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Die drei Leben des Melchior Schaerer (1563-1624)
Biographische Skizze und Bibliographie des schwäbischen Pfarrers, Musikers
und Astrologen
Nils Lenke (Rheinbach)
Nicolas Roudet (Université de Strasbourg)
Titelblatt von Schaerers Kalenders für 16191
1 © Trustees of the British Museum
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1. Einleitung
Am 17. November 1563 lassen Melchior Scherer2 und Margaretha Bertsch in Stuttgart einen
Sohn taufen, der wie sein Vater den Namen Melchior erhält.3 Dieser wird Geistlicher und
durchläuft mehrere Stationen als Pfarrer. 450 Jahre später jedoch werden noch immer Werke
des Musikers und Komponisten Melchior Schaerer gespielt und Astronomiehistorikern ist vor
allem der Melchior Schaerer ein Begriff, der sich durch die Herausgabe astrologischer
Kalender sowie eine Diskussion mit Johann Kepler hervortat. Oft ist den Autoren unbekannt,
dass es sich bei dem Pfarrer, dem Musiker und dem Astrologen um ein und die selbe Person
handelte, oder sie sind sich zumindest nicht sicher.4 Die drei Lebensbereiche Melchior
Schaerers sollen zunächst in getrennten Abschnitten dargestellt werden.
2. Der Pfarrer
2.1 Studium in Tübingen und Adelberg
Über Schaerers Jugend und Ausbildung ist nichts bekannt, bis er sich am 7.8.1578 in
Tübingen immatrikuliert5, dem für einen angehenden lutherischen Geistlichen aus Stuttgart
logischen Studienort. Dort erreicht er bereits am 8.4.1579 den Grad eines Baccalaureus.6
Danach wird das Studium in Tübingen durch ein Stipendiat an der Klosterschule Adelberg
unterbrochen.7 Diese war mit 12 weiteren auf der Grundlage der 1556 erlassenen neuen
württembergischen Klosterordnung noch im gleichen Jahr mit zunächst zwei, Präzeptoren
genannten Lehrern und 12 Schülern eingerichtet worden.8 Sie gehörte zu den „niederen
Schulen“, d.h. es wurden die niederen freien Künste gelehrt, Grammatik, Rhetorik und
Dialektik; die höheren Künste Arithmetik, Geometrie, Musik, Astrologie und Theologie
blieben den „höheren Schulen“ vorbehalten. Die Schulen dienten primär dazu Geistliche
auszubilden. In der Regel waren die Schüler 14-15 Jahre alt, wenn sie in dei Schule eintraten,
Melchior Schaerer war also schon recht alt, als er nach Adelberg kam.9 Allerdings war es
nicht ungewöhnlich, dass Studenten von Tübingen aus nach Adelberg verwiesen wurden, um
die nötige Studienreife zu erreichen10
; ungewöhnlich bleibt, dass Schaerer bereits
Baccalaureus war. Über das Leben der Schüler in Adelberg geben die Klosterordnung und
2 Die Schreibweise des Namens schwankt in den Quellen zwischen « Scherer » und « Schaerer » bzw.
« Schärer » (siehe auch bei Feselius, Gründtlicher Discurs von der Astrologia judiciaria, Straßburg 1609, f. B ij
v° : « Schährer »). Hier wird bei der Wiedergabe von Quellen jeweils die dort gebräuchliche Variante verwendet
und ansonsten einheitlich « Schaerer ». 3 Hanns Wolfgang Rath, Stuttgarter Familienregister. Band II. M-Z. 1558-1576 Stuttgart: Stadtarchiv
1931, S. 492, laut E-Mail vom Stadtarchiv Stuttgart vom 15.7.2010. 4 Etwa Michael Klein, Eine bittere Kirchenschrift. Leben und Werk von Bartholomäus Eiselin (1576-
1633), Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 55, 1996, S. 198, Fußnote 192 : « Alter und newer
Schreib-Calender auff das Jahr [... 1609, 1620] gestellt durch Melchiorem Schaererum. Vielleicht handelt es
sich beim Verfasser um Melchior Scherer/Schärer (geb. um 1563) [...] bekannt als Komponist und Pfarrer in
Widdern [...]. » 5 Max-Adolf Cramer, Baden-Württembergisches Pfarrerbuch. Bd. I, Teil 2, Die Pfarrer... (Karlsruhe :
Verlag Evangelischer Presseverband für Baden, 1988), S. 736; Hermelink, Die Matrikel der Universität
Tübingen. Bd. I, 1477-1600 (Stuttgart : W. Kohlhammer, 1906), S. 571 « 79. Melchior Scherer Studtgardianus
(7. Aug.) [1578]. » 6 Hermelink (1906), S. 571.
7 Hermelink (1906), S. 571. Es ist unklar ob das von Hermelink angegebene Datum 2. Jan. 81 den
Beginn oder – wahrscheinlicher – das Ende der Zeit in Adelberg darstellt. 8 http://www.landesarchiv-bw.de/web/44509 (6.8.2010)
9 Wolfram Hauer, Lokale Schulentwicklung und städtische Lebenswelt. Das Schulwesen in Tübingen von
seinen Anfängen im Spätmittelater bis 1806 [= Contubernium. Tübinger Beiträge zur Universitäts- und
Wissenschaftsgeschichte ; 57], Stuttgart : Franz Steiner, 2003, S. 163; Julius Hartmann & Karl Jäger, Johann
Brenz. Nach gedruckten und ungedruckten Quellen. Zweiter Band. Hamburg : F. Perthes, 1842, S. 310 sprechen
sogar von 12-14 Jahren als Eintrittsalter. 10
Hartmann & Jäger (1842), S. 310
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Visitationsprotokolle Aufschluss.11
Elemente des Klosterlebens wurden auch auf die Schüler
übetragen, so Stundengebete und eine mönchsähnliche Kleidung.12
An Freitagen und
Samstagen wurde kein Fleisch serviert (stattdessen Fisch), an den übrigen Tagen reichlich
Fleisch, Suppe, und Gemüsebrei. Auch wurde jedem Schüler täglich ein Quart (ca 0,4l) Wein
gereicht, der jedoch bei Verfehlungen als Sanktion entzogen werden konnte. Nach den
Gottesdiensten und den Mahlzeiten waren zahlreiche Lesungen vorgesehen, zudem sollten an
Wochentagen morgens um 4 (im Sommer) bzw. 5 (im Winter) im Chor Psalmen gesungen
werden.13
Den berühmtesten Adelberger Schüler, Johann Kepler, hat Schaerer um wenige Jahre
verpasst, denn als dieser 1582 in die Schule eintrat, hatte Schaerer sein Studium in Tübingen
bereits wieder aufgenommen und mit dem Magister am 6.2.1583 abgeschlossen14
.
2.2 Diakon in Löchgau
Im Juli 1585 trat Melchior Schaerer seine erste Stelle an, er wurde Diakon in Löchgau,
südwestlich von Heilbronn.15
Löchgau16
war im 16. Jahrhundert halb württembergisch und
halb badisch; obwohl sich die Reformation bereits in den 1540er Jahren durchsetzte, blieb das
kirchliche Patronat formal beim katholisch gebliebenen Domkapitel Speyer, de facto schlugen
jedoch die Fürsten von Württemberg und Baden abwechselnd die lutherischen Pfarrer vor.17
Noch zu katholischer Zeit war 1402 vom damaligen Pfarrer in Löchgau eine
„Frühmessnerstelle“ gestiftet worden, nach der Reformation wurde daraus ein Diakon.18
Auf
diese Stelle, die mit dem halben großen und kleinen Zehnten des Dorfes Wolfsschlugen,
sowie einem Eimer Wein und 30 Gulden besoldet war, wurde Melchior Schaerer berufen. Weiterhin hatte er damit eineinhalb Morgen Wiesen zu Löchgauer und Erligheimer Markung,
sowie ein Stückchen Krautgarten, beim Diakonatshaus über dem Bach gelegen „zu nutz und
niessen.“19 Sodann hatte der Diakon zu Löchgau Anspruch auf „ein Gaab Brennholz. Das muss er
uff einen Lasten uffmachen“ und heimführen lassen wie der Pfarrherr. Zu bewohnen hat er das
Diakonats oder Frühmesshaus. Dasselbe haben die Bürgermeister aus des Dorfes Einkommen
gebaut und in Stand gehalten“.20
Die Pflichten, die mit dieser Stelle verbunden waren, werden so beschrieben: „Abendpredigt
an Fest- und Communiontagen, auch alle 14 Tage am Sonntag: alle Hochzeit- und
Vorbereitungspredigten: Kinderlehre an allen Feirtagen, und am Sonntag, wenn keine
Abendpredigt gehalten wird: alle Vesper-lectionen: die übrigen Wochengottesdienste
abwechselnd mit dem Pfarrer.“21
Nicht zu den Aufgaben des Diakons gehörte zu Schaerers
Zeiten der Schulunterricht, obwohl dies ursprünglich der Fall gewesen war; schon sein
Vorgänger im Amt hatte sich mit der Aufgabe nie anfreunden können, so dass sie anderweitig
übertragen wurde.22
11
http://www.landesarchiv-bw.de/web/44509; Hauer (2003), S. 161ff.; Hartmann & Jäger (1842), S.
299ff. 12
Letztere bestand im Sommer aus einer schwarzen Joppe, Hose und Wams aus Ulmer Zwillich und
einem grünen Hut, im Winter aus einem langen Rock und Hose aus Calwer Tuch, sowie einem Wams aus
Barchent und einem gefütterten Winterhut, siehe Hartmann & Jäger (1842), S. 306 13
Hartmann & Jäger (1842), S. 306 14
Hermelink (1906), S. 571 15
Hermelink (1906), S. 571 16
Christian Binder, Wirtembergs Kirchen- und Lehraemter. II. Theils 1. Abschnitt. Mit Verzeichnis der
Pränumeranten und Subscribenten, Tübingen : gedruckt mit Hoppfer’schen Schriften, 1799, S. 864; Richard
Karg, Geschichte des Dorfes Löchgau, 1952, abgeschrieben und für den PC bearbeitet 11/2001 R. Metzger,
http://home.debitel.net/user/klaus-dieter.kienzle/loechgau/dokumente/kargsche_chronik.pdf (6.8.2010) 17
Karg (1952), S. 14ff. 18
Karg (1952), S. 13, 24 19
Karg (1952), S. 36 20
Karg (1952), S. 36 21
Binder (1799), S. 864 22
Karg (1952), S. 52
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Der Pfarrer, mit dem Schaerer zusammenarbeitete und mit dem er sich bei den Gottesdiensten
abwechselte, war Matthias Creßlin, in dessen Amtszeit es zu Unregelmäßigkeiten kam,
darunter das Entwenden von Wein sowie „seltsame Händel [...] wegen der Schafnerey“.23
Es
ist aber unbekannt, ob Schaerer deswegen die Stelle 1590 verließ oder einfach um endlich
eine eigenständige Pfarrerstelle zu bekommen.
Bereits zu Beginn seiner Zeit in Löchgau hatte Melchior Schaerer am 25.4.1585 in Stuttgart
Martha Fabri, geborene Mögling geheiratet.24
Martha, geboren 1553, war zehn Jahre älter als
Schärer und entstammte einer sehr gebildeten Familie, wie auch ihre Leichpredigt
hervorhebt.25
Ihr Vater Wilhelm Mögling war Arzt in Rotenburg und später in Tübingen; zwei
Brüder waren ebenfalls Arzt (Nicolaus) bzw. Hofmedicus und Professor (Daniel26
).27
So
verwundert es nicht, dass Martha selbst sehr belesen war, zumindest in kirchlichen Schriften.
Sie verfasste auch eigene Gebete, von denen ihr Ehemann profitierte.28
Sie selbst litt häufig
unter Krankheiten, die ihr „zu weilen mächtig starck zugesetzt.“29
Kinder des Paares Schärer-
Mögling werden in der Leichpredigt nicht erwähnt, wohl aber zwei Söhne aus Martha
Möglings erster Ehe mit dem Pfarrer Tobias Fabri, die jedoch 1585 beide starben.30
Schärer
hat somit wohl keine leiblichen Kinder gehabt.31
2.3 Pfarrer in Widdern
23
Karg (1952), S. 17; Binder (1799), S. 864 24
Ferdinand Friedrich Faber, Die wuerttembergischen Familien-Stiftungen, Bd. 7-12, Heft. Stiftung
XXV-XLVI (Stuttgart : Köhler, 1853), S. 11 : Mögling, Wilhelm, geb. ca 1526, + 1565; Med. dr., Physikus in
Rothenburg a. d. Tauber 1552, in Tübingen. S. [Martin Crusius], Schwäb. Chron. II, 250. 262. 352.
Verh. : 1) mit Martha Kirschmann von Weil der Stadt, + 1556. 2) mit Barbara, T. des Baptist Tettelbach,
Pflegers in Ansbach, welche nachher den Joh. Vischer, Med. Dr. heir. Kinder : a) Wilhelm [1553-1602]
b) Martha, geb. Rothenb. 1553, + 1619. Verh. 1) Tübingen 1574 mit Tobias Fabri, Diac. in Balingen, dann Pfr.
in Münster 1576-1583, Sohn des Dr. Beatus [...]. 2) Stutt. 10. Mai 1585 mit Melchior Schärer, Pfr. in
Menzingen, in Craichgau."; Cramer (1988), S. 736 : "I. heir. 25.4.1585 Stuttgart : Martha Fabri, geb. Mögling, +
1.12.1619 Menzingen, E[ltern] : Dr. med. Wilhelm Mögling, Tübingen, Martha Kirschmann [I. heir. 19.12.1574
Tübingen : Tobias Fabri, Pf.[arrer] Münster]." Beim Unterschied im Heiratsdatum Schärer – Mögling (10. Mai
vs. 25. April) scheint das spätere Datum zu stimmen, den dieses ist auch in der Leichpredigt (s.u.) angegeben.
Ebenfalls zu Wilhelm Mögling und seiner Familie siehe: Walter Bernhardt, Die Zentralbehörden des
Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629. Band I, Stuttgart : W. Kohlhammer 1972, S. 499ff.
Weitere Vorfahren können der Stammtafel in Karl Victor Riecke, Altwirtembergisches aus familienpapieren zum
besten des Lutherstifts: einer erziehungsanstalt für pfarrersöhne..., Stuttgart : W. Kohlhammer 1886, S. 104f.
entnommen werden. Der erste Ehemann Martha Möglings, Tobias Fabri, war der Sohn des Advokaten Dr.
Beatus Fabri, siehe Bernhardt (1972), S. 281. 25
Johannes Pfaffium, Christliche Leichpredigt/ Bey dem Begräbnuß/ der weyland ehrenreichen und
vieltugendsamen Frawen/ Marthae Geborener Mögling/ deß Ehrwürdigen / Hochgelahrten Herrn/ M.
Melchioris Schaerern, der Zeit Pfarrers [in] Menzingen auff dem Kraychgow/ gewesenen heißgeliebteb
Haußfrawen/ Christseliger Gedächtnuß. Nürnberg : Sartorius, 1620. Exemplar in der Württembergischen
Landesbibliothek, Fam.Pr.oct.K.14962 26
Entweder dieser Daniel Mögling oder aber sein Enkel gleichen Namens stand in brieflichem Kontakt
mit Keplers Lehrer Michael Maestlin, siehe Otto von Heinmann, Die Augusteischen Handschriften. 2, Codex
Guelferbytanus 11.11 Augusteus 2° bis 32.6 Augusteus 2°. Nachdr. der Ausg. 1895. [Electronic ed.]. Frankfurt
am Main : V. Klostermann, 1966 [ http://diglib.hab.de/drucke/f4f-539-5/start.htm ], S. 119f. Der
genannte Enkel, Daniel Mögling, war ein bekannter Verteidiger der Rosenkreuzer und Freund und Briefpartner
Wilhelm Schickards, siehe Ulrich Neumann: „Olim, da die Rosen Creutzerey noch florirt, Theophilus
Schweighart genant : Wilhelm Schickards Freund und Briefpartner Daniel Mögling (1596-1635)“, in : Friedrich
Seck (Hrsg.), Zum 400. Geburtstag von Wilhelm Schickard. Zweites Tübinger Schickard-Symposion 25. bis 27.
Juni 1992, Sigmaringen : J. Thorbecke, 1995, S. 93-115. 27
Pfaffium (1629), S. E iiv 28
Pfaffium (1629), S. E iiir 29
Pfaffium (1629), S. E iiir 30
Pfaffium (1629), S. E iiir 31
Mit seiner zweiten Frau nach 1619 scheint er auch keine gehabt zu haben, denn in den Kirchenbüchern
von Menzingen gibt es keine Taufeinträge; Kinder könnten also höchstens woanders getauft worden sein.
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Auch in Schaerers zweiter Station als Pfarrer, Widdern, lagen komplizierte Besitz- und
Patronatsverhältnisse vor. Den Besitz teilten sich mehrere Adels- und Fürstenhäuser, die
sogenannten „Ganerben“. Vor 1500 gab es davon bis zu 10, danach waren noch vier übrig,
darunter Württemberg.32
Die Reformation setzte sich in Widdern um 1544 durch, danach war
das Dorf lutherisch.33
Einblicke in das Leben zur Zeit Schaerer bietet eine Satzung zu
weltlichen und geistlichen Angelegenheiten von 1570; sie regelt die Pflicht am Gottesdienst
und mehrmals im Jahr am Abendmahl teilzunehmen, aber auch das Verbot zu fluchen. Und:
„Nicht geduldet wurden in Widdern auch Zauberei, Teufelsbeschwörung und Wahrsagerei“.34
Umso pikanter, dass die Pfarrstelle im Sommer 1590 aus dem Grunde vakant wurde, dass der
Amtsinhaber, Johann Müller, wegen Inzucht mit seiner Stiefmutter verhaftet und beide noch
im Herbst hingerichtet wurden.35
Die Nachfolgeregelung löste einen Streit unter den Ganerben aus, denn Württemberg
entsandte im Alleingang den Diakon in Löchgau, Melchior Schaerer, zu Probepredigten nach
Widdern. Falls er der Gemeinde „gefällig“, sei, sollte er Kurpfalz (als Patronatsherren) zur
Bestätigung vorgelegt werden. Die anderen Ganerben protestierten und auf einem außer-
ordenltichen Ganerbentag im Nov. 1590 wurde ein Vergleich geschlossen, der 1593 bestätigt
wurde. Zwar war durch diesen Vergleich der Weg für Schaerer zunächst frei, doch gab es
nunmehr Streit mit dem Patronatsherren Kurpfalz :
„Die kurpfälzischen Kirchenräte erzürnte Scherers Verhalten, als er bei einem Besuch
in Heidelberg am 12. August 1590 das dort erwünschte Examen vor seiner
Bestätigung, wozu ihn Herzog Ludwig von Württemberg nicht ermächtigt hatte,
verweigerte. Zudem habe Scherer, so berichtete ein kurpfälzischer Beamter aus
Mosbach, nach der Rückkehr aus Heidelberg das Pfarrhaus in Widdern ohne Wissen
des Patronatsherren bezogen und die Witwe seines Vorgängers ohne « christliches
mitleyden » von dort vertrieben. Naherzu ein halbes Jahr dauerten die Streitigkeiten,
bis sich Scherer doch noch einem Examen in Heidelberg stellte und zusagte, sich des
« lesterns und schmähen » gegen die damals calvinistisch geprägte Kurpfalz zu
enthalten.“36
Am 25. Januar 1591 wurde Schaerer dann endlich der Bürgerschaft offiziell als neuer Pfarrer
vorgestellt. Laut der Kirchenvisitationsprotokolle, die sich ab 1601 erhalten haben, führte
Schaerer danach „ein fein still eingezogen erbar nichtern und messig Leben“ und bekam ein
„bey meniglich ein sehr gutt testimonium“.37
Zu seinen Pflichten zählten sonn- und feiertags
eine Morgenpredigt über die Evangelien, plus die Katechisation am Mittag, dazu eine
Freitagspredigt. Ab 1594 außerdem an Samstagen eine Vesperpredigt oder eine biblische
Lektion. Zusätzlich fiel an Aposteltagen eine Predigt in der Filialkirche Unterkessach an.38
Wiederum sind die Gründe für den Wechsel Schaerers nach Menzingen im Jahre 1605
unbekannt.39
2.4 Pfarrer in Menzingen
32
Wolfram Angerbauer, Kirche und Pfarrer in Widdern bis um 1800, in : Heilbronnica 4 [= Quellen und
Forschungen zur Geschichte der Stadt Heilbronn ; 19 = Jahrbuch für schwäbisch-fränkische Geschichte ; 36].
Heilbronn : Stadtarchiv Heilbronn, 2008, S. 213–247 (S. 213). 33
Angerbauer (2008), S. 217-8. 34
Angerbauer (2008), S. 222 35
Angerbauer (2008), S. 222f 36
Angerbauer (2008), S. 223f. 37
Angerbauer (2008), S. 223 38
Angerbauer (2008), S. 223f. 39
Angerbauer (2008), S. 224.; siehe jedoch unten zu den Bemerkungen, die Schaerer selbst in der
Vorrede zu seinem Prognosticon auf das Jahr 1607 macht.
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Von allen Stationen Schaerer ist über die in Menzingen40
am wenigsten bekannt, oder doch
zumindest publiziert. Und das, obwohl er hier am längsten tätig war, von 1605 an bis zu
seinem Tod am 1. Juli 1624. Letzterer ist im Kirchenbuch vermerkt41
, ansonsten finden sich
dort jedoch keine weiteren Hinweise auf familiäre Ereignisse. Wir wissen jedoch aus ihrer
Leichpredigt vom Tod von Schaerers Frau im Jahr 1619, sowie aus anderen Quellen von einer
Wiederverheiratung mit einer Frau, von der wir nur den Vornamen Maria kennen.42
Ansonsten geben nur noch seine Veröffentlichungen Aufschluss über sein Leben in
Menzingen. Seine astrologischen Werke werden unten, in einem gesonderten Kapitel
behandelt, jedoch hat er auch Werke zu anderen Themen veröffentlicht. Zum einen hat sich
eine Leichpredigt erhalten, die Schaerer zum Tode der Katharina von Mentzigen im Jahre
1617 verfasst hat. Zu dem Geschlecht der Mentzingen, die in Menzingen das Patronatsrecht
besaßen, muss Schaerer in einer gewissen Beziehung gestanden haben, denn schon bereits zu
seiner Zeit in Widdern hatte er begonnen, Angehörigen dieser Familie Werke zu widmen.43
Trotzdem finden sich im Schlossarchiv von Menzingen keine Dokument mit Bezug auf M.
Schaerer.44
Die von Mentzingen hatten schon um 1525 begonnen, die Reformation in
Mentzingen einzuführen und Geistliche zu fördern, darunter seit 1531 auch den Vater des
Reformators David Chytraeus (1530-1600), der als Kind in Menzingen gewohnt hat.45
In Menzingen hatte Schaerer Gesellschaft von einem Verwandten, nämlich seinem Neffen
Melchior-Friedrich Schaerer (*2.10.1589 Stuttgart), einem Sohn seines Bruders Peter
Schaerer.46
Dieser war Diakon unter seinem Onkel und promovierte 1614 außerdem unter
diesem mit der Arbeit De Jesu Christi dei & Hominis, Salvatoris nostri Unici, Persona.47
Wann er nach Mentzingen gekommen war, ist unklar, aber lange vor 1614 kann es nicht
gewesen sein. Erst 1610 war er von der Klosterschule Bebenhausen an das Stift Tübingen
gewechselt, übrigens zusammen mit dem Astronomen, Mathematiker und Hebräisten
Wilhelm Schickard (1592-1632)48
.
Etwa um diese Zeit enstand das oben wiedergebene Portrait Schaerers, ein Holzschnitt, heute
im Besitz des British Museum.49
Legende : « In effigiem Viri Reverendi & Clarissimi, Domini
M. Melchiori Schaereri, Ecclesiae Mentzinganae Pastoris, Mathematici Sollertissimi. »
40
Die Schreibweise des Ortes hat in der Vergangenheit zwischen Menzingen und Mentzingen
gewechselt. Heute schreibt sich der Ort ohne „t“, das am Ort noch ansässige Adelsgeschlecht der von
Mentzingen jedoch nach wie vor mit „t“. 41
Karl Diefenbacher, Ortssippenbuch Menzingen. Stadtteil von Kraichtal, Landkreis Karlsruhe. 1605-
1900 [= Deutsche Ortssippenbücher, Reihe A ; Bd 173 = Badische Ortssippenbücher ; 66], Kraichtal 1992, S.
364: «Melchior Schaerer, Pfarrer in Menzingen, *? +1.7.1624 » 42
Cramer (1988), S. 736 43
Z.B. ist eines seiner musikalischen Werke, der Dritte Teil seines „Gesang mit dreyen Stimmen“ „Hanns
Bernharden, vnd Bernharden den Jüngern von vnd zu Menzingen, an jetzo zu Straszburg studierend“ gewidmet;
siehe Emil Bohn, Fünfzig historische Concerte in Breslau, 1881-1892: Nebst einer bibliographischen Beigabe:
Bibliothek des gedruckten mehrstimmigen weltlichen deutschen Liedes vom Anfange des 16. Jahrhunderts bis ca.
1640, Breslau : J. Hainauer (1893), S. 158. 44
Martin Armgart, Archiv der Freiherren von Mentzingen. Schlossarchiv Menzingen. Urkundenregesten
1351-1805 [= Inventare der nichtstaatlichen Archive in Baden-Württemberg; 34], Stuttgart : Kohlhammer, 2007. 45
Armgart (2007), S. 11. Zu David Chytraeus, siehe Friedrich W. Bautz, Art. « Chytraeus, David », in :
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 1 (Nordhausen : T. Bautz, 1990), 1021-1022. 46
Cramer (1988), S. 736 47
Schaerer 1614a 48
Friedrich Seck (Hrsg.), Wilhelm Schickard. Briefwechsel. Band I. 1616-1632, Stuttgart-Bad Cannstadt :
Frommann-Holzboog, 2002, S. 259f. Ein Brief von Erhard Machtolf an Schickard erwähnt gemeinsame
Bekannte, darunter M.-F. Schaerer ; laut Fußnote auf S. 260: « Johann Ludwig Hess, Melchior Friedrich Schärer
und Schickard kamen am 4.1.1610 aus der Klosterschule Bebenhausen gemeinsam ins Stift [Tübingen]... » 49
http://www.britishmuseum.org/, zwei weitere Exemplare in der ÖNB Wien. Die rot hervorgehobenen
Anfangsbuchstaben der Bildunterschrift „Meditatio Mortis Sapienta Summa“ bilden vermutlich ein Akrostichon
auf „M[agister] Melchior Schaerer Stutgardianus“.
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Inschrift des Medaillons : « M. Melchior Schaerervs Stvtgardianvs Pastor Menzingensis
Ætatis 52 A° 1615 » (Noribergae Typis Johannis Friderici Sartorii : anno Christi MDCXVIII).
Als Theologe scheint sich Schaerer mit dem Theologen und Reformator Johannes Brenz
(1499-1570) beschäftigt zu haben, denn er veranlasst 1619 die Wieder-Herausgabe eines
seiner Werke.50
Die letzte von Schaerer erhaltene Schrift ist astrologischer Natur und stammt
aus dem Jahr 1622, sie wird unten behandelt. Aus den letzten beiden Lebensjahren liegen
keine Nachrichten über ihn vor.
3. Der Musiker
Als Musiker ist Schaerer in der heutigen Zeit am präsentesten, denn noch immer werden
einige seiner Lieder aufgeführt oder auf Tonträger eingespielt. Gleichzeitig ist über diesen
Aspekt seines Lebens aus der Zeit selber am wenigsten bekannt. Wir wissen nicht, wann er
anfing, sich mit Musik zu beschäftigen, obwohl anzunehmen ist, dass er spätestens während
seiner Zeit in Adelberg mit dem mehrstimmigen Chorgesang in Berührung kam (siehe oben,
Kap 2.1). Auch ob er ein Instrument spielte oder selbst über das in der Kirche Übliche hinaus
sang, wissen wir nicht. Das einzige was wir haben, sind seine musikalischen Werke. Dabei
handelt es sich vor allem um eine dreibändige Sammlung dreistimmiger Lieder („Gesang mit
dreyen Stimmen“), die 1602 in drei Bänden in Nürnberg erschien, also zu Schaerers
Widderner Zeit.51
Dabei sind die ersten beiden Bände ausschließlich geistlichen Liedern
gewidmet, Schaerer arrangierte mit "Gelobet seist du, Jesu Christ" auch einen Text Martin
Luthers für dreistimmige Chöre.52
Der dritte Band enthält auch weltliche Lieder, wie auch
der Titel schon verrät: Gesang mit dreyen Stimmen 3. Theil. In welchem begriffen etliche
weltliche Lieder, auff ein solche art componirt, dass sie nicht allein den Jungen, die Musicam
inn kurtzer Zeit zu ergreiffen, dienstlich, sondern auch sonsten zur fröligkeit zu singen ...
gebreuchlich sein.53
4. Der Astronom und Astrologe
Die Ursprünge von Melchiors Schaerers Beschäftigung mit der Astrologie sind unklar. Wie
oben gesehen, besuchte er eine „niedere“ Klosterschule, an der Astronomie gerade nicht
gelehrt wurde, und in Tübingen studierte er Theologie. Maestlins Privatkurse in Astronomie,
die Kepler besuchte, begannen erst im Juni 158354
, als Schaerer bereits Magister war. Es gibt
auch keine Hinweise, dass Schaerer Kurse bei Keplers Vorgänger Philipp Apian besucht hat.
Daher liegt der Schluss nahe, dass er Autodidakt gewesen ist. Melchior Scherer war bei
50
Walther Köhler, Bibliographia Brentiana (Berlin : C.A. Schwetschke, 1904 ; Neudr. Nieuwkoop : B.
De Graaf, 1963), Nr. 591, Seite 281-282 (siehe unsere Bibliographie, Anhang 1) : « 23 Bl. Titel, Widmung von
Melch. Schaerer an Bernhard de ** in Mentzingen Seniori, [...] dat. Mentzingae in Craychgoia 1619 undecimo
Calend. Septemb. [...]. Laut Widmung hat Schaerer die Schrift nachdrucken lassen, weil von der früheren
Ausgabe nur wenige Exemplare sich fänden und die Schrift in die opera Brentii nicht aufgenommen sei. » 51
Datierungen des ersten Bandes auf 1592 sind wohl ein Irrtum. Siehe Albrecht Classen, Deutsche
Liederbücher des 15. und 16. Jahrhunderts. Münster ; New York ; München [usw.] : Waxmann, 2001, S. 339;
Rudolf Krauss, Schwäbische Literaturgeschichte (2 Bde. Tübingen : J.C.B. Mohr, 1897-1899) = Neudr. in 1 Bd
(Kirchheim unter Teck : J. Schweier, 2005), Bd. 1, S. 99; Rudolf Eitner, Biographisch-bibliographisches
Quellen-Lexikon der Musiker, Bd. 8 (Leipzig 1903), S. 466; Bohn 1893; Carl Ferdinand Becker, Die Tonwerke
des XVI. Und XVII. Jahrhunderts oder systematisch-chronologische Zusammenstellung der in diesen zwei
Jahrhunderten gedruckten Musikalien, 2. Ausgabe, Leipzig : Ernst Fleischer, 1855, S. 234. 52
Text von Luther, ca. 1524 (WA 35, 434-435) ; siehe Markus Jenny, Luthers geistliche Lieder und
Kirchengesänge [= Archiv zur Weimarer Ausgabe ; 4]. Wien ; Köln : Böhlau, 1985, S. 60 u. 165-167. Auch
Andreas Marti, « Gelobet seist Du, Jesu Christ », in : Liederkunde zum evangelischen Gesangbuch, Heft 10,
hrsg. Gerhard Hahn, Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 2004, Nr. 23, S. 11-22. 53
Siehe unsere Bibliographie. 54
Norbert Hofmann, Die Artistenfakultät an der Universität Tübingen (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1982), S.
247. Siehe auch Charlotte Methuen, Mæstlin’s Teaching of Copernicus: the Evidence of his University Textbook
and Disputations, Isis 87, 1996, 230-247.
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weitem nicht der einzige Pfarrer, der sich mit der Erstellung von Kalendern beschäftigte. Um
1600 waren von 160 Kalendermachern 36 Pfarrer.55
Woher nahm Schaerer die Kentnisse der
Astronomie und Astrologie, die nötig waren, um solche Kalender und Prognostica zu
erstellen? Einen Hinweis liefert eine Handschrift, die sich heute in der Universitätsblibliothek
Tübingen befindet.56
In dieser ist als Vorbesitzer eingetragen „M. Melchior Scherer
Stutgardianus“ und sie trägt den Titel „De modo faciendi horologia“. Neben einem
eingebundenen Druck von Johannes Stöfflers 1513 erscheinener Schrift Elucidatio Fabricae
usuque astrolabii findet sich eine ausführliche handschriftliche Ausarbeitung. In dieser
werden auch Werke von Sebastian Münster und Nikodemus Frischlin zitiert. Unklar ist, wer
der Schreiber war, ob es z.B. Schaerer selbst war.
Schaerer muss um die Mitte der 1580 Jahre begonnen haben, sich mit Astronomie und
Astrologie zu beschäftigen, denn 1606 schreibt er57
, dass er sich „nun über die 20. Jahr“ damit
befasse und in einem Brief aus dem Jahr 159658
erwähnt er, dass er seit mehr als einem
Jahrzehnt astrologische Jahresvorschauen, nicht nur für sich, sondern auch für wichtige
Persönlichkeiten in seiner Umgebung (vermutlich die lokalen Adligen) verfasse. Der erste
konkrete erhaltene Beleg für Schaerers Interesse an der Astrologie ist ein Brief an Johann
Kepler vom 27. Januar 159359
, der leider nur fragmentarisch erhalten geblieben ist. Als
nächstes folgt dann der bereits angesprochene Brief vom 29. August 159660
, den Schaerer an
den bekannten Tübinger Professor für Mathematik und Astronomie Michael Maestlin61
schickte.
Darin erinnert er zunächst an ein Treffen der beiden bei der Hochzeit des Doktor Mögling,
eines Verwandten von ihm. Dann fragt er nach dem Fortschritt bei den neuen Ephemeriden,
an denen Mästlin arbeite, und an denen er Interesse habe. Maestlin hatte 1580 ein Werk mit
Ephemeriden herausgegeben.62
Weiteren Ephemeriden von ihm oder Arbeiten daran waren in
der einschlägigen Mästlin-Literatur bisher nicht bekannt, ebensowenig der Schriftwechsel mit
Schaerer.63
Das Hauptanliegen des Briefes ist jedoch ein anderes. Schaerer verweist auf ein
beigelegte Prognosticon, das er gerne veröffentlichen wolle. Dabei erfolgt der oben bereits
erwähnte Hinweis, dass er bereits seit einem Jahrzehnt solche Prognostica erstelle, und dass er
nun von hochgestellten Persönlichkeiten, die teilweise das Amt des „Magistrats“ für ihn
ausübten – offenbar ein Verweis auf die lokalen Adligen am Ort – quasi gegen seinen Willen
gedrängt werde, diese Prognostica zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich natürlich um
55
Klaus-Dieter Herbst, Verzeichnis der Schreibkalender des 17. Jahrhunderts, Jena : HKD, 2008, S. 207,
zitiert Jürgen Hamel, « Die Rezeption des mathematisch-astronomischen Teils des Werks von Nicolaus
Copernikus in der astronomisch-astrologischen Kleinliteratur um 1600 », in: Cosmographica et Geographica.
Feschrift für Heribert M. Nobis zum 70 Geburtstag. 1. Halbband, hrsg. von Bernhard Fritscher und Gerhard
Brey. München : Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, 1994 [=Algorismus ; 13], S. 315-335, S. 329. 56
Siehe Die lateinischen Handschriften der Universitätsbibliothek Tübingen. Teil 2, Signaturen Mc 151
bis Mc 379 sowie die lateinischen Handschriften bis 1600 aus den Signaturengruppen Mh, Mk und aus dem
Druckschriftenbestand ; beschrieben von Gerd Brinkhus und Arno Mentzel-Reuters, unter Mitwirkung von
Hedwig Röckelein u.a.... Wiesbaden: Harrassowitz, 2001 (Handschriftenkataloge der Universitätsbibliothek
Tübingen ; Bd. 1/2), S. 297. 57
In der Vorrede zu seinem Prognosticon auf das Jahr 1607, Schaerer 1606b 58
An Michael Mästlin, s.u. 59
Brief Nr. 5 (KGW 13, 6) : « Intelligo Te in illis studiis haud vulgariter esse versatum : cujus rei non
solum testes mihi sunt illi, qui te familiariter nôrunt ; sed literae etiam tuae ad me datae, insertaque Themata, in
quibus industriam tuam satis probas. » Siehe auch KGW 13, 375 (Nachbericht zum Brief Nr. 5) und KGW 4, 437. 60
Württembergische Landesbibliothek (= Signatur Cod.math.qt.14b), S. 73f. 61
Siehe Gerhard Betsch, Jürgen Hamel (Hrsgg.), Zwischen Copernicus und Kepler. M. Michael
Maestlinus Mathematicus Goeppingensis 1550-1631, Frankfurt a.M.: H. Deutsch, 2002. 62
Gerhard Betsch, « Parerga Maestlini », in: Gerhard Betsch, Jürgen Hamel (Hrsgg.), Zwischen
Copernicus und Kepler..., Frankfurt a.M.: H. Deutsch 2002, S. 141-156, S. 149. 63
Betsch (2002) ; Roland Müller und Johannes Michael Wischnath, « Dokumentation: Maestliniana in
Tübingen », in: Gerhard Betsch, Jürgen Hamel (Hrsgg.), Zwischen Copernicus und Kepler (Frankfurt a.M.: H.
Deutsch 2002), S. 232-244.
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einen in der Zeit sehr verbreiteten Topos, den auch Schaerer selbst noch mehrfach verwenden
wird, so in seinen Prognostica auf das Jahr 1607 und 1611.64
Von Maestlin erhofft er sich,
dass dieser, da das Werk in sein Fach falle, ihm die Druckerlaubnis im Namen der Universität
erteilen würde, ohne die in Tübingen nicht gedruckt werden dürfe. Auch dazu notwendige
Änderungen am Text stellt er ihm frei. Dieser Vorgang fällt in eine für Mästlin sehr
arbeitsreiche Zeit, datiert der Brief doch nur wenige Wochen, nachdem die Universiät
Tübingen, basierend auf einem Gutachten Maestlins, Johann Kepler die Druckerlaubnis für
sein Mysterium cosmographicum erteilt hatte.65
Maestlin selbst war um diese Zeit mit seinem
Anti-Clavius und der Kritik an der Kalenderreform beschäftigt.66
Im Jahr zuvor (1595) hatte
er die Drucklegung eines Kalenders für Kepler besorgt.67
Und doch scheint er auch für
Schaerers Werk noch Zeit gefunden zu haben, denn im Bestand der UB Tübingen68
findet sich
tatsächlich das noch 1596 erschienene gedruckte Prognosticon unter dem Titel Prognosticon
oder Practica. Was nechst Göttlicher Allmacht auß dem Lauff vnnd Stand der Planeten / vnd
andern Gestrirns / auch der Finsternussn Würckungen (tanquam causis secundis) für
Gewitter vnd andere Zufäll natürlicher weiß zu gewarten auf das Jahr 1597. Erschienen ist es
bei Georg Gruppenbach in Tübingen, also dem Verleger, bei dem auch Maestlins Werke
sowie das von ihm betreute Erstlingswerk Keplers (Prodromus dissertationum
cosmographicarum, ebenfalls 1596) erschienen.69
Auf einer Seite finden sich einige wenige
handschriftliche Korrekturen des gesetzten Textes.70
Ob es sich hier um eine Korrektur
Schaerers, Maestlins oder eines späteren Lesers handelt, ist unklar.
Bereits dieses erste gedruckte Prognosticon trägt viele formale und inhaltliche Züge, die sich
über die nächsten Jahrzehnte bei Schaerers Folgewerken wiederholen sollten. Nach dem Titel
findet sich ein Epigramm des Dichters und Pfarrers zu Dettingen Laurentius Frisaeus (Lorenz
Fries) d. Jüngeren.71
Spätere Kalender werden Gedichte von anderen Dichtern enthalten, so
1619 eines von Sebastian Hornmold d. J. (1562 – ca 1635 oder 1637), Jurist und Poet
Laureatus in Heilbronn72
, und 1620 eines mit Anagrammen von M. Johann Hartmann (1577-
1634), kaiserlicher Poet Laureatus und Anagrammatist.73
Danach folgt eine Widmung an mehrere Mitglieder der Familie von Züllnhardt (von
Zillenhart); einer der zu dieser Zeit noch vier Ganerben von Widdern, denen – dem bereits
angesprochenen Topos folgend – die Verantwortung für das Erscheinen des Werkes
zugesprochen wird, da sie „... an disem meinem priuat exercitio unnd recretation/ kein
vngünstiges gefallen tragen / ja auch zu ettlich malen selbsten mich angemahnet haben / daß
ich doch solche mein Astrologische Arbeit in den offentlichen Truck kommen lassen [...] vnd
64
Schaerer 1606, Vorrede; Schaerer 1611b, Vorrede 65
Gunther Franz, « Bücherzensur und Irenik. Die theologische Zensur im Herzogtum Württemberg in der
Konkurrenz von Universität und Regierung », in: Martin Brecht (Hrsg), Theologen und Theologie an der
Universität Tübingen [= Beiträge zur Geschichte der Eberhard-Karls-Universität Tübingen ; 15], Tübingen :
Mohr, S. 123-194, S. 133. 66
Jürgen Hamel: « Die Rolle Michael Mästlins in der Polemik um die Kalenderreform von Papst Gregor
XIII.», in: Gerhard Betsch, Jürgen Hamel (Hrsgg.), Zwischen Copernicus und Kepler (Frankfurt a.M.: H.
Deutsch 2002), S. 33-63; S. 57. 67
Graßhoff (2002), S. 73 68
UB Tübingen = Bd. 151.4-AF. 69
Hans Widmann, Tübingen als Verlagsstadt, Tübingen: J.C.B. Mohr 1971, S. 66f.; Gerd Graßhoff, «
Mästlins Beitrag zu Keplers Astronomia Nova », in: Gerhard Betsch, Jürgen Hamel (Hrsgg.), Zwischen
Copernicus und Kepler, Frankfurt a.M.: H. Deutsch 2002, S. 72-109. 70
Schaerer 1596b, S. 2 71
John L. Flood, Poets Laureate in the Holy Roman Empire. Volume II, D-K, Berlin : de Gruyter 2006, S.
608. 72
Klaus Bergdolt, Walther Ludwig (Hrsgg.), Zukunftsvoraussagen in der Renaissance, Wiesbaden :
Harrassowitz 2005, S. 104. 73
August Schnizlein, Der Anagrammatist Johann Hartmann (1577-1634), Die Linde 18, 1928, S. 33-36
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also auch andern mittheilen wollte.“74
Einer Vorrede schließt sich dann der Hauptteil an, der
fast ausschließlich aus Vorhersagen für das Wetter besteht, dem Hauptanliegen von Schaerers
Arbeit. Bereits in der Vorrede beschreibt er seine Auffassung von Astronomie und Astrologie:
„Dahin weiset und führet vns aber / nicht allein die schöne und edle Kunst der
Astronomy, die vns der Sternen Lauff vnnd Ordnung/ Auff und Nidergang/ mit
gewisser abmessung und außrechnung/ und unfehlbaren demonstrationibus darthut
und beweiset/ sonder auch / die auß deren herfliessende löbliche Kunst der
Astrology, welche die Bedeuttugen vnd Wirckungen der Sternen betrachtet / vnnd
auß deren Lauff und Stand / allerley künfftige Zufäll / doch ohne superstition vnd
Aberglauben / zuuor verkündiget/ vnd anzeiget.“75
Etwas später:
„Und hie darff man drumb gar nicht besorgen / daß die / so dises Studii sich
vndernemen / auß dem Gestirn zu Propheten wöllen werden / Nein / sonder man zeigt
allein an / was / die Sternen natürlicher weiß/ und auß ihrer von Gott eingepflantzter
Eigenschafft (so vil menschlicher Verstand daran erkennen kan) für effectus möchten
producieren und verursachen. Als wie ein Medicus ex dispositione corporis humani
natürlicher weiß vrtheilet/ was beyleuffig für ein Kranckheit erfolgen werde/ allein daß
jene causae was höheres gesetzt seind.“76
Diese Auffassung ist nicht so weit von der Keplers entfernt. Anders als bei Kepler liegt der
Schwerpunkt des Interesses bei Schaerer jedoch auf der Astrologie, nicht der Astronomie.
Interessanterweise bezeichnet er sich auf dem Titelblatt jedoch selber als „Der Astronomy
Liebhabern“ - eine Formulierung, die er für all seine Werke beibehalten wird, bis daraus auf
dem Titelblatt seines Kalenders für 1623 wird: „Pfarrern zu Mentzingen auff dem Kreychgau/
Astronomum & Mathematicum“.77
Von der astronomischen Grundlage her – im Sinne der
Beobachtungen und Tabellen – basiert die Arbeit Schaerer auf den prutenischen Tafeln. In
späteren Kalendern werden auch die Tafeln Brahes referenziert.78
Eine der wenigen Ausführungen, die man eher einer Astronomie im Sinne eines
kosmologischen Weltbildes als einer reinen Lehre der Ephemeriden zurechnen kann, findet
sich gleich hier 1596:
„Also auch an dem wunderbahrlichen Lauff der andern Planeten/ da ein jeder sein
gewissen vnd besondern motum hat/ vnd doch alle sampt in ihrem Lauff sich nach
der Sonnen richten/ gleich als hetten Sie auff die Sonnen/ als auff ihren Hern und
König/ ihr besonder auffsehen.“79
Handelt es sich hier um eine leicht verschleierte Bekenntnis zu einem kopernikanischen
Weltbild? Jedoch werden 1596 weder Kopernikus noch Kepler von Schaerer zitiert, wohl aber
Ptolemäus.80
Noch ein weiterer prägender Zug Schaerers Schriften tritt bereits 1596 in
Erscheinung, der Drang die Astrologie gegen Kritiker zu verteidigen. So schließt er seine
74
Schaerer 1596b, S. 5 75
Schaerer 1596b, S. 2 76
Schaerer 1596b, S. 4 77
Schaerer 1622, Titelblatt 78
Schaerer 1611b, „Vom Winter“ 79
Schaerer 1596b, S. 2 80
Schaerer 1596b, S. 5
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Vorrede mit der Hoffnung, die Widmungsempfänger würden sein Werk nicht nur annehmen
sondern auch „...wider die Zoilos defendieren und handhaben. Dass so ein ding einer
Vertheydigung bedarff / so bedarff sichs freilich die liebe Astrologia, vt quae multorum
contemptui est exposita.“81
Prognostica wie Schaerers erschienen zumeist als zweiter Teil sogenanner Schreibkalender,
die in ihrem anderen Teil den Benutzern Raum für Eintragungen boten. Teilweise erschienen
aber auch nur die Prognostica, ohne Schreibteil; oftmals sind heute auch von zweiteiligen
Kalendern nur noch die Prognostica erhalten.82
Ob es sich bei Schaerers Werk bereits in den
ersten Jahren um einen vollständigen Kalender handelte, kann daher nicht mehr ermittelt
werden. Auch nicht, ob dem ersten eine ganze Reihe weiterer Kalender folgte, wie dies oft der
Fall war. Für Schärer haben sich weitere Kalender erst ab 1607 erhalten, die dann in Nürnberg
erschienen sind, nicht mehr in Tübingen wie der erste. Es gibt jedoch einige indirekte
Hinweis, dass Schaerer sowohl Prognostica als auch Schreibkalender bis ca. 1603. herausgab.
So schreibt er im Vorwort zu seinem Prognosticon auf das Jahr 1607, geschrieben 1606, dass
er nach 20 Jahren vor ca. 3 Jahren aufgehört habe, sich mit der Astrologie zu beschäftigen,
vor allem mit der Tätigkeit des „prognosticirns vnd Calenderschreibens“.83
Zum anderen
notiert Martin Crusius (1526-1607) in seinem Diarium am 27. Februar 1599: « Praedixerant
Astrologi nostri, in suis de hoc 99. anno prognosticis […] Regem, aut magnum Principem,
expulsum iri, aut infamatum iri, aut etiam moriturum. » (unter Bezug auf den König von
Polen) und zu Astrologi notiert er am Rand mehrere Namen, darunter „M. Melchior Schaerer
Stutgard, Pfarrer zu Widern.“84
. Zwar könnten Schaerer und Crusius in persönlichem Kontakt
gestanden haben, logischer erscheint jedoch die Alternative, nämlich dass Crusius die
Prognose Schaerers aus einem von diesem herausgegebenen und heute verschollenen
„Prognosticon“ für das Jahr 1599 entnommen hat.85
Wie erwähnt erscheint dann 1606/1607 wieder ein Kalender und Prognosticon von Schaerer
und er schreibt in seiner Vorrede:
„Dann vor dreyen Jahren / als ich noch der Pfarr Widern vorgewesen / hatte ich auß
beweglichen vrsachen gänzlich bey mir beschlossen / mich deß Astrologischen studij,
(darinnen ich mich / beneben meinem Ordinari Studio der Theology nun über die 20.
Jahr oblectirt) etwas zu mäsigen / sonderlich aber deß jährlichen prognosticirns vnd
Calenderschreibens mich allerdings zu enthalten / Sihe / so schickts der allmächtig
Gott / daß ich nun mehr meine Tabulae und Ephemerides widerumb von newem
herfür suche / vnd mit meinem Prognostico vnd Calender nochmalen auff die Bahn
komme.“86
Als Grund nennt Schaerer u.a. den Ortswechsel (von Widdern an Menzingen), der auf
Ersuchen derer von Mentzingen erfolgt sei, die beim Herzog von Württemberg um seine
Versetzung gebeten hätten. Wie oben, Kapitel 2.3, erwähnt muss er diese bereits zu
Widdernen Zeit kennengelernt haben, da er ihnen sein Liederbuch widmet. Wohl auf
Turbulenzen in der späten Widderner Zeit anspielend, schreibt Schaerer, er hoffe nun „in
bessere Ruhe gesetzt“ zu sein. Und nun sei er von den genannten von Mentzingen sowie
weiteren „hochverständigen“ Leuten und „ansehnlichen“ Theologen angehalten worden –
81
Schaerer 1596b, S. 5 82
Zu Schreibkalendern siehe Herbst (2008). 83
Schaerer 1606, Vorrede. 84
Wilhelm Göz, Ernst Conrad (Hrsgg.), Diarium Martini Crusii. 1598-1599, Tübingen : Laupp, 1931, S.
183. 85
Zinner führt in seiner Bibliografie ein Prognosticon für 1603 an, siehe Schaerer 1602, das wir jedoch
nicht lokalisieren konnten. 86
Schaerer 1606, Vorrede.
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wiederum der bekannte Topos - die Herausgabe seiner Prognostica wiederaufzunehmen. Und
er erachte dies wichtiger als – hier folgt das nächste der Standardthemen Schaerers - die Kritik
an der Astrologie von „etlichen / vielleicht vnwissenden Leuten / welch die Astrologie vnd
derselben Cultores nur immer verachten / verlachen / vnnd schimpflich außmachen“. Es folgt
eine Verteidigung der Astrologie mit Bezug auf diverse Astronomen (bis zurück zu
Ptolemäus), Kaiser, Könige und biblische Gestalten.
Äußerlich ändert sich an den Kalendern nur wenig. Zum einen schmückt das Titelblatt (ab
1608) nun das Wappen der von Mentzingen und an sie erfolgt auch die Widmung. Als
Drucker fungiert nun nicht mehr der Tübinger Georg Gruppenbach, sondern nacheinander
sind in den folgenden Jahren angegeben: Valentin Fuhrmann, Georg Leopold Fuhrmann und
Johann Friedrich Sartorius.87
Es handelte sich jedoch in allen Fällen um die gleiche Druckerei,
denn Georg Leopold war der Sohn Valentin Fuhrmanns und nach seinem Tod 1616 heiratete
seine Witwe den aus Ansbach stammenden Buchhändler Johann Friedrich Sartorius.88
Das Thema der Astrologiekritiker setzt sich auch in den Vorreden der Kalender auf die Jahre
1608 und 1609 fort. In der Vorrede auf das Jahr 1608 stellt er für diese eine Art Kategori-
sierung auf, denn „Vnter denen / welche der lieben Astrologie zuwider seind / finden sich
nicht einerley, sonder (wie gemeiniglich geschieht / wann man dr Warheit widersprocht) viel
vnd mancherley meinungen“89
; auch in der Vorrede auf 1609 setzt er sich weiter mit den
„Sternfeind“ und ihren Argumenten auseinander. Dabei benutzt er eine teils deftige Sprache.
Den Kritiken werden u.a. „Kalbsaugen“ attestiert. Als Zeugen für die Astrologie werden
Bibelstellen und klassische Autoren, aber auch „Hermes Thrismagistus“ ins Feld geführt und
Schaerer schließt:
„Wer nun diese für keine demonstrationes erkennen vnnd halten will/ dem thut (wie
Peucerus schreibt) mehr von nöthen/ daß im das Hirn mit Nießwurtz gereinigt/ dann
daß er mit vielen demonstrationibus solt überzeugt und überwiesen werden.“90
Bekanntlich blieben diese scharfen Angriffe nicht ohne Folgen. Aufgrund eines privaten
Gesprächs, das er mit Schaerer in Menzingen zu diesem Thema geführt hatte, bezieht der
badisch-durlachische Leib-Medikus Philipp Fesel diese Kritik auf sich und wehrt sich durch
die Herausgabe einer Schrift, die die Astrologie in Bausch und Bogen verwirft.91
Worauf dann
87
Siehe Christoph Reske, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhundert im deutschen Sprachgebiet, Auf
der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing, Wiesbaden : Harrassowitz, 2007, S. 926 (zu Georg
Gruppenbach, ? -1610), S. 708-709 (zu Georg Leopold Fuhrmann, 1578-1616), S. 693-695 (über Valentin
Fuhrmann, ca. 1540-1608), S. 714-716 (zu Johann Friedrich Sartorius, ?- nach 1649). 88
Britta-Juliane Kruse, Witwen. Kulturgeschichte eines Standes in Spätmittelalter und Früher Neuzeit,
Berlin: W. de Gruyter, 2007, S. 363F : Sartorius kam 1622 wegen eines von ihm gedruckten Prognosticons
(nicht Schaerers) in Schwierigkeiten und war sogar einige Wochen inhaftiert. Ihm wurde zur Last gelegt, dass er
auf etliche Kalender das böhmische und kur-pfälzische Wappen gedruckt hatte, und man darin eine
Herabwürdigung des Kaisers sah, siehe Franz von Soden, Kriegs- und Sittengeschichte der Reichsstadt
Nürnberg:. II. Theil von 1620 bis 1628, Erlangen : Th. Bläsing, 1861, S. 184f. Auch das Herausgeben von
Kalendern war voller formaler Fallstricke für Autoren und Drucker. So konnte die Reihenfolge „alter“ und
„neuer“ bzw. „neuer“ und „alter“ Kalender im Titel als Akzentuierung entweder des alten julianischen oder
neuen gregorianischen Kalender interpretiert werden, und dies konnte schon zur Nichterteilung der
Druckerlaubnis führen, siehe Frank Fätkenheuer, Lebenswelt und Religion. Mikro-historische Untersuchungen
an Beispielen aus Franken um 1600, Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 2004, S. 142n zum Beispiel der
katholischen Stadt Nürnberg. 89
Schaerer 1608b, Vorrede 90
Schaerer 1609b, Vorrede 91
Zu diesem Streit, sowie zur Person des Philipp Fesel siehe: Nils Lenke & Nicolas Roudet, « Philippus
Feselius. Biographische Notizen zum unbekannten Medicus aus Keplers Tertius Interveniens », in: Karsten
Gaulke & Jürgen Hamel, Hrsg., Kepler, Galilei, das Fernrohr und die Folgen [= Acta Historica Astronomiae ;
40], Frankfurt a.M.: Harri Deutsch 2010, S. 131-159. Auch Thomas Gloning, « Zur sprachlichen Form der
Kepler/Röslin/Feselius-Kontroverse über Astrologie um 1600 », in : Marcelo Dascal, Gerd Fritz, ed.,
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wiederum Kepler mit seinem Tertius Interveniens reagierte. Dies ist anderswo ausreichend
beschrieben worden. Doch auch Schaerer selbst setzte sich zur Wehr. Zunächst schreibt er in
der Vorrede zu seinem Prognosticon auf das Jahr 1611:
„Dann ob ich wol vorhabens gewesen/ unnd noch bin/ mich solcher Arbeit hinfüro zu
entschlagen: hab ich doch für dißmal/ verständiger und ansehenlicher Leut gut achten/
mehr bey mir gelten lassen/ dann das Cavillieren/ Spotten unnd Lästern meiner
Gegenpart/ so der wahren astrologi allerdings unerfahren/ von der Sachen nicht vil
besser/ als der Blind von den Farben vrtheilet/ unnd mich billich nichts irren soll. Und
wiewol auch der wider mich außgegangne übelgegründete discurs, hochgelehrter Leut
judicio nach (wie uns vilfältig einkommen) also beschaffen/ daß ich ihn allein [...]
abfertigen möchte: Besonders/ diweil underdeß/ die vera & naturalis astrologia einen
solchen patronum bekommen/ der meiner Gegenpart wol gewachsen: Jedoch mag
gedachter Discurs mit gelegner zeit (weil es biß daher meiner außgestandenen
Leibsschwachheit unnd anderer Geschäfften halben nit geschehen mögen) auch von
mir sein kurtze und gründliche Abfertigung bekommen:...“92
Mit dem „patronum“, den die Astrologie erhalten habe, könnte Schaerer Johann Kepler
gemeint haben. Die angekündigte „Abfertigung“ erschien dann 1611 in Form eines Buches
mit dem sprechenden Titel Verantwortung und Rettung der Argumenten und Ursachen/
welche M. Melchior Scherer/ in den Vorreden seiner zweyen Prognosticorum verschiener
1608. und 1609. Jahren/ zur Behauptung/ daß die himlische Liechter und Sternen/ so wol als
alle andere Creaturen/ ihre besondere von Gott eingepflantzte Eygenschafften/ Kräfften und
Wirckungen haben/ [et]c. die sie duch ihren Lauff und schein in diese untere Welt exerirn und
außgiessen/ eingeführet : Wider Den Hochgelehrten Herrn Philippum Feselium, ... Welcher in
seinem übel gegründten Discurs von der Astrologia Iudiciaria, so er ... vergangen 1609.
Jahrs HerbstMeß in öffentlichen Druck außgesprengt/ solches rund verläugnet/ und hiemit
auch die wahre sobriam Astrologiam ... zu boden zu stossen vermeynet.93
Auch in seiner Vorrede zum Prognosticon auf das Jahr 1612 ist Schaerer mit dieser
Diskussion beschäftigt. Zunächst stellt er fest (auch etwas Werbung in eigener Sache
betreibend):
„Daß ich die Astrologiam hinfüro mit mehrern Argumenten verthäydige/ vnd wider
ihre Verächter rette / halte ich nicht hoch von nöten seyn / weil solches in meiner
verantwortung wider Herrn Philippum Feselium, weyland Medicinae Doctorem zu
Durlach / verschienen Jars gedruckt/ und bey Georg Leopold Fuhrmann Buchdrucker
zu Nürnberg zu finden/ (dahin ich den günstigen Leser weise) außführlich vnnd
gründlich geschehen ...“94
Und in Ergänzung dazu diskutiert er daraufhin die Frage von Zwillingsgeburten, die teilweise
als Argument gegen die Astrologie gebraucht werden. Die nächsten beiden Bände haben sich
nicht erhalten. In seinem Prognosticon auf das Jahr 1615 beschäftigt sich Schaerer ausgehend
von Platos „Cratylos“ mit der Beziehung zwischen Dingen und ihren Namen. Es folgt eine
Reihe von ethymologischen Überlegungen basierend auf den Wörtern, mit denen die
hebräische Sprache als der „allersten“ Sprache, „inn welcher der Allmächtige Gott mit dem
ersten Menschen Adam geredet“. Im Jahr darauf ist die richtige Wahl des Aussaatzeitpunktes
Controversies in the République des Lettres. 3, Scientific controversies and theories of controversies (Gießen ;
Tel-Aviv 2002), S. 35-85. 92
Schaerer 1611b, Vorrede 93
Schaerer 1611a. 94
Schaerer 1611b, Vorrede
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für Feldfrüchte das Thema der Vorrede, wobei sich Schaerer auf Tobias Moller[us], Astrologe
aus Krimmitschau, bezieht.95
Der Kalender für 1616 fehlt wiederum, und in dem auf das Jahr
1617 diskutiert Schaerer die Frage, inwiefern auch Fixsterne in die Vorhersage einzubeziehen
sind, auch inwieweit man dabei die astronomische Breite, nicht nur die Länge berücksichtigen
müsse. Dabei zitiert er u.a. Cardanus, Ptolemäus, Johannes Regiomontanus, Tobias Mollerus,
die Tabellen des Pietro Pitati96
, Antonio Magini97
(das Werk wurde Schaerer durch „Georg
Göler von und auf Ravensburg“ 98
vermittelt). Schaerer verweist hier auf eigene Ephemeriden
(für Fixsterne), „meine [...] Tabula Aspectuum fixarum“, die er bei Interesse auch veröffent-
lichen würde:
„Da ich spüren sollte / daß den Astrophilis hiemit gedienet / und der Drucker dahin
zuvermögen / wäre ich vnbeschwert / die Tabulas Aspectuum fixarum ad Eclipticam,
auff diß Seculum gerichtet / denselbigen in offentlichen Druck mitzutheilen“99
Von einer solchen Veröffentlichung ist aber nichts bekannt, es ist wohl nicht dazu gekommen.
Das Prognosticon auf das Jahr 1618 ist gänzlich verschollen, von dem auf das Jahr 1619 hat
sich lediglich ein Holzschnitt mit dem Protrait Schaerers erhalten, der seit 1617 jeweils nach
dem Titelblatt folgt.100
Interessant ist dann wiederum das 1619 geschriebene Vorwort des Prognosticons auf das Jahr
1620, es thematisiert den „Winterkometen“ (1618 II) des vorherigen Jahres, und dies soll hier
etwas ausführlicher wiedergegeben werden. Kometen werden von Schaerer, der sich damit in
die große Reihe von Kometenschriften aus den Jahren 1618/19 einreiht101
, aus drei Blick-
winkeln betrachtet: theologisch; astronomisch-naturwissenschaftlich und astrologisch. Unter
dem ersten Gesichtspunkt schreibt er:
„Es hat der allmächtige Gott im Novembri und Decembri deß vergangenen 1618. Jahrs
/ vnns abermal ein brennende Fackel / nemblich einen schröcklichen Cometen an / den
Himmel gestellet / vnnd denselben gleich als ein bedroheliche Ruthen an die Fenster
Ramen auffgesteckt / dadurch er vns ohn allen zweiffel / als ein getrewer Vatter seine
Kinder zur Buß vnd Besserung auffmuntern / vnd für zukünfftigem Vnglück / vnd
wolverdienter Straff vnserer Sünden gnediglich hat verwarnen wollen.“102
Eine solche Klassifizierung eines Kometen als „Zorn-Fackel“ oder „Zorn-Rute“ und damit
Warnung Gottes an die Menschen ist ein in theologischen Schriften verbreiteter Topos.103
95
Mollerus schrieb z.B. De justo tempore colendi agros (1583), siehe Jean-François Seguier, Bibliotheca
Botanica, Leiden : Cornelius Haak, 1740, S. 382. 96
Andreas Kühne, Stefan Kirschner, Biographia Copernicana. Die Copernicus-Biographien des 16. bis
18. Jahrhunderts: Texte und Übersetzungen“ [= Nicolaus-Copernicus-Gesamtausgabe ; Bd. 9], Berlin :
Akademie Verlag 2004, S. 154n. 106. 97
Anton von Braunmühl, Vorlesungen über Geschichte der Trigonometrie. Band 1, Leipzig: Teubner
1900, S. 91. Über Magini, siehe Luigi Campedelli, Art. „Magini, Giovanni Antonio“, in : Dictionary of scientific
Biography, Bd. 9 (New York : Scribner, 1981), S. 12-13. 98
Die Familie Göler von Ravensburg ist mit den von Mentzingen verwandt; siehe: Archiv für hessische
Geschichte und Atertumskunde, Bd. 4 (1845), S. 36 Fussnote 143. 99
Schaerer 1617c, Vorrede. 100
Im Britischen Museum, erworben 1871, siehe http://www.britishmuseum.org/; Suche nach „Schärer“
unter „Search the collection database“. 101
Marion Gindhart, Das Kometenjahr 1618. Antikes und zeitgenössisches Wissen in der frühneuzeitlichen
Kometenliteratur des deutschsprachigen Raumes, Wiesbaden : L. Reichert 2006, führt über 100 an, wobei
jedoch Schaerers Schrift unerwähnt bleibt. 102
Schaerer 1620b, Vorrede. 103
Gindhart (2006), S. 25.
Page 15
Er schildert dann seine eigenen Beobachtungen des Kometen. Am 6.11. (alter Kalender)
erhielt er die erste Nachricht. Er habe aber zunächt an eine Verwechslung mit Venus oder
Jupiter geglaubt, die auch zuweilen einen Hof hätten. Am 10.11. (a.K.) sei er von einer
Festivität aus Anlass einer Kindstaufe bei den von Mentzingen zurückgekommen, und ein
Bekannter hätte ihm erzählt, dass er seit zwei Tagen am Morgenhimmel „etliche weisse
Striemen“ beobachtet hätte. In den nächsten Tagen sei es bewölkt gewesen. Am 14.
November (a.K.) hätte er zunächst gedacht „ich sehe dergleichen etwas / wol gegen Mittag
über / fast umb den Tropicum Capricorni“; aufziehende Wolken und die beginnende Morgen-
dämmerung hätten aber genauere Beobachtungen verhindert. Spätere Rekonstruktionen der
Bewegung des Kometen hätten aber eh ergeben, dass dies nicht der Komet gewesen sein
könnte. Danach hätten sich die Berichte anderer verstärkt, „[f]olgende Wochen gieng das
geschrey je lenger / je stärcker / vnd wuerde auch von anderen Orten hieher gebracht / daß ein
Comet leuchten solte“. Eigene Beobachtungen wurden jedoch weiterhin vom Wetter ver-
hindert. Erst am 21.11. (a.K.) sei eine erste Beobachtung „morgens vngefährlich vmb 6. vhr“
gelungen. Da er „mit tauglichen Instrumenten nit versehen“ habe er mit „Behelf“ zumindest
festellen können, dass der Komet „vmb das Mittel deß Scorpions / vngefehrlich vmb den 14.
oder 15. grad desselbigen“ gestanden hätte. Ihm sei er recht dunkel vorgekommen, so dass er
annahm, auch in Anbetracht der bereits länger andauernden Beobachtbarkeit, zumindest durch
andere, dass er bereits wieder im Vergehen sein könnte; dies könne aber auch am hellen
Mond gelegen haben. Denn in den folgenden Tagen sei er „ein zeitlang heller und Schein-
barer“ geworden und habe seine Position „contra signorum seriem“ verändert. „vnnd weil er
von dem 21. Novemb (N. 1 Decemb) biß auff den 27. November (N. 7. Decemb.) beyläufig
16. oder 17. gr. zu ruck kommen ( vnnd die letztere grad der Wag erreicht / daß sein Lauff
secundum longitudinem damals täglich sich über die 2. grad / vnd drey viertel eines grads
erstreckt hab.“ Anschließend habe er die Waage und bis zum Ende der Sichtbarkeit fast die
ganze Jungfrau durchlaufen. Außerdem sei er von der Höhe her von der Äquinoctial-Linie bis
in hohe Höhen aufgestiegen, und als er nahe bei Arcturus stand, habe sein Schweif bis in den
großen Wagen gereicht. Danach sei er so hoch gestiegen und um den Pol herumgezogen, dass
er die ganze Nacht über hätte beobachtet werden können. Um Weihachten schließlich sei er
nicht mehr zu beobachten gewesen. Die Ungenauigkeit der eigenen Messungen ist ihm
bewusst, daher:
„Omnimodam praecisionem motus Cometae, secundum longitudinem & latitudinem,
wie auch sein Parallaxim oder visus variationem, situm & magnitudinem befehle ich
den Artificibus, idoneis instrumentis instructis, praesertim verò Domino Maesthlino &
Kepplero, viris in Mathesi exercitatissimis celeberissimisq; deren descriptionem ich
mit verlangen erwarte.“104
Schaerer fasst dann durchaus umfassend und systematisch die diversen Kometentheorien der
„Physici, das ist/ die Naturkuendiger“ zusammen, wobei er beklagt, dass diese eine „viel
vnterschiedliche Meynung“ geäußert hätten. Er beginnt mit den antiken Autoren, so
Anaxagoras; dann folgen die „Chaldaeer / Pythagoraeer/ vnd Seneca“, sowie Heraklid. Deren
jeweiligen Theorien stellt er die aristotelische Lehre gegenüber, dass Kometen ein sub-
lunares, atmosphärisches Phänomen seien. Zu Recht stellt er fest: „Vnd solche Meynung
Aristotelis hat biß daher etlich hundert Jahr lang in den Schulen die Oberhand behalten“105
.
Dem stellt die „moderne“ Erkenntnis gegenüber, dass Kometen oberhalb der Mondsphäre
beheimatet sein müssen, weil ihre Parallaxe kleiner als die Mond-Parallaxe ist106
, eine
104
Schaerer 1620b, Vorrede 105
Zur aristotelischen Kometenlehre und ihrer Rezeption siehe Gindhart (2006), S. 216ff. 106
Schaerer formuliert diese kritische Stelle in Latein; evtl. ein Versuch der Zensur zu begegnen? Ähnlich
ging Kepler bei genau dem gleichen Thema vor, siehe Gindhart 2006, S. 166n.
Page 16
Erkenntnis, die er Cardanus zuschreibt. Doch habe dieser, wie auch Petrus Appianus,
angenommen, dass Kometen bereits bei der Erschaffung der Welt mit erschaffen wurden und
aus bestimmten Gründen nur zeitweise sichtbar seien. Damit hätten sie immerhin das Axiom
des Aristoteles „im Himmel könne nichts newes generirt vnd geboren werden“ retten können.
Die gleiche Ansicht unterstellt er auch David Fabricius „der berümbte Mathematicus [...] in
Friesland“ und bezieht sich auf dessen „Tractätlein“ „de Stellâ illâ novâ Serpentarii, Anni
1604. welchen er Faecialem coelestem Aquilae revicturi nennet“107
. Sodann zitiert er Kepler,
der diese Position widerlegt habe. Stattdessen „reden jetziger zeit etliche hochgelehrte Leut
darvon / welche sich an den Aristotelem nicht binden lassen“, dass die Kometen „und die
newen Sternen“ [Novae] sich neu aus Materie im Himmel bilden und „anzünden“. Diese
Position unterteilt er wiederum in diejenigen, die annähmen, dass hierzu Materie aus der
Milchstrasse diene und diejenigen, die auch andere Teile des Himmels für geeignet hielten. Er
selber schließt sich der letzteren Position an. Sich so gegen Aristoteles zu stellen, ist um 1620
noch immer nicht selbstverständlich, vor allem für einen Geistlichen; Gindhart spricht von
einer „Vielzahl von Autoren, die in ihren Schriften zum Kometenjahr 1618 weiterhin an der
aristotelischen Theorie festhalten“.108
Der astrologische Teil des Vorwortes fällt im Vergleich zur astronomischen Darstellung recht
kurz und distanziert aus, vor allem wenn man sich erinnert, dass es ich um das Vorwort zu
einem Prognosticon handelt. Knapp wird der Ansatz geschildert, Kometen in Bezug zu
Planeten-Konjunktionen zu stellen, Schaerer verweist jedoch darauf, eigentlich wichtig sei für
Christen nur, dass Kometen ein Werk Gottes sein und resümiert:
„Was dann die Bedeutung deß Cometen anbelanget / pflegen die Leut / wie Mensch-
liches Herz zukünfftige ding zu wissen begierig ist / am allermeisten darnach zu
fragen. Vnd zwar / so ist am tag / daß fast alle winckel der aufgegangenen Schrifften
von der Bedeutung dieses Cometen voll fliegen / da der ein physicè, der ander
astrologicè, der dritte theologicè, der vierte historicè, vnnd also andere magicè,
cabalisticè, allegoricè, die Bedeutung deß Cometen beschreibenn [...] so bleibt man
doch endlich bey der generalitet / daß der Comet nichts guts bedeute.“109
Es folgt noch eine kurze Zusammenfassung von Deutungen des Kometen des Jahres 1577
unter Bezug auf Autoren wie Andrea Nolthio, Conrado Dasypodio, Cornelio Gemma110
und
Helisaeus Rößlin111
; zudem wird der Leser auf einschlägige Kataloge der bisher mehr als 300
Kometen verwiesen, sowie auf die „Wunderzeichen“ Caspar Goldwurms.112
Und obwohl er
so ausführlich begündet, warum er keine genauen Vorhersagen aus dem jetzigen Kometen
ableiten will, tut er es dann doch noch mithilfe eines Kunstgriffes, der sich so auch bei Kepler
findet. Denn dieser verfolgt in seinen Kometenschriften eine ganz ähnliche Strategie, sich von
einer Astrologie, die genaue Vorhersagen ableiten will, zu distanzieren, dies aber dann doch
indrekt zu tun,
107
Im VD17 findet sich keine Schrift Fabricius’ mit diesem Titel, jedoch ein Kurtzer und Gründtlicher
Bericht/ Von Erscheinung un[d] Bedeutung deß grossen newen WunderSterns/ welcher den 1. Octobr. deß 1604.
Jahrs/ gegen dem Südtwesten/ nach der Sonnen Untergang/ zu sehen ist, VD17 39:123179Y. 108
Gindhart (2006), S. 66 109
Schaerer 1620b, Vorrede 110
Siehe Hiro Hitai, ed., Cornelius Gemma. Cosmology, medicine and natural Philosophy in Renaissance
Louvain. Pisa ; Roma : F. Serra, 2008. (Bruniana & Campanelliana. Supplementi XXIV ; Studi, 10). 111
Miguel A. Granada, « La théorie des comètes de Helisaeus Röslin », in : Miguel A. Granada, Edouard
Mehl, éd., Nouveau ciel, nouvelle terre. La révolution copernicienne dans l'Allemagne de la Réforme (Paris : les
Belles Lettres, 2009), S. 207-244. 112
Konrad Fuchs, Art. « Goltwurm Kaspar (1524-1559) », in : Biographisch-Bibliographisch Kirchen-
Lexikon, 23 (Nordhausen : T. Bautz, 2004), Sp. 542-543.
Page 17
„in dem er akribisch alle auch für eine astrologische Deutung signifikanten Parameter
verzeichnet, und danach mögliche astrologische Auslegungsansätze folgen – dies
jedoch mit klaren Prämissen. Geht er im folgenden dennoch auf diese Methoden ein,
so tut er dies lediglich als Autor, der einem Astrologiegläubigen das Wort leiht und
dadurch demonstriert, daß er sich in dessen Methodik auskennt und den Erwartungen
seiner Leserschaft genüge tut“113
Schaerer tut dies auch, es finden sich zahlreiche Formulierungen und Kautelen wie: „Auß
dem 12. Haus [...] werden etliche von grosser Feindschafft/ Trübsal vnd Gefängnuß
prognosticirn...“, „Auß dem zeichen [...] möchte man astrologicè davon zureden ...“, „Wolte
jemand ohne superstition vnd Aberglaubenein seine Allegorische Auslegung von der
Bedeutung dieses Cometen auff die bahn bringen...“ usw. Dabei ist Keplers Schrift „De
cometis“114
,erst 1620 erschienen; kann Schaerer noch nicht bekannt gewesen sein.
Auch das Prognosticon des Folgejahres steht noch im Zeichen des Kometen, wobei Melchior
Schärer wieder einmal die Astrologie verteidigt, diesmal gegen den Verfasser des „Cometen
Bützer Schützers“115
, der in seinem 1618 erschienenen Buch die Astrologen der letzten
fünfzig und mehr Jahre, und darunter auch ihn selbst, angegeriffen habe. Gemeint ist hiermit
sicherlich die zweite der von dem aus Wesel stammenden Satiriker Friedrich Grick116
unter
dem Pseudonym „Johannes Procopius“ verfassten beiden satirische Schriften „Cometen-
butzer“117
und „Cometenbutzerschützer“118
aus dem Jahr 1619, in denen der Autor den
sogenannten Winter-Kometen des Jahres 1618/19 als dessen „Anwalt“ gegen Angriffe in
Schutz nimmt. In dieser Schrift wird Schaerer u.a. wie folgt von Grick kritisiert:
„Was hat denn M. Melchior Schaerer viel gewaesch/ vnd geschwetz an seine Junckern
machen doerffen von den Bauren Reguln/ da sie eben so gut/ als der Practic Schriber
prognostica? Dann weil sie nur einmal/ oder zwey eingetroffen/ vnd deßwegen
zuverwerffen/ so muß/ wo das eine nicht gilt/ das ander auch nicht waar sein. Vnd
wann der eine Phantast schoen der ander trueb/ der ein warm /der ander kalt/ der ein
trucken/ der ander naß/ in seinem Calender setzt/ wer will mich gewiß machen/ auf
welchen ich mich eygentlich werde zuverlassen haben?“119
Soweit Schaerers Ausführungen zum Winterkomenten. Der letzte erhaltene Kalender (auf das
Jahr 1623, derjenige auf das Jahr 1622 ist nicht erhalten) erschien 1622, zwei Jahre vor
Schaerers Tod. In der Vorrede zeigt sich Schaerer vorsichtig ob der Aufgabe, Vorhersagen
zum Ausgang des „schwebenden Kriegswesens“ (der Krieg, der einmal der 30-jährige werden
sollte, war im 5. Jahr) zu machen. Nicht nur, dass die Vorhersagen schwierig seien, auch
könnten die Leser überfordert seien, da jegliche Vorhersagen über den Kriegsverlauf auf einer
der Seiten unwillkommen sein müssten. Daher sei „stillschweigen wie allwegen/ also auch
113
Gindhart (2006), S. 175 114
VD17 23:286985C 115
Schaerer 1621, Vorrede 116
Gindhart (2006), S. 154ff. 117
VD17 39:128530X: Komētodikaioloprosiasia Oder Cometenbutzer/ Das ist: Eine glaubwürdige Copey
Articulierter und rechtmässiger Klag/ deß guten/ unschuldigen Cometen/ welcher im abgeflossenen nächst
verwichenen 1618. Jahr erschienen : Wider und gegen N.N. wegen viel übel beygelegter Unwarheit und
Unbilligkeit den 25. Januarii jetzt lauffenden Jahrs 1619. dem Gott Apollini in Parnasso Durch ermeldtes
Cometen wolbestellten Anwald im Rechten Johanne Procopio übergeben, Prag : Philipp Zoanettus 1619. 118
Komētodikaioloprosiasia Oder Cometenbutzers Schützer/ Das ist: Eine glaubwürdige Copey
Articulierter, rechtmessiger Exceptionum, probationum & junctis refutationibus in eventum conclusionum deß
gutenVnschuldigen Cometen / welcher in verwichenem 1618. Jahr erschienen/ wider vnnd gegen N.N. den 13.
augusti noch lauffenden 1619 Jahrs // dem Gott Apollini im Parnasso durch ermeltes // Cometen Syndicum vnd
Verweser // JOHANNE PROCOPIO // übergeben, Prag : Philipp Zoanettus 1619, siehe Gindhart (2006), S. 299. 119
Zitiert nach Gindhart 2006, S. 156
Page 18
jetzund viel rathsamer und sicherer“. Und wiederum zeigt sich Schaerer skeptisch über die
Möglichkeiten der Astrologie überhaupt, über Wetterprognosen hinausgehende Vorhersagen
zu machen. Zwar habe es genügend Zeichen am Himmel gegeben (er nennt Kometen, Parelia
und Regenbogen, aber auch „der newe Stern/ so vor 20 Jahren/ Anno 1603. in pede
Serpentarii, am obersten Firmament erschienen“ wird genannt120
), die auf große
Veränderungen hingewiesen hätten. Jedoch: „hat doch niemand auss den Sternen so
eygentlich können wissen/ was es seye“.121
Dies ist das letzte von Melchior Schaerer
erhaltene Zeugnis122
, bemerkenswert skeptisch für jemanden, der Zeit seines Lebens so viel
Zeit auf die Astrologie und ihre Verteidigung verwandt hat.
5. Schluss
Zwischen den „drei Leben“ des Melchior Schaerer lassen sich nur wenige Beziehungen und
Angelpunkte identifiziren. Am ehesten vielleicht im Zeitraum 1602-3, wo er zum einen seine
musikalischen Neigungen auslebte und gleichzeitig eine Pause des astrologischen Schaffens
eintrat. Und dies, während sich durch die Beziehungen zu den von Mentzingen ebenfalls eine
Veränderung der Pfarrstelle anbahnte. Nur wird nicht klar, was hier Ursache und was
Wirkung war. Zudem könnte man Schaerers lebenslange Verteidigung der Astrologie als
„wissenschaftlich“ mit der Situation in Widdern in Verbindung bringen, wo „Aberglaube“
und „Wahrsagerei“ streng verboten war.
Ansonsten lassen sich die drei Lebensbereiche nur einzeln würdigen. Als Pfarrer durchlebte
Schaerer recht aufregende, durch die Nachbeben der Reformation geprägte Zeiten, doch dies
allein würde ihn wohl nicht vor dem Vergessen bewahren. Schon eher sein musikalisches
Schaffen, das jedoch auf einen sehr kurzen Lebensabschnitt beschränkt gewesen zu sein
scheint. Ganz anders sein Einsatz für die Astronomie und Astrologie. Hier geht er deutlich
über das hinaus, was von einem schwäbischen Landpfarrer zu erwarten wäre, wobei er von
seiner räumlichen Nähe zu Tübigen profitierte. Diese, sowie seine Verschwägerung mit der
Familie Mögling eröffneten ihm Kontakte mit Gelehrten wie Maestlin, Kepler, und evtl.
Schickard (über seinen Neffen) und Daniel Mögling. Diese blieben jedoch – soweit wir
wissen – auf punktuelle Kontakte beschränkt, anders als es bei den wirklichen Gelehrten jener
Zeit war, die oft dutzende Briefe mit den Genannten austauschten. In sofern bleibt Schaerer
ein Laie, der „bei seinen Leisten blieb“, d.h. der Erstellung von Wettervorhersagen aufgrund
astrologischer Überlegungen. Jedoch setzte seine, teils aggressive, Verteidigung der
Astrologie (wie oben angesprochen vielleicht begünstigt durch eine konservative Kirchen-
ordnung in seinem Heimatort) eine Kausalkette in Gang, die über Fesels Gründtlichen
Discurs hin zu Keplers Tertius Interveniens führte.
120
Wieder eine Referenz zu Kepler, der diese Nova unter dem Titel „De Stella nova in pede Serpentis“
1606 beschrieben hatte? 121
Schaerer 1622 122
Die in Zwölff Astronomorum Meynung oder Muthmassungen/ von Ruh und Unruh/ Deß 1627. Jahrs,
Nürnberg: Fulden 1626 (= VD17 23:676000U), abgedruckten angeblichen Vorhersagen Schaerers auf das Jahr
1627 sind wohl vom Herausgeber aus früheren Werken kopiert. Siehe die Bemerkung von Ernst Zinner,
Geschichte und Bibliographie der Astronomischen Liteartur in Deutschland zur Zeit der Renaissance, 2. Aufl.
(Stuttgart : A. Hiersemann, 1964), S. 400, über Simon Marius : « Obwohl S. Marius seit mehreren Jahren tot
war, wurde seine Meinung in folgender Form : "S. Marius see. aufgesetzte Meynung das Kriegswesen dess 1627.
betreffend." mitgeteilt. »
Page 19
Anhang 1
Bibliographia Schaereriana (chronologisch geordnet)
1593. Fragment von einem Brief an Kepler (Brief Nr. 5, Melchior Schärer an Kepler, Widdern,
27.1.1593. KGW 13, 6). Laut Max Caspar (KGW 13, 375) ist « das Manuskript des Briefes […]
verschollen. »
1596a. PROGNOSTICON Oder PRACTICA : Was nechst Göttlicher Allmacht, auß dem Lauff vnnd
Stand der Planeten/ vnd andern Gestirns/ auch der Finsternussen Würckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter vnd andere Zufäll natürlicher Weiß zu gewarten/ Auff das Jar Nach der
Gnadenreichen Geburt vnsers Heilands Jesu Christi/ 1597. Nach der Erschaffung der Welt
5559. Nach der Sündflut 1903. Mit sonderm Fleiß gestellt vnd beschriben/ Durch M.
Melchiorem Schærerum, Pfarrern zu Widern/ der Astronomy Liebhabern. Tübingen/ bey
Georgen Gruppenbach/ Jm Jar/ 1596. ¶ Nicht bei Zinner ¶ UB Tübingen = Bd. 151.4° ;
Mikrofilm Bd. 151.4 OR.
1596b. Brief an Maestlin, Widdern, 29.8.1596. ¶ Stuttgart WLB = Cod.math.qt.14b, S. 73f. (Siehe
unten, Anhang 2).
1602a. Gesang mit dreyen Stimmen. [3 Teile]. Nürnberg : Kaufmann, 1602. ¶ UB Hamburg =
MA/3423 : 1-3.
1602b. Tricinien für Kinder-, Frauen- oder Männerchor. Wolfenbüttel ; Berlin : Kallmeyer, [ca.
1930]. (Musikblätter für die Deutsche Jugend ; 22 = Die Musikanten-Gilde. Notenbeilage. Lose
Blätter der Musikanten-Gilde ; 166). 8 S. Partitur. ¶ SLUB Dresden = Mus.4.14346-166 ; LB
Mecklenburg-Vorpommern = Mus 21180.
1602c. Schaerer, Melchior, Gesang, voices. 3, This season now delight me = Herzlich tut mich
erfreuen ; ed. Don Malin. Melvill [NY ] : Belwin-Mills, 1978. (Renaissance choral series). ¶
Cambridge UL = M280b.95.188.
1602d. Gesänge. Teil 1, Gelobet seist Du, Jesu Christ. Sankt Augustin : Joseph Butz, [Partitur, 1990].
1602e. Gesang mit dreyen Stimmen, erster Theil : in welchem begriffen etliche Psalmen und
Kirchengesäng auff eine solche art componirt, dass sie nicht allein den Jungen ... sondern auch
sonsten zur fröligkeit zu singen und auff Instrumenten zu spilen gebreuchlich sein / durch
Melchiorem Schaererum [Faksimile der Ausgabe 1602]. Köln : Bernd Christoph Becker, 1996.
¶ z.B. : ULB Darmstadt = Mus 8013 ; Leipzig Deutsche Nationalbibliothek = M 1999 AA
00048.
1602f ?. Vorhersage für 1603. Tübingen : G. Gruppenbach. ¶ Zinner 3977b - Dieser Eintrag Zinners
konnte in keiner der berücksichtigten Bibliotheken nachgewiesen werden.
1603 ?. Tricinia, beydes zu singen und auff Instrumenten zu spielen. Nürnberg 1603. [siehe Carl
Ferdinand Becker, Die Tonwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts, oder, Systematisch...,
Leipzig 1855, S. 234]. - Auch diesesWerk konnte in keiner der berücksichtigten Bibliotheken
nachgewiesen werden; evtl. handelt es sich um ein Versehen Beckers und 1602a ist gemeint?
1606. PROGNOSTICON. Oder Practica/ was nechst Göttlicher Allmacht/ auß dem Lauff vnnd Stand
der Planeten/ vnd andern Gestirns/ auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter vnd andere zufäll natürlicher Weiß zu gewarten. Auff das Jahr/ nach der
Gnadenreichen Geburt vnsers Heylands JEsu Christi/ M. DC. VII. Nach der Erschaffung der
Welt 5569. Nach der Sündflut 3913. Mit fleiß gestellt vnd beschrieben Durch M. Melchiorem
Schærerum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff dem Kraychgöw/ der Astronomy
Liebhabern. [Nürnberg : Fuhrmann, sd ca. 1607]. ¶ Zinner 4119 ¶ ULB Darmstadt = 33/8374
; ÖNB Wien = 48.S.40.(11) Alt Prunk.
Page 20
1608a. Newer vnd alter SchreibCalender/ Auff das Jahr nach der Gnadenreichen Geburt vnd
Menschwerdung vnsers HErrn vnd Heylands JEsu Christi: M. D C VIII. Gestellt: Durch M.
Melchiorem Schaererum Stutgardianum, Pfarrern zu Menszingen, auff die Elevation Poli 49.
grad. [Nürnberg : Valentin Fuhrmann], [s.d.]. 31 Seite. ¶ Zinner 4204 ¶ Strängnäs
Stiftsbiblioteket [Schweden] = T 384 q.
1608b. PROGNOSTICON Oder Practica/ was nechst Gottlicher Allmacht/ auß dem Lauff vnd Stand
der Planeten vnd andern Gestirns/ auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter vnd andere zufäll natürlicher weise zu gewarten. Auff das Jar nach der
gnadenreichen Geburt vnsers Heylands Jesu Christi M. DC. VIII. Jst ein Schaltjahr. Nach
erschaffung der Welt 5570. Nach der Sündflut 3914. Mit fleiß gestellet vnd beschrieben Durch
M. Melchiorem Schærerum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff dem Kraychgöw/ der
Astronomy Liebhabern. Gedruckt vnd verlegt zu Nürnberg/ durch Valent. Fuhrman. [s.d.]. ... ¶
Zinner 4204 ¶ Marienbibliothek Halle/Saale = R 3.74 (26) ; Strängnäs Stiftsbiblioteket
[Schweden] = T 384 q.
1609a. Alter und neuer Schreib-Calender auff das Jahr 1609... gestellt durch Melchiorem Schaererum.
Nürnberg : Fuhrmann, [1609]. [36] Bl. ¶ Zinner 4255 ¶ Stuttgart WLB = HBF 3707.
1609b. PROGNOSTICON Oder PRactica/ was nächst Göttlicher Allmacht/ ausz dem Lauff vnd Stand
der Planeten vnd andern Gestirns/ auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter vnd andere Zufäll Natürlicher Weise zu gewarten. Auff das Jahr/ nach
der Gnadenreichen Geburt vnsers Heylands Jesu Christi M. DC. IX. Mit fleiß gestellet vnd
beschrieben Durch M. Melchiorem Schaererum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff
dem Kraychgöw/ der Astronomy Liebhabern. Gedruckt vnd verlegt zu Nürnberg/ durch Georg
Leopold Fuhrman[..], [s.d.]. ¶ Zinner 4255a ¶ Stuttgart WLB = HBF 3707.
1611a. Verantwortung und Rettung der Argumenten und Ursachen / welche M. Melchior Scherer / in
den Vorreden seiner zweyen Prognosticorum verschiener 1608. und 1609. Jahren / zur
Behauptung/ daß die himmlische Liechter und Sternen / so wol als alle andere Creaturen / ihre
besondere von Gott eingepflantzte Eygenschafften / Kräfften und Wirckungen haben / [etc.] /
wider den Hochgelherten Herrn Philippum Feselium... Gedruckt durch Paulum Böhem/ Jn
verlegung Georg Leopold Fuhrmanns. Anno M. D C. X [= Nürnberg : Fuhrmann ; Ansbach :
Böhem, 1611]. ¶ Zinner 4331 ¶ VD17 = 23:288806M ¶ SB Berlin (= 4'' Ok 2956 ?
« Kriegsverlust möglich ») ; UB Erlangen-Nürnberg (= H 61/4 TREW.O 480) ; ULB
Halle/Saale = 01 A 6522 (18) ; UB München [2 Exemplare = 0001/4 Phys. 514 ; 0001/4 Phys.
49] ; HAB Wolfenbüttel [2 Ex. = A:43 Astronom. (4) ; A:190.22 Theol. (1)] ; British Library
(= 1608/649).
1611b. PROGNOSTICON Oder PRactica/ was nächst Göttlicher Allmacht/ auß dem Lauff vnd Stand
der Planeten vnd andern Gestirns/ auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter vnnd andere Zufäll natürlicher weise zu gewarten/ Auff das Jahr nach
der Gnadenreichen Geburt vnsers Heylands Jesu Christi/ M. DC. XI. Mit fleiß gestellet vnd
beschrieben Durch M. Melchiorem Schærerum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff
dem Kreychgöw/ der Astronomy Liebhabern. Mit Röm. Käys. Majest. Freyheiten/ &c. nicht
nachzudrucken. Sl : sd. [Nürnberg : Fuhrmann, 1611 ?]. ¶ Zinner 4332 ¶ VD17 = 3:672207R ¶
ULB Halle/Saale = Pd 4435 (1) ; Marienbibliothek Halle/Saale = R 3.76 (8).
1612. PROGNOSTICON Oder PRactica/ was nächst Göttlicher Allmacht/ auß dem Lauff vnd Stand
der Planeten vnd andern Gestirns/ auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter vnnd andere Zufäll natürlicher weise zugewarten. Auff das Jahr/ nach
der Gnadenreichen Geburt vnsers Heylands JEsu Christi/ M. DC. XII. Mit fleiß gestellet vnd
beschrieben Durch M. Melchiorem Schærerum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff
dem Kreychgöw/ der Astronomy Liebhabern. Mit Röm. Käys. Majest. Freyheiten/ &c. nicht
nachzudrucken. Sl : sd. [Nürnberg : Fuhrmann, 1612 ?]. ¶ Zinner 4377a ¶ ÖNB Wien =
72.X.78.(3) Alt Prunk. ¶
Page 21
1614a. De Jesu Christi Dei & Hominis, Salvatoris nostri Unici, Persona, Disputatio / Quam Auspicio
Sacrosanctae & Individuae Trinitatis: Consilio & iussu Nobilissimorum quorundam virorum:
Reverendis Et Doctissimis Dominis, Circa Mentzingam In Craychgoia Ecclesiae Pastoribus,
vicinis & fratribus suis in Christo plurimum dilectis, exercitii gratia, in privato Conventu
examinandam proponit M. Melchior Schaerer, Ecclesiae Mentzingensis Pastor. Respondente M.
Melchior-Friderico Schaerero, eiusdem Ecclesiae Diacono. Ad diem XXVIII. Februar. Anno
1614. Spirae : Kembachius, 1614. 28 S. 4°. ¶ VD17 = 1:014757B ¶ SB Berlin = 6 an: Gg
2488.
1614b ?. Deutscher Wandkalender für 1614. [Nürnberg] : G. L. Fuhrmann, 1614. ¶ Zinner 4483 ¶ -
Dieser Eintrag Zinners konnte in keiner der berücksichtigten Bibliotheken nachgewiesen
werden.
1615. PROGNOSTICON Oder Practica/ was nächst Göttlicher Allmacht/ auß dem Lauff vnd Stand
der Planeten vnd andern Gestirns/ auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter vnnd andere Zufäll natürlicher weise zu gewarten. Auff das Jahr/ nach
der Gnadenreichen Geburt vnsers Heylands JEsu Christi: M. DC. XV. Mit fleiß gestellet vnd
beschrieben Durch M. Melchiorem Schærerum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff
dem Kraychgöw/ der Astronomy Liebhabern. Gedrückt vnd verlegt zu Nürmberg/ durch Georg
Leopold Fuhrmann. Cum Gratiâ & Privilegio Cæsareæ Majestatis. [Nürnberg : G.L. Fuhrmann,
1615]. ¶ Zinner 4521a ¶ ÖNB Wien = 72.W.65.(14) Alt Prunk. ¶
1616. PROGNOSTICON Oder Practica/ was nächst Göttlicher Allmacht/ auß dem Lauff und Stand
der Planeten und andern Gestirns / auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter und ander Zufäll natürlicher weise zu gewarten : Auff das Jahr/ nach der
Gnadenreichen Geburt vnsers Heylands JEsu CHristi: M.DC.XVI. Gestellet durch M.
Melchiorem Schaererum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff dem Kraychgöw/ der
Astronomy Liebhabern. Gedrückt vnd verlegt zu Nürmberg/ durch Georg Leopold Fuhrmann.
Cum Gratiâ & Privilegio Cæsareæ Majestatis. ¶ Landesarchiv Baden-Würtemberg Wertheim
= G-Rep. 107 Nr. 49.
1617a. Der XXIII. Psalm Davids Bey dem Leichbegängnuß der ... Frawen/ Katharina von Mentzingen/
Gebornen von Neupperg ... deß ... Junckern Philips Erharden von und zu Mentzingen ... Wittibin
: welche auff den Heiligen Pfingstag den 8. Junii deß 1617. Jahrs ... entschlaffen/ und den 13.
hernach gedachten Monats allda zu Mentzingen ... bestattet worden ist ...Einfältig erklärt und
außgelegt... Durch M. Melchiorem Schaererum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen.
Gedruckt zu Nürnberg/ bey den Fuhrmännischen Erben/ vnd Johann Friederich Sartorio, 1617.
[30 Bl.]. 4°. ¶ VD17 = 39:137679W ¶ UB Erfurt-Gotha = Theol. 4° 00955 (15).
1617b. PROGNOSTICON. Oder Practica/ was nechst Göttlicher Allmacht/ auß dem Lauff vnnd
Stand der Planeten und andern Gestirns / auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter und andere Zufäll natürlicher weiß zu gewarten. Auff das Jahr/ nach der
Gnadenreichen Geburt vnsers Heylands JEsu Christi: M.DC.XVII. Nach erschaffung der Welt
5569. Nach der Sündflut 3913. Mit fleiß gestellt vnd beschrieben Durch M. Melchiorem
Schaererum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff dem Kreychgöw / der Astronomy
Liebhabern. ¶ ÖNB Wien = S.40.(ii) Alt Prunk.
1617c. PROGNOSTICON. Oder Practica/ was nächst Göttlicher Allmacht/ auß dem Lauff vnd Stand
der Planeten und andern Gestirns / auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter und andere Zufäll natürlicher weise zu gewarten. Auff das Jahr/ nach der
Gnadenreichen Geburt vnsers Heylands JEsu Christi: M.DC.XVII. Mit fleiß gestellet vnd
beschrieben Durch M. Melchiorem Schaererum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff
dem Kreychgöw / der Astronomi Liebhabern. Gedruckt vnd verlegt zu Nürmberg/ durch Georg
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Leopold Fuhrmann. Cum Gratiâ & Privilegio Cæsareæ Majestatis. ¶ Zinner 4604b ¶ ÖNB
Wien = 72.X.32.(8) Alt Prunk.
1619. EXAMEN DUODECIM ARTICULORUM, A REBELLIUM VULGO quondam sparsorum, Per
Johannem Brentium apus alinas Svevorum Ecclesiasten, dein Ecclesiae Stutgardiensis
Praepositum institutum, & ad quendam Gremaniae Principem perscriptum, LIBELLUS,
Ecclesiasticis atq; Politicis apprimè utilis & necessarius, veramq; Reipub. moderatè &
aequabiliter instituendae rationem solidè commonstrans, ac tam Magistratus, quàm subditos
debiti officii piè commonefaciens. Ante annos octo de centum per Hiobem Gast latio [!] donatus,
& Hagonoae per Iohannem Secerium typis excusus : Nunc vero studio & curâ M. MELCHIORIS
SCHAERERI Ecclesiae Mentzingenis Pastoris in lucem reductus, atque Rerum auctus.
NORIBERGAE, Typis & Impensis Iohan. Friderici Sartorii. [1619]. ¶ Walther Köhler,
Bibliographia Brentiana (Berlin : C.A. Schwetschke, 1904 ; Neudr. Nieuwkoop : B. De Graaf,
1963), Nr. 591, S. 281-282. ¶ ULB Jena = 8 Theol. XLIII, 94 (1) ; Hofbibliothek Thurn und
Taxis Regensburg = 9993/Häb. 4(37 ).
1620a. Alter und neuer Schreib-Calender auff das Jahr 1620... gestellt durch Melchiorem
Schaererum. Nürnberg : Fuhrmann [Sartorius]. [38] Bl. ¶ Zinner 4838 ¶ Stuttgart WLB = HBF
3718.
1620b PROGNOSTICON Oder Practica/ was nächst Göttlicher Allmacht/ ausz dem Lauff vnd Stand
der Planeten vnd andern Gestirns/ auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter vnd andere Zufäll Natürlicher Weise zu gewarten : Auff das Jahr/ nach
der Gnadenreichen Geburt vnsers Heylands JEsu Christi M. DC. XX. Mit fleiß gestellet vnd
beschrieben Durch M. Melchiorem Schærerum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff
dem Kraychgöw/ der Astronomy Liebhabern. Gedruckt zu Nürnberg/ in der Fuhrmännischen
Druckerey/ bey Johann Friderich Sartorio. Cum Gratia & Privilegio Cæsareæ Majestatis. ¶
Zinner 4838a ¶ Stuttgart WLB = HBF 3718, gebunden mit 1620a.
1621. PROGNOSTICON Oder Practica/ was nächst Göttlicher Allmacht/ auß dem Lauff vnd Stand
der Planeten vnd andern Gestirns / auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter vnd andere Zufäll natürlicher weise zu gewarten : Auff das Jahr/ nach
der Gnadenreichen Geburt vnsers Heylands JEsu CHristi: MDCXXI / Mit fleiß gestellet und
beschrieben Durch M. Melchiorem Schærerum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff
dem Kraychgöw/ Astronomum & Mathematicum. Gedruckt zu Nürmberg/ in der
Fuhrmännischen Druckerey/ bey Johann Friderich Sartorio. Cum Gratia & Privilegio S.
Cæsareæ Majestatis [1621 ?]. ¶ Zinner 4882b ¶ ÖNB Wien = 72.X.84.(9) Alt Prunk.
1622. PROGNOSTICON Oder Practica/ was nächst Göttlicher Allmacht/ auß dem Lauff und Stand
der Planeten und andern Gestirns / auch der Finsternussen Wirckungen (tanquam causis
secundis) für Gewitter und andere Zufäll natürlicher weise zu gewarten : Auff das Jahr/ nach
der Gnadenreichen Geburt vnsers Heylands JEsu CHristi: MDCXXIII / Mit fleiß gestellet und
beschrieben Durch M. Melchiorem Schærerum Stutgardianum, Pfarrern zu Mentzingen auff
dem Kraychgöw/ Astronomum & Mathematicum. Gedrückt zu Nürnberg/ in der fuhrmännischen
Druckerey bey Johann friedrich Sartorio. Cum Gratia & Privilegio S. Cæsareæ Majestatis.
[1622]. [16] Bl. 4° ¶ Zinner 4951b ¶ VD17 23:233761U ¶ HAB Wolfenbüttel = A: 160.8. Quod
(10).
1626. Vorhersage für 1627, in : Zwölff Astronomorum Meynung oder Muthmassungen / von Ruh und
Unruh / Deß 1627. Jahrs Auß benandten Authoribus zusammen gebracht, und dem Gönstigen
Leser vor Augen gestellet. Nürnberg : Kaspar Fuld, [1627]. ¶ Zinner 5076 u. 5081 ¶ VD17
23:676000U ¶ UB Erlangen-Nürnberg = H00/MISC 400 ; H00/G.N.A 346 ; Helsinki
University Library = H.R. 168. VI. 57. (8) ; HAB Wolfenbüttel = Xb 5878.
1930 = 1602b.
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1937. Hieronymus Gregorius Lange, Jacob Regnart, Melchior Schärer, hrsg. von Albert Rodemann,
Newe Deutsche Lieder : mit dreyen Stimmen zur fröligkeit zu singen vnd auff Instrumenten zu
spielen gebrauchlich, in : Zeitschrift für Spielmusik, 54 (Celle : Moeck, 1937), S. 425-432.
1951a. Antiqua Chorbuch. Teil 1, Heft 4, Geistliche Chrowerke Deutscher Meister ; hrsg. Helmut
Mönkemeyer. Mainz : Schott, 1951. [enthält u.a. : Gelobet seistu, Jesu Christ / von Melchior
Schaerer]. ¶ z.B. : Basel Musik-Akademie ; UB Tübingen = De 393.4-1, usw.
1951b. Antiqua Chorbuch. Teil 2, Heft 3, Weltliche Chorwerke Deutscher Meister ; hrsg. Helmut
Mönkemeyer. Mainz : Schott, 1951. [enthält u.a. : Herzlich tut mich erfreuen ; Wie schön blut
uns der Maie ; Ach scheidens Art... / von Melchior Schaerer]. ¶ z.B. : Basel Musik-Akademie ;
UB Tübingen = De 393.4-2, usw.
1961. Johann Walter, Michael Praetorius, Nikolaus Selnecker, Wir danken Dir, Herr Jesu Christ.
[Kassel] : Bärenreiter, [1961]. [1 Bl., Chorpartitur]. (Kleine Bärenreiter-Ausgabe ; 3263).
Enthält : Alles, was lebet auf Erden, soll Gott loben, [von] Melchior Schärer, nach Johann
Agricola. ¶ SLUB Dresden = 1.Mus.4.6786 ; Mus.4.15663.
1975 = Herzlich tut mich erfreuen, in : Schola cantorum, 7, [ed.] Fodor Akos. Budapest : Editio
musica, 1975. ¶ Hochschule für Musik und Theater Rostock = A 9, schol (7).
1978 = 1602c.
1990 = 1602d.
1996 = 1602e.
Zusammenfassung
6 Wien ÖNB = 1606 ; 1612 ; 1615 ; 1617b ; 1617c ; 1621.
5 Stuttgart WLB = 1596b ; 1609a ; 1609b ; 1620a ; 1620b.
3 Wolfenbüttel Herzog-August-Bibliothek = 1611a (2 Ex.) ; 1622 ; 1626.
2 Berlin SB = 1611a ; 1614a.
2 Erlangen-Nürnberg UB = 1611a ; 1626.
2 Halle/Saale UB = 1611a ; 1611b.
2 Halle/Saale Marienbibliotehk = 1608b ; 1611b.
2 Strängnäs Stiftsbiblioteket = 1608a ; 1608b.
1 Darmstadt ULB = 1606.
1 Erfurt-Gotha UB = 1617a.
1 Hamburg UB = 1602a.
1 Helsinki University Library = 1626.
1 Jena ULB = 1619.
1 London Bristish Library =1611a.
1 Mecklenburg-Vorpommern LB = 1602b.
1 München UB = 1611a (2 Ex.).
1 Regensburg Thurn und Taxis Hofbibliothek = 1619.
1 Tübingen UB = 1596a.
1 Wertheim LA Baden-Würtemberg = 1616.