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Aus dem Department für Pathobiologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Departmentsprecher: Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Armin Saalmüller) Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie (Leitung: Ao.Univ.-Prof. Dr.med.vet. Monika Egerbacher) DIE GESCHICHTE DER VETERINÄRAKUPUNKTUR IN ÖSTERREICH INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung der Würde eines DOCTOR MEDICINAE VETERINARIAE der Veterinärmedizinischen Universität Wien vorgelegt von Mag.med.vet. Sigrid Sabadello Wien, im Jänner 2012
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DIE GESCHICHTE DER VETERINÄRAKUPUNKTUR IN … filedie geschichte der veterinÄrakupunktur in Österreich inhaltsverzeichnis 1. einleitung und fragestellung 1 1.1. forschungsstand

Aug 16, 2019

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Aus dem Department für Pathobiologie

der Veterinärmedizinischen Universität Wien

(Departmentsprecher: Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Armin Saalmüller)

Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie

(Leitung: Ao.Univ.-Prof. Dr.med.vet. Monika Egerbacher)

DIE GESCHICHTE DER VETERINÄRAKUPUNKTUR

IN ÖSTERREICH

INAUGURAL-DISSERTATION

zur Erlangung der Würde eines

DOCTOR MEDICINAE VETERINARIAE

der Veterinärmedizinischen Universität Wien

vorgelegt von

Mag.med.vet. Sigrid Sabadello

Wien, im Jänner 2012

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Betreuer:

A. Univ. Prof. Dr. Gerhard Forstenpointner

Department für Pathobiologie

Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie der Veterinärmedizinischen

Universtität Wien

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DIE GESCHICHTE DER VETERINÄRAKUPUNKTUR

IN ÖSTERREICH

INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG 1

1.1. Forschungsstand 1

1.2. Begriffserklärungen 2

1.2.1. Definition Akupunkturpunkt 3

1.2.2. Definition Meridian 4

1.3. Anwendung 4

1.4. Indikationen 5

1.4.1. Allgemein 5

1.4.2. Speziell 6

2. MATERIAL UND METHODE 8

2.1. Auswertung von Literatur und Archivquellen 8

2.2. Befragung von Zeitzeugen 8

3. ERGEBNISSE 10

3.1. Die Wurzeln der Akupunktur 10

3.1.1. Ötzi – der Mann vom Hauslabjoch 10

3.1.2. Der Veterinärpapyrus Kahun LV.2 12

3.1.3. Eine tätowierte Mumie in Südperu 13

3.2. Veterinärakupunktur in China 17

3.2.1. Entwicklung in China 17

3.2.2. Verbreitung in andere Länder 20

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3.3. Veterinärakupunktur in Europa vor dem

20. Jahrhundert 21

3.3.1. Vor dem 17.Jahrhundert? 21

3.3.2. 17.Jahrhundert 24

3.3.3. 19. Jahrhundert 29

3.3.4. 19.Jahrhundert in Österreich 31

3.3.4.1. Anton Hayne 31

3.3.4.2. Dr. Leopold Forster 35

3.4. Entwicklung im 20.Jahrhundert –

der Weg nach Österreich 39

3.4.1. Georges Souliè de Morant 39

3.4.2. Dr. Franz Hübotter 40

3.4.3. Dr. Roger de la Fuye 40

3.5. Entwicklung im 20. Jahrhundert -

in Österreich 42

3.5.1. Prof. Dr. J. Bischko 42

3.5.2. Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer 45

3.5.3. Prof. Dr. J. Schreiber 56

3.5.4. Dr. Ferdinand Brunner 62

3.5.5. Dr. Andreas Zohmann 68

3.5.6. Dr. Karl Grohmann 74

3.5.7. Entwicklung bis heute 76

3.6. Ausbildung 83

3.6.1. Vorlesungen an der Veterinärmedizinischen

Universität Wien 83

3.6.2. Kurse für Tierärzte 84

3.6.2.1. ÖGT 84

3.6.2.2. IVAS 85

3.6.3. Fachtierarzt für Akupunktur und

Neuraltherapie 85

3.7. Fachliche Vertretung 86

3.7.1. Die Sektion Ganzheitsmedizin der

Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte 86

3.7.1.1. Entstehung 86

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3.7.1.2. Definition 87

3.7.1.3. Ziele 88

3.7.2. IVAS – International Veterinary

Acupuncture Society 88

4. DISKUSSION 90

5. ZUSAMMENFASSUNG 94

6. EXTENDED SUMMARY 95

7. LITERATURVERZEICHNIS 97

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1. EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG

Die Idee, eine Arbeit zu diesem Thema zu verfassen, entstand zu Beginn meiner

Tätigkeit als Tierärztin. Nachdem ich begonnen hatte, mich mit der Akupunktur

auseinander zu setzen, stellte ich bald fest, dass einige österreichische Tierärzte

maßgeblich an der Entwicklung der Veterinärakupunktur beteiligt waren. Ich setzte

mir zum Ziel, diese Entwicklung nachzuvollziehen und zu dokumentieren. Dieses

Vorhaben schließt die Wurzeln ebenso wie den Weg der Akupunktur, den diese

Lehre von China nach Österreich genommen hat, mit ein, besonders beleuchten und

hervorheben möchte ich aber die Arbeit von österreichischen Tierärzten, die zur

internationalen Anerkennung und Weiterentwicklung der Veterinärakupunktur geführt

hat.

1.1. FORSCHUNGSSTAND

Die Geschichte der Veterinärakupunktur in Österreich ist bis jetzt nicht ausführlich

wissenschaftlich bearbeitet worden. Ein kurzer Artikel, diese Thematik betreffend,

wurde von Dr. Oswald Kothbauer unter dem Titel „Geschichte der Tierakupunktur in

Österreich seit den 50er Jahren“ veröffentlicht (KOTHBAUER, 1992).

Eine Dissertation aus Hannover von Reinhard Schippers mit dem Titel „Die

Geschichte der Veterinärakupunktur und -moxibustion ausserhalb Chinas“ geht auch

auf die Veterinärakupunktur in Österreich ein, erwähnt aber nur kurz die

Publikationen von Dr. Anton Hayne von 1833 und die Forschungen von Dr. Oswald

Kothbauer zwischen 1960 und 1970 (SCHIPPERS, 1993).

Eine weitere Arbeit zu diesem Themenkreis wurde von Petrissa Rinesch verfasst und

1995 als Dissertation mit dem Titel „Die Entwicklung des Einsatzes von

Lokalanästhetika in der Veterinärmedizin unter besonderer Berücksichtigung ihrer

therapeutischen Wirkung als Neuraltherapie“ approbiert (RINESCH, 1995).

JANSSENS (1981) veröffentlichte 1981 im American Journal of Acupuncture den

Artikel „Veterinary Acupuncture in Europe“.

In der Einleitung von Lehrbüchern der Akupunktur wird oft auch die Geschichte der

Veterinärakupunktur erwähnt. Von diesen Quellen konnte ich in erster Linie das Buch

„Akupunktur in der Tiermedizin“ von Allen M. Schoen für meine Arbeit nutzen, da er

auch auf die Arbeiten von Dr. Oswald Kothbauer eingeht (SCHOEN, 2003).

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1.2. BEGRIFFSERKLÄRUNGEN

Da sich diese Arbeit in erster Linie mit der Geschichte und Entstehung der

Akupunktur in Österreich befasst und weniger mit dem fachlichen Aspekt, würde es

den Rahmen sprengen, die Wirkungsmechanismen der Akupunktur und die

Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) mit ihrer Yin- und Yang Lehre, der 5-

Elemente-Lehre bzw. der Lehre der Wandlungsphasen und der Meridianlehre zu

erklären.

Zum besseren Verständnis von einigen Kapiteln möchte ich dennoch einige

einleitende Sätze über die Hintergründe der Akupunktur an den Beginn stellen und

einige fachspezifische Ausdrücke erklären.

Die Akupunktur (lat. acus Nadel; pungere stechen) ist eine Methode der Traditionell

Chinesischen Medizin (TCM). Dabei werden Störungen der verschiedenen

Organsysteme des Körpers (die in ihrer Form und Funktion von den Organsystemen

der westlich-wissenschaftlichen Forschung abweichen) erkannt. Durch Anregung

oder Dämpfung dieser verschiedenen Organsysteme sollen diese Störungen

behoben werden. Dies geschieht durch Stimulation von Punkten auf der

Körperoberfläche, von denen die meisten auf bestimmten Linien, den Meridianen,

liegen. Über die Meridiane werden die mit ihnen verbundenen Organsysteme

beeinflusst. In den Meridianen fließt das Qi, oft übersetzt mit „Lebensenergie“ das

durch diese Behandlungsform beeinflusst werden kann.

Die Stimulation dieser Punkte erfolgt mittels verschiedener Methoden, entweder

durch Einstechen von Nadeln, durch Massage, durch Erhitzen oder auch durch

Einbringen von Flüssigkeiten (HILDEBRANDT et al., 1997 u. REICHE, 2003):

In der freien Enzyklopädie Wikipedia wird Akupunktur in einem Artikel von 2008 als

Regulationstherapie bezeichnet, bei der über genau definierte Hautareale, die

Akupunkturpunkte, durch Einstechen einer Nadel regulierende Impulse gesetzt

werden. Die Akupunkturpunkte unterliegen einer Systematik, wodurch dem

Anwender ermöglicht wird bestimmte Effekte zu erzielen. Unter Regulationstherapie

versteht man im weitesten Sinne jede Art von Therapie, die einen aus dem

Gleichgewicht geratenen Organismus wieder in den Zustand des Gleichgewichts

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zurückbringen soll. Die Regulation soll durch körpereigene Kräfte erfolgen

(WIKIPEDIA Seite „Regulationstherapie“ 2008).

Obwohl die Akupunktur eine sehr alte Form der Diagnose und Therapie ist, gibt es

nicht nur Befürworter. Die Kontroverse über die Wirksamkeit der Akupunktur wird

vielleicht auch dadurch unterstützt, dass viele Studien die die Wirksamkeit belegen

sollen, einen Mangel an statistischer Analyse und Kontrollen aufweisen (SCHOEN,

2009).

Dennoch gibt es schon viele Fortschritte in dem Bemühen, die Funktionsweise der

Akupunktur auch aus westlich-wissenschaftlicher Sicht zu erklären.

1.2.1. Definition Akupunkturpunkt:

Die Haut kann als das Organ betrachtet werden, von dem aus eine

Akupunkturwirkung induziert wird. In der Haut befinden sich Rezeptoren (freie

Nervenendigungen und korpuskuläre Endkörperchen). Histologische

Untersuchungen haben ergeben, dass im Akupunkturpunkt pro mm2 0,31

Rezeptoren gezählt werden können, aber nur 0,16 Rezeptoren pro mm2 außerhalb

des Akupunkturpunktes. Der Akupunkturpunkt scheint daher eine Art „Sinnesorgan“

der Haut zu sein, insbesondere für elektrisch messbare Werte. Im Akupunkturpunkt

sinkt der Hautwiderstand gegenüber der Umgebung sehr wesentlich ab (KELLNER,

1966).

Die Morphologie der Akupunkturpunkte konnte sowohl beim Menschen (HEINE,

1998) als auch beim Tier (EGERBACHER, 1991) identifiziert werden. An den als

Akupunkturpunkte beschriebenen Arealen waren Austrittstellen von Gefäß-

Nervenbündeln durch die oberflächliche Hautfaszie festzustellen. Typisch hierbei ist

eine konzentrische Schichtung von Bindegewebsstrukturen um diese austretenden

Bündel. Der Akupunkturpunkt unterscheidet sich außerdem durch seine erhöhte

elektrische Leitfähigkeit bzw. seinen erniedrigten elektrischen Hautwiderstand von

anderen Hautstellen, was ihn elektrisch messbar macht.

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1.2.2. Definition Meridian

In der Modellvorstellung der Traditionellen Chinesischen Medizin ist ein Meridian eine

Energieflussbahn des Körpers, die sich als Linie auf die Haut projiziert; auf ihr lassen

sich Akupunkturpunkte ausfindig machen, die eine wichtige Rolle bei der Therapie

von Krankheiten spielen. Die Meridiane sind mit westlich-naturwissenschaftlichen

Methoden noch nicht nachgewiesen worden (REICHE, 2003).

Aus heutiger Sicht könnten sich die Meridiane beim Menschen nach kinetischen

Muskelfunktionsketten darstellen (BERGSMANN u. BERGSMANN, 1997). Diese

können auch beim Pferd nachempfunden werden (KOTHBAUER, unpubl.).

Nach heutiger Auffassung liegen die Akupunkturpunkte auf 14 Leitbahnen, die auch

als Meridiane bezeichnet werden. 12 dieser Leitbahnen stehen in Bezug zu den

Funktionskreisen bzw. Organen der chinesischen Medizin und sind paarig

angeordnet (z.B. Lunge und Herz). Die beiden anderen sind unpaarige Bahnen ohne

Organbezug (Lenkergefäß und Konzeptionsgefäß). Die Leitbahnen werden in auf-

und absteigende Bahnen unterschieden. In ihnen soll nach Auffassung der TCM die

körpereigene Energie, das „Qi“ kreisen, wobei sich diese Energie in 24 Stunden

einmal durch alle Leitbahnen bewegt.

Die Meridiane (z.B. Magen-Meridian, Lungen-Meridian) bilden ein vernetztes System,

über das Fernwirkungen erklärbar werden.

1.3. ANWENDUNG

Zur Behandlung von Krankheiten ist es zunächst notwendig eine Diagnose nach den

Kriterien der Traditionell Chinesischen Medizin zu erstellen. Dabei werden

grundlegende Störungen des Gleichgewichts zwischen Yin und Yang identifiziert.

Die Auswahl der Akupunkturpunkte zur Behebung dieser Störungen kann mittels

zahlreicher Methoden erfolgen, nach denen bestimmte Punktkombinationen

zusammengestellt werden.

Auch für die Einteilung der Akupunkturpunkte gibt es unterschiedliche Systeme.

MUELLER (2011) unterscheidet zwischen Nahpunkten (bzw. Lokalpunkten) und

Fernpunkten, zwischen temporären und permanenten Punkten und unterteilt die

Punkte nach Lage und Funktion in Hauptkategorien nach den Regeln der TCM.

Die Einteilung der Akupunkturpunkte nach den Regeln der TCM wird auch von

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SCHOEN (2009) getroffen. In diesem Zusammenhang wird von folgenden

Punktgruppen gesprochen: Alarm-Mu-Punkte, Zustimmungs-Shu-Punkte, Yuan-

Quell-Punkte, Luo-Passage-Punkte, Xi-Grenz-Punkte, Einflussreiche-Hui-Punkte,

Kardinal-oder Schlüsselpunkte, Kreuzungspunkte, Punkte der vier Meere, Antike

Punkte, Untere Vereinigungspunkte und von den Fünf Elemente Punkten.

1.4. INDIKATIONEN

1.4.1. Allgemein

Eine systematische Übersicht der wesentlichsten allgemeinen Indikationen wurde

von KOTHBAUER (unpubl.) zusammengestellt.

1. Unterstützung der üblichen diagnostischen Verfahren

Durch Feststellung von hyperalgetischen Akupunkturpunkten oder Punktegruppen

auf der Haut, die für eine Krankheit oder ein Organ spezifisch sind (Schmerzpunkte).

2. Ausübung einer Therapie

Über die Stimulation eines Akupunkturpunktes (durch Nadelung, Wärmeanwendung,

elektrische Stimulation usw.), entweder als Akupunktur alleine oder in Verbindung mit

medikamentöser Therapie.

Diese Behandlungsmöglichkeit kann breit gefächerte Wirkungen im gesamten Körper

entfalten, indem sie auf Regelsysteme im Körper einwirkt. Stark geschädigte Organe,

in denen durch Zelltod bereits fixierte Endzustände bestehen, können in der Regel

nicht beeinflusst werden. Genauso wenig können Infektionskrankheiten und

Krankheitserreger direkt beeinflusst werden, jedoch kann auf die dadurch

entstehenden Erkrankungen über die Beeinflussung von körpereigenen

Abwehrsystemen Einfluss genommen werden.

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1.4.2. Speziell

Die Frage, bei welchen Krankheiten die Akupunktur nun genau angewendet werden

kann, wird einem Mediziner der dieses Fachgebiet anwendet oft gestellt. Im Jahr

2003 hat die WHO (World Health Organisation) den Versuch gemacht eine genaue

Indikationsliste zusammenzustellen (aus Roche Lexikon Medizin, REICHE, 2003):

Diese Liste ist vor allem auf den Internetseiten von Anbietern dieser Methode noch

sehr weit verbreitet.

Respirationstrakt:

• akute Sinusitis

• akute Rhinitis

• allgemeine Erkältungskrankheiten

• akute Tonsillitis

bronchopulmonale Erkrankungen

• akute Bronchitis

• Asthma bronchiale

Augenerkrankungen:

• akute Konjunktivitis

• zentrale Retinitis

• Myopie (bei Kindern)

• Katarakt

Erkrankungen der Mundhöhle:

• Zahnschmerzen

• Schmerzen nach Zahnextraktion

• Gingivitis

• akute u. chronische Pharyngitis

orthopädische Erkrankungen:

• Schulter-Arm-Syndrom

• Periarthritis humeroscapularis

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• Tennis-Ellenbogen

• Lumbalgie

• rheumatoide Arthritis

gastrointestinale Erkrankungen

• Ösophagus- u. Kardiospasmen

• Singultus

• Gastroptose

• akute u. chronische Gastritis

• Hyperazidität des Magens

• chronisches Ulcus duodeni

• akute u. chronische Kolitis

• Obstipation

• Diarrhoe

• paralytischer Ileus

neurologische Erkrankungen

• Kopfschmerzen

• Migräne

• Trigeminusneuralgie

• Fazialisparese

• Lähmungen nach Schlaganfall

• periphere Neuropathien

• Poliomyelitislähmung

• Morbus Menière

• neurogene Blasendysfunktion

• Enuresis nocturna

• Interkostalneuralgie

• Ischalgie

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2. MATERIAL UND METHODE

Für die Bearbeitung der gewählten Fragestellung wurden zwei methodische

Forschungszugänge angewendet.

2.1. AUSWERTUNG VON LITERATUR UND ARCHIVQUELLEN

Die Wurzeln der Akupunktur und der Weg, den die Lehre dieser

Behandlungsmethode von China nach Österreich genommen hat, konnte durch das

Studium von vorhandener Literatur nachvollzogen und dargestellt werden.

Für die Suche nach der vorhandenen Literatur wurde die Datenbank der Bibliothek

der Veterinärmedizinischen Universität Wien über das Suchsystem vetmed:seeker

sowie die Datenbank PubMed benutzt. Verwendete Suchbegriffe: Veterinärmedizin,

Geschichte, Akupunktur, Österreich.

Die Arbeiten der österreichischen Tierärzte Dr. Anton Hayne und Dr. Leopold Forster,

beide im 19.Jahrhundert als Professoren an der Wiener Tierärztlichen Schule tätig,

lieferten wertvolle Erkenntnisse des damaligen Forschungsstandes und konnten im

Archiv der Veterinärmedizinischen Universität Wien im Original eingesehen werden.

Die Darstellung des heutigen Standes der Lehre der Veterinärakupunktur in

Österreich erfolgte nach Kontakt mit der Tierärztekammer, die mir die Richtlinien zur

Erlangung des Titels „Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie“ zur Verfügung

stellte. Die Darstellung der weiteren Ausbildungsmöglichkeiten, der fachlichen

Vertretung und der Lehre an der Veterinärmedizinischen Universität Wien erfolgte

unter Zuhilfenahme von Daten der Sektion Ganzheitsmedizin der Österreichischen

Gesellschaft der Tierärzte und des Vorlesungsverzeichnisses der

Veterinärmedizinischen Universität Wien.

2.2. BEFRAGUNG VON ZEITZEUGEN

Ein wesentlicher Anteil der für meine Arbeit verwertbaren Daten konnte über

persönliche Gesprächen und Interviews mit österreichischen Tierärzten, die

maßgeblich an der Entwicklung der Veterinärakupunktur beteiligt waren, erfasst

werden. Dankenswerterweise stellten mir meine Interviewpartner nicht nur ihre

persönlichen Erinnerungen, sondern auch ihre Literatursammlungen und eigene

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Forschungsdokumentationen zur Verfügung.

Die Datenerfassung für diesen methodischen Zugang erfolgte weitgehend nach den

Regeln der Oral History, welche über so wenig wie möglich gelenkte Erzählungen

von Zeitzeugen eine wissenschaftlich betriebene Erfassung persönlicher

Lebenserfahrungen anstrebt. Der beabsichtigte Erkenntnisgewinn dient nicht so sehr

der Dokumentation vergangener Sachverhalte und Ereignisse als vielmehr der

Erfassung mentaler und kultureller Mechanismen, durch die in der Folge oft sehr

bedeutsame Entscheidungen ausgelöst und motiviert wurden (HENKE-

BOCKSCHATZ, 2006). Für die traditionelle Methode der Oral History lässt man die

Zeitzeugen frei erzählen, ohne wie bei einem klassischen Interview den

Interviewpartner durch Fragen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das Erzählte

wird mit einem Diktiergerät festgehalten und anschließend vom Historiker in Textform

übertragen. Auf Grund der unübersehbaren methodischen Schwierigkeiten in der

Datenerfassung, die vor allem auf der durch das Selbstbild des Erzählers geprägten

Färbung des Geschehnisablaufes beruhen (z. B. NIETHAMMER, 2009), wurden für

die vorliegende Studie, entsprechend modernerer methodischer Auffassungen, die

Zeitzeugen durchaus mit Fragen und Nachfragen konfrontiert.

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3. ERGEBNISSE

3.1. DIE WURZELN DER AKUPUNKTUR

Die Ursprünge der Akupunktur sind nicht eindeutig feststellbar, wurden aber lange

Zeit im antiken China vor etwa 3000 Jahren vermutet. Bisher war die Annahme

verbreitet, dass die Akupunktur im 17. Jh. über die Niederlande und Frankreich in

Deutschland und Österreich erstmals eingeführt wurde.

3.1.1. Ötzi – der Mann vom Hauslabjoch

Im Jahr 1991 wurde in Tirol ein Aufsehen erregender Fund gemacht, eine

Gletschermumie aus dem alpinen Chalkolithikum, die auf ein Alter von ca. 5300

Jahren datiert werden konnte. Der Mann vom Hauslabjoch, allgemein bekannt als

„Ötzi“ wurde nach der Bergung umfangreichen Untersuchungen unterzogen, bei

denen Tätowierungen an mehreren Körperstellen festgestellt wurden.

Insgesamt wurden 47 strichförmige Tätowierungen am Rücken, an den Armen und

an den Beinen entdeckt, die sich in 15 Gruppen zusammenfassen lassen. Einige der

Tätowierungen schienen keinen dekorativen Wert zu haben, da sie an Körperstellen

angebracht waren die normalerweise nicht zur Schau gestellt wurden und eine

simple, lineare und geometrische Form hatten.

Im Juni 1998 fiel dem Münchner Akupunkturarzt Frank Bahr auf, dass die

Tätowierungen des Eismanns zum größten Teil auf Hautarealen liegen, die in der

Akupunktur als Akupunkturpunkte oder -meridiane beschrieben werden. In einer

darauf folgenden Studie wurde anhand von Fotografien und exakter Lokalisierung

der Tätowierungen untersucht, ob eine Verbindung zwischen Akupunkturpunkten

und den an der Gletschermumie gefundenen Tätowierungen besteht (DORFER u.

MOSER, 1998,1999).

Die genaue Auswertung förderte Erstaunliches zu Tage: Von den 15

Tätowierungsgruppen liegen neun exakt auf bzw. weniger als 6 mm von einem

klassischen Akupunkturpunkt entfernt. Zwei weitere Gruppen liegen direkt auf einem

klassischen Meridian. Drei Tätowierungen sind 6 bis maximal 13 Millimeter vom

nächstgelegenen Akupunkturpunkt entfernt.

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Die tätowierten Areale liegen gleichzeitig in der Nähe bzw. auf klassischen

Akupunkturpunkten des Blasenmeridians.

Eine Strichgruppe liegt weder auf einem Meridian, noch auf einem bekannten

Akupunkturpunkt, befindet sich aber am rechten Sprunggelenk, in dem arthrotische

Veränderungen festgestellt wurden (Abb. 1). Es finden sich auch Tätowierungen

direkt über der Lendenwirbelsäule, die laut radiologischer Untersuchungen

arthrotische Veränderungen aufweist (Abb. 2).

Diese Lokalisationen entsprechen einer Stimulierung im Sinne einer locus dolendi

Akupunktur.

Auch die zweite Akupunkturstufe, die Anwendung von Fernpunkten, kann an der

Gletschermumie mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet werden: In der Akupunktur-

Literatur ist der Punkt "Blase 60" generell bei Schmerzen, vor allem im Bereich der

Hinterextremitäten anwendbar, lokal bei Tarsalgelenksschmerzen (MUELLER, 2011).

Genau im Bereich dieses Punktes liegt hinter dem linken Außenknöchel ein

tätowiertes Kreuz.

Sogar die komplexeste Stufe, die konstitutionelle Akupunktur, kann beim

Gletschermann möglicherweise angewendet worden sein: Zur Therapie von

tiefliegenden, arthrosebedingten Schmerzen, Knochen- und Gelenksveränderungen

und Beschwerden, die sich vor allem unter Kälteeinfluss verstärken, werden zwei

bestimmte Punkte angegeben. Die Punkte Blase 23 und Niere 7 wurden beim Mann

aus dem Eis exakt getroffen.

Auf Grund dieser Erkenntnisse kann durchaus angenommen werden, dass schon

3200 v. Chr. großes Wissen über die Akupunktur vorhanden war. Nicht nur die

einfachste Form der Akupunktur wurde praktiziert, sondern anscheinend auch die

konstitutionelle Form. Das Wissen darüber setzt jahrhundertelange Entwicklung und

Erfahrung voraus, was bedeuten würde, dass die Ursprünge der Akupunktur

wahrscheinlich noch viel weiter zurückreichen.

Nicht nur der Zeitpunkt der Anfänge der Akupunktur wird damit verschoben, sondern

auch der Ort der Entwicklung. Ob der Ursprung der Akupunktur ausschließlich im

fernen Osten liegt oder ob er weiter nach Europa verschoben werden muss, kann

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diskutiert werden. In jedem Fall wird der jungsteinzeitlichen mitteleuropäischen

Medizin durch diese Erkenntnisse ein wesentlich höherer Entwicklungsgrad

zuerkannt werden müssen als bisher angenommen (DORFER u. MOSER,

1998,1999).

Ein weiterer, weit zurückliegender Hinweis auf die Anfänge der Akupunktur

außerhalb Chinas stammt aus Ägypten.

3.1.2. Der Veterinärpapyrus Kahun LV.2

Der aus London stammende Ägyptologe Sir William Flinders Petrie (1853 – 1942)

wurde als Sohn eines Landvermessers und Ingenieurs geboren, der die Theorie

vertrat, dass Zoll und Fuß ursprünglich ägyptische Maßeinheiten waren. William

begleitete seinen Vater bei vielen seiner Projekte und entdeckte selbst sein Interesse

an der Ägyptologie. Bei seiner ersten Reise 1880 nach Ägypten widerlegte er durch

eine genaue Vermessung der Pyramiden von Gizeh die Theorie seines Vaters. In

den folgenden Jahren arbeitete Petrie überall in Ägypten, unter anderem auch in der

Arbeitersiedlung Medinet-Kahun bei El-Lahun (auch Lahun oder Kahun) (BARD,

1999).

Dort machte er in den Jahren 1888 und 1889 bei Ausgrabungen eine bedeutende

Entdeckung. Er fand zwei Dokumente, die später als der Medizin-Papyrus Kahun

VI.1 und der Veterinär-Papyrus Kahun LV.2 bekannt wurden.

Dieser Papyrus, auch Veterinärmedizinischer Papyrus von Kahun genannt, wird um

etwa 1800 v. Chr. datiert, er wurde also in der Zeit des Mittleren Reichs verfasst

(etwa 2137 bis 1781 v. Chr.). Nachweislich basiert er aber auf Vorlagen aus dem

Alten Reich (etwa 2707–2216 v. Chr.) und ist somit das älteste bekannte

veterinärmedizinische Literaturdokument der Menschheit.

Er ist zwar nur noch in Bruchstücken vorhanden und konnte bislang nicht vollständig

übersetzt werden, beinhaltet aber Reste eines Buches über Tierkrankheiten.

In dem Papyrus werden Fisch, Gans und Hund als Patienten erwähnt, am besten

erhalten und am ausführlichsten sind aber die Abschnitte über Rinderkrankheiten. Im

letzten Abschnitt wird zum Beispiel die Rinderseuche „uschau“ (Nagana) erwähnt

(Abb. 3) (WINKLE, 2003). Obwohl man nicht in der Lage ist, alle Krankheiten die der

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Papyrus abhandelt, exakt zu bestimmen, ist eine eindeutige Gliederung vorhanden.

Zunächst wird die Krankheit in einer Art Kurzdiagnose vorgestellt, danach werden die

Symptome beschrieben anhand derer man zu einer Diagnose gelangen kann. Als

Drittes erfolgt die Anweisung zur Therapie und zu guter Letzt folgt die

Prognosestellung.

Bemerkenswert an den therapeutischen Ansätzen ist, dass das Zufügen von

Schnitten an Nase und Schwanz erwähnt wird. Hierbei handelte es sich aber nicht

um einen Aderlass im herkömmlichen Sinne, sondern lediglich um das Ritzen ganz

bestimmter Hautpunkte aus denen dann einige Blutstropfen austraten. Diese

Behandlung könnte im Sinne eines Mikroaderlasses als eine Form der Akupunktur

betrachtet werden.

Auch das Eindrücken einer im Feuer erhitzten Tonscherbe an die Schläfe eines

erkrankten Rindes wird erwähnt. Dies könnte als Maßnahme zur Aktivierung der

Widerstandskraft gedeutet werden und könnte den gleichen Hintergrund haben wie

die Feuerakupunktur in der chinesischen Heilkunde, bei der die Akupunktur an

Tieren mittels einer glühenden Nadel (Feuernadel) durchgeführt wurde (PETERS u.

DRIESCH, 2003 u. WIKIPEDIA „Seite Medizinische Papyri aus Lahun“, 2011).

Auch FROEHNER (1934) beschreibt die Übersetzung der Anwendung von

glühenden Scherben: „…geschwollen ist und seine Augen zufallen, so lege um seine

Augen eine am Feuer erhitzte Scherbe, um die Triefäugigkeit zu vertreiben.“ Er gibt

aber an, dass Scherben vielfach als Träger von Zaubersprüchen und –formeln

verwendet wurden, was auch hier der Hintergrund gewesen sein könnte.

3.1.3. Eine tätowierte Mumie in Südperu

Einen weiteren Hinweis darauf, dass die Akupunktur schon sehr früh weit verbreitet

war liefern die Arbeiten von Maria Anna Pabst und ihren Kollegen an der

Medizinischen Universität Graz. Sie beschreibt darin eine 1000 Jahre alte Mumie, die

im Sand der Wüste bei Chiribaya Alta in Südperu gefunden wurde (MARCHANT,

2010; PABST et al., 2010). An dieser Mumie wurden zwei verschiedene Arten von

Tätowierungen gefunden. Die eine Gruppe, an Armen, Händen und am linken Bein,

beschreibt Pabst als dekorative Tätowierung, die Vögel, Affen, Reptilien und andere

Symbole zeigt (Abb. 4) Die zweite Gruppe befindet sich um den Nacken der Mumie,

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14

zeigt ein asymmetrisches Muster sich überschneidender Kreise und war wohl von

Haaren und Kleidung bedeckt (Abb. 5).

Die Tätowierungen wurden analysiert und Pabst entdeckte, dass für die Herstellung

verschiedene Ausgangsstoffe verwendet wurden. Für die Zeichen der ersten Gruppe

wurde vor allem Kohlenstoff (Ruß) eingesetzt. Bei den Zeichen der zweiten Gruppe

wurde allerdings ein ganz anderes Material verwendet – wahrscheinlich pyrolisiertes

Pflanzenmaterial (Pyrolyse: durch hohe Temperaturen bedingte thermo-chemische

Spaltung).

Das Bemerkenswerte an dieser Entdeckung ist, dass zum ersten Mal an ein und

derselben Mumie unterschiedliche Tätowierungsmethoden gefunden wurden.

Dies wird als starker Hinweis darauf angesehen, dass die verschiedenen

Tätowierungen aus unterschiedlichen Gründen angefertigt wurden. Pabst benützt in

diesem Zusammenhang folgende Formulierung: „If you use different materials, they

have different functions” (zit. nach MARCHANT, 2010).

Pabst und ihr Team glauben, dass die Zeichen im Nacken therapeutischen Zwecken

dienten, da sie nahe an chinesischen Akupunkturpunkten liegen, die einen

entspannenden und schmerzlindernden Effekt für den Nacken und den Kopfbereich

haben. Zusätzlich könnten die verwendeten Pflanzen einen medizinischen Zweck

gehabt haben (MARCHANT, 2010; PABST et al., 2010)

Diese historisch sehr interessanten Erkenntnisse ändern aber nichts an der

Tatsache, dass die Akupunktur im engeren Sinn außerhalb Chinas über sehr lange

Zeit nicht angewendet wurde und in Europa erst vor kurzer Zeit wieder zu einer

anerkannten Behandlungsmethode wurde.

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15

Abb. 2:

Tätowierungen im Bereich der

arthrotischen Lendenwirbelsäule

von „Ötzi – dem Mann vom

Hauslabjoch“. DORFER (2010)

Abb. 1:

Lokale Punkte in der Region des

arthrotischen rechten

Sprunggelenkes von „Ötzi – dem

Mann vom Hauslabjoch“. DORFER

(2010)

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Abb. 3:

Letzter Abschnitt des beschädigten Veterinärpapyrus-Kahun über die

Rinderseuche "uschau" (Nagana) aus dem 2. Jahrtausend v. Chr.

(WINKLE, 2003)

Abb. 4:

dekorative Tätowierungen an

Armen und Beinen einer Mumie

aus Südperu (MARCHANT, 2010)

Abb. 5:

Asymmetrische Muster im

Nacken einer Mumie aus

Südperu (MARCHANT, 2010)

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17

3. 2. VETERINÄRAKUPUNKTUR IN CHINA

3.2.1. Entwicklung in China

Die Angaben zur historischen Entwicklung der Akupunktur in China entsprechen,

soweit nicht anders zitiert, den Ausführungen von SCHOEN (2003).

Die Frühgeschichte der Akupunktur in der Veterinärmedizin ist vage, dennoch gibt es

interessante Spekulationen und Legenden darüber. Eine dieser Geschichten

berichtet darüber, dass im Krieg verletzte Pferde, nachdem sie an ganz bestimmten

Stellen von Pfeilen getroffen wurden, von bestimmten Leiden schneller geheilt

wurden. Diese Hypothese ist sehr spekulativ, erscheint aber immerhin vorstellbar.

Diese Beobachtungen sollen in weiterer Folge genauer erforscht worden sein, um

eine effizientere Form der Behandlung zu finden.

Es wird vermutet, dass schon im späten Neolithikum (3500–2800 v. Chr.) die ersten

Formen der Akupunktur auftraten. Es gab besondere zugespitzte Steinwerkzeuge,

bian, die vielleicht ursprünglich für eine primitive Form der Chirurgie verwendet

wurden, z.B. um Abszesse zu öffnen und den Eiter abfließen zu lassen. Auf diesem

Wege könnte festgestellt worden sein, dass der Einstich an ganz bestimmten

Punkten einen Effekt auf verschiedenste Krankheitsbilder hat (UNSCHULD, 1985).

Chinesische Medizinhistoriker betrachten den Arzt Bian que als den ersten

dokumentierten Akupunkturanwender, der im 6. vorchristlichen Jahrhundert eine

Form der Ein-Nadel-Akupunktur anwendete (POLLMANN, 2002).

In der Frühling-Herbst Periode (677-476 v.Chr.) der Zhou-Dynastie verfasste ein

Militärgeneral namens Sun-Yang (auch bekannt als Bai-le) den „Kanon der

Veterinärmedizin“. Es gibt Legenden, dass er sehr versiert in der

Akupunkturbehandlung von Tieren war und er gilt als Vater der chinesischen

Tiermedizin.

Der älteste bekannte schriftliche Hinweis und somit der Nachweis der Anwendung

von Akupunktur wurde während der Han-Dynastie (200 v. Chr. bis 200 n.Chr.)

verfasst. Das Huangdi Neijing war ein Grundlagentext der Humanmedizin mit

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Einfluss auf Veterinärakupunktur und Moxa-Therapie und liegt auch in deutscher

Übersetzung vor (Innerer Klassiker des Gelben Kaisers).

Dieses Werk besteht aus 81 Abhandlungen, die zu zwei Büchern zusammengefasst

wurden. Das Su Wen behandelte grundlegende Fragen zu Physiologie, Morphologie,

Pathologie, Diagnose und Prävention von Krankheiten. Das Ling Shu hingegen

beschreibt die klinischen Anwendungen von Akupunktur und Moxibustion und

beschäftigt sich mit der Lage der Akupunkturpunkte und der Meridiane.

Der Ursprung des Huangdi Neijing ist nicht vollkommen geklärt, es wird aber

angenommen, dass es sich um eine Sammlung von Texten von verschiedenen

Autoren handelt.

Fortschritte in der Metallurgie machten es zu dieser Zeit auch möglich, feine, dünne

Akupunkturnadeln aus Stahl herzustellen.

Nach der Zeit der Han-Dynastie (also nach 220 n. Chr.) entwickelten sich in China

zwei verschiedene Richtungen der Medizin. Die eine war vergleichbar mit der

westlichen Medizin, befasste sich mit Pharmakologie und hatte nur wenig Bezug zu

den traditionellen Theorien.

Die andere befasste sich mit den Theorien, die im Westen als traditionelle

chinesische Medizin bekannt sind.

Zwei weitere wichtige Werke aus der Han-Dynastie sind noch zu nennen, das eine ist

das Nan Jing, der „Klassiker der Problematik“. Darin werden die Theorien von

Meridianen und Punkten vorgestellt, sowie die Therapie mit Nadeln. Weiters werden

die Ätiologie und die Diagnose von Krankheiten kommentiert.

Das zweite ist das Shang Han Lun, der „Systematische Klassiker der Akupunktur und

Moxa-Therapie“ von Zhang Zhong-Jing. Dieses Werk ist zu einem der klinischen

Grundlagenwerke für die Pharmakologie im Bereich der klassischen chinesischen

Medizin geworden. Es enthält neben den pharmakologischen Aspekten Anleitungen

für die Akupunktur- und Moxatherapie und Hinweise auf die Kräuterheilkunde.

Etwa hundert Jahre später während der West-Jin-Dynastie (265-316 n. Chr.) wurde

das Zhenjiu Jiayi-Jing, der „Klassiker der Akupunktur und Moxa-Therapie“, von

Huang-Fu-Mi verfasst.

Aus diesem Werk stammt ein in Akupunkturkreisen häufig zitierter Satz (zit. nach

SCHOEN, 2003): „Ein guter Arzt behebt die Störung, bevor sich eine Erkrankung

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entwickelt hat, ein durchschnittlicher Arzt setzt Akupunktur ein bevor die Krankheit

ihren Höhepunkt erreicht hat und ein schlechter Arzt behandelt den Patienten wenn

die Krankheit bereits im Abklingen ist“.

Diese Worte illustrieren den hohen Stellenwert der Prophylaxe in der chinesischen

Medizin.

Der nächste äußerst wichtige Abschnitt für die Veterinärmedizin ist die T‘ang-

Dynastie (618-907 n. Chr.). Zu dieser Zeit erfolgte die Organisation der

medizinischen Ausbildung, 618 n. Chr. wurde das kaiserliche medizinische Kolleg

gegründet, dem folgte die Gründung von zahlreichen Universitäten und ähnlichen

Einrichtungen.

Es entwickelte sich eine ausgereifte tiermedizinische Behandlungsform, über die Li

Shi das Si-mu An-ji Ji, die „Sammlung von Pflege- und Behandlungsmethoden für

Pferde“, verfasste. Das Buch befasst sich mit 72 verschiedenen Krankheiten und gibt

Behandlungsmethoden mit Kräutern und Akupunktur, inklusive Diagrammen von

Akupunkturpunkten, an.

Während der Song-Dynastie (960-1279 n. Chr.) wurde der Hofarzt Wang Wie-Yi

damit beauftragt das Wissen über die Akupunktur und die Meridiane zu verifizieren

und zu überarbeiten. Er lokalisierte 359 Punkte entlang von 14 Meridianen und gab

für jeden der Punkte die Indikationen und die Nadeltiefe an. Er entwickelte ebenfalls

die Ausbildung der Akupunkturärzte weiter und entwickelte Methoden um ihr Können

und Wissen zu überprüfen.

In der Zeit der Ming Dynastie (1368 bis 1644 n. Chr.) lebten zwei Brüder, die als

Tierärzte berühmt waren. Während 60 Jahren schrieben sie ein Buch über die

Behandlung von Pferden mit dem Titel „Liaomaji“. Dieses große Lebenswerk stellt

eine Zusammenfassung der damaligen Veterinärmedizin in China dar und enthält

auch eine Darstellung von Meridianen in Form von Meridianpunkten (KOTHBAUER

u. MENG, 1983).

Den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichte die Akupunktur in China am Ende des 16.

Jahrhunderts. Forschung, Ausbildung, klinische Errungenschaften und Bearbeitung

und Kommentierung von früheren Werken waren zu dieser Zeit voll entwickelt.

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3.2.2. Verbreitung in andere Länder

Während der Zeit der T‘ang-Dynastie wurde das medizinische und

veterinärmedizinische Wissen aus China in andere Länder exportiert. Die

buddhistische Missionstätigkeit brachte die Einführung von Akupunktur in andere

Länder mit sich, da Texte über diese Behandlungsmethode nach Korea, Japan und

in Teile von Südostasien mitgebracht wurden.

Im 17. Jahrhundert kamen zahlreiche jesuitische Missionare aus Europa nach China.

Es kam zu einem Austausch des medizinischen Wissens, Berichte über Akupunktur

drangen bis nach Europa vor.

Die stärkste Verbreitung erlebte die chinesische Medizin aber im 19. Jahrhundert. Zu

dieser Zeit kamen zahlreiche Ärzte aus dem Westen und amerikanische

Missionsärzte an den Vertragshäfen der Ostindischen Kompanie ins Land, während

des Opiumkrieges (1839-1842) auch britische Militärärzte.

Ein wichtiges Ereignis für die Weiterentwicklung der Akupunktur war die Reise des

damaligen US Präsident Richard Nixon nach China im Jahr 1972. Er rückte nicht nur

die politische Lage, sondern auch die hoch entwickelten Wissenschaften des Landes

in den Blick der Weltöffentlichkeit. Er brachte das Wort Akupunktur mit und auch

Berichte darüber, unter anderem auch über Operationen an Menschen, die unter

reiner Akupunkturanalgesie durchgeführt wurden.

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3.3. VETERINÄRAKUPUNKTUR IN EUROPA VOR DEM 20. JAHRHUNDERT

3.3.1. Vor dem 17. Jahrhundert?

Schon in vorchristlicher Zeit bestand zwischen Europa und China eine Beziehung.

Ein Netz von Karawanenstrassen, die Seidenstrasse, verband schon im 2.

Jahrhundert vor Christus das Mittelmeer mit Ostasien (KOTHBAUER, 1992).

Eine Blütezeit erlebten die Seidenstraßen während der T’ang Dynastie (600 - 900 n.

Chr). In dieser Zeit erlebte auch die Pferdezucht in China einen markanten

Aufschwung und die erste Schule für Veterinärmedizin wurde gegründet. Es wurden

die Grundlagen der klassischen Akupunkturlehre, die Einteilung in Meridiane und die

Yin/Yang-Lehre entwickelt (PETERMANN, 2004).

Neben den Verbindungen über die Seidenstraßen und über andere Landwege waren

es auch die Schiffsrouten zwischen China und Indien (um 130 v. Chr.) und noch

früher Schiffsrouten zwischen Indien und Griechenland, über die Informationen und

Güter in den Mittelmeerraum gelangen konnten.

Gewiss nicht beweisbar, aber durchaus im Bereich der Möglichkeiten, ist es, dass

dadurch bestimmte Kenntnisse über Akupunktur bei Tieren auch bis nach Europa

verbreitet werden konnten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

Etwa vom 3. Jahrhundert n. Chr. an haben chinesische Hochseeschiffe Ceylon

erreicht und gewiss auch einiges Wissen über die Veterinärakupunktur vermittelt.

Wie aus einem ca. 500 n. Chr. datierten ceylonesischen Palmblatt-Akupunkturbuch

hervorgeht, war die Veterinärakupunktur zu dieser Zeit bereits in Ceylon (dem

heutigen Sri Lanka) bekannt. Bilder darin zeigen Menschen und auch Tiere mit

dargestellten Akupunkturpunkten (Abb. 6).

Wenn man davon ausgeht, dass wahrscheinlich erste Informationen über die

Akupunktur über den Mittelmeerraum nach Europa gelangten, ist es daher nicht

überraschend, dass bereits zur Zeit der Römer schriftliche Aufzeichnungen

existierten, die etwas mit Akupunktur zu tun gehabt haben könnten (KOTHBAUER u.

MENG, 1983).

In der freien Enzyklopädie Wikipedia wird zum Thema „ Römisch-chinesische

Beziehungen“ 2011 angegeben, dass die erste protokollierte Gesandtschaft,

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angeblich entweder vom römischen Kaiser Antoninus Pius oder von seinem

Nachfolger Mark Aurel entsandt, 166 n. Chr. China erreicht hat.

Es ist auch bekannt, dass um 226 n. Chr. eine offizielle römische Gesandtschaft

einen Kaiser der Shu-Dynastie in Nanking besucht hat (KOTHBAUER u. MENG,

1983).

Eines der ältesten erhaltenen römischen Tierheilkundebücher ist das X. Buch der

"Mulomedicina Chironis", welches um 400 nach Christi Geburt verfasst wurde.

Chiron war neben Pelagonius und Vegetius einer von drei wichtigen

tiermedizinischen Schriftstellern im römischen Westreich. Chiron, der Kentaur, galt

zwar von jeher als Vater der griechischen Rossarznei, seine Rolle als Schriftsteller ist

aber eher anzuzweifeln, deshalb ist wohl davon auszugehen, dass Chiron im Falle

der Mulomedicina ein Pseudonym war und der Autor selbst unbekannt bleibt

(SACKMANN, 1993).

In dem Buch werden Methoden beschrieben, bei denen an ganz bestimmten Zonen

ein Mikroaderlass zur Behandlung verschiedener Krankheiten bei Pferd und Rind

durchgeführt wird. In dem Buch werden Angaben zu Aderlassstellen an Nase, Zunge,

Unterlippe und zwischen den Ohren von Pferd und Rind gemacht, die uns bekannten

Akupunkturpunkten entsprechen (ENDERLE, 1975).

Die erste Erwähnung von chinesischer Medizin in westlicher Literatur stammt aus

dem 13. Jahrhundert. Der holländische Franziskanermönch und Forschungsreisende

William von Rubruck (1220 n. Chr. – 1293 n. Chr.) berichtet in seinem Reisebericht

auch über Akupunktur, die westliche Welt wurde sich dieser Behandlungsform aber

erst einige Jahrhunderte später bewusst (RAMEY u. BUELL, 2004).

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23

Abb. 6:

Akupunkturpunkte bei Tieren aus einem etwa 1500 Jahre alten

ceylonesischen Palmblatt – Akupunkturbuch (KOTHBAUER u. MENG, 1983)

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3.3.2. 17. Jahrhundert

Einen Hinweis auf die Anwendung von Akupunktur in der Tiermedizin zu dieser Zeit

geben Kupferstiche von Pferden, auf denen Aderlassstellen eingezeichnet wurden,

die sogenannten „Lassrösslein“ (Abb.7). Einige dieser Abbildungen geben genau an,

bei welcher Krankheit welcher Punkt zum Aderlass gewählt werden soll.

Bemerkenswert ist, dass diese Punkte zum Teil exakt mit den Punkten zur

Körperakupunktur beim Tier übereinstimmen (ZOHMANN u. DRAEHMPAEHL,

1998).

Abb. 7:

Lassrösslein mit 100 eingezeichneten Aderlassstellen,

Kupferstich um 1630 (PETERS u. DRIESCH, 2003)

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Die überwiegende Zahl dieser Aderlassstellen sind bei lokalen Krankheitsprozessen

zur Therapie genützt worden. Es handelt sich dabei vornehmlich um die einfache

Akupunktur, das sog. "Locus dolendi-Stechen", beim Pferd (KOTHBAUER u. MENG,

1983).

Die ersten genaueren Hinweise auf das Nadelstechen wurden in Europa bereits zu

Beginn des 17.ten Jahrhunderts durch die Berichte des portugiesischen

Forschungsreisenden Fernão Mendes Pinto (Abb. 8) publiziert (KOTHBAUER u.

MENG, 1983).

Fernão Mendes Pinto (1509-1583)

Der portugiesische Entdecker und Schriftsteller besuchte im Zuge

seiner Reisen den Mittleren und Fernen Osten, Äthiopien, das

Arabische Meer, Indien, Japan und China. Seine Reise begann im

Jahr 1537 und endete erst 21 Jahre später mit seiner Rückkehr

nach Portugal. In der posthumen Veröffentlichung seiner

Memoiren „Pilgerreise“ (Peregrinação) geht es zum einen um eine

geistige Reise, Religion, moralische Betrachtungen zum

Kolonialismus, Prüfungen und Mühen der Reise, aber auch um

detaillierte Berichte über das asiatische Leben (CATZ, 1991).

In seinen Reiseberichten wird auch die Anwendung von Akupunktur erwähnt, die er

auf seinen Reisen beobachtet hat (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

Jakob De Bondt (1592-1631)

Eine weitere sehr frühe schriftliche Erwähnung von Akupunktur in Europa stammt

von dem Holländer Jakob de Bondt. Er war als Arzt bei der ostindischen

Handelskompanie beschäftigt und berichtet über die Akupunkturlehre, die er in Japan

kennengelernt hat. Seine Aufzeichnungen, veröffentlicht 1658 unter dem Namen

„Historiae naturalis&mediacae indiae“, berichten auch schon über Indikationen und

die Art der Anwendung (BARNES, 2005).

Abb. 8: Fernão

Mendes Pinto

(WIKIPEDIA „Fernão

Mendes Pinto“, 2011)

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Placide Harvieu (1671-1746)

1671 übersetzte Harvieu, ein jesuitischer Mönch, eine Arbeit über Akupunktur

erstmals ins Französische, nachdem er aus Macao und Beijing nach Frankreich

zurückgekommen war.

Der Franzose schrieb das Buch: “The Secrets of Chinese Medicine and the Perfect

Knowledge of the Pulse, brought from China by a Respected Frenchman”

(SCHIPPERS, 1993).

Andreas Cleyer (1634 – 1697/98)

Der aus Kassel stammende Arzt der Niederländisch-Ostindischen Kompanie,

veröffentlichte zwischen 1680 und 1686 vier Schriften, die sich unter anderem mit der

Akupunktur befassen. Eine erhaltene Schrift lautet „Specimen medicinae sinicae,

(sive) opuscula medica ad mentem Sinesinum“ und stützt sich laut HUARD und

WONG (1968) auf das Huang-ti Nei-ching.

1682 publizierte Cleyer das lateinische Buch „De Pulsibus libri quatuor e Sinico

translati“. Dieses Buch ist eine Übersetzung des chinesischen Buches Mai-chüeh

und befasst sich mit der Pulsdiagnose der Ming-Zeit (UNSCHULD, 1989).

Besonders auffällig in den Werken von Cleyer ist, dass er versucht, chinesische

Begriffe in die lateinische Sprache zu übertragen, zum Beispiel gibt er das

chinesische Wort „Qi“ mit dem lateinischen Begriff „spiritus“ wieder (SCHIPPERS,

1993).

Willem ten Rhyne (1647-1700)

1683 n. Chr. publiziert Willem ten Rhyne (Abb. 9), ein holländischer

Arzt der bei der Ostindischen Handelkompanie tätig war, ein

lateinisches Buch mit dem Titel: „Dissertatio de Arthride: Mantissa

Schematica de Acupunctura“. Dieses Buch wurde in London und Haag

veröffentlicht, in mehreren Auflagen gedruckt und 1692 auch ins

Deutsche übersetzt (MICHEL, 1989).

Mit diesem Werk lieferte ten Rhyne die ausführlichsten und

wichtigsten Daten zum Beginn der europäischen

Akupunkturgeschichte. Er erwähnte als erster Europäer das Wort

Abb. 9:

Willem ten Rhyne

(WIKIPEDIA „Willem ten

Rhijne“, 2012)

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„acupunctura“. Bis zu diesem Zeitpunkt war Akupunktur nur umschrieben worden.

Außerdem enthält seine Arbeit Abbildungen von Akupunkturpunkten und

Meridianverläufen beim Menschen, sowie die Abbildung einer japanischen

Metallnadel und eines dazugehörigen Hämmerchens (Abb.10) (SCHIPPERS, 1993).

Das Buch enthält am Schluss zusammengefasste Auszüge, unter anderem auch

über die Akupunkturbehandlung unter dem Titel "Der Chinesen und Japaner Manier,

wie selbige alle Krankheiten durch das Moxa-Brennen und Guldene Nadel=Stechen

vollkommen curiren".

Ten Rhynes Meinung von der ostasiatischen Medizin geht aus folgendem

Originalzitat deutlich hervor: „Die Moxa ist bey denen Chinesen und Japanern nicht

alleine im Gebrauch, sondern auch das Stechen mit einer Nadel. Ihre Chirurgische

Curen geschehen mehrentheils vermittelst des Nadel=Stechens und Moxa=Brennen,

dann in diesen beyden bestehet beynahe ihre ganze Kunst.“ (zit. nach MICHEL,

1989).

Abb.10: Akupunkturhämmerchen und Nadel für die sogenannte

„Schlagnadelung“ aus Dissertatio de Arthride: Mantissa Schematica de

Acupunctura von Willem ten Rhyne (WIKIPEDIA „Willem ten Rhijne“, 2012)

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Engelbert Kämpfer (1651-1716)

Der deutsche Arzt war ebenfalls Mitglied der Niederländisch-Ostindischen Kompanie

und reiste unter anderem nach Ceylon, Japan und Siam. In seinem Reisebericht

zeigt Kämpfer Abbildungen von Akupunkturpunkten und Nadeln (SCHIPPERS,

1993).

Während seiner Reisen traf Kämpfer sowohl auf Andreas Cleyer als auch auf Willem

ten Rhyne. Es wäre verwunderlich wenn bei den Treffen der drei Ärzte nicht auch

über die östliche Heilkunde gesprochen worden wäre. Spätestens nach seiner

Rückkehr nach Europa las er ten Rhynes „Dissertatio de Arthride: Mantissa

Schematica de Acupunctura“ und benutzte das in diesem Buch geprägte Wort

„acupunctura“ für sein eigenes Werk „Curatio Colicae per Acupuncturam, Japonibus

usitata“ (MICHEL, 1983).

Informationen über Akupunktur bei Tieren sind in diesen frühen Berichten noch nicht

enthalten. Dies führte zu einer Verzögerung der Anwendung im Veterinärbereich und

später auch zu einer unqualifizierten Anwendung und einer Technik die mehr auf

Experimentierfreudigkeit als auf Wissen beruhte.

Weil keine Informationen aus erster Hand über die Akupunktur bei Tieren von China

nach Europa gelangten, konnten sich die ersten Anwender in der Veterinärmedizin

nur an den Berichten von Ten Rhyne beziehungsweise an den laienhaften

Versuchen ihrer damaligen europäischen Humankollegen orientieren (SCHIPPERS,

1993).

Im 17. Jahrhundert wurde die Akupunktur besonders in Frankreich für kurze Zeit

beliebt, geriet jedoch bald wieder in Vergessenheit, bis sie Anfang des 19.

Jahrhunderts von dem Pariser Arzt Dr. Louis Berlioz wieder aufgenommen wurde.

Zu diesem Zeitpunkt erfolgte auch schon eine Übertragung in die Tierheilkunde

(VOGEL, 1891).

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3.3.3. 19. Jahrhundert

Basierend auf den Arbeiten von M. Dujardin (1774) und Felix v. Vicq d’Azyr (1787)

begann Dr. L. Berlioz 1809 die Akupunktur in der Praxis anzuwenden und führte

auch zahlreiche klinische Versuche durch (HEMPEN, 2005). Er setzte die

Akupunktur in erster Linie zur Schmerztherapie ein, beobachtete aber auch schon

Allgemeinreaktionen. Aus diesen Versuchen resultierte 1810 die erste dokumentierte

Anwendung von Akupunktur in Europa, im Zuge der er an der Pariser Schule der

Medizin eine junge Frau behandelte, die an Bauchschmerzen litt. Die Pariser

Medizinische Gesellschaft beschreibt diese Art der Behandlung als „ziemlich

leichtsinnig“ („somewhat reckless“), Berlioz ließ sich aber nicht entmutigen und setzte

seine Bemühungen um die Akupunktur fort.

1823 wird Akupunktur in der ersten Ausgabe der Zeitschrift „The Lancet“, der ältesten

medizinischen Fachzeitschriften der Welt, erwähnt (BAI, 2009).

1824 übersetzte J. Wagner den Aufsatz "A Treatise on Acupuncturation" des

Engländers James M. Churchill ins Deutsche – die erste bekannte Veröffentlichung

zum Thema Akupunktur in unserer Sprache (HEMPEN, 2005).

1828 wird zum ersten Mal in England eine eigene Arbeit über Tierakupunktur in „The

Veterinarian“ veröffentlicht. In dem anonymen Bericht mit dem Titel „On

Acupuncturation in Veterinary Practice“ werden die Autoren Prevost, Bouley und

Chiley erwähnt und deren Versuche im Bereich der Veterinärakupunktur abgehandelt

(JANSSENS, 1981).

Der später erschienene Aufsatz des Genfer Tierarztes Charles PREVOST aus dem

Jahr 1833 ist eine deutschsprachige Übersetzung eines zuvor in französischer

Sprache verfassten Artikels, der bereits 1826 im „Journal Pratiqe de Médecine

Vétérinaire“ abgedruckt wurde und 1828 in „The Veterinarian“ Berücksichtigung fand

(SCHIPPERS, 1993).

Im Jahre 1836 schreibt ein französischer Tierarzt namens Flammens über die

Akupunkturbehandlung einer gelähmten Kuh (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

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Eine literarische Quelle aus dem späten 19. Jahrhundert stammt von Dr. Eduard

Vogel. In einer Neuauflage von "Hering`s Operationslehre für Tierärzte" beschreibt

der Deutsche 1891 die Akupunktur und Elektropunktur bei Tieren.

Vogel meint, dass durch Einstechen von Metallnadeln durch die Haut in die

unterliegenden Gebilde, insbesondere in die Muskulatur, zunächst nur ein

mechanischer Reiz ausgeübt wird. Dieser Reiz soll die kontraktilen Fasern und die

Nervenzellen anregen und lediglich der Anwesenheit eines fremden Körpers

zuzuschreiben sein. Galvanische oder chemische Reize fänden nach damaligen

neuesten Untersuchungen nicht statt. Außerdem soll die mechanische Wirkung nach

praktischen Erfahrungen sehr gering sein und nachdem sich das Gewebe schnell

daran gewöhnt hat auch schnell vorüber sein.

Anders schätzt er die Wirkung ein, wenn gleichzeitig mit den Akupunkturnadeln

stärkere Reizmittel eingeführt werden, wie zum Beispiel scharfe Stoffe oder ein

entsprechend starker elektrischer Strom. In ersterem Fall soll durch die Erzeugung

einer entzündlichen Reaktion mehr „Tätigkeit und Innervation“ hervorgerufen werden

können. Bei Verwendung von galvanischen Strömen sollen auch gewisse

Molekularveränderungen und eine chemische Zersetzung der Gewebssäfte oder

pathologischer Produkte stattfinden. Das soll dazu führen, dass infolge der direkt in

die erkrankten Organe geleiteten verstärkten Reize oder durch die erwähnten

elektrolytischen Vorgänge lähmungsartige Zustände zur Besserung oder Heilung

gelangen können. Die ersten Effekte der Behandlung sollen sich durch örtliche

Schwellung, Empfindlichkeit und pulsförmige Bewegungen der Muskulatur zwischen

den Nadeln zeigen.

Die Akupunkturnadeln beschreibt Vogel folgendermaßen (Abb.11): Sie bestehen aus

poliertem, ausgeglühtem Stahl und sind mit einem Knopf oder einem Ring

versehen. Sie müssen stark und spitz genug sein und werden daher in der Regel

lanzenförmig angeschliffen. Ihre Länge ist unterschiedlich und wechselt zwischen 5

und 15cm, die Dicke geht nicht über die einer normalen Stricknadel hinaus. Je nach

der räumlichen Ausdehnung des Leidens und dessen Intensität braucht man eine

größere Anzahl, häufig 30-50 Stück.

Das Einstechen in die Haut geschieht entweder mit der Hand oder, falls die Haut wie

besonders bei Rindern oder Hunden Schwierigkeiten bereitet, unter Zuhilfenahme

eines Holzes oder Hammers, wobei die Haut mit den Fingern angespannt wird. Vogel

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31

weist darauf hin, dass das Einbringen der Nadeln meist mit einer erheblichen

Beunruhigung der Tiere einhergeht und man sich deswegen in Acht nehmen sollte.

Als Applikationsort empfiehlt auch Vogel den Sitz des Leidens oder die nächste

Nähe. In erster Linie kommen Backen, Schulter, Rücken, Kruppe und Becken in

Frage, wo auch eine dickere Lage von Weichteilen vorhanden ist. Laut Vogel soll

auch das Einstechen in Gehirn, Herz, Lungen oder Arterien keine wesentlichen

Nachteile hervorrufen.

Die Nadeln sollen in geregelten Haufen oder Reihen beieinander positioniert werden

und voneinander Abstände von wenigen Zentimetern haben (VOGEL, 1891).

3.3.4. 19. Jahrhundert in Österreich

3.3.4.1. Anton Hayne (1786 – 1853)

Die erste schriftliche Erwähnung von Akupunktur in der Veterinärmedizin in

Österreich stammt aus dem Jahr 1833 (SCHREIBER, 2004). Der Verfasser war

Anton Hayne, ein angesehener Wissenschaftler und Veterinärmediziner in

Österreich. 1811 wurde er „Correpetitor“ am „Thierarzney-Institute“ in Wien und 1813

Professor der Tierheilkunde am Lyceum in Olmütz. 1820 war er in Laybach

Landestierarzt und im selben Jahr wurde er öffentlicher Professor der speziellen

Pathologie und Therapie am k. k. Thierarzney-Institut zu Wien (SCHIPPERS, 1993).

Er war bis 1852 als Lehrer und Forscher am Thierarzney-Institut in Wien tätig.

Während seiner dreißigjährigen Professur war Hayne stets auf der Suche nach

wissenschaftlicher Wahrheit, die in seiner Lehrtätigkeit und zahlreichen Publikationen

ihren Ausdruck fand. Als Wegbereiter wissenschaftlicher Tierheilkunde machte

Hayne Anfang der dreißiger Jahre Versuche an Pferden, um die therapeutische

Wirksamkeit der Akupunktur zu bestätigen (SCHREIBER, 2004).

Hayne veröffentlichte eine Vielzahl an Studien und Arbeiten, von denen mindestens

drei die Akupunktur behandelten bzw. erwähnten (SCHIPPERS, 1993).

1833 veröffentlicht Hayne die kurze Abhandlung „Bemerkungen und Erfahrungen

über Acupunktur in thierärztlicher Beziehung“, publiziert in: "Medizinische

Jahrbücher des K. k. Österreichischen Staates, im Jahre 1833" (HAYNE, 1833).

.

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32

In dieser Abhandlung gibt er an, dass die Vielzahl an positiven Berichten in den

humanmedizinischen Zeitschriften Anlass für ihn war, diese Heilmethode auch an

Tieren anzuwenden. Die Krankheitsformen, die sich seiner Meinung nach am

meisten zu eignen schienen, waren chronische Entzündungen. Dazu zählte er die

Schulter,- Bug,- Hüft- und Kreuzlähme, sowie mit Beschränkung auch den

Starrkrampf, sowie den so genannten Sehnenklapp (chronische Entzündung der

Beugesehnenscheide des Hufbeines) (SCHREIBER, 2004).

Als besonderen Vorteil der Akupunktur sieht er, dass diese Behandlungsweise keine

Spuren hinterlässt, die die betreffenden Tiere entstellen und dadurch mehr oder

weniger entwerten, selbst dann wenn keine günstigen Wirkungen eintreten. Das

steht im Gegensatz zu den damals für diese Krankheitsbilder angewandten

Behandlungsmethoden wie Revellentien, scharfen Einreibungen, Eiterbändern oder

Behandlungen mit glühenden Eisen.

Hayne gibt auch eine Anleitung zur Anwendung der Akupunkturnadeln. Zwei bis drei

Zoll (5,08cm – 7,6cm) lange, stählerne Nähnadeln sollen hinreichend tief

eingestochen werden und ein bis acht Tage nicht so sehr in als zunächst über dem

leidenden Teil stecken bleiben. Die Nadeln werden aus Vorsicht durch Fäden

verbunden, falls sie, wie es zuweilen der Fall ist, selbstständig tiefer eindringen. Die

dadurch mehr oder weniger heftigen entzündlichen Anschwellungen sollen in

günstigem Falle eine mehr oder weniger vollständige Heilung des zu bekämpfenden

Leidens zur Folge haben. Daraufhin werden die Nadeln an den zu einer Schlinge

verknüpften Fäden wieder herausgezogen. Für den Fall dass die Nadeln durch eine

eintretende Anschwellung herausgehoben werden, schreibt Hayne dass eine

neuerliche Applikation erforderlich ist, die aber durch die Unruhe des Tieres und den

Widerstand der Haut bzw. des Fleisches nur schwer erfolgen kann, was

entsprechende Nadelhalter notwendig macht.

Sonst lassen sich laut Hayne in Bezug auf Applikation der Nadeln noch keine Regeln

festsetzen. Die Tiefe, Anzahl, Größe, Form und Material der Nadeln, sowie an

welcher Stelle sie eingestochen werden sollen, müsse erst durch weiteren Gebrauch

ermittelt werden, wozu er an dieser Stelle auch ermuntert.

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33

Weiters warnt Hayne davor, diese Methode als Allheilmittel zu betrachten, weil dann

das Gute was es leistet übersehen werden könnte, oder die Methode ihren guten Ruf

verlieren könnte.

In weiterer Folge beschreibt Hayne einige der Fälle die er mit Akupunktur behandelt

hat, an erster Stelle steht hier die Erkrankung eines neun Jahre alten Reitpferdes an

Tetanus. Das Pferd zeigte eine vollständige Maulsperre, eine Pulsfrequenz von

60/min, eine Atemfrequenz von über 60/min, Starrheit und Unbeweglichkeit über der

gesamten Skelettmuskulatur, sowie Ängstlichkeit und Schweißausbruch. Da sonstige

denkbare Verfahren als unzureichend erachtet wurden, wurden Nadeln in Kau,- Hals-

und Rückenmuskulatur bis an die Knochen eingestochen und zwei Tage lang

stecken gelassen, worauf nach und nach eine Besserung der Symptome eintrat und

die Genesung zwar langsam, aber ohne den Gebrauch anderer Mittel eintrat. Diesen

Behandlungserfolg relativiert Hayne aber in den nächsten Zeilen, indem er

beschreibt, dass in anderen Tetanusfällen der Behandlungserfolg weniger günstig

war.

Ein anderer Fall betrifft ein auch heute noch schwer zu bekämpfendes Leiden, die so

genannte Kreuzlähme (Mal de Caderas, eine durch Trypanosoma equinum

ausgelöste Parasitose mit neurologischen Symptomen, typisch ist das Einknicken der

Hinterbeine). Hayne beschreibt, dass es durch Heilungsversuche wie etwa durch

scharfe Einreibungen, künstliche Geschwüre der Moxa oder durch Glüheisen nur

sehr wenige Teilerfolge, aber keinen Fall der vollständigen Heilung gab. Aus diesem

Grund wurde bei einem 15 Jahre alten Zugpferd, das in höherem Grad kreuzlahm

war, ein Versuch zur Heilung durch Akupunktur durchgeführt, und zwar auf folgende

Weise: Es wurden 2 ½ Zoll (6,35 cm) lange stählerne Nadeln zur Seite der

Processus spinosi der Lendenwirbel in etwa 2 Zoll (5cm) tief eingestochen und bis zu

zehn Tagen lang dort belassen. Daraufhin kam es an diesen Stellen zu

entzündlichen Anschwellungen und später teilweise auch zu Eiterung. Nach dieser

Behandlung wurde der Gang kräftiger, das Schwanken und die Empfindungslosigkeit

verschwanden zusehends. Vier bis fünf Wochen nach der Behandlung konnte ein

Mann ohne Probleme das Pferd reiten, wodurch es als wieder gesund eingestuft

wurde.

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Laut Hayne ist die positive Wirkung der Akupunktur noch deutlicher bei der so

genannten Schulter-, Bug- und Hüftlähme, sowie beim Sehnenklapp.

Hayne bemerkte, dass die Durchführung weiterer Versuchsreihen die Erweiterung

der Indikationen lehren werde. Die noch unbekannten Wirkmechanismen wurden den

„revellierenden Kräften“ oder vielleicht einem elektrisch-galvanischem Prozess

zugesprochen, wobei zukünftige Erfahrungen diese schon aufklären würden

(SCHREIBER, 2004).

Professor Kothbauer, einer der Begründer der modernen österreichischen

Veterinärakupunktur, bemerkte, dass Haynes „tastende Therapieversuche an

Pferden mit Bewegungsstörungen wahrscheinlich zu den ersten Anwendungen von

Akupunktur bei Tieren an einer öffentlichen Lehrstätte in Österreich zählten“

(KOTHBAUER, 1999).

Ebenfalls im Jahr 1833 wird von Hayne das Buch „Theoretisch-praktische

Darstellung der in der Tierheilkunde bewährten diätetischen pharmaceutischen und

chirurgischen Heilmittel“ veröffentlicht. In dem Kapitel „Nadelstiche (Acupunctura)“

beschreibt Hayne die Behandlung zweier Pferde gegen Starrkrampf und Hüft- bzw.

Kreuzlähme. Sehr interessant sind auch einige Bemerkungen Haynes zum Thema

Akupunktur, die seine Erkenntnisse und seine Erwartungen zum Thema Akupunktur

bei Tieren wiedergeben. Schon damals erkannte er das Problem, dass meist erst

nach Versagen der üblichen Therapien die Akupunktur als Therapiemöglichkeit in

Betracht gezogen wird, und deswegen oft keinen Heilungserfolg erreichen kann.

Dazu bemerkt er (zit. nach SCHREIBER, 1993): „… größtentheils machte man aber

damit dann erst einen Versuch, wo alle sonstigen Mittel nach langem und

wiederhohltem Gebrauche fruchtlos blieben; daher auch die Nadelstiche nicht viel,

auch gar nichts leisteten, allein deßwegen den Vorwurf, als ob sie nirgends etwas

leisten könnten, auch nicht verdienen, weil sonst dieses jedes der bekannten

Heilmittel treffen müßte.“

Auch seine Sympathie für China machte Hayne deutlich, obwohl er seine Kenntnisse

wohl nur aus zweiter Hand und nicht durch eigene Auslandsreisen erwarb (zit. nach

SCHREIBER, 1993): „Zwar möchte es bey näherer Überlegung scheinen, daß eine

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neue Verletzung des ohnehin beleidigten Gebildes das Leiden steigern müßte, und

nur in China so etwas Widersprechendes in Anwendung kommen könne: indessen

darf man dieses Verfahren in jenen Ländern nicht zu gering achten, weil viele, ja die

wichtigsten Erfindungen, die man den Europäern zuschreibt, angeblich schon seit

undenklichen Zeiten dort sollen bekannt gewesen seyn.“

Am Schluss seines Kapitels über Akupunktur finden sich Haynes Auswertungen

seiner Forschungen (zit. nach SCHREIBER, 1993): „ Dem Angeführten zufolge läßt

sich auch ohne Versuche über die Wirkung der Nadelstiche weder etwas

Entschiedenes für, noch dagegen sagen. Sollten aber mehrere Fälle des in Rede

stehenden Verfahren bey entzündlichen Affectionen der nervösen und musculösen

Parthien bestätigen, dann verdiente es in so ferne Vorzüge vor den Einreibungen,

Eiterbändern u.s.f., weil damit kein Haarverlust und keine Narben entstehen, die von

den meisten Thiereigenthümern oft zu ihrem Nachteil gescheut werden.“

Zusammenfassend bewertet Hayne die in seinen Publikationen von 1833

herausgebrachten Ergebnisse als sehr positiv und fordert zu weiteren Versuchen auf.

In der zweiten Auflage seines Buches „Handbuch der Zoo-Pathologie und

Therapie…“ von 1852 findet sich im Kapitel über Muskelerkrankungen auch ein

kurzer Absatz über die Akupunktur (SCHREIBER, 2004).

3.3.4.2. Dr. Leopold Forster

Eine andere historische Quelle ist eine Publikation von Dr. Leopold Forster aus dem

Jahr 1861. Er war Professor am k. k. Thierarzney-Institute in Wien und beschreibt in

einem Kapitel seines Buches "Thierärztliche Instrumenten- und Verbandlehre"

Akupunkturnadeln und ihre Anwendung (FORSTER, 1861).

Forster beschreibt die Anwendung der Akupunkturnadeln in folgender Weise: Die

Nadeln werden in die den erkrankten Partien zunächst gelegene Muskulatur

eingestochen, um reizend und demzufolge ableitend zu wirken. Die Nadeln besitzen

eine Länge von zwei bis vier Zoll (5,08-10,16cm), die Dicke einer mittelstarken

Stricknadel und sind mit einer sehr feinen Spitze versehen (Abb.12). An ihrem

stumpfen Ende tragen sie ein verschieden geformtes Köpfchen, entweder aus

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demselben Material wie das der Nadel, oder auch aus einem anderen Material.

Dieses Köpfchen soll das leichte Einstechen der Nadel ermöglichen und ist entweder

schraubenförmig, zylindrisch, prismatisch oder knopfförmig, erstere Form soll

besonders dann zweckmäßig sein, wenn man die Nadel nicht durch einen raschen

Druck einstechen, sondern sie durch Drehen zwischen den Fingern einführen will.

Um zu verhindern dass die Nadeln herunterfallen und zu einer Verletzung des Tieres

führen können, sind sie an ihren Köpfchen durchbohrt, wodurch man sie mit einem

Faden verbinden kann. Laut Forster ist das zweckmäßigste Material zur Herstellung

von Akupunkturnadeln reiner Stahl, da bei anderen Materialien wie etwa Gold, Silber

oder Platin sehr dicke Nadeln verwendet werden müssten, damit sich diese beim

Einstechen nicht verbiegen, außerdem wären andere Materialien zu kostspielig.

Für den Fall, dass keine speziellen Akupunkturnadeln zur Verfügung stehen, gibt

Forster noch den Rat gewöhnliche Nähnadeln zu verwenden oder die damals häufig

angefertigten Nadeln mit Glasköpfchen zu verwenden.

Auch über die für die Elektroakupunktur zu verwendenden Nadeln gibt Forster

Auskunft: Man solle Nadeln verwenden, die anstatt der Köpfchen Ringe besitzen, in

welche die Leitungsdrähte von einer Stromquelle eingehängt werden können. Als

Stromquelle empfiehlt Forster entweder ältere elektrische Apparate wie die

Elektrisiermaschine (erzeugt Reibungselektrizität), die Leydner Flasche (die älteste

Form eines Kondensators) oder die Volta’sche Säule (ein Vorläufer der heutigen

Batterien). Als zweckmäßiger sieht er aber neuere elektromagnetische Apparate wie

z.B. die Electromotoren von Neef, Wagner und Anderen, oder die magneto-

elektrischen Rotationsmaschinen von Ettingshausen, Hessler, Romershausen und

Anderen an.

Zur Anwendung der Nadeln bemerkt Forster, dass man sie durch raschen Druck oder

durch Drehen zwischen den Fingern in der Muskulatur versenken kann. Da nach

seiner Ansicht diese beiden Methoden aber wegen der Dicke und Derbheit der Haut

mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sind und die Tiere wegen der langen

Dauer einer solchen Operation unruhig werden, empfiehlt er die Nadel mit der linken

Hand senkrecht auf die Haut zu setzen und sie durch einen leichten Schlag mit

einem glatten Holz oder einem Aderlaßschlägel durch die Haut in die Weichteile zu

treiben. Ebenso kann man einen zwei Zoll (5,08 cm) langen Holz- oder Beingriff mit

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Metallhülse zur Aufnahme des Köpfchens der Nadel verwenden und mittels raschen

Druckes auf den Griff die Nadel einstoßen (FORSTER, 1861).

Obwohl sich im 19. Jahrhundert die Berichte über die Anwendung der Akupunktur

auch bei Tieren in Europa mehren, scheiterte auch dieser Annäherungsversuch der

westlichen Welt an diese Form der Behandlung.

Erst im Laufe des vergangenen Jahrhunderts konnte sich die Akupunktur außerhalb

des ostasiatischen Kulturkreises durchsetzen.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts erwacht das Interesse an dieser Methode erneut.

Hergeleitet von Erfolgen beim Menschen, werden auch Untersuchungen am Tier

begonnen (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

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Abb. 11: Akupunkturnadel nach Vogel

(VOGEL, 1891)

Abb. 12: Akupunkturnadeln nach

Forster (FORSTER, 1861)

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3.4. ENTWICKLUNG IM 20.JAHRHUNDERT – DER WEG NACH ÖSTERREICH

3.4.1. Georges Souliè de Morant (1887– 1955)

Der Erste, der eine umfassendere Abhandlung über die

Akupunktur verfasste, war der französische Diplomat und

Sinologe Georges Souliè de Morant (Abb. 13) (LOWN,

2007). Seine Arbeiten waren der bedeutungsvollste

Anstoß für die Entwicklung der Akupunktur im 20.

Jahrhundert in Europa.

Schon mit acht Jahren begann er von einem

jesuitischen Priester chinesisch zu lernen. Im Alter von 20 Jahren arbeitete er für

eine Bank und wurde 1899 nach China geschickt. Die nächsten zwei Jahrzehnte

arbeitete er für die französische diplomatische Abteilung in verschiedenen

chinesischen Städten.

Überzeugt von der Bedeutung der Akupunktur wurde er, als er die Effekte dieser

Behandlung während einer Choleraepidemie miterlebte. Er begann sich intensiv mit

der Lehre der Akupunktur zu beschäftigen (RAMEY u. BUELL, 2004), prägte das

Wort „Meridian“ und war der erste Europäer, der in China als Arzt der chinesischen

Medizin anerkannt wurde.

1917 kam er nach Frankreich zurück und begann dort, die Akupunktur in

verschiedenen Krankenhäusern einzusetzen (RUDOLPH, 2008).

Zusammen mit seinem Freund, dem homöopathisch tätigen Arzt Dr. Ferreyrolles,

befasste er sich ausführlich mit dieser Behandlungsmethode. Er publizierte darüber

1939 die ausführliche Abhandlung „L’Acupuncture Chinoise“ (RAMEY u. BUELL,

2004). Dieses Werk wird immer noch als eines der klassischen Werke über

Akupunktur betrachtet und wurde in verschiedene Sprachen übersetzt.

Morant behandelte und unterrichtete über 30 Jahre lang in verschiedenen

Krankenhäusern bis er, weil er kein Arzt war, der illegalen Ausübung der Heilkunde

angeklagt wurde.

Seine Werke und seine Schüler hatten einen enormen Einfluss auf die Akupunktur in

Europa (RUDOLPH, 2008).

Abb. 13: Georges Souliè de Morant

(WIKIPEDIA „ Georges Souliè de

Morant“, 2010)

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3.4.2. Dr. Franz Hübotter (1881-1967)

Ungefähr zur gleichen Zeit wie Morant, verfasste der deutsche Arzt und Sinologe Dr.

Franz Hübotter ein umfangreiches Buch über chinesische Medizin: „Chinesische

Medizin zu Beginn des XX. Jahrhunderts und ihr historischer Entwicklungsgang“

(HÜBOTTER, 1929).

Durch seine Reisen nach China besaß auch er ein umfangreiches Wissen über

Akupunktur, fand aber zur damaligen Zeit in Deutschland noch wenig Gehör. Sogar

in den 50er Jahren, in denen das Buch noch im Handel erhältlich war und die

Akupunktur sich in Deutschland stürmisch zu entwickeln begann, gab es nur wenige

die es gelesen, geschweige denn verstanden hatten. Damals beherrschte vor allem

die französische Lehre die Akupunkturszene. Hübotter bezieht sich ausschließlich

auf chinesische Quellen, die ihm durch seine Arbeit als Sinologe zur Verfügung

standen.

Das Buch enthält neben anderen Übersetzungen auch eine vollständige deutsche

Übersetzung des Nan Jing, des „Klassikers der Problematik“ aus der Han-Dynastie.

3.4.3. Dr. Roger de la Fuye (1890-1961)

Dr. Roger de la Fuye wurde zu einem Schüler von Georges Souliè de Morant, sein

Interesse an der Akupunktur erwachte aber zunächst weit weg von Frankreich.

Der Neffe des legendären französischen Schriftstellers Jules Verne unternahm schon

als junger Mann Bildungs- und Forschungsreisen um die halbe Welt. Eine seiner

Reisen verschaffte ihm einen ungewöhnlichen und sehr interessanten ersten Kontakt

zur Akupunktur. Während einer Fahrt nach Nordamerika zu den nordkanadischen

Stoney-Indianern, stieß er auf eine interessante Spur. Die Medizinmänner dieses

Stammes, der nah mit den Eskimos verwandt war, behandelten seine Kranken mit

Einstichen von Steinnadeln und Extrakten aus Heilpflanzen. De la Fuye kannte

damals die Akupunktur bereits vom Hörensagen und vermutete auf ein Relikt der

steinzeitlichen Form der chinesischen Akupunktur gestoßen zu sein. Möglicherweise

hatte die amerikanische Urbevölkerung diese Behandlungstechnik während der

Steinzeit über die Behringstrasse aus Ostasien mitgebracht.

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Daraufhin begann sich de la Fuye immer mehr mit der praktischen Anwendung von

Akupunktur zu befassen. Ihm zu Hilfe kam die Tatsache, dass sich Frankreich zu

dieser Zeit durch die Arbeit von Georges Souliè de Morant als erstes europäisches

Land intensiv mit der Akupunktur zu beschäftigen begann, und dieser Methode die

Tore öffnete.

Seine eigene Forschung setzte zu Beginn der dreißiger Jahre ein und machte ihn

zum überzeugten Akupunkteur (SEILER, 2002).

Er entwickelte die Homöosiniatrie, eine Lehre, die Akupunktur mit der klassischen

Homöopathie von Hahnemann verbindet. Bei homöosiniatrischen Verfahren werden

beispielsweise homöopathische Mittel an Akupunkturpunkten laut TCM gespritzt, was

zu Heilwirkungen führen soll, die über die jeweiligen Wirkungen von TCM und

Akupunktur im Sinne einer Synergie hinausgehen soll (WIKIPEDIA „Homöosiniatrie“,

2011).

1947 wird de la Fuyes Hauptwerk publiziert, das „Traité d’Acupuncture“ mit dem

Untertitel „La Synthèse de l’Acupuncture et de l’Homépathie“ (SEILER, 2002).

Während des 2. Weltkriegs wurde 1943 die französische Gesellschaft für Akupunktur

gegründet. Damit ist sie die älteste derartige Vereinigung der westlichen Welt. Paris

wurde deshalb für lange Jahre das Zentrum der westlichen Akupunktur

(KOTHBAUER, 1961).

1954 wurde an der Veterinärschule von Alfort die erste Dissertation über Akupunktur

verfasst:

Bernard J. 1954. Contribution a l’etude de l’acupuncture chez les carnivores. Doc.

Thesis, National Vet. Sch., Alfort, France. (SCHOEN, 2003).

Um 1950 begann sich der deutsche Arzt Gerhard Bachmann für Akupunktur zu

interessieren. Er erlernte die Anwendung dieser Behandlungsmethode in Frankreich

von de la Fuye. Er war der Wegbereiter der Akupunktur in Deutschland und gründete

1951 gemeinsam mit Heribert Schmidt, der ebenfalls ein Schüler von de la Fuye war,

und Erich Stiefvater die Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur (POLLMANN,

2002).

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3.5. ENTWICKLUNG IM 20.JAHRHUNDERT IN ÖSTERREICH

Einer der Schüler Bachmanns war der Wiener Johannes Bischko, er spielte in

weiterer Folge eine große Rolle bei der Entwicklung der Akupunktur in Österreich.

Zu dieser Zeit beginnt sich auch die Veterinärakupunktur rapide zu entwickeln. Eine

große Unterstützung bei der Einführung der Tierakupunktur in Österreich war die

Verbindung mit der Humanakupunktur durch Prof. Dr. J. Bischko, der sich zum

Vorteil beider Fachrichtungen sehr um eine Zusammenarbeit bemühte

(KOTHBAUER u. MENG, 1983).

3.5.1. Prof. Dr. J. Bischko (Abb. 14) (1922-2004)

Der Pionier der westlichen Akupunktur studierte in Wien Medizin

und legte die Prüfung zum Facharzt für Chirurgie ab. Anfang der

50er Jahre wurde er an der Chirurgischen Abteilung des Wiener St.

Rochus-Spitals zum Oberarzt ernannt und pflegte dort den Kontakt

zu anderen Ärzten, die durch ihre Erfahrungen auch aufgeschlossen

waren für Neuerungen in der Medizin.

Sie befassten sich deshalb neben ihrer chirurgischen Tätigkeit mit bis

dahin wenig bekannten und nicht anerkannten Therapiemethoden.

Zufällig ergab es sich zu dieser Zeit auch, dass Bischko eine italienische

Übersetzung von Souliè de Morant über die Akupunktur fand und sich damit

beschäftigte. Daraufhin unternahm er zahlreiche Reisen nach China, wo er sich

eingehend mit der Akupunktur beschäftigte. Bischko suchte nun auch Kontakt zu De

la Fuye in Paris und Bachmann in München, um sein Akupunkturwissen auf den

aktuellen Stand zu bringen.

Sein Zugang war aber nicht - wie damals üblich – der philosophische Hintergrund,

ihn interessierte viel mehr das „Warum“, „Wie“ und „Wodurch“

Er wurde somit zu einem wesentlichen Mitbegründer der wissenschaftlichen

Akupunktur: von Anfang an war er überzeugt, dass die Wirkung der Akupunktur mit

Abb. 14: Dr. J.

Bischko

(RICHART, 2010)

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schulmedizinischen Methoden erforschbar und erlernbar sei. Es ist ihm gelungen, die

uralte chinesische Heilmethode auf eine fundierte wissenschaftliche Basis zu stellen.

Dadurch wurde es ermöglicht, die Akupunktur aus dem Dunstkreis der

Alternativmedizin herauszuführen und in die heutige Schulmedizin als anerkannte

Methode zu integrieren.

Die neuere Entwicklung der Akupunktur in Österreich verlief daher anders als in den

meisten Ländern Europas. Sie war von Anfang an darauf ausgerichtet, möglichst

engen Kontakt mit der offiziellen Medizin zu halten und in Lehre und

Umgangssprache deren Ausdrucksweise zu benützen. Dies bedeutete, dass man

Vieles vom Gedankengut der Klassik dann zurückstellen musste, wenn

wissenschaftliche Erkenntnisse die alten Überlieferungen erklären konnten. In

diesem Sinne haben Bischko und alle anderen Mitarbeiter der Österreichischen

Akupunkturgesellschaft sehr bald den Kontakt zu universitären Einrichtungen

gesucht und gefunden. In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Erkenntnisse

erarbeitet, die auch entsprechend dokumentiert und veröffentlicht wurden (RICHART,

2010).

Johannes Bischko schuf durch die gezielte wissenschaftliche Aufarbeitung von

Befunden und Erfahrungen die dadurch geprägte Wiener Schule der Akupunktur.

Durch seine Bücher und Publikationen, sowie durch ausgedehnte Vortrags- und

Lehrtätigkeit erwarb er sich auch große Verdienste um die Aus- und Weiterbildung

von Studenten und Medizinern.

Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit führte er ab 1958 eine

Akupunkturambulanz in der von ihm eröffneten HNO-Abteilung der Wiener Poliklinik.

Bekannt wurde er einem breiten Publikum, als 1972 eine Mandeloperation in der

Wiener Poliklinik mit Akupunktur als örtlicher Betäubung ohne weitere Narkose im

Fernsehen übertragen wurde.

Für seine Arbeiten bekam er zahlreiche nationale und internationale

Auszeichnungen, unter anderem war er Träger des Ehrenkreuzes für Wissenschaft

und Kunst 1. Klasse.

Ihm zu Ehren wird auch die Johannes-Bischko-Medaille vergeben.

Im Jahr 1952 wurde die deutsche Gesellschaft für Akupunktur gegründet und im Jahr

1954 die österreichische Gesellschaft für Akupunktur. Der erste Präsident der

österreichischen Gesellschaft für Akupunktur war Bischko, er hatte diese

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verantwortungsvolle Position bis zum Jahre 1989 inne und war danach

Ehrenpräsident.

Im Jahr 2001 wurde im Kaiserin-Elisabeth-Spital das Ludwig-Boltzmann-Institut für

Akupunktur ins Leben gerufen, das 2005 auf Johannes-Bischko-Institut umbenannt

wurde und das von Bischko selbst bis zuletzt geleitet wurde.

Prof. Dr. med. Johannes Bischko hat sich auch stets für die Förderung der

Veterinärakupunktur eingesetzt. Durch seine Unterstützung wurde den Tierärzten

wertvolle Literatur zugänglich gemacht und wertvolle Kontakte vor allem mit

ausländischen Kontakten und Instituten ermöglicht. Die Basis für diese

Zusammenarbeit war ein jahrelanges freundschaftliches Verhältnis zwischen Bischko

und Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer. Diese Verbindung erwies sich als

maßgeblich für die Entwicklung der Veterinärakupunktur in Österreich (KOTHBAUER

u. MENG, 1983).

Ehe näher auf die Verdienste von Oswald Kothbauer um die Förderung der

Veterinärakupunktur in Österreich einzugehen sein wird, soll das Bild dieser

außergewöhnlichen Persönlichkeit mit den Worten von Johannes Bischko umrissen

werden (zit. nach KOTHBAUER u. MENG, 1983):

„Mein Freund Kothbauer war immer ein kritischer Geist, der sich mit dem ihm

eigenen listigen Lächeln alles anhörte (wir kennen uns in der Akupunktur seit gut 25

Jahren), genau bei seinen Tierpatienten zu Hause überprüfte und erst dann ja oder

nein dazu sagte.

Dies hat seine Begründung in seiner viel zu großen persönlichen Bescheidenheit.

Schließlich war er es, der als erster, sicher gegen viele Widerstände und ohne jedes

Salär dafür, nicht nur in unserem Land die Basisuntersuchungen für die

Veterinärakupunktur schuf. Heute zitiert er seine Schüler in extenso und in oben

genannter Bescheidenheit.

Schließlich war er es, der als erster im Westen, nach viel Vorarbeit und manchen

Schwierigkeiten, die Venia legendi im Bereich Akupunktur an der

Veterinärmedizinischen Universität Wien erhielt, ein Unikat, das im Bereiche der

Humanmedizin etwa von noch niemand erreicht wurde.

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Ein vir clarissimus reinsten Wassers, wie die verehrlichen Leser sich das nicht

vorstellen könne, auch nicht, wenn sie das Glück haben, bei und mit ihm zu arbeiten,

ein Pionier der ersten Stunde, ein Name, der in keinem Literaturverzeichnis je mehr

fehlen wird“.

Ich hatte das Glück Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer interviewen zu dürfen und

werde einiges davon in den nächsten Kapiteln wiedergeben.

3.5.2. Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer (geb.1926)

Oswald Kothbauer (Abb. 15) wurde in Wien geboren und ist in

Niederösterreich aufgewachsen. Sein Vater, der schon im

ersten Weltkrieg Militärtierarzt war, hatte in Großmugl in

Niederösterreich eine Tierarztpraxis. Später bekam er einen

Posten in der niederösterreichischen Landesregierung in

Matzen im Marchfeld. Diesen Posten hatte er einige Jahre lang

inne und Oswald Kothbauer verbrachte dort mit seinem Bruder

seine Kindheit.

1938 wurde der Vater nach Deutschland berufen, um dort auf die deutschen

Veterinärgesetze umgeschult zu werden. Die Jahre 1940 bis 1943 verbrachte die

Familie im Rheinland, wo Kothbauer auch das Gymnasium besuchte. Weil der Vater

aber immer nach Österreich zurück wollte, nahm er mit Kriegsende eine Stelle als

Amtstierarzt in Grieskirchen an. Durch seinen Vater waren für Kothbauer die Vor-

und Nachteile des Tierarztberufes bekannt und so war die Berufsentscheidung zum

Teil vorgegeben.

Nachdem Kothbauer in Ried im Innkreis die Matura abgelegt hatte, begann er das

Studium an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Während des Studiums

verbrachte er die Ferien in Grieskirchen und begleitete seinen Vater. So bekam er

einen guten Einblick in das Leben der Menschen und konnte die gute Beziehung

seines Vaters zu den Bauern miterleben. Schon damals bemerkte er, dass es noch

sehr schwierig war beim Tier konkrete Diagnosen zu stellen, man versuchte in erster

Abb. 15:

Dr. O. Kothbauer

(persönlich von Dr.

Kothbauer zur Verfügung

gestellt)

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46

Linie über die Befragung der Bauern (Anamnese) auf die Ursache der Erkrankung zu

schließen.

Nach seiner Promotion zum Doktor der Veterinärmedizin im Jahr 1952 nahm er seine

eigene tierärztliche Tätigkeit in Grieskirchen auf. Bald stellte sich der Wunsch ein, auf

die Fragen der Bauern und Tierbesitzer bessere Antworten geben zu können. Dieser

Wunsch stellte für Kothbauer den inneren Motivatonsschritt zum Interesse an der

Akupunktur und ihrer späteren Anwendung dar.

Zu dieser Zeit kam ihm zu Kenntnis, dass schon 1885 der englische Neurologe Sir

Henry Head (1861-1940) eine Beziehung zwischen der Haut und inneren Organen

gefunden hatte. Diese wurden später nach ihrem Entdecker Head’sche Zonen

genannt. Bei Erkrankungen der inneren Organe werden die Schmerzen über den

entsprechenden Spinalnerven übertragen, vom Großhirn aber (fälschlicherweise)

Hautgebieten, die vom gleichen Spinalnerv versorgt werden, zugeordnet. Wenn eine

Zuordnung der Hautnerven zu den Innenorganen bekannt ist, kann man laut Head

anhand der Lokalisation schmerzhafter Hautstellen angeben, welches innere Organ

erkrankt ist. Nach intensiver Befassung mit dieser Thematik reifte in Kothbauer der

Wunsch, diese Beziehung auch bei Tieren zu suchen.

Die Diagnose druckschmerzempfindlicher Hautpartien beim Tier stellte sich als

deutlich schwieriger heraus als beim Menschen, da die Kommunikation des

Schmerzempfindens vom Tier an den Untersucher naturgemäß sehr schwer zu

deuten ist. Trotzdem machte sich Kothbauer auf die Suche nach derartigen

druckschmerzhaften Punkten. Er begann bei Kühen, die für die Schlachtung

bestimmt waren, nach Symptomen zu suchen. Auf der Basis einer gründlichen

Allgemeindiagnose konnte er die ersten Verbindungen zwischen bestimmten

Hautarealen und erkrankten inneren Organen herstellen.

Der erste direkte Kontakt zur Akupunktur ergab sich anlässlich einer Visite bei einem

Bauern. Beim Betreten der Stube sah Kothbauer die Bäuerin auf einem Sessel

sitzen, an verschiedenen Körperstellen befanden sich Nadeln. Der Humanmediziner

Fritz Doppler erklärte Kothbauer, dass es sich hierbei um eine chinesische Methode

handelte, mit der man auch Heilungen erzielen könne.

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47

Dieses Erlebnis brachte Kothbauer auf die Idee, diese Methode auch bei Tieren

anzuwenden, was er seit 1956 in seiner Praxis dann auch umsetzte. Der Zufall wollte

es, dass sich zu dieser Zeit sein ehemaliger Anatomielehrer Prof. J. Schreiber, mit

dem er auch nach Abschluss seines Studiums in Kontakt verblieb, gerade mit der

Erforschung des Nervensystems bei Rindern unter besonderer Berücksichtigung der

Headschen Zonen befasste. Er beauftragte einen seiner Assistenten, den späteren

langjährigen Vorstand der Wiener Veterinäranatomie Prof. DDr. Oskar Schaller,

damit, das Hautnervensystem bei Rindern zu untersuchen. Nachdem die Haut

abpräpariert worden war, sodass man die Nerven sehen konnte, erkannte Kothbauer

eine Reihe von Punkten wieder, die er schon in seiner eigenen Forschung in der

Praxis als wichtig erkannt hat. Erkrankte Rinder hatten bei Berührung dieser Punkte

immer wieder eine gewisse Empfindlichkeit gezeigt. Diese wesentlichen Punkte

benannte er später als Schmerzpunkte.

Mangels geeigneter Unterlagen und Literaturangaben für einen gezielten Einsatz der

Akupunktur beim Tier gestaltete sich die gezielte Suche nach den wirksamen

Punkten zunächst äußerst schwierig. Besonders was die Therapie mit Akupunktur

betraf, war man auf die eigenen Erfahrungen am Tierpatienten angewiesen. Zudem

war eine Erforschung nach streng wissenschaftlich kontrollierten Kriterien noch nicht

möglich, weil die Suche nach Punkten vor allem in der Praxis ausgeübt wurde, ohne

die Möglichkeit, den Nachweis für das Wirken der Behandlung durch exakte

Nachuntersuchungen erbringen zu können. Außerdem waren die Interessen und

auch Möglichkeiten offizieller Forschungsstätten damals zu gering, um in eine

konsequente Forschung einzusteigen. Dennoch konnten wesentliche Ergebnisse in

der Praxis durch die Untersuchung der Patienten vor Ort dadurch erzielt werden,

dass klar definierte Akupunkturpunkte, die auf mechanischen Druck oder elektrische

Reizung mit Überempfindlichkeit und Schmerz reagieren, dokumentiert werden

konnten.

Dr. Kothbauer hat hunderte Krankengeschichten gesammelt. In Verbindung mit

schulmedizinischer Diagnostik konnte er feststellen, dass bei gleichen Erkrankungen

immer wieder auch die gleichen Punkte druckschmerzhaft waren. Er verglich diese

Punkte mit Akupunkturtafeln aus der Humanmedizin, da es zur damaligen Zeit für

Tiere noch nichts Vergleichbares gab.

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Um zu verifizieren ob die angenommene Haut-Organ Verbindung tatsächlich

bestand, wandte Kothbauer folgende Methode an: Wenn er bei einem

druckschmerzhaften Punkt den Verdacht hatte, dass die Erkrankung eines

bestimmten Organs die Ursache dafür war, wandte er eine konkrete

schulmedizinische Behandlung für dieses Organ an. Wenn daraufhin die Heilung

eintrat, konnte die Beziehung als bestätigt angesehen werden.

Zwei oder drei Jahre lang wandte er die „Kothbauerschen Punkte“ zu rein

diagnostischen Zwecken an, was den Schlüssel zu seiner späteren Tätigkeit

darstellte. 1959 begann er damit, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen und zog

damit die Aufmerksamkeit von Kollegen auf seine Arbeit (Abb.16).

In seinem ersten Artikel (KOTHBAUER, 1959) beschreibt er die von ihm gefundenen

kutanen Druckpunkte auch in Zusammenhang mit der Homöopathie. Der Ansatz für

seine Theorie war, in bestimmte Akupunkturpunkte Homöopathika zu injizieren um

dadurch die Wirksamkeit der Akupunktur zu erhöhen. Auf diese Weise könne man

nicht nur im Sinne der Neuraltherapie arbeiten, also das im Reflexbogen liegende

Organ entstören, sondern auch eine Wirkung auf den ganzen Organismus erzielen.

Zwei Jahre später beschreibt Kothbauer seine Druckpunktdiagnose noch genauer

(KOTHBAUER, 1961). Sein Ziel ist es, damit einen größeren Kreis von Kollegen für

diese Methode zu interessieren, die für ihn nach einer 4-jährigen

Beobachtungsperiode zu einem sehr genauen und hilfreichen Verfahren geworden

ist. Nach einer kurzen Einleitung erklärt er die theoretischen Grundlagen seines

Verfahrens. Er geht dabei auf die Head’schen und Mackenzie’schen Zonen ein und

erklärt den viscero-kutanen Reflex.

Danach beschreibt er die genaue Lage der Punkte bei Störungen der Ovarien und

des Uterus, beim Euterödem, bei Störungen des Magens, des Herzens, der Lunge,

der Leber und der Nieren.

Auch andere Tierärzte begannen sich immer mehr mit den von Kothbauer

gefundenen Punkten zu befassen.

Nach Ansicht von WOLTHER (1959) konnte die Richtigkeit der Ausführungen von

Kothbauer über seine diagnostischen Punkte bestätigt werden. Damit wäre der

Veterinärmedizin ein neuer diagnostischer Weg eröffnet worden, durch den über

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einen therapeutischen Schematismus hinweg eine individuell angepasste Therapie

betrieben werden könne.

Auch GREIFF (1975) befasst sich in einem Artikel über die Neuraltherapie mit den

Kothbauerschen Punkten.

Nach diesen Erfolgen würdigte auch Kothbauers ehemaliger Anatomieprofessor Dr.

Schreiber seine Arbeit mit folgenden Worten: „Es ist interessant, dass Wiener

Fachärzte in den letzten Tagen in der Tratschpresse („Bunte Illustrierte“) erzählen,

Sie hätten eine neue Therapie, die Segmenttherapie, eingeführt! Ich freue mich, dass

Sie, lieber Herr Kollege, die Idee der „Kothbauerschen Schmerzpunkte“ weiter

bearbeitet haben. Sie wird mit Ihnen auch eine Leistung der Wiener Schule werden.“

Inzwischen hatten sich auch Kothbauer und Prof. Dr. Johannes Bischko kennen

gelernt und eine bald von Freundschaft geprägte Zusammenarbeit entwickelt.

Bischko sprach darüber, dass Humanmedizinern immer wieder vorgeworfen werde,

dass die Wirkung der Akupunktur nur auf Einbildung oder Hypnose beruhe. Wenn

diese Methode aber auch bei Tieren funktioniere, dann könne man doch davon

ausgehen, dass durch Akupunktur tatsächlich Wirkungen erzielt werden.

In weiterer Folge führte Kothbauer dann eine Reihe klar abgegrenzter Versuche an

Tieren durch um die Akupunktur weiter zu entwickeln und zu erforschen. Zum

Beispiel setzte er einen Reiz an einem inneren Organ beim Rind, etwa am Uterus,

und konnte dann feststellen, dass in kürzester Zeit der zugehörige Punkt auf der

Haut auf Druck schmerzhaft wurde (KOTHBAUER, 1966). Da von diesem Zeitpunkt

an vom positiven Nachweis der Wirkung des viscero-cutanen Reflexes ausgegangen

werden konnte, wurden die Versuche systematisch fortgesetzt und die Ergebnisse

weiterhin publiziert.

Anlässlich einer Studienreise in die Volksrepublik China, 1975, erfolgte ein

Erfahrungsaustausch mit chinesischen Tierärzten, der weiteren Gewinn brachte. An

dieser Reise nahmen neben 18 Humanmedizinern auch noch der Kleintiermediziner

Dr. Ferdinand Brunner und Dr. Alexander Meng teil. Letzterer übersetzte mehrere

Werke der chinesischen Primärliteratur ins Deutsche.

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50

In China konnte Kothbauer auch beobachten, dass Operationen an Tieren unter

reiner Akupunkturanalgesie durchgeführt wurden. Daraufhin brachte er die dafür

benötigten Elektroakupunkturgeräte für Großtiere nach Österreich mit, Dr. Ferdinand

Brunner erwarb die entsprechenden Geräte für den Kleintierbereich.

Kothbauer war der erste westliche Tierarzt, der unter ausschließlicher Verwendung

von Akupunktur zur Schmerzkontrolle (Abb. 17, Abb. 18) Operationen wie

Zitzenamputationen und Kaiserschnitte bei Kühen durchführte. Somit konnte er

belegen, dass durch Akupunktur im behandelten Bereich eine auch für große

chirurgische Eingriffe ausreichende Hypalgesie zu erzielen war (KOTHBAUER, 1973

u. KOTHBAUER, 1975).

Sogar eine Laparatomie bei einer Labmagenverlagerung konnte Kothbauer unter

ausschließlicher Akupunkturanalgesie durchführen (KOTHBAUER u. ZOHMANN,

1990).

Durch die gute Beziehung die Kothbauer zu den Bauern und Tierbesitzern hatte,

konnte er seine Erkenntnisse auch ausführlich in der Praxis testen. Auf die Frage, ob

er eine neue Technik, die sie bis jetzt noch nicht gesehen hätten anwenden solle,

meinten die meisten Bauern dass „er ausprobieren kann was er will, solange es die

Kühe nicht umbringt.“

Bald darauf konnten die Bauern aber die positive Wirkung der Akupunktur selbst

erleben, was Kothbauer eine weitere Verbesserung seines Verhältnisses zu ihnen

einbrachte.

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Abb. 17: Durchführung einer Zitzenoperation unter Akupunkturanalgesie

(persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)

Abb. 16: Druckpunkte der linken Körperhälfte (KOTHBAUER, 1961)

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Abb. 18: Durchführung eines Kaiserschnitts unter Akupunkturanalgesie

(persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)

Abb.19: Anwendung eines Punktsuchgerätes (persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)

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Ein weiterer wichtiger Schritt für die Veterinärakupunktur war das erste Gerät zur

Auffindung von Akupunkturpunkten. Es wurde um 1970 von Ing. W. Kothbauer, dem

Bruder von Prof. O. Kothbauer entwickelt. Obwohl Kothbauer betont, dass es nach

einiger Übung des Untersuchers nicht mehr nötig ist ein solches Gerät zu

verwenden, kann es vor allem in den Anfängen des Studiums der Akupunktur sehr

hilfreich sein. Dieser „Schmerzpunktdetektor“ (Abb. 19) stellt ein elektrisches

Untersuchungsgerät zur Auffindung von kutanen Schmerzpunkten dar. Die

Wirkweise beruhte auf folgenden Grundsätzen: Normalerweise setzt die Haut dem

elektrischen Strom einen Widerstand von bestimmter Größe entgegen. An den

hyperalgetischen Punkten ist dieser Hautwiderstand herabgesetzt. Mit diesem Gerät

wird eine elektrische Spannung an der Haut angesetzt, die an unbeeinflussten

Hautstellen noch nicht bemerkt wird, an einer hyperalgetischen Hautstelle dagegen

bereits als elektrischer Reiz empfunden wird. Das Tier beantwortet diesen Reiz mit

einer typischen Schmerzreaktion und in Form einer Abwehrbewegung.

Die heute verwendeten Punktsuchgeräte arbeiten ebenfalls nach dem Grundprinzip

der Feststellung von veränderten Hautwiderständen an Akupunkturpunkten. Im

Unterschied zu dem von W. Kothbauer entwickelten Gerät wird der veränderte

Hautwiderstand aber von den modernen Geräten gemessen und mit einer

Signallampe oder einem Ton angezeigt.

Der damalige Rektor der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Dr. Rudolf

Supperer, regte Kothbauer dazu an, alle seine Erkenntnisse und Beobachtungen

niederzuschreiben. Die Zusammenfassung der Untersuchungen und gewonnenen

Erkenntnisse mit Akupunktur und Neuraltherapie bei Rindern mit Fertilitätsproblemen

zu einem Buch stellten auch die Grundlage für die spätere Habilitation von Kothbauer

dar.

Gegen einige Widerstände seitens der Universität konnte sich Kothbauer dennoch

mit Hilfe von Dr. K. Arbeiter, dem damaligen Vorstand der Klinik für Geburtshilfe,

Gynäkologie und Andrologie, durchsetzen. Mit seiner Habilitationsschrift „Die

Sterilität des Rindes: besondere Methoden ihrer Behandlung; Akupunktur und

Neuraltherapie zur Sterilitätsbehandlung beim Rind“, erhielt er 1978 die Venia

legendi für Akupunktur und Neuraltherapie in der Geburtshilfe, Gynäkologie und

Andrologie an der VUW.

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Daraus resultiert seit 1980 ein offizieller Lehrauftrag an dieser Universität, über den

Kothbauer seinen Studenten die Grundlagen der Akupunktur und Neuraltherapie

beim Rind vermittelt. 1992 wurde ihm ein zusätzlicher offizieller Lehrauftrag erteilt

und die praktische Ausbildung in Veterinärakupunktur für die Studenten übertragen.

1983 wurde ein weiteres Buch über die Akupunktur beim Rind und Schwein, mit

Beiträgen zum Pferd, veröffentlicht (KOTHBAUER u. MENG, 1983). Dieses Werk

liegt seit 1990 in zweiter Ausgabe vor und wurde auch ins Englische übersetzt.

Professor Kothbauer veröffentlichte mehr als 30 einschlägige wissenschaftliche

Arbeiten. Noch heute hält er seine Schüler dazu an ihre Erkenntnisse

niederzuschreiben und anderen davon zu erzählen. Auch wenn man seine

Beobachtungen noch nicht beweisen kann, sollte man doch andere daran teilhaben

lassen. Durch seine eigenen zahlreichen Publikationen gelangten seine Erkenntnisse

mit der Zeit bis nach Amerika. Er wurde nach Philadelphia eingeladen, um die von

ihm gefundenen Punkte und Zusammenhänge zu zeigen. Die anfängliche Skepsis

überwand er mit einer Demonstration, bei der er mit seiner Punktediagnostik an einer

Kuh die erkrankten Organe vor dem Publikum korrekt diagnostizierte.

In weiterer Folge hielt Kothbauer Vorträge in vielen Ländern und konnte sein Wissen

an sehr viele Menschen weitergeben (Abb. 20, Abb. 21).

Seine Vortragstätigkeit erstreckte sich besonders auf folgende Länder: Österreich,

Deutschland, Schweiz, Italien, Jugoslawien, Frankreich, Belgien, Dänemark, Holland,

Schweden, USA, Mexiko, Tschechoslowakei, Ungarn, Norwegen, China (Taiwan),

Australien und Brasilien.

Damit ist er zu einer internationalen Kapazität geworden und hat entscheidend zur

Bereicherung der Tiermedizin beigetragen.

.

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55

Abb. 20: Einladung zu einem Akupunkturseminar an der neuen Veterinäruniversität in Assiut, Ägypten, 1998 (persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)

Abb. 21: Über Einladung von Karl-Heinz Böhm - „Menschen für Menschen“ - wurde

im Anschluss an die Vorträge in Ägypten, 1998 ein Veterinärakupunktur-seminar in

Awassa am Awassasee, Äthiopien, für Tierärzte organisiert. (persönlich von Dr.

Kothbauer zur Verfügung gestellt)

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Im Jahr 1968 wurde Kothbauer die „Josef-Bayer-Medaille“ der Vet. Med. Universität

Wien für besondere wissenschaftliche Leistungen verliehen.

Mit Beschluss des Vorstandes der Landeskammer der Tierärzte Oberösterreichs vom

1. März 1984 erhielt er die Ehrennadel der Landeskammer der Tierärzte

Oberösterreichs.

Mit Beschluss der Oberösterreichischen Landesregierung vom 19. Oktober 1992

erfolgte seine Ernennung zum Konsulenten für Wissenschaft.

Im März 1995 verlieh ihm die Internationale Gesellschaft für Neuraltherapie nach

Huneke die „Huneke Medaille“, in Anerkennung der Verdienste um die

Grundlagenforschung und Verbreitung der Neuraltherapie nach Huneke.

1998 beschloss das Executive Committee der Internationalen Veterinärakupunktur-

Gesellschaft IVAS (International Veterinary Acupuncture Society) Dr. Kothbauer

aufgrund seiner hervorragenden Verdienste um die Veterinärakupunktur wie auch die

IVAS die Ehrenmitgliedschaft auf Lebenszeit zu verleihen.

Am 23.3.2007 wurde die Johannes Bischko Medaille für die Verdienste um die

Akupunktur an Professor Kothbauer verliehen.

Kothbauer war von 1986-1987 Präsident der Internationalen Gesellschaft für

Veterinärakupunktur (I.V.A.S.).

3.5.3. Prof. Dr. Josef Schreiber

Wie schon erwähnt hat auch Prof. Dr. Schreiber (Abb. 22) eine

wesentliche Rolle bei der Weiterentwicklung der

Veterinärakupunktur in Österreich gespielt.

Er wurde als Sohn eines Beamten in Wien geboren und begann

im Jahr 1908 mit dem Studium der Veterinärmedizin in Wien. Er

erhielt 1913 das Diplom eines Tierarztes und wurde noch im

selben Jahr summa cum laude zum Doctor medicinae veterinariae

promoviert.

Nach vielfältigen beruflichen und privaten Herausforderungen wurde Schreiber im

Jahr 1945 mit der Abhaltung der Vorlesungen, Übungen und Prüfungen aus

Systematischer und Topographischer Anatomie an der Tierärztlichen Hochschule in

Wien betraut.

Abb. 22:

Dr. Josef Schreiber

(SCHALLER, 1960)

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Nun folgte ein rascher Aufstieg in seiner wissenschaftlichen und akademischen

Laufbahn. Am 1.Februar 1951 wurde er zum ordentlichen Hochschulprofessor

ernannt. In den folgenden Jahren hatte er folgende hohe Funktionen inne:

Stipendienreferent, Rector magnificus, Prorektor und war seitdem Promotor der

Tierärztlichen Hochschule in Wien.

Er bewältigte schließlich die schwere Aufgabe, die keineswegs idealen Verhältnisse

nach dem zweiten Weltkrieg zu ordnen, und brachte die Hochschule wieder auf einen

hohen Stand.

Neben seiner Tätigkeit als Lehrer, in der er sich großer Beliebtheit erfreute, hat

Schreiber mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten wesentliche Beiträge auf vielen

Gebieten der Veterinäranatomie geleistet. Seine besondere Aufmerksamkeit wandte

er aber der Neuroanatomie zu. Da zu dieser Zeit für die Anatomie des Rindes noch

viele offene Fragen bestanden, stellte er in seinen eigenen Arbeiten wie auch in

denen seiner Mitarbeiter die Erforschung der anatomischen Besonderheiten dieser

Tierart in den Vordergrund. Insbesondere sind es eingehende und umfassende

Arbeiten über das periphere und das autonome Nervensystem des Rindes, zu deren

Erforschung sein Institut viel beigetragen hat (SCHALLER, 1960).

Zufällig ergab es sich, dass Schreiber 1954 einem Vortrag von seinem Kollegen Dr.

H.G. Kalchschmidt beiwohnte.

Schon im Jahr 1948 hatte Dr. H. G. Kalchschmidt über die sogenannte

Fremdkörperzone, eine Head’sche Zone beim Rind, berichtet.

Unter Head’schen Zonen versteht man Hautareale, in denen bei Erkrankung von

inneren Organen Hyperästhesie und Hyperalgesie (als viszerokutane Reflexe)

auftreten können und die in ihrer Ausdehnung dem Dermatom entsprechen, das aus

demselben spinalen Segment innerviert wird wie das erkrankte Organ. Ein Dermatom

ist das von einer Spinalnervenwurzel versorgte Hautsegment.

Zu dieser Zeit wurde in der Humanmedizin schon mehrfach das Auftreten von

Head’schen Zonen bei verschiedenen inneren Krankheiten beobachtet und

beschrieben. Sie wurden damals auch schon als diagnostische Hilfsmittel benutzt.

Die Beschreibung der Fremdkörperzone des Rindes als Head’sche Zone durch

Kalchschmidt, war die erste Beschreibung einer derartigen Struktur in der

Veterinärmedizin (KALCHSCHMIDT, 1948)

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Innerhalb dieser Head´schen Zone, die sich am kaudalen Ende des Widerristes

befindet und in verschiedenen Größen auftreten kann, liegen Akupunkturpunkte, die

in Verbindung mit der Vormagentätigkeit des Rindes stehen. Diese können bei der

häufig auftretenden Fremdkörpererkrankung des Rindes, bei der mit dem Futter

aufgenommene Fremdkörper Schäden im Netzmagen anrichten, als hyperalgetische

Punkte in Erscheinung treten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

Im Jahr 1954 erschien ein weiterer Artikel von Kalchschmidt, in dem er die

Bedeutung der von ihm beschriebenen Fremdkörperzone als diagnostisches

Hilfsmittel herausstreicht. Er geht darin davon aus, dass die von ihm beschriebene

Fremdkörperzone auf manuellen Reiz durch Berührung oder auch durch Aufheben

einer Hautfalte bei Erkrankung des Rindes deutlich schmerzhafter ist als beim

gesunden Tier. Er gibt an, dass die Beweisführung auf diesem Gebiet sehr schwierig

war und dass er erst nach mehrjährigen Untersuchungen an 2300 Rindern und

Überprüfungen durch die Fremdkörperoperation seine Behauptungen aufstellte.

Nach seinen Untersuchungen trifft er eine Einteilung in große Zonen bei frischen

Erkrankungen, mittlere Zonen bei Erkrankungen die schon einige Tage dauern und

kleine Zonen bei chronischen Erkrankungen (KALCHSCHMIDT, 1954).

Die Reaktionen der damaligen Tierarztkollegen waren gespalten, einige kritisierten

seine Methode (KALCHSCHMIDT, 1954). Dennoch ist der Test als „Probe nach

Kalchschmidt“ bekannt geworden und wird bis heute jedem Studenten an der

Veterinärmedizinischen Universität Wien gelehrt.

Der Vortrag von Dr. Kalchschmidt mit dem Titel „Eine Head’sche Zone als

diagnostisches Hilfsmittel bei der Fremdkörpererkrankung des Rindes“, gehalten am

1. Internationalen Fortbildungskurs der Wiener Tierärztlichen Hochschule (1954), rief

bei Prof. Dr. Schreiber großes Interesse hervor (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

Die Frage nach den Prinzipien, auf welchen eine Beziehung von inneren Organen

zur Haut beruhte, interessierte ihn als Anatomen naturgemäß ebenfalls.

In der auf den Vortrag von Dr. Kalchschmidt folgenden Diskussion berichtete Prof.

Dr. Schreiber, damals Ordinarius am Anatomischen Institut der Tierärztlichen

Hochschule in Wien, über die Arbeit an seinem Institut. Dort wurden schon seit

mehreren Jahren Untersuchungen über das Nervensystem des Rindes in

Zusammenhang mit der Dermatomeinteilung zu den Head’schen Zonen und den

Mackenzie’schen Zonen durchgeführt. Die Mackenzie’schen Zonen umfassen

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bestimmte Muskelgruppen in die bei Erkrankung von bestimmten Organen die vom

selben spinalen Segment innerviert werden Schmerzen projiziert werden.

Zum damaligen Zeitpunkt lagen also nur wenige Informationen über Tierakupunktur

vor, wohl aber über die Head’schen Zonen bei Mensch und Tier. Es wurde erkannt,

dass zwischen Körperorganen und sensiblen Zonen auf der Hautoberfläche ein

Zusammenhang besteht und sie in reflektorischer Verbindung zu krankhaft

veränderten oder anderweitig belasteten Innenorganen stehen können. Durch die

Arbeiten von Prof. Schreiber und seinen Schülern wurden in weiterer Sicht wichtige

Vorarbeiten für die topographische Bestimmung vieler Akupunkturpunkte, v.a. beim

Rind, geleistet. Die innerhalb der Head’schen Zonen liegenden Maximalpunkte mit

erhöhter Druckempfindlichkeit erwiesen sich als Akupunkturpunkte, die später als

SHU – Punkte (Zustimmungspunkte) und als MU-oder MO-Punkte (Alarmpunkte) bei

Tieren identifiziert werden konnten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

In einem 1954 von Dr. Schreiber verfassten Artikel, in dem er auf den Vortrag von

Kalchschmidt eingeht, wurde zum ersten Mal im 20.Jahrhundert das Wort

Akupunktur in Zusammenhang mit Veterinärmedizin verwendet.

Er beschreibt in seinem Artikel sehr anschaulich mit welchen Methoden damals die

Verbindungen der Nervenaustrittsstellen vom Rückenmark bis zu den Dermatomen

erforscht wurden.

Im Kleintierbereich wurde zum Beispiel die Sherringtonmethode durchgeführt: Dabei

wurden die Nervenwurzeln von drei Segmenten cranial und caudal des zu

untersuchenden Segmentes durchtrennt und danach die Sensibilität des mutmaßlich

zugehörigen Dermatoms überprüft.

Bei der Methode der Strychninvergiftung wurden einzelne Wurzeleintrittszonen mit

Strychnin injiziert und anschließend die Hyperalgesie in den entsprechenden

Dermatomen festgehalten.

Andere durchtrennten bestimmte Dorsalwurzeln, reizten anschließend den

peripheren Stumpf und beobachteten die Vasodilatation im entsprechenden

Hautinnervationsgebiet.

Diese Methoden konnten allerdings unter anderem aus pekuniären Gründen, wie

Schreiber angibt, beim Rind nicht angewandt werden. Er und seine Schüler wählten

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60

deshalb den mühsamen Weg der Feinpräparation jedes Neurotoms bis in die letzten

noch sichtbaren Verzweigungen in der Haut.

Der zweite Teil seiner Arbeit befasste sich mit der anatomischen Erforschung der

vegetativen Innervation der Eingeweide. Für diesen Teil der Forschung musste

wegen der zahlreich vorkommenden Variationen eine große Zahl von Rindern und

Kälbern untersucht werden.

Der dritte Arbeitsbereich gehörte der physiologischen Forschung. Ziel war, den

Einfluss des Viszerotoms (innere Organe) auf die Haut (Dermatom), die Gefäße

(Angiotom), Muskeln (Myotom), die Knochen (Slerotom) und die Nerven (Neurotom)

zu definieren.

Auf Grund dieser Zusammenhänge kann zum Beispiel durch viscerokutane und

kutiviscerale Reflexbögen die Erkrankung eines Organes (Viscerotom) über das

Rückenmark (Neurotom) zur Verspannung der zugehörigen Muskulatur (Myotom)

führen. Diese Verspannung kann über die Muskelansätze zu einem verstärkten Zug

am Periost (Sklerotom) mit Schmerzen und einem Gefäßspasmus (Angiotom) führen.

Durch die schlechte Blutversorgung kann es weiters zu Veränderungen an der Haut

(Dermatom) kommen.

Ein weiterer sehr interessanter Aspekt des Artikels betrifft die Entstehung der Idee

eines Punktsuchgerätes. Als Auslöser gibt Schreiber die Erkenntnis an, dass ein

Tierarzt ohne Aussage seiner Patienten zurechtkommen, und sich deswegen

objektiverer Methoden bedienen müsse. Schon damals glaubte er, dass dazu auch

die Beeinflussung der „sekundär elektromotorischen Erscheinungen der Haut“, also

die Änderung des Hautpotentials durch physische und psychische Erregung des

Körpers und einzelner seiner Organe geeignet ist. Mit Hilfe eines sogenannten

Dermatometers (ein empfindliches elektrisches Hautthermometer) konnte das

elektrische Potential an Hunden, Kaninchen und Kälbern festgestellt werden.

Schreiber regt an, dass in breit angelegten Studien zunächst die vegetative Tages-

Rhythmik dieses Potentials geklärt werden sollte, danach dann der Einfluss der

inneren Organe auf das elektrische Potential der Haut, wodurch die Vorgänge des

viscerokutanen Reflexes geklärt werden sollten.

Im Zusammenhang mit der Erforschung dieser Zusammenhänge machte sich

Schreiber auch Gedanken über den kutiviszeralen Reflex, also die Beeinflussung von

inneren Organen durch die Haut.

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61

Dazu Dr. Schreiber wörtlich zitiert: „Die praktische Anwendung dieser Phänomene

erfolgt in einer Form, die wir heutzutage bewusst als „Segmenttherapie“ bezeichnen

und die die Menschheit empirisch seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden betreibt.

Denn von der Akupunktur des neolithischen Menschen angefangen, über die

Brennkrautverwendung und das Glüheisen, über trockene und feuchte, warme und

kalte Kompressen, Einreibungen, Reizbehandlungen, Massagen bis zu zonal

ausgeführten, subkutanen Novocain- und Acetylcholininjektionen und

Luftinsufflationen, immer geschieht die dabei beabsichtigte Einwirkung auf die

erkrankten Innenorgane durch Erregung der metameren Innervation. So ist das

Studium der hyperalgetischen Zonen an unseren Haustieren sowohl als Diagnostik

als auch für die Therapie von großer Bedeutung“. (SCHREIBER, 1954).

Weitere Publikationen von Dr. Schreiber in den nächsten Jahren belegen seine

umfangreiche Forschungsarbeit auf diesem Gebiet, beispielsweise publizierte er eine

Arbeit über die Lageentwicklung der Extremitätendermatome des Rindes

(SCHREIBER, 1954), eine andere über die anatomischen Grundlagen der

Leitungsanästhesie beim Rind an Kopf-, Rumpf und Extremitätennerven.

Weil sich Schreiber bewusst war, wie wichtig die Erkenntnisse der anatomischen

Forschung für die Praxis der Akupunktur ist, leitete er einige seiner Schüler dazu an,

diese Gedanken weiter zu verfolgen.

Die Publikationen von Dr. Schreiber und die Dissertationen seiner Schüler an der

Vet. Med. Universität Wien bilden eine breite Datenbasis für die Lokalisation und

Bedeutung von Akupunkturpunkten beim Rind:

DAMBÖCK, A. (1955): Die Hautinnervation der Extremitäten des Rindes.

GIROLLA, W. (1955): Der Nervus phrenicus des Rindes. Seine Morphologie, Topik,

Innervations- und Funktionsaufgabe.

SCHALLER, O. (1956): Die periphere sensible Innervation der Haut am Rumpf des

Rindes.

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62

FREWEIN, J. (1963): Der Anteil des Sympathicus an der autonomen Innervation des

Rindermagens.

Die Untersuchungen von SCHALLER (1956) erweisen sich für die Praxis der

Akupunktur als besonders wertvoll. Die von ihm dargestellten Durchbruchstellen der

sensiblen Hautnerven unter die Haut haben sich später als sehr wirksame

Akupunkturpunkte, sowohl für die Therapie als auch für die Diagnostik erwiesen.

DAMBÖCK (1955) erwähnt, dass in neuester Zeit die Autonomfelder der Hautnerven

vermehrtes Interesse bei der Diagnose der Erkrankungen der Eingeweide gefunden

haben. Deshalb sei das Studium des viszerokutanen Reflexes, aber auch – zu

therapeutischen Zwecken – die Feststellung der kutiviszeralen Beziehungen von

zunehmender Bedeutung.

Auch die Untersuchungen von FREWEIN (1963) und GIROLLA (1955) trugen viel zur

Verifizierung von Akupunkturpunkten beim Rind bei

Etwa zur gleichen Zeit wie Prof. Dr. Kothbauer, der sich in erster Linie mit Nutztieren

beschäftigte, begann Dr. Ferdinand Brunner, sich neben seiner Kleintierordination in

Wien mit der Akupunktur bei diesen Tieren zu befassen.

3.5.4. Dr. Ferdinand Brunner (geb. 1928)

Nach dem Besuch des Realgymnasiums in St. Pölten und der

Absolvierung der Matura 1946, begann Dr. Brunner (Abb. 23) sein

Studium an der Tierärztlichen Hochschule in Wien im

Wintersemester 46/47. Wegen seines damals schon vorhandenen

Interesses an der Verhaltensforschung studierte er in den ersten 3

Semestern zusätzlich Philosophie mit dem Hauptfach Psychologie

als außerordentlicher Hörer an der Universität Wien.

Nach mehreren Unterbrechungen des Studiums aus finanziellen Nöten und

Tätigkeiten verschiedenster Art erreichte Brunner sein Tierärztliches Diplom 1957.

Parallel zu Assistenztätigkeiten und Urlaubsvertretungen in verschiedenen

tierärztlichen Praxen, verfasste er seine Dissertation zum Thema: „ Das Verhalten

des Hundes im Großstadtverkehr – eine verhaltenspsychologische Studie“ und

promovierte damit im Jahr 1958 zum Dr.med.vet.

Abb. 23:

Dr. Ferdinand Brunner

(BRUNNER, 1981)

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63

Im gleichen Jahr gründete Brunner eine eigene Kleintierpraxis in Wien, gleichzeitig

gründete er eine tierpsychologische Beratungsstelle und war bei der Fa. Asid in der

pharmazeutischen Entwicklungsabteilung beschäftigt.

Zu dieser Zeit erkrankte Dr. Brunner an einer Grippe, von der eine schwere Ischialgie

zurückblieb. Gegen die nahezu unerträglichen Schmerzen zeigten die damals

potentesten Schmerzmittel kaum eine Wirkung. Damals sah Dr. Brunner sich selbst

noch als eingefleischten Schulmediziner nach dem Motto: „was nicht evidenzbasiert

ist, gilt nicht“. Nachdem aber sowohl die Schulmedizin als auch die Homöopathie ihm

nicht helfen konnten, war er bereit, alles auszuprobieren was eventuell Linderung

versprach.

Damals wandte Dr. Bischko gerade in der Poliklinik Akupunkturbehandlungen und

Akupunkturanalgesie an und Dr. Brunner begab sich zu ihm in Behandlung. Nach der

vierten Sitzung zeigte sich ein durchschlagender Erfolg, die Schmerzen waren wie

weggeblasen und rezidivierten auch nicht. Nach dieser eigenen Erfahrung kam dem

Tierarzt Dr. Brunner natürlich der Gedanke, dass dieses Fachgebiet die

Veterinärmedizin bereichern könnte.

Er besuchte daraufhin etliche humanmedizinische Kurse und Dr. Bischko wurde sein

langjähriger Lehrer. Dr. Brunner begann allmählich die Akupunktur in die eigene

Praxis zu integrieren.

Ab diesem Zeitpunkt begann Dr. Brunner auch Literatur zu sammeln, unter anderem

bei einer Reise nach China, bei der Dr. Meng, ein Mitarbeiter von Dr. Bischko,

wertvolle Arbeit leistete indem er vom Chinesischen ins Deutsche übersetzte. Von

dieser Reise brachte Dr. Brunner auch ein Gerät zur Elektroakupunktur mit, das er

lange Zeit in der eigenen Praxis verwendete (Abb. 24).

Durch seinen kritischen Geist und sein Bemühen um evidenzbasierte Medizin

machte Dr. Brunner auf der einen Seite immer wieder Placeboversuche um

festzustellen ob die Akupunktur tatsächlich Erfolge brachte, auf der anderen Seite

befasste er sich auch mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Akupunktur.

Nach seinen eigenen Worten ist das Interesse der naturwissenschaftlich orientierten

klinischen Forschung an der Akupunktur erst durch die Erkenntnis möglich

geworden, dass ohne mystisches Beiwerk in Methode und Begründung für den

therapeutischen Effekt der Akupunktur in erster Linie der Reizort das Wichtigste zu

sein scheint. Es sei vornehmlich der Verdienst österreichischer Forscher sowie

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64

einiger Franzosen die sich um naturwissenschaftliche Grundlagen bemüht haben, in

einer Zeit, in der diese Lehre noch nicht als „schulmedizinisch hoffähig“ angesehen

wurde.

Haupteinsatzbereich in der eigenen Praxis waren zu Beginn neurologische Fälle, weil

bei diesen Fällen die Besitzer auch bereit waren, ihre Tiere öfter und über längere

Zeit behandeln zu lassen.

Bei etwa der Hälfte von Hunden mit Querschnittlähmungen und Wurzelneuritiden, die

von der Universität als aussichtslos aufgegeben wurden, erzielte Dr. Brunner Erfolge.

Um sicher zu sein, dass die Heilung tatsächlich auf die Behandlung zurückzuführen

war, nadelte Dr. Brunner immer wieder auch nur Placebopunkte. Er wies seine

Schüler häufig darauf hin, dass bei Hunden zwar der Suggestiveffekt kaum

vorhanden ist, man sich durch Autosuggestion aber durchaus selbst einen

Behandlungserfolg vortäuschen kann.

Durch diese kritische Haltung trug Dr. Brunner beträchtlich dazu bei, die Akupunktur

bei Tieren zu einem ernstzunehmenden Teil der Veterinärmedizin zu machen.

Gleich von Beginn an setzte Dr. Brunner die Akupunktur aber auch ein, um durch

Steigerung der Atemfrequenz die Aufwachphase nach Narkosen zu verkürzen, um in

der Geburtshilfe die Wehentätigkeit anzuregen oder auch um bei Schildkröten

Verstopfungen und Durchfall zu behandeln.

In weiterer Folge veröffentlichte Dr. Brunner eine Vielzahl von eigenen

Forschungsergebnissen in Fachzeitschriften, unter anderem Folgende:

BRUNNER, F. (1963): Die Behandlung schmerzhafter Wirbelsäulen-Erkrankungen

mit Akupunktur und Aurikulo-Therapie. D. prakt. Tierarzt 60, 1100.

BRUNNER, F. (1963): Praxisberichte über Procaintherapie in der Tierheilkunde.

Asis-Mitteilg.f. Tierärzte.

BRUNNER, F. (1975): Die Anwendung der Akupunktur zur Analgesie in der

chinesischen Veterinärchirurgie. Wien Tierärztl Monat – Vet Med Austria 62, 392-

394.

BRUNNER, F. (1976a): Akupunktur in der Hundeklinik. Kleint.-Prax. 21, 182.

BRUNNER, F. (1976b): Akupunkturanalgesie in der Veterinärmedizin. Tierärztl. Prax.

4, 387.

BRUNNER, F. (1978): Akupunktur bei Kleintieren. Wien Tierärztl Monat – Vet Med

Austria 65, 334.

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BRUNNER, F. (1980a): Akupunktur und Aurikulotherapie als Alternative zu bisher

üblichen Behandlungsmethoden in der Kleintierpraxis. Wien Tierärztl Monat – Vet

Med Austria 67, 236.

Zu Beginn seines Interesses an der Akupunktur stellte Dr. Brunner fest, dass die

Informationen, die den tierärztlichen Sektor betrafen sehr verstreut und schwer

zugänglich sind. Es war sehr schwierig, mit einem sinnvollen Zeitaufwand zu einem

praktisch verwertbaren Überblick zu kommen.

Um diesem Mangel abzuhelfen und interessierten Kollegen den Einstieg in dieses

fesselnde und zukunftsträchtige Gebiet zu ermöglichen, schrieb er, durch Dr.

Kothbauer ermutigt, ein Buch mit dem Titel: Akupunktur für Tierärzte-Akupunktur der

Kleintiere (BRUNNER, 1980b).

In diesem Buch erklärt er im allgemeinen Teil die wichtigsten, in der Akupunktur

üblichen Fachausdrücke, erläutert die Wirkungsbasis der Akupunktur und informiert

allgemein über Hilfsmittel und Anwendungstechnik.

Im speziellen Teil folgen dann genaue Beschreibungen der Punktlokalisationen und

der Punktauswahl nach klinischen Indikationen.

Unterstützt durch die anatomische Zeichnerin Frau B. Bammer fertigte er auch

genaue Zeichnungen mit Angabe der Punkte an (Abb. 25).

In diesem Buch geht Dr. Brunner speziell auf die Belange bei Kleintieren inklusive

Geflügel ein und weist darauf hin dass die Kollegen Westermayer im Pferdebereich

und Kothbauer im Bereich der Nutztiere an umfangreichen Werken arbeiten.

Dr. Brunner wurde Fachtierarzt für Kleintiere und Fachtierarzt für Akupunktur und

Neuraltherapie und wirkte in diesem Bereich auch als Mitglied der

Fachtierarztprüfungskomission.

Er betreute auch andere Tierärzte während ihrer Dissertation, von denen einer Dr.

Andreas Zohmann war, der sich in seiner Arbeit mit der Ohrakupunktur befasste.

Gemeinsam mit Prof. Dr. H. E. König und Dr. Artmeier entwarfen Brunner und

Zohmann eine Ohrkarte für die Ohrakupunkturpunkte bei Hunden. Um bei ihren

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Vorträgen den Hörern zeigen zu können, wo sich die Punkte tatsächlich befinden,

fertigten sie selbst Abdrücke von Hundeohren an und markierten die Punkte.

In den letzten 12 Jahren beschäftigte sich Dr. Brunner mit der Magnetfeldtherapie,

ein Gebiet der Medizin, das vielleicht heute so unterschätzt wird wie die Akupunktur

zu Beginn der beruflichen Tätigkeit von Dr. Brunner.

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Abb. 25: Akupunkturpunkte des Hundes (BRUNNER, 1980b)

Abb. 24: Schaltbild eines chinesischen Elektroakupunkturgerätes

(BRUNNER, 1980b)

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3.5.5. Dr. Andreas Zohmann

Den ersten Kontakt zur Akupunktur hatte Zohmann schon während seines

Veterinärmedizinstudiums. Bei einem Abendessen mit einem Bekannten, der als

Geologe oft in China unterwegs war, kam zufällig das Gespräch auf die medizinische

Behandlung in China. Dort hatte dieser Geologe die Akupunktur am Menschen

beobachten können und stellte nun die Frage, ob man Akupunktur nicht auch

am Tier anwenden könne und dass das ja ein interessantes Dissertationsthema

wäre.

Ein weiteres Ereignis, das trotz seiner Trivialität in Zohmanns Erinnerung einen

wichtigen Platz einnimmt, ereignete sich während seines Studiums im ersten

Semester. Während einer Fahrt mit der Straßenbahn las ein Freund in einer

Tageszeitung einen Artikel über einen Tierarzt namens Kothbauer, der Akupunktur

an Tieren durchführen sollte. Damals amüsierten sich beide über den ihrer Meinung

nach recht witzigen Namen, ohne zu ahnen, welche Rolle Prof. Kothbauer und Dr.

Zohmann einmal für die Akupunktur spielen sollten.

Nach seiner Heirat und der Übersiedlung seiner Familie nach Wien, entschloss sich

Zohmann als Demonstrator am Institut für Anatomie zu arbeiten. Bei der ersten

Institutskonferenz wurden von Prof. Schaller einige Dissertationsthemen vergeben,

eines davon wurde von Dr. Ferdinand Brunner vorgeschlagen und handelte von

Ohrakupunktur und deren Funktionsmechanismen. Dieses Gebiet der Akupunktur

war noch sehr jung, zum ersten Mal wies der Franzose Nogier im Jahr 1956 bei

einem Vortrag auf einem Kongress auf die Beziehungen verschiedener Körperzonen

zur Ohrmuschel hin und prägte den Begriff der „Auriculotherapie“.

Zohmann erinnerte sich zu diesem Zeitpunkt wieder an sein Gespräch mit dem

befreundeten Geologen, bekundete Interesse an diesem Thema und begann 1978

an seiner Dissertation über die Funktionsmechanismen der Ohrakupunktur zu

arbeiten.

Bis zu seiner Sponsion 1984 war Zohmann als freier Mitarbeiter am Institut für

Anatomie beschäftigt und hielt dort unter anderem Intensivkurse über die Anatomie

des Zentralen Nervensystems ab. Während dieser Zeit arbeitete er schon intensiv an

dem Thema Ohrakupunktur:

1985 wurde Dr. Zohmann bei der Fa. Gebro (ein pharmazeutischer Betrieb in

Fieberbrunn/Tirol) wissenschaftlicher Betreuer der Fachgebiete Neuraltherapie,

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Lokalanästhesie, medikamentöse Schmerztherapie, Osteoporose, präoperative

Hautdesinfektion, Ein- und Durchschlafstörungen. In diesen Bereichen wirkte er bei

der Erstellung von wissenschaftlichen Unterlagen, Schulungen des Außendienstes

und bei Vorträgen für Ärzte und Apotheker mit.

1987 wurde von R. Pellegrini, H. Schmitz und A. Zohmann als verantwortlichem

Autor das Buch „Schmerzbehandlung mit Xyloneural®“ veröffentlicht. Xyloneural ist

ein Lidocain Präparat das in der Neuraltherapie verwendet wird (PELLEGRINI et al.,

1996).

Zu dieser Zeit begann Zohmann auch bei den Vorlesungen von Prof. Dr. Kothbauer

an der VUW als freiwilliger Mitarbeiter mitzuwirken.

1989 promovierte er mit seiner Arbeit „Die Blockade des Ganglion cervicothoracicum

(stellatum) beim Hund zur Untersuchung der Beteiligung des sympathischen

Nervensystems an der Projektion eines gereizten Organes in die Ohrmuschel“ zum

Dr.med.vet. (ZOHMANN, 1989).

Zohmann hatte erkannt, dass der Umstand des hohen Alters der Akupunktur, ihrer

Einfachheit und der Umstand, dass ihre Dokumentation lange Zeit zur Gänze auf

Erfahrungsberichten basierte, diese Therapieform mit dem Fluidum der Mystik und

Unseriosität umgaben. Diagnostische und therapeutische Methoden müssen, um

heute anerkannt zu werden, mittels anerkannter wissenschaftlicher Verfahren

untersucht und erklärbar oder wenigstens interpretierbar sein.

In diesem Zusammenhang stellte er sich zur Aufgabe, die Projektion eines

experimentell gereizten Organs in die Ohrmuschel zu verifizieren. Anschließend

wurde untersucht, ob die reversible Unterbrechung einer Sympathicus-Schaltstelle

(Blockade) zwischen Reiz- und Projektionsort Hinweise auf eine etwaige Beteiligung

des Vegetativums an somatotopisch wirkenden Informationsmechanismen geben

kann.

Aufbauend auf die verifizierte Tatsache, dass die Reizung einer Region (Ellenbogen)

eine umschriebene Erniedrigung des Hautwiederstandes an einer bestimmten Stelle

der Ohrmuschel („Ellenbogenpunkt“) nach sich zieht, etablierte er also folgende

Arbeitshypothese: Bei einer Beteiligung des sympathischen Nervensystems an den

Projektionsmechanismen der Ohrakupunktur müsste eine Unterbrechung der

Verbindung des Sympathikus zwischen einem gereizten Organ (Ellenbogen) und der

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Ohrmuschel einen Einfluss auf dieses Phänomen („Ellenbogenpunkt“ Abb. 26)

haben.

Seit 1978 gab es die unterschiedlichsten Darstellungen von Ohrmuscheln mit

markierten Projektionspunkten innerer Organe sowie des Bewegungsapparates.

Teilweise fielen diese Darstellungen sehr dürftig aus, oft fehlte sogar die

Beschreibung, auf welche Tierart sich die Kartographien bezogen. Aufgrund der

Angaben dieser Darstellungen wurde der Ellbogenpunkt ausgewählt, da er als

Ausnahme relativ frei von benachbarten Punkten im oberen Teil der Innenseite der

Ohrmuschel liegt und in den verschiedenen Zeichnungen übereinstimmend

dargestellt wurde.

In dieser Studie wurde bei Beagles eine Hautfalte am linken Ellenbogen mittels einer

subkutan gesetzten Nadel gereizt, die für 10 Stunden an Ort und Stelle verblieb.

Nach dem Setzen der Nadel wurde in bestimmten Zeitabständen die linke

Ohrmuschel mit einem Punktdetektor auf Veränderungen des Hautwiederstandes

untersucht.

Im zweiten Teil der Studie wurde vor der Reizung der Hautfalte am linken Ellenbogen

das Ganglion stellatum (cervicothoracicum) der ipsilateralen Seite mittels eines

Lokalanästhetikums (Xyloneural®) blockiert. Überprüft wurde die erfolgreiche

Blockade anhand Eintreten der Horner’schen Trias (Abb. 27) und durch Messung des

Anstiegs der Hauttemperatur am Zehenrücken der ipsilateralen Brustgliedmaße.

Unter der Horner’schen Trias (=Horner Syndrom) versteht man einen

Symptomenkomplex, für den drei Merkmale typisch sind: Pupillenverengung (Miosis),

Herabhängen des oberen Augenlids (Ptosis) und ein scheinbar eingesunkener

Augapfel (Pseudoenophthalmus).

Danach wurde erneut die Ohrmuschel mit einem Punktdetektor auf Veränderungen

des Hautwiederstandes untersucht. In den Ergebnissen wird deutlich, dass durch die

Blockade des Ganglion stellatum nach Reizung der Haut am Ellenbogen eine

Verminderung des Hautwiderstandes am Ellenbogenpunkt verhindert wird. Der

Ellenbogenpunkt konnte also nicht mehr geortet werden. Anhand dieser Experimente

konnte zum einen die Projektion gereizter Organe an topographisch bestimmbare

Punkte der Ohrmuschel verifiziert werden. Außerdem konnte auch die Beteiligung

des sympathischen Nervensystems an den Projektionsmechanismen aurikulärer

Somatotopien nachgewiesen werden.

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Abb. 26: Ellenbogenpunkt

(ZOHMANN, 1989)

Abb. 27: Horner’sche Trias

(ZOHMANN, 1989)

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1989 gründete Dr. Zohmann die Sektion Akupunktur, Neuraltherapie und

Homöopathie der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte, und war bis 1999

Vorsitzender der Sektion.

1990 gründete er eine private Forschungsstelle für Akupunktur und Neuraltherapie in

Fieberbrunn.

In diesem Jahr begann die neu gegründete Sektion der ÖGT mit regelmäßigen

Curricula über Akupunktur und Neuraltherapie, die die Basis der Ausbildung von

vielen auf diesem Gebiet tätigen Tierärzten darstellen.

1991 legte Zohmann die Prüfung der Österreichischen Medizinischen Gesellschaft

für Neuraltherapie und Regulationsforschung ab.

Im Jahr darauf wurde seine private Forschungsstelle in die Ludwig Boltzmann –

Gesellschaft (Leitung Prof. Dr. Johannes Bischko) aufgenommen und Zohmann

wurde zum Leiter der Außenstelle Veterinär des Ludwig Boltzmann Institutes für

Akupunktur.

Seitdem bis 2002 war Zohmann auch Universitätslektor für Akupunktur und

Neuraltherapie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Chirurgie, Interne 1).

1994 beendete Zohmann gemeinsam mit Dr. Markus Kasper seine Arbeit an dem

Buch „Neuraltherapie in der Veterinärmedizin. Grundlagen – Diagnose – Therapie“.

(ZOHMANN u. KASPER, 1994). Für dieses Buch wurde ihnen der „Bank Austria

Förderungspreis der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs“ verliehen.

Im gleichen Jahr wurde, angetrieben von Dr. Zohmann, in Österreich der Fachtierarzt

für Akupunktur und Neuraltherapie geschaffen. Erste Träger dieses Titels waren Dr.

Zohmann und Professor Dr. Kothbauer.

1995 erschien das Buch „Akupunktur bei Hund und Katze“ verfasst von Dr. D.

Draempaehl und Dr. Zohmann. Gemeinsam mit Prof. Dr. Kothbauer wurde ihm die

Huneke-Medaille der Inernationalen Gesellschaft für Neuraltherapie und

Regulationsforschung verliehen.

1997 erschien das Video „Einführung in die Veterinär-Neuraltherapie“.

1998 beendete Dr. Zohmann seine Tätigkeit bei der Firma Gebro und erhielt den

„Pischinger Preis“ der Österreichischen Gesellschaft für Akupunktur und

Neuraltherapie für die Studie „Diagnostische und therapeutische Nutzbarkeit eines

druckempfindlichen Punktes am Oberschenkel des Hundes und seine Beziehung

zum Hüftgelenk“ (ZOHMANN, 1998).

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Von 1998 bis 1999 war Dr. Zohmann Universitätsassistent an der Vet. Med. Univ.

Wien. In dieser Zeit erfolgte der Aufbau der Regulationsambulanz an der I. Med.

Univ. Klinik (Akupunktur, Neuraltherapie, Physikalische Medizin, Schmerztherapie),

die Dr. Zohmann auch leitete.

1999 eröffnete Dr. Zohmann in Fieberbrunn eine Spezialpraxis für Akupunktur,

Neuraltherapie, Schmerztherapie und Physikalische Medizin für Klein- und Großtiere

und wurde leitender Tierarzt des „Vierbeiner Reha-Zentrums“ in Bad Wildungen in

Hessen, D, mit dem Spezialgebiet Physikalische Medizin/Physiotherapie für

Kleintiere und Pferde.

2000 beendete Zohmann seine tierärztliche Tätigkeit in Fieberbrunn und widmet sich

seither ausschließlich der tierärztlichen Leitung des Vierbeiner Reha-Zentrums in

Bad Wildungen und erhält auch die Zusatzbezeichnung „Akupunktur“.

Von 2002 bis 2005 war Zohmann Lehrbeauftragter an der Justus Liebig-Universität

Giessen (Kleintierchirurgie) und hielt die Vorlesungsreihe „Physikalische Medizin und

postoperative Rehabilitation beim Pferd“ für Studenten der Veterinärmedizin des 7.

und 9. Semesters und die Vorlesungsreihe „Physikalische Medizin in der

Kleintierorthopädie und –neurologie“ für Studenten der Veterinärmedizin des 6. und

8. Semesters.

Von 2006 bis 2009 leitete Zohmann auch die Zweigstelle des Vierbeiner Reha-

Zentrums in Piding an der bayrisch-salzburgischen Grenze.

2007 erschien Zohmanns Buch „Ganzheitliche Schmerztherapie für Hund und

Katze“.

2008 begann Zohmann mit dem Institut für Zytobiologie der Naturwissenschaftlichen

Fakultät der Universität Salzburg zusammenzuarbeiten, um Grundlagenforschung

zur Goldimplantation zu betreiben.

2009 wurde Dr. Zohmann zum Ehrenmitglied der Österreichischen Medizinischen

Gesellschaft für Neuraltherapie und Regulationsforschung ernannt.

Zusätzlich zu den vielen oben genannten Leistungen trug Dr. Zohmann mit einer

Vielzahl von Vorträgen, Seminaren und Kursen für Tierärzte, Ärzte und Laien sowie

mit über 30 Publikationen in Fachzeitschriften und als Buchbeiträge sowie mit zwei

Lehrvideos umfangreich zur Weiterentwicklung der Veterinärakupunktur in Österreich

bei.

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3.5.6. Dipl.Tzt. Dr.Karl Grohmann

Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie, Fachtierarzt für Kleintiere,

Universitätslektor für Veterinärakupunktur. Das Interesse von Dr. Karl Grohmann an

der Akupunktur war schon während seines Studiums an der Veterinärmedizinischen

Universität Wien vorhanden. Die ersten Kontakte zu diesem Gebiet hatte er während

seiner Assistenzzeit am Institut für Anatomie.

Nach seiner Dissertation 1986 und seinem zweiten Assistenzjahr am Institut für

Anatomie gründete er in Klosterneuburg eine eigene Praxis und begann sich

intensiver mit dem Thema Akupunktur zu befassen.

Frühzeitig spezialisierte er sich auf die traditionelle Chinesische Medizin und auf die

orthopädische Neuraltherapie. In der Schulmedizin liegt der Schwerpunkt von Dr.

Grohmann auf der Inneren Medizin und der Chirurgie.

Das Interesse an der Akupunktur begründete sich für Grohmann darin, dass oft

Lösungsangebote für Probleme geboten werden, die in der Schulmedizin als

austherapiert gelten oder die nur symptomatisch behandelt werden.

Die zur damaligen Zeit von Prof. Kothbauer und Dr. Zohmann gehaltenen

Vorlesungen an der Universität über die Grundlagen der Akupunktur waren in erster

Linie westlich-wissenschaftlich orientiert. Das Interesse von Dr. Grohmann richtete

sich aber schon früh auf die traditionell chinesische Lehre. Dazu gab es zur

damaligen Zeit in Österreich noch keine Kurse oder Ausbildungen, der Kurs der IVAS

(International Veterinary Acupuncture Association) wurde damals nur in den USA

angeboten. Aus diesem Grund bildete sich Grohmann vor allem in Deutschland über

die ATF (Akademie für tierärztliche Fortbildung) und in der Schweiz weiter. In diesen

Ländern gehörten die Tierärzte, die sich erfolgreich mit Akupunktur befassten, zwar

auch noch einer handverlesenen Gruppe an, jedoch war dieser Teil der Medizin

schon deutlich stabiler etabliert als in Österreich.

Nach den anfänglichen Schwierigkeiten, sich von der Schulmedizin auf ein komplett

anderes System mit einer anderen Diktion umzustellen, wurde genau diese andere

Herangehensweise an ein Problem für Dr. Grohmann sehr spannend. Durch die

Erkenntnis dass ein sehr großer theoretischer Wissensstand nötig ist um ein

Krankheitsbild komplett zu erfassen, bedurfte es 2-3 Jahre intensiver

Auseinandersetzung mit der Materie, bis Selbstvertrauen und Kenntnisse groß genug

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waren für die Anwendung der Akupunktur in der Praxis. Nach dem Beginn der

Anwendung der Akupunktur Mitte der 90er Jahre stellten sich dann bald die ersten

Erfolge ein.

Im Jahr 1999 folgte Dr. Grohmann Dr. Zohmann als Leiter der Sektion Akupunktur,

Neuraltherapie und Homöopathie der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte. Er

war auch für fünf Jahre Leiter der Außenstelle Veterinärakupunktur der Ludwig

Boltzmanngesellschaft.

Unter seiner Leitung wurden von der ÖGT-Sektion immer mehr Seminare und Kurse

zur Akupunktur veranstaltet, zu denen auch Gastreferenten aus dem Ausland

eingeladen wurden. Neben anderen Referenten wurde v.a. Dr. Barbara Bachmann

immer wieder eingeladen. Die Schweizer Tierärztin zählt zu den Pionieren der

Veterinärakupunktur in der Schweiz und bildete sich vor allem in China und den USA

weiter. Sie verfasste 1988 an der Universität Zürich ihre Dissertation zum Thema

Akupunktur: „Untersuchungen zur Akupunktur: Elektrische Hautwiderstandsmessung

zur Lokalisation von Akupunkturpunkten bei Kühen.

Im Jahr 2000 begann Dr. Grohmann anstelle von Dr. Zohmann an der

Veterinärmedizinischen Universität Wien die Vorlesung: „ Einführung in Akupunktur

und Neuraltherapie“ zu halten. Bis jetzt wird dieser Kurs von den Studierenden sehr

gut angenommen und hat jährlich in etwa 100 Hörer.

Im gleichen Jahr organisierte Grohmann gemeinsam mit Dr. Kurt Ganzberger den

jährlichen IVAS Kongress in Wien.

Zu dieser Zeit begann Grohmann auch für verschiedenste Einrichtungen Seminare

und Vorträge zu halten, unter anderem für die VÖK (Vereinigung Österreichischer

Kleintiermediziner), für die ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte), für die

Veterinärmedizinische Universität Wien aber auch in privatem Bereich für

interessiertes Laienpublikum.

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3.5.7. Entwicklung bis heute

In etwa zeitgleich mit Dr. Grohmann begannen sich einige österreichische Tierärzte

näher mit der chinesischen Lehre der Akupunktur zu befassen. Obwohl der westlich-

wissenschaftliche Zugang außerordentlich bedeutsam war für die Anerkennung und

Verbreitung dieser Form der Diagnostik und Therapie, ist die chinesische Lehre in

anderen Teilen der Welt schon über eine weitaus längere Zeit praktiziert und erprobt

worden.

Einer der Tierärzte, die erkannten, dass die chinesische Lehre eine große

Bereicherung für die Akupunktur in Österreich darstellen könnte, war Dr. Kurt

Ganzberger, der während seiner Tätigkeit am Institut für Anatomie über Dr. Zohmann

erste Kontakte zur Akupunktur knüpfte. Weil es damals in Österreich im Bereich der

Veterinärmedizin nur Kurse zum Thema Neuraltherapie gab, nutzte Dr. Ganzberger

die Gelegenheit, mit einigen Kollegen zu einem IVAS Kurs nach Belgien zu fahren. In

einem einjährigen, von zahlreichen Fahrten nach Belgien geprägten Lehrgang

lernten sie dort die Grundlagen der traditionellen chinesischen Medizin und der

Akupunkturlehre kennen. Nach Beendigung dieses Kurses wurde gemeinsam mit Dr.

Zohmann begonnen, einen Teil der chinesischen Lehre in die österreichischen

westlich-wissenschaftlich orientierten Kurse einzubringen, was wiederum einen

großen Fortschritt für die Entwicklung dieses Teiles der Veterinärmedizin in

Österreich brachte.

Zum heutigen Zeitpunkt wird beim jährlich angebotenen Curriculum der ÖGT Sektion

Ganzheitsmedizin sowohl die Neuraltherapie als auch die TCM gelehrt.

Einen großen Stellenwert für die Weiterentwicklung und Anerkennung der

Akupunktur in der Veterinärmedizin hat auch die Ambulanz für Physikalische Medizin

und Rehabilitation der Veterinärmedizinischen Universität Wien seit 14 Jahren. Im

Jahr 1998 als Regulationsambulanz von Dr. Zohmann gegründet, entwickelte sich

diese Einrichtung unter der Leitung von Dr. Barbara Bockstahler ab 1999 zu einem

fixen Bestandteil der universitären Einrichtungen für die Kleintiermedizin. Seit 2001

wird diese Einrichtung durch die IVAS zertifizierte Veterinärakupunkteurin Dr. Marion

Müller unterstützt. Neben der Arbeit mit den mittlerweile sehr zahlreich gewordenen

Akupunkturpatienten, ist es ein Anliegen dieser Einrichtung als universitäre

Einrichtung Beiträge dazu zu leisten, diesen Teil der Medizin auf eine

evidenzbasierte Basis zu stellen. 2010 wurde eine Studie publiziert die überprüfen

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77

soll, ob man bestimmte Teile der TCM Diagnostik mit westlicher Diagnostik

vergleichen kann. Dabei stellt sich heraus dass bei manchen Organsystemen die

Übereinstimmung sehr hoch ist (Herz/Perikard; 87,5%), bei anderen Organsystemen

jedoch eher niedrig (Milz/Pankreas 50%) (MUELLER et al., 2010).

Das von Müller herausgebrachte und von Müller und Bockstahler verfasste

Fachbuch: „Checkliste Akupunktur für Kleintiere“, (MUELLER, 2011) erfüllt den

Anspruch an eine hohe Praxisrelevanz, verbunden mit einer übersichtlichen

Darstellung der Grundlagen. Über Indikationen oder über den traditionell

chinesischen Weg kann zu Behandlungskonzepten gefunden werden.

Die Mitarbeiter der Ambulanz für Physikalische Medizin und Rehabilitation bemühen

sich auch die Lehre und Erforschung der Akupunktur zu unterstützen, indem sie

Diplomarbeiten und Dissertationen zu diesem Thema fördern. Zurzeit befinden sich

folgende Themen in Arbeit, betreut durch Prof. Thalhammer von der Klinischen

Abteilung für Interne Medizin Kleintiere:

SCHMITT, A.M.: Einfluss der Nadelung der Akupunkturpunkte Perikardium 6 und

Herz 7 auf die Herzfrequenzvariabilität.

MERGL, A.: Klinische prospektive Grundlagenstudie über den Effekt der Nadelung

der Akupunkturpunkte Lu11 und LG26 auf Atemparameter.

WURZBERGER, S.: Korrelation zwischen orthopädischer und röntgenologischer

Diagnostik und Diagnosestellung anhand von Akupunkturpunkten (SHU- und

Triggerpunkten).

Im Laufe der Zeit an der Veterinärmedizinischen Universität Wien erschienene

Dissertationen, die die Erforschung der Akupunktur vorangetrieben haben

DAMBÖCK, A. (1955): Die Hautinnervation der Extremitäten des Rindes.

Beschrieben unter 6.3.

GIROLLA, W. (1955): Der Nervus phrenicus des Rindes. Seine Morphologie, Topik,

Innervations- und Funktionsaufgabe.

Beschrieben unter 6.3.

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78

SCHALLER, O. (1956): Die periphere sensible Innervation der Haut am Rumpf des

Rindes.

Beschrieben unter 6.3.

FREWEIN, J. (1963): Der Anteil des Sympathicus an der autonomen Innervation des

Rindermagens.

Beschrieben unter 6.3.

FAFFELBERGER, C. (1981): Ein Beitrag zur Anwendung der Akupunkturanalgesie

bei Zitzenoperationen an Kühen.

Angeregt durch Berichte von Dr. Kothbauer über Akupunkturanalgesie bei Kühen,

setzte sich Faffelberger zum Ziel die Wirksamkeit und Verwendbarkeit der

Akupunkturanalgesie bei Zitzenoperationen im Vergleich zur Infiltrationsanästhesie

an zwölf Kühen zu überprüfen. Lediglich zwei von den geplanten zwölf Operationen

konnten aufgrund von Abwehrreaktionen unter Verwendung der

Akupunkturanalgesie durchgeführt werden, wobei mittels Infiltrationsanästhesie alle

geplanten zwölf Operationen ohne Probleme durchgeführt werden konnten.

Faffelberger gibt an, dass in weiteren Untersuchungen ermittelt werden sollte, ob

durch Verbesserung der Geräte, durch weitere Punktkombinationen bzw. durch eine

abgeänderte elektrische Stimulation ein hypalgetischer Effekt verstärkt bzw. eine für

Operationszwecke ausreichende Analgesie erzielt werden kann.

KANIS, A. (1981): Ein Beitrag zur Anwendung der Akupunkturanalgesie bei

Laparotomien an Kühen.

Angeregt von Berichten von Dr. Kothbauer über die Durchführung von

Kaiserschnitten unter Akupunkturanalgesie, setzte sich Kanis zum Ziel die

Wirksamkeit und Verwendbarkeit der Akupunkturanalgesie bei Laparotomien an

zwölf Rindern zu überprüfen. Sechs Versuche mussten abgebrochen werden. Sechs

Operationen konnten trotz heftiger Abwehr und trotz Zwischenfällen, die darin

bestanden dass die Tiere niedergingen und umfielen, bis zum Ende durchgeführt

werden. Bei der Infiltrationsanästhesie konnte bei allen Kontrolloperationen eine

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ausreichende Analgesie erzielt werden und alle Operationen konnten ohne

Zwischenfälle durchgeführt werden. Auch Kanis stellt sich die Frage ob

möglicherweise durch eine andere Punktkombination bzw. durch eine andere

elektrische Stimulation ein hypalgetischer Effekt verstärkt werden könnte.

RUMPF, R. (1985): Physikalische Verfahren (Scheidendusche, Klitorismassage und

Akupunktur) zur Ovulationsbeeinflussung beim Rind.

In seinen Untersuchungen konnte Rumpf durch Akupunktur die Follikelreifung um 13

Stunden und die Ovulation um 21 Stunden gegenüber der Kontrollgruppe

beschleunigen.

ZOHMANN, A. (1989): Die Blockade des Ganglion cervicothoracicum (stellatum)

beim Hund zur Untersuchung der Beteiligung des sympathischen Nervensystems an

der Projektion eines gereizten Organes in die Ohrmuschel.

Beschrieben unter 6.5.

CHAN, W.W. (1991): Effect of electroacupuncture in boars on spermatological

parameters and seminal noradrenaline concentration.

Chan untersuchte den Einfluss von Elektroakupunktur auf die Samenqualität und die

Konzentration von Noradrenalin in der Samenflüssigkeit von Wildschweinen. Die

Beweglichkeit der Spermien erhöhte sich, es wird aber vermutet dass die Ursache

dafür die signifikant angestiegene Konzentration von Noradrenalin nach der

Akupunkturbehandlung war.

EGERBACHER, M. (1991): Anatomische und histologische Untersuchungen zur

Morphologie ausgewählter Akupunkturpunkte am Rumpf bei Rind und Hund .

Durch ihre Dissertation an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, hat

Egerbacher weiter dazu beigetragen, die Akupunkturlehre aus dem Bereich der

paramedizinischen Heilmethoden herauszuheben und sie auf eine wissenschaftliche

Basis zu stellen. Sie geht in ihrer Arbeit davon aus, dass nicht in erster Linie die

Reizart - verschiedenste Formen der Hautreiztherapie sind seit langem auch bei uns

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bekannt - das entscheidende Kriterium für die Wirksamkeit der Akupunktur darstellt,

sondern vor allem der Reizort. Um festzustellen ob es am Akupunkturpunkt ein

morphologisch fassbares Substrat gibt, hat sie an Rind und Hund die Struktur der

Punkteareale durch mikroanatomische Untersuchungen noch weiter aufgeklärt und

die Arbeiten von HEINE (1987, 1988, 1990) und KOTHBAUER (1961, 1984, 1990)

dadurch ergänzt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde noch keine einheitliche spezifische

Struktur gefunden, die den Akupunkturreiz aufnimmt und verarbeitet bzw. weiterleitet.

Die wichtigste Gemeinsamkeit der an Akupunkturpunkten gefundenen Strukturen ist

die Anwesenheit von Nerven, sei es als größeres Nervenbündel, als freie

Nervenendigungen oder auch nur als perivaskulärer Plexus.

LAYROUTZ, A. (1994): Ohrakupunkturpunkte des Hundes und ihre Morphologie.

LAYROUTZ findet ähnliche Durchbruchstellen von Nerven im Ohr des Hundes.

Nach Layroutz ist es anzustreben, die letzten „weißen Flecken“ dieser diagnostisch

und therapeutisch zu nutzenden Behandlungsmethode zu erforschen, um den

wenigen noch vorhandenen Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Einer

der zentralen Fragen der Akupunkturwirkung seien die funktionell-anatomischen

Eigenschaften der Akupunkturpunkte. Dies betrifft aber nicht nur die traditionelle

chinesische Körperakupunktur, sondern auch die verhältnismäßig junge

Auriculotherapie, als deren Entdecker man den französischen Arzt Dr. Paul Nogier

bezeichnen kann. Einen Beitrag dazu soll die Arbeit von Layroutz leisten. Sie stellte

dabei von 19 Hunden verschiedener Rassen die Ohrknorpel dar und stellte dabei

eine Übereinstimmung zwischen perforierenden Gefäß-Nervenbündeln und

Projektionszonen verschiedener Ohrkarten von 70-80 % fest.

JANEZIC, E. (1996): Untersuchungen über die Beziehung zwischen Körperkontakten

während des Mutter-Kalb-Verhaltens post partum und Akupunkturpunkten.

Schon Dr. Kothbauer ist im Jahr 1990 bei der Betrachtung der am häufigsten

beleckten Stellen des Rinderkörpers in einer Abbildung von SAMBRAUS (1978) ein

Zusammenhang mit Akupunkturpunktlokalisationen aufgefallen. Außerdem erkannte

er schon, dass das soziale Lecken vor allem in der Zeit nach dem Grasen stattfindet,

und es sich bei den am meisten beleckten Stellen um Akupunkturpunkte handelt, die

der Verbesserung des Stoffwechsels und der Verdauung dienen.

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Janezic untersucht in ihrer Arbeit das Leckverhalten der Mutterkuh nach der Geburt

und das Eutersuchverhalten des Kalbes post partum. Es wird bestätigt, dass die

Mutterkuh beim neugeborenen Kalb bevorzugt an Körperteilen leckt, an denen sich

die so genannten Notfallpunkte befinden, und dass das Kalb bei der ersten Suche

nach dem Euter, bei dem es immer wieder den Körper der Kuh berührt, jene

Lokalisationen wählt, an denen euterwirksame und die Milchejektion verbessernde

Akupunkturpunkte liegen.

WEISSENSTEINER, J. (1996): Chemische Aspekte des Akupunkturpunktes.

Laut Weissensteiner sind Akupunkturpunkte aufgrund histochemischer Befunde

durch neuronale Innervation charakterisiert. In Gewebeproben und Mikrodialysaten

von 28 Hunden, 2 Kaninchen und einem Rind wurden Konzentrationen der

Transmittersubstanzen Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin mit

Hochdruckflüssigkeitschromatographie und elektrochemischer Detektion in

Akupunkturpunkten bestimmt.

LICKA, T. (1996): Bewegungsbild von Pferden mit Rückenschmerzen. Einfluss der

Akupunktur- Therapie auf den Bewegungsablauf.

Zum Zeitpunkt dieser Arbeit war in der Veterinärmedizin die Behandlung von

chronischen Schmerzzuständen und chronisch degenerativen Erkrankungen noch

nicht lange etabliert. Die Akupunktur hatte sich in diesem Bereich gerade in der

Humanmedizin einen Platz geschaffen, da dort die traditionellen

Behandlungsmethoden häufig wenig zufrieden stellende Ergebnisse erzielten. Da die

wirtschaftlichen Faktoren in der Pferdehaltung immer mehr an Bedeutung verloren

und die Pferdehaltung aus Liebhaberei und Freizeitbeschäftigung immer wichtiger

wurde, ist für die Veterinärmedizin ein neuer Anwendungssektor entstanden.

Die Frage die dieser Studie zugrunde liegt, lautet: Lässt sich mittels

wissenschaftlicher Methoden die Wirksamkeit der Akupunktur als Therapie für einen

spezifischen Symptomenkomplex verifizieren?

Damit fügt sich diese Studie als ein weiterer Mosaikstein in das Spannungsfeld

zwischen die Akupunktur und die westliche Schulmedizin ein.

Die therapeutische Wirksamkeit eines Akupunktur-Therapie Schemas bei

Rückenschmerzen des Pferdes wurde in 10 Fällen überprüft.

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Die Druckschmerzhaftigkeit der untersuchten und genadelten Akupunkturpunkte

nahm bei 9 von 10 Pferden ab. Die klinische Erfassung der Rückenschmerzen ergab

eine Verbesserung bei 5 Pferden und ein Gleichbleiben bei 5 Pferden.

HABACHER, G. (2005): Systematic review of the effectiveness of acupuncture in

veterinary medicine .

Das Ziel dieser Arbeit war, anhand einer systematischen Literaturrecherche die

Wirksamkeit von Akupunktur in der Veterinärmedizin wiederzugeben und zukünftige

Forschungsfelder aufzuzeigen.

14 randomisierte klinische Studien und 17 nicht randomisierte klinische Studien

wurden in die Untersuchungen miteinbezogen.

Laut dieser Arbeit gibt es keine überzeugenden Hinweise darauf, dass Akupunktur

effektiver ist als keine Behandlung oder als konventionelle Therapieformen.

CHVALA, S. (2002): Untersuchungen über den Einsatz des "Meridiantests" aus dem

Bereich der Akupunktur zur Diagnose von Equinen Herpesvirus Typ-1 (EHV-1) -

Infektionen bei Problempferden.

Chvala setzte sich zum Ziel, herauszufinden, ob man durch palpatorische Prüfung

der Sensitivität von Akupunkturpunkten auf Meridianverläufen („Meridiantest“) die

Diagnose stellen kann, dass ein Pferd mit „poor performance syndrom“

(„Problempferd“) an einer akuten bzw. reaktivierten EHV-1 Infektion leidet.

Zwanzig Pferde mit Leistungsabfall und/oder Widersätzlichkeit bzw. auch mit

Verhaltensänderungen, wurden über den palpatorischen Nachweis bestimmter

sensitiv reagierender Akupunkturpunkte ("Herpespunkte") als "Herpes-verdächtig"

diagnostiziert. Diese und 20 weitere Pferde, die als Kontrollgruppe dienten (sie

reagierten nicht auf die "Herpespunkte") wurden einer "westlich" schulmedizinischen

Untersuchung unterzogen.

Eine eindeutige Beziehung zu einer Herpesinfektion konnte nicht bewiesen werden,

obwohl eine gewisse Tendenz dazu zu erkennen war.

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83

3.6. AUSBILDUNG

Im Gegensatz zu Deutschland und in der Schweiz ist die Ausübung von Akupunktur

an Tieren in Österreich nur den Tierärzten vorbehalten. Obwohl für die Erlaubnis der

Ausübung keine weitere Qualifikation als das veterinärmedizinische Studium

Voraussetzung ist, kann das dafür nötige Wissen nur zu einem kleinen Teil an der

Universität erworben werden.

Die Akupunkturausbildung kann während des Studiums in den Vorlesungen von Prof.

Dr. Oswald Kothbauer und Dr. Karl Grohmann an der Veterinärmedizinischen

Universität Wien begonnen werden.

Die ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte - Sektion Ganzheitsmedizin-

Vorsitz: Dr. Harald Pothmann) bietet intensive Praxiskurse für Akupunktur und

Neuraltherapie an. Zur internationalen Anerkennung dient die Weiterbildung bei der

IVAS (International Veterinary Acupuncture Society). Man muss also nicht mehr nach

China reisen.

3.6.1. Vorlesungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien

Zunehmendes Interesse an der Veterinärakupunktur durch praktizierende Tierärzte,

wie auch Bemühungen seitens des Lehrkörpers und auch der Studenten an der

Veterinärmedizinischen Universität in Wien, haben dazu geführt, dass im Jahre 1980

ein Lehrauftrag: "Akupunktur und Neuraltherapie in der Gynäkologie und Geburtshilfe

des Rindes - spezielle Akupunkturlehre" geschaffen wurde. Mit den Vorlesungen

wurde Doz. Dr. Oswald Kothbauer beauftragt. Ab dem Jahr 1987 beteiligte sich Dr.

Zohmann als freier Mitarbeiter an den Vorlesungen von Dr. Kothbauer. Die

Vorlesungen wurden an der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie an

der Veterinärmedizinischen Universität Wien abgehalten. Auf allgemeinen Wunsch

wurde mit Beginn des Studienjahres 92/93, ein weiterer Lehrauftrag für einschlägige

Übungen am Lehr- und Forschungsgut Merkenstein in Niederösterreich eingerichtet.

Im Jahr 2000 hat Dr. Grohmann begonnen die Vorlesung: „ Einführung in Akupunktur

und Neuraltherapie“ zu halten.

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Vorlesungen an der Veterinärmedizinischen Universität zum heutigen Zeitpunkt

(2012):

Einführung in die Akupunktur und Neuraltherapie. Dr. Karl Grohmann und Dr. Marion

Müller. Klinische Abteilung für Interne Medizin Kleintiere.

3.6.2. Kurse für Tierärzte

3.6.2.1. ÖGT

Die Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte)

bietet ein Curriculum in Traditionell Chinesischer Veterinär-Akupunktur (TCVM) und

Neuraltherapie (NT) an.

Dieser Kurs ist für Tierärzte und für Studenten im letzten Studienjahr zugelassen.

Durch die stark gestiegene Dichte an Informationen und Erfahrungen wurde der

Lehrgang im letzten Jahr auf sieben Kurse erweitert, die folgende Themen

beinhalten:

Einführung in die Veterinärakupunktur nach Traditionell Chinesischer Medizin (TCM)

und Neuraltherapie (NT)

Grundlagen der Neuraltherapie und Laser(aku)punktur in Theorie und Praxis

Kulturgeschichte der TCM

Chinesisches und westliches Denken

Yin und Yang, die fünf Elemente

Die vitalen Substanzen

Die inneren Organe

Krankheitsursachen

Substanzmuster

Die acht Leitprinzipien

Akupunkturpunkte (Auswahl, Stichtechniken)

Meridiane

Energieflüsse

Praktikum am Kleintier (Hund), Pferd und Rind

Ausblick auf verwandte Techniken (Moxa, Ohr-Akupunktur, Goldimplantate,

Kräutermedizin, manuelle Medizin)

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Diese Kurse sind inhaltlich den Anforderungen der I.V.A.S. (International Veterinary

Acupuncture Society) angepasst und entsprechen den internationalen Standards. Ein

Unterschied besteht aber darin, dass die Akupunkturkurse mit Neuraltherapie und mit

der westlich-wissenschaftlichen Akupunktur verbunden werden. Das soll den

praktisch umsetzbaren Wert erhöhen und das Verständnis für die pathologischen,

diagnostischen und therapeutischen Abläufe erleichtern.

3.6.2.2. I.V.A.S.

Auch für die Kurse der I.V.A.S. (International Veterinary Acupuncture Society) sind

nur Tierärzte und Studenten der Veterinärmedizin im letzten Studienjahr zugelassen.

Zurzeit findet in den USA einmal pro Jahr ein Basiskurs statt, der aus 120 Stunden in

konzentrierten theoretischen Einheiten und 4-5 Wochenenden mit praktischen

Übungen innerhalb eines Jahres besteht. Nach einem dreistündigen Abschlusstest

und der Präsentation von 5 detaillierten Fallberichten, werden die Absolventen als

befähigt angesehen, Veterinärakupunktur auszuüben.

Darauf aufbauend können sowohl Akupunkturkurse für Fortgeschrittene, als auch

Kurse, die die chinesische Kräuterlehre behandeln, besucht werden.

Auch in Europa gibt es eine der IVAS angeschlossene Organisation, die GERVAS

(German Veterinary Acupuncture Society) in Deutschland. Nach abgeschlossenem

GERVAS Basiskurs erhält man die Bezeichnung „IVAS Certified Veterinary

Acupuncturist“.

3.6.3. Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie

Da nach Ansicht der österreichischen Tierärztekammer die Akupunktur und

Neuraltherapie in der Veterinärmedizin in Österreich ein Niveau erreicht hat, das

zumindest europaweit als führend bezeichnet werden muss, wurde im Jahr 1994 die

Möglichkeit zum Erwerb des Titels Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie

eingeführt. Der wachsenden Bedeutung in der Praxis und der führenden Tätigkeit

von österreichischen Tierärzten auf diesem Fachgebiet sollte mit der Schaffung

dieses Titels Rechnung getragen werden.

Erste Träger dieses Titels waren Dr. Zohmann und Professor Dr. Kothbauer.

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Voraussetzung für den Antritt zur Prüfung ist neben dem abgeschlossenen Studium

der Veterinärmedizin und der mindestens 5 jährigen tierärztlichen Tätigkeit, die

fachspezifische praktische und theoretische Weiterbildung. Dazu empfiehlt die

Tierärztekammer dem Prüfungssenat, die Vorlesungen an der VUW und an anderen

Universitäten in Deutschland und der Schweiz anzuerkennen. Weiters muss der

Besuch von einschlägigen Seminaren, Kursen, Tagungen oder postgraduaten

Lehrgängen in der Dauer von mindestens 50 Stunden pro Jahr über wenigstens 3

Jahre nachgewiesen werden. Die Tierärztekammer empfiehlt dem Senat auch die

Veranstaltungen der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte, Sektion

Ganzheitsmedizin, anzuerkennen.

Zusätzlich müssen zwei einschlägige wissenschaftliche Arbeiten und ein

einschlägiger wissenschaftlicher Vortrag im Rahmen einer Tagung, eines Kurses,

eines Seminars oder einer Lehrveranstaltung nachgewiesen werden.

3.7. FACHLICHE VERTRETUNG

3.7.1. Die Sektion Ganzheitsmedizin der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte

3.7.1.1. Entstehung

1989 wurde von Dr. Andreas Zohmann bei der Vollversammlung der

Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte ein Antrag zur Gründung der Sektion

Akupunktur, Neuraltherapie und Homöopathie eingebracht. Zum Anlass für diesen

Antrag nahm er eine von ihm österreichweit durchgeführte Befragung von tierärztlich

tätigen Klinikern und Praktikern, Assistenten und Professoren der

Veterinärmedizinischen Universität Wien, sowie von humanmedizinischen

Wissenschaftlern. Dieser Antrag wurde mit nur einer Gegenstimme angenommen.

Neun Jahre später war diese Sektion mit 235 Mitgliedern die mitgliederstärkste der

Österreichischen Gesellschaft für Tierärzte und gilt seit ihrer Gründung auch als

aktivste.

Die Grundintention der Sektion ist, praktikable und wirksame Methoden (teilweise

aus dem Dunstkreis der sogenannten „Alternativmedizin“) in den allgemeinen

Praxisalltag von Tierärzten zu integrieren. Nach Dr. Zohmann gelingt das nicht durch

puritanisches Festhalten an Prinzipien aus den Anfangszeiten der Akupunktur in

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87

Österreich, sondern durch Forschung, Lehre und Praxis auf Basis des heutigen

Wissenschaftstandes.

Auf diesen Hintergrund bauend wurden ab 1991 von der Sektion die ersten Kurse

für Akupunktur und Neuraltherapie durchgeführt.

Seit 1980 hält Prof. Dr. Kothbauer Vorlesungen über die Akupunktur, heute verfügt

die Sektion über zwei Lehraufträge zur Akupunktur, sowie auch für Homöopathie und

Phytotherapie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Im Jahr 2000 wurde von der Sektion in Wien der jährliche IVAS – Kongress

durchgeführt (ZOHMANN ,1998).

Seit 1989 hat die Sektion den Titel „Akupunktur, Neuraltherapie, Homöopathie“ inne.

Später hat sich das Institut für Angewandte Botanik der Sektion angeschlossen und

den Fachbereich „Phytotherapie“ eingebracht. Daraus hat sich eine Diskussion um

die Namensgebung der Sektion entwickelt, da eine Aufzählung der einzelnen

Disziplinen zu einem ,,Wortmonster" geführt hätte.

Sowohl den bereits bestehenden und universitär gelehrten Sparten, wie auch den

Außenseitern (Bioresonanz, Bachblüten etc.) sollte Raum geboten werden. Jenen

Außenseitern nämlich, bei denen sich durch den Erkenntnisstand in Zukunft eine

Aufnahme in die Sektion anbieten kann.

Aus diesen Überlegungen heraus wurde die Sektion umbenannt, zunächst in Sektion

für Komplementäre Veterinärmedizin, und heißt heute Sektion Ganzheitsmedizin

(KASPER,1998).

3.7.1.2. Definition

Die Sektion und vor allem seine gewählte Vertretung sehen sich als Bindeglied, zum

einen zwischen den veterinärmedizinischen Universitäten und den praktizierenden

TierärztInnen und Studenten, zum anderen zwischen der westlich-wissenschaftlichen

Tiermedizin und der Ganzheitsmedizin bzw. der Naturheilkunde.

Die Kernaufgabe liegt in der Erforschung von ganzheitlichen Phänomenen, sowohl

was die Entstehung von Erkrankungen angeht, als auch die Diagnostik und Therapie

dieser Erkrankungen. Diese Forschungstätigkeiten sollen angeregt, in Gang gehalten

und veröffentlicht werden.

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Das Augenmerk der Sektion wird zum einen auf die Grundlagenforschung in den

traditionellen Methoden wie Akupunktur, Neuraltherapie und Homöopathie gelenkt.

Auf der anderen Seite soll die Sektion aber auch ein offenes Forum zur Darstellung

und Diskussion für neue Methoden sein, die sich einer wissenschaftlichen

Beurteilung bislang entziehen.

Um das vorhandene Wissen über diese Methoden auch praktizierenden Tierärzten

und Studenten zugänglich zu machen, werden Lehrveranstaltungen und Seminare

abgehalten.

Des Weiteren ist es ein Anliegen der Sektion, diese Methoden durch fundierte

Argumentation gesellschaftlich zu verankern und sie so einem breiteren Publikum

bekannt zu machen.

3.7.1.3. Ziele

Die Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT hat sich zum Ziel gesetzt die

Wirkmechanismen verschiedenster Phänomene zu erforschen und zu verifizieren.

Das soll zum Teil in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit humanmedizinischen

Vereinigungen bzw. Instituten geschehen. Als Beispiele wären hier das Ludwig

Boltzmann-Institut für Akupunktur oder die Gesellschaft für Matrixforschung zu

nennen.

3.7.2. IVAS - International Veterinary Acupuncture Society

Der erste Zusammenschluss von Akupunkteuren zu einer Gruppe im westlichen

Kulturkreis erfolgte im Jahr 1974 in Kalifornien. Eine Gruppe von Tierärzten gründete

die „National Association of Veterinary Acupuncture (NAVA). Die Tierärzte wurden

damals vom kalifornischen Veterinary Medical Board unter Druck gesetzt, ihre

Akupunktur-Anwendung zu legitimieren. Die Organisation hatte nur vier bis fünf Jahre

Bestand (SCHOEN, 2003).

Etwas später im selben Jahr (1974) wurde die einzige heute bestehende

internationale Organisation für Veterinärakupunktur in Georgia gegründet. Die

Gründungsmitglieder waren Marvin Cain, David Jaggar und Grady Young.

Ihre Mitglieder und Kontakte erstrecken sich über 38 Länder.

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Ihre Ziele sind die volle Integration der Veterinärakupunktur in die

Veterinärwissenschaften und die internationale Standardisierung der Ausbildung.

Dazu werden in Ländern, die daran interessiert sind, von der IVAS Basiskurse

angeboten.

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4. DISKUSSION

Obwohl die Akupunktur mittlerweile einen hohen Stellenwert in der kurativen Medizin

einnimmt und durch die klinisch-morphologischen Untersuchungen der Struktur-

Wirkungsbeziehungen auch ein wissenschaftlich anerkanntes Forschungsfeld

darstellt, herrscht gegenüber dieser Behandlungsmethode oft noch große Skepsis.

Diese reservierte Haltung könnte ihre Ursache in der Entwicklungsgeschichte der

modernen Veterinärakupunktur haben, genauer gesagt in dem Zusammenspiel

zwischen der Rezeption traditioneller chinesischer Medizin und dem Einfluss westlich

orientierter, wissenschaftlicher Forschung.

Es ist eine Tatsache, dass heutzutage auch auf dem Gebiet der Veterinärmedizin

medizinische Behandlungsmethoden gefordert werden, die auf der Grundlage von

empirisch nachgewiesener Wirksamkeit ausgewählt wurden. Aus der

Entwicklungsgeschichte der Veterinärakupunktur in Europa, lässt sich ableiten, dass

erst die Bemühungen die Lehre der Akupunktur auf eine wissenschaftlich fundierte

Basis zu stellen, zur Anerkennung derselben beitragen.

Nachdem die ersten gesicherten Informationen über Akupunktur, die auch zur

Anwendung dieser Methode führten im 17.Jahrhundert aus China nach Europa

kamen, kam es immer wieder zu einem Aufflackern des Interesses an diesem Teil

der Medizin. Bis zum 20. Jahrhundert konnte sich die Akupunktur in Europa aber

nicht etablieren. Gründe dafür könnten sein, dass die wissenschaftliche Forschung in

Europa noch nicht in der Lage war, Erklärungen oder Anleitungen zur Anwendung

der Akupunktur zu geben, und auch die chinesische Lehre nur bruchstückhaft zu den

Anwendern durchgedrungen war.

Wahrscheinlich wurde auch schon vor dem 20.Jahrhundert versucht in

wissenschaftlicher Art und Weise an die Thematik heranzugehen. SCHIPPERS

(1993) ist der Meinung, dass sich in Anton Haynes Arbeit aus dem 19. Jahrhundert

durchaus Hinweise darauf finden, dass er sich intensiv mit der Technik und den

Grundlagen der Akupunktur auseinandergesetzt hat. SCHIPPERS (1993) ist der

Meinung, dass die Veterinärmedizin einen großen Anteil daran hat, dass in Europa

die Akupunkturgeschichte eingeleitet wurde. Er weist darauf hin, dass französische

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Tierärzte schon im 19.Jahrhundert die Arbeit ihrer humanmedizinischen Kollegen als

unqualifiziert erkannten und sich bemühten ihre eigene Arbeit im Rahmen ihrer

damaligen Möglichkeiten wissenschaftlich abzusichern.

Laut SCHOEN (2003) ist die Entfaltung der Veterinärakupunktur im Westen drei

europäischen Tierärzten zu verdanken, nämlich dem Deutschen Dr. Erwin

Westermayer, Dr. Milin aus Frankreich und Dr. Oswald Kothbauer aus Österreich.

Alle drei begannen in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts unabhängig

voneinander auf diesem Gebiet zu arbeiten.

SCHOEN (2003) gibt an, dass auch Dr. Kothbauer vor allem deswegen erfolgreich

war, weil er sich zunächst mit der Neuraltherapie eine wissenschaftliche Grundlage

erarbeitete und erst später die Beschäftigung mit der Akupunktur aufnahm. Dr.

Kothbauer erforschte in erster Linie an Rindern in empirischer Arbeit

Akupunkturpunkte, die in Bezug zu inneren Organen stehen. Erst nachdem er seine

Erkenntnisse schon lange erfolgreich in der tierärztlichen Praxis eingesetzt hatte,

konnte er durch eine Reise nach China die chinesische Lehre aus eigener Erfahrung

kennenlernen. Durch ihre wissenschaftliche Erforschung der morphologischen

Grundlagen und Wirkungsmodalitäten der Akupunktur leisteten Dr. Kothbauer und

seine Kollegen einen wesentlichen Beitrag zur Anerkennung der Akupunktur in

Österreich.

Nicht zu vergessen ist die Rolle, die das Institut für Anatomie der

Veterinärmedizinischen Universität in der Auseinandersetzung mit den

morphologischen Aspekten der Akupunktur spielte. Prof. Schreiber und seine Schüler

lieferten durch ihren neuroanatomischen Forschungsschwerpunkt schon für Dr.

Kothbauer wesentliche Erkenntnisgrundlagen und auch die jüngeren Protagonisten

der österreichischen Akupunktur wie Zohmann, Grohmann, Ganzberger und Kasper

stammen in ihren akademischen Anfängen durchwegs aus dem Umfeld der Wiener

Veterinäranatomie. Auch die mikroskopische Morphologie von Akupunkturpunkten in

der Veterinärmedizin konnte von der österreichischen Histologin Monika Egerbacher

in wesentlichen Punkten geklärt werden (EGERBACHER, 1991).

Durch die vielen Studien die im 20.Jahrhundert durchgeführt wurden, konnte eine

gute Basis gelegt werden, damit die Akupunktur als Teil der modernen Medizin

akzeptiert wird.

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Für die weitere Entwicklung müssen aber noch weitere wichtige Schritte getan

werden.

Durch die Forderung nach Behandlungsmethoden, die auf der Grundlage von

empirisch nachgewiesener Wirksamkeit ausgewählt wurden, rücken natürlich auch

die Methoden mit denen diese Studien durchgeführt werden in den Blickpunkt von

Kritikern.

Ein immer wieder genannter Kritikpunkt von Gegnern dieser Methode ist, dass die

Qualität vorhandener Studien, die deren Wirksamkeit belegen sollen, in

Metaanaylsen und Reviews oft massiv bemängelt wird.

NICKEL (2005) kommt sogar zu dem Schluss, dass eine hohe Studienqualität

negativ mit der Effektivität der untersuchten Maßnahme korreliert.

HABACHER (2005) kommt in ihrer Dissertation „Systematic review of the

effectiveness of acupuncture in veterinary medicine” zu dem Schluss, dass die

Qualität der überprüften Studien sehr niedrig war. Auch konnte die Wirksamkeit der

Akupunktur nicht belegt werden.

Die Kritik der mangelnden Qualität betrifft auch die vom deutschen Cochrane

Zentrum zur Verfügung gestellten Arbeiten (MOLSBERGER et al., 2002).

Das Cochrane Zentrum möchte Arbeiten zu Themen aus allen Gebieten der Medizin

zur Verfügung stellen und will am Gesundheitswesen beteiligten Personen eine

wissenschaftlich fundierte Informationsgrundlage bieten. Das Ziel soll sein den

aktuellen Stand der klinischen Forschung objektiv beurteilen zu können.

Wegen der massiven Kritik an bis jetzt durchgeführten Studien wurde Anfang 2002

in Deutschland begonnen, die GERAC-Studien zur Akupunktur (German

Acupuncture Trials) durchzuführen. Damit wollten die deutschen Krankenkassen

feststellen, ob und in welchen Bereichen die Akupunktur tatsächlich wirkt. Verglichen

wurde dabei chinesische Akupunktur mit Sham-Akupunktur als Kontrollgruppe

(stechen an Nicht-Akupunkturpunkten) und mit etablierten Standardtherapien

(MOLSBERGER et al., 2002).

In den Ergebnissen zeigte sich die Akupunktur den Standardtherapien überlegen,

sowohl bei Migränepatienten (ENDRES et al., 2007a) als auch bei orthopädischen

Indikationen (ENDRES et al., 2007b), allerdings konnte nicht zwischen chinesischer

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Akupunktur an Standardakupunkturpunkten und Sham-Akupunktur unterschieden

werden.

Diese Ergebnisse lassen weiterhin viel Diskussionsspielraum sowohl für die Gegner

als auch für die Befürworter der Akupunktur offen und zeigen, dass das

Grundproblem, ein traditionelles auf Erfahrungswerte basierendes Therapieverfahren

auf das Konzept der westlichen evidenzbasierten Medizin zu übertragen, bis jetzt

noch nicht ganz gelöst werden konnte.

Diesen Schwierigkeiten zum Trotz bleibt es eine Tatsache, dass es für die weitere

Entwicklung und Akzeptanz der Akupunktur unumgänglich ist, die Forschung auf

einen evidenzbasierten Level zu bringen. Placebokontrollierte, doppeltverblindete

Studien mit entsprechenden Patientenzahlen unter Verwendung von objektiven

Messmethoden sind für zukünftige Studien daher anzustreben.

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5. ZUSAMMENFASSUNG

Die Akupunktur ist eine sehr alte Methode und hat schon früh Spuren hinterlassen.

Die älteste ist eine ca. 5000 Jahre alte Gletschermumie aus Tirol – Ötzi, aber auch

aus Ägypten, China und Südamerika sind frühe Zeugnisse von Akupunktur erhalten.

Die Verbreitung der Akupunktur in die ganze Welt begann aber in China im 19. Jhd.

Vor dem 17. Jh. finden sich in Europa nur sehr wenige Hinweise auf die Akupunktur,

diese mehren sich im 17. Jh., es kommt jedoch noch nicht verbreitet zur Anwendung.

Im 19. Jh. wird die Akupunktur, ausgehend von Frankreich, wieder bekannt und wird

auch in Europa auf die Veterinärmedizin übertragen. Die ersten Veröffentlichungen

zu diesem Thema erscheinen auch in Österreich, jedoch kann sich diese Methode

erneut nicht durchsetzen.

Erst im 20.Jh. kann sich die Akupunktur endlich etablieren und in der Medizin als

diagnostische und therapeutische Methode durchsetzen. Von Frankreich ausgehend

über Deutschland erreicht die Lehre Österreich. Währenddessen hat aber schon

unabhängig von chinesischer und französischer Lehre ein österreichischer Tierarzt

damit begonnen in mühseliger Kleinarbeit und aus eigener Kraft die Akupunktur für

Tiere neu zu entdecken: Dr. O. Kothbauer – er wird zu einer maßgeblichen Figur für

die Entwicklung der Akupunktur in Österreich. In Zusammenarbeit mit Prof. J.

Schreiber, der das Nervensystem des Rindes erforschte, hat Kothbauer die Basis für

die Akupunktur beim Rind geschaffen. Fast zur gleichen Zeit beschäftigt sich Dr. F.

Brunner mit der Akupunktur bei Kleintieren und schreibt ein Buch zu diesem Thema

das lange Zeit als Standardwerk gilt. Dr. A. Zohmann beschäftigt sich mit der

Ohrakupunktur und war unter anderem maßgeblich daran beteiligt die heutige

Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT zu gründen, den Fachtierarzt für Akupunktur und

Neuraltherapie zu schaffen und auf der Universität eine Regulationsambulanz zu

gründen. Andere österreichische Tierärzte, die heute noch selbst aktiv und in der

Lehre tätig sind, konnten sowohl die chinesische Lehre in die österreichische Lehre

der Akupunktur einbringen, als auch dazu beitragen diesen Teil der Medizin weiter zu

etablieren.

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6. EXTENDED SUMMARY

Acupuncture is an ancient technique which traces back to the early times. The first

trace is a 5000 year old mummy from a Tyrolean glacier. Known as Ötzi the Iceman,

Similaun Man and Man from Hauslabjoch, this well preserved mummy was found in

1991 on the border between Italy and Austria. Ötzi had several carbon tattoos around

both ankles, behind the right knee and on both sides of the lumbar spine. It has been

speculated that the use of these tattoos was pain relief, their function similar to

acupuncture. The previously known earliest use of acupuncture in China is at least

2000 years later.

However, an early trace of acupuncture also was found in Egypt. A veterinarian

papyrus that contains evidence of acupuncture was found by Flinders Petrie in El-

Lahun as a part of a 3800 years old collection of papyri.

For sure, China is widely known as the country of origin for acupuncture but only has

a recorded history of about 2000 years. But it seems to be safe to assume that

acupuncture was used in China for at least 4000 years.

The actual spreading of acupuncture to the entire world originated definitely in China

in the 19th century. Up until the 17th century only very few signs of acupuncture can

be found in Europe. These traces increase in the course of the 17th century; even so,

there is not yet wide spread application. A still very well known illustration from this

period is the “Lassrösslein”.

Based in France, Acupuncture becomes more apparent again in the 19th century and

starts to get used in Veterinary Medicine. Also in Austria the first publications appear,

the first written mention of acupuncture was published by Anton Hayne in 1833.

However, acupuncture does not gain stable recognition in European medicine again.

Not earlier than in the 20th century acupuncture becomes a well accepted part of

medicine for diagnostic and therapy. Originating in France, scientific acupuncture

reaches Germany and then Austria.

After World War II, independent of the French and Chinese traditions, an Austrian

veterinarian starts to discover the principles of acupuncture on his own: Dr. Oswald

Kothbauer – one of the most important persons for the development of acupuncture

in Austria. In cooperation with Dr. J. Schreiber, who delves into the nervous system

of cattle, Kothbauer provides basic empiric evidence for the acupuncture of cattle. He

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taught acupuncture in the University of Veterinary Medicine in Vienna to a great

number of students and gave lectures all over the world.

Almost at the same time, Dr. F. Brunner deals with the acupunctural treatment of

small animals and publishes a book about small animal acupuncture that becomes

the standard reference for a long time.

Dr. A. Zohmann deals with auriculotherapy and makes significant contributions in

founding the compartment of holistic medicine in the Austrian Association of

Veterinarians and in creating the title „Specialist in Acupuncture and neural therapy“

for Veterinarians who passed a special examination. He also founds the department

of „Regulationsmedizin“at the University of Veterinary Medicine in Vienna.

Other Austrian veterinarians, who are still active in treating animals and also in

teaching, were able to bring in the Chinese science of acupuncture and to improve

the establishment of this part of medicine in Austria. The basic acupuncture course of

the section Ganzheitsmedizin of the Austrian Veterinary Society has become an

inherent part of the course offers for veterinarians in Austria.

Another step in the right direction is the demand for evidence based medicine.

Current Studies, e.g. published by the Institute of Physiotherapy and Rehabilitation of

the University of Veterinary Medicine in Vienna, stay abreast of these changes.

Keywords: acupuncture, veterinary, Austria, history

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Hund zur Untersuchung der Beteiligung des sympathischen Nervensystems an der

Projektion eines gereizten Organes in die Ohrmuschel. Vet. Diss Wien.

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druckempfindlichen Punktes am Oberschenkel des Hundes und seine Beziehung

zum Hüftgelenk. In: FEIGL-REITINGER, A., BERGSMANN, O., TILSCHER, H.

(Hrsg): Myogelose und Triggerpunkte. Facultas Verlag, Wien. 57-62

ZOHMANN, A. (1998): Die Zukunft der Sektion Akupunktur, Neuraltherapie,

Homöopathie, Phytotherapie der ÖGT. KOMVET 2, 6.

ZOHMANN, A., DRAEHMPAEHL, D. (1998) : Akupunktur bei Hund und Katze -

Wissenschaftliche Grundlagen und Praxis. Enke Verlag, Stuttgart.

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Veterinärmedizin. Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover.

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1. EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG

Die Idee, eine Arbeit zu diesem Thema zu verfassen, entstand zu Beginn meiner

Tätigkeit als Tierärztin. Nachdem ich begonnen hatte, mich mit der Akupunktur

auseinander zu setzen, stellte ich bald fest, dass einige österreichische Tierärzte

maßgeblich an der Entwicklung der Veterinärakupunktur beteiligt waren. Ich setzte

mir zum Ziel, diese Entwicklung nachzuvollziehen und zu dokumentieren. Dieses

Vorhaben schließt die Wurzeln ebenso wie den Weg der Akupunktur, den diese

Lehre von China nach Österreich genommen hat, mit ein, besonders beleuchten und

hervorheben möchte ich aber die Arbeit von österreichischen Tierärzten, die zur

internationalen Anerkennung und Weiterentwicklung der Veterinärakupunktur geführt

hat.

1.1. FORSCHUNGSSTAND

Die Geschichte der Veterinärakupunktur in Österreich ist bis jetzt nicht ausführlich

wissenschaftlich bearbeitet worden. Ein kurzer Artikel, diese Thematik betreffend,

wurde von Dr. Oswald Kothbauer unter dem Titel „Geschichte der Tierakupunktur in

Österreich seit den 50er Jahren“ veröffentlicht (KOTHBAUER, 1992).

Eine Dissertation aus Hannover von Reinhard Schippers mit dem Titel „Die

Geschichte der Veterinärakupunktur und -moxibustion ausserhalb Chinas“ geht auch

auf die Veterinärakupunktur in Österreich ein, erwähnt aber nur kurz die

Publikationen von Dr. Anton Hayne von 1833 und die Forschungen von Dr. Oswald

Kothbauer zwischen 1960 und 1970 (SCHIPPERS, 1993).

Eine weitere Arbeit zu diesem Themenkreis wurde von Petrissa Rinesch verfasst und

1995 als Dissertation mit dem Titel „Die Entwicklung des Einsatzes von

Lokalanästhetika in der Veterinärmedizin unter besonderer Berücksichtigung ihrer

therapeutischen Wirkung als Neuraltherapie“ approbiert (RINESCH, 1995).

JANSSENS (1981) veröffentlichte 1981 im American Journal of Acupuncture den

Artikel „Veterinary Acupuncture in Europe“.

In der Einleitung von Lehrbüchern der Akupunktur wird oft auch die Geschichte der

Veterinärakupunktur erwähnt. Von diesen Quellen konnte ich in erster Linie das Buch

„Akupunktur in der Tiermedizin“ von Allen M. Schoen für meine Arbeit nutzen, da er

auch auf die Arbeiten von Dr. Oswald Kothbauer eingeht (SCHOEN, 2003).

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1.2. BEGRIFFSERKLÄRUNGEN

Da sich diese Arbeit in erster Linie mit der Geschichte und Entstehung der

Akupunktur in Österreich befasst und weniger mit dem fachlichen Aspekt, würde es

den Rahmen sprengen, die Wirkungsmechanismen der Akupunktur und die

Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) mit ihrer Yin- und Yang Lehre, der 5-

Elemente-Lehre bzw. der Lehre der Wandlungsphasen und der Meridianlehre zu

erklären.

Zum besseren Verständnis von einigen Kapiteln möchte ich dennoch einige

einleitende Sätze über die Hintergründe der Akupunktur an den Beginn stellen und

einige fachspezifische Ausdrücke erklären.

Die Akupunktur (lat. acus Nadel; pungere stechen) ist eine Methode der Traditionell

Chinesischen Medizin (TCM). Dabei werden Störungen der verschiedenen

Organsysteme des Körpers (die in ihrer Form und Funktion von den Organsystemen

der westlich-wissenschaftlichen Forschung abweichen) erkannt. Durch Anregung

oder Dämpfung dieser verschiedenen Organsysteme sollen diese Störungen

behoben werden. Dies geschieht durch Stimulation von Punkten auf der

Körperoberfläche, von denen die meisten auf bestimmten Linien, den Meridianen,

liegen. Über die Meridiane werden die mit ihnen verbundenen Organsysteme

beeinflusst. In den Meridianen fließt das Qi, oft übersetzt mit „Lebensenergie“ das

durch diese Behandlungsform beeinflusst werden kann.

Die Stimulation dieser Punkte erfolgt mittels verschiedener Methoden, entweder

durch Einstechen von Nadeln, durch Massage, durch Erhitzen oder auch durch

Einbringen von Flüssigkeiten (HILDEBRANDT et al., 1997 u. REICHE, 2003):

In der freien Enzyklopädie Wikipedia wird Akupunktur in einem Artikel von 2008 als

Regulationstherapie bezeichnet, bei der über genau definierte Hautareale, die

Akupunkturpunkte, durch Einstechen einer Nadel regulierende Impulse gesetzt

werden. Die Akupunkturpunkte unterliegen einer Systematik, wodurch dem

Anwender ermöglicht wird bestimmte Effekte zu erzielen. Unter Regulationstherapie

versteht man im weitesten Sinne jede Art von Therapie, die einen aus dem

Gleichgewicht geratenen Organismus wieder in den Zustand des Gleichgewichts

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zurückbringen soll. Die Regulation soll durch körpereigene Kräfte erfolgen

(WIKIPEDIA Seite „Regulationstherapie“ 2008).

Obwohl die Akupunktur eine sehr alte Form der Diagnose und Therapie ist, gibt es

nicht nur Befürworter. Die Kontroverse über die Wirksamkeit der Akupunktur wird

vielleicht auch dadurch unterstützt, dass viele Studien die die Wirksamkeit belegen

sollen, einen Mangel an statistischer Analyse und Kontrollen aufweisen (SCHOEN,

2009).

Dennoch gibt es schon viele Fortschritte in dem Bemühen, die Funktionsweise der

Akupunktur auch aus westlich-wissenschaftlicher Sicht zu erklären.

1.2.1. Definition Akupunkturpunkt:

Die Haut kann als das Organ betrachtet werden, von dem aus eine

Akupunkturwirkung induziert wird. In der Haut befinden sich Rezeptoren (freie

Nervenendigungen und korpuskuläre Endkörperchen). Histologische

Untersuchungen haben ergeben, dass im Akupunkturpunkt pro mm2 0,31

Rezeptoren gezählt werden können, aber nur 0,16 Rezeptoren pro mm2 außerhalb

des Akupunkturpunktes. Der Akupunkturpunkt scheint daher eine Art „Sinnesorgan“

der Haut zu sein, insbesondere für elektrisch messbare Werte. Im Akupunkturpunkt

sinkt der Hautwiderstand gegenüber der Umgebung sehr wesentlich ab (KELLNER,

1966).

Die Morphologie der Akupunkturpunkte konnte sowohl beim Menschen (HEINE,

1998) als auch beim Tier (EGERBACHER, 1991) identifiziert werden. An den als

Akupunkturpunkte beschriebenen Arealen waren Austrittstellen von Gefäß-

Nervenbündeln durch die oberflächliche Hautfaszie festzustellen. Typisch hierbei ist

eine konzentrische Schichtung von Bindegewebsstrukturen um diese austretenden

Bündel. Der Akupunkturpunkt unterscheidet sich außerdem durch seine erhöhte

elektrische Leitfähigkeit bzw. seinen erniedrigten elektrischen Hautwiderstand von

anderen Hautstellen, was ihn elektrisch messbar macht.

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1.2.2. Definition Meridian

In der Modellvorstellung der Traditionellen Chinesischen Medizin ist ein Meridian eine

Energieflussbahn des Körpers, die sich als Linie auf die Haut projiziert; auf ihr lassen

sich Akupunkturpunkte ausfindig machen, die eine wichtige Rolle bei der Therapie

von Krankheiten spielen. Die Meridiane sind mit westlich-naturwissenschaftlichen

Methoden noch nicht nachgewiesen worden (REICHE, 2003).

Aus heutiger Sicht könnten sich die Meridiane beim Menschen nach kinetischen

Muskelfunktionsketten darstellen (BERGSMANN u. BERGSMANN, 1997). Diese

können auch beim Pferd nachempfunden werden (KOTHBAUER, unpubl.).

Nach heutiger Auffassung liegen die Akupunkturpunkte auf 14 Leitbahnen, die auch

als Meridiane bezeichnet werden. 12 dieser Leitbahnen stehen in Bezug zu den

Funktionskreisen bzw. Organen der chinesischen Medizin und sind paarig

angeordnet (z.B. Lunge und Herz). Die beiden anderen sind unpaarige Bahnen ohne

Organbezug (Lenkergefäß und Konzeptionsgefäß). Die Leitbahnen werden in auf-

und absteigende Bahnen unterschieden. In ihnen soll nach Auffassung der TCM die

körpereigene Energie, das „Qi“ kreisen, wobei sich diese Energie in 24 Stunden

einmal durch alle Leitbahnen bewegt.

Die Meridiane (z.B. Magen-Meridian, Lungen-Meridian) bilden ein vernetztes System,

über das Fernwirkungen erklärbar werden.

1.3. ANWENDUNG

Zur Behandlung von Krankheiten ist es zunächst notwendig eine Diagnose nach den

Kriterien der Traditionell Chinesischen Medizin zu erstellen. Dabei werden

grundlegende Störungen des Gleichgewichts zwischen Yin und Yang identifiziert.

Die Auswahl der Akupunkturpunkte zur Behebung dieser Störungen kann mittels

zahlreicher Methoden erfolgen, nach denen bestimmte Punktkombinationen

zusammengestellt werden.

Auch für die Einteilung der Akupunkturpunkte gibt es unterschiedliche Systeme.

MUELLER (2011) unterscheidet zwischen Nahpunkten (bzw. Lokalpunkten) und

Fernpunkten, zwischen temporären und permanenten Punkten und unterteilt die

Punkte nach Lage und Funktion in Hauptkategorien nach den Regeln der TCM.

Die Einteilung der Akupunkturpunkte nach den Regeln der TCM wird auch von

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SCHOEN (2009) getroffen. In diesem Zusammenhang wird von folgenden

Punktgruppen gesprochen: Alarm-Mu-Punkte, Zustimmungs-Shu-Punkte, Yuan-

Quell-Punkte, Luo-Passage-Punkte, Xi-Grenz-Punkte, Einflussreiche-Hui-Punkte,

Kardinal-oder Schlüsselpunkte, Kreuzungspunkte, Punkte der vier Meere, Antike

Punkte, Untere Vereinigungspunkte und von den Fünf Elemente Punkten.

1.4. INDIKATIONEN

1.4.1. Allgemein

Eine systematische Übersicht der wesentlichsten allgemeinen Indikationen wurde

von KOTHBAUER (unpubl.) zusammengestellt.

1. Unterstützung der üblichen diagnostischen Verfahren

Durch Feststellung von hyperalgetischen Akupunkturpunkten oder Punktegruppen

auf der Haut, die für eine Krankheit oder ein Organ spezifisch sind (Schmerzpunkte).

2. Ausübung einer Therapie

Über die Stimulation eines Akupunkturpunktes (durch Nadelung, Wärmeanwendung,

elektrische Stimulation usw.), entweder als Akupunktur alleine oder in Verbindung mit

medikamentöser Therapie.

Diese Behandlungsmöglichkeit kann breit gefächerte Wirkungen im gesamten Körper

entfalten, indem sie auf Regelsysteme im Körper einwirkt. Stark geschädigte Organe,

in denen durch Zelltod bereits fixierte Endzustände bestehen, können in der Regel

nicht beeinflusst werden. Genauso wenig können Infektionskrankheiten und

Krankheitserreger direkt beeinflusst werden, jedoch kann auf die dadurch

entstehenden Erkrankungen über die Beeinflussung von körpereigenen

Abwehrsystemen Einfluss genommen werden.

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1.4.2. Speziell

Die Frage, bei welchen Krankheiten die Akupunktur nun genau angewendet werden

kann, wird einem Mediziner der dieses Fachgebiet anwendet oft gestellt. Im Jahr

2003 hat die WHO (World Health Organisation) den Versuch gemacht eine genaue

Indikationsliste zusammenzustellen (aus Roche Lexikon Medizin, REICHE, 2003):

Diese Liste ist vor allem auf den Internetseiten von Anbietern dieser Methode noch

sehr weit verbreitet.

Respirationstrakt:

• akute Sinusitis

• akute Rhinitis

• allgemeine Erkältungskrankheiten

• akute Tonsillitis

bronchopulmonale Erkrankungen

• akute Bronchitis

• Asthma bronchiale

Augenerkrankungen:

• akute Konjunktivitis

• zentrale Retinitis

• Myopie (bei Kindern)

• Katarakt

Erkrankungen der Mundhöhle:

• Zahnschmerzen

• Schmerzen nach Zahnextraktion

• Gingivitis

• akute u. chronische Pharyngitis

orthopädische Erkrankungen:

• Schulter-Arm-Syndrom

• Periarthritis humeroscapularis

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• Tennis-Ellenbogen

• Lumbalgie

• rheumatoide Arthritis

gastrointestinale Erkrankungen

• Ösophagus- u. Kardiospasmen

• Singultus

• Gastroptose

• akute u. chronische Gastritis

• Hyperazidität des Magens

• chronisches Ulcus duodeni

• akute u. chronische Kolitis

• Obstipation

• Diarrhoe

• paralytischer Ileus

neurologische Erkrankungen

• Kopfschmerzen

• Migräne

• Trigeminusneuralgie

• Fazialisparese

• Lähmungen nach Schlaganfall

• periphere Neuropathien

• Poliomyelitislähmung

• Morbus Menière

• neurogene Blasendysfunktion

• Enuresis nocturna

• Interkostalneuralgie

• Ischalgie

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2. MATERIAL UND METHODE

Für die Bearbeitung der gewählten Fragestellung wurden zwei methodische

Forschungszugänge angewendet.

2.1. AUSWERTUNG VON LITERATUR UND ARCHIVQUELLEN

Die Wurzeln der Akupunktur und der Weg, den die Lehre dieser

Behandlungsmethode von China nach Österreich genommen hat, konnte durch das

Studium von vorhandener Literatur nachvollzogen und dargestellt werden.

Für die Suche nach der vorhandenen Literatur wurde die Datenbank der Bibliothek

der Veterinärmedizinischen Universität Wien über das Suchsystem vetmed:seeker

sowie die Datenbank PubMed benutzt. Verwendete Suchbegriffe: Veterinärmedizin,

Geschichte, Akupunktur, Österreich.

Die Arbeiten der österreichischen Tierärzte Dr. Anton Hayne und Dr. Leopold Forster,

beide im 19.Jahrhundert als Professoren an der Wiener Tierärztlichen Schule tätig,

lieferten wertvolle Erkenntnisse des damaligen Forschungsstandes und konnten im

Archiv der Veterinärmedizinischen Universität Wien im Original eingesehen werden.

Die Darstellung des heutigen Standes der Lehre der Veterinärakupunktur in

Österreich erfolgte nach Kontakt mit der Tierärztekammer, die mir die Richtlinien zur

Erlangung des Titels „Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie“ zur Verfügung

stellte. Die Darstellung der weiteren Ausbildungsmöglichkeiten, der fachlichen

Vertretung und der Lehre an der Veterinärmedizinischen Universität Wien erfolgte

unter Zuhilfenahme von Daten der Sektion Ganzheitsmedizin der Österreichischen

Gesellschaft der Tierärzte und des Vorlesungsverzeichnisses der

Veterinärmedizinischen Universität Wien.

2.2. BEFRAGUNG VON ZEITZEUGEN

Ein wesentlicher Anteil der für meine Arbeit verwertbaren Daten konnte über

persönliche Gesprächen und Interviews mit österreichischen Tierärzten, die

maßgeblich an der Entwicklung der Veterinärakupunktur beteiligt waren, erfasst

werden. Dankenswerterweise stellten mir meine Interviewpartner nicht nur ihre

persönlichen Erinnerungen, sondern auch ihre Literatursammlungen und eigene

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Forschungsdokumentationen zur Verfügung.

Die Datenerfassung für diesen methodischen Zugang erfolgte weitgehend nach den

Regeln der Oral History, welche über so wenig wie möglich gelenkte Erzählungen

von Zeitzeugen eine wissenschaftlich betriebene Erfassung persönlicher

Lebenserfahrungen anstrebt. Der beabsichtigte Erkenntnisgewinn dient nicht so sehr

der Dokumentation vergangener Sachverhalte und Ereignisse als vielmehr der

Erfassung mentaler und kultureller Mechanismen, durch die in der Folge oft sehr

bedeutsame Entscheidungen ausgelöst und motiviert wurden (HENKE-

BOCKSCHATZ, 2006). Für die traditionelle Methode der Oral History lässt man die

Zeitzeugen frei erzählen, ohne wie bei einem klassischen Interview den

Interviewpartner durch Fragen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das Erzählte

wird mit einem Diktiergerät festgehalten und anschließend vom Historiker in Textform

übertragen. Auf Grund der unübersehbaren methodischen Schwierigkeiten in der

Datenerfassung, die vor allem auf der durch das Selbstbild des Erzählers geprägten

Färbung des Geschehnisablaufes beruhen (z. B. NIETHAMMER, 2009), wurden für

die vorliegende Studie, entsprechend modernerer methodischer Auffassungen, die

Zeitzeugen durchaus mit Fragen und Nachfragen konfrontiert.

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3. ERGEBNISSE

3.1. DIE WURZELN DER AKUPUNKTUR

Die Ursprünge der Akupunktur sind nicht eindeutig feststellbar, wurden aber lange

Zeit im antiken China vor etwa 3000 Jahren vermutet. Bisher war die Annahme

verbreitet, dass die Akupunktur im 17. Jh. über die Niederlande und Frankreich in

Deutschland und Österreich erstmals eingeführt wurde.

3.1.1. Ötzi – der Mann vom Hauslabjoch

Im Jahr 1991 wurde in Tirol ein Aufsehen erregender Fund gemacht, eine

Gletschermumie aus dem alpinen Chalkolithikum, die auf ein Alter von ca. 5300

Jahren datiert werden konnte. Der Mann vom Hauslabjoch, allgemein bekannt als

„Ötzi“ wurde nach der Bergung umfangreichen Untersuchungen unterzogen, bei

denen Tätowierungen an mehreren Körperstellen festgestellt wurden.

Insgesamt wurden 47 strichförmige Tätowierungen am Rücken, an den Armen und

an den Beinen entdeckt, die sich in 15 Gruppen zusammenfassen lassen. Einige der

Tätowierungen schienen keinen dekorativen Wert zu haben, da sie an Körperstellen

angebracht waren die normalerweise nicht zur Schau gestellt wurden und eine

simple, lineare und geometrische Form hatten.

Im Juni 1998 fiel dem Münchner Akupunkturarzt Frank Bahr auf, dass die

Tätowierungen des Eismanns zum größten Teil auf Hautarealen liegen, die in der

Akupunktur als Akupunkturpunkte oder -meridiane beschrieben werden. In einer

darauf folgenden Studie wurde anhand von Fotografien und exakter Lokalisierung

der Tätowierungen untersucht, ob eine Verbindung zwischen Akupunkturpunkten

und den an der Gletschermumie gefundenen Tätowierungen besteht (DORFER u.

MOSER, 1998,1999).

Die genaue Auswertung förderte Erstaunliches zu Tage: Von den 15

Tätowierungsgruppen liegen neun exakt auf bzw. weniger als 6 mm von einem

klassischen Akupunkturpunkt entfernt. Zwei weitere Gruppen liegen direkt auf einem

klassischen Meridian. Drei Tätowierungen sind 6 bis maximal 13 Millimeter vom

nächstgelegenen Akupunkturpunkt entfernt.

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Die tätowierten Areale liegen gleichzeitig in der Nähe bzw. auf klassischen

Akupunkturpunkten des Blasenmeridians.

Eine Strichgruppe liegt weder auf einem Meridian, noch auf einem bekannten

Akupunkturpunkt, befindet sich aber am rechten Sprunggelenk, in dem arthrotische

Veränderungen festgestellt wurden (Abb. 1). Es finden sich auch Tätowierungen

direkt über der Lendenwirbelsäule, die laut radiologischer Untersuchungen

arthrotische Veränderungen aufweist (Abb. 2).

Diese Lokalisationen entsprechen einer Stimulierung im Sinne einer locus dolendi

Akupunktur.

Auch die zweite Akupunkturstufe, die Anwendung von Fernpunkten, kann an der

Gletschermumie mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet werden: In der Akupunktur-

Literatur ist der Punkt "Blase 60" generell bei Schmerzen, vor allem im Bereich der

Hinterextremitäten anwendbar, lokal bei Tarsalgelenksschmerzen (MUELLER, 2011).

Genau im Bereich dieses Punktes liegt hinter dem linken Außenknöchel ein

tätowiertes Kreuz.

Sogar die komplexeste Stufe, die konstitutionelle Akupunktur, kann beim

Gletschermann möglicherweise angewendet worden sein: Zur Therapie von

tiefliegenden, arthrosebedingten Schmerzen, Knochen- und Gelenksveränderungen

und Beschwerden, die sich vor allem unter Kälteeinfluss verstärken, werden zwei

bestimmte Punkte angegeben. Die Punkte Blase 23 und Niere 7 wurden beim Mann

aus dem Eis exakt getroffen.

Auf Grund dieser Erkenntnisse kann durchaus angenommen werden, dass schon

3200 v. Chr. großes Wissen über die Akupunktur vorhanden war. Nicht nur die

einfachste Form der Akupunktur wurde praktiziert, sondern anscheinend auch die

konstitutionelle Form. Das Wissen darüber setzt jahrhundertelange Entwicklung und

Erfahrung voraus, was bedeuten würde, dass die Ursprünge der Akupunktur

wahrscheinlich noch viel weiter zurückreichen.

Nicht nur der Zeitpunkt der Anfänge der Akupunktur wird damit verschoben, sondern

auch der Ort der Entwicklung. Ob der Ursprung der Akupunktur ausschließlich im

fernen Osten liegt oder ob er weiter nach Europa verschoben werden muss, kann

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diskutiert werden. In jedem Fall wird der jungsteinzeitlichen mitteleuropäischen

Medizin durch diese Erkenntnisse ein wesentlich höherer Entwicklungsgrad

zuerkannt werden müssen als bisher angenommen (DORFER u. MOSER,

1998,1999).

Ein weiterer, weit zurückliegender Hinweis auf die Anfänge der Akupunktur

außerhalb Chinas stammt aus Ägypten.

3.1.2. Der Veterinärpapyrus Kahun LV.2

Der aus London stammende Ägyptologe Sir William Flinders Petrie (1853 – 1942)

wurde als Sohn eines Landvermessers und Ingenieurs geboren, der die Theorie

vertrat, dass Zoll und Fuß ursprünglich ägyptische Maßeinheiten waren. William

begleitete seinen Vater bei vielen seiner Projekte und entdeckte selbst sein Interesse

an der Ägyptologie. Bei seiner ersten Reise 1880 nach Ägypten widerlegte er durch

eine genaue Vermessung der Pyramiden von Gizeh die Theorie seines Vaters. In

den folgenden Jahren arbeitete Petrie überall in Ägypten, unter anderem auch in der

Arbeitersiedlung Medinet-Kahun bei El-Lahun (auch Lahun oder Kahun) (BARD,

1999).

Dort machte er in den Jahren 1888 und 1889 bei Ausgrabungen eine bedeutende

Entdeckung. Er fand zwei Dokumente, die später als der Medizin-Papyrus Kahun

VI.1 und der Veterinär-Papyrus Kahun LV.2 bekannt wurden.

Dieser Papyrus, auch Veterinärmedizinischer Papyrus von Kahun genannt, wird um

etwa 1800 v. Chr. datiert, er wurde also in der Zeit des Mittleren Reichs verfasst

(etwa 2137 bis 1781 v. Chr.). Nachweislich basiert er aber auf Vorlagen aus dem

Alten Reich (etwa 2707–2216 v. Chr.) und ist somit das älteste bekannte

veterinärmedizinische Literaturdokument der Menschheit.

Er ist zwar nur noch in Bruchstücken vorhanden und konnte bislang nicht vollständig

übersetzt werden, beinhaltet aber Reste eines Buches über Tierkrankheiten.

In dem Papyrus werden Fisch, Gans und Hund als Patienten erwähnt, am besten

erhalten und am ausführlichsten sind aber die Abschnitte über Rinderkrankheiten. Im

letzten Abschnitt wird zum Beispiel die Rinderseuche „uschau“ (Nagana) erwähnt

(Abb. 3) (WINKLE, 2003). Obwohl man nicht in der Lage ist, alle Krankheiten die der

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Papyrus abhandelt, exakt zu bestimmen, ist eine eindeutige Gliederung vorhanden.

Zunächst wird die Krankheit in einer Art Kurzdiagnose vorgestellt, danach werden die

Symptome beschrieben anhand derer man zu einer Diagnose gelangen kann. Als

Drittes erfolgt die Anweisung zur Therapie und zu guter Letzt folgt die

Prognosestellung.

Bemerkenswert an den therapeutischen Ansätzen ist, dass das Zufügen von

Schnitten an Nase und Schwanz erwähnt wird. Hierbei handelte es sich aber nicht

um einen Aderlass im herkömmlichen Sinne, sondern lediglich um das Ritzen ganz

bestimmter Hautpunkte aus denen dann einige Blutstropfen austraten. Diese

Behandlung könnte im Sinne eines Mikroaderlasses als eine Form der Akupunktur

betrachtet werden.

Auch das Eindrücken einer im Feuer erhitzten Tonscherbe an die Schläfe eines

erkrankten Rindes wird erwähnt. Dies könnte als Maßnahme zur Aktivierung der

Widerstandskraft gedeutet werden und könnte den gleichen Hintergrund haben wie

die Feuerakupunktur in der chinesischen Heilkunde, bei der die Akupunktur an

Tieren mittels einer glühenden Nadel (Feuernadel) durchgeführt wurde (PETERS u.

DRIESCH, 2003 u. WIKIPEDIA „Seite Medizinische Papyri aus Lahun“, 2011).

Auch FROEHNER (1934) beschreibt die Übersetzung der Anwendung von

glühenden Scherben: „…geschwollen ist und seine Augen zufallen, so lege um seine

Augen eine am Feuer erhitzte Scherbe, um die Triefäugigkeit zu vertreiben.“ Er gibt

aber an, dass Scherben vielfach als Träger von Zaubersprüchen und –formeln

verwendet wurden, was auch hier der Hintergrund gewesen sein könnte.

3.1.3. Eine tätowierte Mumie in Südperu

Einen weiteren Hinweis darauf, dass die Akupunktur schon sehr früh weit verbreitet

war liefern die Arbeiten von Maria Anna Pabst und ihren Kollegen an der

Medizinischen Universität Graz. Sie beschreibt darin eine 1000 Jahre alte Mumie, die

im Sand der Wüste bei Chiribaya Alta in Südperu gefunden wurde (MARCHANT,

2010; PABST et al., 2010). An dieser Mumie wurden zwei verschiedene Arten von

Tätowierungen gefunden. Die eine Gruppe, an Armen, Händen und am linken Bein,

beschreibt Pabst als dekorative Tätowierung, die Vögel, Affen, Reptilien und andere

Symbole zeigt (Abb. 4) Die zweite Gruppe befindet sich um den Nacken der Mumie,

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zeigt ein asymmetrisches Muster sich überschneidender Kreise und war wohl von

Haaren und Kleidung bedeckt (Abb. 5).

Die Tätowierungen wurden analysiert und Pabst entdeckte, dass für die Herstellung

verschiedene Ausgangsstoffe verwendet wurden. Für die Zeichen der ersten Gruppe

wurde vor allem Kohlenstoff (Ruß) eingesetzt. Bei den Zeichen der zweiten Gruppe

wurde allerdings ein ganz anderes Material verwendet – wahrscheinlich pyrolisiertes

Pflanzenmaterial (Pyrolyse: durch hohe Temperaturen bedingte thermo-chemische

Spaltung).

Das Bemerkenswerte an dieser Entdeckung ist, dass zum ersten Mal an ein und

derselben Mumie unterschiedliche Tätowierungsmethoden gefunden wurden.

Dies wird als starker Hinweis darauf angesehen, dass die verschiedenen

Tätowierungen aus unterschiedlichen Gründen angefertigt wurden. Pabst benützt in

diesem Zusammenhang folgende Formulierung: „If you use different materials, they

have different functions” (zit. nach MARCHANT, 2010).

Pabst und ihr Team glauben, dass die Zeichen im Nacken therapeutischen Zwecken

dienten, da sie nahe an chinesischen Akupunkturpunkten liegen, die einen

entspannenden und schmerzlindernden Effekt für den Nacken und den Kopfbereich

haben. Zusätzlich könnten die verwendeten Pflanzen einen medizinischen Zweck

gehabt haben (MARCHANT, 2010; PABST et al., 2010)

Diese historisch sehr interessanten Erkenntnisse ändern aber nichts an der

Tatsache, dass die Akupunktur im engeren Sinn außerhalb Chinas über sehr lange

Zeit nicht angewendet wurde und in Europa erst vor kurzer Zeit wieder zu einer

anerkannten Behandlungsmethode wurde.

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Abb. 2:

Tätowierungen im Bereich der

arthrotischen Lendenwirbelsäule

von „Ötzi – dem Mann vom

Hauslabjoch“. DORFER (2010)

Abb. 1:

Lokale Punkte in der Region des

arthrotischen rechten

Sprunggelenkes von „Ötzi – dem

Mann vom Hauslabjoch“. DORFER

(2010)

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Abb. 3:

Letzter Abschnitt des beschädigten Veterinärpapyrus-Kahun über die

Rinderseuche "uschau" (Nagana) aus dem 2. Jahrtausend v. Chr.

(WINKLE, 2003)

Abb. 4:

dekorative Tätowierungen an

Armen und Beinen einer Mumie

aus Südperu (MARCHANT, 2010)

Abb. 5:

Asymmetrische Muster im

Nacken einer Mumie aus

Südperu (MARCHANT, 2010)

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3. 2. VETERINÄRAKUPUNKTUR IN CHINA

3.2.1. Entwicklung in China

Die Angaben zur historischen Entwicklung der Akupunktur in China entsprechen,

soweit nicht anders zitiert, den Ausführungen von SCHOEN (2003).

Die Frühgeschichte der Akupunktur in der Veterinärmedizin ist vage, dennoch gibt es

interessante Spekulationen und Legenden darüber. Eine dieser Geschichten

berichtet darüber, dass im Krieg verletzte Pferde, nachdem sie an ganz bestimmten

Stellen von Pfeilen getroffen wurden, von bestimmten Leiden schneller geheilt

wurden. Diese Hypothese ist sehr spekulativ, erscheint aber immerhin vorstellbar.

Diese Beobachtungen sollen in weiterer Folge genauer erforscht worden sein, um

eine effizientere Form der Behandlung zu finden.

Es wird vermutet, dass schon im späten Neolithikum (3500–2800 v. Chr.) die ersten

Formen der Akupunktur auftraten. Es gab besondere zugespitzte Steinwerkzeuge,

bian, die vielleicht ursprünglich für eine primitive Form der Chirurgie verwendet

wurden, z.B. um Abszesse zu öffnen und den Eiter abfließen zu lassen. Auf diesem

Wege könnte festgestellt worden sein, dass der Einstich an ganz bestimmten

Punkten einen Effekt auf verschiedenste Krankheitsbilder hat (UNSCHULD, 1985).

Chinesische Medizinhistoriker betrachten den Arzt Bian que als den ersten

dokumentierten Akupunkturanwender, der im 6. vorchristlichen Jahrhundert eine

Form der Ein-Nadel-Akupunktur anwendete (POLLMANN, 2002).

In der Frühling-Herbst Periode (677-476 v.Chr.) der Zhou-Dynastie verfasste ein

Militärgeneral namens Sun-Yang (auch bekannt als Bai-le) den „Kanon der

Veterinärmedizin“. Es gibt Legenden, dass er sehr versiert in der

Akupunkturbehandlung von Tieren war und er gilt als Vater der chinesischen

Tiermedizin.

Der älteste bekannte schriftliche Hinweis und somit der Nachweis der Anwendung

von Akupunktur wurde während der Han-Dynastie (200 v. Chr. bis 200 n.Chr.)

verfasst. Das Huangdi Neijing war ein Grundlagentext der Humanmedizin mit

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18

Einfluss auf Veterinärakupunktur und Moxa-Therapie und liegt auch in deutscher

Übersetzung vor (Innerer Klassiker des Gelben Kaisers).

Dieses Werk besteht aus 81 Abhandlungen, die zu zwei Büchern zusammengefasst

wurden. Das Su Wen behandelte grundlegende Fragen zu Physiologie, Morphologie,

Pathologie, Diagnose und Prävention von Krankheiten. Das Ling Shu hingegen

beschreibt die klinischen Anwendungen von Akupunktur und Moxibustion und

beschäftigt sich mit der Lage der Akupunkturpunkte und der Meridiane.

Der Ursprung des Huangdi Neijing ist nicht vollkommen geklärt, es wird aber

angenommen, dass es sich um eine Sammlung von Texten von verschiedenen

Autoren handelt.

Fortschritte in der Metallurgie machten es zu dieser Zeit auch möglich, feine, dünne

Akupunkturnadeln aus Stahl herzustellen.

Nach der Zeit der Han-Dynastie (also nach 220 n. Chr.) entwickelten sich in China

zwei verschiedene Richtungen der Medizin. Die eine war vergleichbar mit der

westlichen Medizin, befasste sich mit Pharmakologie und hatte nur wenig Bezug zu

den traditionellen Theorien.

Die andere befasste sich mit den Theorien, die im Westen als traditionelle

chinesische Medizin bekannt sind.

Zwei weitere wichtige Werke aus der Han-Dynastie sind noch zu nennen, das eine ist

das Nan Jing, der „Klassiker der Problematik“. Darin werden die Theorien von

Meridianen und Punkten vorgestellt, sowie die Therapie mit Nadeln. Weiters werden

die Ätiologie und die Diagnose von Krankheiten kommentiert.

Das zweite ist das Shang Han Lun, der „Systematische Klassiker der Akupunktur und

Moxa-Therapie“ von Zhang Zhong-Jing. Dieses Werk ist zu einem der klinischen

Grundlagenwerke für die Pharmakologie im Bereich der klassischen chinesischen

Medizin geworden. Es enthält neben den pharmakologischen Aspekten Anleitungen

für die Akupunktur- und Moxatherapie und Hinweise auf die Kräuterheilkunde.

Etwa hundert Jahre später während der West-Jin-Dynastie (265-316 n. Chr.) wurde

das Zhenjiu Jiayi-Jing, der „Klassiker der Akupunktur und Moxa-Therapie“, von

Huang-Fu-Mi verfasst.

Aus diesem Werk stammt ein in Akupunkturkreisen häufig zitierter Satz (zit. nach

SCHOEN, 2003): „Ein guter Arzt behebt die Störung, bevor sich eine Erkrankung

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entwickelt hat, ein durchschnittlicher Arzt setzt Akupunktur ein bevor die Krankheit

ihren Höhepunkt erreicht hat und ein schlechter Arzt behandelt den Patienten wenn

die Krankheit bereits im Abklingen ist“.

Diese Worte illustrieren den hohen Stellenwert der Prophylaxe in der chinesischen

Medizin.

Der nächste äußerst wichtige Abschnitt für die Veterinärmedizin ist die T‘ang-

Dynastie (618-907 n. Chr.). Zu dieser Zeit erfolgte die Organisation der

medizinischen Ausbildung, 618 n. Chr. wurde das kaiserliche medizinische Kolleg

gegründet, dem folgte die Gründung von zahlreichen Universitäten und ähnlichen

Einrichtungen.

Es entwickelte sich eine ausgereifte tiermedizinische Behandlungsform, über die Li

Shi das Si-mu An-ji Ji, die „Sammlung von Pflege- und Behandlungsmethoden für

Pferde“, verfasste. Das Buch befasst sich mit 72 verschiedenen Krankheiten und gibt

Behandlungsmethoden mit Kräutern und Akupunktur, inklusive Diagrammen von

Akupunkturpunkten, an.

Während der Song-Dynastie (960-1279 n. Chr.) wurde der Hofarzt Wang Wie-Yi

damit beauftragt das Wissen über die Akupunktur und die Meridiane zu verifizieren

und zu überarbeiten. Er lokalisierte 359 Punkte entlang von 14 Meridianen und gab

für jeden der Punkte die Indikationen und die Nadeltiefe an. Er entwickelte ebenfalls

die Ausbildung der Akupunkturärzte weiter und entwickelte Methoden um ihr Können

und Wissen zu überprüfen.

In der Zeit der Ming Dynastie (1368 bis 1644 n. Chr.) lebten zwei Brüder, die als

Tierärzte berühmt waren. Während 60 Jahren schrieben sie ein Buch über die

Behandlung von Pferden mit dem Titel „Liaomaji“. Dieses große Lebenswerk stellt

eine Zusammenfassung der damaligen Veterinärmedizin in China dar und enthält

auch eine Darstellung von Meridianen in Form von Meridianpunkten (KOTHBAUER

u. MENG, 1983).

Den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichte die Akupunktur in China am Ende des 16.

Jahrhunderts. Forschung, Ausbildung, klinische Errungenschaften und Bearbeitung

und Kommentierung von früheren Werken waren zu dieser Zeit voll entwickelt.

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20

3.2.2. Verbreitung in andere Länder

Während der Zeit der T‘ang-Dynastie wurde das medizinische und

veterinärmedizinische Wissen aus China in andere Länder exportiert. Die

buddhistische Missionstätigkeit brachte die Einführung von Akupunktur in andere

Länder mit sich, da Texte über diese Behandlungsmethode nach Korea, Japan und

in Teile von Südostasien mitgebracht wurden.

Im 17. Jahrhundert kamen zahlreiche jesuitische Missionare aus Europa nach China.

Es kam zu einem Austausch des medizinischen Wissens, Berichte über Akupunktur

drangen bis nach Europa vor.

Die stärkste Verbreitung erlebte die chinesische Medizin aber im 19. Jahrhundert. Zu

dieser Zeit kamen zahlreiche Ärzte aus dem Westen und amerikanische

Missionsärzte an den Vertragshäfen der Ostindischen Kompanie ins Land, während

des Opiumkrieges (1839-1842) auch britische Militärärzte.

Ein wichtiges Ereignis für die Weiterentwicklung der Akupunktur war die Reise des

damaligen US Präsident Richard Nixon nach China im Jahr 1972. Er rückte nicht nur

die politische Lage, sondern auch die hoch entwickelten Wissenschaften des Landes

in den Blick der Weltöffentlichkeit. Er brachte das Wort Akupunktur mit und auch

Berichte darüber, unter anderem auch über Operationen an Menschen, die unter

reiner Akupunkturanalgesie durchgeführt wurden.

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3.3. VETERINÄRAKUPUNKTUR IN EUROPA VOR DEM 20. JAHRHUNDERT

3.3.1. Vor dem 17. Jahrhundert?

Schon in vorchristlicher Zeit bestand zwischen Europa und China eine Beziehung.

Ein Netz von Karawanenstrassen, die Seidenstrasse, verband schon im 2.

Jahrhundert vor Christus das Mittelmeer mit Ostasien (KOTHBAUER, 1992).

Eine Blütezeit erlebten die Seidenstraßen während der T’ang Dynastie (600 - 900 n.

Chr). In dieser Zeit erlebte auch die Pferdezucht in China einen markanten

Aufschwung und die erste Schule für Veterinärmedizin wurde gegründet. Es wurden

die Grundlagen der klassischen Akupunkturlehre, die Einteilung in Meridiane und die

Yin/Yang-Lehre entwickelt (PETERMANN, 2004).

Neben den Verbindungen über die Seidenstraßen und über andere Landwege waren

es auch die Schiffsrouten zwischen China und Indien (um 130 v. Chr.) und noch

früher Schiffsrouten zwischen Indien und Griechenland, über die Informationen und

Güter in den Mittelmeerraum gelangen konnten.

Gewiss nicht beweisbar, aber durchaus im Bereich der Möglichkeiten, ist es, dass

dadurch bestimmte Kenntnisse über Akupunktur bei Tieren auch bis nach Europa

verbreitet werden konnten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

Etwa vom 3. Jahrhundert n. Chr. an haben chinesische Hochseeschiffe Ceylon

erreicht und gewiss auch einiges Wissen über die Veterinärakupunktur vermittelt.

Wie aus einem ca. 500 n. Chr. datierten ceylonesischen Palmblatt-Akupunkturbuch

hervorgeht, war die Veterinärakupunktur zu dieser Zeit bereits in Ceylon (dem

heutigen Sri Lanka) bekannt. Bilder darin zeigen Menschen und auch Tiere mit

dargestellten Akupunkturpunkten (Abb. 6).

Wenn man davon ausgeht, dass wahrscheinlich erste Informationen über die

Akupunktur über den Mittelmeerraum nach Europa gelangten, ist es daher nicht

überraschend, dass bereits zur Zeit der Römer schriftliche Aufzeichnungen

existierten, die etwas mit Akupunktur zu tun gehabt haben könnten (KOTHBAUER u.

MENG, 1983).

In der freien Enzyklopädie Wikipedia wird zum Thema „ Römisch-chinesische

Beziehungen“ 2011 angegeben, dass die erste protokollierte Gesandtschaft,

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angeblich entweder vom römischen Kaiser Antoninus Pius oder von seinem

Nachfolger Mark Aurel entsandt, 166 n. Chr. China erreicht hat.

Es ist auch bekannt, dass um 226 n. Chr. eine offizielle römische Gesandtschaft

einen Kaiser der Shu-Dynastie in Nanking besucht hat (KOTHBAUER u. MENG,

1983).

Eines der ältesten erhaltenen römischen Tierheilkundebücher ist das X. Buch der

"Mulomedicina Chironis", welches um 400 nach Christi Geburt verfasst wurde.

Chiron war neben Pelagonius und Vegetius einer von drei wichtigen

tiermedizinischen Schriftstellern im römischen Westreich. Chiron, der Kentaur, galt

zwar von jeher als Vater der griechischen Rossarznei, seine Rolle als Schriftsteller ist

aber eher anzuzweifeln, deshalb ist wohl davon auszugehen, dass Chiron im Falle

der Mulomedicina ein Pseudonym war und der Autor selbst unbekannt bleibt

(SACKMANN, 1993).

In dem Buch werden Methoden beschrieben, bei denen an ganz bestimmten Zonen

ein Mikroaderlass zur Behandlung verschiedener Krankheiten bei Pferd und Rind

durchgeführt wird. In dem Buch werden Angaben zu Aderlassstellen an Nase, Zunge,

Unterlippe und zwischen den Ohren von Pferd und Rind gemacht, die uns bekannten

Akupunkturpunkten entsprechen (ENDERLE, 1975).

Die erste Erwähnung von chinesischer Medizin in westlicher Literatur stammt aus

dem 13. Jahrhundert. Der holländische Franziskanermönch und Forschungsreisende

William von Rubruck (1220 n. Chr. – 1293 n. Chr.) berichtet in seinem Reisebericht

auch über Akupunktur, die westliche Welt wurde sich dieser Behandlungsform aber

erst einige Jahrhunderte später bewusst (RAMEY u. BUELL, 2004).

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Abb. 6:

Akupunkturpunkte bei Tieren aus einem etwa 1500 Jahre alten

ceylonesischen Palmblatt – Akupunkturbuch (KOTHBAUER u. MENG, 1983)

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3.3.2. 17. Jahrhundert

Einen Hinweis auf die Anwendung von Akupunktur in der Tiermedizin zu dieser Zeit

geben Kupferstiche von Pferden, auf denen Aderlassstellen eingezeichnet wurden,

die sogenannten „Lassrösslein“ (Abb.7). Einige dieser Abbildungen geben genau an,

bei welcher Krankheit welcher Punkt zum Aderlass gewählt werden soll.

Bemerkenswert ist, dass diese Punkte zum Teil exakt mit den Punkten zur

Körperakupunktur beim Tier übereinstimmen (ZOHMANN u. DRAEHMPAEHL,

1998).

Abb. 7:

Lassrösslein mit 100 eingezeichneten Aderlassstellen,

Kupferstich um 1630 (PETERS u. DRIESCH, 2003)

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Die überwiegende Zahl dieser Aderlassstellen sind bei lokalen Krankheitsprozessen

zur Therapie genützt worden. Es handelt sich dabei vornehmlich um die einfache

Akupunktur, das sog. "Locus dolendi-Stechen", beim Pferd (KOTHBAUER u. MENG,

1983).

Die ersten genaueren Hinweise auf das Nadelstechen wurden in Europa bereits zu

Beginn des 17.ten Jahrhunderts durch die Berichte des portugiesischen

Forschungsreisenden Fernão Mendes Pinto (Abb. 8) publiziert (KOTHBAUER u.

MENG, 1983).

Fernão Mendes Pinto (1509-1583)

Der portugiesische Entdecker und Schriftsteller besuchte im Zuge

seiner Reisen den Mittleren und Fernen Osten, Äthiopien, das

Arabische Meer, Indien, Japan und China. Seine Reise begann im

Jahr 1537 und endete erst 21 Jahre später mit seiner Rückkehr

nach Portugal. In der posthumen Veröffentlichung seiner

Memoiren „Pilgerreise“ (Peregrinação) geht es zum einen um eine

geistige Reise, Religion, moralische Betrachtungen zum

Kolonialismus, Prüfungen und Mühen der Reise, aber auch um

detaillierte Berichte über das asiatische Leben (CATZ, 1991).

In seinen Reiseberichten wird auch die Anwendung von Akupunktur erwähnt, die er

auf seinen Reisen beobachtet hat (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

Jakob De Bondt (1592-1631)

Eine weitere sehr frühe schriftliche Erwähnung von Akupunktur in Europa stammt

von dem Holländer Jakob de Bondt. Er war als Arzt bei der ostindischen

Handelskompanie beschäftigt und berichtet über die Akupunkturlehre, die er in Japan

kennengelernt hat. Seine Aufzeichnungen, veröffentlicht 1658 unter dem Namen

„Historiae naturalis&mediacae indiae“, berichten auch schon über Indikationen und

die Art der Anwendung (BARNES, 2005).

Abb. 8: Fernão

Mendes Pinto

(WIKIPEDIA „Fernão

Mendes Pinto“, 2011)

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Placide Harvieu (1671-1746)

1671 übersetzte Harvieu, ein jesuitischer Mönch, eine Arbeit über Akupunktur

erstmals ins Französische, nachdem er aus Macao und Beijing nach Frankreich

zurückgekommen war.

Der Franzose schrieb das Buch: “The Secrets of Chinese Medicine and the Perfect

Knowledge of the Pulse, brought from China by a Respected Frenchman”

(SCHIPPERS, 1993).

Andreas Cleyer (1634 – 1697/98)

Der aus Kassel stammende Arzt der Niederländisch-Ostindischen Kompanie,

veröffentlichte zwischen 1680 und 1686 vier Schriften, die sich unter anderem mit der

Akupunktur befassen. Eine erhaltene Schrift lautet „Specimen medicinae sinicae,

(sive) opuscula medica ad mentem Sinesinum“ und stützt sich laut HUARD und

WONG (1968) auf das Huang-ti Nei-ching.

1682 publizierte Cleyer das lateinische Buch „De Pulsibus libri quatuor e Sinico

translati“. Dieses Buch ist eine Übersetzung des chinesischen Buches Mai-chüeh

und befasst sich mit der Pulsdiagnose der Ming-Zeit (UNSCHULD, 1989).

Besonders auffällig in den Werken von Cleyer ist, dass er versucht, chinesische

Begriffe in die lateinische Sprache zu übertragen, zum Beispiel gibt er das

chinesische Wort „Qi“ mit dem lateinischen Begriff „spiritus“ wieder (SCHIPPERS,

1993).

Willem ten Rhyne (1647-1700)

1683 n. Chr. publiziert Willem ten Rhyne (Abb. 9), ein holländischer

Arzt der bei der Ostindischen Handelkompanie tätig war, ein

lateinisches Buch mit dem Titel: „Dissertatio de Arthride: Mantissa

Schematica de Acupunctura“. Dieses Buch wurde in London und Haag

veröffentlicht, in mehreren Auflagen gedruckt und 1692 auch ins

Deutsche übersetzt (MICHEL, 1989).

Mit diesem Werk lieferte ten Rhyne die ausführlichsten und

wichtigsten Daten zum Beginn der europäischen

Akupunkturgeschichte. Er erwähnte als erster Europäer das Wort

Abb. 9:

Willem ten Rhyne

(WIKIPEDIA „Willem ten

Rhijne“, 2012)

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„acupunctura“. Bis zu diesem Zeitpunkt war Akupunktur nur umschrieben worden.

Außerdem enthält seine Arbeit Abbildungen von Akupunkturpunkten und

Meridianverläufen beim Menschen, sowie die Abbildung einer japanischen

Metallnadel und eines dazugehörigen Hämmerchens (Abb.10) (SCHIPPERS, 1993).

Das Buch enthält am Schluss zusammengefasste Auszüge, unter anderem auch

über die Akupunkturbehandlung unter dem Titel "Der Chinesen und Japaner Manier,

wie selbige alle Krankheiten durch das Moxa-Brennen und Guldene Nadel=Stechen

vollkommen curiren".

Ten Rhynes Meinung von der ostasiatischen Medizin geht aus folgendem

Originalzitat deutlich hervor: „Die Moxa ist bey denen Chinesen und Japanern nicht

alleine im Gebrauch, sondern auch das Stechen mit einer Nadel. Ihre Chirurgische

Curen geschehen mehrentheils vermittelst des Nadel=Stechens und Moxa=Brennen,

dann in diesen beyden bestehet beynahe ihre ganze Kunst.“ (zit. nach MICHEL,

1989).

Abb.10: Akupunkturhämmerchen und Nadel für die sogenannte

„Schlagnadelung“ aus Dissertatio de Arthride: Mantissa Schematica de

Acupunctura von Willem ten Rhyne (WIKIPEDIA „Willem ten Rhijne“, 2012)

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Engelbert Kämpfer (1651-1716)

Der deutsche Arzt war ebenfalls Mitglied der Niederländisch-Ostindischen Kompanie

und reiste unter anderem nach Ceylon, Japan und Siam. In seinem Reisebericht

zeigt Kämpfer Abbildungen von Akupunkturpunkten und Nadeln (SCHIPPERS,

1993).

Während seiner Reisen traf Kämpfer sowohl auf Andreas Cleyer als auch auf Willem

ten Rhyne. Es wäre verwunderlich wenn bei den Treffen der drei Ärzte nicht auch

über die östliche Heilkunde gesprochen worden wäre. Spätestens nach seiner

Rückkehr nach Europa las er ten Rhynes „Dissertatio de Arthride: Mantissa

Schematica de Acupunctura“ und benutzte das in diesem Buch geprägte Wort

„acupunctura“ für sein eigenes Werk „Curatio Colicae per Acupuncturam, Japonibus

usitata“ (MICHEL, 1983).

Informationen über Akupunktur bei Tieren sind in diesen frühen Berichten noch nicht

enthalten. Dies führte zu einer Verzögerung der Anwendung im Veterinärbereich und

später auch zu einer unqualifizierten Anwendung und einer Technik die mehr auf

Experimentierfreudigkeit als auf Wissen beruhte.

Weil keine Informationen aus erster Hand über die Akupunktur bei Tieren von China

nach Europa gelangten, konnten sich die ersten Anwender in der Veterinärmedizin

nur an den Berichten von Ten Rhyne beziehungsweise an den laienhaften

Versuchen ihrer damaligen europäischen Humankollegen orientieren (SCHIPPERS,

1993).

Im 17. Jahrhundert wurde die Akupunktur besonders in Frankreich für kurze Zeit

beliebt, geriet jedoch bald wieder in Vergessenheit, bis sie Anfang des 19.

Jahrhunderts von dem Pariser Arzt Dr. Louis Berlioz wieder aufgenommen wurde.

Zu diesem Zeitpunkt erfolgte auch schon eine Übertragung in die Tierheilkunde

(VOGEL, 1891).

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3.3.3. 19. Jahrhundert

Basierend auf den Arbeiten von M. Dujardin (1774) und Felix v. Vicq d’Azyr (1787)

begann Dr. L. Berlioz 1809 die Akupunktur in der Praxis anzuwenden und führte

auch zahlreiche klinische Versuche durch (HEMPEN, 2005). Er setzte die

Akupunktur in erster Linie zur Schmerztherapie ein, beobachtete aber auch schon

Allgemeinreaktionen. Aus diesen Versuchen resultierte 1810 die erste dokumentierte

Anwendung von Akupunktur in Europa, im Zuge der er an der Pariser Schule der

Medizin eine junge Frau behandelte, die an Bauchschmerzen litt. Die Pariser

Medizinische Gesellschaft beschreibt diese Art der Behandlung als „ziemlich

leichtsinnig“ („somewhat reckless“), Berlioz ließ sich aber nicht entmutigen und setzte

seine Bemühungen um die Akupunktur fort.

1823 wird Akupunktur in der ersten Ausgabe der Zeitschrift „The Lancet“, der ältesten

medizinischen Fachzeitschriften der Welt, erwähnt (BAI, 2009).

1824 übersetzte J. Wagner den Aufsatz "A Treatise on Acupuncturation" des

Engländers James M. Churchill ins Deutsche – die erste bekannte Veröffentlichung

zum Thema Akupunktur in unserer Sprache (HEMPEN, 2005).

1828 wird zum ersten Mal in England eine eigene Arbeit über Tierakupunktur in „The

Veterinarian“ veröffentlicht. In dem anonymen Bericht mit dem Titel „On

Acupuncturation in Veterinary Practice“ werden die Autoren Prevost, Bouley und

Chiley erwähnt und deren Versuche im Bereich der Veterinärakupunktur abgehandelt

(JANSSENS, 1981).

Der später erschienene Aufsatz des Genfer Tierarztes Charles PREVOST aus dem

Jahr 1833 ist eine deutschsprachige Übersetzung eines zuvor in französischer

Sprache verfassten Artikels, der bereits 1826 im „Journal Pratiqe de Médecine

Vétérinaire“ abgedruckt wurde und 1828 in „The Veterinarian“ Berücksichtigung fand

(SCHIPPERS, 1993).

Im Jahre 1836 schreibt ein französischer Tierarzt namens Flammens über die

Akupunkturbehandlung einer gelähmten Kuh (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

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30

Eine literarische Quelle aus dem späten 19. Jahrhundert stammt von Dr. Eduard

Vogel. In einer Neuauflage von "Hering`s Operationslehre für Tierärzte" beschreibt

der Deutsche 1891 die Akupunktur und Elektropunktur bei Tieren.

Vogel meint, dass durch Einstechen von Metallnadeln durch die Haut in die

unterliegenden Gebilde, insbesondere in die Muskulatur, zunächst nur ein

mechanischer Reiz ausgeübt wird. Dieser Reiz soll die kontraktilen Fasern und die

Nervenzellen anregen und lediglich der Anwesenheit eines fremden Körpers

zuzuschreiben sein. Galvanische oder chemische Reize fänden nach damaligen

neuesten Untersuchungen nicht statt. Außerdem soll die mechanische Wirkung nach

praktischen Erfahrungen sehr gering sein und nachdem sich das Gewebe schnell

daran gewöhnt hat auch schnell vorüber sein.

Anders schätzt er die Wirkung ein, wenn gleichzeitig mit den Akupunkturnadeln

stärkere Reizmittel eingeführt werden, wie zum Beispiel scharfe Stoffe oder ein

entsprechend starker elektrischer Strom. In ersterem Fall soll durch die Erzeugung

einer entzündlichen Reaktion mehr „Tätigkeit und Innervation“ hervorgerufen werden

können. Bei Verwendung von galvanischen Strömen sollen auch gewisse

Molekularveränderungen und eine chemische Zersetzung der Gewebssäfte oder

pathologischer Produkte stattfinden. Das soll dazu führen, dass infolge der direkt in

die erkrankten Organe geleiteten verstärkten Reize oder durch die erwähnten

elektrolytischen Vorgänge lähmungsartige Zustände zur Besserung oder Heilung

gelangen können. Die ersten Effekte der Behandlung sollen sich durch örtliche

Schwellung, Empfindlichkeit und pulsförmige Bewegungen der Muskulatur zwischen

den Nadeln zeigen.

Die Akupunkturnadeln beschreibt Vogel folgendermaßen (Abb.11): Sie bestehen aus

poliertem, ausgeglühtem Stahl und sind mit einem Knopf oder einem Ring

versehen. Sie müssen stark und spitz genug sein und werden daher in der Regel

lanzenförmig angeschliffen. Ihre Länge ist unterschiedlich und wechselt zwischen 5

und 15cm, die Dicke geht nicht über die einer normalen Stricknadel hinaus. Je nach

der räumlichen Ausdehnung des Leidens und dessen Intensität braucht man eine

größere Anzahl, häufig 30-50 Stück.

Das Einstechen in die Haut geschieht entweder mit der Hand oder, falls die Haut wie

besonders bei Rindern oder Hunden Schwierigkeiten bereitet, unter Zuhilfenahme

eines Holzes oder Hammers, wobei die Haut mit den Fingern angespannt wird. Vogel

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31

weist darauf hin, dass das Einbringen der Nadeln meist mit einer erheblichen

Beunruhigung der Tiere einhergeht und man sich deswegen in Acht nehmen sollte.

Als Applikationsort empfiehlt auch Vogel den Sitz des Leidens oder die nächste

Nähe. In erster Linie kommen Backen, Schulter, Rücken, Kruppe und Becken in

Frage, wo auch eine dickere Lage von Weichteilen vorhanden ist. Laut Vogel soll

auch das Einstechen in Gehirn, Herz, Lungen oder Arterien keine wesentlichen

Nachteile hervorrufen.

Die Nadeln sollen in geregelten Haufen oder Reihen beieinander positioniert werden

und voneinander Abstände von wenigen Zentimetern haben (VOGEL, 1891).

3.3.4. 19. Jahrhundert in Österreich

3.3.4.1. Anton Hayne (1786 – 1853)

Die erste schriftliche Erwähnung von Akupunktur in der Veterinärmedizin in

Österreich stammt aus dem Jahr 1833 (SCHREIBER, 2004). Der Verfasser war

Anton Hayne, ein angesehener Wissenschaftler und Veterinärmediziner in

Österreich. 1811 wurde er „Correpetitor“ am „Thierarzney-Institute“ in Wien und 1813

Professor der Tierheilkunde am Lyceum in Olmütz. 1820 war er in Laybach

Landestierarzt und im selben Jahr wurde er öffentlicher Professor der speziellen

Pathologie und Therapie am k. k. Thierarzney-Institut zu Wien (SCHIPPERS, 1993).

Er war bis 1852 als Lehrer und Forscher am Thierarzney-Institut in Wien tätig.

Während seiner dreißigjährigen Professur war Hayne stets auf der Suche nach

wissenschaftlicher Wahrheit, die in seiner Lehrtätigkeit und zahlreichen Publikationen

ihren Ausdruck fand. Als Wegbereiter wissenschaftlicher Tierheilkunde machte

Hayne Anfang der dreißiger Jahre Versuche an Pferden, um die therapeutische

Wirksamkeit der Akupunktur zu bestätigen (SCHREIBER, 2004).

Hayne veröffentlichte eine Vielzahl an Studien und Arbeiten, von denen mindestens

drei die Akupunktur behandelten bzw. erwähnten (SCHIPPERS, 1993).

1833 veröffentlicht Hayne die kurze Abhandlung „Bemerkungen und Erfahrungen

über Acupunktur in thierärztlicher Beziehung“, publiziert in: "Medizinische

Jahrbücher des K. k. Österreichischen Staates, im Jahre 1833" (HAYNE, 1833).

.

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32

In dieser Abhandlung gibt er an, dass die Vielzahl an positiven Berichten in den

humanmedizinischen Zeitschriften Anlass für ihn war, diese Heilmethode auch an

Tieren anzuwenden. Die Krankheitsformen, die sich seiner Meinung nach am

meisten zu eignen schienen, waren chronische Entzündungen. Dazu zählte er die

Schulter,- Bug,- Hüft- und Kreuzlähme, sowie mit Beschränkung auch den

Starrkrampf, sowie den so genannten Sehnenklapp (chronische Entzündung der

Beugesehnenscheide des Hufbeines) (SCHREIBER, 2004).

Als besonderen Vorteil der Akupunktur sieht er, dass diese Behandlungsweise keine

Spuren hinterlässt, die die betreffenden Tiere entstellen und dadurch mehr oder

weniger entwerten, selbst dann wenn keine günstigen Wirkungen eintreten. Das

steht im Gegensatz zu den damals für diese Krankheitsbilder angewandten

Behandlungsmethoden wie Revellentien, scharfen Einreibungen, Eiterbändern oder

Behandlungen mit glühenden Eisen.

Hayne gibt auch eine Anleitung zur Anwendung der Akupunkturnadeln. Zwei bis drei

Zoll (5,08cm – 7,6cm) lange, stählerne Nähnadeln sollen hinreichend tief

eingestochen werden und ein bis acht Tage nicht so sehr in als zunächst über dem

leidenden Teil stecken bleiben. Die Nadeln werden aus Vorsicht durch Fäden

verbunden, falls sie, wie es zuweilen der Fall ist, selbstständig tiefer eindringen. Die

dadurch mehr oder weniger heftigen entzündlichen Anschwellungen sollen in

günstigem Falle eine mehr oder weniger vollständige Heilung des zu bekämpfenden

Leidens zur Folge haben. Daraufhin werden die Nadeln an den zu einer Schlinge

verknüpften Fäden wieder herausgezogen. Für den Fall dass die Nadeln durch eine

eintretende Anschwellung herausgehoben werden, schreibt Hayne dass eine

neuerliche Applikation erforderlich ist, die aber durch die Unruhe des Tieres und den

Widerstand der Haut bzw. des Fleisches nur schwer erfolgen kann, was

entsprechende Nadelhalter notwendig macht.

Sonst lassen sich laut Hayne in Bezug auf Applikation der Nadeln noch keine Regeln

festsetzen. Die Tiefe, Anzahl, Größe, Form und Material der Nadeln, sowie an

welcher Stelle sie eingestochen werden sollen, müsse erst durch weiteren Gebrauch

ermittelt werden, wozu er an dieser Stelle auch ermuntert.

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33

Weiters warnt Hayne davor, diese Methode als Allheilmittel zu betrachten, weil dann

das Gute was es leistet übersehen werden könnte, oder die Methode ihren guten Ruf

verlieren könnte.

In weiterer Folge beschreibt Hayne einige der Fälle die er mit Akupunktur behandelt

hat, an erster Stelle steht hier die Erkrankung eines neun Jahre alten Reitpferdes an

Tetanus. Das Pferd zeigte eine vollständige Maulsperre, eine Pulsfrequenz von

60/min, eine Atemfrequenz von über 60/min, Starrheit und Unbeweglichkeit über der

gesamten Skelettmuskulatur, sowie Ängstlichkeit und Schweißausbruch. Da sonstige

denkbare Verfahren als unzureichend erachtet wurden, wurden Nadeln in Kau,- Hals-

und Rückenmuskulatur bis an die Knochen eingestochen und zwei Tage lang

stecken gelassen, worauf nach und nach eine Besserung der Symptome eintrat und

die Genesung zwar langsam, aber ohne den Gebrauch anderer Mittel eintrat. Diesen

Behandlungserfolg relativiert Hayne aber in den nächsten Zeilen, indem er

beschreibt, dass in anderen Tetanusfällen der Behandlungserfolg weniger günstig

war.

Ein anderer Fall betrifft ein auch heute noch schwer zu bekämpfendes Leiden, die so

genannte Kreuzlähme (Mal de Caderas, eine durch Trypanosoma equinum

ausgelöste Parasitose mit neurologischen Symptomen, typisch ist das Einknicken der

Hinterbeine). Hayne beschreibt, dass es durch Heilungsversuche wie etwa durch

scharfe Einreibungen, künstliche Geschwüre der Moxa oder durch Glüheisen nur

sehr wenige Teilerfolge, aber keinen Fall der vollständigen Heilung gab. Aus diesem

Grund wurde bei einem 15 Jahre alten Zugpferd, das in höherem Grad kreuzlahm

war, ein Versuch zur Heilung durch Akupunktur durchgeführt, und zwar auf folgende

Weise: Es wurden 2 ½ Zoll (6,35 cm) lange stählerne Nadeln zur Seite der

Processus spinosi der Lendenwirbel in etwa 2 Zoll (5cm) tief eingestochen und bis zu

zehn Tagen lang dort belassen. Daraufhin kam es an diesen Stellen zu

entzündlichen Anschwellungen und später teilweise auch zu Eiterung. Nach dieser

Behandlung wurde der Gang kräftiger, das Schwanken und die Empfindungslosigkeit

verschwanden zusehends. Vier bis fünf Wochen nach der Behandlung konnte ein

Mann ohne Probleme das Pferd reiten, wodurch es als wieder gesund eingestuft

wurde.

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Laut Hayne ist die positive Wirkung der Akupunktur noch deutlicher bei der so

genannten Schulter-, Bug- und Hüftlähme, sowie beim Sehnenklapp.

Hayne bemerkte, dass die Durchführung weiterer Versuchsreihen die Erweiterung

der Indikationen lehren werde. Die noch unbekannten Wirkmechanismen wurden den

„revellierenden Kräften“ oder vielleicht einem elektrisch-galvanischem Prozess

zugesprochen, wobei zukünftige Erfahrungen diese schon aufklären würden

(SCHREIBER, 2004).

Professor Kothbauer, einer der Begründer der modernen österreichischen

Veterinärakupunktur, bemerkte, dass Haynes „tastende Therapieversuche an

Pferden mit Bewegungsstörungen wahrscheinlich zu den ersten Anwendungen von

Akupunktur bei Tieren an einer öffentlichen Lehrstätte in Österreich zählten“

(KOTHBAUER, 1999).

Ebenfalls im Jahr 1833 wird von Hayne das Buch „Theoretisch-praktische

Darstellung der in der Tierheilkunde bewährten diätetischen pharmaceutischen und

chirurgischen Heilmittel“ veröffentlicht. In dem Kapitel „Nadelstiche (Acupunctura)“

beschreibt Hayne die Behandlung zweier Pferde gegen Starrkrampf und Hüft- bzw.

Kreuzlähme. Sehr interessant sind auch einige Bemerkungen Haynes zum Thema

Akupunktur, die seine Erkenntnisse und seine Erwartungen zum Thema Akupunktur

bei Tieren wiedergeben. Schon damals erkannte er das Problem, dass meist erst

nach Versagen der üblichen Therapien die Akupunktur als Therapiemöglichkeit in

Betracht gezogen wird, und deswegen oft keinen Heilungserfolg erreichen kann.

Dazu bemerkt er (zit. nach SCHREIBER, 1993): „… größtentheils machte man aber

damit dann erst einen Versuch, wo alle sonstigen Mittel nach langem und

wiederhohltem Gebrauche fruchtlos blieben; daher auch die Nadelstiche nicht viel,

auch gar nichts leisteten, allein deßwegen den Vorwurf, als ob sie nirgends etwas

leisten könnten, auch nicht verdienen, weil sonst dieses jedes der bekannten

Heilmittel treffen müßte.“

Auch seine Sympathie für China machte Hayne deutlich, obwohl er seine Kenntnisse

wohl nur aus zweiter Hand und nicht durch eigene Auslandsreisen erwarb (zit. nach

SCHREIBER, 1993): „Zwar möchte es bey näherer Überlegung scheinen, daß eine

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35

neue Verletzung des ohnehin beleidigten Gebildes das Leiden steigern müßte, und

nur in China so etwas Widersprechendes in Anwendung kommen könne: indessen

darf man dieses Verfahren in jenen Ländern nicht zu gering achten, weil viele, ja die

wichtigsten Erfindungen, die man den Europäern zuschreibt, angeblich schon seit

undenklichen Zeiten dort sollen bekannt gewesen seyn.“

Am Schluss seines Kapitels über Akupunktur finden sich Haynes Auswertungen

seiner Forschungen (zit. nach SCHREIBER, 1993): „ Dem Angeführten zufolge läßt

sich auch ohne Versuche über die Wirkung der Nadelstiche weder etwas

Entschiedenes für, noch dagegen sagen. Sollten aber mehrere Fälle des in Rede

stehenden Verfahren bey entzündlichen Affectionen der nervösen und musculösen

Parthien bestätigen, dann verdiente es in so ferne Vorzüge vor den Einreibungen,

Eiterbändern u.s.f., weil damit kein Haarverlust und keine Narben entstehen, die von

den meisten Thiereigenthümern oft zu ihrem Nachteil gescheut werden.“

Zusammenfassend bewertet Hayne die in seinen Publikationen von 1833

herausgebrachten Ergebnisse als sehr positiv und fordert zu weiteren Versuchen auf.

In der zweiten Auflage seines Buches „Handbuch der Zoo-Pathologie und

Therapie…“ von 1852 findet sich im Kapitel über Muskelerkrankungen auch ein

kurzer Absatz über die Akupunktur (SCHREIBER, 2004).

3.3.4.2. Dr. Leopold Forster

Eine andere historische Quelle ist eine Publikation von Dr. Leopold Forster aus dem

Jahr 1861. Er war Professor am k. k. Thierarzney-Institute in Wien und beschreibt in

einem Kapitel seines Buches "Thierärztliche Instrumenten- und Verbandlehre"

Akupunkturnadeln und ihre Anwendung (FORSTER, 1861).

Forster beschreibt die Anwendung der Akupunkturnadeln in folgender Weise: Die

Nadeln werden in die den erkrankten Partien zunächst gelegene Muskulatur

eingestochen, um reizend und demzufolge ableitend zu wirken. Die Nadeln besitzen

eine Länge von zwei bis vier Zoll (5,08-10,16cm), die Dicke einer mittelstarken

Stricknadel und sind mit einer sehr feinen Spitze versehen (Abb.12). An ihrem

stumpfen Ende tragen sie ein verschieden geformtes Köpfchen, entweder aus

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demselben Material wie das der Nadel, oder auch aus einem anderen Material.

Dieses Köpfchen soll das leichte Einstechen der Nadel ermöglichen und ist entweder

schraubenförmig, zylindrisch, prismatisch oder knopfförmig, erstere Form soll

besonders dann zweckmäßig sein, wenn man die Nadel nicht durch einen raschen

Druck einstechen, sondern sie durch Drehen zwischen den Fingern einführen will.

Um zu verhindern dass die Nadeln herunterfallen und zu einer Verletzung des Tieres

führen können, sind sie an ihren Köpfchen durchbohrt, wodurch man sie mit einem

Faden verbinden kann. Laut Forster ist das zweckmäßigste Material zur Herstellung

von Akupunkturnadeln reiner Stahl, da bei anderen Materialien wie etwa Gold, Silber

oder Platin sehr dicke Nadeln verwendet werden müssten, damit sich diese beim

Einstechen nicht verbiegen, außerdem wären andere Materialien zu kostspielig.

Für den Fall, dass keine speziellen Akupunkturnadeln zur Verfügung stehen, gibt

Forster noch den Rat gewöhnliche Nähnadeln zu verwenden oder die damals häufig

angefertigten Nadeln mit Glasköpfchen zu verwenden.

Auch über die für die Elektroakupunktur zu verwendenden Nadeln gibt Forster

Auskunft: Man solle Nadeln verwenden, die anstatt der Köpfchen Ringe besitzen, in

welche die Leitungsdrähte von einer Stromquelle eingehängt werden können. Als

Stromquelle empfiehlt Forster entweder ältere elektrische Apparate wie die

Elektrisiermaschine (erzeugt Reibungselektrizität), die Leydner Flasche (die älteste

Form eines Kondensators) oder die Volta’sche Säule (ein Vorläufer der heutigen

Batterien). Als zweckmäßiger sieht er aber neuere elektromagnetische Apparate wie

z.B. die Electromotoren von Neef, Wagner und Anderen, oder die magneto-

elektrischen Rotationsmaschinen von Ettingshausen, Hessler, Romershausen und

Anderen an.

Zur Anwendung der Nadeln bemerkt Forster, dass man sie durch raschen Druck oder

durch Drehen zwischen den Fingern in der Muskulatur versenken kann. Da nach

seiner Ansicht diese beiden Methoden aber wegen der Dicke und Derbheit der Haut

mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sind und die Tiere wegen der langen

Dauer einer solchen Operation unruhig werden, empfiehlt er die Nadel mit der linken

Hand senkrecht auf die Haut zu setzen und sie durch einen leichten Schlag mit

einem glatten Holz oder einem Aderlaßschlägel durch die Haut in die Weichteile zu

treiben. Ebenso kann man einen zwei Zoll (5,08 cm) langen Holz- oder Beingriff mit

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Metallhülse zur Aufnahme des Köpfchens der Nadel verwenden und mittels raschen

Druckes auf den Griff die Nadel einstoßen (FORSTER, 1861).

Obwohl sich im 19. Jahrhundert die Berichte über die Anwendung der Akupunktur

auch bei Tieren in Europa mehren, scheiterte auch dieser Annäherungsversuch der

westlichen Welt an diese Form der Behandlung.

Erst im Laufe des vergangenen Jahrhunderts konnte sich die Akupunktur außerhalb

des ostasiatischen Kulturkreises durchsetzen.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts erwacht das Interesse an dieser Methode erneut.

Hergeleitet von Erfolgen beim Menschen, werden auch Untersuchungen am Tier

begonnen (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

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Abb. 11: Akupunkturnadel nach Vogel

(VOGEL, 1891)

Abb. 12: Akupunkturnadeln nach

Forster (FORSTER, 1861)

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3.4. ENTWICKLUNG IM 20.JAHRHUNDERT – DER WEG NACH ÖSTERREICH

3.4.1. Georges Souliè de Morant (1887– 1955)

Der Erste, der eine umfassendere Abhandlung über die

Akupunktur verfasste, war der französische Diplomat und

Sinologe Georges Souliè de Morant (Abb. 13) (LOWN,

2007). Seine Arbeiten waren der bedeutungsvollste

Anstoß für die Entwicklung der Akupunktur im 20.

Jahrhundert in Europa.

Schon mit acht Jahren begann er von einem

jesuitischen Priester chinesisch zu lernen. Im Alter von 20 Jahren arbeitete er für

eine Bank und wurde 1899 nach China geschickt. Die nächsten zwei Jahrzehnte

arbeitete er für die französische diplomatische Abteilung in verschiedenen

chinesischen Städten.

Überzeugt von der Bedeutung der Akupunktur wurde er, als er die Effekte dieser

Behandlung während einer Choleraepidemie miterlebte. Er begann sich intensiv mit

der Lehre der Akupunktur zu beschäftigen (RAMEY u. BUELL, 2004), prägte das

Wort „Meridian“ und war der erste Europäer, der in China als Arzt der chinesischen

Medizin anerkannt wurde.

1917 kam er nach Frankreich zurück und begann dort, die Akupunktur in

verschiedenen Krankenhäusern einzusetzen (RUDOLPH, 2008).

Zusammen mit seinem Freund, dem homöopathisch tätigen Arzt Dr. Ferreyrolles,

befasste er sich ausführlich mit dieser Behandlungsmethode. Er publizierte darüber

1939 die ausführliche Abhandlung „L’Acupuncture Chinoise“ (RAMEY u. BUELL,

2004). Dieses Werk wird immer noch als eines der klassischen Werke über

Akupunktur betrachtet und wurde in verschiedene Sprachen übersetzt.

Morant behandelte und unterrichtete über 30 Jahre lang in verschiedenen

Krankenhäusern bis er, weil er kein Arzt war, der illegalen Ausübung der Heilkunde

angeklagt wurde.

Seine Werke und seine Schüler hatten einen enormen Einfluss auf die Akupunktur in

Europa (RUDOLPH, 2008).

Abb. 13: Georges Souliè de Morant

(WIKIPEDIA „ Georges Souliè de

Morant“, 2010)

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3.4.2. Dr. Franz Hübotter (1881-1967)

Ungefähr zur gleichen Zeit wie Morant, verfasste der deutsche Arzt und Sinologe Dr.

Franz Hübotter ein umfangreiches Buch über chinesische Medizin: „Chinesische

Medizin zu Beginn des XX. Jahrhunderts und ihr historischer Entwicklungsgang“

(HÜBOTTER, 1929).

Durch seine Reisen nach China besaß auch er ein umfangreiches Wissen über

Akupunktur, fand aber zur damaligen Zeit in Deutschland noch wenig Gehör. Sogar

in den 50er Jahren, in denen das Buch noch im Handel erhältlich war und die

Akupunktur sich in Deutschland stürmisch zu entwickeln begann, gab es nur wenige

die es gelesen, geschweige denn verstanden hatten. Damals beherrschte vor allem

die französische Lehre die Akupunkturszene. Hübotter bezieht sich ausschließlich

auf chinesische Quellen, die ihm durch seine Arbeit als Sinologe zur Verfügung

standen.

Das Buch enthält neben anderen Übersetzungen auch eine vollständige deutsche

Übersetzung des Nan Jing, des „Klassikers der Problematik“ aus der Han-Dynastie.

3.4.3. Dr. Roger de la Fuye (1890-1961)

Dr. Roger de la Fuye wurde zu einem Schüler von Georges Souliè de Morant, sein

Interesse an der Akupunktur erwachte aber zunächst weit weg von Frankreich.

Der Neffe des legendären französischen Schriftstellers Jules Verne unternahm schon

als junger Mann Bildungs- und Forschungsreisen um die halbe Welt. Eine seiner

Reisen verschaffte ihm einen ungewöhnlichen und sehr interessanten ersten Kontakt

zur Akupunktur. Während einer Fahrt nach Nordamerika zu den nordkanadischen

Stoney-Indianern, stieß er auf eine interessante Spur. Die Medizinmänner dieses

Stammes, der nah mit den Eskimos verwandt war, behandelten seine Kranken mit

Einstichen von Steinnadeln und Extrakten aus Heilpflanzen. De la Fuye kannte

damals die Akupunktur bereits vom Hörensagen und vermutete auf ein Relikt der

steinzeitlichen Form der chinesischen Akupunktur gestoßen zu sein. Möglicherweise

hatte die amerikanische Urbevölkerung diese Behandlungstechnik während der

Steinzeit über die Behringstrasse aus Ostasien mitgebracht.

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Daraufhin begann sich de la Fuye immer mehr mit der praktischen Anwendung von

Akupunktur zu befassen. Ihm zu Hilfe kam die Tatsache, dass sich Frankreich zu

dieser Zeit durch die Arbeit von Georges Souliè de Morant als erstes europäisches

Land intensiv mit der Akupunktur zu beschäftigen begann, und dieser Methode die

Tore öffnete.

Seine eigene Forschung setzte zu Beginn der dreißiger Jahre ein und machte ihn

zum überzeugten Akupunkteur (SEILER, 2002).

Er entwickelte die Homöosiniatrie, eine Lehre, die Akupunktur mit der klassischen

Homöopathie von Hahnemann verbindet. Bei homöosiniatrischen Verfahren werden

beispielsweise homöopathische Mittel an Akupunkturpunkten laut TCM gespritzt, was

zu Heilwirkungen führen soll, die über die jeweiligen Wirkungen von TCM und

Akupunktur im Sinne einer Synergie hinausgehen soll (WIKIPEDIA „Homöosiniatrie“,

2011).

1947 wird de la Fuyes Hauptwerk publiziert, das „Traité d’Acupuncture“ mit dem

Untertitel „La Synthèse de l’Acupuncture et de l’Homépathie“ (SEILER, 2002).

Während des 2. Weltkriegs wurde 1943 die französische Gesellschaft für Akupunktur

gegründet. Damit ist sie die älteste derartige Vereinigung der westlichen Welt. Paris

wurde deshalb für lange Jahre das Zentrum der westlichen Akupunktur

(KOTHBAUER, 1961).

1954 wurde an der Veterinärschule von Alfort die erste Dissertation über Akupunktur

verfasst:

Bernard J. 1954. Contribution a l’etude de l’acupuncture chez les carnivores. Doc.

Thesis, National Vet. Sch., Alfort, France. (SCHOEN, 2003).

Um 1950 begann sich der deutsche Arzt Gerhard Bachmann für Akupunktur zu

interessieren. Er erlernte die Anwendung dieser Behandlungsmethode in Frankreich

von de la Fuye. Er war der Wegbereiter der Akupunktur in Deutschland und gründete

1951 gemeinsam mit Heribert Schmidt, der ebenfalls ein Schüler von de la Fuye war,

und Erich Stiefvater die Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur (POLLMANN,

2002).

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3.5. ENTWICKLUNG IM 20.JAHRHUNDERT IN ÖSTERREICH

Einer der Schüler Bachmanns war der Wiener Johannes Bischko, er spielte in

weiterer Folge eine große Rolle bei der Entwicklung der Akupunktur in Österreich.

Zu dieser Zeit beginnt sich auch die Veterinärakupunktur rapide zu entwickeln. Eine

große Unterstützung bei der Einführung der Tierakupunktur in Österreich war die

Verbindung mit der Humanakupunktur durch Prof. Dr. J. Bischko, der sich zum

Vorteil beider Fachrichtungen sehr um eine Zusammenarbeit bemühte

(KOTHBAUER u. MENG, 1983).

3.5.1. Prof. Dr. J. Bischko (Abb. 14) (1922-2004)

Der Pionier der westlichen Akupunktur studierte in Wien Medizin

und legte die Prüfung zum Facharzt für Chirurgie ab. Anfang der

50er Jahre wurde er an der Chirurgischen Abteilung des Wiener St.

Rochus-Spitals zum Oberarzt ernannt und pflegte dort den Kontakt

zu anderen Ärzten, die durch ihre Erfahrungen auch aufgeschlossen

waren für Neuerungen in der Medizin.

Sie befassten sich deshalb neben ihrer chirurgischen Tätigkeit mit bis

dahin wenig bekannten und nicht anerkannten Therapiemethoden.

Zufällig ergab es sich zu dieser Zeit auch, dass Bischko eine italienische

Übersetzung von Souliè de Morant über die Akupunktur fand und sich damit

beschäftigte. Daraufhin unternahm er zahlreiche Reisen nach China, wo er sich

eingehend mit der Akupunktur beschäftigte. Bischko suchte nun auch Kontakt zu De

la Fuye in Paris und Bachmann in München, um sein Akupunkturwissen auf den

aktuellen Stand zu bringen.

Sein Zugang war aber nicht - wie damals üblich – der philosophische Hintergrund,

ihn interessierte viel mehr das „Warum“, „Wie“ und „Wodurch“

Er wurde somit zu einem wesentlichen Mitbegründer der wissenschaftlichen

Akupunktur: von Anfang an war er überzeugt, dass die Wirkung der Akupunktur mit

Abb. 14: Dr. J.

Bischko

(RICHART, 2010)

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schulmedizinischen Methoden erforschbar und erlernbar sei. Es ist ihm gelungen, die

uralte chinesische Heilmethode auf eine fundierte wissenschaftliche Basis zu stellen.

Dadurch wurde es ermöglicht, die Akupunktur aus dem Dunstkreis der

Alternativmedizin herauszuführen und in die heutige Schulmedizin als anerkannte

Methode zu integrieren.

Die neuere Entwicklung der Akupunktur in Österreich verlief daher anders als in den

meisten Ländern Europas. Sie war von Anfang an darauf ausgerichtet, möglichst

engen Kontakt mit der offiziellen Medizin zu halten und in Lehre und

Umgangssprache deren Ausdrucksweise zu benützen. Dies bedeutete, dass man

Vieles vom Gedankengut der Klassik dann zurückstellen musste, wenn

wissenschaftliche Erkenntnisse die alten Überlieferungen erklären konnten. In

diesem Sinne haben Bischko und alle anderen Mitarbeiter der Österreichischen

Akupunkturgesellschaft sehr bald den Kontakt zu universitären Einrichtungen

gesucht und gefunden. In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Erkenntnisse

erarbeitet, die auch entsprechend dokumentiert und veröffentlicht wurden (RICHART,

2010).

Johannes Bischko schuf durch die gezielte wissenschaftliche Aufarbeitung von

Befunden und Erfahrungen die dadurch geprägte Wiener Schule der Akupunktur.

Durch seine Bücher und Publikationen, sowie durch ausgedehnte Vortrags- und

Lehrtätigkeit erwarb er sich auch große Verdienste um die Aus- und Weiterbildung

von Studenten und Medizinern.

Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit führte er ab 1958 eine

Akupunkturambulanz in der von ihm eröffneten HNO-Abteilung der Wiener Poliklinik.

Bekannt wurde er einem breiten Publikum, als 1972 eine Mandeloperation in der

Wiener Poliklinik mit Akupunktur als örtlicher Betäubung ohne weitere Narkose im

Fernsehen übertragen wurde.

Für seine Arbeiten bekam er zahlreiche nationale und internationale

Auszeichnungen, unter anderem war er Träger des Ehrenkreuzes für Wissenschaft

und Kunst 1. Klasse.

Ihm zu Ehren wird auch die Johannes-Bischko-Medaille vergeben.

Im Jahr 1952 wurde die deutsche Gesellschaft für Akupunktur gegründet und im Jahr

1954 die österreichische Gesellschaft für Akupunktur. Der erste Präsident der

österreichischen Gesellschaft für Akupunktur war Bischko, er hatte diese

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verantwortungsvolle Position bis zum Jahre 1989 inne und war danach

Ehrenpräsident.

Im Jahr 2001 wurde im Kaiserin-Elisabeth-Spital das Ludwig-Boltzmann-Institut für

Akupunktur ins Leben gerufen, das 2005 auf Johannes-Bischko-Institut umbenannt

wurde und das von Bischko selbst bis zuletzt geleitet wurde.

Prof. Dr. med. Johannes Bischko hat sich auch stets für die Förderung der

Veterinärakupunktur eingesetzt. Durch seine Unterstützung wurde den Tierärzten

wertvolle Literatur zugänglich gemacht und wertvolle Kontakte vor allem mit

ausländischen Kontakten und Instituten ermöglicht. Die Basis für diese

Zusammenarbeit war ein jahrelanges freundschaftliches Verhältnis zwischen Bischko

und Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer. Diese Verbindung erwies sich als

maßgeblich für die Entwicklung der Veterinärakupunktur in Österreich (KOTHBAUER

u. MENG, 1983).

Ehe näher auf die Verdienste von Oswald Kothbauer um die Förderung der

Veterinärakupunktur in Österreich einzugehen sein wird, soll das Bild dieser

außergewöhnlichen Persönlichkeit mit den Worten von Johannes Bischko umrissen

werden (zit. nach KOTHBAUER u. MENG, 1983):

„Mein Freund Kothbauer war immer ein kritischer Geist, der sich mit dem ihm

eigenen listigen Lächeln alles anhörte (wir kennen uns in der Akupunktur seit gut 25

Jahren), genau bei seinen Tierpatienten zu Hause überprüfte und erst dann ja oder

nein dazu sagte.

Dies hat seine Begründung in seiner viel zu großen persönlichen Bescheidenheit.

Schließlich war er es, der als erster, sicher gegen viele Widerstände und ohne jedes

Salär dafür, nicht nur in unserem Land die Basisuntersuchungen für die

Veterinärakupunktur schuf. Heute zitiert er seine Schüler in extenso und in oben

genannter Bescheidenheit.

Schließlich war er es, der als erster im Westen, nach viel Vorarbeit und manchen

Schwierigkeiten, die Venia legendi im Bereich Akupunktur an der

Veterinärmedizinischen Universität Wien erhielt, ein Unikat, das im Bereiche der

Humanmedizin etwa von noch niemand erreicht wurde.

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Ein vir clarissimus reinsten Wassers, wie die verehrlichen Leser sich das nicht

vorstellen könne, auch nicht, wenn sie das Glück haben, bei und mit ihm zu arbeiten,

ein Pionier der ersten Stunde, ein Name, der in keinem Literaturverzeichnis je mehr

fehlen wird“.

Ich hatte das Glück Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer interviewen zu dürfen und

werde einiges davon in den nächsten Kapiteln wiedergeben.

3.5.2. Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer (geb.1926)

Oswald Kothbauer (Abb. 15) wurde in Wien geboren und ist in

Niederösterreich aufgewachsen. Sein Vater, der schon im

ersten Weltkrieg Militärtierarzt war, hatte in Großmugl in

Niederösterreich eine Tierarztpraxis. Später bekam er einen

Posten in der niederösterreichischen Landesregierung in

Matzen im Marchfeld. Diesen Posten hatte er einige Jahre lang

inne und Oswald Kothbauer verbrachte dort mit seinem Bruder

seine Kindheit.

1938 wurde der Vater nach Deutschland berufen, um dort auf die deutschen

Veterinärgesetze umgeschult zu werden. Die Jahre 1940 bis 1943 verbrachte die

Familie im Rheinland, wo Kothbauer auch das Gymnasium besuchte. Weil der Vater

aber immer nach Österreich zurück wollte, nahm er mit Kriegsende eine Stelle als

Amtstierarzt in Grieskirchen an. Durch seinen Vater waren für Kothbauer die Vor-

und Nachteile des Tierarztberufes bekannt und so war die Berufsentscheidung zum

Teil vorgegeben.

Nachdem Kothbauer in Ried im Innkreis die Matura abgelegt hatte, begann er das

Studium an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Während des Studiums

verbrachte er die Ferien in Grieskirchen und begleitete seinen Vater. So bekam er

einen guten Einblick in das Leben der Menschen und konnte die gute Beziehung

seines Vaters zu den Bauern miterleben. Schon damals bemerkte er, dass es noch

sehr schwierig war beim Tier konkrete Diagnosen zu stellen, man versuchte in erster

Abb. 15:

Dr. O. Kothbauer

(persönlich von Dr.

Kothbauer zur Verfügung

gestellt)

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46

Linie über die Befragung der Bauern (Anamnese) auf die Ursache der Erkrankung zu

schließen.

Nach seiner Promotion zum Doktor der Veterinärmedizin im Jahr 1952 nahm er seine

eigene tierärztliche Tätigkeit in Grieskirchen auf. Bald stellte sich der Wunsch ein, auf

die Fragen der Bauern und Tierbesitzer bessere Antworten geben zu können. Dieser

Wunsch stellte für Kothbauer den inneren Motivatonsschritt zum Interesse an der

Akupunktur und ihrer späteren Anwendung dar.

Zu dieser Zeit kam ihm zu Kenntnis, dass schon 1885 der englische Neurologe Sir

Henry Head (1861-1940) eine Beziehung zwischen der Haut und inneren Organen

gefunden hatte. Diese wurden später nach ihrem Entdecker Head’sche Zonen

genannt. Bei Erkrankungen der inneren Organe werden die Schmerzen über den

entsprechenden Spinalnerven übertragen, vom Großhirn aber (fälschlicherweise)

Hautgebieten, die vom gleichen Spinalnerv versorgt werden, zugeordnet. Wenn eine

Zuordnung der Hautnerven zu den Innenorganen bekannt ist, kann man laut Head

anhand der Lokalisation schmerzhafter Hautstellen angeben, welches innere Organ

erkrankt ist. Nach intensiver Befassung mit dieser Thematik reifte in Kothbauer der

Wunsch, diese Beziehung auch bei Tieren zu suchen.

Die Diagnose druckschmerzempfindlicher Hautpartien beim Tier stellte sich als

deutlich schwieriger heraus als beim Menschen, da die Kommunikation des

Schmerzempfindens vom Tier an den Untersucher naturgemäß sehr schwer zu

deuten ist. Trotzdem machte sich Kothbauer auf die Suche nach derartigen

druckschmerzhaften Punkten. Er begann bei Kühen, die für die Schlachtung

bestimmt waren, nach Symptomen zu suchen. Auf der Basis einer gründlichen

Allgemeindiagnose konnte er die ersten Verbindungen zwischen bestimmten

Hautarealen und erkrankten inneren Organen herstellen.

Der erste direkte Kontakt zur Akupunktur ergab sich anlässlich einer Visite bei einem

Bauern. Beim Betreten der Stube sah Kothbauer die Bäuerin auf einem Sessel

sitzen, an verschiedenen Körperstellen befanden sich Nadeln. Der Humanmediziner

Fritz Doppler erklärte Kothbauer, dass es sich hierbei um eine chinesische Methode

handelte, mit der man auch Heilungen erzielen könne.

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Dieses Erlebnis brachte Kothbauer auf die Idee, diese Methode auch bei Tieren

anzuwenden, was er seit 1956 in seiner Praxis dann auch umsetzte. Der Zufall wollte

es, dass sich zu dieser Zeit sein ehemaliger Anatomielehrer Prof. J. Schreiber, mit

dem er auch nach Abschluss seines Studiums in Kontakt verblieb, gerade mit der

Erforschung des Nervensystems bei Rindern unter besonderer Berücksichtigung der

Headschen Zonen befasste. Er beauftragte einen seiner Assistenten, den späteren

langjährigen Vorstand der Wiener Veterinäranatomie Prof. DDr. Oskar Schaller,

damit, das Hautnervensystem bei Rindern zu untersuchen. Nachdem die Haut

abpräpariert worden war, sodass man die Nerven sehen konnte, erkannte Kothbauer

eine Reihe von Punkten wieder, die er schon in seiner eigenen Forschung in der

Praxis als wichtig erkannt hat. Erkrankte Rinder hatten bei Berührung dieser Punkte

immer wieder eine gewisse Empfindlichkeit gezeigt. Diese wesentlichen Punkte

benannte er später als Schmerzpunkte.

Mangels geeigneter Unterlagen und Literaturangaben für einen gezielten Einsatz der

Akupunktur beim Tier gestaltete sich die gezielte Suche nach den wirksamen

Punkten zunächst äußerst schwierig. Besonders was die Therapie mit Akupunktur

betraf, war man auf die eigenen Erfahrungen am Tierpatienten angewiesen. Zudem

war eine Erforschung nach streng wissenschaftlich kontrollierten Kriterien noch nicht

möglich, weil die Suche nach Punkten vor allem in der Praxis ausgeübt wurde, ohne

die Möglichkeit, den Nachweis für das Wirken der Behandlung durch exakte

Nachuntersuchungen erbringen zu können. Außerdem waren die Interessen und

auch Möglichkeiten offizieller Forschungsstätten damals zu gering, um in eine

konsequente Forschung einzusteigen. Dennoch konnten wesentliche Ergebnisse in

der Praxis durch die Untersuchung der Patienten vor Ort dadurch erzielt werden,

dass klar definierte Akupunkturpunkte, die auf mechanischen Druck oder elektrische

Reizung mit Überempfindlichkeit und Schmerz reagieren, dokumentiert werden

konnten.

Dr. Kothbauer hat hunderte Krankengeschichten gesammelt. In Verbindung mit

schulmedizinischer Diagnostik konnte er feststellen, dass bei gleichen Erkrankungen

immer wieder auch die gleichen Punkte druckschmerzhaft waren. Er verglich diese

Punkte mit Akupunkturtafeln aus der Humanmedizin, da es zur damaligen Zeit für

Tiere noch nichts Vergleichbares gab.

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48

Um zu verifizieren ob die angenommene Haut-Organ Verbindung tatsächlich

bestand, wandte Kothbauer folgende Methode an: Wenn er bei einem

druckschmerzhaften Punkt den Verdacht hatte, dass die Erkrankung eines

bestimmten Organs die Ursache dafür war, wandte er eine konkrete

schulmedizinische Behandlung für dieses Organ an. Wenn daraufhin die Heilung

eintrat, konnte die Beziehung als bestätigt angesehen werden.

Zwei oder drei Jahre lang wandte er die „Kothbauerschen Punkte“ zu rein

diagnostischen Zwecken an, was den Schlüssel zu seiner späteren Tätigkeit

darstellte. 1959 begann er damit, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen und zog

damit die Aufmerksamkeit von Kollegen auf seine Arbeit (Abb.16).

In seinem ersten Artikel (KOTHBAUER, 1959) beschreibt er die von ihm gefundenen

kutanen Druckpunkte auch in Zusammenhang mit der Homöopathie. Der Ansatz für

seine Theorie war, in bestimmte Akupunkturpunkte Homöopathika zu injizieren um

dadurch die Wirksamkeit der Akupunktur zu erhöhen. Auf diese Weise könne man

nicht nur im Sinne der Neuraltherapie arbeiten, also das im Reflexbogen liegende

Organ entstören, sondern auch eine Wirkung auf den ganzen Organismus erzielen.

Zwei Jahre später beschreibt Kothbauer seine Druckpunktdiagnose noch genauer

(KOTHBAUER, 1961). Sein Ziel ist es, damit einen größeren Kreis von Kollegen für

diese Methode zu interessieren, die für ihn nach einer 4-jährigen

Beobachtungsperiode zu einem sehr genauen und hilfreichen Verfahren geworden

ist. Nach einer kurzen Einleitung erklärt er die theoretischen Grundlagen seines

Verfahrens. Er geht dabei auf die Head’schen und Mackenzie’schen Zonen ein und

erklärt den viscero-kutanen Reflex.

Danach beschreibt er die genaue Lage der Punkte bei Störungen der Ovarien und

des Uterus, beim Euterödem, bei Störungen des Magens, des Herzens, der Lunge,

der Leber und der Nieren.

Auch andere Tierärzte begannen sich immer mehr mit den von Kothbauer

gefundenen Punkten zu befassen.

Nach Ansicht von WOLTHER (1959) konnte die Richtigkeit der Ausführungen von

Kothbauer über seine diagnostischen Punkte bestätigt werden. Damit wäre der

Veterinärmedizin ein neuer diagnostischer Weg eröffnet worden, durch den über

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49

einen therapeutischen Schematismus hinweg eine individuell angepasste Therapie

betrieben werden könne.

Auch GREIFF (1975) befasst sich in einem Artikel über die Neuraltherapie mit den

Kothbauerschen Punkten.

Nach diesen Erfolgen würdigte auch Kothbauers ehemaliger Anatomieprofessor Dr.

Schreiber seine Arbeit mit folgenden Worten: „Es ist interessant, dass Wiener

Fachärzte in den letzten Tagen in der Tratschpresse („Bunte Illustrierte“) erzählen,

Sie hätten eine neue Therapie, die Segmenttherapie, eingeführt! Ich freue mich, dass

Sie, lieber Herr Kollege, die Idee der „Kothbauerschen Schmerzpunkte“ weiter

bearbeitet haben. Sie wird mit Ihnen auch eine Leistung der Wiener Schule werden.“

Inzwischen hatten sich auch Kothbauer und Prof. Dr. Johannes Bischko kennen

gelernt und eine bald von Freundschaft geprägte Zusammenarbeit entwickelt.

Bischko sprach darüber, dass Humanmedizinern immer wieder vorgeworfen werde,

dass die Wirkung der Akupunktur nur auf Einbildung oder Hypnose beruhe. Wenn

diese Methode aber auch bei Tieren funktioniere, dann könne man doch davon

ausgehen, dass durch Akupunktur tatsächlich Wirkungen erzielt werden.

In weiterer Folge führte Kothbauer dann eine Reihe klar abgegrenzter Versuche an

Tieren durch um die Akupunktur weiter zu entwickeln und zu erforschen. Zum

Beispiel setzte er einen Reiz an einem inneren Organ beim Rind, etwa am Uterus,

und konnte dann feststellen, dass in kürzester Zeit der zugehörige Punkt auf der

Haut auf Druck schmerzhaft wurde (KOTHBAUER, 1966). Da von diesem Zeitpunkt

an vom positiven Nachweis der Wirkung des viscero-cutanen Reflexes ausgegangen

werden konnte, wurden die Versuche systematisch fortgesetzt und die Ergebnisse

weiterhin publiziert.

Anlässlich einer Studienreise in die Volksrepublik China, 1975, erfolgte ein

Erfahrungsaustausch mit chinesischen Tierärzten, der weiteren Gewinn brachte. An

dieser Reise nahmen neben 18 Humanmedizinern auch noch der Kleintiermediziner

Dr. Ferdinand Brunner und Dr. Alexander Meng teil. Letzterer übersetzte mehrere

Werke der chinesischen Primärliteratur ins Deutsche.

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50

In China konnte Kothbauer auch beobachten, dass Operationen an Tieren unter

reiner Akupunkturanalgesie durchgeführt wurden. Daraufhin brachte er die dafür

benötigten Elektroakupunkturgeräte für Großtiere nach Österreich mit, Dr. Ferdinand

Brunner erwarb die entsprechenden Geräte für den Kleintierbereich.

Kothbauer war der erste westliche Tierarzt, der unter ausschließlicher Verwendung

von Akupunktur zur Schmerzkontrolle (Abb. 17, Abb. 18) Operationen wie

Zitzenamputationen und Kaiserschnitte bei Kühen durchführte. Somit konnte er

belegen, dass durch Akupunktur im behandelten Bereich eine auch für große

chirurgische Eingriffe ausreichende Hypalgesie zu erzielen war (KOTHBAUER, 1973

u. KOTHBAUER, 1975).

Sogar eine Laparatomie bei einer Labmagenverlagerung konnte Kothbauer unter

ausschließlicher Akupunkturanalgesie durchführen (KOTHBAUER u. ZOHMANN,

1990).

Durch die gute Beziehung die Kothbauer zu den Bauern und Tierbesitzern hatte,

konnte er seine Erkenntnisse auch ausführlich in der Praxis testen. Auf die Frage, ob

er eine neue Technik, die sie bis jetzt noch nicht gesehen hätten anwenden solle,

meinten die meisten Bauern dass „er ausprobieren kann was er will, solange es die

Kühe nicht umbringt.“

Bald darauf konnten die Bauern aber die positive Wirkung der Akupunktur selbst

erleben, was Kothbauer eine weitere Verbesserung seines Verhältnisses zu ihnen

einbrachte.

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51

Abb. 17: Durchführung einer Zitzenoperation unter Akupunkturanalgesie

(persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)

Abb. 16: Druckpunkte der linken Körperhälfte (KOTHBAUER, 1961)

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Abb. 18: Durchführung eines Kaiserschnitts unter Akupunkturanalgesie

(persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)

Abb.19: Anwendung eines Punktsuchgerätes (persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)

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Ein weiterer wichtiger Schritt für die Veterinärakupunktur war das erste Gerät zur

Auffindung von Akupunkturpunkten. Es wurde um 1970 von Ing. W. Kothbauer, dem

Bruder von Prof. O. Kothbauer entwickelt. Obwohl Kothbauer betont, dass es nach

einiger Übung des Untersuchers nicht mehr nötig ist ein solches Gerät zu

verwenden, kann es vor allem in den Anfängen des Studiums der Akupunktur sehr

hilfreich sein. Dieser „Schmerzpunktdetektor“ (Abb. 19) stellt ein elektrisches

Untersuchungsgerät zur Auffindung von kutanen Schmerzpunkten dar. Die

Wirkweise beruhte auf folgenden Grundsätzen: Normalerweise setzt die Haut dem

elektrischen Strom einen Widerstand von bestimmter Größe entgegen. An den

hyperalgetischen Punkten ist dieser Hautwiderstand herabgesetzt. Mit diesem Gerät

wird eine elektrische Spannung an der Haut angesetzt, die an unbeeinflussten

Hautstellen noch nicht bemerkt wird, an einer hyperalgetischen Hautstelle dagegen

bereits als elektrischer Reiz empfunden wird. Das Tier beantwortet diesen Reiz mit

einer typischen Schmerzreaktion und in Form einer Abwehrbewegung.

Die heute verwendeten Punktsuchgeräte arbeiten ebenfalls nach dem Grundprinzip

der Feststellung von veränderten Hautwiderständen an Akupunkturpunkten. Im

Unterschied zu dem von W. Kothbauer entwickelten Gerät wird der veränderte

Hautwiderstand aber von den modernen Geräten gemessen und mit einer

Signallampe oder einem Ton angezeigt.

Der damalige Rektor der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Dr. Rudolf

Supperer, regte Kothbauer dazu an, alle seine Erkenntnisse und Beobachtungen

niederzuschreiben. Die Zusammenfassung der Untersuchungen und gewonnenen

Erkenntnisse mit Akupunktur und Neuraltherapie bei Rindern mit Fertilitätsproblemen

zu einem Buch stellten auch die Grundlage für die spätere Habilitation von Kothbauer

dar.

Gegen einige Widerstände seitens der Universität konnte sich Kothbauer dennoch

mit Hilfe von Dr. K. Arbeiter, dem damaligen Vorstand der Klinik für Geburtshilfe,

Gynäkologie und Andrologie, durchsetzen. Mit seiner Habilitationsschrift „Die

Sterilität des Rindes: besondere Methoden ihrer Behandlung; Akupunktur und

Neuraltherapie zur Sterilitätsbehandlung beim Rind“, erhielt er 1978 die Venia

legendi für Akupunktur und Neuraltherapie in der Geburtshilfe, Gynäkologie und

Andrologie an der VUW.

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Daraus resultiert seit 1980 ein offizieller Lehrauftrag an dieser Universität, über den

Kothbauer seinen Studenten die Grundlagen der Akupunktur und Neuraltherapie

beim Rind vermittelt. 1992 wurde ihm ein zusätzlicher offizieller Lehrauftrag erteilt

und die praktische Ausbildung in Veterinärakupunktur für die Studenten übertragen.

1983 wurde ein weiteres Buch über die Akupunktur beim Rind und Schwein, mit

Beiträgen zum Pferd, veröffentlicht (KOTHBAUER u. MENG, 1983). Dieses Werk

liegt seit 1990 in zweiter Ausgabe vor und wurde auch ins Englische übersetzt.

Professor Kothbauer veröffentlichte mehr als 30 einschlägige wissenschaftliche

Arbeiten. Noch heute hält er seine Schüler dazu an ihre Erkenntnisse

niederzuschreiben und anderen davon zu erzählen. Auch wenn man seine

Beobachtungen noch nicht beweisen kann, sollte man doch andere daran teilhaben

lassen. Durch seine eigenen zahlreichen Publikationen gelangten seine Erkenntnisse

mit der Zeit bis nach Amerika. Er wurde nach Philadelphia eingeladen, um die von

ihm gefundenen Punkte und Zusammenhänge zu zeigen. Die anfängliche Skepsis

überwand er mit einer Demonstration, bei der er mit seiner Punktediagnostik an einer

Kuh die erkrankten Organe vor dem Publikum korrekt diagnostizierte.

In weiterer Folge hielt Kothbauer Vorträge in vielen Ländern und konnte sein Wissen

an sehr viele Menschen weitergeben (Abb. 20, Abb. 21).

Seine Vortragstätigkeit erstreckte sich besonders auf folgende Länder: Österreich,

Deutschland, Schweiz, Italien, Jugoslawien, Frankreich, Belgien, Dänemark, Holland,

Schweden, USA, Mexiko, Tschechoslowakei, Ungarn, Norwegen, China (Taiwan),

Australien und Brasilien.

Damit ist er zu einer internationalen Kapazität geworden und hat entscheidend zur

Bereicherung der Tiermedizin beigetragen.

.

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55

Abb. 20: Einladung zu einem Akupunkturseminar an der neuen Veterinäruniversität in Assiut, Ägypten, 1998 (persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)

Abb. 21: Über Einladung von Karl-Heinz Böhm - „Menschen für Menschen“ - wurde

im Anschluss an die Vorträge in Ägypten, 1998 ein Veterinärakupunktur-seminar in

Awassa am Awassasee, Äthiopien, für Tierärzte organisiert. (persönlich von Dr.

Kothbauer zur Verfügung gestellt)

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56

Im Jahr 1968 wurde Kothbauer die „Josef-Bayer-Medaille“ der Vet. Med. Universität

Wien für besondere wissenschaftliche Leistungen verliehen.

Mit Beschluss des Vorstandes der Landeskammer der Tierärzte Oberösterreichs vom

1. März 1984 erhielt er die Ehrennadel der Landeskammer der Tierärzte

Oberösterreichs.

Mit Beschluss der Oberösterreichischen Landesregierung vom 19. Oktober 1992

erfolgte seine Ernennung zum Konsulenten für Wissenschaft.

Im März 1995 verlieh ihm die Internationale Gesellschaft für Neuraltherapie nach

Huneke die „Huneke Medaille“, in Anerkennung der Verdienste um die

Grundlagenforschung und Verbreitung der Neuraltherapie nach Huneke.

1998 beschloss das Executive Committee der Internationalen Veterinärakupunktur-

Gesellschaft IVAS (International Veterinary Acupuncture Society) Dr. Kothbauer

aufgrund seiner hervorragenden Verdienste um die Veterinärakupunktur wie auch die

IVAS die Ehrenmitgliedschaft auf Lebenszeit zu verleihen.

Am 23.3.2007 wurde die Johannes Bischko Medaille für die Verdienste um die

Akupunktur an Professor Kothbauer verliehen.

Kothbauer war von 1986-1987 Präsident der Internationalen Gesellschaft für

Veterinärakupunktur (I.V.A.S.).

3.5.3. Prof. Dr. Josef Schreiber

Wie schon erwähnt hat auch Prof. Dr. Schreiber (Abb. 22) eine

wesentliche Rolle bei der Weiterentwicklung der

Veterinärakupunktur in Österreich gespielt.

Er wurde als Sohn eines Beamten in Wien geboren und begann

im Jahr 1908 mit dem Studium der Veterinärmedizin in Wien. Er

erhielt 1913 das Diplom eines Tierarztes und wurde noch im

selben Jahr summa cum laude zum Doctor medicinae veterinariae

promoviert.

Nach vielfältigen beruflichen und privaten Herausforderungen wurde Schreiber im

Jahr 1945 mit der Abhaltung der Vorlesungen, Übungen und Prüfungen aus

Systematischer und Topographischer Anatomie an der Tierärztlichen Hochschule in

Wien betraut.

Abb. 22:

Dr. Josef Schreiber

(SCHALLER, 1960)

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Nun folgte ein rascher Aufstieg in seiner wissenschaftlichen und akademischen

Laufbahn. Am 1.Februar 1951 wurde er zum ordentlichen Hochschulprofessor

ernannt. In den folgenden Jahren hatte er folgende hohe Funktionen inne:

Stipendienreferent, Rector magnificus, Prorektor und war seitdem Promotor der

Tierärztlichen Hochschule in Wien.

Er bewältigte schließlich die schwere Aufgabe, die keineswegs idealen Verhältnisse

nach dem zweiten Weltkrieg zu ordnen, und brachte die Hochschule wieder auf einen

hohen Stand.

Neben seiner Tätigkeit als Lehrer, in der er sich großer Beliebtheit erfreute, hat

Schreiber mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten wesentliche Beiträge auf vielen

Gebieten der Veterinäranatomie geleistet. Seine besondere Aufmerksamkeit wandte

er aber der Neuroanatomie zu. Da zu dieser Zeit für die Anatomie des Rindes noch

viele offene Fragen bestanden, stellte er in seinen eigenen Arbeiten wie auch in

denen seiner Mitarbeiter die Erforschung der anatomischen Besonderheiten dieser

Tierart in den Vordergrund. Insbesondere sind es eingehende und umfassende

Arbeiten über das periphere und das autonome Nervensystem des Rindes, zu deren

Erforschung sein Institut viel beigetragen hat (SCHALLER, 1960).

Zufällig ergab es sich, dass Schreiber 1954 einem Vortrag von seinem Kollegen Dr.

H.G. Kalchschmidt beiwohnte.

Schon im Jahr 1948 hatte Dr. H. G. Kalchschmidt über die sogenannte

Fremdkörperzone, eine Head’sche Zone beim Rind, berichtet.

Unter Head’schen Zonen versteht man Hautareale, in denen bei Erkrankung von

inneren Organen Hyperästhesie und Hyperalgesie (als viszerokutane Reflexe)

auftreten können und die in ihrer Ausdehnung dem Dermatom entsprechen, das aus

demselben spinalen Segment innerviert wird wie das erkrankte Organ. Ein Dermatom

ist das von einer Spinalnervenwurzel versorgte Hautsegment.

Zu dieser Zeit wurde in der Humanmedizin schon mehrfach das Auftreten von

Head’schen Zonen bei verschiedenen inneren Krankheiten beobachtet und

beschrieben. Sie wurden damals auch schon als diagnostische Hilfsmittel benutzt.

Die Beschreibung der Fremdkörperzone des Rindes als Head’sche Zone durch

Kalchschmidt, war die erste Beschreibung einer derartigen Struktur in der

Veterinärmedizin (KALCHSCHMIDT, 1948)

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Innerhalb dieser Head´schen Zone, die sich am kaudalen Ende des Widerristes

befindet und in verschiedenen Größen auftreten kann, liegen Akupunkturpunkte, die

in Verbindung mit der Vormagentätigkeit des Rindes stehen. Diese können bei der

häufig auftretenden Fremdkörpererkrankung des Rindes, bei der mit dem Futter

aufgenommene Fremdkörper Schäden im Netzmagen anrichten, als hyperalgetische

Punkte in Erscheinung treten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

Im Jahr 1954 erschien ein weiterer Artikel von Kalchschmidt, in dem er die

Bedeutung der von ihm beschriebenen Fremdkörperzone als diagnostisches

Hilfsmittel herausstreicht. Er geht darin davon aus, dass die von ihm beschriebene

Fremdkörperzone auf manuellen Reiz durch Berührung oder auch durch Aufheben

einer Hautfalte bei Erkrankung des Rindes deutlich schmerzhafter ist als beim

gesunden Tier. Er gibt an, dass die Beweisführung auf diesem Gebiet sehr schwierig

war und dass er erst nach mehrjährigen Untersuchungen an 2300 Rindern und

Überprüfungen durch die Fremdkörperoperation seine Behauptungen aufstellte.

Nach seinen Untersuchungen trifft er eine Einteilung in große Zonen bei frischen

Erkrankungen, mittlere Zonen bei Erkrankungen die schon einige Tage dauern und

kleine Zonen bei chronischen Erkrankungen (KALCHSCHMIDT, 1954).

Die Reaktionen der damaligen Tierarztkollegen waren gespalten, einige kritisierten

seine Methode (KALCHSCHMIDT, 1954). Dennoch ist der Test als „Probe nach

Kalchschmidt“ bekannt geworden und wird bis heute jedem Studenten an der

Veterinärmedizinischen Universität Wien gelehrt.

Der Vortrag von Dr. Kalchschmidt mit dem Titel „Eine Head’sche Zone als

diagnostisches Hilfsmittel bei der Fremdkörpererkrankung des Rindes“, gehalten am

1. Internationalen Fortbildungskurs der Wiener Tierärztlichen Hochschule (1954), rief

bei Prof. Dr. Schreiber großes Interesse hervor (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

Die Frage nach den Prinzipien, auf welchen eine Beziehung von inneren Organen

zur Haut beruhte, interessierte ihn als Anatomen naturgemäß ebenfalls.

In der auf den Vortrag von Dr. Kalchschmidt folgenden Diskussion berichtete Prof.

Dr. Schreiber, damals Ordinarius am Anatomischen Institut der Tierärztlichen

Hochschule in Wien, über die Arbeit an seinem Institut. Dort wurden schon seit

mehreren Jahren Untersuchungen über das Nervensystem des Rindes in

Zusammenhang mit der Dermatomeinteilung zu den Head’schen Zonen und den

Mackenzie’schen Zonen durchgeführt. Die Mackenzie’schen Zonen umfassen

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59

bestimmte Muskelgruppen in die bei Erkrankung von bestimmten Organen die vom

selben spinalen Segment innerviert werden Schmerzen projiziert werden.

Zum damaligen Zeitpunkt lagen also nur wenige Informationen über Tierakupunktur

vor, wohl aber über die Head’schen Zonen bei Mensch und Tier. Es wurde erkannt,

dass zwischen Körperorganen und sensiblen Zonen auf der Hautoberfläche ein

Zusammenhang besteht und sie in reflektorischer Verbindung zu krankhaft

veränderten oder anderweitig belasteten Innenorganen stehen können. Durch die

Arbeiten von Prof. Schreiber und seinen Schülern wurden in weiterer Sicht wichtige

Vorarbeiten für die topographische Bestimmung vieler Akupunkturpunkte, v.a. beim

Rind, geleistet. Die innerhalb der Head’schen Zonen liegenden Maximalpunkte mit

erhöhter Druckempfindlichkeit erwiesen sich als Akupunkturpunkte, die später als

SHU – Punkte (Zustimmungspunkte) und als MU-oder MO-Punkte (Alarmpunkte) bei

Tieren identifiziert werden konnten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).

In einem 1954 von Dr. Schreiber verfassten Artikel, in dem er auf den Vortrag von

Kalchschmidt eingeht, wurde zum ersten Mal im 20.Jahrhundert das Wort

Akupunktur in Zusammenhang mit Veterinärmedizin verwendet.

Er beschreibt in seinem Artikel sehr anschaulich mit welchen Methoden damals die

Verbindungen der Nervenaustrittsstellen vom Rückenmark bis zu den Dermatomen

erforscht wurden.

Im Kleintierbereich wurde zum Beispiel die Sherringtonmethode durchgeführt: Dabei

wurden die Nervenwurzeln von drei Segmenten cranial und caudal des zu

untersuchenden Segmentes durchtrennt und danach die Sensibilität des mutmaßlich

zugehörigen Dermatoms überprüft.

Bei der Methode der Strychninvergiftung wurden einzelne Wurzeleintrittszonen mit

Strychnin injiziert und anschließend die Hyperalgesie in den entsprechenden

Dermatomen festgehalten.

Andere durchtrennten bestimmte Dorsalwurzeln, reizten anschließend den

peripheren Stumpf und beobachteten die Vasodilatation im entsprechenden

Hautinnervationsgebiet.

Diese Methoden konnten allerdings unter anderem aus pekuniären Gründen, wie

Schreiber angibt, beim Rind nicht angewandt werden. Er und seine Schüler wählten

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60

deshalb den mühsamen Weg der Feinpräparation jedes Neurotoms bis in die letzten

noch sichtbaren Verzweigungen in der Haut.

Der zweite Teil seiner Arbeit befasste sich mit der anatomischen Erforschung der

vegetativen Innervation der Eingeweide. Für diesen Teil der Forschung musste

wegen der zahlreich vorkommenden Variationen eine große Zahl von Rindern und

Kälbern untersucht werden.

Der dritte Arbeitsbereich gehörte der physiologischen Forschung. Ziel war, den

Einfluss des Viszerotoms (innere Organe) auf die Haut (Dermatom), die Gefäße

(Angiotom), Muskeln (Myotom), die Knochen (Slerotom) und die Nerven (Neurotom)

zu definieren.

Auf Grund dieser Zusammenhänge kann zum Beispiel durch viscerokutane und

kutiviscerale Reflexbögen die Erkrankung eines Organes (Viscerotom) über das

Rückenmark (Neurotom) zur Verspannung der zugehörigen Muskulatur (Myotom)

führen. Diese Verspannung kann über die Muskelansätze zu einem verstärkten Zug

am Periost (Sklerotom) mit Schmerzen und einem Gefäßspasmus (Angiotom) führen.

Durch die schlechte Blutversorgung kann es weiters zu Veränderungen an der Haut

(Dermatom) kommen.

Ein weiterer sehr interessanter Aspekt des Artikels betrifft die Entstehung der Idee

eines Punktsuchgerätes. Als Auslöser gibt Schreiber die Erkenntnis an, dass ein

Tierarzt ohne Aussage seiner Patienten zurechtkommen, und sich deswegen

objektiverer Methoden bedienen müsse. Schon damals glaubte er, dass dazu auch

die Beeinflussung der „sekundär elektromotorischen Erscheinungen der Haut“, also

die Änderung des Hautpotentials durch physische und psychische Erregung des

Körpers und einzelner seiner Organe geeignet ist. Mit Hilfe eines sogenannten

Dermatometers (ein empfindliches elektrisches Hautthermometer) konnte das

elektrische Potential an Hunden, Kaninchen und Kälbern festgestellt werden.

Schreiber regt an, dass in breit angelegten Studien zunächst die vegetative Tages-

Rhythmik dieses Potentials geklärt werden sollte, danach dann der Einfluss der

inneren Organe auf das elektrische Potential der Haut, wodurch die Vorgänge des

viscerokutanen Reflexes geklärt werden sollten.

Im Zusammenhang mit der Erforschung dieser Zusammenhänge machte sich

Schreiber auch Gedanken über den kutiviszeralen Reflex, also die Beeinflussung von

inneren Organen durch die Haut.

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Dazu Dr. Schreiber wörtlich zitiert: „Die praktische Anwendung dieser Phänomene

erfolgt in einer Form, die wir heutzutage bewusst als „Segmenttherapie“ bezeichnen

und die die Menschheit empirisch seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden betreibt.

Denn von der Akupunktur des neolithischen Menschen angefangen, über die

Brennkrautverwendung und das Glüheisen, über trockene und feuchte, warme und

kalte Kompressen, Einreibungen, Reizbehandlungen, Massagen bis zu zonal

ausgeführten, subkutanen Novocain- und Acetylcholininjektionen und

Luftinsufflationen, immer geschieht die dabei beabsichtigte Einwirkung auf die

erkrankten Innenorgane durch Erregung der metameren Innervation. So ist das

Studium der hyperalgetischen Zonen an unseren Haustieren sowohl als Diagnostik

als auch für die Therapie von großer Bedeutung“. (SCHREIBER, 1954).

Weitere Publikationen von Dr. Schreiber in den nächsten Jahren belegen seine

umfangreiche Forschungsarbeit auf diesem Gebiet, beispielsweise publizierte er eine

Arbeit über die Lageentwicklung der Extremitätendermatome des Rindes

(SCHREIBER, 1954), eine andere über die anatomischen Grundlagen der

Leitungsanästhesie beim Rind an Kopf-, Rumpf und Extremitätennerven.

Weil sich Schreiber bewusst war, wie wichtig die Erkenntnisse der anatomischen

Forschung für die Praxis der Akupunktur ist, leitete er einige seiner Schüler dazu an,

diese Gedanken weiter zu verfolgen.

Die Publikationen von Dr. Schreiber und die Dissertationen seiner Schüler an der

Vet. Med. Universität Wien bilden eine breite Datenbasis für die Lokalisation und

Bedeutung von Akupunkturpunkten beim Rind:

DAMBÖCK, A. (1955): Die Hautinnervation der Extremitäten des Rindes.

GIROLLA, W. (1955): Der Nervus phrenicus des Rindes. Seine Morphologie, Topik,

Innervations- und Funktionsaufgabe.

SCHALLER, O. (1956): Die periphere sensible Innervation der Haut am Rumpf des

Rindes.

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FREWEIN, J. (1963): Der Anteil des Sympathicus an der autonomen Innervation des

Rindermagens.

Die Untersuchungen von SCHALLER (1956) erweisen sich für die Praxis der

Akupunktur als besonders wertvoll. Die von ihm dargestellten Durchbruchstellen der

sensiblen Hautnerven unter die Haut haben sich später als sehr wirksame

Akupunkturpunkte, sowohl für die Therapie als auch für die Diagnostik erwiesen.

DAMBÖCK (1955) erwähnt, dass in neuester Zeit die Autonomfelder der Hautnerven

vermehrtes Interesse bei der Diagnose der Erkrankungen der Eingeweide gefunden

haben. Deshalb sei das Studium des viszerokutanen Reflexes, aber auch – zu

therapeutischen Zwecken – die Feststellung der kutiviszeralen Beziehungen von

zunehmender Bedeutung.

Auch die Untersuchungen von FREWEIN (1963) und GIROLLA (1955) trugen viel zur

Verifizierung von Akupunkturpunkten beim Rind bei

Etwa zur gleichen Zeit wie Prof. Dr. Kothbauer, der sich in erster Linie mit Nutztieren

beschäftigte, begann Dr. Ferdinand Brunner, sich neben seiner Kleintierordination in

Wien mit der Akupunktur bei diesen Tieren zu befassen.

3.5.4. Dr. Ferdinand Brunner (geb. 1928)

Nach dem Besuch des Realgymnasiums in St. Pölten und der

Absolvierung der Matura 1946, begann Dr. Brunner (Abb. 23) sein

Studium an der Tierärztlichen Hochschule in Wien im

Wintersemester 46/47. Wegen seines damals schon vorhandenen

Interesses an der Verhaltensforschung studierte er in den ersten 3

Semestern zusätzlich Philosophie mit dem Hauptfach Psychologie

als außerordentlicher Hörer an der Universität Wien.

Nach mehreren Unterbrechungen des Studiums aus finanziellen Nöten und

Tätigkeiten verschiedenster Art erreichte Brunner sein Tierärztliches Diplom 1957.

Parallel zu Assistenztätigkeiten und Urlaubsvertretungen in verschiedenen

tierärztlichen Praxen, verfasste er seine Dissertation zum Thema: „ Das Verhalten

des Hundes im Großstadtverkehr – eine verhaltenspsychologische Studie“ und

promovierte damit im Jahr 1958 zum Dr.med.vet.

Abb. 23:

Dr. Ferdinand Brunner

(BRUNNER, 1981)

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63

Im gleichen Jahr gründete Brunner eine eigene Kleintierpraxis in Wien, gleichzeitig

gründete er eine tierpsychologische Beratungsstelle und war bei der Fa. Asid in der

pharmazeutischen Entwicklungsabteilung beschäftigt.

Zu dieser Zeit erkrankte Dr. Brunner an einer Grippe, von der eine schwere Ischialgie

zurückblieb. Gegen die nahezu unerträglichen Schmerzen zeigten die damals

potentesten Schmerzmittel kaum eine Wirkung. Damals sah Dr. Brunner sich selbst

noch als eingefleischten Schulmediziner nach dem Motto: „was nicht evidenzbasiert

ist, gilt nicht“. Nachdem aber sowohl die Schulmedizin als auch die Homöopathie ihm

nicht helfen konnten, war er bereit, alles auszuprobieren was eventuell Linderung

versprach.

Damals wandte Dr. Bischko gerade in der Poliklinik Akupunkturbehandlungen und

Akupunkturanalgesie an und Dr. Brunner begab sich zu ihm in Behandlung. Nach der

vierten Sitzung zeigte sich ein durchschlagender Erfolg, die Schmerzen waren wie

weggeblasen und rezidivierten auch nicht. Nach dieser eigenen Erfahrung kam dem

Tierarzt Dr. Brunner natürlich der Gedanke, dass dieses Fachgebiet die

Veterinärmedizin bereichern könnte.

Er besuchte daraufhin etliche humanmedizinische Kurse und Dr. Bischko wurde sein

langjähriger Lehrer. Dr. Brunner begann allmählich die Akupunktur in die eigene

Praxis zu integrieren.

Ab diesem Zeitpunkt begann Dr. Brunner auch Literatur zu sammeln, unter anderem

bei einer Reise nach China, bei der Dr. Meng, ein Mitarbeiter von Dr. Bischko,

wertvolle Arbeit leistete indem er vom Chinesischen ins Deutsche übersetzte. Von

dieser Reise brachte Dr. Brunner auch ein Gerät zur Elektroakupunktur mit, das er

lange Zeit in der eigenen Praxis verwendete (Abb. 24).

Durch seinen kritischen Geist und sein Bemühen um evidenzbasierte Medizin

machte Dr. Brunner auf der einen Seite immer wieder Placeboversuche um

festzustellen ob die Akupunktur tatsächlich Erfolge brachte, auf der anderen Seite

befasste er sich auch mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Akupunktur.

Nach seinen eigenen Worten ist das Interesse der naturwissenschaftlich orientierten

klinischen Forschung an der Akupunktur erst durch die Erkenntnis möglich

geworden, dass ohne mystisches Beiwerk in Methode und Begründung für den

therapeutischen Effekt der Akupunktur in erster Linie der Reizort das Wichtigste zu

sein scheint. Es sei vornehmlich der Verdienst österreichischer Forscher sowie

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64

einiger Franzosen die sich um naturwissenschaftliche Grundlagen bemüht haben, in

einer Zeit, in der diese Lehre noch nicht als „schulmedizinisch hoffähig“ angesehen

wurde.

Haupteinsatzbereich in der eigenen Praxis waren zu Beginn neurologische Fälle, weil

bei diesen Fällen die Besitzer auch bereit waren, ihre Tiere öfter und über längere

Zeit behandeln zu lassen.

Bei etwa der Hälfte von Hunden mit Querschnittlähmungen und Wurzelneuritiden, die

von der Universität als aussichtslos aufgegeben wurden, erzielte Dr. Brunner Erfolge.

Um sicher zu sein, dass die Heilung tatsächlich auf die Behandlung zurückzuführen

war, nadelte Dr. Brunner immer wieder auch nur Placebopunkte. Er wies seine

Schüler häufig darauf hin, dass bei Hunden zwar der Suggestiveffekt kaum

vorhanden ist, man sich durch Autosuggestion aber durchaus selbst einen

Behandlungserfolg vortäuschen kann.

Durch diese kritische Haltung trug Dr. Brunner beträchtlich dazu bei, die Akupunktur

bei Tieren zu einem ernstzunehmenden Teil der Veterinärmedizin zu machen.

Gleich von Beginn an setzte Dr. Brunner die Akupunktur aber auch ein, um durch

Steigerung der Atemfrequenz die Aufwachphase nach Narkosen zu verkürzen, um in

der Geburtshilfe die Wehentätigkeit anzuregen oder auch um bei Schildkröten

Verstopfungen und Durchfall zu behandeln.

In weiterer Folge veröffentlichte Dr. Brunner eine Vielzahl von eigenen

Forschungsergebnissen in Fachzeitschriften, unter anderem Folgende:

BRUNNER, F. (1963): Die Behandlung schmerzhafter Wirbelsäulen-Erkrankungen

mit Akupunktur und Aurikulo-Therapie. D. prakt. Tierarzt 60, 1100.

BRUNNER, F. (1963): Praxisberichte über Procaintherapie in der Tierheilkunde.

Asis-Mitteilg.f. Tierärzte.

BRUNNER, F. (1975): Die Anwendung der Akupunktur zur Analgesie in der

chinesischen Veterinärchirurgie. Wien Tierärztl Monat – Vet Med Austria 62, 392-

394.

BRUNNER, F. (1976a): Akupunktur in der Hundeklinik. Kleint.-Prax. 21, 182.

BRUNNER, F. (1976b): Akupunkturanalgesie in der Veterinärmedizin. Tierärztl. Prax.

4, 387.

BRUNNER, F. (1978): Akupunktur bei Kleintieren. Wien Tierärztl Monat – Vet Med

Austria 65, 334.

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65

BRUNNER, F. (1980a): Akupunktur und Aurikulotherapie als Alternative zu bisher

üblichen Behandlungsmethoden in der Kleintierpraxis. Wien Tierärztl Monat – Vet

Med Austria 67, 236.

Zu Beginn seines Interesses an der Akupunktur stellte Dr. Brunner fest, dass die

Informationen, die den tierärztlichen Sektor betrafen sehr verstreut und schwer

zugänglich sind. Es war sehr schwierig, mit einem sinnvollen Zeitaufwand zu einem

praktisch verwertbaren Überblick zu kommen.

Um diesem Mangel abzuhelfen und interessierten Kollegen den Einstieg in dieses

fesselnde und zukunftsträchtige Gebiet zu ermöglichen, schrieb er, durch Dr.

Kothbauer ermutigt, ein Buch mit dem Titel: Akupunktur für Tierärzte-Akupunktur der

Kleintiere (BRUNNER, 1980b).

In diesem Buch erklärt er im allgemeinen Teil die wichtigsten, in der Akupunktur

üblichen Fachausdrücke, erläutert die Wirkungsbasis der Akupunktur und informiert

allgemein über Hilfsmittel und Anwendungstechnik.

Im speziellen Teil folgen dann genaue Beschreibungen der Punktlokalisationen und

der Punktauswahl nach klinischen Indikationen.

Unterstützt durch die anatomische Zeichnerin Frau B. Bammer fertigte er auch

genaue Zeichnungen mit Angabe der Punkte an (Abb. 25).

In diesem Buch geht Dr. Brunner speziell auf die Belange bei Kleintieren inklusive

Geflügel ein und weist darauf hin dass die Kollegen Westermayer im Pferdebereich

und Kothbauer im Bereich der Nutztiere an umfangreichen Werken arbeiten.

Dr. Brunner wurde Fachtierarzt für Kleintiere und Fachtierarzt für Akupunktur und

Neuraltherapie und wirkte in diesem Bereich auch als Mitglied der

Fachtierarztprüfungskomission.

Er betreute auch andere Tierärzte während ihrer Dissertation, von denen einer Dr.

Andreas Zohmann war, der sich in seiner Arbeit mit der Ohrakupunktur befasste.

Gemeinsam mit Prof. Dr. H. E. König und Dr. Artmeier entwarfen Brunner und

Zohmann eine Ohrkarte für die Ohrakupunkturpunkte bei Hunden. Um bei ihren

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Vorträgen den Hörern zeigen zu können, wo sich die Punkte tatsächlich befinden,

fertigten sie selbst Abdrücke von Hundeohren an und markierten die Punkte.

In den letzten 12 Jahren beschäftigte sich Dr. Brunner mit der Magnetfeldtherapie,

ein Gebiet der Medizin, das vielleicht heute so unterschätzt wird wie die Akupunktur

zu Beginn der beruflichen Tätigkeit von Dr. Brunner.

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Abb. 25: Akupunkturpunkte des Hundes (BRUNNER, 1980b)

Abb. 24: Schaltbild eines chinesischen Elektroakupunkturgerätes

(BRUNNER, 1980b)

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3.5.5. Dr. Andreas Zohmann

Den ersten Kontakt zur Akupunktur hatte Zohmann schon während seines

Veterinärmedizinstudiums. Bei einem Abendessen mit einem Bekannten, der als

Geologe oft in China unterwegs war, kam zufällig das Gespräch auf die medizinische

Behandlung in China. Dort hatte dieser Geologe die Akupunktur am Menschen

beobachten können und stellte nun die Frage, ob man Akupunktur nicht auch

am Tier anwenden könne und dass das ja ein interessantes Dissertationsthema

wäre.

Ein weiteres Ereignis, das trotz seiner Trivialität in Zohmanns Erinnerung einen

wichtigen Platz einnimmt, ereignete sich während seines Studiums im ersten

Semester. Während einer Fahrt mit der Straßenbahn las ein Freund in einer

Tageszeitung einen Artikel über einen Tierarzt namens Kothbauer, der Akupunktur

an Tieren durchführen sollte. Damals amüsierten sich beide über den ihrer Meinung

nach recht witzigen Namen, ohne zu ahnen, welche Rolle Prof. Kothbauer und Dr.

Zohmann einmal für die Akupunktur spielen sollten.

Nach seiner Heirat und der Übersiedlung seiner Familie nach Wien, entschloss sich

Zohmann als Demonstrator am Institut für Anatomie zu arbeiten. Bei der ersten

Institutskonferenz wurden von Prof. Schaller einige Dissertationsthemen vergeben,

eines davon wurde von Dr. Ferdinand Brunner vorgeschlagen und handelte von

Ohrakupunktur und deren Funktionsmechanismen. Dieses Gebiet der Akupunktur

war noch sehr jung, zum ersten Mal wies der Franzose Nogier im Jahr 1956 bei

einem Vortrag auf einem Kongress auf die Beziehungen verschiedener Körperzonen

zur Ohrmuschel hin und prägte den Begriff der „Auriculotherapie“.

Zohmann erinnerte sich zu diesem Zeitpunkt wieder an sein Gespräch mit dem

befreundeten Geologen, bekundete Interesse an diesem Thema und begann 1978

an seiner Dissertation über die Funktionsmechanismen der Ohrakupunktur zu

arbeiten.

Bis zu seiner Sponsion 1984 war Zohmann als freier Mitarbeiter am Institut für

Anatomie beschäftigt und hielt dort unter anderem Intensivkurse über die Anatomie

des Zentralen Nervensystems ab. Während dieser Zeit arbeitete er schon intensiv an

dem Thema Ohrakupunktur:

1985 wurde Dr. Zohmann bei der Fa. Gebro (ein pharmazeutischer Betrieb in

Fieberbrunn/Tirol) wissenschaftlicher Betreuer der Fachgebiete Neuraltherapie,

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Lokalanästhesie, medikamentöse Schmerztherapie, Osteoporose, präoperative

Hautdesinfektion, Ein- und Durchschlafstörungen. In diesen Bereichen wirkte er bei

der Erstellung von wissenschaftlichen Unterlagen, Schulungen des Außendienstes

und bei Vorträgen für Ärzte und Apotheker mit.

1987 wurde von R. Pellegrini, H. Schmitz und A. Zohmann als verantwortlichem

Autor das Buch „Schmerzbehandlung mit Xyloneural®“ veröffentlicht. Xyloneural ist

ein Lidocain Präparat das in der Neuraltherapie verwendet wird (PELLEGRINI et al.,

1996).

Zu dieser Zeit begann Zohmann auch bei den Vorlesungen von Prof. Dr. Kothbauer

an der VUW als freiwilliger Mitarbeiter mitzuwirken.

1989 promovierte er mit seiner Arbeit „Die Blockade des Ganglion cervicothoracicum

(stellatum) beim Hund zur Untersuchung der Beteiligung des sympathischen

Nervensystems an der Projektion eines gereizten Organes in die Ohrmuschel“ zum

Dr.med.vet. (ZOHMANN, 1989).

Zohmann hatte erkannt, dass der Umstand des hohen Alters der Akupunktur, ihrer

Einfachheit und der Umstand, dass ihre Dokumentation lange Zeit zur Gänze auf

Erfahrungsberichten basierte, diese Therapieform mit dem Fluidum der Mystik und

Unseriosität umgaben. Diagnostische und therapeutische Methoden müssen, um

heute anerkannt zu werden, mittels anerkannter wissenschaftlicher Verfahren

untersucht und erklärbar oder wenigstens interpretierbar sein.

In diesem Zusammenhang stellte er sich zur Aufgabe, die Projektion eines

experimentell gereizten Organs in die Ohrmuschel zu verifizieren. Anschließend

wurde untersucht, ob die reversible Unterbrechung einer Sympathicus-Schaltstelle

(Blockade) zwischen Reiz- und Projektionsort Hinweise auf eine etwaige Beteiligung

des Vegetativums an somatotopisch wirkenden Informationsmechanismen geben

kann.

Aufbauend auf die verifizierte Tatsache, dass die Reizung einer Region (Ellenbogen)

eine umschriebene Erniedrigung des Hautwiederstandes an einer bestimmten Stelle

der Ohrmuschel („Ellenbogenpunkt“) nach sich zieht, etablierte er also folgende

Arbeitshypothese: Bei einer Beteiligung des sympathischen Nervensystems an den

Projektionsmechanismen der Ohrakupunktur müsste eine Unterbrechung der

Verbindung des Sympathikus zwischen einem gereizten Organ (Ellenbogen) und der

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Ohrmuschel einen Einfluss auf dieses Phänomen („Ellenbogenpunkt“ Abb. 26)

haben.

Seit 1978 gab es die unterschiedlichsten Darstellungen von Ohrmuscheln mit

markierten Projektionspunkten innerer Organe sowie des Bewegungsapparates.

Teilweise fielen diese Darstellungen sehr dürftig aus, oft fehlte sogar die

Beschreibung, auf welche Tierart sich die Kartographien bezogen. Aufgrund der

Angaben dieser Darstellungen wurde der Ellbogenpunkt ausgewählt, da er als

Ausnahme relativ frei von benachbarten Punkten im oberen Teil der Innenseite der

Ohrmuschel liegt und in den verschiedenen Zeichnungen übereinstimmend

dargestellt wurde.

In dieser Studie wurde bei Beagles eine Hautfalte am linken Ellenbogen mittels einer

subkutan gesetzten Nadel gereizt, die für 10 Stunden an Ort und Stelle verblieb.

Nach dem Setzen der Nadel wurde in bestimmten Zeitabständen die linke

Ohrmuschel mit einem Punktdetektor auf Veränderungen des Hautwiederstandes

untersucht.

Im zweiten Teil der Studie wurde vor der Reizung der Hautfalte am linken Ellenbogen

das Ganglion stellatum (cervicothoracicum) der ipsilateralen Seite mittels eines

Lokalanästhetikums (Xyloneural®) blockiert. Überprüft wurde die erfolgreiche

Blockade anhand Eintreten der Horner’schen Trias (Abb. 27) und durch Messung des

Anstiegs der Hauttemperatur am Zehenrücken der ipsilateralen Brustgliedmaße.

Unter der Horner’schen Trias (=Horner Syndrom) versteht man einen

Symptomenkomplex, für den drei Merkmale typisch sind: Pupillenverengung (Miosis),

Herabhängen des oberen Augenlids (Ptosis) und ein scheinbar eingesunkener

Augapfel (Pseudoenophthalmus).

Danach wurde erneut die Ohrmuschel mit einem Punktdetektor auf Veränderungen

des Hautwiederstandes untersucht. In den Ergebnissen wird deutlich, dass durch die

Blockade des Ganglion stellatum nach Reizung der Haut am Ellenbogen eine

Verminderung des Hautwiderstandes am Ellenbogenpunkt verhindert wird. Der

Ellenbogenpunkt konnte also nicht mehr geortet werden. Anhand dieser Experimente

konnte zum einen die Projektion gereizter Organe an topographisch bestimmbare

Punkte der Ohrmuschel verifiziert werden. Außerdem konnte auch die Beteiligung

des sympathischen Nervensystems an den Projektionsmechanismen aurikulärer

Somatotopien nachgewiesen werden.

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Abb. 26: Ellenbogenpunkt

(ZOHMANN, 1989)

Abb. 27: Horner’sche Trias

(ZOHMANN, 1989)

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1989 gründete Dr. Zohmann die Sektion Akupunktur, Neuraltherapie und

Homöopathie der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte, und war bis 1999

Vorsitzender der Sektion.

1990 gründete er eine private Forschungsstelle für Akupunktur und Neuraltherapie in

Fieberbrunn.

In diesem Jahr begann die neu gegründete Sektion der ÖGT mit regelmäßigen

Curricula über Akupunktur und Neuraltherapie, die die Basis der Ausbildung von

vielen auf diesem Gebiet tätigen Tierärzten darstellen.

1991 legte Zohmann die Prüfung der Österreichischen Medizinischen Gesellschaft

für Neuraltherapie und Regulationsforschung ab.

Im Jahr darauf wurde seine private Forschungsstelle in die Ludwig Boltzmann –

Gesellschaft (Leitung Prof. Dr. Johannes Bischko) aufgenommen und Zohmann

wurde zum Leiter der Außenstelle Veterinär des Ludwig Boltzmann Institutes für

Akupunktur.

Seitdem bis 2002 war Zohmann auch Universitätslektor für Akupunktur und

Neuraltherapie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Chirurgie, Interne 1).

1994 beendete Zohmann gemeinsam mit Dr. Markus Kasper seine Arbeit an dem

Buch „Neuraltherapie in der Veterinärmedizin. Grundlagen – Diagnose – Therapie“.

(ZOHMANN u. KASPER, 1994). Für dieses Buch wurde ihnen der „Bank Austria

Förderungspreis der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs“ verliehen.

Im gleichen Jahr wurde, angetrieben von Dr. Zohmann, in Österreich der Fachtierarzt

für Akupunktur und Neuraltherapie geschaffen. Erste Träger dieses Titels waren Dr.

Zohmann und Professor Dr. Kothbauer.

1995 erschien das Buch „Akupunktur bei Hund und Katze“ verfasst von Dr. D.

Draempaehl und Dr. Zohmann. Gemeinsam mit Prof. Dr. Kothbauer wurde ihm die

Huneke-Medaille der Inernationalen Gesellschaft für Neuraltherapie und

Regulationsforschung verliehen.

1997 erschien das Video „Einführung in die Veterinär-Neuraltherapie“.

1998 beendete Dr. Zohmann seine Tätigkeit bei der Firma Gebro und erhielt den

„Pischinger Preis“ der Österreichischen Gesellschaft für Akupunktur und

Neuraltherapie für die Studie „Diagnostische und therapeutische Nutzbarkeit eines

druckempfindlichen Punktes am Oberschenkel des Hundes und seine Beziehung

zum Hüftgelenk“ (ZOHMANN, 1998).

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Von 1998 bis 1999 war Dr. Zohmann Universitätsassistent an der Vet. Med. Univ.

Wien. In dieser Zeit erfolgte der Aufbau der Regulationsambulanz an der I. Med.

Univ. Klinik (Akupunktur, Neuraltherapie, Physikalische Medizin, Schmerztherapie),

die Dr. Zohmann auch leitete.

1999 eröffnete Dr. Zohmann in Fieberbrunn eine Spezialpraxis für Akupunktur,

Neuraltherapie, Schmerztherapie und Physikalische Medizin für Klein- und Großtiere

und wurde leitender Tierarzt des „Vierbeiner Reha-Zentrums“ in Bad Wildungen in

Hessen, D, mit dem Spezialgebiet Physikalische Medizin/Physiotherapie für

Kleintiere und Pferde.

2000 beendete Zohmann seine tierärztliche Tätigkeit in Fieberbrunn und widmet sich

seither ausschließlich der tierärztlichen Leitung des Vierbeiner Reha-Zentrums in

Bad Wildungen und erhält auch die Zusatzbezeichnung „Akupunktur“.

Von 2002 bis 2005 war Zohmann Lehrbeauftragter an der Justus Liebig-Universität

Giessen (Kleintierchirurgie) und hielt die Vorlesungsreihe „Physikalische Medizin und

postoperative Rehabilitation beim Pferd“ für Studenten der Veterinärmedizin des 7.

und 9. Semesters und die Vorlesungsreihe „Physikalische Medizin in der

Kleintierorthopädie und –neurologie“ für Studenten der Veterinärmedizin des 6. und

8. Semesters.

Von 2006 bis 2009 leitete Zohmann auch die Zweigstelle des Vierbeiner Reha-

Zentrums in Piding an der bayrisch-salzburgischen Grenze.

2007 erschien Zohmanns Buch „Ganzheitliche Schmerztherapie für Hund und

Katze“.

2008 begann Zohmann mit dem Institut für Zytobiologie der Naturwissenschaftlichen

Fakultät der Universität Salzburg zusammenzuarbeiten, um Grundlagenforschung

zur Goldimplantation zu betreiben.

2009 wurde Dr. Zohmann zum Ehrenmitglied der Österreichischen Medizinischen

Gesellschaft für Neuraltherapie und Regulationsforschung ernannt.

Zusätzlich zu den vielen oben genannten Leistungen trug Dr. Zohmann mit einer

Vielzahl von Vorträgen, Seminaren und Kursen für Tierärzte, Ärzte und Laien sowie

mit über 30 Publikationen in Fachzeitschriften und als Buchbeiträge sowie mit zwei

Lehrvideos umfangreich zur Weiterentwicklung der Veterinärakupunktur in Österreich

bei.

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3.5.6. Dipl.Tzt. Dr.Karl Grohmann

Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie, Fachtierarzt für Kleintiere,

Universitätslektor für Veterinärakupunktur. Das Interesse von Dr. Karl Grohmann an

der Akupunktur war schon während seines Studiums an der Veterinärmedizinischen

Universität Wien vorhanden. Die ersten Kontakte zu diesem Gebiet hatte er während

seiner Assistenzzeit am Institut für Anatomie.

Nach seiner Dissertation 1986 und seinem zweiten Assistenzjahr am Institut für

Anatomie gründete er in Klosterneuburg eine eigene Praxis und begann sich

intensiver mit dem Thema Akupunktur zu befassen.

Frühzeitig spezialisierte er sich auf die traditionelle Chinesische Medizin und auf die

orthopädische Neuraltherapie. In der Schulmedizin liegt der Schwerpunkt von Dr.

Grohmann auf der Inneren Medizin und der Chirurgie.

Das Interesse an der Akupunktur begründete sich für Grohmann darin, dass oft

Lösungsangebote für Probleme geboten werden, die in der Schulmedizin als

austherapiert gelten oder die nur symptomatisch behandelt werden.

Die zur damaligen Zeit von Prof. Kothbauer und Dr. Zohmann gehaltenen

Vorlesungen an der Universität über die Grundlagen der Akupunktur waren in erster

Linie westlich-wissenschaftlich orientiert. Das Interesse von Dr. Grohmann richtete

sich aber schon früh auf die traditionell chinesische Lehre. Dazu gab es zur

damaligen Zeit in Österreich noch keine Kurse oder Ausbildungen, der Kurs der IVAS

(International Veterinary Acupuncture Association) wurde damals nur in den USA

angeboten. Aus diesem Grund bildete sich Grohmann vor allem in Deutschland über

die ATF (Akademie für tierärztliche Fortbildung) und in der Schweiz weiter. In diesen

Ländern gehörten die Tierärzte, die sich erfolgreich mit Akupunktur befassten, zwar

auch noch einer handverlesenen Gruppe an, jedoch war dieser Teil der Medizin

schon deutlich stabiler etabliert als in Österreich.

Nach den anfänglichen Schwierigkeiten, sich von der Schulmedizin auf ein komplett

anderes System mit einer anderen Diktion umzustellen, wurde genau diese andere

Herangehensweise an ein Problem für Dr. Grohmann sehr spannend. Durch die

Erkenntnis dass ein sehr großer theoretischer Wissensstand nötig ist um ein

Krankheitsbild komplett zu erfassen, bedurfte es 2-3 Jahre intensiver

Auseinandersetzung mit der Materie, bis Selbstvertrauen und Kenntnisse groß genug

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waren für die Anwendung der Akupunktur in der Praxis. Nach dem Beginn der

Anwendung der Akupunktur Mitte der 90er Jahre stellten sich dann bald die ersten

Erfolge ein.

Im Jahr 1999 folgte Dr. Grohmann Dr. Zohmann als Leiter der Sektion Akupunktur,

Neuraltherapie und Homöopathie der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte. Er

war auch für fünf Jahre Leiter der Außenstelle Veterinärakupunktur der Ludwig

Boltzmanngesellschaft.

Unter seiner Leitung wurden von der ÖGT-Sektion immer mehr Seminare und Kurse

zur Akupunktur veranstaltet, zu denen auch Gastreferenten aus dem Ausland

eingeladen wurden. Neben anderen Referenten wurde v.a. Dr. Barbara Bachmann

immer wieder eingeladen. Die Schweizer Tierärztin zählt zu den Pionieren der

Veterinärakupunktur in der Schweiz und bildete sich vor allem in China und den USA

weiter. Sie verfasste 1988 an der Universität Zürich ihre Dissertation zum Thema

Akupunktur: „Untersuchungen zur Akupunktur: Elektrische Hautwiderstandsmessung

zur Lokalisation von Akupunkturpunkten bei Kühen.

Im Jahr 2000 begann Dr. Grohmann anstelle von Dr. Zohmann an der

Veterinärmedizinischen Universität Wien die Vorlesung: „ Einführung in Akupunktur

und Neuraltherapie“ zu halten. Bis jetzt wird dieser Kurs von den Studierenden sehr

gut angenommen und hat jährlich in etwa 100 Hörer.

Im gleichen Jahr organisierte Grohmann gemeinsam mit Dr. Kurt Ganzberger den

jährlichen IVAS Kongress in Wien.

Zu dieser Zeit begann Grohmann auch für verschiedenste Einrichtungen Seminare

und Vorträge zu halten, unter anderem für die VÖK (Vereinigung Österreichischer

Kleintiermediziner), für die ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte), für die

Veterinärmedizinische Universität Wien aber auch in privatem Bereich für

interessiertes Laienpublikum.

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3.5.7. Entwicklung bis heute

In etwa zeitgleich mit Dr. Grohmann begannen sich einige österreichische Tierärzte

näher mit der chinesischen Lehre der Akupunktur zu befassen. Obwohl der westlich-

wissenschaftliche Zugang außerordentlich bedeutsam war für die Anerkennung und

Verbreitung dieser Form der Diagnostik und Therapie, ist die chinesische Lehre in

anderen Teilen der Welt schon über eine weitaus längere Zeit praktiziert und erprobt

worden.

Einer der Tierärzte, die erkannten, dass die chinesische Lehre eine große

Bereicherung für die Akupunktur in Österreich darstellen könnte, war Dr. Kurt

Ganzberger, der während seiner Tätigkeit am Institut für Anatomie über Dr. Zohmann

erste Kontakte zur Akupunktur knüpfte. Weil es damals in Österreich im Bereich der

Veterinärmedizin nur Kurse zum Thema Neuraltherapie gab, nutzte Dr. Ganzberger

die Gelegenheit, mit einigen Kollegen zu einem IVAS Kurs nach Belgien zu fahren. In

einem einjährigen, von zahlreichen Fahrten nach Belgien geprägten Lehrgang

lernten sie dort die Grundlagen der traditionellen chinesischen Medizin und der

Akupunkturlehre kennen. Nach Beendigung dieses Kurses wurde gemeinsam mit Dr.

Zohmann begonnen, einen Teil der chinesischen Lehre in die österreichischen

westlich-wissenschaftlich orientierten Kurse einzubringen, was wiederum einen

großen Fortschritt für die Entwicklung dieses Teiles der Veterinärmedizin in

Österreich brachte.

Zum heutigen Zeitpunkt wird beim jährlich angebotenen Curriculum der ÖGT Sektion

Ganzheitsmedizin sowohl die Neuraltherapie als auch die TCM gelehrt.

Einen großen Stellenwert für die Weiterentwicklung und Anerkennung der

Akupunktur in der Veterinärmedizin hat auch die Ambulanz für Physikalische Medizin

und Rehabilitation der Veterinärmedizinischen Universität Wien seit 14 Jahren. Im

Jahr 1998 als Regulationsambulanz von Dr. Zohmann gegründet, entwickelte sich

diese Einrichtung unter der Leitung von Dr. Barbara Bockstahler ab 1999 zu einem

fixen Bestandteil der universitären Einrichtungen für die Kleintiermedizin. Seit 2001

wird diese Einrichtung durch die IVAS zertifizierte Veterinärakupunkteurin Dr. Marion

Müller unterstützt. Neben der Arbeit mit den mittlerweile sehr zahlreich gewordenen

Akupunkturpatienten, ist es ein Anliegen dieser Einrichtung als universitäre

Einrichtung Beiträge dazu zu leisten, diesen Teil der Medizin auf eine

evidenzbasierte Basis zu stellen. 2010 wurde eine Studie publiziert die überprüfen

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soll, ob man bestimmte Teile der TCM Diagnostik mit westlicher Diagnostik

vergleichen kann. Dabei stellt sich heraus dass bei manchen Organsystemen die

Übereinstimmung sehr hoch ist (Herz/Perikard; 87,5%), bei anderen Organsystemen

jedoch eher niedrig (Milz/Pankreas 50%) (MUELLER et al., 2010).

Das von Müller herausgebrachte und von Müller und Bockstahler verfasste

Fachbuch: „Checkliste Akupunktur für Kleintiere“, (MUELLER, 2011) erfüllt den

Anspruch an eine hohe Praxisrelevanz, verbunden mit einer übersichtlichen

Darstellung der Grundlagen. Über Indikationen oder über den traditionell

chinesischen Weg kann zu Behandlungskonzepten gefunden werden.

Die Mitarbeiter der Ambulanz für Physikalische Medizin und Rehabilitation bemühen

sich auch die Lehre und Erforschung der Akupunktur zu unterstützen, indem sie

Diplomarbeiten und Dissertationen zu diesem Thema fördern. Zurzeit befinden sich

folgende Themen in Arbeit, betreut durch Prof. Thalhammer von der Klinischen

Abteilung für Interne Medizin Kleintiere:

SCHMITT, A.M.: Einfluss der Nadelung der Akupunkturpunkte Perikardium 6 und

Herz 7 auf die Herzfrequenzvariabilität.

MERGL, A.: Klinische prospektive Grundlagenstudie über den Effekt der Nadelung

der Akupunkturpunkte Lu11 und LG26 auf Atemparameter.

WURZBERGER, S.: Korrelation zwischen orthopädischer und röntgenologischer

Diagnostik und Diagnosestellung anhand von Akupunkturpunkten (SHU- und

Triggerpunkten).

Im Laufe der Zeit an der Veterinärmedizinischen Universität Wien erschienene

Dissertationen, die die Erforschung der Akupunktur vorangetrieben haben

DAMBÖCK, A. (1955): Die Hautinnervation der Extremitäten des Rindes.

Beschrieben unter 6.3.

GIROLLA, W. (1955): Der Nervus phrenicus des Rindes. Seine Morphologie, Topik,

Innervations- und Funktionsaufgabe.

Beschrieben unter 6.3.

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SCHALLER, O. (1956): Die periphere sensible Innervation der Haut am Rumpf des

Rindes.

Beschrieben unter 6.3.

FREWEIN, J. (1963): Der Anteil des Sympathicus an der autonomen Innervation des

Rindermagens.

Beschrieben unter 6.3.

FAFFELBERGER, C. (1981): Ein Beitrag zur Anwendung der Akupunkturanalgesie

bei Zitzenoperationen an Kühen.

Angeregt durch Berichte von Dr. Kothbauer über Akupunkturanalgesie bei Kühen,

setzte sich Faffelberger zum Ziel die Wirksamkeit und Verwendbarkeit der

Akupunkturanalgesie bei Zitzenoperationen im Vergleich zur Infiltrationsanästhesie

an zwölf Kühen zu überprüfen. Lediglich zwei von den geplanten zwölf Operationen

konnten aufgrund von Abwehrreaktionen unter Verwendung der

Akupunkturanalgesie durchgeführt werden, wobei mittels Infiltrationsanästhesie alle

geplanten zwölf Operationen ohne Probleme durchgeführt werden konnten.

Faffelberger gibt an, dass in weiteren Untersuchungen ermittelt werden sollte, ob

durch Verbesserung der Geräte, durch weitere Punktkombinationen bzw. durch eine

abgeänderte elektrische Stimulation ein hypalgetischer Effekt verstärkt bzw. eine für

Operationszwecke ausreichende Analgesie erzielt werden kann.

KANIS, A. (1981): Ein Beitrag zur Anwendung der Akupunkturanalgesie bei

Laparotomien an Kühen.

Angeregt von Berichten von Dr. Kothbauer über die Durchführung von

Kaiserschnitten unter Akupunkturanalgesie, setzte sich Kanis zum Ziel die

Wirksamkeit und Verwendbarkeit der Akupunkturanalgesie bei Laparotomien an

zwölf Rindern zu überprüfen. Sechs Versuche mussten abgebrochen werden. Sechs

Operationen konnten trotz heftiger Abwehr und trotz Zwischenfällen, die darin

bestanden dass die Tiere niedergingen und umfielen, bis zum Ende durchgeführt

werden. Bei der Infiltrationsanästhesie konnte bei allen Kontrolloperationen eine

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ausreichende Analgesie erzielt werden und alle Operationen konnten ohne

Zwischenfälle durchgeführt werden. Auch Kanis stellt sich die Frage ob

möglicherweise durch eine andere Punktkombination bzw. durch eine andere

elektrische Stimulation ein hypalgetischer Effekt verstärkt werden könnte.

RUMPF, R. (1985): Physikalische Verfahren (Scheidendusche, Klitorismassage und

Akupunktur) zur Ovulationsbeeinflussung beim Rind.

In seinen Untersuchungen konnte Rumpf durch Akupunktur die Follikelreifung um 13

Stunden und die Ovulation um 21 Stunden gegenüber der Kontrollgruppe

beschleunigen.

ZOHMANN, A. (1989): Die Blockade des Ganglion cervicothoracicum (stellatum)

beim Hund zur Untersuchung der Beteiligung des sympathischen Nervensystems an

der Projektion eines gereizten Organes in die Ohrmuschel.

Beschrieben unter 6.5.

CHAN, W.W. (1991): Effect of electroacupuncture in boars on spermatological

parameters and seminal noradrenaline concentration.

Chan untersuchte den Einfluss von Elektroakupunktur auf die Samenqualität und die

Konzentration von Noradrenalin in der Samenflüssigkeit von Wildschweinen. Die

Beweglichkeit der Spermien erhöhte sich, es wird aber vermutet dass die Ursache

dafür die signifikant angestiegene Konzentration von Noradrenalin nach der

Akupunkturbehandlung war.

EGERBACHER, M. (1991): Anatomische und histologische Untersuchungen zur

Morphologie ausgewählter Akupunkturpunkte am Rumpf bei Rind und Hund .

Durch ihre Dissertation an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, hat

Egerbacher weiter dazu beigetragen, die Akupunkturlehre aus dem Bereich der

paramedizinischen Heilmethoden herauszuheben und sie auf eine wissenschaftliche

Basis zu stellen. Sie geht in ihrer Arbeit davon aus, dass nicht in erster Linie die

Reizart - verschiedenste Formen der Hautreiztherapie sind seit langem auch bei uns

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80

bekannt - das entscheidende Kriterium für die Wirksamkeit der Akupunktur darstellt,

sondern vor allem der Reizort. Um festzustellen ob es am Akupunkturpunkt ein

morphologisch fassbares Substrat gibt, hat sie an Rind und Hund die Struktur der

Punkteareale durch mikroanatomische Untersuchungen noch weiter aufgeklärt und

die Arbeiten von HEINE (1987, 1988, 1990) und KOTHBAUER (1961, 1984, 1990)

dadurch ergänzt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde noch keine einheitliche spezifische

Struktur gefunden, die den Akupunkturreiz aufnimmt und verarbeitet bzw. weiterleitet.

Die wichtigste Gemeinsamkeit der an Akupunkturpunkten gefundenen Strukturen ist

die Anwesenheit von Nerven, sei es als größeres Nervenbündel, als freie

Nervenendigungen oder auch nur als perivaskulärer Plexus.

LAYROUTZ, A. (1994): Ohrakupunkturpunkte des Hundes und ihre Morphologie.

LAYROUTZ findet ähnliche Durchbruchstellen von Nerven im Ohr des Hundes.

Nach Layroutz ist es anzustreben, die letzten „weißen Flecken“ dieser diagnostisch

und therapeutisch zu nutzenden Behandlungsmethode zu erforschen, um den

wenigen noch vorhandenen Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Einer

der zentralen Fragen der Akupunkturwirkung seien die funktionell-anatomischen

Eigenschaften der Akupunkturpunkte. Dies betrifft aber nicht nur die traditionelle

chinesische Körperakupunktur, sondern auch die verhältnismäßig junge

Auriculotherapie, als deren Entdecker man den französischen Arzt Dr. Paul Nogier

bezeichnen kann. Einen Beitrag dazu soll die Arbeit von Layroutz leisten. Sie stellte

dabei von 19 Hunden verschiedener Rassen die Ohrknorpel dar und stellte dabei

eine Übereinstimmung zwischen perforierenden Gefäß-Nervenbündeln und

Projektionszonen verschiedener Ohrkarten von 70-80 % fest.

JANEZIC, E. (1996): Untersuchungen über die Beziehung zwischen Körperkontakten

während des Mutter-Kalb-Verhaltens post partum und Akupunkturpunkten.

Schon Dr. Kothbauer ist im Jahr 1990 bei der Betrachtung der am häufigsten

beleckten Stellen des Rinderkörpers in einer Abbildung von SAMBRAUS (1978) ein

Zusammenhang mit Akupunkturpunktlokalisationen aufgefallen. Außerdem erkannte

er schon, dass das soziale Lecken vor allem in der Zeit nach dem Grasen stattfindet,

und es sich bei den am meisten beleckten Stellen um Akupunkturpunkte handelt, die

der Verbesserung des Stoffwechsels und der Verdauung dienen.

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81

Janezic untersucht in ihrer Arbeit das Leckverhalten der Mutterkuh nach der Geburt

und das Eutersuchverhalten des Kalbes post partum. Es wird bestätigt, dass die

Mutterkuh beim neugeborenen Kalb bevorzugt an Körperteilen leckt, an denen sich

die so genannten Notfallpunkte befinden, und dass das Kalb bei der ersten Suche

nach dem Euter, bei dem es immer wieder den Körper der Kuh berührt, jene

Lokalisationen wählt, an denen euterwirksame und die Milchejektion verbessernde

Akupunkturpunkte liegen.

WEISSENSTEINER, J. (1996): Chemische Aspekte des Akupunkturpunktes.

Laut Weissensteiner sind Akupunkturpunkte aufgrund histochemischer Befunde

durch neuronale Innervation charakterisiert. In Gewebeproben und Mikrodialysaten

von 28 Hunden, 2 Kaninchen und einem Rind wurden Konzentrationen der

Transmittersubstanzen Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin mit

Hochdruckflüssigkeitschromatographie und elektrochemischer Detektion in

Akupunkturpunkten bestimmt.

LICKA, T. (1996): Bewegungsbild von Pferden mit Rückenschmerzen. Einfluss der

Akupunktur- Therapie auf den Bewegungsablauf.

Zum Zeitpunkt dieser Arbeit war in der Veterinärmedizin die Behandlung von

chronischen Schmerzzuständen und chronisch degenerativen Erkrankungen noch

nicht lange etabliert. Die Akupunktur hatte sich in diesem Bereich gerade in der

Humanmedizin einen Platz geschaffen, da dort die traditionellen

Behandlungsmethoden häufig wenig zufrieden stellende Ergebnisse erzielten. Da die

wirtschaftlichen Faktoren in der Pferdehaltung immer mehr an Bedeutung verloren

und die Pferdehaltung aus Liebhaberei und Freizeitbeschäftigung immer wichtiger

wurde, ist für die Veterinärmedizin ein neuer Anwendungssektor entstanden.

Die Frage die dieser Studie zugrunde liegt, lautet: Lässt sich mittels

wissenschaftlicher Methoden die Wirksamkeit der Akupunktur als Therapie für einen

spezifischen Symptomenkomplex verifizieren?

Damit fügt sich diese Studie als ein weiterer Mosaikstein in das Spannungsfeld

zwischen die Akupunktur und die westliche Schulmedizin ein.

Die therapeutische Wirksamkeit eines Akupunktur-Therapie Schemas bei

Rückenschmerzen des Pferdes wurde in 10 Fällen überprüft.

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Die Druckschmerzhaftigkeit der untersuchten und genadelten Akupunkturpunkte

nahm bei 9 von 10 Pferden ab. Die klinische Erfassung der Rückenschmerzen ergab

eine Verbesserung bei 5 Pferden und ein Gleichbleiben bei 5 Pferden.

HABACHER, G. (2005): Systematic review of the effectiveness of acupuncture in

veterinary medicine .

Das Ziel dieser Arbeit war, anhand einer systematischen Literaturrecherche die

Wirksamkeit von Akupunktur in der Veterinärmedizin wiederzugeben und zukünftige

Forschungsfelder aufzuzeigen.

14 randomisierte klinische Studien und 17 nicht randomisierte klinische Studien

wurden in die Untersuchungen miteinbezogen.

Laut dieser Arbeit gibt es keine überzeugenden Hinweise darauf, dass Akupunktur

effektiver ist als keine Behandlung oder als konventionelle Therapieformen.

CHVALA, S. (2002): Untersuchungen über den Einsatz des "Meridiantests" aus dem

Bereich der Akupunktur zur Diagnose von Equinen Herpesvirus Typ-1 (EHV-1) -

Infektionen bei Problempferden.

Chvala setzte sich zum Ziel, herauszufinden, ob man durch palpatorische Prüfung

der Sensitivität von Akupunkturpunkten auf Meridianverläufen („Meridiantest“) die

Diagnose stellen kann, dass ein Pferd mit „poor performance syndrom“

(„Problempferd“) an einer akuten bzw. reaktivierten EHV-1 Infektion leidet.

Zwanzig Pferde mit Leistungsabfall und/oder Widersätzlichkeit bzw. auch mit

Verhaltensänderungen, wurden über den palpatorischen Nachweis bestimmter

sensitiv reagierender Akupunkturpunkte ("Herpespunkte") als "Herpes-verdächtig"

diagnostiziert. Diese und 20 weitere Pferde, die als Kontrollgruppe dienten (sie

reagierten nicht auf die "Herpespunkte") wurden einer "westlich" schulmedizinischen

Untersuchung unterzogen.

Eine eindeutige Beziehung zu einer Herpesinfektion konnte nicht bewiesen werden,

obwohl eine gewisse Tendenz dazu zu erkennen war.

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83

3.6. AUSBILDUNG

Im Gegensatz zu Deutschland und in der Schweiz ist die Ausübung von Akupunktur

an Tieren in Österreich nur den Tierärzten vorbehalten. Obwohl für die Erlaubnis der

Ausübung keine weitere Qualifikation als das veterinärmedizinische Studium

Voraussetzung ist, kann das dafür nötige Wissen nur zu einem kleinen Teil an der

Universität erworben werden.

Die Akupunkturausbildung kann während des Studiums in den Vorlesungen von Prof.

Dr. Oswald Kothbauer und Dr. Karl Grohmann an der Veterinärmedizinischen

Universität Wien begonnen werden.

Die ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte - Sektion Ganzheitsmedizin-

Vorsitz: Dr. Harald Pothmann) bietet intensive Praxiskurse für Akupunktur und

Neuraltherapie an. Zur internationalen Anerkennung dient die Weiterbildung bei der

IVAS (International Veterinary Acupuncture Society). Man muss also nicht mehr nach

China reisen.

3.6.1. Vorlesungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien

Zunehmendes Interesse an der Veterinärakupunktur durch praktizierende Tierärzte,

wie auch Bemühungen seitens des Lehrkörpers und auch der Studenten an der

Veterinärmedizinischen Universität in Wien, haben dazu geführt, dass im Jahre 1980

ein Lehrauftrag: "Akupunktur und Neuraltherapie in der Gynäkologie und Geburtshilfe

des Rindes - spezielle Akupunkturlehre" geschaffen wurde. Mit den Vorlesungen

wurde Doz. Dr. Oswald Kothbauer beauftragt. Ab dem Jahr 1987 beteiligte sich Dr.

Zohmann als freier Mitarbeiter an den Vorlesungen von Dr. Kothbauer. Die

Vorlesungen wurden an der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie an

der Veterinärmedizinischen Universität Wien abgehalten. Auf allgemeinen Wunsch

wurde mit Beginn des Studienjahres 92/93, ein weiterer Lehrauftrag für einschlägige

Übungen am Lehr- und Forschungsgut Merkenstein in Niederösterreich eingerichtet.

Im Jahr 2000 hat Dr. Grohmann begonnen die Vorlesung: „ Einführung in Akupunktur

und Neuraltherapie“ zu halten.

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Vorlesungen an der Veterinärmedizinischen Universität zum heutigen Zeitpunkt

(2012):

Einführung in die Akupunktur und Neuraltherapie. Dr. Karl Grohmann und Dr. Marion

Müller. Klinische Abteilung für Interne Medizin Kleintiere.

3.6.2. Kurse für Tierärzte

3.6.2.1. ÖGT

Die Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte)

bietet ein Curriculum in Traditionell Chinesischer Veterinär-Akupunktur (TCVM) und

Neuraltherapie (NT) an.

Dieser Kurs ist für Tierärzte und für Studenten im letzten Studienjahr zugelassen.

Durch die stark gestiegene Dichte an Informationen und Erfahrungen wurde der

Lehrgang im letzten Jahr auf sieben Kurse erweitert, die folgende Themen

beinhalten:

Einführung in die Veterinärakupunktur nach Traditionell Chinesischer Medizin (TCM)

und Neuraltherapie (NT)

Grundlagen der Neuraltherapie und Laser(aku)punktur in Theorie und Praxis

Kulturgeschichte der TCM

Chinesisches und westliches Denken

Yin und Yang, die fünf Elemente

Die vitalen Substanzen

Die inneren Organe

Krankheitsursachen

Substanzmuster

Die acht Leitprinzipien

Akupunkturpunkte (Auswahl, Stichtechniken)

Meridiane

Energieflüsse

Praktikum am Kleintier (Hund), Pferd und Rind

Ausblick auf verwandte Techniken (Moxa, Ohr-Akupunktur, Goldimplantate,

Kräutermedizin, manuelle Medizin)

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Diese Kurse sind inhaltlich den Anforderungen der I.V.A.S. (International Veterinary

Acupuncture Society) angepasst und entsprechen den internationalen Standards. Ein

Unterschied besteht aber darin, dass die Akupunkturkurse mit Neuraltherapie und mit

der westlich-wissenschaftlichen Akupunktur verbunden werden. Das soll den

praktisch umsetzbaren Wert erhöhen und das Verständnis für die pathologischen,

diagnostischen und therapeutischen Abläufe erleichtern.

3.6.2.2. I.V.A.S.

Auch für die Kurse der I.V.A.S. (International Veterinary Acupuncture Society) sind

nur Tierärzte und Studenten der Veterinärmedizin im letzten Studienjahr zugelassen.

Zurzeit findet in den USA einmal pro Jahr ein Basiskurs statt, der aus 120 Stunden in

konzentrierten theoretischen Einheiten und 4-5 Wochenenden mit praktischen

Übungen innerhalb eines Jahres besteht. Nach einem dreistündigen Abschlusstest

und der Präsentation von 5 detaillierten Fallberichten, werden die Absolventen als

befähigt angesehen, Veterinärakupunktur auszuüben.

Darauf aufbauend können sowohl Akupunkturkurse für Fortgeschrittene, als auch

Kurse, die die chinesische Kräuterlehre behandeln, besucht werden.

Auch in Europa gibt es eine der IVAS angeschlossene Organisation, die GERVAS

(German Veterinary Acupuncture Society) in Deutschland. Nach abgeschlossenem

GERVAS Basiskurs erhält man die Bezeichnung „IVAS Certified Veterinary

Acupuncturist“.

3.6.3. Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie

Da nach Ansicht der österreichischen Tierärztekammer die Akupunktur und

Neuraltherapie in der Veterinärmedizin in Österreich ein Niveau erreicht hat, das

zumindest europaweit als führend bezeichnet werden muss, wurde im Jahr 1994 die

Möglichkeit zum Erwerb des Titels Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie

eingeführt. Der wachsenden Bedeutung in der Praxis und der führenden Tätigkeit

von österreichischen Tierärzten auf diesem Fachgebiet sollte mit der Schaffung

dieses Titels Rechnung getragen werden.

Erste Träger dieses Titels waren Dr. Zohmann und Professor Dr. Kothbauer.

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Voraussetzung für den Antritt zur Prüfung ist neben dem abgeschlossenen Studium

der Veterinärmedizin und der mindestens 5 jährigen tierärztlichen Tätigkeit, die

fachspezifische praktische und theoretische Weiterbildung. Dazu empfiehlt die

Tierärztekammer dem Prüfungssenat, die Vorlesungen an der VUW und an anderen

Universitäten in Deutschland und der Schweiz anzuerkennen. Weiters muss der

Besuch von einschlägigen Seminaren, Kursen, Tagungen oder postgraduaten

Lehrgängen in der Dauer von mindestens 50 Stunden pro Jahr über wenigstens 3

Jahre nachgewiesen werden. Die Tierärztekammer empfiehlt dem Senat auch die

Veranstaltungen der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte, Sektion

Ganzheitsmedizin, anzuerkennen.

Zusätzlich müssen zwei einschlägige wissenschaftliche Arbeiten und ein

einschlägiger wissenschaftlicher Vortrag im Rahmen einer Tagung, eines Kurses,

eines Seminars oder einer Lehrveranstaltung nachgewiesen werden.

3.7. FACHLICHE VERTRETUNG

3.7.1. Die Sektion Ganzheitsmedizin der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte

3.7.1.1. Entstehung

1989 wurde von Dr. Andreas Zohmann bei der Vollversammlung der

Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte ein Antrag zur Gründung der Sektion

Akupunktur, Neuraltherapie und Homöopathie eingebracht. Zum Anlass für diesen

Antrag nahm er eine von ihm österreichweit durchgeführte Befragung von tierärztlich

tätigen Klinikern und Praktikern, Assistenten und Professoren der

Veterinärmedizinischen Universität Wien, sowie von humanmedizinischen

Wissenschaftlern. Dieser Antrag wurde mit nur einer Gegenstimme angenommen.

Neun Jahre später war diese Sektion mit 235 Mitgliedern die mitgliederstärkste der

Österreichischen Gesellschaft für Tierärzte und gilt seit ihrer Gründung auch als

aktivste.

Die Grundintention der Sektion ist, praktikable und wirksame Methoden (teilweise

aus dem Dunstkreis der sogenannten „Alternativmedizin“) in den allgemeinen

Praxisalltag von Tierärzten zu integrieren. Nach Dr. Zohmann gelingt das nicht durch

puritanisches Festhalten an Prinzipien aus den Anfangszeiten der Akupunktur in

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Österreich, sondern durch Forschung, Lehre und Praxis auf Basis des heutigen

Wissenschaftstandes.

Auf diesen Hintergrund bauend wurden ab 1991 von der Sektion die ersten Kurse

für Akupunktur und Neuraltherapie durchgeführt.

Seit 1980 hält Prof. Dr. Kothbauer Vorlesungen über die Akupunktur, heute verfügt

die Sektion über zwei Lehraufträge zur Akupunktur, sowie auch für Homöopathie und

Phytotherapie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Im Jahr 2000 wurde von der Sektion in Wien der jährliche IVAS – Kongress

durchgeführt (ZOHMANN ,1998).

Seit 1989 hat die Sektion den Titel „Akupunktur, Neuraltherapie, Homöopathie“ inne.

Später hat sich das Institut für Angewandte Botanik der Sektion angeschlossen und

den Fachbereich „Phytotherapie“ eingebracht. Daraus hat sich eine Diskussion um

die Namensgebung der Sektion entwickelt, da eine Aufzählung der einzelnen

Disziplinen zu einem ,,Wortmonster" geführt hätte.

Sowohl den bereits bestehenden und universitär gelehrten Sparten, wie auch den

Außenseitern (Bioresonanz, Bachblüten etc.) sollte Raum geboten werden. Jenen

Außenseitern nämlich, bei denen sich durch den Erkenntnisstand in Zukunft eine

Aufnahme in die Sektion anbieten kann.

Aus diesen Überlegungen heraus wurde die Sektion umbenannt, zunächst in Sektion

für Komplementäre Veterinärmedizin, und heißt heute Sektion Ganzheitsmedizin

(KASPER,1998).

3.7.1.2. Definition

Die Sektion und vor allem seine gewählte Vertretung sehen sich als Bindeglied, zum

einen zwischen den veterinärmedizinischen Universitäten und den praktizierenden

TierärztInnen und Studenten, zum anderen zwischen der westlich-wissenschaftlichen

Tiermedizin und der Ganzheitsmedizin bzw. der Naturheilkunde.

Die Kernaufgabe liegt in der Erforschung von ganzheitlichen Phänomenen, sowohl

was die Entstehung von Erkrankungen angeht, als auch die Diagnostik und Therapie

dieser Erkrankungen. Diese Forschungstätigkeiten sollen angeregt, in Gang gehalten

und veröffentlicht werden.

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Das Augenmerk der Sektion wird zum einen auf die Grundlagenforschung in den

traditionellen Methoden wie Akupunktur, Neuraltherapie und Homöopathie gelenkt.

Auf der anderen Seite soll die Sektion aber auch ein offenes Forum zur Darstellung

und Diskussion für neue Methoden sein, die sich einer wissenschaftlichen

Beurteilung bislang entziehen.

Um das vorhandene Wissen über diese Methoden auch praktizierenden Tierärzten

und Studenten zugänglich zu machen, werden Lehrveranstaltungen und Seminare

abgehalten.

Des Weiteren ist es ein Anliegen der Sektion, diese Methoden durch fundierte

Argumentation gesellschaftlich zu verankern und sie so einem breiteren Publikum

bekannt zu machen.

3.7.1.3. Ziele

Die Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT hat sich zum Ziel gesetzt die

Wirkmechanismen verschiedenster Phänomene zu erforschen und zu verifizieren.

Das soll zum Teil in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit humanmedizinischen

Vereinigungen bzw. Instituten geschehen. Als Beispiele wären hier das Ludwig

Boltzmann-Institut für Akupunktur oder die Gesellschaft für Matrixforschung zu

nennen.

3.7.2. IVAS - International Veterinary Acupuncture Society

Der erste Zusammenschluss von Akupunkteuren zu einer Gruppe im westlichen

Kulturkreis erfolgte im Jahr 1974 in Kalifornien. Eine Gruppe von Tierärzten gründete

die „National Association of Veterinary Acupuncture (NAVA). Die Tierärzte wurden

damals vom kalifornischen Veterinary Medical Board unter Druck gesetzt, ihre

Akupunktur-Anwendung zu legitimieren. Die Organisation hatte nur vier bis fünf Jahre

Bestand (SCHOEN, 2003).

Etwas später im selben Jahr (1974) wurde die einzige heute bestehende

internationale Organisation für Veterinärakupunktur in Georgia gegründet. Die

Gründungsmitglieder waren Marvin Cain, David Jaggar und Grady Young.

Ihre Mitglieder und Kontakte erstrecken sich über 38 Länder.

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Ihre Ziele sind die volle Integration der Veterinärakupunktur in die

Veterinärwissenschaften und die internationale Standardisierung der Ausbildung.

Dazu werden in Ländern, die daran interessiert sind, von der IVAS Basiskurse

angeboten.

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4. DISKUSSION

Obwohl die Akupunktur mittlerweile einen hohen Stellenwert in der kurativen Medizin

einnimmt und durch die klinisch-morphologischen Untersuchungen der Struktur-

Wirkungsbeziehungen auch ein wissenschaftlich anerkanntes Forschungsfeld

darstellt, herrscht gegenüber dieser Behandlungsmethode oft noch große Skepsis.

Diese reservierte Haltung könnte ihre Ursache in der Entwicklungsgeschichte der

modernen Veterinärakupunktur haben, genauer gesagt in dem Zusammenspiel

zwischen der Rezeption traditioneller chinesischer Medizin und dem Einfluss westlich

orientierter, wissenschaftlicher Forschung.

Es ist eine Tatsache, dass heutzutage auch auf dem Gebiet der Veterinärmedizin

medizinische Behandlungsmethoden gefordert werden, die auf der Grundlage von

empirisch nachgewiesener Wirksamkeit ausgewählt wurden. Aus der

Entwicklungsgeschichte der Veterinärakupunktur in Europa, lässt sich ableiten, dass

erst die Bemühungen die Lehre der Akupunktur auf eine wissenschaftlich fundierte

Basis zu stellen, zur Anerkennung derselben beitragen.

Nachdem die ersten gesicherten Informationen über Akupunktur, die auch zur

Anwendung dieser Methode führten im 17.Jahrhundert aus China nach Europa

kamen, kam es immer wieder zu einem Aufflackern des Interesses an diesem Teil

der Medizin. Bis zum 20. Jahrhundert konnte sich die Akupunktur in Europa aber

nicht etablieren. Gründe dafür könnten sein, dass die wissenschaftliche Forschung in

Europa noch nicht in der Lage war, Erklärungen oder Anleitungen zur Anwendung

der Akupunktur zu geben, und auch die chinesische Lehre nur bruchstückhaft zu den

Anwendern durchgedrungen war.

Wahrscheinlich wurde auch schon vor dem 20.Jahrhundert versucht in

wissenschaftlicher Art und Weise an die Thematik heranzugehen. SCHIPPERS

(1993) ist der Meinung, dass sich in Anton Haynes Arbeit aus dem 19. Jahrhundert

durchaus Hinweise darauf finden, dass er sich intensiv mit der Technik und den

Grundlagen der Akupunktur auseinandergesetzt hat. SCHIPPERS (1993) ist der

Meinung, dass die Veterinärmedizin einen großen Anteil daran hat, dass in Europa

die Akupunkturgeschichte eingeleitet wurde. Er weist darauf hin, dass französische

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Tierärzte schon im 19.Jahrhundert die Arbeit ihrer humanmedizinischen Kollegen als

unqualifiziert erkannten und sich bemühten ihre eigene Arbeit im Rahmen ihrer

damaligen Möglichkeiten wissenschaftlich abzusichern.

Laut SCHOEN (2003) ist die Entfaltung der Veterinärakupunktur im Westen drei

europäischen Tierärzten zu verdanken, nämlich dem Deutschen Dr. Erwin

Westermayer, Dr. Milin aus Frankreich und Dr. Oswald Kothbauer aus Österreich.

Alle drei begannen in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts unabhängig

voneinander auf diesem Gebiet zu arbeiten.

SCHOEN (2003) gibt an, dass auch Dr. Kothbauer vor allem deswegen erfolgreich

war, weil er sich zunächst mit der Neuraltherapie eine wissenschaftliche Grundlage

erarbeitete und erst später die Beschäftigung mit der Akupunktur aufnahm. Dr.

Kothbauer erforschte in erster Linie an Rindern in empirischer Arbeit

Akupunkturpunkte, die in Bezug zu inneren Organen stehen. Erst nachdem er seine

Erkenntnisse schon lange erfolgreich in der tierärztlichen Praxis eingesetzt hatte,

konnte er durch eine Reise nach China die chinesische Lehre aus eigener Erfahrung

kennenlernen. Durch ihre wissenschaftliche Erforschung der morphologischen

Grundlagen und Wirkungsmodalitäten der Akupunktur leisteten Dr. Kothbauer und

seine Kollegen einen wesentlichen Beitrag zur Anerkennung der Akupunktur in

Österreich.

Nicht zu vergessen ist die Rolle, die das Institut für Anatomie der

Veterinärmedizinischen Universität in der Auseinandersetzung mit den

morphologischen Aspekten der Akupunktur spielte. Prof. Schreiber und seine Schüler

lieferten durch ihren neuroanatomischen Forschungsschwerpunkt schon für Dr.

Kothbauer wesentliche Erkenntnisgrundlagen und auch die jüngeren Protagonisten

der österreichischen Akupunktur wie Zohmann, Grohmann, Ganzberger und Kasper

stammen in ihren akademischen Anfängen durchwegs aus dem Umfeld der Wiener

Veterinäranatomie. Auch die mikroskopische Morphologie von Akupunkturpunkten in

der Veterinärmedizin konnte von der österreichischen Histologin Monika Egerbacher

in wesentlichen Punkten geklärt werden (EGERBACHER, 1991).

Durch die vielen Studien die im 20.Jahrhundert durchgeführt wurden, konnte eine

gute Basis gelegt werden, damit die Akupunktur als Teil der modernen Medizin

akzeptiert wird.

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Für die weitere Entwicklung müssen aber noch weitere wichtige Schritte getan

werden.

Durch die Forderung nach Behandlungsmethoden, die auf der Grundlage von

empirisch nachgewiesener Wirksamkeit ausgewählt wurden, rücken natürlich auch

die Methoden mit denen diese Studien durchgeführt werden in den Blickpunkt von

Kritikern.

Ein immer wieder genannter Kritikpunkt von Gegnern dieser Methode ist, dass die

Qualität vorhandener Studien, die deren Wirksamkeit belegen sollen, in

Metaanaylsen und Reviews oft massiv bemängelt wird.

NICKEL (2005) kommt sogar zu dem Schluss, dass eine hohe Studienqualität

negativ mit der Effektivität der untersuchten Maßnahme korreliert.

HABACHER (2005) kommt in ihrer Dissertation „Systematic review of the

effectiveness of acupuncture in veterinary medicine” zu dem Schluss, dass die

Qualität der überprüften Studien sehr niedrig war. Auch konnte die Wirksamkeit der

Akupunktur nicht belegt werden.

Die Kritik der mangelnden Qualität betrifft auch die vom deutschen Cochrane

Zentrum zur Verfügung gestellten Arbeiten (MOLSBERGER et al., 2002).

Das Cochrane Zentrum möchte Arbeiten zu Themen aus allen Gebieten der Medizin

zur Verfügung stellen und will am Gesundheitswesen beteiligten Personen eine

wissenschaftlich fundierte Informationsgrundlage bieten. Das Ziel soll sein den

aktuellen Stand der klinischen Forschung objektiv beurteilen zu können.

Wegen der massiven Kritik an bis jetzt durchgeführten Studien wurde Anfang 2002

in Deutschland begonnen, die GERAC-Studien zur Akupunktur (German

Acupuncture Trials) durchzuführen. Damit wollten die deutschen Krankenkassen

feststellen, ob und in welchen Bereichen die Akupunktur tatsächlich wirkt. Verglichen

wurde dabei chinesische Akupunktur mit Sham-Akupunktur als Kontrollgruppe

(stechen an Nicht-Akupunkturpunkten) und mit etablierten Standardtherapien

(MOLSBERGER et al., 2002).

In den Ergebnissen zeigte sich die Akupunktur den Standardtherapien überlegen,

sowohl bei Migränepatienten (ENDRES et al., 2007a) als auch bei orthopädischen

Indikationen (ENDRES et al., 2007b), allerdings konnte nicht zwischen chinesischer

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Akupunktur an Standardakupunkturpunkten und Sham-Akupunktur unterschieden

werden.

Diese Ergebnisse lassen weiterhin viel Diskussionsspielraum sowohl für die Gegner

als auch für die Befürworter der Akupunktur offen und zeigen, dass das

Grundproblem, ein traditionelles auf Erfahrungswerte basierendes Therapieverfahren

auf das Konzept der westlichen evidenzbasierten Medizin zu übertragen, bis jetzt

noch nicht ganz gelöst werden konnte.

Diesen Schwierigkeiten zum Trotz bleibt es eine Tatsache, dass es für die weitere

Entwicklung und Akzeptanz der Akupunktur unumgänglich ist, die Forschung auf

einen evidenzbasierten Level zu bringen. Placebokontrollierte, doppeltverblindete

Studien mit entsprechenden Patientenzahlen unter Verwendung von objektiven

Messmethoden sind für zukünftige Studien daher anzustreben.

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5. ZUSAMMENFASSUNG

Die Akupunktur ist eine sehr alte Methode und hat schon früh Spuren hinterlassen.

Die älteste ist eine ca. 5000 Jahre alte Gletschermumie aus Tirol – Ötzi, aber auch

aus Ägypten, China und Südamerika sind frühe Zeugnisse von Akupunktur erhalten.

Die Verbreitung der Akupunktur in die ganze Welt begann aber in China im 19. Jhd.

Vor dem 17. Jh. finden sich in Europa nur sehr wenige Hinweise auf die Akupunktur,

diese mehren sich im 17. Jh., es kommt jedoch noch nicht verbreitet zur Anwendung.

Im 19. Jh. wird die Akupunktur, ausgehend von Frankreich, wieder bekannt und wird

auch in Europa auf die Veterinärmedizin übertragen. Die ersten Veröffentlichungen

zu diesem Thema erscheinen auch in Österreich, jedoch kann sich diese Methode

erneut nicht durchsetzen.

Erst im 20.Jh. kann sich die Akupunktur endlich etablieren und in der Medizin als

diagnostische und therapeutische Methode durchsetzen. Von Frankreich ausgehend

über Deutschland erreicht die Lehre Österreich. Währenddessen hat aber schon

unabhängig von chinesischer und französischer Lehre ein österreichischer Tierarzt

damit begonnen in mühseliger Kleinarbeit und aus eigener Kraft die Akupunktur für

Tiere neu zu entdecken: Dr. O. Kothbauer – er wird zu einer maßgeblichen Figur für

die Entwicklung der Akupunktur in Österreich. In Zusammenarbeit mit Prof. J.

Schreiber, der das Nervensystem des Rindes erforschte, hat Kothbauer die Basis für

die Akupunktur beim Rind geschaffen. Fast zur gleichen Zeit beschäftigt sich Dr. F.

Brunner mit der Akupunktur bei Kleintieren und schreibt ein Buch zu diesem Thema

das lange Zeit als Standardwerk gilt. Dr. A. Zohmann beschäftigt sich mit der

Ohrakupunktur und war unter anderem maßgeblich daran beteiligt die heutige

Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT zu gründen, den Fachtierarzt für Akupunktur und

Neuraltherapie zu schaffen und auf der Universität eine Regulationsambulanz zu

gründen. Andere österreichische Tierärzte, die heute noch selbst aktiv und in der

Lehre tätig sind, konnten sowohl die chinesische Lehre in die österreichische Lehre

der Akupunktur einbringen, als auch dazu beitragen diesen Teil der Medizin weiter zu

etablieren.

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6. EXTENDED SUMMARY

Acupuncture is an ancient technique which traces back to the early times. The first

trace is a 5000 year old mummy from a Tyrolean glacier. Known as Ötzi the Iceman,

Similaun Man and Man from Hauslabjoch, this well preserved mummy was found in

1991 on the border between Italy and Austria. Ötzi had several carbon tattoos around

both ankles, behind the right knee and on both sides of the lumbar spine. It has been

speculated that the use of these tattoos was pain relief, their function similar to

acupuncture. The previously known earliest use of acupuncture in China is at least

2000 years later.

However, an early trace of acupuncture also was found in Egypt. A veterinarian

papyrus that contains evidence of acupuncture was found by Flinders Petrie in El-

Lahun as a part of a 3800 years old collection of papyri.

For sure, China is widely known as the country of origin for acupuncture but only has

a recorded history of about 2000 years. But it seems to be safe to assume that

acupuncture was used in China for at least 4000 years.

The actual spreading of acupuncture to the entire world originated definitely in China

in the 19th century. Up until the 17th century only very few signs of acupuncture can

be found in Europe. These traces increase in the course of the 17th century; even so,

there is not yet wide spread application. A still very well known illustration from this

period is the “Lassrösslein”.

Based in France, Acupuncture becomes more apparent again in the 19th century and

starts to get used in Veterinary Medicine. Also in Austria the first publications appear,

the first written mention of acupuncture was published by Anton Hayne in 1833.

However, acupuncture does not gain stable recognition in European medicine again.

Not earlier than in the 20th century acupuncture becomes a well accepted part of

medicine for diagnostic and therapy. Originating in France, scientific acupuncture

reaches Germany and then Austria.

After World War II, independent of the French and Chinese traditions, an Austrian

veterinarian starts to discover the principles of acupuncture on his own: Dr. Oswald

Kothbauer – one of the most important persons for the development of acupuncture

in Austria. In cooperation with Dr. J. Schreiber, who delves into the nervous system

of cattle, Kothbauer provides basic empiric evidence for the acupuncture of cattle. He

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taught acupuncture in the University of Veterinary Medicine in Vienna to a great

number of students and gave lectures all over the world.

Almost at the same time, Dr. F. Brunner deals with the acupunctural treatment of

small animals and publishes a book about small animal acupuncture that becomes

the standard reference for a long time.

Dr. A. Zohmann deals with auriculotherapy and makes significant contributions in

founding the compartment of holistic medicine in the Austrian Association of

Veterinarians and in creating the title „Specialist in Acupuncture and neural therapy“

for Veterinarians who passed a special examination. He also founds the department

of „Regulationsmedizin“at the University of Veterinary Medicine in Vienna.

Other Austrian veterinarians, who are still active in treating animals and also in

teaching, were able to bring in the Chinese science of acupuncture and to improve

the establishment of this part of medicine in Austria. The basic acupuncture course of

the section Ganzheitsmedizin of the Austrian Veterinary Society has become an

inherent part of the course offers for veterinarians in Austria.

Another step in the right direction is the demand for evidence based medicine.

Current Studies, e.g. published by the Institute of Physiotherapy and Rehabilitation of

the University of Veterinary Medicine in Vienna, stay abreast of these changes.

Keywords: acupuncture, veterinary, Austria, history

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