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Der Erste Weltkrieg ---------------------------
Drei Jahre im Untergrund
Der Zug mit seinen wenigen Wagen rattert an den letzten Hngen
der Schwbischen Alb dem Donautal entgegen. Der Ru der
Dampflokomotive hngt in der Luft. Einige Reisende freuen sich auf
den nchsten Halt in Ulm. Eine Gruppe zusammenge-sunkener Mnner
vermittelt das Gegenteil. Denn sie wis-sen, was auf sie zukommt.
Nichts Gutes. Die Lokomotive lsst lautstark den Dampf ab und
bremst. Zi-schend kommt der Zug zum Stehen. Auf dem Bahnsteig
stehen die Wachsoldaten, an die die trau-rigen Gestalten nun
bergeben werden. Durch die Straen der Stadt Ulm werden die mden
Mnner in das Gefngnis, es-kortiert von ihren Begleitsoldaten,
gefhrt. Es ist ein berchtigtes Militrgefngnis. Jeder ist bereits
verurteilt.
Jetzt geht es an das Verben ihrer Strafe. Einige haben Monate
vor sich, andere Jahre. Fr besonders schwere Flle wer-den bis zu 20
Jahre verhngt. In den Doku-menten aus dieser Zeit werden die
Delikte berichtet: Fahnenflucht, Entfernen von der Truppe,
Selbstverstmmelung, Befehlsver-weigerung und Angriff auf den
Vorgesetz-ten. Ein Gefangener wei, dass sein Freund wegen des
gleichen Vergehens in Berlin geschlagen und gefoltert wurde und an
den Folgen starb. Jeder der Mnner hat sein Schicksal. Jeder hat
einen Grund fr sein Verhalten. Wir sind im Krieg im Ers-ten
Weltkrieg.
Johannes Rauser wurde am 15. Dezember 1882 im kleinen Orts
Iselshausen geboren und 1896 evangelisch konfirmiert. Heute ist
dieser Ort in die Stadt Nagold im Schwarz-wald eingegliedert. Durch
den frhen Tod
beider Elternteile verlor er seine Heimat. Das Jugendamt bergab
ihn der Obhut ei-nes strengen, leider auch brutalen
Schrei-nermeisters im Ort. Er ging so rde mit sei-nen Kindern und
dem Pflegekind um, dass sie manchmal hungrig von Tisch aufstehen
mussten. Schlge und Hunger waren an der Tagesordnung. Nach dem
Schulab-schluss erlernte er im Betrieb der Pflegeel-tern das
Schreinerhandwerk.
Bedingt durch das kalte Klima im Haus der Pflegeeltern ging er
nach Abschluss der
Lehre im Jahre 1890 auf Wan-derschaft, die ihn ber ver-schiedene
Orte im damaligen Knigreich Wrttemberg bis nach Kln fhrte. Eine
Lungenerkran-kung, bedingt durch den Holzstaub bei
der Arbeit, machte eine weitere Ttigkeit als Schreiner unmglich.
Johannes arbei-tete dann als Handelsvertreter weiter. Im Jahre 1906
fand er eine Anstellung als Fahrer und Schaffner bei den
Wiesbade-ner Straenbahnen, die ihm sehr viel Freude bereitete.
Wiesbadener Straenbahnen um 1910
In den Jahren nach 1900 veranstalteten die
Siebenten-Tags-Adventisten Vortrge in verschiedenen Orten
Deutschlands. Die biblischen Prophezeiungen und der Ablauf der
Weltgeschichte waren damals das Thema. Natrlich wurde auch ber den
Sabbat als gltigen biblischen Ruhetag Gottes gesprochen. In
Wiesbaden fanden diese Vortrge auch statt.
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Bei diesen Vortrgen, deren Themen ihn brennend interessierten,
lernte Johannes seine sptere Frau Katharina kennen und lieben.
Gemeinsam traten sie der Ge-meinde der Siebenten-Tags-Adventisten
bei und lieen sich im Jahre 1910 taufen. Damals hie der Beitritt
aber meist auch Verlust des Arbeitsplatzes. Zum Bekennt-nis eines
Adventisten gehrte auch das Be-folgen des gttlichen Ruhetags, des
Sab-bats. Bei den Wiesbadener Straenbahnen erhielt Johannes Rauser
keine Weiterbe-schftigung mit einem arbeitsfreien Sabbat. So musste
er seinen geliebten Arbeitsplatz aufgeben.
Johannes Rauser, Aufnahme ca. 1933
ber einen adventistischen Schuhmacher in Wiesbaden fand er einen
ebenfalls der Gemeinschaft angehrigen Schumacher in Hamburg. Dort
erlernte er dieses Hand-werk. Zurck in Wiesbaden erffnete er im
Jahre 1910 eine eigene Schuhmacher-Werkstatt in der Eltviller
Strasse 9. Im Jahre 1911 wurde ihre gemeinsame Tochter Martha
geboren.
Der Erste Weltkrieg
Im August 1914 teilte die Gemeinschaft der
Siebenten-Tags-Adventisten ihren Mitglie-dern mit, dass ab sofort
der richtige gute Adventist in den Krieg zu gehen, die Waffe zu
tragen und folglich andere Menschen zu
tten habe. Dies fhrte zu greren Unru-hen in verschiedenen
Gemeinden in Deutschland.
Katharina Rauser, Aufnahme ca. 1933
Bereits vier Tage nach Kriegsbeginn schrieb die deutsche Leitung
der Gemein-schaft unaufgefordert und ohne ueren Zwang an das
Kriegsministerium einen Brief. Die entscheidenden Passagen die-ses
verhngnisvollen Briefes lauteten: so erlaube ich mir, Ew. Exzellenz
im Fol-genden die Grundstze der deutschen Ad-ventisten vom
siebenten Tage, besonders bei der gegenwrtigen Kriegslage,
erge-benst mitzuteilen. Whrend wir auf dem Grunde der Heiligen
Schrift stehen und uns befleiigen, die Grundstze des Christen-tums
auszuleben und daher auch an dem von Gott eingesetzten Ruhetag, den
Sonn-abend (Sabbat), halten und jede Arbeit an demselben vermeiden,
so halten wir uns doch verpflichtet, fr die Verteidigung des
Vaterlandes einzustehen und auch am Sonnabend (Sabbat) unter diesen
Umstn-den die Waffen zu fhren. Wir haben die-sen unseren Grundsatz
unseren Mitglie-dern mitgeteilt und auerdem alle Gemein-den
ersucht, besondere Gebetsversamm-lungen anzusetzen und von Gott den
Sieg der deutschen Waffen zu erflehen. Dazu einige Gedanken zum
Nachdenken:
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War der Erste Weltkrieg ein Verteidigungs-krieg? Sind die
Grundstze des Christen-tums mit dem Tten anderer Menschen
vereinbar? Warum hat man nicht den Mut, den Begriff: Waffentragen
mit dem eigentlichen Ziel: Tten des Geg-ners gleichzusetzen? Gibt
es heute noch einen gerechten gottgewoll-ten Krieg? Warum will eine
interna-tional ttige Glaubensgemein-schaft den deutschen Sieg
erfle-hen?
Wenn deutsche Adventisten den Sieg fr die deutschen Waffen
er-flehen und franzsische Adventis-ten den Sieg fr franzsische
Waf-fen, dann bringen sie Gott in eine Zwick-mhle. Wessen Gebete
soll er dann erh-ren wenn berhaupt?
Die Bekanntmachung dieser neuen milit-rischen Grundstze wre
nicht notwendig gewesen, wenn diese, das Militr betreffen-den
Themen, schon frher allgemein be-kannt gewesen wren. Da sie es
nicht wa-ren, mussten sie am 04. August 1914 erst-mals der
adventistischen ffentlichkeit vor-gestellt werden.
Gott hatte aber die Gemeinde nicht unge-warnt gelassen. Zur
Glaubenstradition der Adventisten gehrt die Sabbatschule, heute
auch Bibelschule genannt. Diese Studienanleitung der Bibel wird
erstellt und in jeder Woche im Gottesdienst im offenen
Gedankenaustausch besprochen. Solche Studienanleitungen haben im
Allgemeinen einen Vorlauf von 1 2 Jahren. In dieser Zeit werden die
einzelnen Studienteile er-stellt, zusammengetragen, bersetzt und
gedruckt. So wurden im Jahre 1912 und 1913 die einzelnen Themen den
entspre-chenden Sabbaten des Jahres 1914 zuge-ordnet.
Genau in der Studienanleitung der Bibel-schule fr den 08. August
1914 wurde unter
dem berbegriff: Pflicht gegen die Obrig-keit; Warnungen fr die
letzten Tage das folgende Zitat angegeben:
Sabbatschullektion vom 08.08.1914
Dies wurde am Morgen des entsprechen-den Sabbats, dem
08.08.1914, in der Bibel-schule besprochen und anschlieend wurde
bei den Bekanntmachungen das ge-naue Gegenteil verkndigt: Wir mssen
Menschen mehr gehorchen als Gott. Dass dies in den Gemeinden zu
groem Protest und auch temperamentvollen Aussagen fhrte, war
klar.
Mit der Entscheidung der Gemeinschafts-leitung fr dem
Militrdienst stand die Glau-benswelt vieler STA (Adventisten) auf
dem Kopf. [2]
In diesem Zitat sind auch die Grenzen des Verhaltens der
Glubigen definiert. Sehr deutlich heit es hier weiter: menschli-che
Angelegenheiten sind der groen Pflicht, dem [gttlichen] Gesetz zu
gehor-chen, untergeordnet. Die Reihenfolge ist ebenfalls eindeutig
dargestellt: Zuerst Gott und dann die Menschen.
Der Kommentar schliet sogar mit einer Aufforderung: rechtmiger
Protest ist die Pflicht des Christen. Dies war die da-malige
Position der Gemeinde der Siebten-Tags-Adventisten bis zu der
fatalen Ent-scheidung: Ab sofort tten Adventisten an-dere Menschen
und wenn es sein muss, auch Adventisten anderer Nationalitt.
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Anstatt sich auf die Bibel zu besinnen, wur-den die Glieder, die
sich den neuen Grundstzen nicht anpassen konnten, aus-geschlossen.
Im Zitat hie es: Rechtmi-ger Protest. Ja die rechtmig
Protestie-renden wurden der Gemeinde verwiesen. So ging es Johannes
Rauser und seiner Frau Katharina ebenfalls. Die in ganz Deutschland
Ausgeschlossenen suchten sich und fanden auch teilweise zusammen.
Eine Untergrundgemeinde formierte sich.
Klnische Zeitung vom 21. Sept. 1915
hnliche uerungen ber Ausschlsse finden wir in den Dresdner Neuen
Nach-richten vom 12. April 1918 und im Stuttgar-ter Neuen Tagblatt
vom 26. September 1918, wobei die beiden letztgenannten im Stile
einer Presseerklrung der Gemein-schaft der
Siebenten-Tags-Adventisten ge-halten sind.
Ende des Jahres 1916 hatte Johannes Rauser Lieferprobleme mit
Leder und an-deren Materialien. Er musste sein Geschft aufgeben.
Die Schwierigkeiten des Ersten Weltkrieges machten an den Grenzen
Deutschlands nicht halt. Versorgungseng-psse mit z.B. Kartoffeln
fhrten zu einem
starken Anstieg der Kartoffelpreise. Wei-tere Lebensmittelpreise
sind ebenfalls ge-stiegen. Ein groer Bergarbeiterstreik lies eine
Menge von 500 000 t Kohle ungefr-dert und sorgte merkbar fr
Liefereng-psse. Die Unzufriedenheit in der Bevlke-rung wuchs.
Da ich eifriges Mitglied der Adventisten war und auch einige
Predigten gehalten habe, wurde ich von der Adventistenge-
meinde als Prediger nach Sachsen und Schlesien gesandt. [3]
So reiste Johannes Rauser in den Lndern Wrttemberg, Sachsen und
Schlesien des damaligen Deut-schen Reichs umher, welches da-mals
bis Kattowitz an der Grenze zu Russland reichte.
Wegen seines frheren Lungenlei-dens kamen fr ihn zwei
Gestel-lungsbefehle erst im Januar 1917. Da er sich zu dieser Zeit
in Sachsen aufhielt, meldete er sich nicht. Ich habe dem
Gestellungsbefehl keine Folge geleistet, da ich die Gebote Gottes
nach der Schrift halten wollte. [4]
Von dem Moment an lebte er im Un-tergrund und war auf der
Flucht. Er war fahnenflchtig.
Auf der Flucht
Am 18.Juli 1917 zog seine Frau Katharina mit der kleinen Tochter
Martha von Wies-baden nach Stuttgart.
Durch diesen Umzug kam es (glcklicher-weise) zu monatelangen
Unstimmigkeiten ber die Zustndigkeit zwischen dem K-niglichen
Polizeirevier in Wiesbaden und dem Kniglich Wrttembergischen
Gericht des Bezirkskommando I in Stuttgart. Wer ist nun fr die
Suche nach Johannes Rau-ser zustndig? Mehrere Briefwechsel gin-gen
zwischen den beiden Behrden hin und her. Zwischenzeitlich ging ein
Brief auch vollstndig verloren. Bis es geklrt war, ob der Brief nun
nicht beantwortet oder verloren gegangen war, vergingen wieder
einige Wochen. In dieser Zeit konnte er in
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einer relativen Freiheit ungestrt seiner Ar-beit als Prediger in
den angesprochenen Lndern nachgehen.
Deckblatt der Akte ber Adventisten Un-tertitel
Dienstverweigerung
Die Gruppe von Adventisten neuerer Rich-tung in Stuttgart mit
der Ehefrau Katharina, wurde von den Polizeibehrden genaues-tens
berwacht. Wenn wir den Bericht le-sen, erhrtet sich der Eindruck,
dass es der Polizeibehrde gelungen war, einen Maul-wurf zu
installieren.
Wie in anderen Orten des Reiches, so ha-ben sich auch hier die
Siebenten-Tags-Ad-ventisten in zwei Lager geteilt. Die neue
Richtung ist ausgesprochen militrfeind-lich; sie vertritt den
Standpunkt, dass die zum Heeresdienst eingezogenen Glieder der
Adventisten-Gemeinde auch whrend des Krieges am Sonnabend keinen
Dienst leisten und nicht in den Krieg ziehen drfen. Einzelne
Glieder sind dringend verdchtig, Soldaten zur Fahnenflucht zu
verleiten und fahnenflchtige Soldaten bei sich aufnah-men und zu
verbergen. [5]
Denunzierung
In der Gemeinschaft der Adventisten in Deutschland setzte leider
eine deutsch-landweite, unter Christen einmalige, De-nunzierung der
ehemaligen Glaubensge-schwister ein.
Die Gemeinschaftsleitung ging rigoros ge-gen alle Protestler
vor. [6] Menschen, die die Bibel als obersten Mastab hoch hiel-ten,
wurden als Protestler [7], Betrger [8], Agitatoren [9] und
unnchterne Ele-mente [10] bezeichnet. An verschiedenen Orten
zeigten Adventisten die ihnen be-kannten Protestler als
Antimilitaristen an. [11] Der Erfolg: In Berlin wurden zwei
Protestler zu fnf Jahren Gefngnis verur-teilt. [12] Johannes Rauser
erwhnte sp-ter, dass ein Adventist, der den Kriegs-dienst
verweigerte, in Berlin im Gefngnis so geschlagen (heute wrden wir
gefoltert sagen) worden war, dass er an den Folgen verstarb. Ein
Adventist aus Dsseldorf wurde in Friedensau (dem gemeindeeige-nen
Gelnde) von einem leitenden Adven-tisten, seinem Glaubensbruder,
der Polizei bergeben. [13]
Dr. Johannes Hartlapp, Dozent an der The-ologischen Hochschule
in Friedensau ba-gatellisierte das Denunzieren der ehemali-gen
Glaubensgeschwister lapidar als Selbstschutz. [14] Besonders der
Predi-ger Kurt Sinz praktizierte diese Form des Selbstschutzes
[15]
Er hat eine Anzahl der Protestler verhaf-ten lassen und sagte
vor Gericht gegen seine ehemalige Glaubensgeschwister aus und wies
auf andere, dem Gericht nicht o-der nur kaum bekannte Namen:
Drschler, Welp, Bach, Heinen, Paulus und Krahe hin. [16]
In diesem Umfeld und mit dem Wissen ber das Verhalten seiner
ehemaligen Glau-bensgeschwister war Johannes Rauser im Untergrund
unterwegs. Zuhause in Stutt-gart erhielt seine Frau Katharina fters
Be-such von der Polizei. Auf die Frage, wo ihr Mann sei, antwortete
sie: Das sage ich Ihnen nicht. Ein anderes Mal konnte sie
wahrheitsgem antworten: Das wei ich nicht. Bei einem weiteren
Besuch der staatlichen Polizeibehrde fand auch eine
Wohnungsdurchsuchung statt. Obwohl der fahnenflchtige Johannes sich
unter dem
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Bett versteckt hatte, wurde er nicht ent-deckt.
Haftbefehl und Steckbrief
Nach einiger Zeit konnten sich die beiden Polizeidienststellen
in Wiesbaden und Stuttgart ber die Zustndigkeit einigen. Am
27.12.1917 wurde beim Gouverne-ments Gericht in Mainz ein
Haftbefehl we-gen Fahnenflucht erlassen und ein Steck-brief
ausgestellt. Es wird ersucht ihn zu verhaften und an die nchste
Militrbe-hrde zum Weitertransport nach hierher abzuliefern.
[17]
Wo Johannes sich aufhielt, ist nicht belegt. Es gelang ihm aber,
sich der Verhaftung lange Zeit zu entziehen.
Die Gruppe in Stuttgart
Die Gruppe in Stuttgart wurde von der Poli-zeibehrde stark
kontrolliert und ber-wacht. Namen, einschlielich Vornamen,
Geburtsdatum, teilweise auch der Geburts-name und der Geburtsort
und auch der Wohnort wurden detailliert vermerkt. Offen-sichtlich
war die kleine Gruppe von bibel-treuen Adventisten fr die
Polizeibehrde so gefhrlich, dass das 10-seitige
ber-wachungsprotokoll vom 21. Juni 1918 nach Posen, Wuppertal,
Memmingen, Mnchen, Hannover, Bonn und Bremerhaven ver-sandt wurde.
Das knigliche Evangelische Stadtdekanat sowie das Knigliche
Innen-ministerium waren ebenfalls im Verteiler. [18]
Der in Bonn, Eifelstrasse 95 wohnende Prediger der Adventisten
Kurt Sinz wird im Stuttgarter Bericht namentlich genannt: Er knne
zu den hier im Bericht genannten Personen evtl. etwas Nheres
aussagen. So sind die oben genannten Denunziatio-nen des Predigers
Sinz von Bonn auch in Stuttgart bekannt gewesen. [19]
Offensicht-lich war seine Arbeit des Anzeigens der
Glaubensgeschwister in ganz Deutschland polizeibekannt.
Bei einem Besuch im Stadtarchiv in Bonn fand ich eine Kopie
dieses Berichtes der Geheimpolizei Stuttgart.
Offensichtlich war das Denunzieren von Glaubensgeschwistern
karrierefrdernd. Br. Kurt Sinz wurde spter zum Leiter des
Advent-Verlages berufen.
Steckbrief Johannes Rauser
Br. Johannes unterhielt bei einer Schwester sterlein,
Hasenbergstrae 85 in Stuttgart ein Zimmer. Er geht kaum in die
Familien-wohnung zu seiner Frau Katharina und der Tochter Martha in
der Reinsburgstrae 84. Wenn er in Stuttgart weilt, und dies kommt
wegen seiner Ttigkeit im Knigreich Wrt-temberg fters vor, dann
trifft sich die Fami-lie in der Wohnung von Schw. Maria Schmohl. In
der Gutenbergstrasse 54. Manchmal ist er auch drei Wochen nicht in
Stuttgart, andererseits kann es auch vor-kommen, dass er dreimal in
einer Woche in dem Zimmer in der Hasenbergstrae 85 bernachtet.
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Schw. Maria Schmohl, laut Bericht ge-trennt lebende
Kaufmannfrau, geb. am 26. August 1872, wohnhaft in der
Gutenberg-strasse 54 wird eine treue Freundin und Be-gleiterin von
Katharina und deren Tochter Martha. Als Schw. Schmohl wegen des
Verdachts der Beihilfe zur Fahnenflucht verhaftet wurde, verblffte
sie die Ermitt-lungsbeamten mit ihrer Bibelkenntnis:
Ich mache keine Angaben ber Br. Rau-ser, denn in der Bibel
steht: Verrate den Flchtigen nicht und berufe mich auf Jesaja 21,
Vers 14 und 15, wo es wrtlich heit: Bringet dem Durstigen Wasser,
die ihr wohnt im Lande Tema und bietet Brot dem Flchtigen. Es heit
weiter in Luk. 21, 20 und 21: Wenn ihr aber sehen werdet Jeru-salem
belagert mit einem Heer, so merket das Vorbeikommen ist ihre
Verwstung. Alsdann wer in Juda ist, der fliehe auf das Gebirge und
wer drinnen ist, der weiche heraus und wer auf dem Lande ist, der
komme nicht hinein. Der Krieg ist nicht von Gott. Er ist von
Menschen angefangen und ich halte nur die Gebote Gottes. Mehr habe
ich nicht zu sagen! [20]
Maria Schmohl geb. Pfauth geb. 1872
In einer aufgezeichneten polizeilichen Ver-nehmung verzweifelte
der Polizist an ihr: Sie sttzt sich bei jeder an sie gerichteten
Frage auf Bibelstellen und wiederholt im-mer wieder, man drfe den
Bruder nicht verraten. Lieber lasse sie sich den Kopf ab-schlagen,
als dass sie den Bruder verrate.
[21]
hnlich verhielt es sich mit Schw. Henrike Aschinger, geb. 1845.
Eine Vernehmung der Aschinger ist infolge der Aussichtslosig-keit
des Erfolges ausgeblieben. [22]
Der Mut dieser Frauen in der Zeit des K-nigtums Wrttemberg,
einer Zeit in der Hie-rarchie noch eine andere Bedeutung als heute
hatte, ist bewundernswert.
Diese Henrike Aschinger stand mit Br. Adamczak in Verbindung und
informierte ihn ber die Vorgnge in der Stuttgarter Gruppe.
Im November 1917 wurde die gesamte Gruppe am Sabbat (vermutlich
whrend des Gottesdienstes) auf Grund einer An-zeige des Vorstehers
des Wrttembergi-schen Verbandes der Siebenten-Tags-Ad-ventisten,
Emil Gugel, festgenommen und erst nach dem Verhr wieder
freigelassen. Einige Zeit spter wurden Montagmorgens um 5.30 Uhr 3
Brder in der Wohnung, in der frher Br. Rose wohnte, festgenom-men.
Diese Informationen stammen aus ei-nem Brief der Schw. Aschinger an
Br. Adamczak, welcher vom Kgl. Landratsamt Lehe abgefangen und
verffentlicht wurde. [23] Am 20. April 1918 sprach eine Schw. Elli
Reuss im Rahmen des Gottesdienstes. Schw. Reuss sei aus Heilbronn
und htte 11 Monate wegen ihres Glaubens im Ge-fngnis zugebracht.
[24]
Am 25. Mai 1918 wurden nach Ende des Gottesdienstes bei Schw.
Schmohl Besu-cher von der Polizei in Zivil verfolgt. Beim Umsteigen
am Schlossplatz in die Straen-bahn wurde Br. Heinrich Beckmann aus
Hannover festgenommen. Persnliche Un-terlagen wurden ihm
abgenommen. Nach einem Verhr wurde er wieder auf freien Fu gesetzt
und konnte am Abend des glei-chen Tages seine Habseligkeiten auf
der Polizeidienststelle wieder abholen. [25]
Der Polizeibericht von 21. Juni 1918 schliet mit den Worten: Die
Bewegung wird weiterhin scharf beobachtet. Sie ist entschieden
gefhrlicher als z.B. die erns-ten Bibelforscher. [26] Dem
Generalkom-mandanten wurde ein Verbot der Gruppe nahegelegt.
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Diese polizeilichen Aktionen haben ihre Wirkung nicht verfehlt.
Einigen Glaubens-geschwistern waren diese Probleme zu gro und sie
verlieen diese Gruppe.
Untersuchung gegen Katharina Rauser
Gegen Katharina Rauser wurde im Jahre 1918 ein
Ermittlungsverfahren wegen Bei-hilfe zur Fahnenflucht eingeleitet.
Die Poli-zei ging immer davon aus, dass sie ihren Gatten
untersttzt. Natrlich untersttzte sie ihren Gatten auf der Flucht,
soweit ihr dies mglich war, denn sie stand ja hinter seiner
Verweigerung des Kriegsdienstes. Den Umzug von Wiesbaden nach
Stuttgart fhrte sie jedoch alleine durch.
Beschluss der Staatsanwaltschaft, das Verfahren gegen Katharina
Rauser einzu-stellen.
Am 13. Mrz 1918 wird dieses Verfahren glcklicherweise
eingestellt.
Oft dienten Glaubensgeschwister aus der Stuttgarter Gruppe als
Anlaufstelle fr die Eheleute Rauser.
Die Festnahme
Am 23.08.1918 war die ca. 20monatige Flucht zu Ende. Im Zug
zwischen Gppin-gen und Geislingen wurde Johannes fest-genommen. Er
war auf dem Weg zu einem Besuch bei Glaubensgeschwistern in Ulm,
Grtnerei Heuer in Michelsberg, bei denen er predigen wollte. Er ist
nach seiner An-gabe und einer greren Anzahl von Papie-ren, die er
bei sich fhrt, berzeugter Ad-ventist. [27]
Bei ihm wurden 42 RM und 91 Pfg gefun-den, ein Taschenmesser,
eine Taschenuhr, eine Handtasche mit Lebensmitteln, Papie-ren und
Schriften. Von dort wurde er an die Zentralstelle der Polizei nach
Stuttgart berstellt.
Bereits einen Tag spter wurde er in Stutt-gart lange verhrt. Das
lange Verneh-mungsprotokoll beschreibt auch die Stutt-garter Gruppe
und deren Situation. Vermut-lich auf Grund der Verhaftungen im
Gottes-dienst und der Hausdurchsuchungen ist die Gruppe stark
geschrumpft.
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Am Ende der Vernehmung wurde die Untersuchungshaft angeordnet,
welche auch mehrmals verlngert wurde.
Seine Frau Katharina und Schw. Marie Schmohl bildeten eine
kleine Gebetsgemeinschaft und vereinba-ren, bis zu seiner
Freilassung regel-mig fr ihn zu beten. Fr Katha-rina war dies eine
gerne angenom-men Untersttzung in der schwieri-gen Situation. Eine
Haftstrafe bis 20 Jahre Gefngnis waren bei Fahnen-flucht nicht
unblich.
Nach berstellung von der zivilen Polizei zur
Militrgerichtsbarkeit wurde am 24. September 1918 ein offizieller
Haftbefehl des Militrge-richts der stv. 51. Infanteriebrigade
erstellt. Johannes Rauser wurde nun von der Militrischen
Gerichtsbarkeit in Untersuchungshaft genommen.
In allen seinen Vernehmungsprotokollen ist nahezu gleichlautend
angegeben, dass er aus religisen Grnden keinen Heeres-dienst tun
knne. Der Dienst im Heer sei mit dem Worte Gottes und seinen
Geboten nicht zu vereinbaren.
Zeitungsartikel im August 1918
In verschiedenen Zeitungen wurde im Au-gust 1918 in einer kleine
Notiz ber eine Adventistin aus Hechingen berichtet. Ich zi-tiere
den Bericht des Generalanzeigers aus Reutlingen: Tbingen 20.
August. Religi-ser Fanatismus. Eine Adventistin, die nher hin der
amerikanischen Sekte der Sabba-tarier angehrt, ist in Hechingen
verhaftet und hierher verbracht worden, weil sie in ih-rem
religisen Fanatismus die Soldaten zum Ungehorsam zu verleiten
suchte. [28] Im Stuttgarter Neues Tagblatt ist der gleichlautende
Text abgedruckt.
Diese Notiz wurde offensichtlich dem Vor-steher des
Wrttembergischen Verbandes der Siebenten-Tags-Adventisten, Emil
Gu-gel, bekannt. Am 26. September 1918 lie er in den Stuttgarter
Neuen Nachrichten eine Erklrung abdrucken, aus der die
ent-scheidenden Passagen zitiert werden:
Stuttgarter Neues Tagblatt 26. September 1918
Im August dieses Jahres erschien in den meisten Tageszeitungen
Wrttembergs die Notiz eines Polizeiberichts aus Hechingen
(Hohenzollern), nach welcher dort eine Ad-ventistin wegen
antimilitaristischen Umtrie-ben festgenommen wurde. Es fanden sich
zu Beginn des Krieges einzelne Glie-der wie auch anderswo, welche
aus Mangel an Gemeinschaftssinn oder berspannung desselben nicht
Kriegsdienst tun wollten. Diese fingen nun an ihre persnlichen
Ge-wissensbedenken durch Wort und Schrift innerhalb der
Gemeinschaft auszubreiten um auch andere zu verleiten, ein Gleiches
zu tun. Sie wurden von der Gemeinschaft ermahnt, mussten aber wegen
ihres hart-nckigen Beharrens und als Bedroher des inneren und ueren
Friedens ausge-schlossen werden. Es kommt nun zuweilen vor, da die
Behrden solche Agitatoren festnehmen. Unterzeichnet wurde diese
Presseerklrung mit: Emil Gugel, Prediger und Vorsteher der
Gemeinschaft in Wrt-temberg.
Bibelglubige werden von der Gemein-schaftsleitung als Bedroher
des inneren und usseren Friedens, sowie als Agita-toren
gebrandmarkt.
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Am 04. Oktober 1918 ergeht nun die offizi-elle Verfgung des
Kniglich Wrttember-gischen Militrgerichts der stv. 51.
Infante-riebrigade: Die Verurteilung hat durch ein Kriegsgericht zu
erfolgen. Am gleichen Tag wurde auch die Anklageschrift
erstellt.
Die Gerichtsverhandlung
Die beiden Glaubensschwestern, Maria Schmohl und Katharina
Rauser vereinbar-ten nun, dass sie jede volle Stunde fr den
inhaftierten Johannes Rauser beten wer-den
Als Beweis der Anklage wird angegeben: Gestndnis des
Angeklagten. Das Ermitt-lungsverfahren war beendet und wurde an das
Militrgericht bergeben.
Am 17. Oktober findet nun unter Vorsitz von Hauptmann Wittwer
der Prozess in der In-fanteriekaserne in Stuttgart, Werderstrasse
statt. Der Angeklagte Johannes erklrte, dem Gestellungsbefehl habe
ich deshalb keine Folge geleistet, weil ich die Gebote Gottes
halten wollte. Aus Gewissensgrn-den wollte ich den Sabbat halten.
Das ist beim Militr nicht mglich. [29]
In der Anklageschrift schrieb der Militrstaatsanwalt: Obgleich
die religisen Anschauungen dieser Sekte den Heeresdienst und
Kriegsdienst nicht verbieten, glaubte der Angeklagte, wie er
versichert, den Heeresdienst mit seinem religisen Gewissen nicht
vereinbaren zu knnen, weil er den Sabbat beim Militr nicht so
halten knnen zu glaubte, wie er es seine Pflicht hielt. [30]
Zeitgenssische Darstellung der Kaserne in Stuttgart (um
1900)
Dass diese auch vom Standpunkt der Ad-ventisten aus bertriebene
religise Auffas-sung der Beweggrnde fr die Nichtgestel-lung war,
ist ihm nicht zu widerlegen. [31]
In der ffentlichen Gerichtsverhandlung legte Johannes Rauser
seine biblische berzeugung zur Kriegsfrage erneut dar. Du sollst
nicht tten. Er knne aus Gewis-sengrnden den Kriegsdienst nicht
ausfh-ren. Der im Gerichtssaal anwesende Vor-steher der
Siebenten-Tags-Adventisten in Stuttgart, Emil Gugel widersprach
Johan-nes Rauser und fiel ihm damit in den R-cken. Er sprach ihn
direkt an: Br. Rauser, in diesen schweren Zeiten gelten andere
Regeln.
Emil Gugel Vorsteher der Wrttembergi-schen Vereinigung geb.
21.05. 1879
Mit anderen Worten: Whrend des Krieges gelten die biblischen
Gebote nicht mehr. Nicht nur Anzeigen und Denunziationen von Seiten
der Adventgemeinde waren an der Tagesordnung, sondern vor Gericht
sagte die Gemeinschaft gegen ehemalige Glaubensgeschwister aus. Der
Vorsteher einer Religionsgemeinschaft hatte Autori-tt, seine
Aussage hatte Gewicht.
Im Falle Emil Gugel kann das Gleiche aus-gedrckt werden wie oben
bei Kurt Sinz. Denunzieren von Glaubensgeschwistern und das
Ausliefern an staatliche Polizeibe-hrden wirkt karrierefrdernd. In
spteren
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Jahren wurde er Vorsteher des Sddeut-schen Verbandes,
Predigtamtsekretr der Division und war zuletzt Vorsteher der
Ge-meinschaft der Siebenten-Tags-Adventis-ten in Deutschland. [31
a]
Es war ein ffentlicher Prozess, der ca. 1 Km von seiner Wohnung
entfernt stattfand. Es ist anzunehmen, neben seiner Frau Ka-tharina
weitere Freunde der Stuttgarter Gruppe im Gerichtssaal anwesend
waren.
Nun stand Aussage gegen Aussage. Hier der angeklagte
Fahnenflchtige, der sich auf seine Bibel berief und hier der
angese-hene Vorsteher, der sich von der Bibel ent-fernte.
Das Beeindruckende dieses Prozesses kommt vom
Militrstaatsanwalt: Als Ankl-ger glaubte er dem Zeugen Emil Gugel,
der eine angesehene Organisation vertrat, we-niger als dem
Angeklagten Johannes Rau-ser, obgleich dieser sich ber 2 Jahre und
10 Monate dem Gestellungsbefehl entzo-gen hatte. Der
Anklagevertreter Dr. Brgel war von seiner Ehrlichkeit und
Aufrichtigkeit berzeugt. Er konnte, lt. Anklageschrift, die
religisen Beweggrnde nicht widerlegen und pldierte deshalb auf
einen minder-schweren Fall von Fahnenflucht.
Johannes Rauser wird daraufhin zu einer Gefngnisstrafe von fnf
Monaten verur-teilt, wobei 2 Wochen der Untersuchungs-haft
angerechnet werden. In der Urteilsbe-grndung finden wir: der
Tatbestand be-ruht auf Einlassungen des Angeklagten, die glaubwrdig
erscheinen Schon aus der Einrumung des Angeklagten geht hervor,
dass er aus religisen Gewissensbeden-ken, deren Aufrichtigkeit ihm
nicht zu wider-legen waren
Bei der Strafzumessung wurde zugunsten des Angeklagten in
Betracht gezogen, dass er in der Hauptsache aus religisen
Beden-ken, also aus an sich nicht verwerflichen Grnden dem
Gestellungsbefehl keine Folge geleistet hat Mit Rcksicht auf seine
religisen Beden-ken hat das Gericht einen minderschweren Fall
angenommen. [32]
Das Urteil von fnf Monaten ist knapp ber der gesetzlichen
Mindeststrafe. Nach der
Berufung und deren Ablehnung durch das Gericht wird er am 02.
November 1918 in das Festungsgefngnis in Ulm eingeliefert.
In Ulm
Zur Zeit des Ersten Weltkrieges herrschen in deutschen
Gefngnissen furchtbare Zu-stnde. Von den 20 [bekannten] zu
Ge-fngnisstrafen verurteilten Adventisten starben fnf in der Haft
oder kurz nach ihrer Entlassung; alle brigen erlitten schwerste
Gesundheitsschden. Die Ursache lag in den furchtbaren sanitren
Verhltnissen, die whrend des Krieges in den Strafanstal-ten
herrschten, sowie in den unmenschli-chen Misshandlungen, die die
Kriegs-dienstverweigerer durch die Wrter und zum Teil auch durch
Mitgefangene erdul-den mussten, insbesondere wegen ihrer
Hartnckigkeit, mit der sie an der Sabbat-ruhe festhielten. [33] An
anderer Stelle wird von Schlgen und Folterungen berich-tet.
[34]
Das weie Gebude links ist das Gefng-nis. Bild um 1910
Johannes Rauser wurde auch am nchsten Sabbat, wie jeden Tag, zur
Arbeit abgeholt. Er verwies darauf, dass fr ihn als Adven-tisten
dieser Tag, als Ruhetag Gott, ge-weiht sei. Dies fhrte dazu, dass
er zum zu-stndigen Offizier gebracht wurde. Im Fes-tungsgefngnis
Ulm war nichts vom Ver-stndnis fr seine berzeugung zu spren.
Er wurde in eine fensterlose dunkle Arrest-zelle gebracht. Dort
wurde ihm seine Strafe vom Verantwortlichen erklrt: Fr den ers-ten
Sabbat, den er nicht arbeitet, gibt es ei-nen Tag Dunkelarrest.
Zustzlich wrde er
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an der Wand angekettet werden. Ein Gang zur Toilette war nicht
vorgesehen. Stuhl und Urin blieben in den Kleidern. Beim zweiten
Sabbat der Arbeitsverweigerung gbe es zwei Tage angeketteter
Dunkelar-rest. Beim dritten Sabbat drei Tage so-lange bis er
nachgebe. Wir kriegen Sie schon klein. lautete die ausgesprochene
Drohung.
Dieses unmenschliche Urteil war, wenn man Gott treu bleiben
wollte, ein Todesur-teil auf Raten.
Die politische Growetterlage
Kaiser Wilhelm II.
Deutschland war in einer politischen Krise. Die deutschen
Verluste im Krieg, eine zu-nehmende Ablehnung des Krieges und der
Verlust des Ansehens des Kaisers Wilhelm II. waren Themen im Herbst
des Jahres 1918.
Eine 100-Tage-Offensive der Alliierten ver-fehlte die Wirkung
nicht. Militrisch ging es
nicht voran, politisch verlor der Kaiser Macht und Einfluss.
Der Erste Weltkrieg war nun 4 Jahre und 3 Monate alt. Bereits 10
Millionen Soldaten und 7 Millionen Zivilisten verloren ihr Le-ben.
Zustzlich wird die Zahl der Verwun-deten auf 20 Millionen geschtzt.
Uner-messliches Leid ist ber die Welt gekom-men.
Tote Soldaten im Schtzengraben
Am 23. Oktober 1918 verkndet der Kaiser Wilhelm II. eine
Amnestie fr politische Ge-fangene. Karl Liebknecht (SPD) gehrt auch
dazu. Die Amnestie erreicht versptet auch das Festungsgefngnis in
Ulm.
Ich sitze vor den Kriegsgerichtsakten des Johannes Rauser. Alle
Bltter und Doku-mente habe ich mit groer Anteilnahme, in-nerer
Bewegung und doch voller Spannung gelesen. Ein kleiner Zettel ist
noch im Ord-ner. Wegen der verblassten Schrift habe ich ihn anfangs
nicht entziffern knnen.
Das Gericht der stv. 51. Infanterie Brigade Stuttgart
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Johannes Rauser ist am 10.11.1918 auf Anordnung eines Vertreters
des Soldaten-rates in Freiheit gesetzt worden. [35] Ich lehne mich
zurck und atme tief durch. Vor meinen Augen verschwimmt der kleine
Zettel. Ich schliee die Augen und muss warten bis sich meine innere
Anspannung gelegt hat.
Was war geschehen: Der groe Gott im Himmel hat in die Geschicke
seines glubi-gen Nachfolgers Johannes Rauser einge-griffen: Eine
rechtzeitige Amnestie des deutschen Kaisers, Wilhelm II., kurz vor
seiner Abdankung im November 1918 ret-tete Johannes Rauser das
Leben. Vor dem unmenschlichen Dunkelarrest, der seinen Tod bedeutet
htte, wurde er bewahrt.
Danke lieber Vater, dass Du meinem Gro-vater in seinen schweren
Stunden Kraft ge-geben und ihn vor dem Tode bewahrt hast.
Helmut Welker
Quellenhinweise:
[1] Hartlapp, Johannes, Siebenten-Tags-Adventis-
ten in Nationalsozialismus, V & R unipress, 2008,
ISBN 978-3-89971-504-0 S.91
[2] Hartlapp S. 95
[3] Vernehmungsprotokoll Zentralpolizeistelle
Wrttemberg, B.K. 8507, 24.08.1918 Staatsarchiv
Stuttgart M 78 B 159
[4] Vernehmungsprotokoll
[5] berwachungsprotokoll der Stdt. Polizeidirek-
tion Stuttgart 21. Juni 1918 Adventisten (neue
Richtung) S. 1 Staatsarchiv Ludwigsburg F 157 B
43
[6] Hartlapp S. 119
[7] Hartlapp S. 119 - Aussage Dr. Hartlapp
[8] Dresdner Neue Nachrichten vom 12. April 1918
Erklrung der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-
Adventisten
[9] Stuttgarter Neue Nachrichten vom 24. Septem-
ber 1918 Erklrung des Prediger Emil Gugel, Vor-
steher der Wrttembergischen Vereinigung der
Adventisten
[10] Dresdner Neue Nachrichten vom 12. April
1918 Erklrung der STA
[11] Hartlapp S. 119
[12] Hartlapp S. 119
[13] Hartlapp S. 119
[14] Hartlapp S. 119
[15] Hartlapp S. 119
[16] Hartlapp S. 120
[17] Steckbrief vom Gouvernements Gericht Mainz
vom 27.12.1917 - Staatsarchiv Stuttgart M 78 B
159
[18] berwachungsprotokoll S. 1 f
[19] berwachungsprotokoll S. 3
[20] Vernehmungsprotokoll S. 4 f
[21] berwachungsprotokoll S. 3
[22] berwachungsprotokoll S. 8 Der Brief von
Schw. Aschinger an Br. Adamczak wurde vom K.
Landratsamt in Lehe abgefangen und verffent-
licht.
[23] berwachungsprotokoll S. 8
[24] berwachungsprotokoll S. 7 und Hartlapp S.
120
[25] berwachungsprotokoll S. 9
[26] berwachungsprotokoll S. 10
[27] Festnahmeprotokoll vom 23.August 1918 -
Staatsarchiv Stuttgart M 78 B 159
[28] Generalanzeiger Reutlingen, 21. August 1918
[29] Verfgung der militrischen Anklagebehrde
vom 04. Oktober 1918 Der Beschuldigte wird vor
ein Kriegsgericht gestellt. - Staatsarchiv Stuttgart M
78 B 159
[30] Anklageschrift des Kgl. Wrtt. Gericht der Stv.
51 Infanterie Brigade Stuttgart - Staatsarchiv Stutt-
gart M 78 B 159
[31] Anklageschrift des Kgl. Wrtt. Gericht der Stv.
51 Infanterie Brigade Stuttgart - Staatsarchiv Stutt-
gart M 78 B 159
[31a] Bundesarchiv Berlin, RKM, Nr. 23387, 282,
zit. in Hartlapp S. 292
[32] Urteilsbegrndung der ffentlichen Sitzung
des Kriegsgerichts der 51. Stv. Infanterie Brigade
Stuttgart vom 17, Oktober 1918 - Staatsarchiv
Stuttgart M 78 B 159
[33] Grnewald, Guido, Zur Geschichte der Kriegs-
dienstverweigerung, 1979, Deutsche Friedensge-
sellschaft, Vereinigte Kriegsdienstgegner Essen.
[34] (http://www.friedenskoopera-
tive.de/ff/ff05/2-69.htm)
[35] Amnestie und Entlassungsdokument - - Staats-
archiv Stuttgart M 78 B 159
Bildnachweise:
Strassenbahn Frankfurter Rundschau April 7,
2010
Rauser: Privatbesitz Fam. Welker
Blaues Deckblatt Staatsarchiv Ludwigsburg F 157
B 43
-
14
Steckbrief Staatsarchiv Stuttgart M 78 B 159
Maria Schmohl Staatsarchiv Ludwigsburg F 201
B 546
Ermittlung gegen Katharina Rauser - Staatsarchiv
Stuttgart M 78 B 159
Haftbefehl - Staatsarchiv Stuttgart M 78 B 159
Infanteriekaserne in Stuttgart Wrttembergische
Landebibliothek - Graphische Sammlungen Wrt-
tembergica
Emil Gugel Staatsarchiv Ludwigsburg F 201 B
424/128
Gefngnis in Ulm Stadtarchiv Ulm
Kaiser Wilhelm II. http://commons.wikime-
dia.org/wiki/File:Wilhelm_II_of_Germany.jpg
Dead Soldiers Ministry of information First
World War official Collection
Amestie - Staatsarchiv Stuttgart M 78 B 159