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Sonderdruck aus: Gedenkschrift WOLFGANG REUSCHEL Akten des III. Arabistischen Kolloquiums, Leipzig, 21.-22. November 1991 Herausgegeben von DIETER BELLMANN DEUTSCHE MORGENLÄNDISCHE GESELLSCHAFT KOMMISSIONSVERLAG FRANZ STEINER STUTTGART 1994
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"...doch das gemeine Volk sagt "empereo(u)r". Nachrichten über Europa aus dem Kitāb al-Muġrib fī ḥulā al-Maġrib des Ibn Saʿīd al-Maġribī.

Jan 11, 2023

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Page 1: "...doch das gemeine Volk sagt "empereo(u)r". Nachrichten über Europa aus dem Kitāb al-Muġrib fī ḥulā al-Maġrib des Ibn Saʿīd al-Maġribī.

Sonderdruck aus:

Gedenkschrift

WOLFGANG REUSCHEL

Akten des III. Arabistischen Kolloquiums, Leipzig, 21.-22. November 1991

Herausgegeben von

DIETER BELLMANN

DEUTSCHE MORGENLÄNDISCHE GESELLSCHAFT

KOMMISSIONSVERLAG FRANZ STEINER STUTTGART 1994

Page 2: "...doch das gemeine Volk sagt "empereo(u)r". Nachrichten über Europa aus dem Kitāb al-Muġrib fī ḥulā al-Maġrib des Ibn Saʿīd al-Maġribī.

.. doch das gemeine Volk sagt ,empereo(u)r'"!

Nachrichten über Europa aus dem Kitäb al-Mugrib des I B N S A Ì D A L - M A ô R I B ï

von

MANFRED KROPP

Mainz

Wer heute aufmerksam in arabischen Ländern dem Volke aufs Maul schaut, wird die Titelbehauptung des folgenden Aufsatzes nicht bestätigen können:

Huwwa 'ämel wala 'ambaratür „Er führt sich schlimmer auf als der Imperator" kann man z.B. in Ägypten1 hören, oder im Jemen, wie ich selbst kürzlich feststellen konnte, als Vorwurf diktatorischen, eigensinni­gen Verhaltens, der Großmanns- oder Geltungssucht, oder auch als Anschuldigung, die erste Geige spielen zu wollen.

Die Herkunft dieses Wortes in den arabischen Volkssprachen ist nicht ganz klar; freilich kann nicht das Italienische hier vermittelt haben. Am nächsten liegt das Osmanisch-Türkische, das diesen Titel wohl zum ersten Mal in dem Vertrag von Zsitva Torok (1606 n. Chr.) für die Habsburger verwendet.2 Arabi­sche Atoren, wie z.B. AT-TAHTAWI, griffen den Titel auf und fügten aus eigener

1 Vgl. M, HINDS; EL-SAID BADAWI: A Dictionary of Egyptian Arabic. 1986, S. 34b; die Beispiele verdanke ich Herrn cand. phil. RASHEED, Univ. Mainz, dem ich für zweck­dienliche Auskünfte herzlich danke. Der Gebrauch des Wortes ambaratür in der angege­benen Verwendung dürfte auch in anderen arabischen Ländern üblich sein. Als Sinn wurde mir für heute etwa eine Anspielung auf den äthiopischen Kaiser Haue Selassie angegeben; ein einfacher Mann in Sanaa führte als Parallele den koranischen Fir'awn „Pharao" an; immer ist ein - nichtmuslimischer - Despot oder Gewaltherrscher inten­diert.

Dieser Gebrauch wurde mir von mehreren befragten Personen für die Türkei verneint. Imparatür im Osmanischen, REDHOUSE, 1974, 534 als gelehrtes Wort verzeichnet; vor allem als Titel des habsburgischen Kaisers gebraucht. Imparator im modernen Türkisch; vgl. schon HEUSER-SEVKET, 1942, 188, wo es ausdrücklich für das osmanische Reich und des osmanischen Sultan angewandt verzeichnet wird; ist das neutrale Fachwort der Histo­riker für „Kaiser, Kaiserreich" etc. Es scheint im Volksmund nicht geläufig zu sein.

2 Vgl. H. REBHAN: Geschichte und Funktion einiger politischer Termini im Arabi­schen des 19. Jahrhunderts (1798-1882). Wiesbaden, 1986, S. 51, Anm. 95 (S. 144). Die Belege aus Muahedet mecmuasi. Istanbul, 1877-79. Bd. V und AHMED CEVDET: Tarili. VI, 312.

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1 8 6 M a n f r e d K r o p p

Kenntnis Europas genaue Definitionen hinzu.3 In der Sprache der Presse und moderner Historiker fand er rasch seinen Platz. So mag er wohl als ursprünglich gelehrtes Wort seinen Weg in die Redewendungen des Volkes gefunden haben; vergleichbar wären neudeutsche, saloppe Wendungen wie „den king spielen". Auf Nachfrage bei einfachen Sprechern im Jemen ergab sich, daß keinerlei Vorstellung über die Bedeutung des Titels vorhanden war, phantasievolle Beziehungen zur fir 'awn etc. zitiert wurden. Kann man somit das Fremdwort Vambaratür als über die osmanische Amtssprache vermittelte und durch wachsende Kenntnis Europas im 19. Jhdt. unterstützte Entlehnung aus dem Lateinischen bezeichnen - so ist doch zu bemerken, daß dies nicht der erste Kontakt der arabisch-islamischen Welt mit diesem Titel war; freilich ist der erste nachweisbar auf die gelehrte Zunft der Historiker begrenzt und ohne Fol­gen geblieben.4

In der Zeitschrift Der Islam 33. 1958. 30-36 hai sich HANS L. GOTTSCHALK in einem Beitrag mit dem Titel Al-anbaratürlImperator ausführlich mit der Geschichte und Bedeutung des Titels bei den muslimischen Geschichtsschrei­bern des Ostens befaßt. Seine Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1) die frühen Handschriften und Autoren geben immer nur die noch zu bespre­chende Form anbarür; erst z.T. IBN NAZïF AL-HAMAWI und dann IBN W ä S I L in Kenntnis offizieller Schriftstücke und nach dessen Aufenthalt am Hof des Hohenstaufers Manfred in Sizilien verwenden die dem Lateinischen entspre­chende Form ambaratür.

2) Der Titel - im besten Falle - wird als laqab der Hohenstaufer, bzw. des deut­schen Kaisers verstanden, vorzüglich aber mit Friedrich II. in Verbindung gebracht, dem Imperator par excellence, mit dem die Muslime des Ostens Ver­bindung hatten, später aber mit wenigen Ausnahmen nicht mehr verwendet.5

3) Die Beziehung zu qaysar „Kaiser" ist nicht bekannt, wie auch nicht die genaue Bedeutung des Titels.6

3 Vgl. REBHAN, Geschichte, 48ff. Das Zitat aus at-TAHTÂwïs al-Ta'rïbât a$-sâftya li-murid at-gugrâfiyâ. Bulaq, 1254 d.H. = 1838. (Teil li: Glossar):

• d é s - j ~ a j L ì ' d ^ j ï ^ ù l k J L M j t S j ; ? y j ì ] \ X » l i i L i l J U y

„Zum König sagt man bei den Europäern rot, zum Sultan Imperator, d.h. .mächtiger Kaiser'".

4 Ich weiche insofern von der Ansicht von H. REBHAN ab, die schreibt {Geschichte, S. 51): „Im 19. Jahrhundert griffen arabische Schriftsteller auf die alte Tradition zurück und bezeichneten abendländische Monarchen mit ihren Titeln in arabisierter Form". Gegen eine solche Kontinuität oder einen solchen Rückgriff sprechen schon die konse­quent verschiedenen Formen des Titels in alten und neuen Quellen.

5 Eine führt GOTTSCHALK für Rudolf von Habsburg an; s.u. 6 Phantasievolle Verballhornungen und Volksetymologien wie amir lür sind als Ver­

suche einer Deutung zu sehen. Amir al-umara wie etwa bei IBN AL-ATïR kommen noch der wahren Bedeutung am nächsten.

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doch das gemeine Volk sagt ,empereo(u)r' " 187

Ohne der Belesenheit und der scharfsinnigen Gelehrsamkeit von GOTTSCHALK meinen Tribut zu verweigern, und in Anerkennung seiner Ergebnisse sei es mir doch im folgenden erlaubt, einige Ergänzungen und Korrekturen anzubringen. Dabei mag die eingangs angesprochene Fortführung der Untersuchung auf die neuere Zeit und die Dialekte, die ja nicht im Blickfeld der Studie lag, außer Acht bleiben.

Die Form anbarür wird in der Tat üblicherweise gebraucht; allerdings sind nicht davon abweichende Formen in den Texten Korrekturen der späteren Her­ausgeber. Da GOTTSCHALK nur wenige arabische Stellen anführte, sei hier eine Auswahl aus den Werken von Autoren des muslimischen Ostens geboten:

IBN AL-'ADïM: Ta'rth Halab, Bd. 3, S. 201; 205:

gJji'Vl LÜI« jxr^Vl, der einfache Titel, ohne weitere Angaben.

Anzumerken ist, daß IBN AL-'ADIM damit eine in seinem Besitze befindliche Handschrift nicht ausgewertet hat: der zu besprechende Auszug aus IBN SA'ïD stammt aus einer Handschrift, die für ihn geschrieben und ihm gewidmet ist.

IBN AL-ATìR: aì-Kàmilfì i-ta'rilj, ed. TORNBERG, Bd. 12, S. 376 = ed. Bairüt, 1965-66, Bd. 9, S. 479; zum Jahr 625 d.H. = 1227/1228 n. Chr. (über Fried­rich IL):

dlL. >k*A J J j j ^ V l o i l j OlWl illL. y> * * J P * Ji l l y> (JJJI * $ & . Ol

Der Titel ist als „König der Fürsten" gerade nicht in seinem einzigartigen Anspruch erfaßt.7

ABU L-FIDä: al-Muhtasar fi ta'rth al-basar, Kario 1315 d.H. = 1907; repr. Bagdad o.J., Bd. UI, S. 141 (ebenfalls zum Jahre 625 d.H.):

Ï^Ç-jàil tl^Nl iilU »LJW **-y>3>>. l£p J l ^ji>L~cVl f-li i - J I aJLa .^j

Es folgt der Bericht des IBN WäSIL über seine Gesandtschaft. Die Verwendung einer anderen Form als anbarür ist wohl gerade nicht eine

Korrektur der Herausgeber,9 sondern auf seine Quellen zurückzuführen, wie

7 Vgl. J. KARABACEK: „Eine Gesandtschaft Rudolfs von Habsburg nach Aegypten", in: Oesterreichische Monatsschrift für den Orient, 1879, S. 5, Anm. 5.

s Diese Form (besonders das jl des Anfangs) ist erst in den auf türkischen Umschrif­ten beruhenden arabischen Werken des 19. Jhdls. zu finden. So ist hier nicht zu entschei­den, ob, wie GOTTSCHALK meint, in der Hs. anbarür anzusetzen ist, die Editionsform also Zusatz des arabischen Herausgebers ist, oder aber ob lediglich die alte arabische Form anlmbaratür (s.u.) „modernisiert" wurde. ABU L-FIDä' kannte nach Ausweis seiner noch anzuführenden Geographie die Form anbaratßr, die er seinem Handexemplar der Geo­graphie des IBN SA'ID (HS. BN 2234) entnehmen konnte.

9 Das Werk harrt immer noch einer kritischen Neubearbeitung und Übersetzung. Für diese und weitere, die Editionen von IBN WäSIL, Mufarrig al-Kurüb und IBN AL-FURäT,

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188 Manfred Kropp

auch die von GOTTSCHALK angeführte Stelle aus seiner Geographie als wört­liches Zitat des IBN SA'îD zu besprechen sein wird; die Gelehrheit des Fürsten von Häma reduziert sich auf eine sorgfältige Benutzung guter Quellen.

IBN HALLIKäN: Wafayät al-a'yän, ed. IHSäN 'ABBäS, Bairüt, 1972, Bd. 1,

S. 185 (Biographie des Saiäh ad-Dîn al-Irbilï, eines Hofbeamten und Gesandten von al-Malik al-Kämil an Friedrich IL):

4jJu£ i_^-L<a j j j j l J*~"_J J - *

Die Form ambarür wird von AL-IRBILî, der den Titel Friedrichs aus dem Munde der Gefolgsleute gehört hatte, in einem seiner Verse benutzt.

Bd. 5, S. 91 (Biographie von al-Malik al-Kämil):

.\}i*- (K^jl* jf\ f jJ ' y j i J i ^ <-^\-P jxr?^

Bd. 6, S. 218 (Biographie des Yahyä Ibn TamTm as-Sinhâgï):

f\ oStU pi ,LjUj J ÎJul tiJJUjj^Vl f l ^ cbl o£U i 0 ^ JJU* a, J.I&I dJJil oyj ^ j ^Ul» ^»U ülS} A S ^ U ^ I J iOLi Ijji^» « A U - j ^ V l

. LA —P_J o ^ L x l - « T-^3^ L _ - > - L ^

Al-Anbarür hier ebenfalls als /aqraft Friedrichs 11. verstanden." Die jüngsten Belege der fraglichen Periode für den Titel finden sich bei IBN-

AL-FURäT: Ta'rlh ad-duwal wa-l-mulük,12 ed. RIELY-SMITH, Cambridge, 1971, vol. 1 (text), S. 59, 14ff. für den SVbän des Jahres 550 d.H. = nach der Übers. S. 49: 21. Juni bis 19. Juli 1262 n. Chr.:

C5i^' ••• üä-0' «-*r-'-tt*^' iij-iJl ^ l ^ ' J 1 (J^J ~~'1 •*** Ù* ^^*** L5* ^ J J * ^ > J 1 U * * " 1 ^ ai-*1" • J ^ - 1 1 J - j f1"1 M j * ài-"1 Jr^1 y r ^ J

Die Stelle bezieht sich somit auf den Hohenstaufer Manfred, der selbst nicht Kaiser war, dem aber die muslimischen Gesandten aus Gewohnheit heraus den Titel des Vaters gaben.

Ta'rlh ad-duwal betreffende Auskünfte und viele wertvolle Hinweise bin ich Herrn Kol­legen U. HAARMANN, Kiel, sehr zu Dank verpflichtet.

10 Offensichtlich eine Arabisierung von „Guillaume"; in anderen Hss. die Form Ali-. 11 Weitere Belege etwa in U. HAARMANN (Hrsg.): Das Pyramidenkapitel des Abu

Öa'far al-Idrlsi (st. 64911251). Stuttgart, 1991. (BTS. 38) Einl. S. 74; Text S. 48, 6; 65, 5:

Es handelt sich um Graf Thomas von Acerra, Gesandten Friedrichls II. und dessen Stellvertreter in Akko.

12 Näsir-ad-Din Muhammad Ibn 'Abdarrahmän... IBN AL-FURäT AL-MISRI AL-HANAFI (gest. 807 d.H. = 1405 n. Chr.), ägyptischer Universalhistoriker; cf. El2 III, 768 b f; GAL II 50; S II 49.

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S. 106, für das Jahr 663 d.H. = 1264/65 n. Chr.:

J-<jj rubili i l j l ^ J--JJ jj_^J*i" J-»j ÜjyiJI v l t f ^ LS" J~°J ^ ' *~~" *"** LS*

••• O-r" J o j t / ^ 1

Für das Jahr 684 d.H., genauer den 7. Ramadan (= 6.11.1285 n. Chr.) führt IBN AL-FURäT unter den Gesandtschaften der fränkischen Herrscher noch Geschenke des anbarür, des „Kaisers" an.13 Damit kann nur der deutsche König Rudolf von Habsburg gemeint sein, der nach KARABACEKS Feststellung „als Ersatz für die unterlassene Kreuzfahrt, noch im Jahre 1285 mittelst einer Botschaft diplomatische Unterhandlungen in Kairo gepflogen" |4 hat.

An Stellen aus späteren Historikern ließen sich solche aus AN-NUWAYRï, AL-MAKîN und AS-SAFADI ergänzen, einige weitere nennt GOTTSCHALK. Es bleibt

das Resultat, daß der späteste Gebrauch des Titels (in der Form anbarür als laqab des Königs der Deutschen oder Franken) bei IBN AL-FURäT, in Zitierung älterer Historiker, und deutlich bezogen als Rudolf von Habsburg zu finden ist; ansonsten wird er von IBN W ä S I L , wohl ebenfalls in Unkenntnis der genauen Bedeutung und Titulatur, noch Manfred von Hohenstaufen zugesprochen.

Als Sonderfall der muslimischen Historiographie sind die Nachrichten von RASID-AD-DIN FADLALLäH ABü-L-HAYR in seiner Universalgeschichte Gawamï

at-tawärih, qism 2, bäb 3: Ta'rih-i Afran§ zu betrachten.15 Sonderfall insofern, daß er eine lateinische Quelle und direkte mündliche Nachrichten, sehr wahr­scheinlich eines französischen Klerikers seiner Bekanntschaft auswertet.16 Son­derfall aber auch, weil sein Werk, trotz allergrößter Bemühungen des Autors um Verbreitung und Übersetzung in andere Sprachen doch, von wenigen Ausnah­men bei persischen Historikern abgesehen, nicht in die allgemeine historische

15 Da die Ausgabe der Chronik des IBN AL-FURäT noch nicht so weit gediehen ist, beziehe ich mich auf die Übersetzung der Stelle bei KARABACEK: Gesandtschaft, S. 4 f.

14 KARABACEK: Gesandtschaft, 7. 15 Vgl. E.G. BROWNE: A Literary History of Persia. Vol. III. Cambridge, 1920

(Nachdr. 1969), 68-86; K. JAHN: Histoire universelle de Rasìd al-Dîn Allah Abul-Khair. I. Histoire des Francs. Texte persan avec traduction et annotations. Leiden, 1951; ders.: Die Frankengeschichte des Rasld al-D'm. Wien, 1977.

16 Die Quelle ist die Universalchronik des polnischen Dominikanerbischofs MARTINUS OPPAVIENSIS oder POLONUS (gest. 1278 n. Chr. in Bologna), die im Mittelalter eine große Verbreitung und Autorität genoß; vgl. Enciclopedia Italiana (TRECCANI) s.v.; K. JACOB: Quellenkunde der Deutschen Geschichte im Mittelalter. Bd. 1.6. Aufl. bearb. von H. HOHEN-LEUTNER, Berlin, 1959, S. 40; W. WATTENBACH: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Deutsche Kaiserzeit. Bearb. von R. HOLTZMANN, Berlin, 1948, 426. Ed. des bis 1277 reichenden Chronicon summorum pontificum imperatorumque de Septem aetati-bus mundi, in MGH. Vol. 22; Fortsetzung im Liber pontiftcalis. Hrsg. L. DUCHESNE, II. 1892, 458 ff.

Der mündliche Gewährsmann wegen seiner Angaben über amperour wohl Franzose, wegen seiner eigentümlichen Sicht der Hierarchie der Herrscher der Erde wohl ein Kleri­ker (s.u.); vgl. JAHN: Histoire, 6-7; 10-11.

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Tradition des muslimisch-arabischen Ostens einging.17 Da seine allgemeinen

Nachrichten über die Rangverhältnisse europäischer Fürsten in verblüffender

Weise den Angaben IBN S A ' ì D S entsprechen, seien sie hier in extenso angeführt

{Histoire, S. 2, 9ff.):

JLÏL (jljJj j j j 0\ ^ & C—JL J j l '•<JJ* & C—«Jt>- TJJJI ò U L i i l j i _ - J / j

, - * * • * O J J J _ J S . « « i l \ j j . / i . % 4 * * - f \ ü u V j . . / a . » Ù Î I j l J ^ J _ J J l i l J - ^ « - * * * K t A j > - I , » 1 »

.JLÎU j U L i - s l a l i jU j l (_5~« £ ^jiiXj O Ï j l -UJ J - i l O ^ L - tjUaL' j l

Übers. S. 15: „Et la classification des princes des Francs se fait ainsi, que la

première dignité est celle du Pape - Pape signifie ,père des pères ' - et on le con­

sidère comme vicaire du Rédempteur! et ensuite vient l 'empereur (qaysarl) -

dans la langue des Francs on le nomme Amperour, ce qui signifie Sultan des

Sultans; et ensuite vient Rey da Frans (le roi de France),1 8 ce qui signifie

souverain des souverains".19 Diese präzisen Angaben des R A S I D A D - D I N haben

wie gesagt nicht weitergewirkt; verblüffend bleibt, daß er das französische

amperour nicht an das in der Sprache seiner Quellen gegebene imperato/- (neben

caesar) anband. Hier war, wie im nächsten Fall des IBN N A Z î F AL-HAMAWî der

Einfluß der traditionellen Terminologie zu groß.

Hauptsächlich ist aber al-anbarür doch auf Friedrich II. von Hohenstaufen

bezogen. Dies macht die westliche Quelle deutlich, auf die wohl die Form al-

ambaratür, mehr als auf IBN W ä S I L , zurückzuführen ist, der ja die andere Form

auch nach seiner persönlichen Kenntnis des Stauferhofes noch für einen Buchti­

tel benutzt.-?0 Hingegen zeigt IBN N A Z î F AL-HAMAWI in seiner Zeitgeschichte

17 Vgl. BROWNE: Histoiy, 77 ff. 18 So auch schon bei arabischen Quellen; z.B. ABU L-FIDä ' : Muhtasar, 3, 187; 189;

4, 40 u. ö. Vgl. MüLLER: Parerga, in: ZS. 2, 1924, 95-98. 19 Es folgen Ausführungen über die Voraussetzungen für diese Ämter; dabei wird

richtig die deutsche Königswürde - mit der Kaiserwürde gleichgestellt, wie sich aus der stereotypen Bezeichnung aller deutscher Könige als „Kaiser", auch solcher, die diese Würde nie getragen haben (s. o. für Rudolf v. Habsburg), ergibt - als Wahlwürde bezeichnet; die Ausweitung des Kaisertitels ist im Grunde schon in den westlichen Quel­len vorgegeben, nicht der mangelnden Präzision muslimischer Historiker anzulasten. Die französische Königswürde als erblich hingestellt. Anzumerken ist, daß der in den Quellen vorkommende Titel Imperator immer mit qaysar wiedergegeben wird; nur die moderne, „volkstümliche" Form wird registriert. Fernerhin zeigt sich in der Definition des unbe­kannten Gewährmannes die dreistufige Gliederung der Herrscherhierarchie: Der Papst als religiös begründete Autorität steht über allen Herrschern; der Kaiser steht noch über den Königen der Könige, eine Würde, die im parallelen muslimischen Denken nicht vorgese­hen war (s. u. Sultan = malik al-mulük); König der Könige ist hingegen schon der fran­zösische König.

20 Das Hauptwerk IBN WàSILS über die Geschichte der Ayyubiden, Mufarrig al-kurüb, ist in der modernen Edition (von ÖAMäL-AD-DIN AS-§AYYâL und HASANAYN MUHAMMAD

RABT', vol. 1-5, Kairo, 1953-1977) ebenfalls noch nicht bis zu dem fraglichen Zeitraum

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at-Ta'rih al-MansürP1 eine deutliche und konsequente Entwicklung in der Benutzung der beiden Titel formen:

Im Index der Ausgabe finden sich beide Formen (S. 473) mit Verweis auf fridirik.22

Bis zum Jahre 620 d.H. = 1223 n. Chr. anbarür bzw. al-anbarür min biläd almâniya23 (fol. 144 b; 145 ab). Ab dem Jahre 624 d.H. = 1226/1227 n. Chr. (fol. 161 a), d.h. seit der Kenntnis von Schriftstücken Friedrichs IL, durchgängig al-ambaratür, das er in den Texten fand.24 In der Wiedergabe eines Briefes Frie-

gediehen, so daß wir auf die späteren Zitate angewiesen sind. Doch wird er im großen und ganzen an der (altfranzösischen) Form des Titels festgehalten haben, die er von den nor­mannischen Gefolgsleuten der Staufer auf Sizilien hörte, wie der Titel eines ursprünglich König Manfred gewidmeten Werks über die Logik, al-masä'il al-anbarüriyya beweist (vgl. GAL, I 323; S I 555; AS-SAFADï: Fawât, vol. 6, 107, Nr. 130 s.v. Aggâr (Roger).

21 Vgl. GAL I 350; S I 591: Abu 1-Fadâ' il Muhammad Ibn 'All... Ibn Nazïf al-Hamawï, ein sonst unbekannter Beamter und Höfling der Ayyübidenfürsten in Syrien; die Geschichte reicht bis zum Jahre 631 d.H. = 1233 n. Chr. und ist al-Malik al-Mansür, Emir von Homs gewidmet. Das Werk enthält den Wortlaut zweier arabischer Briefe Friedrichs II., geschrieben nach seiner Rückkehr nach Italien. Edition der einzigen Hs. im Faksimile von P.A. GRYAZNEViè, Moskau, 1960. Auszüge waren schon von M. AMARI in seiner Biblioteca Arabo-Sicula veröffentlicht worden. Arab. Ed. von Abu 1-ld Düdü. Damaskus 1401-1981. S. 99, Anm. I ohne weiterführende Erläuterungen. Die wichtige Quelle harrt noch einer ausführlichen und kommentierten Übersetzung.

22 Verwiesen sei hier auf dem Lateinischen Fridericus entsprechende Form, wie auch 'arrîk Henricus, die das französische Frédéric ausschließt. Es scheint, als habe der Umset­zer ins Arabische die lateinischen Endungen -us usw. nach dem Beispiel der Schreibung der arabischen Flexionsendungen unbezeichnet gelassen, aber die entsprechende Lesung vorausgesetzt. Zugleich mischt sich aber eine dem Französischen angepaßte Aussprache hinein, wie 'arrik für „Henricus" zeigt.

Auf das konsequente Fehlen des langen ä in der Silbe vor -tur in der alten Form (die modernen, auf dem Türkischen beruhenden Formen geben ja neuerer Übung entspre­chend nach maires lectionis für Kurzvokale in Fremdwörtern, allerdings nicht konse­quent, an), kann ich nur hinweisen. Ob man daraus ableiten darf, daß die lateinische Form mit Akzem auf ,,-ior" gehört wurde (altfranzösische oder italienische Aussprache)? Oder liegt einfach eine Angleichung an anbarür vor, das in seiner lautlichen, altfranzösischen Vorlage sicher endbetont war?

23 Die stereotype Bindung des Kaisertitels an das deutsche Königreich ist schon hier vorgegeben, und erklärt die spätere Weiterführung für alle deutschen Könige, die mit dem Orient in direkten Kontakt kamen.

24 Die relativ großzügig vokalisierte Handschrift gibt außer der Vokallosigkeit des ba leider keine weiteren Angaben zur Aussprache des Titels.

Die betreffende Nachricht handelt von der Heirat Friedrichs 11. mit Isabella, Tochter Johanns von Brienne, aus der sich seine Kronansprüche auf Jerusalem und Akko herleiteten. Die Einzelheiten beweisen, daß dem arabischen Autor präzise Quellen vorgelegen haben.

Im folgenden Nachrichten über die Katharerkriege in Frankreich; die Katharer werden in seltsamer Entstellung und volksetymologischer Deutung al-Baialäniyya genannt und in ihrem Verhältnis zu dem Rest der Christenheil mit dem der Nusayrier zu den übrigen Muslimen verglichen. Auch in weiteren Nachrichten und Deutungen von Titeln zeigt sich der Autor besonders gut über innerfranzösische Verhältnisse informiert.

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192 Manfred Kropp

drichs IL aus dem Jahre 627 d.H. = 1229/30 n. Chr. an al-Kâmil (fol. 187 bf) findet sich die Zusammenstellung mit „Caesar" (Kaiser), die der Chronist aller­dings nicht als zusammenhängend versteht, zumindest mit keinem Wort auf den Zusammenhang verweist: arab. Qaysar konnte er innerislamisch als traditionel­len laqah der früheren römischen und der byzantinischen Herrscher verstehen,25

den Friedrich sich anmaßte - nach der Erniedrigung von Byzanz nach 1204 n. Chr. nicht verwunderlich. Daß er Ambaratür nicht zu deuten wußte, ergibt sich aus Kombinationen wie al-malik al-ambaratür:

j_j~adl lilijij» jj!0j^i\ ji_ £jjjC jy>jJH\ ji £kj*j V J J J ^ V ' j ^ J**?

SjJLjlij ~**J$^} «JUajIj ÄilÄ-Jj 5jJj-ij ÄJ^' "^^* **J*J i^*~-*^ «ó-A«i jJÜll 4jJL

. . . Ì A _ J I I HJJ j^ati\ *~AJJ pUl yw l-f Jill (»LiJl iüLfj

Die von Friedrich in der normannischen Tradition selbst gewählte arabische Titulatur enthält freilich alle Elemente zu einem korrekten Verständnis. Doch selbst die Verbindung „Imperator von Rom" ließ den arabischen Autor nicht an seiner Auffassung zweifeln.

Mit der Stelle aus Taqwim al-buldän des ABU L-FIDä' , des gelehrten Fürsten von Härna, der schreibt, daß ambaratür die offizielle Titulatur sei, das gemeine Volk aber anbarür sage, kommen wir zu einem anderen Autor, der wohl nicht in den Traditionsstrang der bisher genannten Autoren eingewoben ist,26 Wie so vieles in der kompilierten Geographie des ABU L-FIDä ' ist die zu behandelnde Stelle keine originale Nachricht, sondern ein Zitat aus dem Kitäb Gugräfiyä des IBN SA'îD AL-MAGRIBî.27 Dieses Werk ist etwa im Jahre 1260 n. Chr. entstanden und damit gleichzeitig mit IBN WäSILS Gesandtschaft nach Sizilien, aber sicher­lich eine von ihm unabhängige Quelle. Bevor ich diese Stelle hier mit einer ande­ren aus dem Kitäb Gugräfiyä anführe, soll zuerst eine bisher fast unbeachtete28

25 Vgl. EI2, IV 839 f. 2,1 Nicht nur war IBN SAID ein „Asylant" aus dem Westen - Leute, die wegen hoch­

fahrender und stolzer Wesensart nicht immer geschätzt waren - , auch mit seinem Ruf als Literat und Historiker stand es wohl nicht zum besten, wie z.B. eine Anekdote bei AS-SAFADI, al-Wäfi belegt (vgl. KROPP: Geschichte, S. 18-19).

27 Vgl. zu diesem Autor El2 III, 926; GAL I 337; S I 576; MANFRED KROPP: Die Geschichte der „reinen Araber" vom Stamme Qahtän. Aus dem Kitäb naiwat at-tarab fi ta'rth gahiliyyat al'Arab des IBN SAID AL-MAGRIBI, Frankfurt, 1982. (Heidelberger Orientalische Studien, 4.) Der gesamte arabische Text hrsg. von NASRAT 'ABDARRAHMäN. 'Amman, 1982. Als wichtige Neuerscheinung des IBN SA'ID danach: Al-Muqtataf min azähir at-furaf. Ed. SAYYID HANAFI HASANAYN, Kairo, 1983; vgl. Rez. v. G.C. ANAWATI, in MIDÈO, 17, 1986, 144-146.

28 Die Passage wurde lediglich in der Besprechung von AL-AHWANì zu dem Mugrib aufgeführt: Magallat al-mahtütät al-'Arabiyya, 1, 1955, 311-318; bes. S. 313-314. Frei­lich ist dies dort angeführte Bewertung der Mittelmäßigkeit des Werkes durchaus mit der Unsicherheit über die Originalform behaftet.

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„... doch das gemeine Volk sagt ,empereo(u)r*" 193

Passage aus IBN SAIDS literarischem Sammelwerk seiner Familie al-Mugrib fi hulä al-Magrib ediert und übersetzt werden. Der Herausgeber des betreffenden Abschnitts über al-Andalus, SAWQï DAYF, hielt sie wohl für zu klein und unbe­deutend, um sie seiner Edition beizugeben.29 Es handelt sich um eine kurze Notiz über Europa,30 die, zwar ganz in IBN SA'îDS pathetischer Art mit klingendem Reimtitel angekündigt, doch nur wenige Zeilen umfaßt.11

Text aus Hs. Kairo 2V, 353 - Mugrib, vol. 4 fol. 180 v f:

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29 Al-öuz 'al-awwal min al-qism al-häss bi-Misr. Kairo, 1953. Auch in der Ausgabe des Andalusien betreffenden Teils (Ed. SAWQî DAYF, Kairo, 19642) ist der Teil nicht zu finden; s. a. die eine Seite, die IBN SA'ID dem christlichen Spanien widmet (vol. 2, 473). Die Exzerpte bei AL-MAQQARI beweisen hingegen, daß eine ausführlichere Fassung des Mugrib handschriftlich existierte.

30 In der Hs. auf die Beschreibung Siziliens (hrsg. von B. MORITZ) folgend. 31 Zugegebenermaßen ist die uns erhaltene Fassung des Mugrib ein hastig dahinge-

schriebener Auszug, eine Gelegenheilsarbeit für den Gönner und Mäzen Kamäl ad-Dïn Ibn al-'Adïm; doch zeigen vergleichbare Beispiele im Werke und anderen Schriften, daß wahrscheinlich auch im Original der Abschnitt nicht wesentlich umfangreicher war. Es ist ja bekannt, wie wenig sich im allgemeinen die muslimischen Gelehrten um die Länder und Völker außerhalb ihres Kulturkreises kümmerten, auch wenn sie, wie im Falle des Andalusiers IBN SAID, zumindest Teile des christlichen Spanien aus eigener Anschauung kannten.

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194 Manfred Kropp

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„Im Namen des gütigen und bannherzigen Gottes. Er möge unseren Herrn Muhammad segnen!

Nach dem Lobe Gottes und dem Segenswunsch für unseren Herrn Muhammad, seine Familie und seine Gefährten folgt hier

das letzte der Bücher, die den Norden des Okzidents umfassend behandeln; es trägt den Titel

Das Letztgültige (in der Unterrichtung) über die Schmuckstücke des großen Landes

Das „große Land" kennt viele Sprachen, und es erstreckt sich von der Grenze Andalusiens bis zum Golf von Konstantinopel, das Konstantin, der erste (Kai­ser), der sich offen zum Christentum bekannte, erbaute. Seine Macht ist berühmt und es gibt dort bestaunenswerte Kirchen und Kathedralen. Doch berichtete mir jemand, der es in dieser Zeit besuchte, daß es nun verwüstet, und daß dem Herr­scher12 der Christen wegen des Triumphes der Franken über die Byzantiner dort keine Pracht mehr verblieben sei.

32 IBN SA'îD verwendet ganz unbefangen den Titel sultan, der sonst eher einem musli­mischen Herrscher vorbehalten war. Ihm kommt es auf die Abhebung der Stellung vom einfachen König (malik) an. Wie später bei Imperator erkennt er den übergeordneten Rang der Kaiser von Byzanz und Rom.

Vgl. zu der Problematik der Verwendung von sultan für nichtmuslimische Herrscher REBHAN: Geschichte, S. 47 f. (nach B. LEWIS und AYALON nur im Maghreb für nicht­muslimische Herrscher gebraucht. Die Stellen der genannten Autoren konnte ich nicht vergleichen).

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„... doch das gemeine Volk sagt ,empereo(u)r'" 195

(Darin) liegt auch die Stadt Rom, in der der Papst, der Stellvertreter Jesu nach Auffassung der Christen lebt." Man sagt, daß ihr Umfang vierundzwanzig Mei­len betrage.

Darin liegen ferner das Königreich der Alemannen (Deutschen), das Köni­greich Kalabrien, das Königreich Frankreich und das Königreich der Franken. (Dessen Herrscher) ist zur Zeit ihr mächtiger Fürst, der gekrönte Kaiser, der Imperator (al-anbaratür), wegen der Vielzahl seiner Länder und was weiter den Stolz einer Herrschaft ausmacht.

Dieses Land hat viele Inseln und (Handels-)straßen; seine Gestalt wurde schon zuvor besprochen.

Damit ist das Buch Al-Mugribfi hulä al-Magrib abgeschlossen. Lob sei Gott und Segenwünsche über dem Besten seiner Geschöpfe Muhammad und über seine Familie und seinen Gefährten.

Dies hier ist geschrieben von der Hand dessen, der die Redaktion (des gesam­ten Buches) vollendet hat, 'AIT Ibn Sa'îd, in der Stadt Aleppo - Gott beschütze sie! - für die herrschaftliche Bibliothek des Kamäl-ad-Din - Gott möge sie blühen lassen! - im Jahre 647 (der Higra = 1249/50 n. Chr.)".

Hier fügt IBN SA'ID in selbstverständlicher Weise die beiden Titel qaysar und ambaratür zusammen.34 Daß er nicht nur diesen Zusammenhang genau kannte, sondern auch dessen Bedeutung, und daß er über die beiden sprachlichen For­men etwas zu sagen wußte, ergibt sich aus einer Stelle in seinem geographi­schen Werk:35

L^"JPISJ JJJJVI oyü <"W^ iSjIil ilJLL- »L*^ j J=-_ .VL <->j/J.I y> L^lkL-j

. . . i-A~> i—T il .y 5J_JSJ1I icJÜI

„Südlich und westlich dieses Flusses liegt langgestreckt Deutschland, dem man vierzig Könige zuspricht. Ihr Kaiser (sultän) ist bekannt als Ambaratür (Imperator), das bedeutet .König der Könige', doch sagt das

33 Vgl. oben die Stelle aus RASîD AD-DIN; YäQüT: Mu'gam al-buldän. Hrsg. v. F. WüSTENFELD, Göttingen, 1865 ff. (Nachdr. Teheran, 1965), Bd. I, 469 f.

,f Auf andere interessante Aspekte der Passage kann hier nicht eingegangen werden. 35 Kitäb Gugräfiyä, ed. I. 'ARABI, 1968; 1982; S. 193; die Ausgabe von JUAN VERNET

GINES u. d. T. Kitäb bast al-ardfi tül-hä wa-l-'ard (Tetuan, 1956) und G. POTIRON: La géographie d'lhn Sa'td. Thèse de IIIe cycle, Paris, 1964 (unveröff.) waren mir nicht zugänglich. Der Text wurde in den Hss. kontrolliert (BN 2234, fol. 104v; Oxford I, 1015, fol. 67v; BM Or 1524 fol. 89r; in dem Auszug aus der Öugräfiyä des IBN YäQüT AL-HAMAW! ist die betreffende Stelle nicht enthalten; das Zitat bei ABU L-FIDä': Taqwlm al-buldän, ed. REMAUD, Paris, 1840, S. 202; ohne weiteren Kommentar angegeben bei W. HOENERBACH: Deutschland und seine Nachbarländer nach der großen Geographie des IdrisUt 1162). Stuttgart, 1937, S. 19 Anm. 57).

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gemeine Volk anbarür (.empereour').-16 Dessen alte, in den Büchern erwähnte Hauptstadt ist Bansa...".37

Gleichsetzung von „Kaiser/König der Könige" mit Sultan, wie auch schon für Byzanz angedeutet. Nordfranzösische Form als 'ämmiyya erkannt und bezeichnet, im Verhältnis zum Lateinischen!38

Freilich ist die islamische Welt nicht nur im Osten und in der Zeit der Staufer mit Imperatoren in Berührung gekommen. Weniger bekannt ist, daß im Westen, in Spanien, ebenfalls ein lateinisches Kaisertum begründet wurde und Bestand hatte, das in der Reconquista der islamischen Welt entgegentrat. Der Titel Impe­rator taucht zumindest in zwei Quellen des muslimischen Westens auf, wo er ebenfalls der Widerhall seiner Benutzung in offizieller Korrespondenz ist; zugleich aber wird auch belegt, daß die muslimische Seite genau den Inhalt die­ses Titels und seinen Anspruch kannte; nahegelegt wird zumindest, daß die Beziehung zu qaysar bekannt war, wie dies dann ja auch die Aussage IBN SA'IDS bekräftigt.

Kurz zur Entwicklung des Kaisertums in Spanien: Schon Alfons III. (866-910 n. Chr.), Gründer des Königreichs Leon erhebt Suprematsansprüche über die Völker der iberischen Halbinsel; um 974 n. Chr. findet sich der Titel in

36 Wie schon gesagt, ist als Vorlage eine altfranzösische Form anzusetzen; Spanisch und Italienisch, emperedor bzw. imperatore fallen aus, ebenso aber auch das Provenzali-sche (langue d'oc), das eine getrennte Entwicklung der fraglichen Silbe -ator kennt; Musterwort troubadour gegen nordfrz. trouvère. Nach WARTBURG: Evolution de la lan­gue française. Bern, 19699, 102 f. wurde t intervokalisch zu d und schwand schließlich ganz (schon im 5. Jhdt. n. Chr.). O wurde unter Hauptton in offener Silbe diphtongisiert (o zu eure / oure; etwa 13. Jhdt.; im Süden hingegen erhalten). Schließlich ab 13. Jhdt. monophtongisiert zu -eur. Belegte Formen aus dem 11. bis 13. Jhdt.: emperere (nom.); empereour (acc); empereor; empereres (nom. pi.); empereours. An/mharür ist somit die annähernde Wiedergabe des Titels, den die Muslime des Ostens vornehmlich aus dem Munde französisch-normannischer Kreuzfahrer, später normannisch-sizilianischer Gefolgsleute der Staufer hörten.

37 Vgl. zu dieser auf AL-IDRISI beruhenden Angabe W. HOENERBACH: Deutschland, S. 69, Anm. 161, der den Zusammenhang der Nennung der Benediktinerabtei Banz statt des gemeinten Bamberg (Reichstag Friedrichs I., 1147 n. Chr.) aus der Verbindung mit den Grafen von Andechs als Reichsverweser und Advokaten des Klosters herleitet. Die Entfernungsangaben bei AL-IDRTSI ZU anderen Städten passen naturgemäß - bei der gerin­gen Entfernung beider Orte voneinander - auf Bamberg wie auf Banz.

38 IBN SA'IDS Quelle, AL-IDRISI, kennt den Titel noch nicht; sein Mäzen und Herrscher Roger II. führte ihn auch nicht in seiner Titulatur. So finden sich in der Geographie von AL-IDRISI (ed. NAPOLI, KLIMA n, 8; S. 184) nur längere Erörterungen über den traditio­nellen Titel qaysar, der korrekt als Äquivalent zu Sähänsäh „König der Könige" gedeu­tet wird; der Titel „Imperator" war für die politische Welt von AL-IDRISI noch,, oder nicht mehr von Belang.

Für einen Araber ist freilich das Vorhandensein einer Diglossie in Form einer literari­schen Hochsprache im Gegensatz zu den gesprochenen Dialekten der gewöhnliche Zustand, der daher für die Europäer, zwischen Latein und aufstrebenden Nationalspra­chen, eher beiläufig erwähnt wird.

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doch das gemeine Volk sagt ,empereo(u)r' " 197

Urkunden belegt. Alfonso VI. (1065-1109 n. Chr.) nimmt 1077 n. Chr. den Titel „imperator totius Hispaniae" in einem gegen Papst Gregor VII. gerichte­ten Schreiben an. 1087, nach der Eroberung von Toledo, benutzt er zweimal den Kaisertitel in der zu besprechenden arabischen Korrespondenz mit al-Mu'tamid Ibn Abbäd und Yüsuf Ibn TääifTn. Die der arabischen Form am nächsten kom­mende lateinische Titular ist „imperator constitutus super omnes Hispaniae nationes". 1135 n. Chr. wird noch einmal Alfons VII. als Kaiser in Leon gekrönt; mit seinem Tode geht das spanische Kaisertum 1157 n. Chr. zuende.39

Der erste Brief Alfonsos VI. stammt aus dem Jahre 478 d.H. = 1085/86 n. Chr. und fordert den Fürsten von Sevilla al-Mu'tamid Ibn 'Abbäd zur Unter­werfung auf. Der Text des Briefes findet sich in einer anonymen Chronik des 14. Jhdts. al-Hulal al-mawslya fi dikr al-ahhär al-Marräkusiyya.A0 Aufgrund der Natur der Quelle ist die Authentizität des Textes sehr umstritten, doch neigt die jüngere Forschung dazu, ihn als echt anzusehen.41 Für die Geschichte des Begriffes ambaratür ist diese Frage von untergeordneter Bedeutung; auch im Falle einer Fälschung bliebe die Tatsache, daß den Muslimen des Westens die­ser Titel und seine Bedeutung geläufig war. Alfonso VI. bezeichnet sich als Absender

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„Vom Imperator (ambitür), Herrscher über beide Glaubensgemeinschaften (Christen und Muslime)". Als Variante wird auch j j k - ^ J l , deutlich eine Wie­dergabe von „Campeador" - inhaltlich unmöglich - überliefert. Zweifellos ist die verderbte Form der Handschrift aus ursprünglich skrupulös transkribierten J ^ L ^ J V I entstanden. Daß der Titel vom Empfänger des Briefes verstanden und der dahinterliegende Anspruch zurückgewiesen wurde, geht aus der Ant­wort hervor:

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„(an den), der sich selbst zum König der Könige ernannte und (dieses Amt) zum Herrscher beider Glaubensgemeinschaften machte..." beginnt diese Gegen­rede und erinnert daran, daß dies wohl eher dem muslimischen Herrscher der Gläubigen angemessen sei.

39 Vgl. dazu J.F. O'CALLAGHAN: A History of Medieval Spain. Ithaca, 1975, 202; 255. 40 Ed. L.S. ALLOUCHE, Rabat, 1936 (S. 25-26); Trad. A. Huict MIRANDA: Crònica

àrabe de las dinaslias Almorâvide. Almohade y Benimerin. Tetuan, 1952. (S.). Schon veröff. von R.P.A. DOZY: Scriptomm arabum loci de Abbaditis. Leiden, 1852, n, 185-187.

41 Vgl. ANGUS MACKAY und MUHAMMAD BENABOUD: „Alfonso VI of Leon and Castile, ,al-Imbratürdhü-l-Millatayn"', in: Bulletin of Hispanic Studies, 51, 2, 1979, 95-102. Auf die dort genannte Literatur, R. MENENDEZ PIDAL: La Espaha del Cid. Madrid, 1956, I, 320-321; O'CALLAGHAN: History, 207; 256; MUHAMMAD 'ABDALLAH INAN: Duwal at-iawä'if. Kairo, 1969, S. 75-76 usw. sei hier nur verwiesen.

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Ein zweiter Brief Alfonsos an Yüsuf Ibn Tâsifîn, in seiner Authentizität ähn­lich umstritten,42 führt für den spanischen Herrscher den Titel arnir al-millatayn, deutlich dem arnir al-nut-'minin der Muslime nachempfunden, dessen Rang der Imperator gleichgestellt wurde.41

Für die Echtheit der Texte spricht eine Nachricht in einer Chronik des 12. Jhdts. von IBN AL-KARDABüS Kitäb al-iktifä' fi ahbär al-hulafä':44

U ^ U I P V I J* *y-\ij ts^LÜI J3L4 <_i Jpl_j tä^ULI *U«il lJlJÜI i_5 il_j

Leider konnte ich nicht anhand der Handschrift feststellen, ob die Textform genau der Vorlage entspricht, oder ob hier der moderne Herausgeber eine „Kor­rektur" vorgenommen hat. Dies wäre in bezug auf die obige Feststellung der Verteilung der Formen eine wichtige Detailfrage.

Der große und letzte zusammenfassende Historiker von al-Andalus, AL-MAQQARï,45 kennt noch den alten Anspruch der kastilischen Herrscher, wenn er Alfonso VIII. als malik mulük ar-Rüm bezeichnet, dabei aber bedauerlicher­weise nicht den genauen Titel anführt.

Kenntnis und Verbreitung des Titels Anbaratür hat somit im muslimischen Westen eine gänzlich andere Geschichte und Ausprägung als im Osten. Während der Titel im Osten erst mit dem Auftreten der Hohenstaufen Eingang fand, genauer mit Friedrich IL, war er im Westen, zumindest bei gebildeten Historikern, durch die Könige und Kaiser Leons und Kastiliens schon wesent­lich früher bekannt; polemische Auseinandersetzungen und die Zurückweisung des in ihm implizierten Anspruchs belegen, daß auch die Bedeutung klar war. IBN SAID war Träger dieser Tradition, die er in genauer und scharfer Beobach­tung der Vorgänge und Verhältnisse seiner Zeit anwandte und einbrachte, wobei er seinem Kollegen und jüngeren Zeitgenossen im Osten, RASID AD-DIN, in nichts nachstand.

42 Vgl. ANGUS MACKAY und MUHAMMAD BENABOUD: „The Authenticity of Alfonso VTs letter to Yûsuf b. Tasufin", in: al-Andalus, 43, 1978, 233-237.

43 Neben dem sultän; vgl, 44 Vgl. GAL I, 345; 473; S I, 587. Auszüge bei R.P.A. DOZY: Loci de Abbadidis II,

S. 11; ders.: Recherches sur l'histoire et la littérature d'Espagne, 3e éd. II, XVIII, Hrsg. von AHMAD MUHTâR AL-'ABBäDI u. d. T. Ta 'r'ih al-Andalus li-bn al-Kardabüs wa-wasfi-ht li-bn ai-Sabbât. Madrid, 1981, S. 88.

45 Nqfh at-tïb min gusn al-Andalus ar-ratib. Ed. IHSäN 'ABBâS , vol. 1-9, Bairût, 1968, hier: 111,558.'