-luskapillare und eine vermehrteAusschüttung von Renin.

Weitstellung der afferenten und Engstel-lung der efferenten Arteriole erhöhen denintraglomerulären Druck und damit dieGFR. Renin wird zusätzlich durch b-Rezep-toren kontrolliert.

Das Sammelrohrsystem nimmt den Primär-harn auf und dient der Feinregulierung derHarnmenge. Durch ADH wird die Permea-bilität des Sammelrohrepithels gesteigert,Wasser tritt in das hypertone Nierenmarküber. Der Harn wird dadurch konzentriert.

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wird, Wasser tritt in das hypertone Nierenmark über. Über den Konzentrati-ons-Gradienten des Wassers vom Sammelrohr zum Nierenmark findet ein pas-siver Transport über Osmose statt. Der Harn wird dadurch stärker konzentriert.Das Epithel des Sammerohrsystems weist eine gewisse Permeabilität für Harn-stoff auf, die über ADH gesteigert werden kann (s. Abb. I-1.6, S. 852). Die Epi-thelzellen im Sammelrohrsystem sezernieren zudem Protonen gegen einenhohen Wasserstoffionen-Gradienten und spielen daher auch eine Rolle in derKontrolle des Säure-Basen-Haushaltes.

1.5 Hormone und Enzyme –Rolle für die Nierenfunktion

1.5 Hormone und Enzyme –Rolle für die Nierenfunktion

1.5.1 Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS)1.5.1 Das Renin-Angiotensin-

Aldosteron-System (RAAS)

Renin ist ein Enzym, welches das in der Leber gebildete Angiotensinogen inAngiotensin I umwandelt, welches seinerseits durch Angiotensin ConvertingEnzyme (ACE) in Angiotensin II gespalten wird. Angiotensin II spielt einewesentliche Rolle bei der Blutdruckkontrolle sowie Natrium- und Wasseraus-scheidung.Eine erhöhte Sympathikusaktivität sowie eine Minderperfusion der Niere (z. B.Nierenarterienstenose, veränderte Filtrationsraten bei chronischer Nieren-insuffizienz) können die Reninsekretion und damit das RAAS unerwünschtstimulieren (Abb. I-1.9).Neben dem systemischen RAAS gibt es in der Niere wie auch im Herz-Kreis-lauf-System lokale Renin-Angiotensin-Systeme in den Endothelien der Arterio-len. Nachdem Angiotensin II nicht nur ein Vasokonstriktor, sondern auch einWachstumsfaktor und entzündungsförderndes Protein zu sein scheint, ver-schlimmert eine erhöhte Aktivität des RAAS jegliche Strukturschäden an derNiere.

I Nephrologie854

I-1.8 Wichtigste luminale Natrium-Transporter

Allen transportaktiven Tubuluszellen istgemeinsam, dass sie basolateral eineNa+-K+-ATPase exprimieren, die Energieverbraucht, um einen elektrochemi-schen Gradienten zwischen der baso-lateralen Seite (Blut-Kompartiment)und luminalen Seite (tubuläres Fitrat-Kompartiment) aufrechtzuerhalten.Die einzelnen Tubulus-Abschnitteunterscheiden sich aber über luminalgelegene Transportproteine. Es handeltsich dabei um passive Kanäle, die einenStoff-Transport entlang des elektro-chemischen Gradienten zulassen, ohnewie die Na/K-ATPase dabei Energie zuverbrauchen. Von Bedeutung sindeinige dieser Proteine als Angriffspunktverschiedener Diuretika-Klassen.(Anmerkung: Die Natrium-Transportersind hier besonders herausgestellt, dadie Rückresorption des Primärharnsquantitativ unabdingbar von diesenTransportern abhängt und sie darüberhinaus als Angriffspunkte verschiedenerDiuretika klinisch eine Rolle spielen.Zusätzlich sind eine Vielzahl andererspezifischer Transporter vorhanden, diedie Harnzusammensetzung qualitativbeinflussen.)

Die Permeabilität des Sammerohrepithelsfür Harnstoff wird über ADH gesteigert(s. Abb. I-1.6, S. 852).

Renin wandelt Angiotensinogen in AT Ium, das durch ACE in AT II gespalten wird.AT II spielt eine wesentliche Rolle bei derBlutdruckkontrolle sowie Natrium- undWasserausscheidung.

Erhöhte Sympathikusaktivität oder Min-derperfusion der Niere können das RAASunerwünscht stimulieren (Abb. I-1.9).

Neben dem systemischen RAAS gibt eslokale Renin-Angiotensin-Systeme in denEndothelien der Arteriolen. Angiotensin istauch ein proinflammatorischer Wachs-tumsfaktor.

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Da Nierenerkrankungen mit Funktionseinschränkungen meistens mit einer er-höhten Sympathikusaktivität, glomerulären Minderperfusion sowie häufig ver-ändertem Tubulusfiltrat einhergehen, sind erhöhte renale Angiotensin-II-Spie-gel letztlich unvermeidlich. Dabei spielen nicht zuletzt die erwähnten gefäß-ständigen Systeme in den Endothelien eine große Rolle: Bei schwerer chro-nischer Niereninsuffizienz lässt sich schließlich nur noch eine geringe Aktivitätdes plasmatischen RAAS nachweisen, die gewebsständigen Systeme sind aberintrarenal (und im Herz-Kreislauf-System) weiterhin aktiviert und unterhalteneine fortschreitende Gefäßzerstörung.Die vielfältigen Wirkungen, die Angiotensin II auf die Funktion und Strukturder Niere ausübt, lässt es sinnvoll erscheinen, bei Nierenkrankheiten möglichstfrüh Hemmstoffe von Angiotensin II zu verschreiben: Zum einen führt die Sen-kung eines systemisch erhöhten Blutdruckes zu einer verbesserten glomeru-lären Hämodynamik, zum anderen können sich Gewebsschäden, die durchAngiotensin II vermittelt wurden, nach einiger Zeit bessern. Dies zeigt sichim Verlauf häufig an einer geringeren Eiweißausscheidung durch die Niere.

1.5.2 Erythropoetin 1.5.2 Erythropoetin

Erythropoetin liefert den Hauptstimulus der Erythropoese im Knochenmark, daes direkt auf die erythroiden Vorläuferzellen im Knochenmark wirkt. Einmalaktiviert differenzieren diese Zellen zu Normoblasten und später Erythrozyten.Erythropoetin wird zu 90 % in der Niere gebildet (10 % der Produktion erfolgenin der Leber). Die Endothelzellen des peritubulären Kapillarbettes sind wahr-scheinlich die wichtigste Produktionsstätte. Der renale Sensor zur Stimulationder Erythropoetinbildung dürfte ein Häm-Protein sein, das – sobald es zueinem vermindertem O2-Angebot kommt – eine Konformationsänderungdurchmacht, die zu erhöhten Spiegeln von Erythropoetin mRNA in der Niereführt. Die erhöhte Bildung von Erythrozyten normalisiert den Sauerstoffgehaltdes Blutes dann wieder.Erythropoetin erleichterte die Behandlung von Dialysepatienten, da deren Hb-Abfall nicht mehr durch häufige Bluttransfusionen stabilisiert werden muss.Hauptnebenwirkung von Erythropoetingaben sind unerwünschte Blutdruck-anstiege.

1.5.3 Antidiuretisches Hormon (ADH) 1.5.3 Antidiuretisches Hormon (ADH)

ADH aus dem Hypophysenhinterlappen wird ausgeschüttet, wenn Osmorezep-toren über Änderungen der Osmolarität stimuliert werden. ADH bewirkt, dassin den Sammelrohren vermehrt Flüssigkeit in das Niereninterstitium zurückre-sorbiert wird. ADH (= Vasopressin), ist zudem der stärkste Vasokonstriktor desmenschlichen Organismus.

1 Anatomie und Physiologie 855

I-1.9I-1.9 Renale und systemische Effekte des RAAS

Bei Nierenerkrankungen mit Funktions-einschränkungen sind erhöhte renaleAngiotensin-II-Spiegel oft unvermeidlich.Bei schwerer chronischer Niereninsuffi-zienz lässt sich nur noch eine geringeAktivität des plasmatischen RAASnachweisen.

Bei Nierenkrankheiten ist die möglichstfrühe Verschreibung von Angiotensin-II-Hemmern sinnvoll. Die Blutdrucksenkungverbessert die glomeruläre Hämodynamik.Gewebsschäden durch Angiotensin IIkönnen sich bessern.

Erythropoetin liefert den Hauptstimulusder Erythropoese im Knochenmark.

Erythropoetin wird zu 90 % in der Nieregebildet. Der renale Sensor zur Erythro-poetinbildung ist ein Häm-Protein, dassbei O2-Mangel seine Konformation ändert.

Erythropoetin wird bei Dialysepatienteneingesetzt. Hauptnebenwirkung sindunerwünschte Blutdruckanstiege.

ADH wird aus dem Hypophysenhinter-lappen ausgeschüttet und bewirkt einevermehrte Flüssigkeitsresorption insNiereninterstitium. ADH (= Vasopressin),ist zudem der stärkste Vasokonstriktor.

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Hauptaufgabe von ADH/Vasopressin ist es, das Flüssigkeitsvolumen des Kör-pers konstant zu halten: Bei Verletzung mit Blutverlust geschieht dies übereine Vasokonstriktion, um die Blutung zu unterbinden, bei verminderterFlüssigkeitsaufnahme über vermehrte Rückresorption von Urin aus den Sam-melrohren der Niere.Die Möglichkeit von ADH/Vasopressin bei Volumenverlusten den Gefäßtonuszu beeinflussen, hat eine wichtige Konsequenz: Nicht nur Veränderungender Osmolarität, sondern auch die Stimulation von Baro- und Volumenrezepto-ren des Herz-Kreislauf-Systems und sogar der Leber können die hypophysäreAusschüttung erhöhen, wenn diese Rezeptoren entsprechende Druck- undVolumenveränderungen an das ZNS melden. Dies führt zu der paradoxenSituation, dass bei Herzinsuffizienz trotz Überwässerung große Mengen anADH/Vasopressin sezerniert werden. Von den Osmorezeptoren gehen unterdiesen Bedingungen sinnvollerweise keinerlei Stimuli an die Hypophysemehr aus, ADH auszuschütten: die Patienten sind überwässert, die Osmolaritäterniedrigt. Die Druck- und Volumenrezeptoren des Kreislaufsystems aber füh-ren bei Herzinsuffizienz zur falschen „Informationslage“, die Volumenhomö-ostase sei gefährdet. ADH/Vasopressin wird sezerniert, verschlimmert dieVolumenüberladung, die dieses Krankheitsbild bei eingeschränkter Nierenper-fusion mitprägt, noch einmal beträchtlich. Leider können ADH-Antagonisten,die von verschiedenen Firmen im letzten Jahr Jahrzehnt entwickelt wurden,bisher noch nicht im klinischen Alltag routinemäßig eingesetzt werden.

1.5.4 Parathormon (PTH), Vitamin D1.5.4 Parathormon (PTH), Vitamin D

Steigende Kalziumspiegel inhibieren, fallende Kalziumwerte stimulieren diePTH-Ausschüttung und führen somit zur direkten homöostatischen Regulationdes Kalziums. Vermehrt gebildetes Vitamin D3 inhibiert ebenfalls die PTH-Se-kretion aus den Nebenschilddrüsen. Dies führt zu einer antagonistischen Regu-lation des Phosphates über PTH und Vitamin D: Höhere PTH-Spiegel im Blutfördern zum einen die Nettoausscheidung von Phosphat über die Niere. Ande-rerseits wird vermehrt Vitamin D3 produziert, das die Phosphatrückresorptionaus dem Darm kompensatorisch ansteigen lässt. Höhere Vitamin-D-Spiegelunterdrücken jetzt die PTH-Ausschüttung. Nun abfallende PTH-Spiegel sorgenaber dafür, dass weniger Vitamin D3 in der Niere entsteht. Die PTH-Spiegelsteigen daher wieder an, mehr Phosphat verlässt den Körper über die Niere,weniger Phosphat kann über den Darm resorbiert werden, bis die erneutangestiegenen Vitamin-D-Konzentrationen die Verhältnisse wieder wenden(s. auch Abb. H-3.1, S. 773).Diese Zusammenhänge zu verstehen, ist wichtig, wenn Störungen des Kalzi-um- und Phosphatstoffwechsels bei nierenkranken Patienten rational behan-delt werden sollen: Bei chronischer Niereninsuffizienz kommt es zum Unter-gang von Nephronen. PTH kann daher weder Kalzium über die Niere rückresor-bieren noch die Bildung von Vitamin D3 induzieren: Kalzium im Serum fällt ab,gleichzeitig steigt PTH kräftig an, da seine Ausschüttung weder durch ausrei-chende Kalziumspiegel noch Vitamin D gehemmt wird. Hohe PTH-Spiegel sor-gen aber für starke Resorptionsvorgänge an den Knochen, die nicht unbehan-delt bleiben dürfen. Die Gabe von Kalzium und Vitamin-D-Analoga senkt denPTH-Spiegel, bewirkt eine Normalisierung des Serumkalziums und verhindertpathologischen Knochenabbau.

I Nephrologie856

Hauptaufgabe von ADH ist die Konstant-haltung des Flüssigkeitsvolumens überVasokonstriktion bei Blutverlust undRückresorption von Urin bei Dehydratation.

Auch die Stimulation von Baro- und Volu-menrezeptoren des Herz-Kreislauf-Sys-tems können die ADH-Ausschüttungerhöhen. Daher werden bei Herzinsuffi-zienz trotz Überwässerung große Mengenan ADH sezerniert, was das Krankheitsbildverschlechtert. Leider können ADH-Ant-agonisten bisher noch nicht routinemäßigeingesetzt werden.

Die PTH-Ausschüttung wird über dieKalziumwerte rückgekoppelt. Auch hoheVitamin D3-Spiegel unterdrücken diePTH-Ausschüttung.

Bei chronischer Niereninsuffizienz kannPTH weder Kalzium über die Niere rück-resorbieren noch die Bildung von VitaminD3 induzieren: Kalzium fällt ab, gleichzeitigsteigt PTH kräftig an. Ein resultierenderKnochenabbau muss durch Gabe vonKalzium und Vitamin-D-Analogaverhindert werden.

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