Westsächsische Hochschule Zwickau (FH) Angewandte Kunst Schneeberg Studiengang Musikinstrumentenbau Markneukirchen Dokumentation der Vermessung Gitarre Johann Georg Stauffer Wien, circa 1830 Kenntnisstand: 24.01.2010 Atelier für Gitarren Thomas Ochs Mittelstrasse 6 96164 Kemmern www.ochs-gitarrenbau.de
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Dokumentation Stauffer Weimar - Ochs Gitarrenbau · Gitarre Johann Georg Stauffer circa 1830 Thomas Ochs 2 1 Beschreibung des Instruments Gitarre von Johann Georg Stauffer Wien, ca.
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Dokumentation Atelier für Gitarren Gitarre Johann Georg Stauffer circa 1830 Thomas Ochs
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1 Beschreibung des Instruments
Gitarre von Johann Georg Stauffer Wien, ca. 1830 Besitzer: Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar, Inventarnummer 45 Die Gitarre hat 6 Einzelsaiten und ist durch einen stark verwitterten und kaum noch lesbaren, gedruckten Zettel, der sich oberhalb des mittleren Bodenquerbalkens befindet als Legnani-Modell von Johann Georg Stauffer ausgewiesen. Ein Entstehungsjahr ist nicht vermerkt. Die Gitarre zeigt die typische Wiener Korpusform mit stark eingezogenem Mittelbug und ausgeprägten Ober- und Unterbügen. Die Decke aus braun eingefärbter Fichte besteht aus zwei symmetrischen Teilen. Die Fuge befindet sich in der Deckenmitte. Die Schalllocheinfassung und die Randeinlagen bestehen jeweils aus einem braunen Holzstreifen (vermutlich Palisander) und braun-weiß-braunen Zierspänen. Der Steg aus schwarz gefärbtem Hartholz ist als "Steckerl"-Steg ausgeführt. Die Saiten laufen über eine Stegeinlage aus Messing. Seitlich ist der Steg mit symmetrisch angeordneten Blattornamenten verziert. Die Zargen des Instruments sind aus geflammtem Ahorn gefertigt und goldbraun gefärbt. Am Zargenzusammenstoß ist ein ca. 8 mm breiter Streifen aus braunem Hartholz (vermutlich Palisander) eingesetzt. In diesem befindet sich mittig ein Endknopf aus Ebenholz. Im Korpusinneren wird die Leimfläche für Decke und Boden durch Reifchen aus Fichte mit liegenden Jahresringen vergrößert. Der Boden aus einteiligem, geflammtem Ahorn ist mit einer ausgeprägten Wölbung versehen und ebenfalls mit Randeinlagen aus braunem Hartholz (vermutlich Palisander) und braun-weiß-braunen Zierspänen eingefasst. Die Wölbung des Bodens wird durch drei Querbalken mit stehenden Jahresringen aufrechterhalten. Diese sind in die Fichtenreifchen eingelassen. Deckenseitig stützen zwei Deckenbalken das Schallloch. Ein schräger Querbalken befindet sich unterhalb des Steges und eine zierliche Leiste befindet sich direkt am Halsklotz aus Ahorn. Der Unterklotz ist aus Fichte gefertigt. Der Hals aus schwarz lackiertem Hartholz hat ein C-Profil mit runden Flanken. Die Halsstärke nimmt vom Obersattel zum Halsfuß hin zu. Der Kopf ist mit einem so genannten deutschen Anschäfter an den Hals angesetzt. und zeigt die typische Wiener Form. Auf der Vorderseite befindet sich eine Kopfplatte aus Ebenholz, durch die die Wellen der seitenständigen Mechanik ragen. Auf der Rückseite wird die Mechanik durch eine aufgeschraubte und mit Gravuren verzierte Messingplatte verdeckt. Der Hals trägt 22 Bünde und schwebt ab dem 14. Bund frei über der Decke. Das Griffbrett ist über der Decke durch einen Holzkeil unterfangen. Das Griffbrett verjüngt sich ab Mitte des 14. Bundes zum Diskant hin. Griffbrett und Bundierung sind nicht original, da die Bundierung auf modernen Neusilberbunddraht umgerüstet worden ist. Die Saiten laufen über einen Obersattel aus Ebenholz. Die Hals-Korpus-Verbindung ist über ein so genanntes "clock-key"-System gelöst. Der Hals ist in einen geraden Kasten im Oberklotz eingesetzt und an drei
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übereinander liegenden Punkten mit dem Korpus verbunden. Der Hals steckt auf einem Holzdübel, der sich 8 mm unterhalb der Decke befindet. Ein 19 mm unterhalb der Decke aus dem Oberklotz ragendes Messingblech greift in eine passende Nut am Halsfuß. 36 mm unterhalb der Decke befindet sich ein Schraubmechanismus, der vom Halsfuß aus zugänglich ist. Dadurch ist es möglich, den Halswinkel und somit die Saitenlage des Instruments zu justieren. Genutzt wird dafür ein Vierkantschlüssel, wie er für das Aufziehen von Uhren gebräuchlich ist.
2 Erhaltungszustand
Das Instrument befindet sich in spielbarem Zustand, weist jedoch Spuren von mehreren Reparaturen auf. Die Decke hat mehrere geleimte und unterfütterte Risse, ebenso der Boden. Baßseitig ist im Unterbug der Zargen ein Stück Ahorn eingesetzt. An mehreren Stellen zeichnen sich die Balken an den Zargen ab. Das Griffbrett wurde mit modernen Bundstäbchen (halbrund mit Steg und Widerhaken) versehen. Wie stark dabei in die Originalsubstanz des Instruments eingegriffen wurde ist ohne weitere Untersuchungen nicht festzustellen.
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3 Vermessungsprotokoll
Gitarre Johann Georg Stauffer
Modellbezeichnung / Bezeichnung des Gitarrentyps
Romantische Gitarre
Provenienz / Herstellungsort und -zeit
Wien / nach 1824
Zettel / Brandstempel stark verwitterter gedruckter Zettel mit Siegel (siehe Abb.)
Eigentümer Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar Inv.-Nr. 45
Mensuren Gesamtlänge des Instruments
920 ohne Gurtpin, 928 mit Gurtpin
Saitenmensur 604,0
Länge der ungegriffenen Saite
e1: 604,5 E6: 604,5
Halsmensur 302,0
Saitenabstand am Obersattel
41,0
Saitenabstand am Untersattel
58,5
Saitenlage am I. Bund e1: 0,5 E6: 0,6
Saitenlage am XII. Bund
e1: 2,7 E6: 3,6
Saitenhöhe über der Decke
am Steg e1: 6,5 E6: 7 am Korpusrand: e1:18,0 E6: 20,0
Griffbrett Material Ebenholz
Griffbrettform konisch, ab Mitte XIV verjüngt es sich in gerader Linie zum
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Diskant hin
Griffbrettwölbung leichte Querwölbung ~ r=560,0 mm
Griffbrettlänge 440,0
Griffbrettstärke am Obersattel
E6: 6,5 e1: 7,0
Griffbrettstärke am XII. Bund
E6: 6,0 e1: 6,5
Griffbrettstärke über der Decke
am Schallochrand: e1: 6,0 g3: 6,0
Griffbrettbreite am Obersattel
42,6
Griffbrettbreite am 12. Bund
53,4
Bundmarkierung keine vorhanden bzw. aufgeklebt
Bünde
Material vermutlich moderner Bunddraht aus Neusilber mit Steg und Widerhaken
Breite des Bunddrahtes Höhe des Bunddrahtes
1,8 1,0
Bundlänge analog Griffbrettverlauf
Anbringungsart in Nut eingeschlagen, Halt durch Widerhaken
Anzahl der Bünde 22
Bundabstände vom I 34,0 IX 244,0 XVII 377,1
Obersattel II 66,1 X 265,0 XVIII 389,9
III 95,7 XI 284,1 XIX 402,0
IV 124,5 XII 302,0 XX 413,5
V 151,2 XIII 318,6 XXI 424,0
VI 176,9 XIV 334,5 XXII 433,8
VII 200,8 XV 349,4
VIII 223,0 XVI 363,9
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Obersattel Länge Breite Höhe
Ebenholz 42,6 4,3 im Bass 4,2 im Diskant 9,5 im Bass 9,0 im Diskant
Korpus
Form / Gestalt stark ausgeprägter Ober- und Unterbug mit deutlich eingezogenem Mittelbug ; Wiener Form
Korpuslänge 431,0
Max. Korpusbreite am Oberbug Lage von unten
235,0 332,0
Min. Korpusbreite am Mittelbug Lage von unten
167,0 gemessen über Boden 171,0 über Decke 248,0
Max. Korpusbreite am Unterbug Lage von unten
295,0 110,0
Korpushöhe am Hals am Oberbug am Mittelbug am Unterbug am Endklotz
Bass 66,1 71,5 81,0 81,5 84,0
Diskant 66,0 71,5 82,0 82,0 84,0
Halsklotz Material und Form: Dimensionen:
vermutlich Ahorn; zum Boden hin verschnitzt, an der Decke rechteckig Breite: 70 mm
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