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Die Regeln der Eisenhüttenkunde Genese und Struktur eines technikwissenschaftlichen Feldes, 1870–1914 Stefan Krebs The Rules of Ferrous Metallurgy. Genesis and Structure of a Field of Engineering Science, 1870–1914 The ways in which the sciences have been delineated and categorized throughout history provide insights into the formation, stabilization, and establishment of scientific systems of knowledge. The Dresdener school’s approach for explaining and categorizing the genesis of the engineering disciplines is still valid, but needs to be complemented by further-reaching methodological and theoretical reflections. Pierre Bourdieu’s theory of social practice is applied to the question of how individual agents succeed in influencing decisively a discipline’s changing object orientation, institutionalisation and self-repro- duction. Through the accumulation of social, cultural and economic capital, they succeed in realising their own organisational ideas and scientific programs. Key concepts for the analysis include the struggle for power and resources, monopolies of interpretation, and the degree of autonomy. A case study from the Aachener Technische Hochschule shows that the consolidation of ferrous metallurgy can be conceived as a symbolical struggle between Fritz Wüst, professor for ferrous metallurgy, and the German Iron and Steel Institute, leading to a construction of a system of differences in which scientists accepted being scientists rather than entrepreneurs, and entrepreneurs accepted becoming entrepreneurs and renounced science. Keywords: ferrous metallurgy, genesis of disciplines, engineering sciences, social prac- tice, Pierre Bourdieu, Fritz Wüst, German Iron and Steel Institute Schlüsselwörter: Eisenhüttenkunde, Disziplingenese, Technikwissenschaften, soziale Praxis, Pierre Bourdieu, Fritz Wüst, Verein Deutscher Eisenhüttenleute N.T.M. 18 (2010) 29–60 0036-6978/10/010029-32 DOI 10.1007/s00048-009-0008-3 Published online: 20 April 2010 Ó 2010 THE AUTHOR(S). THIS ARTICLE IS PUBLISHED WITH OPEN ACCESS AT SPRINGERLINK.COM 29 ARTIKEL /ARTICLES .
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Die Regeln der Eisenhüttenkunde. Genese und Struktur eines technikwissenschaftlichen Feldes 1870–1914

Mar 14, 2023

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Die Regeln derEisenhüttenkundeGenese und Struktur einestechnikwissenschaftlichen Feldes,1870–1914

Stefan Krebs

The Rules of Ferrous Metallurgy. Genesis and Structure of a Fieldof Engineering Science, 1870–1914

The ways in which the sciences have been delineated and categorized throughout historyprovide insights into the formation, stabilization, and establishment of scientific systemsof knowledge. The Dresdener school’s approach for explaining and categorizing thegenesis of the engineering disciplines is still valid, but needs to be complemented byfurther-reaching methodological and theoretical reflections. Pierre Bourdieu’s theory ofsocial practice is applied to the question of how individual agents succeed in influencingdecisively a discipline’s changing object orientation, institutionalisation and self-repro-duction. Through the accumulation of social, cultural and economic capital, they succeedin realising their own organisational ideas and scientific programs. Key concepts for theanalysis include the struggle for power and resources, monopolies of interpretation, andthe degree of autonomy. A case study from the Aachener Technische Hochschule showsthat the consolidation of ferrous metallurgy can be conceived as a symbolical strugglebetween Fritz Wüst, professor for ferrous metallurgy, and the German Iron and SteelInstitute, leading to a construction of a system of differences in which scientists acceptedbeing scientists rather than entrepreneurs, and entrepreneurs accepted becomingentrepreneurs and renounced science.

Keywords: ferrous metallurgy, genesis of disciplines, engineering sciences, social prac-tice, Pierre Bourdieu, Fritz Wüst, German Iron and Steel Institute

Schlüsselwörter: Eisenhüttenkunde, Disziplingenese, Technikwissenschaften, sozialePraxis, Pierre Bourdieu, Fritz Wüst, Verein Deutscher Eisenhüttenleute

N.T.M. 18 (2010) 29–600036-6978/10/010029-32DOI 10.1007/s00048-009-0008-3Published online: 20 April 2010� 2010 THE AUTHOR(S). THIS ARTICLE IS PUBLISHED WITH OPEN ACCESS AT SPRINGERLINK.COM

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Vorbemerkungen

Zwei Beobachtungen dienen als Ausgangspunkt der folgendenUberlegungen. Zum einen nahm die Aachener Eisenhuttenkundevon der Grundung des Aachener Polytechnikums 1870 bis um dieJahrhundertwende trotz der Nahe zum rheinisch-westfalischenIndustriegebiet keine herausragende Position innerhalb der deut-schen Huttenkunde ein, avancierte dann aber binnen eineseinzigen Jahrzehnts zum großten und angesehensten Studien- undForschungsstandort. Hatte 1901 der neu berufene Professor furEisenhuttenkunde, Fritz Wust1, noch den schlechten Zustandseines Fachs in Aachen beklagt, verkundete der Aachener Abge-ordnete Franz Kaufmann schon im April 1910 voller Stolz imPreußischen Abgeordnetenhaus: Das Aachener Institut furEisenhuttenkunde sei ,,die erste Anstalt von Europa‘‘2. Zwischen1901 und 1910 musste demnach eine besonders dynamischeEntwicklung der Eisenhuttenkunde in Aachen stattgefundenhaben.

Zum anderen notierte Fritz Wust 1925 ruckblickend uber dieVeranderungen der Eisenhuttenkunde zwischen der Jahrhun-dertwende und dem Ersten Weltkrieg: ,,Die Erfahrung musste ihreJahrhunderte alte Herrschaft mit einer neuen Macht, der Wis-senschaft, teilen, deren richtige Anwendung fur das wirtschaftlicheGedeihen der Huttenwerke von stets zunehmender Bedeutungwurde.‘‘3 Aus diesem Resumee spricht zunachst das Selbstbe-wusstsein des erfolgreichen Wissenschaftlers, dann lasst sich aberauch herauslesen, dass sich der Aufstieg der wissenschaftlichenEisenhuttenkunde nur im Konflikt mit der eisenhuttenmanni-schen Praxis vollziehen konnte.

Aus diesen kurz skizzierten Entwicklungslinien ergeben sichzwei miteinander verzahnte Leitfragen:

• Erstens ist nach den Grunden fur den außerordentlichenErfolg der Aachener Eisenhuttenkunde zu fragen; dabei gehtes darum, die kognitive und soziale Disziplinentwicklung derEisenhuttenkunde zu (re-)konstruieren.

• Zweitens ist der Konflikt zwischen der eisenhuttenkundlichenWissenschaft und der industriellen Praxis zu untersuchen.

Ubergreifend werden dabei die Besonderheiten der tech-nikwissenschaftlichen Disziplingenese und die Veranderungen dersozialen Praxis der Eisenhuttenkunde herausgearbeitet. ZurBearbeitung dieses Fragenkomplexes werden zwei methodisch-

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theoretische Herangehensweisen miteinander verschrankt, die –sich gegenseitig erganzend – die Entwicklung der Eisenhutten-kunde sowie den Aufstieg des Aachener Instituts erklaren helfen:das Dresdener Konzept zur Genese technikwissenschaftlicherDisziplinen (Guntau/Laitko 1987a, Hanseroth/Mauersberger1996) und die Theorie der Praxis des franzosischen SoziologenPierre Bourdieu (1992, 1998, 2001a).

Im Mittelpunkt des Dresdener Konzepts stehen drei Un-tersuchungsebenen: die Gegenstandsorientierung einer Disziplin,ihre Institutionalisierung sowie ihre Selbstreproduktion. UnterGegenstandsorientierung, das heißt unter der Orientierungwissenschaftlicher Tatigkeit auf einen bestimmten Erkenntnis-gegenstand, wird das systembildende Prinzip wissenschaftlicherDisziplinen verstanden. Der Wandel der kognitiven Erkennt-nisziele und -dispositionen allein erklart aber noch nichtdas Zustandekommen und vor allem die Permanenz einzelnerDisziplinen, vielmehr hat die Neubildung einer Disziplin not-wendige institutionelle Voraussetzungen und Konsequenzen.Neben anderen Institutionstypen werden insbesondere produzie-rende und reproduzierende Institutionen unterschieden: Ersteresind auf die Produktion wissenschaftlicher Erkenntnisse ausge-richtet, letztere dienen der lehrhaften Vermittlung dieserErkenntnisse an den wissenschaftlichen Nachwuchs. Eine zentraleFunktion des Institutionalisierungsprozesses liegt darin, ,,die Per-manenz des disziplinaren Tatigkeitssystems durch Reproduktionseines Potentials zu gewahrleisten‘‘ (Guntau/Laitko 1987b: 39).

Zur Methodik des Dresdener Konzepts gehort wesentlich dieErarbeitung eines Periodisierungsschemas, das voneinander zuunterscheidende Stadien der Genese von Technikwissenschaftenbeschreibt. So wird vor allem zwischen einer Herausbildungs- undeiner Konsolidierungsphase unterschieden (Abb. 1). Die Phase derHerausbildung ist gepragt von sammelnder Detailforschung, derSystematisierung des Erfahrungswissens und dessen lehrhafterVermittlung, wahrend die Phase der Konsolidierung von experi-menteller Laborforschung und der kognitiven Verwissen-schaftlichung der Disziplin, verstanden als Dominanz antizipativerTheoriebildung, gekennzeichnet ist (Hanseroth/Mauersberger1996, Buchheim 1984, Konig 1995: 6).

Diese Uberlegungen zur Genese technikwissenschaftlicherDisziplinen sollen anhand der Aachener Hochschule auf dasFallbeispiel der Eisenhuttenkunde ubertragen werden. Dabei wirdgezeigt, welche Stellung die Aachener Eisenhuttenkunde zwischen

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1870 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs innerhalb dergesamten Disziplinentwicklung in Deutschland einnahm. Dasheißt, das Aachener Fallbeispiel wird nicht als unabhangige lokaleDisziplingenese begriffen, sondern in den Kontext der Entwick-lung an den anderen deutschen Studienstandorten eingebettet. Diegewahlte Mikroperspektive erlaubt es aber, die Geschehnisse aufder Ebene einzelner Personen und Dokumente, das soziale Han-deln im Feld der Eisenhuttenkunde nachzuvollziehen.

Als eine Art blinder Fleck des Dresdener Konzepts bleibt dieFrage offen, wie es den handelnden Akteuren gelingt, maßgebli-chen Einfluss auf den Verlauf und die Richtung der Entwicklungeiner Disziplin zu gewinnen. Zur Erganzung bietet sich BourdieusTheorie der sozialen Praxis an. Fur ihn ist das universitare Feldeine Statte des Kampfes um Klassifizierungen und Rangordnungen– den Regeln der Einzelwissenschaften beziehungsweise desubergeordneten wissenschaftlichen Feldes. Die jeweils in einemhistorischen Moment bestehenden Krafteverhaltnisse bestimmendaruber, ob sich einzelne Akteure mit ihren Deutungen durch-setzen, hierdurch das Feld verandern beziehungsweise fur denErhalt der herrschenden Ordnung sorgen konnen (Bourdieu 1992:55). Ahnliche Uberlegungen finden sich auch bei Mitchell G. Ashund Ulrike Felt, die vorschlagen, Wissenschaften als Ressourcen-ensemble aufzufassen. Die Verfugung uber materielle undimmaterielle Ressourcen sind dann hinreichende Bedingungendafur, dass einzelne Akteure gestaltend Einfluss auf die

Abb. 1: DresdenerPeriodisierungsschemazur Genese derTechnikwissenschaften(Hänseroth/Mauersber-ger 1996: 40).

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Wissenschaftsentwicklung nehmen konnen (Ash 2002, Felt 2002).Zur Operationalisierung dieses Konzepts stellt Bourdieus Kapi-taltheorie ein elaboriertes Set an Begriffen fur die Analyse derFeldstruktur der Eisenhuttenkunde bereit: Insbesondere die vonihm unterschiedenen Kapitalsorten sind hilfreich, um die materi-ellen und immateriellen Ressourcen zu beschreiben, mit derenHilfe die einzelnen Akteure ihre Positionen und damit ihreMachtstellungen verbessern konnen oder durch deren Verlust siean Einfluss verlieren (Bourdieu 1983). Bourdieu selbst hat durchseine Untersuchung des literarischen Feldes in Frankreich zuBeginn des 19. Jahrhunderts gezeigt, wie seine Kapitaltheoriefur eine historische Untersuchung herangezogen werden kann(Bourdieu 2001a). Zudem hat er in seinem Homo academicus (1992)die besonderen Regeln der Wissenschaft luzide und uberzeugendbeschrieben. Bourdieu versteht diese als die grundlegenden Klas-sifizierungen und Ordnungen eines Feldes, die daruber entschei-den, ob bestimmte Handlungen und Erkenntnisse als legitim undrelevant anerkannt werden. Dagegen geht es ihm nicht darum,welche Grundsatze im Sinne konkreter Handlungsanweisungender Durchfuhrung einzelner wissenschaftlicher Untersuchungenzugrunde liegen konnen.

Wissenschaft ist fur Bourdieu ein Feld eingeschrankter Pro-duktion: ein Raum der Wissensproduktion, ,,in dem das Publikumder Produzenten im wesentlichen aus anderen Produzenten, alsounmittelbaren Konkurrenten besteht‘‘ (Champagne 1998: 11).Zunachst ist Wissenschaft eine soziale Welt wie andere auch, siefolgt aber mehr oder weniger spezifischen Regeln:

Obwohl [der Raum der Wissenschaft] sich nie ganz den Zwangen desMakrokosmos entziehen kann, verfugt er doch uber eine mehr oder wenigerausgepragte Autonomie. Eine der großen Fragen, die sich im Bezug auf wis-senschaftliche Felder […] stellen wird, betrifft eben den Grad der Autonomie,uber die sie verfugen konnen. (Bourdieu 1998: 18)

Die relative Unabhangigkeit von wirtschaftlichen und politischenMachtinstanzen ist demnach fur Bourdieu ein wesentlicher Teildes Nomos des wissenschaftlichen Feldes.

Wissenschaftswandel ist also ein Kampf um Deutungenund Deutungssysteme. Die Akteure, die miteinander um dieVeranderung oder den Erhalt der aktuellen Struktur eineswissenschaftlichen Feldes kampfen, konnen aufgrund ihrer Kapi-talausstattung, ihrer jeweiligen Position innerhalb des Feldes sowieihrer habituellen Dispositionen Strategien zur Durchsetzung ihrerPositionierungen verfolgen. Sie zielen darauf, selbst beherrschendePositionen innerhalb des Feldes zu erlangen beziehungsweise zu

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behalten, um so moglichst großen Einfluss auf die wissenschaft-liche Entwicklung zu gewinnen. Schlusselbegriffe fur die Analysewissenschaftlicher Felder sind demzufolge der Kampf um Macht,Ressourcen und Deutungsmonopole sowie um den Grad anAutonomie einzelner Disziplinen.

Aus der Verknupfung des Dresdener Konzepts mit BourdieusTheorie der Praxis ergeben sich vier Leitgedanken:

• Disziplingenese ist erstens wissenschaftlicher Wandel, der imFall der Technikwissenschaften in Phasen ablauft, deren Uber-gange sich zwar durchaus fließend gestalten konnen, die abernichtsdestoweniger klar voneinander zu unterscheiden sind.

• Disziplingenese ist zweitens der Wandel von Ressourcenkon-stellationen, der durch die Positionen und Dispositioneneinzelner Akteure beeinflusst wird.

• Drittens ist die Disziplingenese eine soziale Praxis, die sichinnerhalb des akademischen Feldes und in Kooperation undAbgrenzung zu benachbarten und uberlagernden Feldernherausbildet.

• Viertens ist Disziplingenese ein Autonomisierungsprozesseinzelner disziplinarer Felder oder dem daruber liegendenFeld der Wissenschaft. Insgesamt ermoglicht die Untersu-chung der Feldstruktur, die historisch kontingente Wahrheitverschiedener Positionen zu verstehen und die Grenzen derGultigkeit unterschiedlicher Stellungnahmen aufzuzeigen.

Bourdieus Theorie der Praxis kann also helfen, die im Rahmendes Dresdener Ansatzes beschriebenen Phasen der tech-nikwissenschaftlichen Disziplingenese als historisch erklarbarenStrukturwandel eines Feldes zu begreifen, der durch die sichwandelnden Krafteverhaltnisse, die Positionen und Positionie-rungen der auf ihm agierenden Akteure sowie die von diesendurchgesetzten oder bekampften Regeln verlauft. Die im Dresde-ner Modell implizit enthaltene These einer teleologischenEntwicklung der Technikwissenschaften zu konsolidierten, aufeigener sozialer und kognitiver Basis stehenden Disziplinen wirddamit in Frage gestellt. Vielmehr zeigt die mikrohistorischeUntersuchung der Machtverhaltnisse auf dem Feld der Eisen-huttenkunde, dass die langanhaltende Orthodoxie der aus-schließlichen Orientierung auf die industrielle Praxis, die hareti-sche Herausforderung dieses Denkstils und die damit einsetzendeAutonomisierung wesentlich von der Kapitalausstattung und denStrategien der zentralen Akteure abhangig waren. Der Werk-zeugkasten Bourdieus wird insofern nicht als bloße Erganzung des

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Dresdener Ansatzes, sondern zugleich als kritisches Korrektivverstanden.

Herausbildungsphase (1871–1900)

Wahrend die Vorgeschichte der eisenhuttenkundlichen Diszi-plingenese bis ins 16. Jahrhundert zuruckreicht, setzte dieHerausbildungsphase mit der Grundung der Bergakademienbeziehungsweise deren Vorgangerinstitutionen in den 1760erJahren ein (Krebs 2009: 51–60). Die in Aachen praktizierte Ver-tretung der Metall- und Eisenhuttenkunde als ein einziges großesGegenstandsgebiet war im Grunde schon bei der Errichtung desLehrstuhls 1871 anachronistisch. An den drei deutschen Berg-akademien wurden zwischen 1863 und 1885 eigene Lehrstuhle furEisenhuttenkunde eingerichtet, wahrend die Technischen Hoch-schulen nur je einen Vertreter fur die gesamte Huttenkundehatten. An der Aachener Hochschule gab es bis 1897 fur dieHuttenkunde nur einen einzigen Lehrstuhl (ebd.: 52–54, Hoff-mann 1959: 73, 81, Schwarz 2000: 580–589).

Da die Bergakademien eine unliebsame Konkurrenz verhin-dern wollten, hatte das preußische Handelsministerium zunachstvollkommen auf die Einrichtung eines huttenkundlichen Lehr-stuhls an der 1870 eroffneten Aachener Hochschule verzichtet.Erst die Initiative der rheinisch-westfalischen Stahlindustrie, dieauch eine Anschubfinanzierung in Aussicht stellte, uberzeugtedas Ministerium, zum 1. November 1871 eine entsprechendeDozentur einzurichten (Duwell 1970: 57, Wust 1905). Trotz dieserungunstigen Ausgangssituation durch die um ein Jahr verzogerteErrichtung des Lehrstuhls entwickelte sich die Disziplin zunachstgut: Der erste Lehrstuhlinhaber, Ernst Friedrich Durre4, konnterasch eigene reproduktive Institutionen in Form einer metallur-gischen Sammlung und vor allem eines Probierlaboratoriumsaufbauen (TH Aachen 1879, Durre 1877). Im Vergleich zu denanderen Disziplinen an der Aachener Hochschule ruckte dieHuttenkunde, abgesehen von der personellen Ausstattung, hinterden chemischen Fachern rasch an die zweite Stelle auf. Dieanderen Facher außer Chemie und Huttenkunde verfugten in denersten Jahren uber gar keine eigenen Laboratorien, vielmehr teil-ten sie sich die Vorlesungs- und Zeichensale im Hauptgebaude. ImUnterschied zur Chemie verfugte die Eisenhuttenkunde jedochnur uber ein Probierlaboratorium, das ganz auf die lehrhafte

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Vermittlung der in der Praxis ublichen chemischen Analysever-fahren ausgerichtet war.5

Durres Lehrveranstaltungen, die Ausstattung des Probierla-boratoriums sowie auch seine Forschungsarbeiten – zusammen-gefasst in seinen Lehr- und Handbuchern – befanden sich, soweitsich dies feststellen lasst, auch international auf der Hohe ihrerZeit (Durre 1870, 1882–1892, Anonym 1887, Anonym 1892,Ledebur 1893, Krebs 2009: 73–90). Aufgrund mehrerer Studien-reisen durch die deutschen, belgischen, franzosischen undenglischen Huttenreviere hielt Durre den Kontakt zum aktuellenStand der Huttentechnik. Zudem besuchte er zahlreiche in- undauslandische Unterrichtsanstalten fur Huttenleute, informiertesich uber die neuesten Unterrichtsgegebenheiten vor Ort undadaptierte diese in seine eigene Lehre.6 Die geringen Anteile derHuttenkunde am Curriculum des Studiengangs und die unklarenGrenzen zur analytischen Chemie zeigen aber, dass die Hutten-kunde trotz des Ausbaus ihres eigenen institutionellen Ressour-cenensembles durchaus noch als Teil der Technischen Chemieund damit nicht als eine auf selbstandiger Grundlage stehendeDisziplin angesehen wurde.

Durre war anfanglich gut in die Scientific Community derEisenhuttenkunde integriert. Er engagierte sich nachdrucklich inden lokalen und uberregionalen technischen Fachvereinen. Sowurde ihm innerhalb des Technischen Vereins fur das Eisenhut-tenwesen das Amt der Schriftleitung ubertragen, wodurch er einewichtige institutionelle Schaltstelle fur sich einnahm. Durch dieMitherausgabe der Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure,einer weiteren Autoritatsstellung, gehorte Durre zu den mach-tigsten Vertretern der wissenschaftlichen Eisenhuttenkunde. Aufdem im Grunde hybriden Feld der Eisenhuttenkunde, in dem nochkeine feste Grenze zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gezo-gen wurde (Konig 2006: 38), gehorte er aber zu den ,,beherrschtenHerrschenden‘‘ (Bourdieu 1987: 287). Die Dominanz der wirt-schaftlichen Seite des Feldes ist unter anderem an denVorsitzenden des Technischen Vereins fur das Eisenhuttenwesenablesbar, die alle dem okonomischen Feld angehorten.7

Im Jahr 1878 beschadigte ein Streit mit Joseph Schlink,Direktor der Friedrich-Wilhelms Hutte und einflussreiches Mit-glied des Technischen Vereins fur das Eisenhuttenwesen, DurresPosition und Ansehen nachhaltig. Schlink erklarte in einemVortrag vor den Mitgliedern des Technischen Vereins dieTheoriebildung der Eisenhuttenkunde fur uberflussig und nutzlos.

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Er kritisierte namentlich Durres Lehrveranstaltungen als theorie-beladen und damit wirklichkeitsfremd (Schlink 1878a). Auf dieVeroffentlichung dieser fur ihn infamen Vorwurfe in den Annalenfur Gewerbe und Bauwesen reagierte Durre seinerseits mit einerpolemischen Zuschrift, in der er Schlinks Kritik heftig zuruckwies(Durre 1878). Dieser antwortete wiederum umgehend darauf undmachte sich uber Durre und die fur ihn abgehobene weltfremdeUnterrichtspraxis der Aachener Hochschule lustig (Schlink1878b). Durre verzichtete schließlich auf eine erneute Replik,zumal ihn auch keiner seiner Fachkollegen aus Berlin, Freibergoder Clausthal unterstutzte – im Gegenteil: Sein akademischerLehrer, Hermann Wedding, distanzierte sich von seinem Schulerund beeilte sich zu versichern, dass der eisenhuttenkundlicheUnterricht in Berlin ganz praxisnah gestaltet sei (Wedding 1878).Der ausbleibende Beistand seitens der anderen Hochschullehrerdurfte zum Teil auf deren Furcht vor einem Ordnungsruf dermachtigen Industrievertreter beruht haben. Daneben ist er Aus-druck des traditionellen Wissenschaftsverstandnisses an denBergakademien und der Berliner Technischen Hochschule: Vor-dringliches Ziel war die lehrhafte Vermittlung des praktischenErfahrungswissens und nicht die theoretische Durchdringung dereisenhuttenkundlichen Interessensgegenstande – ein typischesMerkmal der Herausbildungsphase.

Im Unterschied zur Theoriedebatte im Maschinenbau, die –angestoßen von Ferdinand Redtenbachers Prinzipien der Mecha-nik (1852) – ihren Hohepunkt mit Franz Reuleauxs TheoretischerKinematik (1875) erreichte und zur Jahrhundertwende bereitswieder abebbte, setzte in der Eisenhuttenkunde keine Diskussionuber ihre Methoden und Ziele innerhalb des wissenschaftlichenFeldes ein. Das Primat der industriellen Praxis war noch sodominierend, dass der Eisenhuttenkundler Wedding Schlink sogarin seiner Kritik der Theorielastigkeit offentlich sekundierte.Zudem verblieb auch Friedrich Durre der sammelnden Detail-forschung verhaftet, und die von ihm ermittelten Koeffizientenund Verhaltniszahlen verließen im Grunde das Prinzip derSystematisierung des Erfahrungswissens nicht. Schlinks scharfeReaktion ist daher weniger Durres tatsachlicher Lehr- undForschungstatigkeit geschuldet, vielmehr suchte er nach einemkonfliktreichen Thema, mit dem er die Loslosung des Techni-schen Vereins fur das Eisenhuttenwesen vom Verein DeutscherIngenieure forcieren konnte. Dass er sich dabei auf Durre kapri-zierte, war nach eigenem Bekunden ganz zufallig, da er bei der

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Abfassung seines Redemanuskripts nur das Aachener Vorle-sungsprogramm zur Hand gehabt habe (Krebs 2009: 89, 102–112,114, Hanseroth/Mauersberger 1998: 229–233).

Durre reagierte auf den Streit mit seinem Ruckzug aussamtlichen Amtern und Funktionen, womit er einen Großteilseines sozialen und wissenschaftlichen Kapitals sowie seine insti-tutionellen Positionen außerhalb Aachens verlor. Besondersdramatisch durfte der Abbruch der Beziehungen zum neu-gegrundeten Verein Deutscher Eisenhuttenleute gewesen sein, daDurre damit nicht nur einen Teil seines eigenen sozialen Kapitalseinbußte, sondern, im Sinne von Bourdieus Multiplikatoreffekt dessozialen Kapitals, auch das soziale, okonomische und symbolischeKapital des Fachvereins (Milkereit 1977). Zudem verweigerte erdie Mitarbeit an der neuen Vereinszeitschrift Stahl und Eisen.Diese entwickelte sich, besonders durch die intensive literarischeMitarbeit von Hermann Wedding und Adolf Ledebur, zum zen-tralen Fachorgan fur die Eisenhuttenkunde – was wechselseitigdas Ansehen der beiden Professoren und der Zeitschrift mehrte.Friedrich Durre und die Aachener Eisenhuttenkunde rucktendamit zunehmend an die Peripherie des Feldes, obschon sich dieHochschule geographisch als einziger Studienstandort in direkterNahe zum rheinisch-westfalischen Industriegebiet befand.

Wahrend Durres Reputation und Einfluss außerhalb Aachensschwanden, wurde seine Stellung innerhalb des Kollegiumsoffensichtlich nicht erschuttert. Vielmehr waren sein Ansehenund seine Beziehungen zu den Kollegen so gut, dass er mehrfachwichtige Funktionen ubertragen bekam und sogar fur drei Jahrezum Rektor gewahlt wurde. Jedoch gelang es ihm nicht, dieseMachtstellung fur den Ausbau seiner Disziplin einzusetzen. ZumNachteil der von ihm vertretenen Eisenhuttenkunde fuhlte er sichder dem wissenschaftlichen Feld konstitutiven Uneigennutzigkeitbei der Ausubung seiner Amter verpflichtet und verkannte inso-fern die tatsachlichen Spielregeln des akademischen Feldes. SeineAachener Kollegen hatten weniger Scheu, ihre akademischenMachtpositionen rucksichtslos zu ihren eigenen Gunsten auszu-nutzen: Alexander Classen, Professor fur anorganische Chemie,erstritt vehement einen großeren Anteil an der Ausbildung derChemiker und Huttenleute fur sich und damit einen wesentlichhoheren Anteil an den Unterrichtshonoraren. Die Professoren furBergbaukunde, Wilhelm Schulz, und Geologie und Palaontologie,Eduard Holzapfel, nutzten ihre Stellung als Senatoren aus, um denvon ihrer Abteilung auf Platz eins gesetzten Antrag auf Schaffung

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einer Dozentur fur Metallhuttenkunde zugunsten eines eigenenStellengesuchs auf Platz zwei zu verdrangen (Krebs 2009: 123–130). Durres fehlender Praxissinn war insofern mit ein Grund furdie zwei Jahrzehnte andauernde Stagnation der huttenkundlichenDisziplingenese in Aachen.

Die anhaltende Praxisorientierung des Eisenhuttenwesenshemmte zudem die weitere Verwissenschaftlichung und damitden Ubergang zur Konsolidierungsphase. Durres AmtsnachfolgerFritz Wust beklagte noch 1907 das Theoriedefizit der deutschenEisenhuttenkunde angesichts der Fortschritte, die in den vergan-genen zwanzig Jahren in Belgien, Frankreich, England und denVereinigten Staaten erzielt worden seien.8

Konsolidierungsphase (1901–1914)

Nachdem die Aachener Eisenhuttenkunde aufgrund von DurresPositionsverlust seit den 1880er Jahren eine eher randstandigePosition auf dem eisenhuttenkundlichen Feld in Deutschlandeingenommen hatte, ubernahm sie nach der Jahrhundertwendedie Rolle der eisenhuttenkundlichen Avantgarde. Und noch vordem Ersten Weltkrieg setzte sie ihre spezifische Auspragung alsdie arrivierte Position durch, an der sich die anderen eisenhut-tenkundlichen Akteure orientieren mussten.

In dieser sturmischen Aufbauzeit setzte Fritz Wust, der 1901die Nachfolge von Friedrich Durre antrat, grundlegende Ande-rungen der von ihm vertretenen Disziplin durch: eine veranderteGegenstandsorientierung, neue Forschungsmethoden und -ziele,den Auf- und Ausbau von Institutionen, erste Schritte zurSelbstreproduktion und schließlich die erfolgreiche Verstetigungder Wust’schen Schule. Insgesamt verzeichnete die AachenerEisenhuttenkunde zwischen 1901 und 1914 eine gewaltigeExpansion ihres gesamten Ressourcenensembles – nicht zuletzt zuLasten anderer technikwissenschaftlicher Disziplinen und Stu-dienstandorte. In Aachen verlor beispielsweise die anorganischeChemie große Unterrichtsanteile an der Ausbildung von Hut-teningenieuren, womit Classen einen Teil seiner zuvor erkampftenUnterrichtshonorare einbußte. Zum Studienjahr 1905/1906 bra-chen an den beiden Berliner Anstalten die Einschreibungen furHuttenkunde ein, wahrend sie sich in Aachen leicht erhohten.Prozentual stieg der Aachener Studiengang in diesem Studienjahrvon 34% auf 52% aller Einschreibungen fur Huttenkunde an.

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In den folgenden Jahren bis zum Ersten Weltkrieg lagen dieZahlen relativ konstant um die 50% und stiegen wahrend desKrieges sogar bis auf 59% an (Abb. 2).

Eigentliche Keimzelle der Konsolidierung der Eisenhutten-kunde war die 1902 vom Verein Deutscher Eisenhuttenleuteangestoßene Studienreform.9 Sie legte die notwendige Voraus-setzung auf sozialer und kognitiver Ebene, um die Eisenhut-tenkunde auf ein eigenes institutionelles und methodisch-theore-tisches Fundament zu stellen. Die neue Gegenstandsorientierungkonzentrierte sich auf drei Bereiche:

• die Maschinentechnik des Eisenhuttenwesens, der mehrAufmerksamkeit durch einen gesonderten Spezialunterrichtgeschenkt wurde;

• die physikalische Chemie, die als theoretisches Fundament derVerwissenschaftlichung diente;

• die Starkung des eisenhuttenkundlichen Fachunterrichts mitdem Schwerpunkt auf praktischen Ubungen, bei denen auchneue Methoden – zum Beispiel die Metallographie – eingeubtwerden sollten.

Hinzu kam eine deutliche Verringerung der Unterrichts-stunden in der anorganischen Chemie, die in der Diplomprufungnicht berucksichtigt wurde.

Es lassen sich wenigstens drei Motive fur die Neuausrichtungdes eisenhuttenkundlichen Curriculums erkennen, die sich imNormalstudienplan wahrend der zweiten Berliner Unterrichts-konferenz im Januar 1904 manifestierten. Zunachst ging dieVerbreiterung und Spezialisierung der maschinentechnischenAusbildung der Eisenhutteningenieure auf einen Wunsch derIndustrie zuruck, die eine Antwort auf die sich wandelnden

Abb. 2: Zahlen derHüttenkundestudentenan den TechnischenHochschulen und Berg-akademien, 1904–1918(nach den statistischenAngaben in Stahl undEisen 1904–1933).

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betrieblichen Anforderungen der Massenstahlherstellung suchte(Wengenroth 1993, Grubler 1996). Ferner war die Zuruckdrangungder anorganischen Chemie ein notwendiger emanzipatorischerSchritt, um die Huttenkunde aus dem Schatten der Chemieherauszufuhren und als eigenstandige Disziplin zu begrunden.Schließlich zielte die gesamte Reorganisation des Studiums auf einefortgeschrittene Spezialisierung der Ausbildung – mit dem Ergebnis,unter anderem einen eigenen Abschluss anbieten zu konnen, der dieEisenhutteningenieure sowohl von den Chemikern als auch vonden Maschineningenieuren abgrenzte und ihnen entsprechendeKarrieremoglichkeiten in der Eisenhuttenindustrie sowie an denHochschulen und Forschungseinrichtungen eroffnete. Innerhalb derakademischen Selbstverwaltung und der institutionellen Studien-organisation stand das Recht der Huttenkunde im Vordergrund,weitgehend selbstandig uber Ausbildungsfragen der Disziplinentscheiden zu konnen.10

Wahrend der beiden Berliner Unterrichtskonferenzen imNovember 1903 und Januar 1904 erreichte Wust, dass seineVorstellungen – auch gegen die Einwande seiner Berliner,Freiberger und Clausthaler Kollegen – als verbindlich festge-schrieben wurden und zunachst nur in Aachen eingefuhrt werdensollten. Hierbei kann die Unterstutzung des Vereins hinsichtlichder Durchsetzung der Interessen der Aachener Eisenhuttenkundekaum uberschatzt werden: Nur die Interessensymbiose zwischenden Aachenern und dem Verein, die Wust durch intensiveBeziehungsarbeit herstellte, ermoglichte es, dass er sich – geradeeinmal drei Jahre nach seiner Berufung – gegen seine etabliertenFachkollegen in Aachen und an den anderen Studienstandortendurchsetzen konnte (vgl. Krebs 2009: 207–225, 255–263).

Wust nutzte die geographische Nahe Aachens zum Vereins-sitz in Dusseldorf zu haufigen personlichen Kontakten. Dies warseinen Berliner, Freiberger und Clausthaler Kollegen verwehrt. Ersetzte sich zudem kurz nach seiner Berufung fur die Verleihungder Ehrendoktorwurde an den Vereinsvorsitzenden Carl Lueg undden Geschaftsfuhrer Emil Schrodter ein. Mit diesem Schrittkooptierte Wust die beiden symbolisch ins wissenschaftliche Feldund verpflichtete sie zur Unterstutzung.11 Ferner nutzte er dieVerbindungen zu einigen von Durres Schulern, die wichtigePositionen in der rheinisch-westfalischen Stahlindustrie wie demVerein bekleideten, darunter Friedrich Springorum, seit 1891Betriebsdirektor des Eisen- und Stahlwerks Hoesch in Dort-mund12, Fritz Kintzle, seit 1899 Betriebsdirektor des Aachener

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Hutten-Aktien-Vereins Rothe Erde, und Gisbert Gillhausen, seit1893 Vorstand des Technischen Buros der Firma Krupp in Essen.Wichtigstes Pfund wahrend der Verhandlungen in Berlin war dieSumme von 100.000 Mark, die der Verein Deutscher Eisen-huttenleute auf Betreiben Wusts fur den Neubau eines Instituts ander Technischen Hochschule Aachen in Aussicht stellte (Vorstand1903). Das Geld stammte aus den Uberschussen der DusseldorferIndustrie- und Gewerbeausstellung von 1902 und wurde imVerlauf der Verhandlungen durch Spenden der rheinisch-westfa-lischen Stahlindustrie auf 470.000 Mark erhoht.13

Im Rahmen der Berliner Konferenzen verwiesen die beteilig-ten Industriellen immer wieder auf die rasante Entwicklung derdeutschen Eisen- und Stahlindustrie (so habe man 1894 Groß-britannien erstmals bei der Stahlerzeugung ubertroffen) sowie aufden andauernden scharfen internationalen Wettbewerb. DerAusbau des hoheren huttenmannischen Unterrichtswesens seidaher eine Uberlebensfrage, da die naturliche BenachteiligungDeutschlands mit Rohstoffen nur durch die Arbeit der Ingenieurewettgemacht werden konne – derzeit laufe die Wissenschaft derindustriellen Praxis jedoch hinterher. Eine Forderung der Eisen-huttenkunde diene also letztlich dem Gemeinwohl und musse vondaher im Interesse des Staates liegen.14 Dieses Resonanzkalkulverfing aber nicht ohne Weiteres, besonders der Vertreter desFinanzministeriums verwies auf die Eigeninteressen der Stahlin-dustrie und bestand auf einem hoheren Eigenanteil, der danndurch Beitrage der Huttenwerke auch geleistet wurde.

Ferner zeigt beispielsweise die scharfe Auseinandersetzungzwischen Wust und dem Aachener Industriellen Adolf Kirdorf1909, dass die eisenhuttenmannische Praxis entgegen ihrerBekenntnisse wahrend der Verhandlungen die Technikwissen-schaften nicht ohne Weiteres als eigenstandige Produktivkraftanerkannte. Im Zweifelsfall reklamierte die Praxis das Vorrecht,daruber zu entscheiden, was wissenschaftlich wahr sei. Im Streit umdie Zukunft des Thomasverfahrens insistierte Kirdorf beispielsweise,dass wahr nur sei, was sich im Betrieb bewahrt habe und damitokonomisch nutzlich sei. Der von Kirdorf initiierte Boykottbeschlussdes gesamten Stahlwerksverbands gegen die Aachener Hochschulezeigt, dass diese Meinung auch von anderen Vertretern der Praxisdurchaus geteilt wurde (vgl. Krebs 2007: 222–225).

Aufgrund der Vorreiterrolle der Aachener Hochschulesicherte der Abschluss des neuen Studiengangs den Absolventeneinen Ausbildungsvorsprung und damit gute Karrierechancen. Der

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Zustrom von Studierenden nach Aachen, der zum Studienjahr1916/17 seinen Zenit erreichte (vgl. Abb. 2), verweist zum einenauf den Reputationsgewinn der Wust’schen Schule aufgrund derDurchsetzung der Studienreform und macht zum anderen deut-lich, dass sich die Aachener Absolventen beste Voraussetzungenfur eine erfolgreiche Karriere im Eisenhuttenwesen ausrechneten.

Personelle und gegenstandsorientierte Ausdifferenzierung derEisenhuttenkunde bedingten einander – zumal die subjektive,,Beherrschung der Komplexitat‘‘ (Guntau/Laitko 1987b: 47) nurnoch fur ein Spezialgebiet innerhalb der Disziplin gegeben war. Diedrei großen Bereiche – der chemisch-metallurgische, physikalisch-metallographische und konstruktive Teil der Eisenhuttenkunde –waren nicht langer durch einen Fachvertreter in Lehre undForschung beherrschbar; hinzu traten noch weitere Ausdifferen-zierungen wie die Spezialstahlherstellung oder die Gießereikunde.Gleichzeitig entstand mit der Einrichtung zusatzlicher Stellen dieEisenhuttenkunde ,,als hierarchisch geordnetes Statussystem‘‘(ebd.: 39) – ein wichtiges Merkmal fortgeschrittener Disziplinbil-dung und notwendige Voraussetzung fur die disziplinareSelbstreproduktion, da der nachsten Wissenschaftlergenerationsomit eine disziplinspezifische wissenschaftliche Laufbahnermoglicht wurde. Ein weiterer wichtiger Aspekt der personellenAusdifferenzierung war, dass dem einzelnen Lehrer nun mehr Zeitfur seine Forschungstatigkeit zur Verfugung stand.

Mit der Studienreform einher ging ein starker Institutionali-sierungsschub. Bereits wahrend der beiden Unterrichts-konferenzen erhielt die Aachener Eisenhuttenkunde die Zusage,ihre reproduktiven und produktiven Institutionen ganz wesentlichausbauen zu konnen. Die Zahl der etatmaßigen Stellen stieg vonzwei auf sieben an und die der Assistentenstellen von zwei aufacht. Neben der Einrichtung zusatzlicher Professuren undDozenturen wurde ferner ein modernes, 1,5 Millionen Markteures Institut mit verschiedenen Lehr- und Forschungslaborato-rien eingerichtet (Anonym 1906, 1910). Damit erreichte dasAachener Institut eine bauliche Ausstattung, die vergleichbar mitdem ersten chemischen Laboratorium der Berliner Universitat ist.

Auf kognitiver Ebene war die Einfuhrung der Metallographieder zentrale Schritt hin zu einem eigenstandigen methodischenFundament der Eisenhuttenkunde. Entwickelt im letzten Dritteldes 19. Jahrhunderts und praktiziert insbesondere in der hut-tenkundlichen Forschung in Frankreich und England, wurdedie Aneignung der Metallographie durch die Aachener

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Eisenhuttenkunde zentral fur die Ausbildung eines eigenen Den-kstils.15 Der 1903 erfolgte Aufbau eines ersten metallographischenLaboratoriums – verbunden mit der Einrichtung einer entspre-chenden Dozentur – war wesentlich fur die fruhe lehrhafteVermittlung dieser Methode und die damit verbundene Befahi-gung der Studierenden und Absolventen, diese in ihreForschungsarbeiten zu integrieren und als Hilfsmittel fur dieProduktion wissenschaftlicher Erkenntnis einzusetzen. FurAachen kann die Eroffnung des metallographischen Laboratori-ums als Zasur der eisenhuttenkundlichen Forschungstatigkeitangesehen werden: Von den 57 Arbeiten der Bande 2–5 derMitteilungen aus dem Eisenhuttenmannischen Institut benutzten42 neben anderen Methoden auch metallographische Untersu-chungen, was knapp 74% entspricht (Wust 1908–1913).16 DieMetallographie fand unabhangig davon Verwendung, ob es sichum Fragen der Gießereitechnik, der Herstellung von Spezialstah-len oder der theoretischen Eisenhuttenkunde handelte.

Eng verbunden mit der Metallographie war die Ausbildungeiner eigenen Terminologie, die sich beispielsweise in der fort-schreitenden Benennung der Gefugebestandteile des Eisens undseiner Legierungen zeigte. Daruber hinaus adaptierte die Eisen-huttenkunde zahlreiche Begriffe und theoretische Ansatze derphysikalischen Chemie sowie Grundverstandnisse und Ideen derThermodynamik – beispielsweise zu Warme- und Stoffbilanzen.Die Begriffsbildung war eine notwendige Voraussetzung fur dienach der Jahrhundertwende einsetzende und in Aachen forciertvorangetriebene Theoriebildung der Eisenhuttenkunde.

Insbesondere in der Prazisierung und Interpretation desEisen-Kohlenstoff-Diagramms kulminierten die verschiedenenKonsolidierungsschritte: der Aufbau produktiver Institutionen, dielehrhafte Vermittlung neuer Methoden, ihre Anwendung inexperimentellen Studien und die theoretische Deutung der Un-tersuchungsergebnisse. Dabei fuhrte die Erforschung desZustandsdiagramms zunachst konsequent weg von der nachtrag-lichen Sichtung und Ordnung des Erfahrungswissens hin zu einemeigenen Erkenntnissystem der Eisenhuttenkunde. So schuttelte sieihre theoretisch-methodische Ruckstandigkeit aus der langenHerausbildungsphase der Disziplin ab und etablierte sich in einemeinzigen Jahrzehnt als weitgehend konsolidierte Technikwissen-schaft (Buchheim 1984: 79).

Mit der erfolgreichen Studienreform erzielte Wust einenPrestigegewinn, der sich symbolisch in den Verleihungen des

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Roten Adlerordens 4. Klasse und des Titels eines GeheimenRegierungsrates niederschlug. Sein Ansehen erreichte mit Eroff-nung des neuen Instituts 1910 (Abb. 3) – ruckgekoppelt andasjenige seines Instituts – einen vorlaufigen Hohepunkt. DasAachener Institut erhielt im Preußischen Abgeordnetenhausoffentlich die Zuschreibung des ersten eisenhuttenkundlichenInstituts Europas.17 Wust wurde folgerichtig als erster Eisen-huttenkundler bezeichnet und bei der Einweihungsfeier mehrfachentsprechend geehrt: Ihm wurde unter anderem die Ehrendok-torwurde der Technischen Hochschule Stuttgart sowie die derMontanistischen Hochschule Leoben verliehen.

Die einzigartige Stellung des Aachener Instituts war damitallgemein anerkannt. Dies zeigte sich auch bei der Eroffnung derBreslauer Schwesterinstitution im folgenden Jahr. Sie war in ihrerGroße und Ausstattung mindestens ebenburtig mit der AachenerEinrichtung und hatte gegenuber Aachen sogar den kleinenVorteil, bereits uber drei kleinere Spezialabteilungen zu verfugen:ein Aufbereitungslaboratorium, das mit Maschinen zur nass-mechanischen und elektromagnetischen Trennung von Erzenausgerustet war, ein gastechnisches Laboratorium sowie einKokereilaboratorium (Die Redaction 1911). Aber die BreslauerHochschule besaß noch keine eigene Reputation, und so unter-nahmen die dortigen Eisenhuttenkundler bei der Einweihungsfeierkeine rhetorischen Versuche, den Aachenern den Rang streitig zu

Abb. 3: Das neueInstitut für dasgesamte Hüttenwesender TechnischenHochschule Aachen,o. D. (HochschularchivRWTH Aachen, 924a).

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machen. Im Gegenteil priesen sie die Leistungen Fritz Wusts unddie Weltgeltung des Aachener Instituts (Anonym 1911).

Als Schlussstein der Konsolidierung kann die Durchsetzung desDeutungsmonopols der Eisenhuttenkunde im Streit zwischen derZeitschrift des Vereins Deutscher Eisenhuttenleute, Stahl undEisen, und der von Wust mitherausgegebenen wissenschaftlichenFachzeitschrift Metallurgie begriffen werden. In der nach einemheftigen Konflikt anerkannten Ausdifferenzierung der Kom-munikationsmedien manifestierte sich der Bruch zwischen denbeiden ehemals eng verbundenen Feldern der Eisenhuttenkundeund des Eisenhuttenwesens. Wahrend des Streits boykottiertenWust und seine Mitarbeiter Stahl und Eisen, indem sie dort keinewissenschaftlichen Arbeiten mehr veroffentlichten, was den Ruf derZeitschrift schadigte. Auf der anderen Seite initiierte der VereinDeutscher Eisenhuttenleute einen Anzeigenboykott gegen dieMetallurgie und beharrte vehement auf dem Vorrecht, alle wis-senschaftlichen Arbeiten des Aachener Instituts in der Ver-einszeitschrift veroffentlichen zu durfen. Stahl und Eisen sollte alsodas bislang als einzige monothematische Fachzeitschrift fur dasEisenhuttenwesen eingenommene Konsekrationsmonopol furdas eisenhuttenkundliche Feld behalten.18 Nach einem fast vierJahre andauernden Konflikt musste der Verein schließlich 1909nachgeben (vgl. Krebs 2009: 388–397). Die Anerkennung desExistenzrechts einer der Theoriebildung und Grundlagenforschunggewidmeten Zeitschrift, die sich der Kontrolle der Stahlindustrieentzog, beschleunigte zugleich die weitere Entwicklung. ZentralerForschungsgegenstand des Aachener Instituts war in dieser Zeit dasZustandsdiagramm Eisen-Kohlenstoff (Wust 1909).

Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs erreichte dieAachener Eisenhuttenkunde damit die vollstandige Ausbildungeiner eigenen disziplinaren Grundlage, auf deren Basis die weitereEntwicklung der Disziplin stattfinden konnte (vgl. Krebs 2007,2009). Die disziplinare Auspragung der Wust’schen Schule dientedem Kultusministerium zudem als Vorbild fur die anderen Stu-dienstandorte – diesen wurde unter anderem die Ubernahme desAachener Curriculums empfohlen.19

Stadiale Gliederung der eisenhüttenkundlichen Dis-ziplingenese

Die Untersuchung der Disziplingenese der Eisenhuttenkunde amBeispiel der Technischen Hochschule Aachen hat gezeigt, dass

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diese sich geradezu paradigmatisch dem Dresdener Periodi-sierungsmodell entsprechend entwickelt hat: Auf allen dreiAnalyseebenen – Gegenstandsorientierung, Institutionalisierungund Selbstreproduktion – haben zwischen 1870 und 1914 quali-tative Entwicklungen stattgefunden, wie sie innerhalb desDresdener Konzepts beschrieben werden. Wahrend der Amtszeitvon Friedrich Durre lag der Schwerpunkt der disziplinarenTatigkeit auf der lehrhaften Vermittlung des geordneten undsystematisierten Erfahrungswissens. Die institutionelle Basis derHuttenkunde war insbesondere in Aachen nur schwach entwickeltund zudem auf die reproduktive Aufgabe des Fachs beschrankt.An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass die akademische Insti-tutionalisierung der Eisenhuttenkunde der kognitiven Verwissen-schaftlichung der Disziplin um Jahrzehnte voranging.

Der Wechsel der etatmaßigen Professur fur Eisenhuttenkundevon Durre zu Wust 1901 kann ruckblickend als tiefgreifende Zasurund Initialzundung fur die Konsolidierung dieses disziplinarenFeldes angesehen werden. Die Anderung der Gegenstandsorien-tierung, wie sie im neuen Curriculum sichtbar wurde20, und derAuf- und Ausbau des institutionellen Rahmens der Huttenkundezielten auf die Ausdifferenzierung und damit Spezialisierung deseisenhuttenkundlichen Studiums und zugleich auf eine inhaltlich-methodische Emanzipation von der anorganischen und analyti-schen Chemie. Hierzu inkorporierte die Eisenhuttenkundeverstarkt neue Methoden der physikalischen Chemie. Die Ver-breiterung der institutionellen Basis durch die Einrichtungweiterer Personalstellen und der Aufbau neuer, mit den moderns-ten Einrichtungen ausgestatteter Laboratorien zielten auf dieVerwissenschaftlichung der Disziplin und bedingten einanderwechselseitig.

Mit dem erweiterten Laboratoriumsbetrieb wurde zugleichdie Moglichkeit fur eine disziplinspezifische Laufbahn geschaffen,und nachdem ihm die ersten eigenen Absolventen zur Verfugungstanden, griff Wust dann auch vornehmlich auf sie zuruck undplatzierte sie auf aussichtsreichen Stellen. Seinen Schuler PaulOberhoffer installierte er 1910 als Dozent fur Metallographie undWerkstoffkunde an der neugegrundeten Technischen HochschuleBreslau. Im Dezember 1917 entschied sich dann die Abteilung IVder Aachener Hochschule fur Oberhoffer als Nachfolger vonWust, der – Zeichen seiner dominierenden Position auf demeisenhuttenkundlichen Feld – zum Grundungsdirektor des Kaiser-Wilhelm-Instituts fur Eisenforschung ernannt worden war (vgl.

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Maier 2007, Flachowsky 2007).21 Mit Oberhoffers Berufungund seinem endgultigen Wechsel nach Aachen 1921 fand dieSelbstreproduktion der Wust’schen Schule ihren vorlaufigenAbschluss (vgl. Krebs 2009: 307f.).

Eine weitere zentrale Wegmarke fur die Konsolidierung derEisenhuttenkunde war die Etablierung eigener kommunikativerInstitutionen durch die Begrundung einer der wissenschaftlichenEisenhuttenkunde vorbehaltenen Fachzeitschrift, der Metallurgie.Als neue Leitwahrung setzten sich Originalbeitrage durch, indenen die veranderten Erkenntnisobjekte und -methoden behan-delt wurden. Hierdurch erfolgte zum einen eine Abkopplung dereisenhuttenkundlichen Forschung von der betrieblichen Praxis, davornehmlich Grundlagenforschung betrieben wurde, und zumanderen anderten sich hierdurch die Publikationsstrategien. Diekonfliktgeladene Durchsetzung des Deutungs- und Publikations-monopols der von Wilhelm Borchers22 und Wust heraus-gegebenen Zeitschrift Metallurgie zog zudem eine neue Grenzezwischen Wissenschaft und Praxis (Bourdieu 2001: 353).

Der gesamte Konsolidierungsprozess kulminierte im Neubaudes eisenhuttenkundlichen Instituts, das bereits zeitgenossisch alsMeilenstein der Disziplinentwicklung und Vorbild fur die andereneisenhuttenkundlichen Institute galt. Das Breslauer Institut, dasein Jahr spater eingeweiht wurde, war ausdrucklich mit Ruckgriffauf die Expertise der Aachener Eisenhuttenkundler geplant wor-den (Anonym 1911). Die verschiedenen Einrichtungen desAachener Instituts und die sich etablierende institutionelle Basisdes neuen Forschungsprogramms bildeten die Synthese zu einemrelativ geschlossenen System eisenhuttenkundlicher wissen-schaftlicher Tatigkeiten mit einem spezifischen Korpus gemein-samer Problemstellungen, Methoden und Begriffe. Dazu gehortenvor allem die Einfuhrung und Weiterentwicklung der Metal-lographie in Forschung und Lehre sowie die Prazisierung undInterpretation des Eisen-Kohlenstoff-Diagramms.

Ein weiterer Befund zur stadialen Gliederung der Disziplin-genese der Eisenhuttenkunde ist, dass sie im Gegensatz zu anderenklassischen Technikwissenschaften erst spat in ihre Kon-solidierungsphase eintrat, so gegenuber dem Maschinenbau fastdrei Jahrzehnte spater (Hanseroth/Mauersberger 1998: 229–233).Dafur verlief die Konsolidierung wesentlich schneller, so dass dieDisziplingenese dann innerhalb eines Jahrzehnts abgeschlossenwar.

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Zur sozialen Praxis der Technikwissenschaften

Unter der vorgeschlagenen Betrachtungsweise konnen die vomDresdener Konzept beschriebenen Konsolidierungsschritte alsnotwendige Bedingungen der Verwissenschaftlichung der Eisen-huttenkunde aufgefasst werden. Demgegenuber muss die Auto-nomisierung als hinreichende Bedingung ihrer Verwissenschaftli-chung begriffen werden. Das wurde bedeuten, dass die Verwis-senschaftlichung der Eisenhuttenkunde nur unter Durchsetzungihres Deutungsmonopols erfolgen konnte, wobei die dazu not-wendige Brechungsstarke der Disziplin an ihre Kapitalausstattunggekoppelt war.

Zu berucksichtigen ist dabei die Besonderheit der Eisenhut-tenkunde als einer technikwissenschaftlichen Disziplin. Sie beruhtauf der untrennbaren Verknupfung der Technikwissenschaftenmit dem okonomischen Feld, wahrend Autonomie fur Bourdieukonstitutiv fur das wissenschaftliche Feld ist. Diese paradoxanmutende Eigenart konsolidierter Technikwissenschaften sollabschließend noch einmal genauer betrachtet werden.

Bourdieus Konzeption des wissenschaftlichen Feldes schreibtdiesem eine Anordnung entlang zweier Pole zu: dem heteronomenGesellschaftspol und dem autonomen Wissenschaftspol. Amheteronomen Pol befinden sich Disziplinen wie Jura und Medi-zin, am autonomen Pol beispielsweise die Naturwissenschaften(Bourdieu 1992: 107). Die Technikwissenschaften durften demgesellschaftlichen Pol zugeordnet sein, wobei dieser praziser alswirtschaftlicher Pol zu charakterisieren ware.23 In sich weisen alleDisziplinen wiederum dieselbe Struktur auf, das heißt, die ein-zelnen Wissenschaftler konnen sich innerhalb des sozialen Raumsihrer Disziplin entweder dem einen oder dem anderen Polzuwenden.

Fur Bourdieu liegt der grundlegende Nomos moderner Wis-senschaften in ihrer Unabhangigkeit von wirtschaftlichen undpolitischen Machtinstanzen. Die im Umfeld des Dresdener For-schungsprogramms entstandenen Untersuchungen der Disziplin-genese verschiedener Technikwissenschaften haben gezeigt, dassdiese in ihrer Herausbildungsphase nur uber einen heteronomenPol verfugten. Dies entspricht in dieser Zeit ihrer ausschließlichenOrientierung auf die technische Praxis. Dafur steht auch dieanfangliche Zustandigkeit des preußischen Handelsministeriumsfur die Bergakademien und polytechnischen Schulen sowie dieBeschrankung der wissenschaftlichen Erkenntnistatigkeit auf die

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Ordnung und Systematisierung des praktischen Erfahrungswis-sens. Erst mit der Konsolidierung einzelner technikwissenschaft-licher Disziplinen bildeten diese einen autonomen Pol aus.24

Fur die Eisenhuttenkunde hat der Streit zwischen FriedrichDurre und Joseph Schlink anschaulich gezeigt, dass die Akteuredes okonomischen Felds in den 1870er Jahren noch eine Positioneinnahmen, die es ihnen erlaubte, die Ausbildung eines autono-men Pols zu verhindern. Paradoxerweise begunstigte dieDominanz des heteronomen Pols der Eisenhuttenkunde, die biszur Jahrhundertwende fortbestand, die Durchsetzung der vonFritz Wust konzipierten Studienreform. Den Vertretern der Eisen-und Stahlindustrie wurde das Recht zugebilligt, weitgehend uberdie Erkenntnisobjekte und -methoden der Eisenhuttenkunde zuentscheiden.

Der bestimmende Einfluss des Vereins Deutscher Eisen-huttenleute auf die Studienreform kann noch als typischesMerkmal der Herausbildungsphase gedeutet werden. In dieser Zeitwar der heteronome Pol des eisenhuttenkundlichen Feldes nochstark ausgepragt, und ,,[j]e heteronomer […] ein Feld, destounvollstandiger ist dort der Wettbewerb und desto leichter fallt esden Akteuren, außere Machte in die wissenschaftlichen Kampfeeinzuschleusen‘‘ (Bourdieu 1998: 28). Das heißt, Wust konnte denWettbewerb zwischen den eisenhuttenkundlichen Instituten ge-rade und nur mithilfe der Vertreter der Eisen- und Stahlindustrieaußer Kraft setzen und einseitig fur sich entscheiden. Andererseitswar Wust nicht gewillt, seine wissenschaftliche Arbeit vonseitender Industriellen sanktionieren zu lassen. Vielmehr strebte erdanach, das eisenhuttenkundliche Feld aus der Umklammerungdurch die huttenmannische Praxis zu losen. Das heißt, es zu au-tonomisieren, denn ,,[j]e autonomer […] ein Feld ist, je naher alsoan einem reinen und vollstandigen Wettbewerb, desto eher istdort die Zensur eine rein wissenschaftliche, die rein gesellschaft-liche Eingriffe […] ausschließt‘‘ (ebd.: 28). Wahrend Wust alsoanfangs die Macht des Vereins innerhalb des wissenschaftlichenFeldes fur sich einzusetzen wusste, setzte er nach Abschluss derStudienreform und der damit einhergehenden Saturation seinerRessourcenanspruche alles daran, diese Macht selbst zu brechen.Er kampfte vehement fur eine Ausbildung des autonomen Pols derEisenhuttenkunde und wandte sich gegen den Einfluss des Vereinsauf das wissenschaftliche Feld – einen Einfluss, der mit Bourdieuals Tyrannei charakterisiert werden kann:

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Tyrannei herrscht beispielsweise, wenn die politische Macht oder die wirt-schaftliche Macht in das Feld der Wissenschaft oder das der Literatureingreift, sei es unmittelbar, sei es vermittels einer spezifischeren Macht wieder von Akademien, Verlegern, Kommissionen oder der des Journalismus[…], um dort ihre eigenen Hierarchien zu errichten und die Selbstbehauptungspezifischer Hierarchisierungsprinzipien zu unterdrucken. (Bourdieu 2001b:131f.)

Die Autonomisierung war jedoch keine einseitige SetzungWusts, sondern bildete sich erst durch eine Reihe symbolischerKampfe um die Deutungsmacht der wissenschaftlichen Eisen-huttenkunde heraus. Neben dem Streit um die Zukunft desThomasverfahrens (Krebs 2007) kam dem Kampf um das Exis-tenzrecht der Metallurgie besondere Bedeutung zu: eine derwissenschaftlichen Eisenhuttenkunde gewidmete Zeitschrift, diesich der Kontrolle durch die Stahlindustrie entzog. Der VereinDeutscher Eisenhuttenleute kampfte vehement darum, sein Publi-kations- und Konsekrationsmonopol und damit Stahl und Eisenals gemeinsame Plattform von Wissenschaft und Praxis zu erhal-ten. Wust hingegen riskierte den Verlust seines sozialen Kapitals,um die Metallurgie als unabhangige wissenschaftliche Zeitschriftzu etablieren. Peter Weingart bezeichnet die Zeitschriftengrun-dung auch als den wichtigsten Institutionalisierungsschritt einerwissenschaftlichen Disziplin:

Eine Gruppe, die eine Zeitschrift oder eine wissenschaftliche Gesellschaftgrundet, stellt sich damit gleichsam außerhalb des geltenden Rechts – sielehnt die geltenden Qualitats- und Auswahlkriterien ab. […] Die Grundungeiner Zeitschrift und/oder einer wissenschaftlichen Gesellschaft bedeutet dieinstitutionelle Verfestigung und Verselbstandigung eines Satzes von Orien-tierungskomplexen […] in Form eines paradigmatischen Programms, daszumindest partiell zu etablierten Orientierungskomplexen in Konflikt steht.(Weingart 1974: 30, 32)

Mit der Konsolidierung der Eisenhuttenkunde und der Etablie-rung ihres wissenschaftlichen Deutungsmonopols war zugleich dieAusbildung der chiastischen Struktur des eisenhuttenkundlichenFeldes verbunden.25 Das heißt, dass erst mit der disziplinarenTheoriebildung wissenschaftliche Tatigkeit um ihrer selbst willenerfolgen konnte, eisenhuttenkundliche Grundlagenforschung alsoals relevant und prestigetrachtig anerkannt wurde. Dies erklart,warum Wust nach der Studienreform auf einen Teil seines zuvorbenotigten sozialen Kapitals verzichten konnte, denn unter denkonsolidierten Produktionsbedingungen benotigte er dies zurAkkumulation wissenschaftlichen Kapitals – als nunmehr imSinne Bourdieus einzige legitime Kapitalform26 – nicht mehr.

Hieraus folgt außerdem, dass das okonomische und sozialeKapital des Vereins Deutscher Eisenhuttenleute an Wert verlor, da

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die Eisenhuttenkundler nur von den anderen Mitgliedern derScientific Community im engeren Sinne Anerkennung und damitwissenschaftliches Kapital fur ihre Forschungsleistungen erhaltenkonnten: Im Sinne Ludwik Flecks verschob sich mit der Konso-lidierung die Grenze zwischen dem kleineren esoterischen Kreisder Wissenschaftler und dem großeren exoterischen Kreis derEisenhutteningenieure (Fleck 1980: 138f.). Die beherrschendeMachtstellung der Aachener Eisenhuttenkunde transformiertedemnach die Struktur des gesamten eisenhuttenkundlichen Feldesund brachte den anderen Eisenhuttenkundlern ebenfalls wissen-schaftliche Gewinne ein, insofern sie sich den neuen Regelnentsprechend ins Spiel einbrachten – was sie, wie der Erfolg derZeitschrift Metallurgie zeigte, auch taten. Das Autorenverzeichnisder Metallurgie war damit Ausweis wissenschaftlicher Macht undzugleich symbolisches Kapital, das Wust und sein Kollege Bor-chers gegen Stahl und Eisen ins Feld fuhren konnten. Hieran zeigtsich deutlich, dass die Aachener Huttenkundler durch ihre Ein-satze und Strategien eine beherrschende Position im Feld erlangthatten, die es ihnen ermoglichte, die Regeln der Disziplin zu ihrenGunsten zu andern.

Das Spezifische der Technikwissenschaften liegt nun darin,dass sie zwei Abnehmergruppen aufweisen: zum einen die anderenTechnikwissenschaftler und zum anderen die Vertreter der tech-nisch-industriellen Praxis. Technikwissenschaftliches Wissen istimmer auch Mittel fur erfolgreiches technisches Gestalten: ,,DieTechnikwissenschaften sind nicht nur fur die Theorie da, sondernfur die Praxis. ‘‘ (Banse u. a. 2006) Hier ist die auch in der Disziplinselbst gefuhrte Debatte uber den Wissenschaftstyp der Eisenhut-tenkunde einzuordnen: Ist sie angewandte Naturwissenschaft odereventuell auch gar keine Wissenschaft (Schenck 1971: 24, Banse u.a. 2006)? Zum anderen erklart sich aus dieser besonderen Strukturdes technikwissenschaftlichen Felds die Schwierigkeit, eineneigenen autonomen Pol auszubilden. Wie lasst sich Auto-nomie erreichen, wenn die wissenschaftliche Tatigkeit auf denheteronomen Pol des Feldes zielt, und warum sollten die Tech-nikwissenschaften uberhaupt nach Autonomie streben?

Dieses Streben ist fur Bourdieu der Struktur des wissen-schaftlichen Feldes inharent. Die Sublimation außerer Zwangeliegt demnach in der besonderen Form der Illusio beschlossen, diezur Teilhabe am Feld notwendig dazugehort: der Wissenschafts-glaube, eine Art interesseloses Interesse und das Interesse an derInteresselosigkeit (Bourdieu 1998: 27).

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Das Fallbeispiel der Eisenhuttenkunde hat gezeigt, dass es denAachener Akteuren vor allem darum ging, eigenstandig uber diesozialen und kognitiven Belange der Disziplin entscheiden zukonnen, also ein von den Eigeninteressen der Stahlindustrie unddem Einfluss anderer wissenschaftlicher Disziplinen unabhangigesDeutungssystem zu etablieren. Soweit erklart sich das Eigenin-teresse der Eisenhuttenkundler an der Durchsetzung disziplinarerAutonomie. Bei der Deutung des Interesses der industriellenPraxis an der Autonomie der Technikwissenschaften helfenBourdieus Uberlegungen zur Machtausubung in modernen aus-differenzierten Gesellschaften. Er schreibt:

Sie wird auf unsichtbare und anonyme Weise durch scheinbar anarchische, inWirklichkeit aber strukturell zwingende Aktionen und Reaktionen vonAkteuren und Institutionen ausgeubt, die in miteinander konkurrierende undeinander zugleich erganzende Felder wie zum Beispiel in das der Okonomieund das der Bildung integriert sind und in immer langeren und komplexeren,also symbolisch auch immer effizienteren, aber zumindest potentiell auchimmer mehr Macht- und Autoritatskonflikten Raum gebenden Kreislaufengegenseitigen Legitimierens fungieren. (Bourdieu 2001b: 130)

Die hierin beschriebenen Kreislaufe der Legitimation setzenvoraus, dass die einzelnen miteinander verbundenen Felder uberein gewisses Maß an Autonomie verfugen, denn wirklich effizientegegenseitige symbolische Dienste sind nur unter der Bedingungmoglich, dass die einzelnen Akteure das Recht auf unabhangigeUrteile haben, das selbst ,,die Moglichkeit kritischer Infragestellungzulasst‘‘ (ebd.: 133). Das heißt, dass die autonome Eisenhutten-kunde der Stahlindustrie effektivere symbolische Dienste leistenkonnte, als sie dies ohne ihr Recht zur kritischen Infragestellunghatte tun konnen. Ein Beispiel ist der Streit zwischen den Schie-nenproduzenten und der staatlichen Eisenbahnverwaltung um dieQualitat des Eisenbahnobermaterials: Hier konnte die deutscheEisenhuttenkunde zugunsten der Thomasschiene und damit furdie okonomischen Investitionen der deutschen StahlindustrieStellung beziehen. Andererseits musste die Stahlindustrie einkritisches Qualitatsurteil furchten, was der Eisenhuttenkundezusatzliche symbolische Macht verlieh (Krebs 2007). In den Ver-einigten Staaten und Großbritannien wurde dagegen nach einerReihe von Eisenbahnunglucken die Verwendung von Thomasstahlzur Schienenherstellung untersagt (Aldrich 1999).

Die Autonomie eines Feldes muss allerdings nicht vollkom-men sein und kann dies im Fall der Technikwissenschaften auchnicht sein. Stattdessen ist von einer relativen Autonomie dertechnikwissenschaftlichen Felder auszugehen, die unmittelbareokonomische Zwange aufhebt und eine unabhangige wissen-

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schaftliche Tatigkeit garantiert, aber die mittelbare Abhangigkeitder Technikwissenschaften von der technischen Praxis niemalsganz uberwindet. Der Autonomisierungsprozess ist zudem nichtirreversibel, sondern die beiden Pole des wissenschaftlichen Feldeskonnen im Laufe der Zeit unterschiedlich stark ausgebildet sein.Von der Auspragung der autonomen Seite hangt aber die Bre-chungsstarke wissenschaftlicher Disziplinen ab. Das bedeutet,ohne ein ausreichendes Maß Autonomie nehmen externeEinflusse anderer Felder zu, worunter zugleich der Nomos derWissenschaft leidet und in letzter Konsequenz Wissenschaftaufhort, Wissenschaft zu sein.

Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Uberlegungenlasst sich die Konsolidierung der Aachener Eisenhuttenkunde alssymbolischer Kampf zwischen Fritz Wust und den Vertretern derEisen- und Stahlindustrie begreifen, der zur Konstruktion eines,,Systems der Unterschiede’’ fuhrte. Darin akzeptierten die Wis-senschaftler es, Wissenschaftler und nicht Unternehmer zu sein,und die Unternehmer respektierten es, Unternehmer zu sein undverzichteten darauf, Wissenschaftler zu werden (Bourdieu 1991:71). Der ,,tyrannische‘‘ Einfluss der Industriellen auf die Erkennt-nisinteressen und -ziele der Eisenhuttenkunde wurde so aufge-hoben. Erst damit war die Verwissenschaftlichung der Disziplinmoglich geworden.

Die Disziplingenese der Eisenhuttenkunde zeigt anschaulich,dass ihre Entwicklung nicht als eine Art Parthenogenese begriffenwerden kann, als Prozess, aus dem sich die Wissenschaft gewis-sermaßen selbst hervorbringt. Diese teleologische Annahme, diedem Dresdener Konzept als Teil der marxistischen Geschichts-schreibung inharent ist, schmalert dagegen nicht die Beschrei-bungskraft des Entwicklungsmodells. Das Dresdener Konzept istwiederum hilfreich, um die Theorie der Praxis fur die Geschichteder Technikwissenschaften fruchtbar zu machen. WahrendBourdieu selbst nicht uber die Technikwissenschaften gearbeitethat, finden sich in den Dresdener Studien Strukturmerkmalebeschrieben, die die Einordnung und Kontextualisierung derQuellen zur Aachener Hochschulgeschichte ermoglichen.

Bourdieus Theorie der Praxis vermag die sozialen Triebkraftedes wissenschaftlichen Wandels aufzuzeigen. Mithilfe seinertheoretischen Annahmen, speziell zur Struktur des wissenschaft-lichen Feldes, lasst sich den Quellen ihr sozialer Sinn entlocken. Esgelingt auf diese Weise, kontextuelle Zusammenhange aufzude-cken, das Agieren in sozialen Handlungsfeldern verstandlich zu

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machen und den Einfluss einzelner Akteure herauszuarbeiten.Schließlich veranschaulicht die Geschichte der Eisenhuttenkundedie von Bourdieu selbst beschriebene Eigenart wissenschaftlicherFelder: Nur hier konnen die Akteure die Spielregeln selbst ins Spielbringen und, wie im Fall Fritz Wusts, zu ihren Gunsten verandern(Bourdieu 1998: 25).

Nachweis

Der Beitrag ist eine erweiterte Fassung meiner Disputation, die am12. Februar 2008 an der RWTH Aachen stattfand. Der Titel spieltauf Pierre Bourdieus Studie Die Regeln der Kunst (2001a) an. ZurDruckfassung der Dissertation siehe Krebs 2009.

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Anmerkungen

1 Biographische Angaben uber Fritz Wust (1860–1938) finden sich imRheinisch-westfalischen Wirtschaftsarchiv, Koln, Abt. 130, 3001030/1,Programm und Jahresbericht der Kgl. Preussischen Maschinenbau- undHuttenschule in Duisburg, Duisburg 1901, und in Goerens/Korber/Petersen 1938.

2 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin (zukunftig GSTAPK), I. HA Rep. 151 Finanzministerium, IC 6967, Haus der Abgeordne-ten, Protokoll der Sitzung vom 29. April 1910.

3 Historisches Archiv des Vereins Deutscher Eisenhuttenleute, Dusseldorf(im Folgenden HA VDEh), Se 12 bis, Stenographische Niederschrift derBesprechung uber Hochschulausbildung vom 31. Mai 1926, S. 5.

4 Ernst Friedrich Durre (1834–1905) hatte zuvor seit 1865 als Assistent beiHermann Wedding an der Berliner Bergakademie gearbeitet. Vgl. zu seinerBiographie GSTA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Vb, Sekt. 6,Tit. II, Nr. 1 Bd. I, Nachweisung uber die personlichen und dienstlichenVerhaltnisse des Professors Dr. Durre, o. D. (Mai 1886).

5 Dagegen verfugte der Aachener Vertreter der anorganischen Chemie sogaruber ein eigenes, Forschungszwecken vorbehaltenes Privatlaboratorium imNeubau des Chemischen Instituts (TH Aachen 1879).

6 Durre besuchte u. a. die Pariser Ecole des Mines, die Londoner RoyalSchool of Mines und die Lutticher Ecole des arts et manufactures et desmines.

7 Der erste Vorsitzende des Technischen Vereins fur das Eisenhuttenwesenwar der Industrielle Leopold Hoesch. Ihm folgten Carl Lueg (1879–1905),Direktor der Firma Jacobi, Haniel & Huyssen in Sterkrade, der spateren

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Gutehoffnungshutte, und Friedrich Springorum (1905–1917), Direktor desEisen- und Stahlwerks Hoesch in Dortmund (Anonym 1935: 1258, 1265,1347f., 1362).

8 Hochschularchiv RWTH Aachen (im Folgenden HAAc), 934b, F. Wustund W. Borchers an den Kultusminister vom 2. November 1907. Vgl. auchChezeau 2004: 103f., 199f.

9 HA VDEh, Se 12 bis a–b, Eingabe des VDEh an Handelsminister Mollervom 14. Mai 1902; ebd., Eingabe des VDEh an Kultusminister Studt vom14. Mai 1902.

10 Vgl. HAAc, 934a, Fritz Wust: Das Studium des Eisenhuttenwesens und dieErrichtung eines neuen eisenhuttenmannischen Instituts an der Konigli-chen Technischen Hochschule zu Aachen (Sonderdruck); HA VDEh,Se 12 bis a–b, Verhandlungen uber den Ausbau des Unterrichts imEisenhuttenwesen an den Technischen Hochschulen und BergakademienPreußens, Besprechung vom 7. November 1903, Berlin 1903; ebd.,Verhandlungen uber den Ausbau des Unterrichts im Eisenhuttenwesenan den Technischen Hochschulen und Bergakademien Preußens, Bespre-chung vom 8. Januar 1904, Berlin 1904.

11 Vgl. dazu die Dankesschreiben: HA VDEh, Ag 10 Bd. I, E. Schrodter anF. Wust vom 19. Januar 1903; ebd., C. Lueg und E. Schrodter an RektorTH Aachen vom 21. Januar 1903.

12 Friedrich Springorum wurde zudem 1905 zum neuen Vorsitzenden desVDEh gewahlt und nahm damit eine beherrschende Stellung im okono-mischen Feld ein.

13 Historisches Archiv Hoesch (zukunftig HoeschA), Dortmund, F4a55,F. Springorum an E. Schrodter vom 2. Marz 1905.

14 Vgl. die Berliner Verhandlungsprotokolle im HA VDEh, wie Anm. 11.15 Der Begriff des Denkstils, als disziplinierte, gemeinsame Stimmung

wissenschaftlichen Denkens, erscheint passend, um die Herausbildungeiner Wust’schen Denkschule zu beschreiben (Fleck 1980: 187–190).

16 Der erste Band ist insofern ein Sonderfall, da die ersten darin veroffent-lichten Arbeiten noch vor der Einrichtung des metallographischen Labo-ratoriums entstanden waren.

17 GSTA PK, I. HA Rep. 151 Finanzministerium, IC 6967, Haus derAbgeordneten, Protokoll der Sitzung vom 29. April 1910.

18 Die Zeitschrift Metallurgie, 1912 umbenannt in Ferrum, stellte 1917 ihrErscheinen ein. Das daraus entstandene Vakuum nutzte 1927 der VDEh,um gemeinsam mit dem Kaiser-Wilhelm-Institut fur Eisenforschung dasArchiv fur das Eisenhuttenwesen herauszugeben: ein Stahl und Eisenerganzendes Periodikum, das Raum fur Originalarbeiten bot und zugleichin der (Teil-)Zustandigkeit des Vereins verblieb.

19 HoeschA, F4a39, Aktennotiz E. Schrodter, o. D. (zur Unterredung mitO. Naumann am 21. Januar 1907).

20 Die Verschiebung fand von der chemisch-metallurgischen zur maschinen-technischen Seite der Huttenkunde statt – Wust selbst bezeichnete dies1926 als einen seiner großten Fehler (HA VDEh, Se 12 bis, Stenographi-sche Niederschrift der Besprechung uber Hochschulausbildung vom31. Mai 1926, S. 13 f.).

21 Die Darstellung der Grundungsgeschichte gerat leider etwas zu kurz, wennz. B. die erzwungene Demission Fritz Wusts im Jahre 1922 schlicht alsEintritt in den Ruhestand bezeichnet wird (Flachowsky 2007: 160).

22 Biographische Angaben zu Wilhelm Borchers (1856–1925) finden sich beiRontgen 1955.

23 Bourdieu selbst außert sich leider nicht explizit zu den Technikwissen-schaften; das Register des Homo academicus (Bourdieu 1992) fuhrt wederdie Begriffe ,,Ingenieur‘‘ noch ,,Technik‘‘ auf. Vgl. dazu auch Felt u. a.1995: 78.

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24 Ein bekanntes und intensiv untersuchtes Beispiel ist der Streit um dieVerwissenschaftlichung der Maschinenbaukunde (Richter 1984). Speziellzum Streit zwischen Franz Reuleaux und Alois Riedler vgl. Konig 1999,Heymann 2005, Manegold 1990.

25 Unter der chiastischen Struktur des wissenschaftlichen Feldes verstehtBourdieu die kreuzweise angeordneten Pole der Autonomie bzw. Het-eronomie. Auf der autonomen Seite befinden sich die Trager symbolischenKapitals im Sinne wissenschaftlicher Anerkennung. Der heteronome Polwird dagegen von Tragern universitarer Macht bestimmt, die ubermaterielle Ressourcen und institutionelle Positionen verfugen (Bourdieu1998: 27, 2001a: 189).

26 Bourdieu unterscheidet zwei Sorten wissenschaftlichen Kapitals: symbo-lisches Kapital, das auf wissenschaftlichen Meriten beruht, und universi-tares Kapital, das auf Verwaltungsmacht aufbaut (Bourdieu 1998: 31).

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