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SEMINARARBEIT Die Black-Scholes-Merton-Formel und ihre Vorl ¨ aufer ausgef¨ uhrt am Institut f¨ ur Finanz- und Versicherungsmathematik TU Wien durch Kristof Wiedermann Matrikelnummer: 01635829 Betreuer Associate Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Stefan Gerhold Wien, am 31. Dezember 2018
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Die Black-Scholes-Merton-Formel und ihre Vorl aufersgerhold/pub_files/sem18/s... · 2019. 3. 12. · Merton hervorgehoben. Auf die mathematischen Aspekte der daraus resultierenden

Oct 02, 2020

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S E M I N A R A R B E I T

Die Black-Scholes-Merton-Formel

und ihre Vorlaufer

ausgefuhrt am

Institut fur

Finanz- und Versicherungsmathematik

TU Wien

durch

Kristof Wiedermann

Matrikelnummer: 01635829

Betreuer

Associate Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. StefanGerhold

Wien, am 31. Dezember 2018

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Geschichte der Optionsbewertung 1

2 Finanzwirtschaftliche Grundlagen 3

3 Stochastische Prozesse und Lemma von Ito 53.1 Stochastische Prozesse Grundlagen und Brownsche Bewegung . . . . 53.2 Das Lemma von Ito . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

4 Das Black-Scholes-Merton-Modell 104.1 Herleitung der Black-Scholes-Merton Differentialgleichung . . . . . . . 104.2 Herleitung der Black-Scholes-Merton-Formel . . . . . . . . . . . . . . 12

5 Das Modell von Louis Bachelier 165.1 Der Prozess fur den Aktienkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165.2 Herleitung der Preisformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

6 Das Modell von Case Sprenkle 19

Literaturverzeichnis 24

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1 Einleitung und Geschichte derOptionsbewertung

Bei Optionen handelt es sich um derivative Wertpapiere, deren Markt ein stark wach-sender ist. Vor allem in Zeiten eines Niedrigzinsumfeldes bieten sie Investoren dieMoglichkeit, dennoch hohe Gewinne an den Kapitalmarkten zu erzielen. Eine korrek-te, adaquate und faire Bewertung dieser Finanzprodukte anhand von mathematischenModellen vorzunehmen, war also von entscheidender Bedeutung.

Als Pionier im Gebiet der Optionsbewertung ist Louis Bachelier mit dem paperTheorie de la speculation aus dem Jahr 1900 anzufuhren. Er war der erste, derdie Brownsche Bewegung mathematisch analysiert hat. Diesen Prozess hat er auchanschließend fur die Modellierung des Preisprozesses einer Aktie verwendet. Bache-lier nahm an, die Kurszuwachse wurden normalverteilt sein. Das impliziert aber dieMoglichkeit von negativen Aktienkursen, was in der Realitat allerdings unmoglichist. Eine genauere mathematische Betrachtung einschließlich dieses Aspekts folgt imweiteren Verlauf dieser Arbeit.In den folgenden Jahrzehnten waren die von Bachelier erhaltenen Resultate von sehrgeringer Bedeutung. Die Relevanz der mathematischen Bewertung von Optionen undder Arbeit Bacheliers erlebte erst in den fruhen 50er Jahren des 19. Jahrhunderts wie-der einen Aufschwung, als Paul Samuelson durch Zufall auf das paper von Bachelieraufmerksam wurde. Ein entscheidender Unterschied von Samuelsons Arbeit im Ver-gleich zu Bacheliers Theorie ist, dass jener bereits annimmt, dass die Ertrage einerAktie S lognormalverteilt sind. Diese Annahme stellt sicher, dass wie in der RealitatAktienkurse stets nichtnegativ sind. In seinem Modell waren zwei Parameter, dieRendite der Aktie und der Option, unbekannt und schwierig zu schatzen. (vgl. [3]Kap.5)

Weiters ist die Arbeit von Case Sprenkle, welcher 1958 ein Seminar von Samuelsonals Inspiration fur das Thema seiner Dissertation besucht hat, hervorzuheben. Inseinem Ansatz ist zentral, die realen Optionsmarkte zu benutzen, um daraus die Er-wartungen der Investoren fur bestimmte Parameter abzuleiten. Die mathematischenAspekte dieses Modells werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch genauer be-leuchtet.

Die Beitrage von Ed Thorp und Sheen Kassouf, welche im Jahr 1965 mit ihrer Zusam-

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menarbeit begannen, sind ebenfalls erwahnenswert. In ihrem Buch Beat the Marketerortern sie das Hedgen von Optionen mithilfe der Aktie, die als Underlying fungiert.Diese Idee ist entscheidend und wurde auch von Black und Scholes in ihrem paper[2] zur Herleitung der Differentialgleichung (4.7) verwendet.In Bezug auf Thorp ist hervorzuheben, dass er schon bereits in der Praxis das Kon-zept des dynamischen Hedgings verstanden zu haben scheint. Weiters hat er aucheine eigene Formel zur Optionsbewertung hervorgebracht, allerdings mit unbekann-tem m, der erwarteten Rendite der Aktie, und d, der Diskontrate, um den Payoff derOption vom Ende der Laufzeit auf das aktuelle Datum abzudiskontieren.Er kommt zu dem Schluss, dass sich dieses Problem losen lasst, indem man beidesuber den risikolosen Zinssatz r schreibt. Dies entspricht dann allerdings genau derspater bekannten Black-Scholes-Merton-Formel. Thorp konnte diese Formel jedochnicht beweisen und veroffentlichte seine Ergebnisse nicht, in der Hoffnung einen Hed-gefonds zu grunden, um diese Erkenntnisse gewinnbringend einsetzen zu konnen.(vgl. [3])

Fischer Black und Myron Scholes erzielten schließlich im Jahre 1973 mit ihrem paperThe Pricing of Options and Corporate Liabilities den bahnbrechenden Durchbruchim Gebiet der Optionsbewertung. Es sei dabei der Austausch von Wissen mit RobertMerton hervorgehoben. Auf die mathematischen Aspekte der daraus resultierendenFormel wird in Kapitel 4 genauer eingegangen.Die Wichtigkeit der Entwicklung dieses Modells wurde 1997 mit der Verleihung desNobelpreises fur Wirtschaftswissenschaften an Black, Scholes und Merton zum Aus-druck gebracht.

Fur eine ausfuhrlichere Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung der Optionsbe-wertung vor Black-Scholes sei auf Kapitel 5 von [3] verwiesen.

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2 Finanzwirtschaftliche Grundlagen

Ziel der in dieser Arbeit beleuchteten Preisformeln ist die Bepreisung von Optionenals Wertpapiere in der Finanzwirtschaft. Dazu sind zunachst der Begriff der Optionbzw. deren Unterscheidungsmerkmale zu klaren:Es handelt sich bei einer Option um ein Wertpapier derivativer Natur, welches auf-grund seiner Standardisierung sowohl an der Borse als auch außerborslich (OTC)gehandelt werden kann. Grundsatzlich raumt dieses Wertpapier einem Investor dasRecht, nicht aber die Obligation, ein, das Underlying zu einem zuvor bestimmtenPreis, dem Strike-Preis, zu kaufen bzw. zu verkaufen. In Hinblick auf das Underly-ing, also den Basiswert, konnen Optionen stark unterschiedlich sein. Es wird zumBeispiel zwischen Optionen auf Aktien, Indizes, Rohstoffe und Wahrungen differen-ziert, wobei in dieser Seminararbeit primar auf Aktienoptionen eingegangen wird.

Ein entscheidendes Merkmal einer Option ist sicherlich die Art des Ausubungsrechts.Folgende drei Typen sind am Bedeutendsten:

• Amerikanisch: Die Ausubung ist wahrend der gesamten Laufzeit moglich.

• Europaisch: Das Wertpapier darf nur am Verfalldatum ausgeubt werden.

• Bermuda: Wahrend der Laufzeit gibt es mehrere zulassige Zeitpunkte zur Ausubung.Dies stellt also ein Zwischenstadium der obigen beiden Varianten dar, was auchder geografische Kontext suggeriert.

Die in dieser Arbeit behandelten Modelle zur Bepreisung fokussieren sich auf Optio-nen des europaischen Typs, da die Bewertung von amerikanischen Optionen wegender standigen Moglichkeit zur Ausubung im Allgemeinen nicht durch diese Formelvorgenommen werden kann. Hier brauchte man zusatzlich ein minimales Supermar-tingal, welches den Preisprozess dominiert. (vgl. Snell-Einhullende)

Weiters muss zwischen Kauf- und Verkaufsoptionen, welche im Englischen mit Callbzw. Put bezeichnet werden, unterschieden werden. Klarerweise verbrieft eine Call-Option das Recht, das Underlying zu einem Preis K zu kaufen. Analoges gilt fur diePut-Option.Damit ergeben sich nun leicht die entsprechenden Auszahlungsfunktionen am En-de der Laufzeit, wir betrachten ja Optionen europaischen Typs. Bezeichne dazu Kden Strike-Preis und ST den Preis der Aktie, welche hier als Underlying fungiert,

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am Verfalldatum T . Dann gilt fur den Payoff CCall der Call-Option am Ende derLaufzeit:

CCall = max(ST −K, 0).

Analoges gilt fur die Put-Option, wobei K ≥ ST hier von Vorteil ist:

CPut = max(K − ST , 0).

Die Auszahlung muss ≥ 0 erfullen, da unter der Pramisse eines rational denkendenInvestors aufgrund der nicht verpflichtenden Ausubung des Wertpapieres eine Gel-tendmachung des Anspruches nur dann erfolgt, wenn die Option im Geld liegt, alsodie erste Differenz nicht negativ ist. Fur eine ausfuhrlichere Betrachtung sei auf Ka-pitel 10 von [5] verwiesen.

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3 Stochastische Prozesse undLemma von Ito

3.1 Stochastische Prozesse Grundlagen undBrownsche Bewegung

Die zukunftige Entwicklung von Aktienkursen wird uber stochastische Prozesse mo-delliert. Dabei werden stochastische Differentialgleichungen fur den Aktienkurs Saufgestellt, wie in den folgenden Kapiteln erlautert wird.

Defintion 3.1. Gegeben sei ein Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,F , P ), ein Messraum(Z,U) und eine Indexmenge T ⊆ R, meistens T = R+

0 . Ein stochastischer Prozess Xist dann eine Familie von F -U -messbaren Zufallsvariablen Xt : Ω → Z, ∀t ∈ T , alsoX : Ω× T → Z, (ω, t) 7→ Xt(ω).

Meistens entspricht (Z,U) den reellen Zahlen mit den Borel-Mengen. Wir konnennun analog zu [7] Kapitel 3.3 die Brownsche Bewegung als fur die spatere Modellie-rung zentralen stochastischen Prozess uber deren Inkremente definieren.

Definition 3.2. Sei (Ω,F , P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum und existiere eine vonω ∈ Ω abhangige, stetige Funktion W (t), t ≥ 0, mit W (0) = 0 fast sicher. (W (t), t ≥0) ist genau dann eine Brownsche Bewegung, wenn fur alle Zeitpunkte0 = t0 < t1 < ... < tm die entsprechenden Inkremente unabhangig und normalverteiltsind mit folgenden Parametern, ∀i ∈ 0, ...,m− 1:

E[W (ti+1)−W (ti)] = 0,V ar[W (ti+1)−W (ti)] = ti+1 − ti.

Diese Inkremente sind also multivariat normalverteilt, wobei wegen der Unabhangigkeitklar ist, wie die Varianz-Kovarianz-Matrix aussieht. Insbesondere folgt damit auch,dass es sich bei W um einen Gaußschen Prozess handelt. Mithilfe dieser Charakteri-sierung uber die Inkremente kann man leicht folgern, dass (W (t), t ≥ 0) gemeinsammit der naturlichen Filtration (Ft, t ≥ 0) ein Martingal ist.Die Adaptiertheit ist damit klar, ebenso wie die Integrierbarkeit wegenW (t) ∼ N (0, t),∀t ≥ 0. Die Martingaleigenschaft folgt uber Einschieben des neutra-len Elements mit der Unabhangigkeit der Inkremente. Sei s > t beliebig, so folgt, da

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W (t) auch Ft-messbar ist mit der Linearitat des bedingten Erwartungswertes:

E[W (s)|Ft] = E[W (s)−W (t) +W (t)|Ft] = 0 +W (t) = W (t).

Wir fuhren nun den Begriff des Ito-Prozesses ein, welcher den Begriff der Brown-schen Bewegung wesentlich erweitert bzw. stark verallgemeinerte Prozesse ausgehendvon W zulasst. Dieser Typ von Prozessen ist insofern von großer Bedeutung, alsBlack, Scholes und Merton in ihrem Modell den Verlauf des Aktienkurses als Ito-Prozess modelliert haben. Wir orientieren uns hier wieder an [7], Kap.4.4.

Definition 3.3. Sei (W (t), t ≥ 0) eine Brownsche Bewegung und (Ft, t ≥ 0) dienaturliche Filtration. Wir nennen X genau dann einen Ito-Prozess, wenn X eineDarstellung der Form

X(t) = X(0) +

∫ t

0

∆(s) dW (s) +

∫ t

0

Θ(s) ds,∀t ≥ 0 (3.1)

besitzt. X(0) ist dabei fast sicher konstant bzw. F0-messbar und ∆ und Θ seienadaptierte Prozesse, die folgende Integrabilitatsannahmen erfullen:

∀t > 0 : E[ ∫ t

0

∆(s)2 ds

]<∞, und

∫ t

0

|Θ(s)| ds <∞.

Das erste Integral in (3.1) ist dabei ein Ito-Integral. Die anschließenden Integrabi-litatsannahmen sind insofern unabdinglich, als sie die Wohldefiniertheit von X uberdiese Darstellung sicherstellen. Die erste Bedingung garantiert dabei, dass das Ito-Integral existiert bzw. ∆ ∈ M2

t . Man beachte in diesem Kontext die Ito-Isometrie.Die zweite Forderung bedeutet Θ ∈ L1 auf [0, t], weshalb das Integral auch existiert.

Haufiger wird X in der entsprechenden Differentialschreibweise notiert, welche innaheliegender Weise lautet:

dX(t) = ∆(t) dW (t) + Θ(t) dt. (3.2)

Da wir spater den Preis der Option als Funktion f vom Aktienkurs S und der Zeit tauffassen werden, also f(S, t), benotigen wir ein Resultat, welches es uns ermoglicht,aus der stochastischen Differentialgleichung fur S eine allgemeine Form der Diffe-rentialgleichung fur die Preisfunktion der f der Option zu finden. Es handelt sichdabei um das Lemma von Ito, welches den Ausgang fur die Herleitung der BSM-Differentialgleichung darstellt.

3.2 Das Lemma von Ito

Fur den Beweis von Itos Lemma ist es zunachst wichtig, einen Ausdruck fur diequadratische Variation eines Ito-Prozesses gemaß Definition 3.3 anzugeben. Wir for-mulieren dies als Lemma. (vgl. [7])

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Lemma 3.4. Die quadratische Variation eines Ito-Prozesses ist gegeben durch:

[X,X](t) =

∫ t

0

∆2(s) ds. (3.3)

Beweis. Wir definieren zunachst die Integralprozesse

I(t) :=

∫ t

0

∆(s) dW (s) und R(t) :=

∫ t

0

Θ(s) ds.

Deren Wohldefiniertheit ist wegen der Annahmen in Definition 3.3 sichergestellt. SeiΠ = t0, t1, ..., tn eine beliebige Partition von [0, t] mit n ∈ N und t0 = 0 bzw.tn = t. Den Ausdruck im Limes bei der Definition der quadratischen Variation kannman nun fur diese feste Partition ausquadrieren:

n−1∑j=0

[X(tj+1)−X(tj))

]2=

n−1∑j=0

[I(tj+1)− I(tj))

]2+

n−1∑j=0

[R(tj+1)−R(tj))

]2+2

n−1∑j=0

[I(tj+1)− I(tj))

][R(tj+1)−R(tj))

].

Fur ‖Π‖ → 0 konvergiert der erste Summand gegen die quadratische Variation vonI auf [0, t]. Da I ein wohldefiniertes Ito-Integral ist, folgt mit Theorem 4.3.1 (vi) aus[7] fur die quadratische Variation zum Zeitpunkt t:

[I, I](t) =

∫ t

0

∆2(s) ds. (3.4)

Da die Summanden des zweiten Terms nicht negativ sind, kann man die zweite Sum-me folgendermaßen durch das Maximum der Inkremente von R abschatzen:

n−1∑j=0

[R(tj+1)−R(tj))

]2 ≤ max0≤k≤n−1

|R(tk+1)−R(tk)| ·n−1∑j=0

|R(tj+1)−R(tj)|

≤ max0≤k≤n−1

|R(tk+1)−R(tk)| ·∫ t

0

|Θ(s)| ds.

In der zweiten Ungleichung wurde R(tj+1) − R(tj) als Integral mit Grenzen tj undtt+1 aufgefasst, der Betrag uber die Dreiecksungleichung fur Integrale hineingezogenund ausgenutzt, dass Π eine Partition von [0, t] ist, um ein Integral uber [0, t] zuerhalten.Fur ‖Π‖ → 0 geht die obige Abschatzung gegen 0 wegen der Stetigkeit von R undder Endlichkeit des Integrals nach Definition 3.3 eines Ito-Prozesses, womit Selbigeswegen der Nicht-Negativitat der zweiten Summe auch fur ebendiese gilt.

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Fur den Betrag der dritten Summe folgt 0 als Grenzwert des Ausdrucks fur ‖Π‖ → 0analog. Man verwendet die Dreiecksungleichung auf die Summe, spaltet den Betragauf die Faktoren auf und erhalt dann uber das Maximum eine obige Abschatzunganalog zu oben.Insgesamt folgt mit der Addition der drei erhaltenen Resultate genau (3.3).

Nun formulieren wir das Lemma von Ito fur Ito-Prozesses. Ein exakter, ausfuhrlicherBeweis wurde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen, weshalb auf einschlagigeLiteratur, zum Beispiel Kapitel 7 von [4] fur einen Spezialfall, verwiesen sei. Wirbegnugen uns hingegen mit einer Beweisidee wie in [7].

Lemma 3.5. Sei (X(t), t ≥ 0) ein Ito-Prozess und sei f(t, x) eine Funktion, fur diedie partiellen Ableitungen ft(t, x), fx(t, x) und fxx(t, x) existieren und stetig sind.Dann gilt fur den Prozess (f(T,X(T )), T ≥ 0):

f(T,X(T )) = f(0, X(0)) +

∫ T

0

ft(t,X(t)) dt+

∫ T

0

fx(t,X(t))∆(t) dW (t)

+

∫ T

0

fx(t,X(t))Θ(t) dt+1

2

∫ T

0

fxx(t,X(t))∆2(t) dt.

Beweis(idee). Sei Π = t0, t1, ..., tn eine beliebige Partition von [0, T ] mit n ∈ Nund t0 = 0 bzw. tn = T . Zunachst verwenden wir den mehrdimensionalen Lehr-satz von Taylor fur die Funktion f . Dies erfolgt insgesamt n-mal, wobei jeweilsf(tj+1, xj+1) mithilfe der Entwicklungsstelle (tj, xj), ∀j ∈ 0, ..., n − 1 entwickeltwerden soll.Bringt man nun jeweils den Funktionswert an der Entwicklungsstelle, also f(tj, xj),auf die linke Seite und summiert man die n Gleichungen unter der Verwendung vonxj = X(tj) auf, so erhalt man unter Beachtung der sich auf der linken Seite ergeben-den Teleskopsumme:

f(T,X(T ))− f(0, X(0)) =n−1∑j=0

∂f(tj, X(tj))

∂t(tj+1 − tj)

+n−1∑j=0

∂f(tj, X(tj))

∂x

(X(tj+1)−X(tj)

)+

1

2

n−1∑j=0

∂2f(tj, X(tj))

∂x2(X(tj+1)−X(tj)

)2+

n−1∑j=0

∂2f(tj, X(tj))

∂x∂t

(X(tj+1)−X(tj)

)(tj+1 − tj) +

1

2

n−1∑j=0

∂2f(tj, X(tj))

∂t2(tj+1 − tj)2 +R.

R bezeichne hierbei die fehlenden Terme hoherer Ordnung, also das entsprechendeRestglied. Man betrachtet nun, wie sich die jeweiligen Summen fur ‖Π‖ → 0 ver-halten. Da j auf der linken Seite nicht vorkommt, bleibt diese durch Bildung des

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Grenzwertes klarerweise unbeeinflusst. Man kann dann zeigen, dass die erste Summegegen das Lebesgue-Integral ∫ T

0

∂f(t,X(t))

∂tdt

konvergiert. In der Literatur wird auch fur die zweite Summe Ahnliches gezeigt, wobeidie folgende Gleichung aus der Definition des Integrals bezuglich eines Ito-Prozessesgemaß [7] Kapitel 4.4 folgt. Der Grenzwert lautet:∫ T

0

∂f(t,X(t))

∂xdX(t) =

∫ T

0

∂f(t,X(t))

∂xΘ(t) dt+

∫ T

0

∂f(t,X(t))

∂x∆(t) dW (t).

Unter Benutzung der in Lemma 3.4 erhaltenen quadratischen Variation von X erhaltman als Grenzwert der dritten Summe:

1

2

∫ T

0

∂2f(t,X(t))

∂x2∆2(t) dt.

Um zu sehen, dass die vierte und funfte Summe und alle Terme hoherer Ordnungaus R fur ‖Π‖ → 0 verschwinden, kann man uber die Dreiecksungleichung und dieAbschatzung von Ausdrucken durch deren Maxima zeigen. In Bezug auf die exak-te Ausfuhrung der Grenzwert-Uberlegungen sei, wie bereits zuvor erwahnt, ob derLange auf weiterfuhrende Literatur verwiesen. Insgesamt ergibt sich die geforderteDarstellung.

Das Resultat von Lemma 3.5 wird haufiger in Differentialschreibweise angegeben,welche lautet:

df(t,X(t)) = ft(t,X(t))dt+ fx(t,X(t))Θ(t)dt+1

2fxx(t,X(t))∆2(t)dt

+ fx(t,X(t))∆(t)dW (t).(3.5)

Nimmt man wie in [4] bei Lemma 3.5 zusatzlich an, dass der Prozess fx(t,X(t))∆(t) inM2

T ,∀T ≥ 0 liegt, so kann man sogar noch folgern, dass der Prozess f(t,X(t)), t ≥ 0,auch ein Ito-Prozess ist.

Wir werden auf die in diesem Abschnitt gezeigten Resultate bei der Herleitung derBSM-Differentialgleichung zuruckkommen.

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4 Das Black-Scholes-Merton-Modell

4.1 Herleitung der Black-Scholes-MertonDifferentialgleichung

In ihrem paper [2] treffen Fischer Black und Myron Scholes im Zuge der Herleitungihre Bewertungsformel fur europaische Optionen folgende Annahmen uber den Marktunter der Absenz risikoloser Arbitragemoglichkeiten:

• Der risikolose Zinssatz r ist bekannt und bleibt auch in Zukunft konstant.

• Dividendenzahlungen der Aktie sind ausgeschlossen.

• Die Option sei europaisch.

• Beim als standig angenommenen Handel mit Wertpapieren fallen keine Trans-aktionkosten bzw. Steuern an.

• Leerverkaufe seien nicht eingeschrankt. Die daraus resultierenden Mittel durfenfur den zukunftigen Handel von Wertpapieren verwendet werden.

• Alle verfugbaren Wertpapiere seien beliebig teilbar.

• Der Aktienkurs S entspricht einem stochastischen Prozess in stetiger Zeit, des-sen Varianzrate proportional zu S2 sei. S sei auf jedem Intervall log-normalverteilt,wobei die Varianz des Ertrages als konstant angenommen wird.

Aus dem letzten Punkt ergibt sich unmittelbar die folgende Differentialgleichungfur den Aktienkurs S:

dS(t) = µS(t)dt+ σS(t)dW (t), (4.1)

wobei die Konstante µ fur die jahrlich erwartete prozentuelle Rendite der Aktie stehtund die Volatilitat σ fur deren Standardabweichung. Es ist unmittelbar klar, dass(4.1) einem Ito-Prozess in der Differentialschreibweise entspricht. Es muss insofernauf der linken Seite vor den Differentialen jeweils S(t) multiplikativ berucksichtigtwerden, als µ nur einem relativen Anteil entspricht. Bei hoheren Aktienkursen istklarerweise auch eine hohere absolute Anderung des Aktienkurses bei konstantem µzu erwarten.

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Die Losung der stochastischen Differentialgleichung (4.1) ist eine geometrische Brown-sche Bewegung:

S(t) = S(0) exp(µ− 12σ2)t+σW (t) (4.2)

Da der Preis der europaischen Option durch eine Funktion des Aktienkurses und derZeit modelliert werden soll, konnen wir das Lemma von Ito, also Lemma 3.5, auff(S(t), t) anwenden, wobei S(t) der Ito-Prozess aus (4.1) ist. Wir erhalten, wobei derUbersichtlichkeit halber hier und im Folgenden auf das Anschreiben der Argumentevon S und f verzichtet wird:

df =

(∂f

∂SµS +

∂f

∂t+

1

2

∂2f

∂S2σ2S2

)dt+

∂f

∂SσSdW (t). (4.3)

Nun ist es unser Ziel, den risikobehafteten Teil in (4.3) zu eliminieren. Wir gehendazu ahnlich wie in [5] und [2] vor. Dazu bilden wir ein Hedging-Portfolio, wobeidas Derivat als Short-Position gehalten werden soll. In jenem Portfolio soll also eineOption der Quantitat -1 und

∂f

∂S

Anteile der Aktie, also long, gehalten werden. Es handelt sich hierbei um Delta-Hedging. Fur den Wert des Portfolios P gilt dann

P = −f +∂f

∂SS. (4.4)

Fur die Anderung des Portfoliowertes in einem infinitesimalen Zeitraum folgt alsodamit:

dP = −df +∂f

∂SdS. (4.5)

Analoge Uberlegungen konnten auch fur kleine Zeitintervalle ∆t angestellt werden.In die letzte Gleichung konnen wir nun (4.1) und (4.3) einsetzen und nach anschlie-ßendem Vereinfachen erhalten wir:

dP = −(∂f

∂t+

1

2

∂2f

∂S2σ2S2

)dt. (4.6)

Es sei darauf hingewiesen, dass hier sogar auch der Parameter µ eliminiert wurde,weshalb man daraus schließen kann, dass die Anderung des Portfoliowertes in eineminfinitesimalen Zeitraum unabhangig von der erwarteten Aktienrendite ist. Da auchdas Differential dW (t) eliminiert wurde, kann man daraus folgern, dass das PortfolioP fur den infinitesimalen Zeitraum risikolos sein muss. Folglich muss fur dP auchgelten:

dP = rPdt,

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wobei r dem risikolosen Zinssatz entspricht. P muss hier also auch dieselbe Renditewie jedes andere risikolose Wertpapier liefern. Ansonsten wurde dies der Annahmeder Arbitragefreiheit widersprechen, da abhangig von der Hohe der Rendite des Port-folios im Vergleich zu r ein Kaufen bzw. Shorten des Portfolios eine Moglichkeit furrisikolosen Gewinn bieten wurde. Verwendet man dies gemeinsam mit (4.6), so ergibtsich nach dem Einsetzen von P sowie elementaren Umformungen mit anschließendemWeglassen des Differentials dt, das multiplikativ fur alle Terme beider Seiten gilt, dieBlack-Scholes-Merton-Differentialgleichung:

rS∂f

∂S+∂f

∂t+

1

2σ2S2 ∂

2f

∂S2= rf. (4.7)

4.2 Herleitung der Black-Scholes-Merton-Formel

Im Folgenden zeigen wir, dass (4.7) mit der Randbedingung

f(S(T ), T ) = max(S(T )−K, 0),

was genau dem Payoff einer Call-Option am Ende der Laufzeit entspricht, eine Losungbesitzt. Diese Funktion entspricht dann genau der Preisfunktion einer europaischenCall-Option nach Black-Scholes-Merton.Zunachst werden 2 Ansatze hintereinander durchgefuhrt, um die Warmeleitungsgleichungzu erhalten. Zuerst fuhren wir der Ubersichtlichkeit wegen 2 Substitutionen durchund schreiben f uber eine entsprechende Funktion v:

x := ln

(S

K

), τ :=

σ2

2(T − t), f(S, t) = Kv(x, τ). (4.8)

Mithilfe der Ketten- und Produktregel lassen sich nun die benotigten partiellen Ab-leitungen von f leicht uber die partiellen Ableitungen von v darstellen:

∂f

∂t= K

∂v

∂τ

−σ2

2,

∂f

∂S= K

∂v

∂x

1

S, und

∂2f

∂S2= K

∂v

∂x

−1

S2+K

∂2v

∂x21

S2.

Setzt man diese Resultate in (4.7) ein, so vereinfacht sich diese nach Division durchK und σ2/2 zu folgender Differentialgleichung fur v:

∂v

∂τ=∂2v

∂x2+ (k − 1)

∂v

∂x− kv, wobei k :=

2r

σ2. (4.9)

Nun setzen wir v mit einem u, ebenfalls als Funktion von x und τ , und einem Expo-nentialterm mit geeigneten α, β ∈ R an:

v(x, τ) = eαx+βτu(x, τ). (4.10)

12

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Die Parameter α, β sind dabei im Idealfall so zu wahlen, dass die Differentialgleichungfur u zur wohlbekannten Warmeleitugsgleichung wird. Setzt man (4.10) in (4.9) ein,so ergibt sich unter der Anwendung der Kettenregel und nach anschließendem Kurzendes Exponentialtermes:

βu+∂u

∂τ= (k − 1)

(αu+

∂u

∂x

)− ku+ α2u+ 2α

∂u

∂x+∂2u

∂x2.

Vergleicht man nun die Koeffizienten, so sieht man, dass sich die aus (4.9) und (4.10)ergebende Differentialgleichung fur u mit der Wahl von

α := −k − 1

2und β := −(k + 1)2

4(4.11)

genau zur wohlbekannten Warmeleitungsgleichung vereinfacht, welche lautet:

∂u

∂τ=∂2u

∂x2. (4.12)

Nun muss klarerweise auch noch die Randbedingung an u angepasst werden. Aus derRandbedingung fur f erhalten wir mit (4.8), S = Kex und gemaß der Konstruktionvon v: f(S, T ) = Kv(x, 0) als entsprechende Randbedingung der Differentialgleichungfur v:

v(x, 0) = max(ex − 1, 0).

Setzt man nun dieses Resultat in (4.10) fur τ = 0 ein, so ergibt sich daraus direktdie entsprechende Randbedingung fur die Differentialgleichung fur u:

u(x, 0) = exp

(k − 1)x

2

v(x, 0) = max

(exp

(k + 1)x

2

− exp

(k − 1)x

2

, 0

).

Im Folgenden verwenden wir als Bezeichnung

u0(x) := u(x, 0),

womit sich u als Losung von (4.12) unter der gegebenen Randbedingung u0 mithilfeder aus der Literatur bekannten Gestalt der Losung folgendermaßen schreiben lasst:

u(x, τ) =1

2√πτ

∫ ∞−∞

u0(y)e−(x−y)2

4τ dy, (4.13)

wobei x ∈ R und τ ≥ 0. (4.13) entspricht dabei der Funktionenfaltung der Fun-damentallosung von (4.12) und u0. Um den Exponentialterm auf die Gestalt desentsprechenden Termes der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung zu brin-gen wird substituiert, (4.13) wird zu:

u(x, τ) =1√2π

∫ ∞−∞

u0(x+√

2τz)e−z2

2 dz. (4.14)

13

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Aufgrund der Gestalt von u0, gilt wegen der Monotonie der Exponentialfunktion:u0(x) > 0, fur alle x > 0, und u0(x) = 0, fur alle x ≤ 0. Das Integral uber denletzteren Bereich ist also 0 und kann damit weggelassen werden. Passt man dieseGesetzmaßigkeit an z an, so wird (4.14) mit Einsetzen fur u0 zu:

u(x, τ) =1√2π

∫ ∞−x/√2τ

ek+12

(x+√2τz)e−

z2

2 dz − 1√2π

∫ ∞−x/√2τ

ek−12

(x+√2τz)e−

z2

2 dz.

(4.15)Wir bezeichnen nun das erste Integral in (4.15) mit W1 und das zweite mit W2.Zunachst erganzen wir die Exponenten im Integranden von W1 auf ein vollstandigesQuadrat:

k + 1

2(x+

√2τz)− z2

2= −0, 5(z −

√τ/2(k + 1))2 +

(k + 1)x

2+

(k + 1)2τ

4.

Damit wird W1 zu:

W1 =e

(k+1)x2

+(k+1)2τ

4

√2π

∫ ∞−x/√2τ

e−12

(z−√τ/2(k+1)

)2dz. (4.16)

Substituiert man nun in naheliegender Weise, um als Integranden die Dichtefunktionder Standardnormalverteilung zu erhalten, so wir W1 zu:

W1 = e(k+1)x

2+

(k+1)2τ4 Φ(d1), (4.17)

wobei d1 := x√2τ

+√

τ2(k + 1). Diese Vorgehensweise wird analog fur W2 wiederholt,

da sich ja der Integrand lediglich um ein Vorzeichen unterscheidet.

Diese beiden Vereinfachungen der Integrale konnen nun in (4.15) eingesetzt werdenund wir erhalten:

u(x, τ) = e(k+1)x

2+

(k+1)2τ4 Φ(d1)− e

(k−1)x2

+(k−1)2τ

4 Φ(d2), (4.18)

wobei wir analog zu d1 definieren: d2 := x√2τ

+√

τ2(k − 1).

Nun ist es an der Zeit, die entsprechenden Rucksubstitutionen durchzufuhren. Fur verhalten wir wegen v(x, τ) = eαx+βτu(x, τ) gemeinsam mit (4.11) und (4.18)

v(x, τ) = exΦ(d1)− e−kτΦ(d2). (4.19)

Unter Verwendung von (4.8) erhalten wir unter Berucksichtigung von

x = ln

(S

K

), τ =

σ2

2(T − t) und k =

2r

σ2,

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welche wieder in die ursprunglichen Variablen ubersetzt, also resubstituiert, werden,den gewunschten Ausdruck fur f(S, t).

Wir erhalten damit fur f(S, t) folgenden Ausdruck:

f(S, t) = SΦ(d1)−Ke−r(T−t)Φ(d2), (4.20)

wobei sich d1 bzw. d2 gemaß der zuvor angefuhrten Resubtitutionen folgendermaßenzusammensetzen:

d1 =ln(SK

)+(r + σ2

2

)(T − t)

σ√T − t

bzw.

d2 =ln(SK

)+(r − σ2

2

)(T − t)

σ√T − t

Wenig uberraschend entspricht dies genau der Preisformel nach Black, Scholes undMerton fur eine europaische Call-Option mit Restlaufzeit T − t, Strike-Preis K undAktienkurs S.

Um nun auch die entsprechende Bewertungsformel fur eine europaische Put-Optionim Black-Scholes-Merton-Modell zu erhalten, welche wir mit g(S, t) bezeichnen, ver-wenden wir die Put-Call-Paritat, welche besagt:

g = f − S + e−r(T−t)K.

Gemeinsam mit (4.20) ergibt sich

g(S, t) = −S(1− Φ(d1)) +Ke−r(T−t)(1− Φ(d2)).

Unter Verwendung folgender zentraler Eigenschaft der Standardnormalverteilung,namlich

∀x ∈ R : 1− Φ(x) = Φ(−x),

was direkt aus der Symmetrie der Gaußschen Glockenkurve um die y-Achse folgt,liefert dies die endgultige Preisformel fur eine europaische Put-Option

g(S, t) = Ke−r(T−t)Φ(−d2)− SΦ(−d1). (4.21)

Dies ist insofern ein spannendes Resultat, als sich der Ausdruck Φ(d2) wegen derLognormalverteilung der Aktienkurse leicht als die Wahrscheinlichkeit, dass die Call-Option ausgeubt wird, interpretieren lasst. In (4.21) kommt hingegen stattdessengenau deren Gegenwahrscheinlichkeit, also Φ(−d2), vor. Schließlich entspricht wegender Form der zugehorigen Payoffs die Wahrscheinlichkeit, einen Put auszuuben genauder Wahrscheinlichkeit, den entsprechenden Call nicht auszuuben.

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5 Das Modell von Louis Bachelier

5.1 Der Prozess fur den Aktienkurs

Wie bereits eingangs erwahnt, gilt Louis Bachelier mit seinen um 1900 aufgestelltenTheorien als Begrunder der modernen Finanzmathematik. Die Betrachtung seiner zudieser Zeit aufgestellten Preisformel fur Optionen ist Gegenstand dieses Kapitels.Als zentrale Annahme erweist sich das Postulat, der mathematische Erwartungswertdes Gewinns fur einen Spekulanten ist 0. (vgl. [1])Auffallend ist hierbei, dass in diesem Kontext der Begriff des risikolosen Zinssatzesr nicht vorkommt. Dies ist insofern zu begrunden, als Bachelier in seinem Modellmit den Forward-Preisen rechnet. Dies entspricht der Verzinsung mit dem risiklosenZinssatz. Nimmt man die Preise a priori als solche an, so verschwindet r klarerweiseaus dem Modell.Obige Annahme uber den erwarteten Gewinn eines Spekulanten ist also von derGrundidee her ahnlich zur Annahme der Absenz von Arbitrage in Black-Scholes. Dortbedeutet dies namlich, dass der diskontierte Preisprozess unter einem risikoneutralenMaß ein Martingal sein soll. Intuitiv kann man den diskontierten Preisprozess alsoals faires Spiel vorstellen, was sich als ahnlich zu der Tatsache, der erwartete Gewinnsei 0 herausstellt. Es sei allerdings an dieser Stelle auch angemerkt, dass Bachelierzum Beispiel das fur Black-Scholes zentrale Konzept des dynamischen Hedgings nochnicht kannte.

Wir modellieren nun, um in weiterer Folge die entsprechende Preisformel fur Optio-nen herleiten zu konnen, den Preisprozess einer Aktie (St)t≥0. Wir orientieren unsdabei im weiteren Verlauf an [6], um unter anderem die Theorie Bachelier’s an diemoderne Terminologie zu adaptieren.Wie bereits in der Einleitung erwahnt, nimmt Bachelier an, die zukunfigen Aktien-kurse seien normalverteilt. Dies wirkt sich nun folgendermaßen auf den Preisprozessder Aktie aus:

St = S0(1 + σW (t)), ∀t ∈ [0, T ]. (5.1)

Dabei entspricht T dem Verfalldatum der entsprechenden Option, welches sich damitauch als sinnvolles Ende des Beobachtungszeitraumes der Aktie ergibt. Die entspre-chende Differentialgleichung lautet:

dSt = S0σdW (t). (5.2)

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Das Fehlen eines Parameters wie µ fur den erwarteten Return lasst sich wieder durchdas Verwenden der Forward-Preise begrunden. Dementsprechend wurde unter diesenAnnahmen die Differentialgleichung fur S aus dem Black-Scholes-Modell, also (4.1),stattdessen die folgende Form annehmen:

dSt = StσdW (t).

Diese Ahnlichkeit lasst vermuten, dass auf hinreichend kleinen Zeitintervallen beideModelle Ahnliches liefern sollten.

5.2 Herleitung der Preisformel

Damit kann nun die Preisformel eines Calls mit Strike-Preis K, welcher implizitwieder an r angepasst sei, und dem Payoff

CT = (ST −K)+

hergeleitet werden. Bezeichne C0 den daraus resultierenden, aktuellen Preis der Op-tion, dann gilt:

C0 = E[(ST −K)+]

(1)=

∫ ∞K−S0

(S0 + x−K)1

S0σ√

2πTexp

− x2

2σ2S20T

dx

(2)= (S0 −K)

∫ ∞K−S0S0σ√T

φ(z) dz + (S0σ√T )

∫ ∞K−S0S0σ√T

zφ(z) dz

(3)= (S0 −K)Φ

(S0 −KS0σ√T

)− (S0σ

√T )φ(z)

∣∣∣∞K−S0S0σ√T

(4)= (S0 −K)Φ

(S0 −KS0σ√T

)+ (S0σ

√T )φ

(S0 −KS0σ√T

).

(5.3)

In (1) haben wir zunachst verwendet, dass ST gemaß (5.2) und den Eigenschaftender Brownschen Bewegung normalverteilt ist mit den Parametern S0 und S2

0σ2T . Die

ZufallsvariableX := ST − S0

ist dann als affine Transformation ebenfalls normalverteilt mit Erwartungswert 0und gleicher Varianz. Schließlich wurden fur (1) noch die Grenzen den Integrals anX angepasst. In (2) wurde das Integral daraufhin aufgespaltet und die Substitution

z :=x

S0σ√T

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durchgefuhrt, um mit der Standardnormalverteilung arbeiten zu konnen. Anschlie-ßend wurde in (3) die Definition von Φ verwendet und folgende Eigenschaft fur dieerste Ableitung von φ:

φ′(x) = −xφ(x).

Dies folgt unmittelbar uber die Kettenregel. Außerdem wurde der Hauptsatz derDifferential- und Integralrechnung benutzt. Abschließend wurde in (4) das Verschwin-den von φ im Unendlichen und deren Symmetrie ausgenutzt.

Um zu sehen, dass die Preise von Black-Scholes und Bachelier fur kleine Restlauf-zeiten T tatsachlich sehr nahe zusammen liegen, betrachten wir eine Proposition aus[6], welche ein spannendes Resultat fur die Preise von At the money Optionen liefert,welches unserer Erwartungshaltung entspricht.

Proposition 5.1. Seien σ > 0, T > 0 und S0 = K, also die Option At the money,dann gilt

0 ≤ CB0 − CBS

0 ≤ S0

12√

2πσ3T

32 = O((σ

√T )3),

wobei CB0 bzw. CBS

0 fur die entsprechenden Preise europaischer Call-Optionen nachBachelier und Black-Scholes stehen.

Beweis. Mit S0 = K, φ(0) = 1√2π

und (5.3) bzw. S0 = K und der Black-Scholes-Formel mit r = 0 folgt:

CB0 =

1√2πS0σ√T , und

CBS0 = S0

(σ√T

2

)− Φ

(−σ√T

2

)).

(∗) bezeichne dabei im Folgenden der Ubersicht halber die (Ruck-)Substitution vonx := σ

√T . Die erste Abschatzung folgt, da die Differenz, als Funktion von x aufge-

fasst, bei x = 0 den Wert 0 liefert und danach, wie man uber die Betrachtung derAbleitung sieht, wegen φ(.) ≤ 1√

2πmonoton wachst. Nun gilt:

0(∗)≤ CB

0 − CBS0 =

S0√2π

∫ x/2

−x/21− exp

− y2

2

dy

(1)

≤ S0√2π

∫ x/2

−x/2y2 dy =

S0√2π

x3

12

(∗)=

S0

12√

2πσ3T

32 .

(5.4)

In (1) wurde die wohlbekannte untere Abschatzung der Exponentialfunktion exp(z) ≥1+z fur z = −y2/2 und ebenfalls y2 ≥ y2/2 verwendet. Ersteres folgt fur z < −1 aufexp(.) ≥ 0 bzw. fur z ≥ −1 aus der Bernoullischen Ungleichung. Die Verwendungdes Landau-Symbols O wie in der Behauptung ist gerechtfertigt, da aufgrund derNichtnegativitat von CB

0 − CBS0 insbesondere dessen Betrag durch die Funktion auf

der rechten Seite abgeschatzt werden kann.

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6 Das Modell von Case Sprenkle

Case M. Sprenkle schlagt in seinem paper Warrant Prices as Indicators of Expeca-tions and Preferences aus dem Jahre 1961 ebenfalls ein Modell zur Bepreisung vonOptionsscheinen vor, welches insbesondere versucht, auch das Risiko implizit durcheinen Parameter zu berucksichtigen. Er postulierte namlich, dass die Entscheidungeneines Investors nicht nur von den erwarteten Ertragen, sondern in besonderem Maßeauch von der Einstellung ebendieses gegenuber des Tragens von Risiken abhangigsind.

Sprenkle nimmt ahnlich wie im BSM-Modell im Gegensatz zu Bachelier an, dass derQuotient aus dem zukunftigen Aktienkurs St und dem aktuellen Preis S0 lognormal-verteilt ist. Negative Aktienkurse werden also in seinem Modell ausgeschlossen. Dassauch in der Realitat die Dynamik von Aktienkursen eher durch eine Lognormalver-teilungen als durch Normalverteilungen modelliert werden kann, wird in Kapitel 9von [8] mithilfe von statistischen Tests gezeigt.Gegeben sei nun eine Call-Option P mit Ausubungspreis K. Bezeichne f nun dieDichte der Verteilung der Aktienkurse am Verfalldatum T . Unter der Berucksichtigungder Form des Payoffs (x − K)+, wobei x einen moglichen Preis der Aktie in T be-zeichnet, in Bezug auf den Integranden ergibt sich fur den erwarteten, aktuellen Wertder Option:

E[P ] =

∫ ∞K

(x−K)f(x) dx. (6.1)

Gemaß obiger Annahme ist damit auch der Aktienkurs zum Zeitpunkt T lognormal-verteilt. Wir konnen also f(x) durch die Dichte der Lognormalverteilung mit denParametern µ und σ ersetzen, welche sich leicht uber den allgemeinen Transformati-onssatz fur Dichten und der Dichte der Normalverteilung herleiten lasst:

E[P ] =

∫ ∞K

(x−K)1√

2πσxe−

(ln x−µ)2

2σ2 dx. (6.2)

Gemaß den Eigenschaften der Lognormalverteilung gilt nun fur den erwarteten Ak-tienpreis am Ende der Laufzeit der Option:

E[ST ] = eµ+0.5σ2

.

Sprenkle nimmt nun an, dass man aus den Erwartungen der Investoren einen Zu-sammenhang zwischen E[ST ] und dem aktuellen Preis der Aktie S0 erhalten kann.

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Es soll also eine Konstante k existieren, sodass gilt:

eµ+0.5σ2

= E[ST ] = kS0.

Durch Logarithmieren und anschließende Umformungen konnen wir diese Gleichungexplizit auf den Parameter µ umformen:

µ = lnS0 + ln k − 1

2σ2.

Dieses Resultat konnen wir nun fur µ in (6.2) einsetzen:

E[P ] =

∫ ∞K

(x−K)1√

2πσxexp

(lnx− lnS0 − ln k + 12σ2)2

2σ2

dx. (6.3)

Diese Gleichung setzt klarerweise voraus, dass der aktuelle Preis der Aktie bekanntist. Dieser Zusammenhang soll nun umgeformt werden. Dazu wird die Substituti-on g := x/S0 durchgefuhrt. (6.3) wird damit unter Berucksichtigung der Jacobi-Determinante und der Dichte h(g) einer Lognormalverteilung mit Parametern µ

und σ, da eine Multiplikation mit einer Konstante bei lognormalverteilten Großennichts an der Varianz andert, zu:

E[P ] =

∫ ∞K/S0

(gS0 −K)h(g) dx. (6.4)

Mithilfe einer weiteren Substitution g′

:= ln(g) erhalten wir durch erneute Anwen-dung des Transformationssatzes und Ausmultiplizieren:

E[P ] =

∫ ∞lnK−lnS0

S0√2πσ

expg′ exp

− 1

2

(g′ − µ′

σ

)2dg′

−∫ ∞lnK−lnS0

K√2πσ

exp

− 1

2

(g′ − µ′

σ

)2dg′.

(6.5)

Fasst man im Integranden des ersten Integrales die Terme mit der Exponential-funktion zusammen und erganzt den Nenner auf ein vollstandiges Quadrat (fur eineschrittweise Ausfuhrung, siehe [8]) mit anschließendem Herausheben des in Bezugauf g

′konstanten Teiles, so wird dieses Integral zu:

eµ′+0.5σ2

∫ ∞lnK−lnS0

S0√2πσ

exp

− 1

2

(g′ − µ′ − σ2

σ

)2dg′. (6.6)

Wegen der aus der in (6.3) durchgefuhrten Substitution resultierenden Festlegungvon µ

′gilt:

µ′= ln k − 1

2σ2

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Nun wird auf k umgeformt. Wir erhalten auf der rechten Seite genau folgenden Faktorvor dem ersten Integral:

k = eµ′+0.5σ2

.

Setzt man dies in (6.6) ein und substituiert man in beiden Integralen in naheliegenderWeise so, dass sich als Integrand genau die Dichte der Standardnormalverteilungjeweils mit einer multiplikativen Konstante ergibt, so wird (6.5) zu:

E[P ] = kS0

∫ ∞B−σ

2

1√2πe−

12z2 dz −K

∫ ∞B+σ

2

1√2πe−

12z2 dz. (6.7)

Dabei sei zur besseren Ubersichtlichkeit B ∈ R definiert als:

B :=lnK − lnS0 − ln k

σ.

Mit (6.7) ist nun der Erwartungswert des Preises der Option berechnet worden.Sprenkle argumentiert nun richtigerweise, dass ein Investor fur jene Option im Allge-meinen nicht den Preis aus (6.7) zahlen mochte. Dies wurde nur unter der Neutralitatin Bezug auf Risiko gelten. Es scheint also naheliegend den Aspekt des Risikos imModell zu berucksichtigen. Da Optionen grundsatzlich ein hoheres Risiko als dieentsprechende Aktie bringen, definiert Sprenkle den Leverage pro Geldeinheit einerOption zunachst als

L =σPσS− 1,

wobei σP und σS der Standardabweichung der Option bzw. der Aktie entsprechen. In[8] kommt Sprenkle aber zu dem Schluss, dass das Finden eines expliziten Ausdruckesvon σP außerst schwierig ist, da P klarerweise nicht linear von S abhangt. Daherwahlt er eine alternative Definition fur den Leverage pro Geldeinheit der Option:

L :=dP/P

dS/S− 1 =

(dP

dS

)(S

P

)− 1. (6.8)

Dies entspricht der relativen Anderung des Optionspreises pro relativer Anderungdes Aktienkurses in einem sehr kleinen Zeitraum minus 1. Sei nun Pe der Preis, denein Investor bereit ist, pro Einheit Leverage zu bezahlen. Dann ergibt sich fur denPreis A, den ein Investor bereit ist, fur eine Option zu zahlen:

A = LPPe =

[(dP

dS

)S − P

]Pe.

Pe ist damit ein Indikator fur die Einstellung des Investors gegenuber Risiko. PositivesPe bedeutet also, der Investor ist sogar bereit, fur zusatzliches Risiko draufzuzahlen.Sprenkle nennt diesen Typ von Investor risk lover. Ist Pe negativ, so mochte derInvestor dann analog fur zusatzliches Risiko bezahlt werden, also einen niedrigeren

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Preis haben, weshalb Sprenkle fur diesen Typ von Investor den Ausdruck risk averterwahlt. Mit diesen Uberlegungen ergibt sich also fur den Preis V der Option, den derInvestor bereit ist, zu zahlen:

V = E[P ] + A. (6.9)

Zur Vereinfachung von Obigem schlagt Sprenkle nun vor, P durch E[P ] und dP/dSdurch dE[P ](S)/dS zu ersetzen, wobei E[P ](S) wie in (6.7) ist, allerdings jetzt mitdem aktuellen Preis der Aktie als Variable, wobei wir eine Auswertung an der Stelle S0

haben wollen. Dies erscheint als Approximation naheliegend. Weiters ist vorteilhaft,dass je nach Vorzeichen von Pe die eine Approximation den Wert vergroßert und dieandere jenen verkleinert. Also gleichen sich die eingefuhrten Fehler teilweise aus.Mit diesen approximativen Veranderungen wird (6.9) zu

V = E[P ] +

[dE[P ](S0)

dSS0 − E[P ]

]Pe

= (1− Pe)E[P ] +dE[P ](S0)

dSS0Pe,

(6.10)

wobei fur die zweite Gleichheit elementare arithmetische Umformungen vorgenom-men worden sind. Fur die Berechnung von E[P ](S)/dS, insbesondere fur S = S0 seiauf den Appendix von [8] verwiesen. Mit der Produkt- und Kettenregel und (6.7)erhalt man fur jene Ableitung:

dE[P ](S0)

dS= k

∫ ∞B−σ

2

1√2πe−

12z2 dz. (6.11)

Setzt man dieses Resultat nun in (6.10) ein, so ergibt sich gemeinsam mit (6.7) furden Preis der Option

V = (1− Pe)(kS0

∫ ∞B−σ

2

1√2πe−

12z2 dz −K

∫ ∞B+σ

2

1√2πe−

12z2 dz

)+ S0Pek

∫ ∞B−σ

2

1√2πe−

12z2 dz

= kS0

∫ ∞B−σ

2

1√2πe−

12z2 dz − (1− Pe)K

∫ ∞B+σ

2

1√2πe−

12z2 dz,

(6.12)

wobei B genauso definiert ist wie unterhalb von (6.7). Verwendet man wie ublich Φals Symbol fur die Verteilungsfunktion, also Φ(z) := P[Z ≤ z], wobei P dem entspre-chenden Wahrscheinlichkeitsmaß fur eine standardnormalverteilte Zufallsvariable Zentspricht, so wird (6.12) ubersichtlicher zu:

V = kS0Φ

(−B +

σ

2

)− (1− Pe)KΦ

(−B − σ

2

). (6.13)

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Dabei haben wir ausgenutzt, dass aufgrund der Symmetrie der Gaußschen Glocken-kurve gilt:

1− Φ(x) = Φ(−x).

Eine weitere Moglichkeit ware nun, die Parameter an die Restlaufzeit anzupassen,um eine mit den Bezeichnungen im Black-Scholes-Merton-Modell konsistente Nota-tion zu erlangen. Die Varianz σ2 wurde in [8] als Bezeichnung einfach fur die Varianzin der Lognormalverteilung des Aktienkurses am Ende einer beliebigen aber festenRestlaufzeit gewahlt. Nimmt man an, dass die Standardabweichung linear von derWurzel der Restlaufzeit abhangt, so existiert eine Darstellung als σ

′√T − t, wobei

T − t der Restlaufzeit der Option entspricht und σ′

der zeitlich normierten Standard-abweichung.Dies wurde dann der Auffassung der Sprenkle-Formel von Black und Scholes in [2]auf Seite 639 entsprechen.

Als besonders problematisch stellt sich im Modell die Schatzung der Parameter kund Pe, also dem Quotienten E[ST ]/S0 und dem Preis pro Einheit Leverage, dar.Außerdem handelt es sich um sehr spezifische Parameter, welche in den beiden vor-angehenden Modellen nicht vorkommen.Sprenkle muss sogar feststellen, dass ihm eine sinnvolle, gute Schatzung von k undPe auf empirischem Wege nicht moglich ist. Dies ist also ein entscheidender Grund,weshalb das Black-Scholes-Modell aus heutiger Sicht dem von Sprenkle vorzuziehenist.

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Literaturverzeichnis

[1] Louis Bachelier. Theorie de la Speculation. Paris, 1900.

[2] Fischer Black and Myron Scholes. The Pricing of Options and Corporate Liabi-lities. The Journal of Political Economy, 81(3):637–654, 1973.

[3] P.P. Boyle and F. Boyle. Derivatives: The Tools that Changed Finance. RiskBooks, 2001.

[4] Z. Brzezniak and T. Zastawniak. Basic Stochastic Processes. Springer Verlag,London, 1999.

[5] John C. Hull. Optionen, Futures und andere Derivate. Pearson Studium,Munchen, 9 edition, 2015.

[6] Walter Schachermayer and Josef Teichmann. How close are the Option PricingFormulas of Bachelier and Black-Merton-Scholes? Wien, 2008. https://people.math.ethz.ch/~jteichma/finalversion071108.pdf.

[7] Steven E. Shreve. Stochastic Calculus for Finance II. Continuous Time Models.Springer Verlag, New York, 2004.

[8] Case Sprenkle. Warrant Prices as Indications of Expectations. Yale Econ. Essays1, pages 179–232, 1961. Reprinted in Cootner(1967), 412–474.

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