SONDERAUSGABE FINANZBERATUNG T Mit Spareinlagen lässt sich kaum noch etwas verdienen, Vertriebsprovisionen sind mau. Da wird gerne über die Kosten des Anlegerschutzes gestöhnt T Ein Rückzug aus der Beratung des Durchschnittsanlegers könnte ein Ausweg sein - es sei denn, dieser ist bereit, für das Gespräch gesondert zu zahlen KARSTEN SEIBEL FRANKFURT/MAIN G eht es nach den Betreuern der gehobenen Klientel, ist die Sache klar: „Wer künftig nicht in einer be- stimmten Größenordnung investiert, erhält einfach nicht mehr je- des Angebot“, sagt Stefan Schüller, Chef des zum Oetker-Imperium gehörenden Bankhaus Lampe. Anderes ließen die im- mer neuen Vorschriften im Sinne des Anlegerschutzes kaum noch zu. „Die ganzen Regelungen gehen an der Le- benswirklichkeit vorbei, aus dem Private Banking wird eine Papierfabrik“, so Schüller. Auch Horst Schmidt, Chef der Bethmann Bank, kann sich schnell in Ra- ge reden, wenn das Gespräch auf Pro- duktinformationsblätter und Beratungs- protokolle kommt. „Das Protokoll bringt den Kunden in unserem Segment kaum Vorteile, es verursacht nur Kosten“, sagt er. Es habe weder für die Bank noch den Kunden Sinn, für jeden Kauf eines Fonds oder Verkauf einer Aktie wieder ein sol- ches, mehrseitiges Schriftstück anzufer- tigen. Das Argument, dass das Gesetz zum Schutz der kleinen, unerfahrenen Sparer gemacht wurde, lässt Schmidt nicht gelten. Letztlich sei doch gerade im Massengeschäft die Folge solch kos- tenintensiver Vorschriften, dass die Ban- ken sich aus der Beratung immer weiter zurückziehen. Schon sprechen einige vom Ende der Anlageberatung für Privatkunden, zu- mindest für die Masse. Statt aufwendi- ger Gespräche mit ungewissem Ausgang und damit ungewissen Einnahmen, spie- len einige Geldhäuser tatsächlich mit dem Gedanken, sich ganz auf das Ge- schäft mit den Reichen zu konzentrieren und die breite Kundschaft mit einigen wenigen Standardprodukten zu versor- gen - immer gleich, immer einfach, im- mer massentauglich, quasi „Finanzpro- dukte to Go“. Dem Finanzberater vor Ort käme dann nur noch die Rolle zu, sich zu Beginn des Gesprächs nach dem Wohlbefinden des Kunden zu erkundi- gen und am Ende dem Partner zu Hause Grüße auszurichten. Die eigentlichen Empfehlungen spuckt der Computer aus. Die Voraussetzungen für solch eine kompromisslose Systemberatung gibt es bereits heute in großen Banken. Der schöne Nebeneffekt aus Sicht der Fi- nanzdienstleister: Das Risiko, dass ein einzelner Berater Fehler macht und sein Arbeitgeber dafür haften muss, kann so minimiert werden. Die Anlegerschutzvorschriften treffen Banken und Vermögensverwalter in ei- ner ihrer größten Krise. Mit Spareinla- gen lässt sich angesichts der niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten kaum noch etwas verdienen und auch die Ver- triebsprovisionen tröpfeln eher als dass sie sprudeln wie in der Vorkrisenzeit. Die Hoffnung, dass sich dies in absehba- rer Zeit wieder ändern wird, die Zinsen steigen und die Kunden wieder Lust auf Fonds und Zertifikate haben, ist bei den meisten in der Branche längst verflogen. Die nach dem Schock durch die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers vor vier Jahren ausgegebenen Durchhalteparolen sind verhallt, neue wagt kaum noch einer auszusprechen. Die Branche wird sparen müssen. We- niger Filialen, weniger Berater, ist die Devise. Nicht nur bei der Deutschen Bank und der Commerzbank wird der- zeit intensiv über ein Abbauprogramm nachgedacht. Die Banken müssten in ih- rem Privatkundengeschäft klare Schritte einleiten, um sich auf die neuen Realitä- ten einzustellen, schrieben unlängst die Unternehmensberater der Boston Con- sulting Group. In den kommenden vier Jahren würden die Erträge im Massenge- schäft mit Privatkunden von 17,5 Milliar- den auf 15,1 Milliarden Euro zurückge- hen. Und dann heißt es in der typischen, etwas hochtrabend daherkommenden Sprache der Unternehmensberater: „Als Gewinner werden diejenigen Banken hervorgehen, die sich neben niedrigen Kosten durch einen klar erlebbaren Mehrwert für den Kunden vom Wettbe- werb absetzen können.“ Das Vertrackte daran ist allerdings, dass viele Kunden unter gutem Service nicht mehr unbedingt eine gute Bera- tung verstehen - schlicht, weil sie dies Banken nicht mehr zutrauen. Laut einer Umfrage der Wirtschaftsberatung Erns- t&Young fragen 69 Prozent der Men- schen als erstes Verwandte und Freunde, wenn es um Finanzprodukte geht, 58 Prozent nutzen Vergleichsportale im In- ternet, für 49 Prozent helfen Beiträge in Medien bei der Entscheidung. Erst da- nach folgen mit 44 Prozent die Banken bei der Frage nach der bevorzugten In- formationsquelle. Die Ergebnisse einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Forsa Brandcontrol unter 500 Top-Ver- dienern mit einem jährlichen Bruttoein- kommen von mindestens 200.000 Euro zeichnen ein ähnliches Bild. Trotz der andauernden Krise wird das Wissen der Banken immer weniger geschätzt. Bei der Anlage des Vermögens verlassen sie sich häufiger auf ihr Bauchgefühl und weniger auf den Rat eines Betreuers. Ob sie damit erfolgreicher sind als in der Vergangenheit, ist eine andere Frage. Und dass sie sich deshalb ganz von den Banken abwenden, ist dann auch nicht zu erwarten. Gerade bei den wenigen großen Finanzentscheidungen im Leben eines Privatkunden können und wollen viele auf einen Berater nicht verzichten, dazu gehört die Finanzierung des Eigen- heims und die Absicherung der Familie. Auch Oliver Mihm, Chef der Unterneh- mensberatung Investors Marketing, geht davon aus, dass die wichtigsten Ent- scheidungen auch in Zukunft im persön- lichen Gespräch getroffen werden und nicht zu Hause am Computer. „Die Ziel- gruppe der Direktbanken liegt bundes- weit bei fast 25 Prozent, der Anteil wird stetig wachsen, aber nicht so schnell wie in der Vergangenheit“, sagt er. Wer auch als „Normalkunde“ eine umfassende Beratung will und mehr als Standardprodukte erhalten möchte, wird also künftig möglicherweise zahlen müs- sen. Bislang hat sich allerdings gezeigt, dass dazu nur wenige bereit sind. Die jahrzehntelange Erziehung der Anleger und Sparer durch die Banken, dass es die Beratung scheinbar kostenlos gibt, zeigt nachhaltige Wirkung. Wie viel Geld bei- spielsweise für den Kauf einer Lebens- versicherung oder eines Fonds an den Vertrieb geht, ist vielen Kunden nicht klar. Sie unterschreiben den Kaufauftrag und gehen. Die Bundesregierung hat es bislang nicht geschafft, zumindest einen rechtli- chen Rahmen für die Honorarberatung zu schaffen. Dies soll sich allerdings nun ändern. So kündigte Bundesfinanzminis- ter Wolfgang Schäuble (CDU) unlängst an, im November einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Dadurch soll die Honorarberatung auf eine neue Grundlage gestellt werden. Provisions- basierte Modelle könnten Fehlanreize zu einer schlechten Beratung des Anlegers setzen, sagte er. Ganz verbieten will die Bundesregierung die Provisionen aller- dings nicht. Verbraucherschutzministe- rin Ilse Aigner (CSU) betont stets, dass es nicht darum gehe, sich für eine Bera- tungsform zu entscheiden. Der Kunde müsse nur die Wahl haben und wissen, wofür er bezahlt. Ein generelles Provisionsverbot ist auch in Brüssel vom Tisch, zumindest wenn es nach dem EU-Parlament geht. Die Abgeordneten im Wirtschaftsaus- schuss des Parlaments sprachen sich da- gegen aus. Provisionen sollen generell erlaubt bleiben, müssen allerdings voll- ständig ausgewiesen werden, lautet die Linie. Die EU-Kommission wollte ur- sprünglich, dass sich Banken und Ver- mögensverwalter entscheiden müssen, ob sie künftig unabhängig oder abhängig von einem oder mehreren Herstellern von Finanzprodukten beraten wollen. Wer sich für unabhängig erklärte, hätte ganz auf Vertriebsprovisionen verzich- ten müssen. Noch ist die Sache nicht entschieden. Das Parlament muss sich noch mit den Finanzministern der Mit- gliedsländer und der Kommission auf die genaue Regelung einigen. Vor 2014, eini- ge sagen 2015, wird sich nichts ändern. Revolution der Anlageberatung Finanzdienstleister müssen sich entscheiden: Welcher Kunde kann künftig noch wie intensiv betreut werden GETTY IMAGES/ILLUSTRATION WORKS/GETTY Wenn ein Berater für eine Bank, Spar- kasse oder einen anderen großen Finanz-Dienstleister arbeitet, weckt das häufig Misstrauen. Wird er oder sie nicht im Zweifel ein Produkt aus ei- genem Hause verkaufen? Das mag in vielen Fällen so sein. Und doch sind die Kunden häufig mit der gebotenen Leistung zufrieden. Die rund 25.000 Kundenbewertungen auf dem Online- Portal „WhoFinance“ zeigen jedenfalls: Auch Großkonzerne können gut bera- ten. Die Berater von MLP etwa sind zwar nicht an eine bestimmte Produkt- welt gebunden, jedoch von Provisionen abhängig. Und trotzdem erhielten sie in der Vergangenheit die besten Be- wertungen auf dem WhoFinance- Portal. (siehe Tabelle). Die Honorarbe- rater der Quirin Bank liegen auf Platz zwei, und schon auf drei folgt die Deut- sche Bank. Seit Bestehen der Plattform haben Kunden rund 25.000 Bewertun- gen für Berater abgegeben. EINE JURY MIT 25.000 MITGLIEDERN IMPRESSUM: Chefredakteur: Jan-Eric Peters; V.i.s.d.P.: Thomas Exner; Gestaltung: Carina Passlack; Redaktion: Michael Fabricius; Anzeigen: Stephan Madel DONNERSTAG, 27. SEPTEMBER 2012